14.037 Botschaft über die Gewährleistung der geänderten Verfassungen der Kantone Zürich, Bern, Zug, Solothurn, Basel-Landschaft, Graubünden und Waadt vom 14. Mai 2014

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen hiermit den Entwurf zu einem einfachen Bundesbeschluss über die Gewährleistung der geänderten Verfassungen der Kantone Zürich, Bern, Zug, Solothurn, Basel-Landschaft, Graubünden und Waadt mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

14. Mai 2014

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Didier Burkhalter Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2014-0572

3723

Übersicht Der Bundesversammlung wird beantragt, mit einfachem Bundesbeschluss Änderungen in den Kantonsverfassungen der Kantone Zürich, Bern, Zug, Solothurn, Basel-Landschaft, Graubünden und Waadt zu gewährleisten. Die Verfassungsänderungen betreffen ganz unterschiedliche Themen. Sie sind alle bundesrechtskonform; die Gewährleistung kann somit erteilt werden.

Nach Artikel 51 Absatz 1 der Bundesverfassung gibt sich jeder Kanton eine demokratische Verfassung. Diese bedarf der Zustimmung des Volkes und muss revidiert werden können, wenn die Mehrheit der Stimmberechtigten es verlangt. Nach Absatz 2 des gleichen Artikels bedürfen die Kantonsverfassungen der Gewährleistung des Bundes. Steht eine kantonale Verfassungsbestimmung im Einklang mit dem Bundesrecht, so ist die Gewährleistung zu erteilen; erfüllt sie diese Voraussetzung nicht, so ist die Gewährleistung zu verweigern.

Die vorliegenden Verfassungsänderungen haben zum Gegenstand: im Kanton Zürich: ­

Abschaffung des konstruktiven Referendums;

im Kanton Bern: ­

Förderung von Gemeindezusammenschlüssen;

im Kanton Zug: ­

Majorzwahl für Exekutiven;

­

Wahlverfahren für den Kantonsrat;

­

Unvereinbarkeitsregelung für Verwandte und Verschwägerte;

­

Unvereinbarkeitsregelung für Regierungsratsmitglieder;

im Kanton Solothurn: ­

Kantonalisierung der heilpädagogischen Sonderschulen;

im Kanton Basel-Landschaft: ­

Erhebung einer Gasttaxe durch den Kanton;

im Kanton Graubünden: ­

Abschaffung des ausserordentlichen Behördenreferendums;

im Kanton Waadt: ­

Anpassung der Verfassungsterminologie an die Änderung des Zivilgesetzbuches beim Kindes- und Erwachsenenschutz.

Sämtliche Änderungen stehen im Einklang mit dem Bundesrecht; sie sind deshalb zu gewährleisten.

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Botschaft 1

Die einzelnen Revisionen

1.1

Verfassung des Kantons Zürich

1.1.1

Kantonale Volksabstimmung vom 23. September 2012

Die Stimmberechtigten des Kantons Zürich haben in der Volksabstimmung vom 23. September 2012 der Aufhebung von Artikel 35 der Verfassung des Kantons Zürich vom 27. Februar 20051 (KV-ZH) (Abschaffung des konstruktiven Referendums) mit 201 080 Ja gegen 136 286 Nein zugestimmt. Mit Schreiben vom 7. November 2012 ersucht der Regierungsrat des Kantons Zürich um die eidgenössische Gewährleistung.

1.1.2

Abschaffung des konstruktiven Referendums

Bisheriger Text

Neuer Text

Art. 35

Art. 35 Aufgehoben

Referendum mit Gegenvorschlag von Stimmberechtigten 1 3000 Stimmberechtigte können das Referendum ergreifen, indem sie zu einer Vorlage innert 60 Tagen nach ihrer amtlichen Veröffentlichung einen ausformulierten Gegenvorschlag einreichen.

2 Der Kantonsrat nimmt zu diesem Gegenvorschlag Stellung.

Das konstruktive Referendum bildete eine Alternative zum normalen Referendum, das ebenfalls nur 3000 Unterschriften benötigt. Es war mit der neuen Kantonsverfassung aus dem Jahre 2005 eingeführt worden. Das konstruktive Referendum wurde mehrfach ergriffen. Zwei Mal kamen zwei Gegenvorschläge zustande. Dies führte zu einem komplizierten Abstimmungsverfahren mit mehreren Haupt- und Stichfragen. Dabei zeigte sich, dass die Stimmbeteiligung tiefer ausfiel als bei andern Vorlagen, die gleichentags zur Abstimmung kamen. Der Kantonsrat schlug aus diesen Gründen die Abschaffung vor. Die Regelung der politischen Rechte in kantonalen Angelegenheiten ist Sache der Kantone (vgl. Art. 39 der Bundesverfassung2, BV).

Die Änderung der KV-ZH ist bundesrechtskonform; die Gewährleistung kann demnach erteilt werden.

1 2

SR 131.211 SR 101

3725

1.2

Verfassung des Kantons Bern

1.2.1

Kantonale Volksabstimmung vom 23. September 2012

Die Stimmberechtigten des Kantons Bern haben in der Volksabstimmung vom 23. September 2012 den neuen Absätzen 4 und 5 von Artikel 108, der Änderung der Absätze 2 und 3 des gleichen Artikels sowie der Änderung von Artikel 113 Absatz 3 der Verfassung des Kantons Bern vom 6. Juni 19933 (KV-BE) (Förderung von Gemeindezusammenschlüssen) mit 166 672 Ja gegen 102 406 Nein zugestimmt. Mit Schreiben vom 7. November 2012 ersucht der Regierungsrat des Kantons Bern um die eidgenössische Gewährleistung.

1.2.2

Förderung von Gemeindezusammenschlüssen

Bisheriger Text

Neuer Text

Art. 108 Abs. 2 und 3 2 Der Grosse Rat kann durch Beschluss eine Gemeinde bilden, aufheben oder ihr Gebiet verändern. Die betroffenen Gemeinden sind anzuhören.

3 Die Aufhebung einer Gemeinde bedarf ihrer Zustimmung.

Art. 108 Abs. 2 und 3 sowie Abs. 4 und 5 2 Der Regierungsrat genehmigt die Bildung, Aufhebung oder Veränderung des Gebiets sowie den Zusammenschluss von Gemeinden, wenn die betroffenen Gemeinden zugestimmt haben. Lehnt er die Genehmigung ab, entscheidet der Grosse Rat.

3 Der Grosse Rat kann den Zusammenschluss von Gemeinden gegen ihren Willen anordnen, wenn es überwiegende kommunale, regionale oder kantonale Interessen erfordern. Die betroffenen Gemeinden sind vorher anzuhören.

4 Das Gesetz regelt das Nähere, insbesondere die Voraussetzungen und das Verfahren für die Anordnung eines Zusammenschlusses von Gemeinden gegen ihrenWillen.

5 Der Kanton fördert den Zusammenschluss von Gemeinden

Art. 113 Abs. 3 3 Durch einen Finanzausgleich ist die Steuerkraft der Einwohnergemeinden auszugleichen, und es sind ausgewogene Verhältnisse in der Steuerbelastung anzustreben.

Art. 113 Abs. 3 3 Durch einen Finanzausgleich ist die Steuerkraft der Einwohnergemeinden auszugleichen, und es sind ausgewogene Verhältnisse in der Steuerbelastung anzustreben. In den gesetzlich vorgesehenen Fällen können Leistungen aus dem Finanzausgleich gekürzt oder verweigert werden.

Der Kanton Bern weist mit 382 Gemeinden schweizweit die höchste Zahl von Gemeinden auf. Viele von ihnen haben weniger als 500 Einwohner. Nicht selten kommt es deshalb zu Gemeindefusionen. Neu bewilligt nun der Regierungsrat Veränderungen im Gemeindegebiet. Der Grosse Rat kann allenfalls den Zusammenschluss von Gemeinden anordnen, wenn überwiegende kommunale, regionale oder kantonale Interessen es erfordern. Sein Beschluss untersteht dem fakultativen Refe3

SR 131.212

3726

rendum. Die Kantonsverfassung regelt damit einen Aspekt der Gemeindeautonomie neu. Deren Ausmass bestimmt sich nach kantonalem Recht (vgl. Art. 50 Abs. 1 BV).

Der Zusatz in Artikel 113 Absatz 3 KV-BE erlaubt es, in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen Leistungen aus dem kantonalen Finanzausgleich zu kürzen oder zu verweigern. Auch der kantonale Finanzausgleich liegt im Kompetenzbereich der Kantone.

Die Änderungen der KV-BE sind bundesrechtskonform; die Gewährleistung kann demnach erteilt werden.

1.3

Verfassung des Kantons Zug

1.3.1

Kantonale Volksabstimmungen vom 9. Juni 2013 und vom 22. September 2013

Die Stimmberechtigten des Kantons Zug haben in der Volksabstimmung vom 9. Juni 2013 den geänderten Absätzen 2 und 3 von Paragraf 78 der Verfassung des Kantons Zug vom 31. Januar 18944 (KV-ZG) (Majorzinitiative) mit 19 420 Ja gegen 11 498 Nein zugestimmt.

Am 22. September 2013 nahmen die Stimmberechtigten drei weitere Vorlagen zur Änderung der Kantonsverfassung an: ­

Mit 26 497 Ja gegen 6392 Nein stimmten sie dem geänderten und ergänzten Paragrafen 38 sowie dem neuen Absatz 2a von Paragraf 78 KV-ZG (Sitzzuteilung für den Kantonsrat) zu.

­

Mit 27 756 Ja gegen 5282 Nein stimmten sie dem geänderten Paragrafen 20 KV-ZG (Unvereinbarkeit bei Verwandten und Verschwägerten) zu.

­

Mit 27 908 Ja gegen 5112 Nein nahmen sie den geänderten Paragrafen 45 Absatz 2 KV-ZG (Unvereinbarkeit für Regierungsratsmitglieder) an.

Mit Schreiben vom 21. Oktober 2013 ersucht die Staatskanzlei des Kantons Zug um die eidgenössische Gewährleistung.

1.3.2

Majorzwahl für Exekutiven

Bisheriger Text § 78 Abs. 2 und 3 2 Bei diesen Wahlen muss, sobald in einem Wahlkreise mehr als zwei Mitglieder in die gleiche Behörde zu wählen sind, der Grundsatz des proportionalen Wahlverfahrens (Minderheitsvertretung) zur Anwendung kommen.

3 Die Mitglieder der Gerichte werden im Majorzverfahren gewählt.

4

Neuer Text § 78 Abs. 2 und 3 Bei den Wahlen der Mitglieder des Kantonsrates und des Grossen Gemeinderates muss, sobald in einem Wahlkreise mehr als zwei Mitglieder in die gleiche Behörde zu wählen sind, der Grundsatz des proportionalen Wahlverfahrens zur Anwendung kommen.

3 Die übrigen Wahlen werden im Majorzverfahren durchgeführt.

2

SR 131.218

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Bisher waren die Exekutiven im Proporz gewählt worden. Mit dem Systemwechsel kommt das Majorzverfahren zur Anwendung für die Mitglieder des Regierungsrates (wie in 24 andern Kantonen), der Gemeinderäte, der Einwohner-, Bürger-, Kirchund Korporationsgemeinden sowie der Rechnungsprüfungskommissionen.

Diese Änderung der KV-ZG ist bundesrechtskonform; die Gewährleistung kann demnach erteilt werden.

1.3.3

Wahlverfahren für den Kantonsrat

Bisheriger Text

Neuer Text

§ 38 Abs. 1 und 2 1 Die gesetzgebende und aufsehende Gewalt übt der Kantonsrat aus. Derselbe besteht aus wenigstens 70 und höchstens 80 Mitgliedern.

Die Mitglieder des Kantonsrates werden durch die Einwohnergemeinden nach Massgabe der nachgeführten Bevölkerungsstatistik (Stand Ende Dezember des vorangehenden Kalenderjahres) gewählt.

2 Durch Kantonsratsbeschluss wird jeweilen festgesetzt, auf welche Bevölkerungszahl oder einen Bruchteil je ein Mitglied in den Kantonsrat zu wählen ist.

§ 38 Abs. 1, 2, 3 und 4 Die gesetzgebende und aufsehende Gewalt übt der Kantonsrat aus. Derselbe besteht aus 80 Mitgliedern.

2 Die Gesamterneuerungswahlen des Kantonsrats richten sich nach dem Grundsatz des proportionalen Wahlverfahrens.

3 Wahlkreise sind die Einwohnergemeinden.

Die Zahl der Kantonsratssitze der Wahlkreise wird durch einfachen Kantonsratsbeschluss nach Massgabe der nachgeführten Bevölkerungsstatistik (im Vorjahr veröffentlichte Zahlen des Bundes der ständigen Wohnbevölkerung) festgelegt. Jedem Wahlkreis werden mindestens zwei Sitze zugeteilt.

4 Die Zuteilung der Sitze aufgrund der Stimmenzahlen erfolgt zuerst an die Parteien und politischen Gruppierungen entsprechend deren Wählerstärke im Kanton. Danach werden die Sitze der Parteien und politischen Gruppierungen auf die Wahlkreise nach Massgabe ihrer Sitzzahl gemäss Absatz 3 zugeteilt (doppeltproportionales Zuteilungsverfahren).

1

§ 78 Abs. 2a 2a Die Gesamterneuerungswahlen des Kantonsrats richten sich nach dem Verhältniswahlrecht im Sinne von § 38.

Neu wird die Mitgliederzahl des Kantonsrats auf Verfassungsstufe festgelegt.

Das Bundesgericht stellte mit Urteil vom 20. Dezember 20105 fest, dass das bisherige Proporzwahlverfahren im Kanton Zug für die Wahl des Kantonsrats vor der Bundesverfassung nicht standhält, weil die Wahlkreise (Gemeinden) unterschiedlich gross sind und deshalb nicht jede Wählerstimme das gleiche Gewicht hat. Der Kantonsrat beabsichtigte in der Folge, den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern zwei Varianten für ein neues Wahlrecht vorzulegen, verzichtete aber darauf, weil das Bundesgericht eine der angefochtenen Varianten mit Urteil vom 10. Juli 20136 als bundesrechtswidrig erklärte. Die nun angenommene Variante basiert auf dem Ver-

5 6

BGE 136 I 376 BGE 139 I 195

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fahren «Doppelter Pukelsheim».7 Dieses wird bereits in den Kantonen Zürich, Schaffhausen und Aargau für die Kantonsratswahlen angewandt.

Die Zuteilung der Anzahl Sitze pro Gemeinde im Kantonsrat erfolgt neu nach der ständigen Wohnbevölkerung. Ausserdem wird das bisherige Gewohnheitsrecht, wonach jede Gemeinde mindestens zwei Sitze im Kantonsrat hat, in der Verfassung festgeschrieben.

Diese Änderungen der KV-ZG sind bundesrechtskonform; die Gewährleistung kann demnach erteilt werden.

1.3.4

Unvereinbarkeitsregelung für Verwandte und Verschwägerte

Bisheriger Text

Neuer Text

§ 20 Abs. 1 Einleitungssatz und Bst. b sowie Abs. 2 1 In einer richterlichen oder verwaltenden Behörde dürfen nicht gleichzeitig Mitglieder sein: b. Verwandte und Verschwägerte in gerader Linie oder bis zum vierten Grade in der Seitenlinie; 2 Das gleiche ist zu beobachten zwischen Präsident und Schreiber einer solchen Behörde.

§ 20 Abs. 1 Einleitungssatz und Bst. b sowie Abs. 2 1 In einer richterlichen oder vollziehenden Behörde dürfen nicht gleichzeitig Mitglieder sein: b. Verwandte und Verschwägerte in gerader Linie oder bis zum dritten Grade in der Seitenlinie; 2 Das Gleiche ist zu beachten zwischen Mitgliedern und Schreiberin oder Schreiber einer solchen Behörde.

Die Regeln über die Unvereinbarkeit stellen sicher, dass die Mitglieder der Behörden unabhängig sind und frei von Interessenkonflikten handeln und entscheiden können. Die bisherigen Vorschriften zur Unvereinbarkeit bei Verwandtschaft und Schwägerschaft wurden als veraltet und als zu weit gehend erachtet. Sie werden deshalb auf den dritten Verwandtschaftsgrad in der Seitenlinie beschränkt (z. B. für Onkel und Tanten und ihre Neffen und Nichten). Für die Schreiberinnen und Schreiber wird die Unvereinbarkeit wegen Verwandtschaft und Schwägerschaft neu auf alle Mitglieder einer richterlichen oder vollziehenden Behörde ausgedehnt.

Auch diese Änderung der KV-ZG ist bundesrechtskonform; die Gewährleistung kann demnach erteilt werden.

7

Vgl. Proporzwahlsysteme im Vergleich. Bericht der Bundeskanzlei vom 21. August 2013 an den Bundesrat, Ziff. 2.6 und Ziff. 2.8.3 Bst. b; abrufbar unter: www.bk.admin. ch > Themen > Politische Rechte > Nationalratswahlen.

3729

1.3.5

Unvereinbarkeitsregelung für Regierungsratsmitglieder

Bisheriger Text

Neuer Text

§ 45 Abs. 2 2 In den eidgenössischen Raten dürfen gleichzeitig nicht mehr als zwei Mitglieder des Regierungsrates sitzen.

§ 45 Abs. 2 2 In den eidgenössischen Räten dürfen keine Mitglieder des Regierungsrates sitzen.

Mit dem Verbot für Regierungsrätinnen und Regierungsräte, Einsitz in den Nationaloder Ständerat zu nehmen, soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass beide Ämter sehr anspruchsvoll und zeitintensiv sind. Mit dem Verbot des Doppelmandates können die Gewählten ihre ganze Kraft auf das einzelne Amt konzentrieren, und es können keine Interessenkonflikte entstehen. Das Verbot des Doppelmandates gilt auch in verschiedenen anderen Kantonen.

Auch diese Änderung der KV-ZG ist bundesrechtskonform; die Gewährleistung kann demnach erteilt werden.

1.4

Verfassung des Kantons Solothurn

1.4.1

Kantonale Volksabstimmung vom 14. April 2013

Die Stimmberechtigten des Kantons Solothurn haben in der Volksabstimmung vom 14. April 2013 dem geänderten Artikel 10 Absätze 1 und 2 der Verfassung des Kantons Solothurn vom 8. Juni 19868 (KV-SO) (Kantonalisierung der heilpädagogischen Sonderschulen) mit 50 403 Ja gegen 8359 Nein zugestimmt. Mit Schreiben vom 19. April 2013 ersucht die Staatskanzlei des Kantons Solothurn um die eidgenössische Gewährleistung.

1.4.2

Kantonalisierung der heilpädagogischen Sonderschulen

Bisheriger Text

Neuer Text

Art. 105 Abs. 1 und 2 1 Die Einwohnergemeinden errichten und führen die Volksschulen; der Kindergarten ist Teil der Volksschule.

2 Der Kanton errichtet und führt die übrigen öffentlichen Schulen.

Art. 105 Abs. 1 und 2 1 Die Einwohnergemeinden errichten und führen die Volksschulen mit Ausnahme der sonderpädagogischen Institutionen; der Kindergarten ist Teil der Volksschule. Der Kanton beteiligt sich an den Kosten.

2 Der Kanton errichtet und führt sonderpädagogische Institutionen und die übrigen öffentlichen Schulen.

Bisher waren die Einwohnergemeinden zuständig für die fünf heilpädagogischen Sonderschulen in Balsthal, Breitenbach, Grenchen, Olten und Solothurn. Finanziert werden die heilpädagogischen Institutionen seit der Neuverteilung der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen im Jahr 2008 hauptsächlich vom Kanton. Mit der 8

SR 131.221

3730

Änderung von Artikel 105 Absätze 1 und 2 KV-SO übernimmt der Kanton nun auch die Verantwortung für Organisation und Betrieb. Das Schulwesen liegt im Kompetenzbereich der Kantone (vgl. Art. 62 BV).

Die Änderung der KV-SO ist bundesrechtskonform; die Gewährleistung kann demnach erteilt werden.

1.5

Verfassung des Kantons Basel-Landschaft

1.5.1

Kantonale Volksabstimmung vom 3. März 2013

Die Stimmberechtigten des Kantons Basel-Landschaft haben in der Volksabstimmung vom 3. März 2013 dem neuen Artikel 131 Absatz 1 Buchstabe i der Verfassung des Kantons Basel-Landschaft vom 17. Mai 19849 (KV-BL) (Erhebung Gasttaxe) mit 52 285 Ja gegen 23 935 Nein zugestimmt. Mit Schreiben vom 8. April 2013 ersucht die Landeskanzlei des Kantons Basel-Landschaft um die eidgenössische Gewährleistung.

1.5.2

Erhebung einer Gasttaxe durch den Kanton Neuer Text § 131 Abs. 1 Bst. i [Der Kanton erhebt:] i. Gasttaxen.

1

Die neu eingeführte Gasttaxe ist von im Kanton übernachtenden Gästen zu bezahlen.

Mit dem Ertrag werden Dienstleistungen für die Gäste finanziert. Die neue Zwecksteuer benötigt nach kantonalem Verfassungsrecht eine verfassungsrechtliche Grundlage.

Die Änderung der KV-BL ist bundesrechtskonform; die Gewährleistung kann demnach erteilt werden.

1.6

Verfassung des Kantons Graubünden

1.6.1

Volksabstimmung vom 3. März 2013

Die Stimmberechtigten des Kantons Graubünden haben in der Volksabstimmung vom 3. März 2013 der Aufhebung von Artikel 16 Ziffer 6 der Verfassung des Kantons Graubünden vom 18. Mai / 14. September 200310 (KV-GR) (ausserordentliches Behördenreferendum) mit 40 203 Ja gegen 23 575 Nein zugestimmt. Mit Schreiben vom 21. März 2013 ersucht die Standeskanzlei des Kantons Graubünden um die eidgenössische Gewährleistung.

9 10

SR 131.222.2 SR 131.226

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1.6.2

Aufhebung des ausserordentlichen Behördenreferendums

Bisheriger Text

Neuer Text

Art. 16 Ziff. 6 [Der Volksabstimmung werden unterstellt:] 6. Geschäfte, die der Grosse Rat von sich aus zur Abstimmung bringen will.

Art. 16 Ziff. 6 [Der Volksabstimmung werden unterstellt:] 6. Aufgehoben

Das ausserordentliche Behördenreferendum ist mit der Totalrevision der Kantonsverfassung geschaffen worden und seit Anfang 2004 in Kraft. Bisher konnte sich der Grosse Rat nie auf den Einsatz dieses Instruments einigen. Er hält es für unnötig, untauglich und verfassungs- und staatspolitisch fragwürdig, da heikle Entscheide, die in der Verantwortung des Grossen Rats liegen, nicht an das Volk delegiert werden sollen. Die Regelung der politischen Rechte in kantonalen Angelegenheiten ist Sache der Kantone (vgl. Art. 39 BV).

Die Änderung der KV-GR ist bundesrechtskonform; die Gewährleistung kann demnach erteilt werden.

1.7

Verfassung des Kantons Waadt

1.7.1

Volksabstimmung vom 25. November 2012

Die Stimmberechtigten des Kantons Waadt haben in der Volksabstimmung vom 25. November 2012 die Änderungen der Artikel 74 und 142 der Verfassung des Kantons Waadt vom 14. April 200311 (KV-VD) (Anpassung der Verfassungsterminologie an die Änderung des Zivilgesetzbuchs beim Kindes- und Erwachsenenschutz) mit 97 704 Ja gegen 4470 Nein zugestimmt. Mit Schreiben vom 30. Januar 2013 ersucht der Staatsrat des Kantons Waadt um die eidgenössische Gewährleistung.

1.7.2

Anpassung der Verfassungsterminologie an die Änderung des Zivilgesetzbuches beim Kindes- und Erwachsenenschutz

Bisheriger Text

Neuer Text

Art. 74 Stimmberechtigte 1 Stimmberechtigt in kantonalen Angelegenheiten sind die im Kanton wohnhaften Schweizerinnen und Schweizer, die das 18. Altersjahr zurückgelegt haben und nicht wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche entmündigt sind.

Art. 74 Stimmberechtigte 1 Stimmberechtigt in kantonalen Angelegenheiten sind die im Kanton wohnhaften Schweizerinnen und Schweizer, die das 18. Altersjahr zurückgelegt haben und nicht durch eine umfassende Beistandschaft oder durch einen Vorsorgeauftrag wegen dauernder Urteilsunfähigkeit geschützt sind.

11

SR 131.231

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2

Das Gesetz sieht ein einfaches Verfahren vor, das entmündigten Personen erlaubt, ihre Urteilsfähigkeit nachzuweisen und das Stimmrecht wieder zu erlangen.

2 Das Gesetz sieht ein einfaches Verfahren vor, das Personen nach Absatz 1 in fine erlaubt, ihre Urteilsfähigkeit nachzuweisen.

und das Stimmrecht wieder zu erlangen.

Art. 142 Abs. 1 1 Stimmberechtigt in Gemeindeangelegenheiten sind, sofern sie das 18. Altersjahr zurückgelegt haben und nicht wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche entmündigt sind: [a. die in der Gemeinde wohnhaften Schweizerinnen und Schweizer;] [b. die in der Gemeinde wohnhaften Ausländerinnen und Ausländer, die seit mindestens zehn Jahren mit Bewilligung in der Schweiz leben und seit mindestens drei Jahren im Kanton wohnhaft sind.]

Art. 142 Abs. 1 Einleitungssatz 1 Stimmberechtigt in Gemeindeangelegenheiten sind, sofern sie das 18. Altersjahr zurückgelegt haben und nicht durch eine umfassende Beistandschaft oder durch einen Vorsorgeauftrag wegen dauernder Urteilsunfähigkeit geschützt sind:

Mit der Revision wurden die beiden Artikel zu den persönlichen Voraussetzungen der Stimmberechtigung in kantonalen und in kommunalen Angelegenheiten der Terminologie des auf den 1. Januar 2013 in Kraft getretenen neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrechts des Zivilgesetzbuchs12 (ZGB) angepasst. Nicht stimmberechtigt ist, wer unter einer umfassenden Beistandschaft nach Artikel 398 ZGB steht oder von einer andern Person aufgrund eines Vorsorgeauftrags wegen dauernder Urteilsunfähigkeit nach den Artikeln 360 ff. ZGB vertreten wird. Die Regelung der politischen Rechte in kantonalen Angelegenheiten ist Sache der Kantone (vgl.

Art. 39 BV).

Die Änderungen der KV-VD sind bundesrechtskonform; die Gewährleistung kann demnach erteilt werden.

2

Verfassungsmässigkeit

2.1

Bundesrechtskonformität

Die Prüfung hat ergeben, dass die geänderten Bestimmungen der Verfassungen der Kantone Zürich, Bern, Zug, Solothurn, Basel-Landschaft, Graubünden und Waadt die Anforderungen von Artikel 51 BV erfüllen. Somit ist ihnen die Gewährleistung zu erteilen.

2.2

Zuständigkeit der Bundesversammlung

Die Bundesversammlung ist nach den Artikeln 51 und 172 Absatz 2 BV für die Gewährleistung der Kantonsverfassungen zuständig. Sie beschliesst die Gewährleistung mit einem einfachen, das heisst nicht dem Referendum unterstehenden Bundesbeschluss (Art. 163 Abs. 2 BV).

12

SR 210; AS 2011 725

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