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Aus den Verhandlungen der schweiz. Bundesversammlung.

(Vom

7. und 8 Dezember 1863^

Am 7. Dezember 1863 ist die Bundesversammlung zur ersten Session der Vl. Amtsperiode zusammengetreten.

Der N a t i o n a l r a t h wurde von seinem Alterspräsidenten, Herrn Regierungsrath S t o c k m a r , von Vruntr..t (Bern), mit folgender Ansprache erossnet .

..Meine Herren Deputirten und lieben Miteidgenossen l

,,Jch laisse Sie willkommen in .der Bundesstadt. Das bernische Volk sehäzt sich immer glüklich und ist stolz .daraus, Sie in diesen Mauern zu sehen, wo Jhre Gegenwart, Jhre Vollmachten und Jhre Beschliessungen dasjenige Mas. eidgenossischer Einheit verwirklichen , welches mit der Selbstständigkeit der Kantone, die ausrecht erhalten werden muss, vereinbar ist.

,,Meinem Alter verdanke ieh die Ehre, unter Jhnen den Vorsiz zu führen.

^ ^ ,,Während eines halben Jahrhunderts habe ich Tage des Sturm.es und des Sonnenscheins, Zeiten des Unglüks und des Glüks über die Schweiz hingehen gesehen . allein nach jeder Erschütterung erhob sie sich wieder, unabhängig und mehr als je den in den Heldenzeiteu ihrer Geschichte errungenen Freiheiten zngethan.

.,Die Verfassung von 1848 führte sie, nach Umsteuerung zahlreicher Klippen, dem lange gesuchten Hafen zu.

Sie sicherte ihr den Frieden nach innen, machte sie geschlossen und stark na..h anssen, und erwarb ihr die Achtung der Regierungen und Volker, .velche.sich bemühen, BeZiehungen des Verkehrs und der Freundschaft mit ihr zu pflegeu. Wäh..

rend die neue Welt durch ^ Bürgerkrieg verheert wird und das ausgerüttelte Europa seinen alten fortbestand in eineni Kongreß von Souveränen sucht, geniesst die Schweiz in Ruhe . die Wvhlthaten ihrer Staatseinriehtungen ; statt sich in unfruchtbaren Unternehmungen zu Grunde zu richten, baut sie Alpenstrassen, dämmt ihre wilden Flüsse ein und schikt sich an, noch weitere, üieht minder bedeutende Werke zu fordern . welche ihre Wohlfahrt heben werden. Allein die Bundesverfassung, unter deren Schuz so Grosses zu Stande kam, hat Pfeiler ausgestellt, welehe aus Vervollständigungen hinweisen, und da die repräsentativen Regierungen, wie sich ein Publizist ansdrükt, keine Schlafzelte sondern Werkstätten sind, welche von Seite

932 derjenigen, denen die Gesehike de... Vaterlandes anvertrant sind, eine unablässige Fürsorge fordern, so erlaube ich mir, einige Reformen nnd Fortentwikelnngen anzudeuten, welche die Verfassung zulassen dürfte. .

,,Den Artikeln 18, I..) und ^0 derselben perdankt die Schweiz eine wirkliche Armee. Sind aber die eidgeuossisehen und kantonalen Finanzen dadurch nicht zu sehr belastet^ Kann dieses Verhältniss ins Unbestimmte fortdauern, ohne den andern Zweigen des offentlichen Dienstes schädlich zu sein.^ Würde eine weitere, oder selbst gänzliche Centralisation der Militärverwaltuug und des Unterrichts nicht eine beträchtliche Ersparniss in den Gesamtausgaben ^ der Kantone nnd des Bundes mit sieh bringend Wenn diese theilweise oder gänzliche Umgestaltung nieht stattfinden kann, welche Veränderungen sind dann ausführbar und geeignet, den Kantonen .in Bezug ans Kosten, welche ihre Kräste zu übersteigen drohen, Erleichterung zu verschaffe..^ ,,Die bisher so blühenden eidgenossischen Finanzen weisen zum ersten Male ein, zwar nieht besorgnisserregendes, aber doeh warnendes Defizit auf.

Die Ausführung der Artikel 21 und 22 der Bundesverfassung dürfte für

die^eidg. Kasse noch weitere Lasten bedingen. sollte man, ialls denselben nicht. durch Ersparnisse genügt werden kann , nicht ans Mittel zu neuen Einnahmen bedacht sein.^

,,Mit den Artikeln 23 bis 32, welche die Zolle zentralsten nnd deren Bezug an die Grannen verlegten, beabsichtigte man die Herstellung eines freien Warenverkehrs innerhalb der ganzen Schweiz. Allein ist diese Verkehrssreiheit nieht ilh.soriseh, so lange man in vielen Kantonen die Wägen beim Eintritt anhalten nnd durchsuchen kann , uni die Ohmgeldgebühren zu beziehend Sollte man nieht mit aller der Aufmerksamkeit, welche ein solcher Gegenstand verdient, die Frage prüsen, ob nicht mit den betretenden Kantonen Vereinbarungen bezüglich der Aushebung des Ohmgeldes ini Jnnern zu erzielen wären ^ Und müssten in diesen. Falle die ei^g. Zollansäze nicht bedeutende Aendernngen erleiden, um eine bestmogliehe Entschädigung der Kantone zu gestatten ^

,,Soilt.. nicht diese .^.arifumgestaltnng dem Absolusse des Handelsvertrags mit Frankreich vorausgehen, da derselbe sonst leieht der erstern hinderlieh sein konnte^ ,,Der Artikel 33 über die Dosten bietet in der Voltziehung immer Schwierigkeiten und die Verkeilung uaeh den durchschnittlichen Einuah-

men der Jahre l 844, 1845 und 184^ bedingt immer grellere Ungleichheiten. An einigen Orten hat sieh die Vevolkernng seit 1848 verdoppelt und der Handelsverkehr verfünssacht und damit auch die Bosteinnahmen, während andere ^.rtsehasten beinahe stationär geblieben sind. Wäre es daher nirht gerecht, diese Ungleichheiten, welche früher oder später Verlegenheiten bereiten werden, zu beseitigen, indem man den Kantonen den Vorschlag machte, ihre^ Bosteinuahmen . d.^m eidgenossischen Fiskns zu überlassen, in

.^33 dem Sinne, dass sie dafür kompensirt würden^

durch Erleichterungen im Militärwesen u. ...

,,Der Art. 37 hat Gleichheit in Mass und Gewicht vorgeschrieben.

Jn Folge dessen wurde ^ein schweizerisches System geschaffen, welches jezt noch zur Vermehrung der diessalls in der Welt herrschenden Verwirrung beitragt. Jn den Fabriken, im Handel. in den Wissenschaften und Kü..sten, in den Eisenbahnverwaltnngen und besonders in. Verkehr mit dem Anslande bedient man sieh jedoch nur des Meters und .Kilometers. Ware es daher nicht an der Zeit, das Dezimalsystem neben den schweizerischen Massen gesezlich einzuführen, falls .mau die leztern nicht gan^ aufheben wollte .^ ^

. ,,Der Artikel 41 gewährleistet allen Schweizern , welche einer d.r christliehen Konfessionen angehören , das Recht der freien Niederlassung im ganzen Umfange der Schweiz. Der hierin enthaltene Vorbehalt macht den Abschlnss von Handeisverträgen mit andern christlichen Rationen sehr schwer und mit morgenländisehen Völkern vielleicht unmöglich. gönnte hier nicht dnreh Uebereinkommen mit den Kantonen geholfen werden ^ Dieses würde aber noch nicht genügen , denn .ich .muss in Erinnerung bringen, dass der Bundesrath und die Kommissionen während der lezten Zession einen Gesezentwurs vorgelegt hatten, der sehr weise Vestine mungen enthielt und Lüken ausfüllte, die nicht fortbestehen sollten.

Der Gesezentwurs trat aber. in einigen ^unkten den kantonalen Gesezgebungen zu nahe und wnr^e deshalb verworfen. Diese ..^ehlussuahme ist zu bedauern, und man. muss wünsehe.. , dass der Bundesrath den Ent.vurs nach ges.hehener Abänderung den eidgenössischen Räthen neuerdings ^ur Berathung vorlege.

. ,,Unter dem Bundesvertrage von 18l 5 hätte die Erstellung eines schweizerischen Eisenbahnnezes vielleicht niemals stattfinden können.

Wie aber ^u allen Zeiten, wo der menschliche Geist zum .^..hassen mächtig angetrieben worden ist, die Resor.nen und die Erfindungen sich Schritt gehalten haben , so seheint aueh die nene Bundesverfassung von 1 848 bestimmt gewesen zu sein, die Erstellung von. Eisenbahnen und den sozialen Verkehr, der ohne sie nur einen unvollkommenen Aussehwuug halte nehmen konnen, zu ermöglichen. Allein diese Eisenbahnen selbst halben blos eine unvollständige Entwiklung erreicht, denn es darf keine einzige Gegend der Schweiz ihrer entbehren, und ans allen zugänglichen funkten sollen sie mit den Nachbarländern verkehren. - Raeh Erreichung dieses Resultates erfordert dieses Jnstitut noch nahmhaste Verbesserungen , wozu es der

Hilfe des Gesezgebers bedarf. Jede Eisenbahngesellschaft hat gegenwärtig

ihre eigenen Tarife, ihre Volizei. ihre Stundenplane, die weder mit einander, noch mit den Vosten korrespondiren. Disserenzialtarife sind in vielen Fällen zwar nothweudig, in andern aber schädlich. Die Gesellsehaften wünschen und streben allerdings nach Einführung einer Gleichsormigkeit. Tonnen sie aber da^n gelangen, wenn il,.re Konzessionen nicht

934 abgeändert werden , und hat der Bund nicht die ^flieht, int Jnteref^ d^ Bubliknms ^und selbst der Gesellschaften ins Mittel^n treten und ein ..enes Gese.^ zu erlassen, weil das bestehende ungenügend seheint.

,, Meine Herren Depntirten und lieben Miteidgenossen l Wollen Si^ mich entschuldigen, dass ieh so lange zu Jhnen gesprochen habe. Wenn in meinen Worten einige anwendbare Wahrheiten sieh finden sollten, s...

wünsche ich, dass sie bei den eidgenössischen Behorden ein Echo finden u.ogen , damit sie Früehte bringen in dem Masse, als die Umstände dazu günstig sein werden.

,,Jeh erkläre die Session der Vl. Amtsperiode des Nationalrathes ,,erossnet.^ Jm S t ä n d e r a t h e hielt der abtrtende Präsident, Herr Eduard Häberlin, von Weinselden ^hnrgan^, die nachfolgende Eroffnnngsrede .

,,Tit..

,,Wahlen und Budgetberathuug sind Gesehästsgegenstände, mit Be^ng ans welche eine, wenn auch ganz unmassgebliehe, doeh immerhin individuelle Meinungsäussernng von dieser Stelle aus w...hl besser gän^ lich unterbleiben würde.

,,Sofern jedoch das Votnm, welches das Schweizervolk selber bei der Renbestellung seiner Vertreter abgegeben hat, hier ebenfalls zu Rathe gezogen werden darf, so dürste darin in ersterer Beziehung ein Fingerzeig enthalten sein, einmal die b.ereits b e w ä h r t ^ Beruf^treue, Eharakter^ sestigkeit und ^Gesehästsersahrn^g in erster .Linie wiederum anzuerkennen , und sodann bei den Wahlen überhaupt der h e i m a t l i e h e n J n t e r e s s e n ftellung in g e w i s s e n ......agessragen keinen u n b e r e c h t i g t e n Ein-

sluss zu gestatten. ..^o ungefähr denkt das ..^olk, das nicht selbst^

süchtig spekulirt, und ich meine, wenn wir in solchen Diugen ein wenig diesem Znge folgen, dass wir von vorneher.^in nicht übel berathen sein konnen.

,,Die ^orge, welche in neuerer ^eit in erhohtem Masse den.. ^inanzhaus halt der Eidgenossenschast von den beiden Räthen zugewendet wird, und^ vor Allem aus der ernstlich ausgesprochene Wille des Bundes.^ rathes, dass in der Verwaltung selbst mogliehst aus V e r e i n s a m u n g un.^ Erfparniss h i n g e w i r k t w e r d e n soll, sind überall im Lande mit besonderer Befriedigung vermerkt worden. Gerade die fortgesezte, ge^ wissenhasteste Beaehtung dieser Anforderung wird uns am ehesten in den Stand sezen, zeitgen.ässe Reformen und nü^liehe Werke von eidgenössischer Bedentnng - ans geistigem und volkswirthsehastliehem Gebiete --- mit freudiger Zustimnn.ng der Ration auch fernerhin von Bundes wegen untersten zu können. Doch, wie gesagt, es bleiben die Betrachtungen, zu welchen der Finanzplan für 1864 .^tosf bietet, passender der einlässliehen Budgetberathnng vorbehalten.

^ ,,Tit.l Seit unserer lezten Versammlung sind in der a u s w ä r t i g e n ..Politik Ereignisse eingetreten, weiche di.. Ruhe und den Frieden Europas zu gefährden schienen.

..Der Vorschlag des Kaisers der Franzosen, die Verträge von 1815, welche die Grundlage des gegenwärtigen europäischen Staatsrechtes bilden, ^f einem Kongresse aller Staaten ,.,u rev.d..ren , musste, w.e ^u erwarten var, aus viele .^chwieriakeiten stossen. Jndess billiat wohl das Schweizervolk in seiner arossen Mehrheit die von dem Bundesrathe abaeaebeue Erklärung, dass die Schweiz sich von der Theilnahme an einem al igem e i n e n Kongresse u.eht ausschliessen würde, wenn ein solcher jezt o.^er später zusammentraten würde.

,,Es ist nicht zu befürchten, dass die der Schwe^ ungesicherte Reut r ..l it.. t .n Frage gezogen würde, da d i e s e l b e d e n a l l g e m e i n e n J n t e r e s s e n E u r o p a s selbst e n t s p r i c h t . Jnsolge dessen ist die Eidgenossenschast zun. Voraus vor der Gesahr bewahrt , durch .hre Theilnahme am Kongresse etwa in eine Lage zu kommen, wodurch sie mit dem ^rnndsaze der Riehte.nmischung in fremde Angelegenheiten und des Selbst^.

konstituirungsrechtes der Staaten in Kollision gerathen müsste.

,,Anderseits konnte es der Schweiz nnr erwünscht se^n, wenn bei diesem Aulasse bezüglich der in früheren Verträgen ihr zugesicherten Neutralität von R o r d s a v o h e u n e u e ^ t i p u l a t i o n e n g e t r o f f e n w ü r d e n , welche d i e s e n . g e militärische Stärkung u n s e r e r Südwestg r a n d e z u b e w i r k e n g e e i g n e t s ^ n d , d i e .^urch d ^ e v e r ä n d e r t e n V e r h ä l t n i s s e g e f o r d e r t i st.

.,Sollte aber auch der Kongress nieht zu Stande konnnen, so bestehen nichts desto weniger die diesssälligen Rechtsansprüche in .hrer vollen Kraft sort. Frankreich selbst ha.t ihre Vegründetheit sowohl im Art. 2 des Ver^ trages vom 24. März 1860, .betreffend d.e Abtretung von .^avo.^en, als in nachsolgenden diplomatischen Verhandlung....^ ausdrüklieh anerkannt.

^Hoffen wir überhaupt, dass die Vaeifikation Europas, welehe der grossartigen Jdee eines a l l g e m e i n e n Friedenskongresses zum Grunde l^egt, nichts desto weniger erreicht werden moge, .ndem die Gesinnungen, von welchen die Einladung zum Kongresse und die Zusagen der Theilnahme begleitet waren, jeweilen im E i n ^ e l n f a l l e allseitig praktisch bethätiget werden l ..

Rach geschehener Brüsung der Wahlakten und nach erfolgter Konstituirung bestellten beide Räthe ihre ^üreau^ , und zwar wählte der N a t i o n a l r a t h (an. 8.)

zum Präsidenten: Hrn. Vietor Rusf.^, in Lausanne, ., Vizepräsidenten.

,, Gottlieb J ä g e r , von Vrugg (Aargan).

^36 zu Stimmenzahlern : Hrn. Landammann Styger. in Schwyz; .. Bankdirektor K a i s e r , in Solothnrn ;

,, Oberst Philippin, in Reuenburg; ,,

Staatsanwalt H o n e g g e r , in Zürich.

Der S t ä n d e r a t h seinerseits hat (am 7. gewählt znm Präsidenten: Hrn. Regiernngsrath Schenk, in Bern ; ,, Vizepräsidenten.

,, Staatsrath R o g n i n , in Lausanne.

zu Stimmenzählern . Hrn. .Landammann S u t t e r , in Vühler (Appen-

zeli A. Rh.);

,,

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Präsekt Evèquoz in Bitten.

Aus den Verhandlungen des schweiz. Bundesrathes.

Der Bundesrath wählte (am 4. Dezember 18..^ ...ls Zolleinnehmer in Vrusata Dessin): Hrn. Earlo A l b i s e t t i , von dort, bisherigen Einnehmer der Rebenzollstätte Stabbio.

,, Postkommis in Bern: Hrn. Johann J n g o l d , von Herzogenbuehsee (Bern): ,, ,, ,, Thun : ,, Karl Angust B e r g e r , von Merligen (Bern) , (am 9. Dezember 1863) ....ls Posthalter in Esfretikon (Zürich): Hrn. Jakob B a l t e n s p e r g e r , von Winterberg-Lindau, Eisenbahnstationsvorsteher in Effretikon.

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Aus den Verhandlungen der schweiz. Bundesversammlung. (Vom 7. und 8 Dezember 1863)

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