11.446 Parlamentarische Initiative Für ein Auslandschweizergesetz Bericht der Staatspolitischen Kommission des Ständerates vom 27. Januar 2014

Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf für ein Bundesgesetz über Schweizer Personen und Institutionen im Ausland. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

27. Januar 2014

Im Namen der Kommission Die Präsidentin: Verena Diener Lenz

2013-3250

1915

Übersicht 732 183 Personen waren Ende 2013 als Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer angemeldet. Die rechtlichen Beziehungen dieser Personen zur Schweiz sind in verschiedenen Erlassen geregelt. Schon nur angesichts der zahlenmässigen Bedeutung dieser enorm gewachsenen Bevölkerungsgruppe ist dies nicht mehr angemessen. Im vorliegenden Entwurf für ein Bundesgesetz über Schweizer Personen und Institutionen im Ausland (Auslandschweizergesetz, ASG) sollen die verschiedenen Bestimmungen, die Auslandschweizerinnen und -schweizer betreffen, in einem Erlass übersichtlich und in sich kohärent zusammengefasst werden. So regelt das ASG die Betreuung und Vernetzung der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer, ihre politischen Rechte, allfällige Sozialhilfeleistungen sowie die Vermittlung schweizerischer Bildung im Ausland. Die Zusammenfassung dieser Bestimmungen in einem Gesetz erlaubt eine Gesamtschau über Rechte und Pflichten der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer sowie über die vom Bund angebotenen Dienstleistungen und über seine Zusammenarbeit mit Interessenorganisationen.

Das ASG bietet so eine optimale Grundlage für eine kohärente Politik des Bundes gegenüber Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern. Diese Kohärenz soll auch dadurch zum Ausdruck kommen, dass das EDA als gesetzlich vorgesehene Anlaufstelle für Schweizer Personen im Ausland bestimmt wird. Der «Guichet unique» stellt ein zentrales Anliegen der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer dar.

Nicht nur ist die Zahl der dauerhaft im Ausland lebenden Schweizer und Schweizerinnen grösser geworden, sondern die internationale Mobilität hat generell zugenommen: Immer mehr Schweizer und Schweizerinnen halten sich vorübergehend im Ausland auf, sei dies zum Beispiel zu Ferienzwecken, zu Bildungszwecken oder aus beruflichen Gründen. Das ASG soll deshalb breiter gefasst werden: Es werden nicht nur die Beziehungen der Schweiz zu den angemeldeten Auslandschweizern und schweizerinnen, sondern generell zu Schweizer Personen und Institutionen im Ausland geregelt. Der konsularische Schutz und die konsularischen Dienstleistungen, welche alle natürlichen und juristischen Schweizer Personen im Ausland beanspruchen können, sind heute lediglich in einem Reglement festgehalten. Indem diese Bestimmungen in einem Gesetz integriert werden, erhalten
die entsprechenden Tätigkeiten der Schweizer Behörden im In- und Ausland die erforderliche gesetzliche Grundlage.

Die Zusammenfassung der Bestimmungen betreffend Schweizer und Schweizerinnen, die sich dauerhaft oder auch nur vorübergehend im Ausland aufhalten, ermöglicht es, gewisse Prinzipien des Bundes in seinen Beziehungen gegenüber dieser Personengruppe festzuhalten. Zentral ist dabei das Prinzip der Eigenverantwortung.

Danach soll jede Person die Verantwortung bei der Vorbereitung und Durchführung eines Auslandaufenthaltes oder bei der Ausübung einer Tätigkeit im Ausland tragen.

Dazu gehört auch, dass kein Rechtsanspruch auf konsularischen Schutz besteht und die Behörden nur subsidiär handeln, das heisst, nachdem die betroffene Person ihre Mittel der Selbsthilfe ausgeschöpft hat.

1916

Inhaltsverzeichnis Übersicht

1916

1

Entstehungsgeschichte 1.1 Die pa.Iv. Lombardi (11.446) und weitere Vorstösse 1.2 Ausgangslage 1.3 Vernehmlassungsergebnisse

1919 1919 1920 1922

2

Grundzüge der Vorlage

1924

3

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen 3.1 1. Titel: Allgemeine Bestimmungen 3.2 2. Titel: Auslandschweizerinnen und -schweizer 3.2.1 1. Kapitel: Vernetzung und Information 3.2.2 2. Kapitel: Auslandschweizerregister 3.2.3 3. Kapitel: Politische Rechte 3.2.4 4. Kapitel: Sozialhilfe 3.2.4.1 1. Abschnitt: Grundsatz und vorbeugende Massnahmen 3.2.4.2 2. Abschnitt: Voraussetzungen der Sozialhilfe 3.2.4.3 3. Abschnitt: Sozialhilfeleistungen 3.2.4.4 4. Abschnitt: Verfahren 3.2.4.5 5. Abschnitt: Rückerstattung 3.2.4.6 6. Abschnitt: Kostenverteilung 3.2.5 5. Kapitel: Unterstützung von AuslandschweizerInstitutionen 3.3 3. Titel: Vermittlung schweizerischer Bildung im Ausland 3.4 4. Titel: Konsularischer Schutz und weitere konsularische Dienstleistungen zugunsten von Personen im Ausland 3.4.1 1. Kapitel: Konsularischer Schutz 3.4.1.1 1. Abschnitt: Voraussetzungen 3.4.1.2 2. Abschnitt: Subsidiarität, Beschränkung und Verantwortlichkeit des Bundes 3.4.1.3 3. Abschnitt: Hilfeleistungen 3.4.2 2. Kapitel: Weitere konsularische Dienstleistungen zugunsten von Personen im Ausland 3.4.2.1 1. Abschnitt: Konsularische Dienstleistungen des EDA 3.4.2.2 2. Abschnitt: Konsularische Dienstleistungen in der Zuständigkeit anderer Departemente 3.5 4. Titel: Finanzierung, Gebühren und Kostenersatz 3.6 5. Titel: Schlussbestimmungen

1925 1925 1932 1932 1934 1937 1941

Anhang 4.1 Aufhebung bisherigen Rechts 4.2 Änderung von Bundesgesetzen

1967 1967 1969

4

1944 1945 1946 1946 1947 1948 1949 1950 1950 1950 1950 1953 1955 1959 1959 1960 1962 1964

1917

5

Auswirkungen 5.1 Finanzielle und personelle Auswirkungen 5.2 Vollzugstauglichkeit

1971 1971 1972

6

Verhältnis zum europäischen Recht

1972

7

Rechtliche Grundlagen 7.1 Verfassungs- und Gesetzmässigkeit 7.2 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen 7.3 Erlassform

1973 1973 1973 1973

Bundesgesetz über Schweizer Personen und Institutionen im Ausland (Auslandschweizergesetz, ASG) (Entwurf)

1918

1975

Bericht 1

Entstehungsgeschichte

1.1

Die pa.Iv. Lombardi (11.446) und weitere Vorstösse

In der parlamentarischen Initiative «Für ein Auslandschweizergesetz» (11.446), die am 15. Juni 2011 durch Ständerat Filippo Lombardi (CVP, TI) eingereicht worden ist, wird die Notwendigkeit einer auslandschweizerpolitischen Gesamtstrategie unterstrichen. Die parlamentarische Initiative verlangt, dass ein Ausführungsgesetz zu Artikel 40 der Bundesverfassung erlassen wird. Dieses Gesetz soll namentlich zur Entwicklung einer Gesamtstrategie des Bundes bezüglich der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer beitragen, deren Rechte und Pflichten bestimmen, deren Information sicherstellen, deren Netzwerk nutzen und deren politische Vertretung fördern. Durch das Gesetz soll auch die Federführung in der Auslandschweizerpolitik einem Departement zugewiesen werden. Ferner spricht die parlamentarische Initiative die Sicherstellung der internationalen Präsenz der Schweiz, insbesondere Förderung der Schweizerschulen im Ausland, an. Am 12. Januar 2012 hat die Staatspolitische Kommission (SPK) des Ständerates der parlamentarischen Initiative mit 9 zu 3 Stimmen Folge gegeben. Die SPK des Nationalrates hat diesem Beschluss am 23. Februar 2012 mit 13 zu 9 Stimmen bei einer Enthaltung zugestimmt. Am 3. April 2012 hat die SPK des Ständerates eine Subkommission eingesetzt mit dem Auftrag, einen Erlassentwurf auszuarbeiten. Am 13. Mai 2013 hat die SPK des Ständerates nach Beratung des Entwurfs ihrer Subkommission einen Vorentwurf zuhanden der Vernehmlassung verabschiedet. Nach Prüfung der Vorschläge aus der Vernehmlassung und Überarbeitung der Vorlage, hat die Kommission am 27. Januar 2014 den vorliegenden Entwurf einstimmig in der Gesamtabstimmung gutgeheissen und dem Rat unterbreitet.

Die parlamentarische Initiative (11.446) knüpft an vorangegangene Bestrebungen an. Am 7. Oktober 2004 hatte der Ständerat das Postulat Lombardi «Die Fünfte Schweiz als Verbindung zur Welt» (04.3571) angenommen, das den Bundesrat mit der Ausarbeitung eines Gesamtberichts über die Bedeutung der Auslandschweizerinnen und -schweizer beauftragte. Namentlich solle deren Beitrag zur Schweizer Wirtschaft aufgezeigt werden. Im Bericht, den der Bundesrat am 18. Juni 2010 der Bundesversammlung unterbreitet hat, stellte er zwar fest, dass statistisch untermauerte Aussagen nicht möglich sind. Er bestätigte indessen die grosse Bedeutung der zahlenmässig
kontinuierlich wachsenden Auslandschweizergemeinschaft und erinnerte daran, dass mehrere Instrumente für die Auslandschweizerinnen und -schweizer eingerichtet worden sind. Diese Instrumente sind in ihrer Gesamtheit wenig bekannt, weil sich die Regelungen auf verschiedene Erlasse verteilen und die Geschäfte je nach Materie von Stellen in verschiedenen Departementen betreut werden.

Deshalb fragte sich der Bundesrat in seinem Bericht, ob es nicht opportun wäre, eine kohärente Politik in diesem Bereich zu fördern, einerseits durch den Erlass eines Gesetzes über die Auslandschweizerinnen und -schweizer, andererseits durch die Stärkung der Abteilung Auslandschweizerbeziehungen des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), die verstärkt die Rolle des «guichet unique» wahrnehmen würde. Dadurch würden auch Anstösse für eine politische Debatte über die Beziehungen des Bundes zur Auslandschweizergemeinschaft gegeben. Die eidgenössischen Räte unterstrichen durch Annahme der Motion 1919

Brunschwig Graf «Koordinierte Arbeit der Verwaltung für die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer» (Mo 11.3203) vom 17. März 2011 ihr Verlangen nach Verbesserungen auf diesem Gebiet. Sie forderten den Bundesrat auf sicherzustellen, dass die für die Auslandschweizerinnen und -schweizer zuständigen Bundesstellen koordiniert wirken und ihre Dienstleistungen über einen «guichet unique» erbringen, teils mittels Konzentration bei einer für Auslandschweizerfragen zuständigen Stelle, teils durch verbesserte Koordination der zuständigen Stellen.

Die Forderung nach einem Gesetz wird auch seitens der Auslandschweizergemeinschaft vertreten. Die Auslandschweizer-Organisation (ASO) fordert den Bund auf, seine Auslandschweizerpolitik weiter zu entwickeln. Das Leitungsorgan der ASO, der Auslandschweizerrat (auch als Parlament der Fünften Schweiz bekannt), verabschiedete eine Resolution in diesem Sinne (Luzern, 2009) und verfasste eine Gesetzesskizze (St. Gallen, 2010). Die ASO wird vom Bund als eine wichtige Stimme betrachtet, welche die Gesamtinteressen der Auslandschweizerinnen und -schweizer gegenüber den Behörden und dem Parlament sowie in der schweizerischen Öffentlichkeit vertritt.

1.2

Ausgangslage

Volk und Stände nahmen 1966 den neuen Verfassungsartikel 45bis an (abgelöst durch Artikel 40 der Bundesverfassung (BV) vom 18. April 1999), mit dem der Bund beauftragt wird, die Beziehungen der Auslandschweizerinnen und -schweizer untereinander und zur Schweiz zu fördern. In Erfüllung des Verfassungsauftrags erliess der Bund mehrere Gesetze und Verordnungen, die unter anderem den Militärpflichtersatz, die Ausübung der politischen Rechte aus dem Ausland, die Sozialhilfeleistungen zugunsten von schweizerischen Staatsangehörigen im Ausland und die Unterstützung von Schweizerschulen im Ausland betrafen.

Seit der Einführung von Artikel 45bis aBV hat sich die Anzahl der im Ausland niedergelassenen schweizerischen Staatsangehörigen beträchtlich vergrössert. Umfassten die angemeldeten Auslandschweizerinnen und -schweizer zu jener Zeit rund 280 000 Personen, so gehören dieser Gruppe Ende 2012 über 715 000 Personen an.

Zahl Auslandschweizer/innen ohne Niedergelassene in Liechtenstein

Auslandschweizer/innen total Anteil mit ausschl.

schweizerischer Staatsbürgerschaft (%) Anteil mit mehrfacher Staatsbürgerschaft (%)

2002

2004

2006

2008

2010

2012

598 943

623 057

645 010

672 592

691 500

712 116

29,59 %

28,96 %

28,67 %

27,85 %

27,36 %

26,96 %

70,41 %

71,04 %

71,33 %

72,15 %

72,64 %

73,04 %

Erläuterungen In der Aufstellung sind die Auslandschweizerinnen und -schweizer im Fürstentum Liechtenstein (2012 rund 3000) nicht berücksichtigt, weil die Schweiz mangels Vertretung in Vaduz keine eigene Erhebung durchführt und die Erhebung durch das Amt für Statistik des Fürstentums Liechtenstein sie nicht als Schweizer berücksichtigt, falls sie die Staatsangehörigkeit des Fürstentums haben.

1920

Im selben Zeitraum hat auch die internationale Mobilität der Schweizerinnen und Schweizer zugenommen, die sich aus verschiedenen Gründen vorübergehend im Ausland aufhalten. Rund 10 Millionen Auslandreisen (mindestens eine Übernachtung) unternahm die Schweizer Wohnbevölkerung gemäss dem Bundesamt für Statistik im Jahr 2010. Entsprechend häufiger werden das EDA und die Vertretungen für konsularische Dienstleistungen beansprucht, insbesondere für konsularischen Schutz.

Das EDA und die Schweizer Vertretungen im Ausland nehmen schon heute viele Aufgaben zugunsten der Auslandschweizerinnen und -schweizer und anderer Schweizer Personen im Ausland wahr. Im vergangenen Jahrzehnt hat der Bund seine Präventions- und Schutzinstrumente durch ein Krisenmanagement im EDA ergänzt, das sich um den Schutz von Leib und Leben der Schweizer Staatsangehörigen im Ausland bemüht. Ausserdem hat der Bundesrat am 15. Mai 2011 die Konsularische Direktion (KD) errichtet, die das Dienstleistungsangebot des EDA im Sinne der Optimierung des öffentlichen Dienstes weiterentwickelt. Den Willen, auf diesem Weg weiterzugehen, bezeugte der Bundesrat, indem in seinem Bericht vom 21. Februar 2012 über die aussenpolitische Strategie 2012­2015 die Unterstützung von schweizerischen Staatsangehörigen, die ins Ausland reisen oder dort wohnen, einen Schwerpunkt bildet.

Die KD betreibt die rund um die Uhr bediente Helpline EDA1 und ermöglicht es schweizerischen Reisenden, sich auf Itineris2 zu registrieren, damit sie nötigenfalls von den Vertretungen kontaktiert werden können. Der KD wurde 2012 ein Dienst für Aus- und Rückwanderungsberatung eingegliedert, den das EJPD (Bundesamt für Migration) geführt hatte.

Eine Anzahl von Rechten der Auslandschweizerinnen und -schweizer konnten in den vergangenen Jahrzehnten gefestigt werden, wofür die politischen Rechte als Beispiel erwähnt seien. Die stimmberechtigten Auslandschweizerinnen und -schweizer können bei eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen (seit 1992 uneingeschränkt) ihre Stimme brieflich abgeben. Rund 132 000 Auslandschweizerinnen und -schweizer sind in einem Auslandschweizer Stimmregister eingetragen, was etwa einem Viertel aller stimmberechtigten Auslandschweizerinnen und -schweizer entspricht.3 Diese Materie ist durch das Bundesgesetz über die politischen Rechte der Auslandschweizer
vom 19. Dezember 19754 (in der Folge: BPRAS) geregelt.

Auf dem Gebiet der schulischen Ausbildung wurden die Förderungsmassnahmen im Bundesgesetz von 1974 über die Unterstützung von Schweizerschulen im Ausland verankert, das als Auslandschweizer-Ausbildungsgesetz vom 9. Oktober 19875 (AAG) erneuert und 2012 in Revision gestellt wurde.

1

2

3

4 5

Telefonnummer des EDA, die als zentrale Anlaufstelle jederzeit Auskunft erteilt über Fragen bezüglich der Reisehinweise, Itineris, des konsularischen Schutzes und weiterer konsularischer Dienstleistungen und über das Leben im Ausland.

Online-Plattform zur Registrierung für Schweizerinnen und Schweizer auf Auslandreisen (Kurzzeitaufenthalte). Eingetragene Personen können in einer Krisensituation vom EDA besser lokalisiert und kontaktiert werden.

Gemäss Angaben der Bundeskanzlei waren anlässlich der eidgenössischen Volksabstimmung vom 24. November 2013 136 156 Auslandschweizerinnen und -schweizer eingetragen.

SR 161.5 SR 418.0

1921

Die Sozialhilfe für Auslandschweizerinnen und -schweizer erhielt die Gesetzesbasis im Bundesgesetz über Sozialhilfe und Darlehen an Schweizer Staatsangehörige im Ausland vom 21. März 19736 (BSDA).

Das Reglement des schweizerischen diplomatischen und konsularischen Dienstes vom 24. November 19677 (in der Folge: Reglement) enthält Normen bezüglich der Erbringung konsularischer Dienstleistungen einschliesslich des konsularischen Schutzes. Soweit das Reglement rechtsetzende Normen enthält, ist es als unmittelbar auf Artikel 184 Absatz 3 BV gestützte Verordnung zu betrachten. Solche Verordnungen sind zu befristen. Gemäss dem am 1. Mai 2011 in Kraft getretenen Artikel 7c des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 19978 (RVOG) muss innert vier Jahren eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden.

Insgesamt unternimmt der Bund zwar vielfältige Bemühungen zugunsten der Auslandschweizerinnen und -schweizer, wodurch er diese als wertvolle Bindeglieder zwischen der Schweiz und der Welt würdigt. Doch ist auch festzustellen, dass sich die einschlägigen Normen in diversen Gesetzen befinden, und dass Unterstützungen von verschiedenen Departementen getätigt werden, wodurch nicht das Bild einer kohärenten Politik des Bundesrats vermittelt wird. Das ASG behebt diesen Mangel.

Die Tatsache, dass für viele konsularische Dienstleistungen des EDA und der Vertretungen die gemäss Artikel 164 BV verlangte gesetzliche Grundlage geschaffen wird, trägt zur weiteren Kohärenz bei.

Der Vergleich mit Staaten, die ähnlich der Schweiz eine bedeutende Zahl von Staatsangehörigen im Ausland haben, erlaubt die Feststellung, dass diese keine Erlasse mit dem umfassenden Ansatz haben, der das ASG kennzeichnet. Was spezifischer die konsularischen Dienstleitungen anbelangt, ist Deutschland zu erwähnen, das im September 1974 das Gesetz über die Konsularbeamten, ihre Aufgaben und Befugnisse erlassen hat, sowie Belgien, dessen Regierung im Mai 2013 dem Parlament den Entwurf des ersten belgischen Code Consulaire unterbreitet.

1.3

Vernehmlassungsergebnisse

Die SPK des Ständerats hat im Rahmen der von Mitte Mai bis Ende August 2013 durchgeführten Vernehmlassung 46 Stellungnahmen erhalten. Fast alle Kantone, fünf der in der Bundesversammlung vertretenen politischen Parteien und diverse interessierte Organisationen, darunter die Auslandschweizer-Organisation, haben Stellung genommen. Die Mehrheit der Kantone und Parteien begrüsst die Vorlage, hauptsächlich in Hinsicht auf das Ziel, bestehende Erlasse im Gesetz zusammenzuführen, was den Auslandschweizerinnen und -schweizern eine verständlichere Gesamtschau ihrer Rechte und Pflichten wie auch der Dienstleistungen des Bundes erlaube. Zustimmung haben auch der Grundsatz der Eigenverantwortung, der breite persönliche Geltungsbereich (Einschluss des vorübergehenden Auslandaufenthaltes) und die Errichtung des «Guichet unique» erhalten. Die Kantone kommentieren vor allem die Regelung der Sozialhilfe und erheben Einwände gegen einzelne Bestimmungen. Die politischen Parteien und die interessierten Organisationen orten Mängel der Vorlage vor allem bezüglich der Regelung der Registrierung der Ausland6 7 8

SR 852.1 SR 191.1 SR 172.010

1922

schweizerinnen und -schweizer und ihrer Information sowie bezüglich der Beziehungen des Bundes zur organisierten Interessenvertretung. Grundsätzlich kritisch stehen der Vorlage gegenüber der Kanton Thurgau (Kritik am Ansatz eines personenbezogenen Erlasses), der Kanton Wallis (die Zusammenführung diverser Gesetze kompliziere die Umsetzung) und die SVP, die ihr Eintreten auf die Vorlage an Bedingungen knüpft (Ablehnung von neuen Rechtsansprüchen und Bundessubventionen). Die SPS und die ASO treten dafür ein, das Engagement des Bundes in den Bestimmungen zur Information und zur Kooperation mit der organisierten Interessenvertretung (ASO, Auslandschweizerrat) zu verstärken.

Die Stellungnehmenden gehen auf einige Einzelfragen ausführlicher ein. Was die Registrierung anbelangt heisst ein Kanton den Ansatz der Vorlage (Freiwilligkeit) gut, während ein Kanton, drei Parteien und die ASO ihm die Verankerung der gesetzlichen Anmeldepflicht vorzögen. Auf dem Gebiet der politischen Rechte stimmen viele Kantone den Bestimmungen zu, die punktuell das geltende Recht anpassen (vereinfachte Regelung der Festlegung der Stimmgemeinde, Verzicht auf die Pflicht der periodischen Wiederanmeldung) und begrüssen sie auch als Alternative zu einer 2011 beschlossenen Änderung des bestehenden Gesetzes. Drei Parteien beantragen in Bezug auf die Festlegung der Stimmgemeinde, dass eine Sonderregelung für nahe der Schweizergrenze lebende Auslandschweizerinnen und -schweizer erwogen werde. Einige Stellungnehmende verlangen, dass das Gesetz den «Vote électronique» zum ebenbürtigen Stimmkanal erhebt. Auf dem Gebiet der Sozialhilfe werden etliche Vorschläge von Kantonen unterbreitet, insbesondere um Lücken der gesetzlichen Grundlage für diese Bundestätigkeit zu vermeiden. Der Verzicht auf Deckung bestimmter kantonaler Sozialhilfekosten durch den Bund bei der Rückkehr anspruchsberechtigter Personen in die Schweiz wird von einem Kanton gutgeheissen, dagegen von 18 abgelehnt, die Argumente praktischer und finanzieller Natur (Lastenverschiebung zuungunsten der Kantone), zum Teil auch grundsätzlicher Natur (Bezug nehmend auf die Anwendung des Wohnsitzgrundsatzes in BV 115) anbringen.

Die ASO fordert den Gesetzgeber auf, die Vorgaben für den Bund bezüglich der Zusammenarbeit mit dieser Organisation (bzw. mit repräsentativen Institutionen)
und ihrer Konsultation besser zu umreissen. Die SPS plädiert dafür, den Auslandschweizerrat in ein Gremium umzuwandeln, dessen Delegierte in direkter und geheimer Wahl bestellt würden und das zum Konsultativorgan des Bundes würde. Die SVP steht der Erwähnung des Auslandschweizerrats und der ASO im ASG ablehnend gegenüber.

Die CVP und die SVP befürworten die Integration des Bundesgesetzes über die Vermittlung schweizerischer Bildung im Ausland (in Revision) ins Gesetz, während die SPS und die ASO einen separaten Erlass für diesen Gegenstand für vertretbar hielten.

Zur Änderung bisherigen Rechts liegt nur eine Stellungnahme vor. Die Genossenschaft soliswiss wehrt sich gegen die Aufhebung des Bundesbeschlusses über eine Ausfallgarantie des Bundes an soliswiss. Für die SPS und die ASO wäre die Ergänzung des ASG durch eine Bestimmung angezeigt, die Auslandschweizerinnen und -schweizern bei Fehlen angemessener lokaler Vorsorgelösungen den Beitritt zur freiwilligen AHV/IV gewährleistet; die FDP International regt eine stärker eingeschränkte Beitrittsmöglichkeit an. Die SPS und die ASO schlagen einen Artikel vor, der die Nichtdiskriminierung wegen des Wohnsitzes einer Person (im Inland bzw.

im Ausland) verankert.

1923

Die Kommission hat die in der Vernehmlassung vorgebrachten Anliegen überprüft und einige in die Vorlage integriert. So ist sie auf ihr Konzept, eine freiwillige Registrierung für Auslandschweizerinnen und -schweizer vorzusehen, zurückgekommen und sieht nun wieder wie im geltenden Recht eine Anmeldepflicht vor (Art. 11). Ebenfalls wurde die Förderung des Austauschs zwischen und mit den jungen Auslandschweizerinnen und -schweizern aufgenommen (Art. 9). Die Forderung, die Zusammenarbeit zwischen dem Bund und der ASO im Gesetz präziser festzuhalten, wurde mit einem Minderheitsantrag aufgenommen. Im Weiteren wurden aufgrund der Vernehmlassung einige Klärungen im vorliegenden Bericht angebracht.

Andere Anliegen konnten nicht berücksichtigt werden. So hält die Kommission daran fest, dass der Bund bestimmte kantonale Sozialhilfekosten bei der Rückkehr anspruchsberechtigter Personen in die Schweiz nicht mehr decken soll. Es entspricht der Logik des Systems des Finanzausgleichs, dass die Zuständigkeiten der verschiedenen staatlichen Ebenen nicht vermischt werden. Zuständig für die Sozialhilfe sind die Kantone. Bei der Ausübung des Stimmrechts geht es darum, Auslandschweizer(innen) gegenüber Inlandschweizer(inne)n nicht zu bevorzugen. Vorschläge zu weiteren Erleichterungen der Ausübung des Stimmrechts durch Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer konnten deshalb nicht berücksichtigt werden.

2

Grundzüge der Vorlage

Durch den Erlass des ASG bestätigt der Bund seinen Willen, in der Erfüllung des Verfassungsauftrags in Artikel 40 BV einen Schritt voran zu gehen. Der Bund schafft mittels des Gesetzes den rechtlichen Rahmen, in dem er den sich wandelnden Bedürfnissen der Auslandschweizergemeinschaft entsprechende, zukunftsgerichtete Lösungen entwickeln kann. Das ASG legt die Rechte und Pflichten, Dienstleistungen und Unterstützungen des Bundes in einer Gesamtschau dar, was die unerlässliche Voraussetzung einer konsistenten Strategie des Bundes gegenüber den Schweizer Personen im Ausland darstellt. Es werden keine neuen Rechte für die Auslandschweizerinnen und -schweizer geschaffen. Diese haben die Pflicht, sich und Personen, deren Vertreter sie nach ZGB sind, anzumelden und sicherzustellen, dass ihre Angaben bzw. die der angemeldeten Personen richtig und aktuell sind. Die Unterstützung des Bundes wird nicht ausgebaut, vielmehr im Bereich der Sozialhilfe auf Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer beschränkt (vgl. Ziff. 3.2.4).

Diese Merkmale verdeutlichen die Eigenverantwortung als zentrale Leitidee des ASG.

Das Gesetz regelt überwiegend Dienstleistungen des Bundes für Schweizer Personen im Ausland, das heisst Personen, die ausserhalb der Schweiz wohnen, sich vorübergehend dort aufhalten oder dort tätig sind. Es reguliert ferner die Unterstützung von Institutionen, welche die Interessen der Auslandschweizerinnen und -schweizer vertreten. Das ASG trägt aber auch dem gewachsenen Bedarf an gesetzlicher Regelung im Bereich der konsularischen Dienstleistungen und insbesondere des konsularischen Schutzes Rechnung.

Der zweite Titel regelt Angelegenheiten der Auslandschweizerinnen und -schweizer.

In Anbetracht der Bedeutung der schweizerischen Bildung regelt der dritte Titel deren Vermittlung im Ausland. Die Grundlage dafür ist neben dem erwähnten 1924

Verfassungsartikel 40 BV der Artikel 69 BV, der den Bund zur Unterstützung kultureller Bestrebungen von gesamtschweizerischer Bedeutung berechtigt (s. Ziff. 3.3.).

Die Regelung der Gewährung von konsularischem Schutz und weitere konsularische Dienstleistungen des Bundes bilden den Gegenstand des vierten Titels. Neben Auslandschweizerinnen und -schweizern können weitere schweizerische Staatsangehörige im Ausland konsularischen Schutz beanspruchen, ferner andere natürliche Personen (und deren Angehörige), für welche die Schweiz eine Schutzverpflichtung hat. Die Ermächtigung des Bundes zur Gewährung des konsularischen Schutzes bezieht sich auch auf juristische Personen, die einen ausreichenden Bezug zur Schweiz haben und im Ausland tätig sind. Auf dem Gebiet des konsularischen Schutzes sind drei allgemeine Grundsätze des Bundes hervorzuheben. Keine Person hat einen Rechtsanspruch auf konsularischen Schutz. Der Bund erwartet von den Personen, in Bezug auf Auslandaufenthalte Eigenverantwortung wahrzunehmen.

Und die Behörden handeln subsidiär, das heisst nachdem die betroffene Person ihre Mittel der Selbsthilfe ausgeschöpft hat.

Um die Dienstleistungen des Bundes und die Voraussetzungen ihrer Erbringung an einem Ort darzulegen, sind im ASG bestehende Bundesgesetze zu Einzelgegenständen zusammengeführt. Mit dem Inkrafttreten werden drei Bundesgesetze aufgehoben, die spezifisch auf Auslandschweizerinnen und -schweizer bezogene Fragen regeln: Das BPRAS, das BSDA und das VSBA. Die Verordnungen zu den abgelösten Bundesgesetzen werden in die Verordnung zum ASG überführt. Dasselbe beziehungsweise seine Verordnung lösen ferner das Reglement und die Verordnung über die finanzielle Unterstützung von Auslandschweizer Institutionen vom 26. Februar 20039 ab bzw. schaffen die gemäss Artikel 164 BV nötige gesetzliche Grundlage für diese Regelungen. Die Subventionstatbestände des geltenden Rechts werden ins ASG überführt. Im Zusammenhang mit der Ausübung der politischen Rechte (2. Titel, 3. Kapitel) kann der Bund neu den Kantonen oder weiteren Dritten einmalige Beiträge für Massnahmen wie die Entwicklung von elektronischen Systemen ausrichten, die der Erleichterung der Ausübung der politischen Rechte der Auslandschweizerinnen und -schweizer dienen.

3

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

3.1

1. Titel: Allgemeine Bestimmungen

Art. 1

Gegenstand

Schweizer Personen und Institutionen im Ausland bilden Gegenstand und Ausgangspunkt des ASG. In diesem Rahmen werden vor allem Dienstleistungen und Unterstützungen des Bundes geregelt. Dabei geht es einerseits um Dienstleistungen für Schweizer Personen, welche sich im Ausland niedergelassen haben, also für Auslandschweizerinnen und -schweizer (Abs. 1 Bst. a). Andererseits definiert das ASG auch konsularische Dienstleistungen, welche nicht nur Auslandschweizerinnen und -schweizer, sondern auch Schweizerinnen und Schweizer, die sich vorübergehend im Ausland aufhalten, beanspruchen können (Abs. 1 Bst. c). Konsularische Dienstleistungen können auch juristischen Personen zu Gute kommen sowie Perso9

SR 195.11

1925

nen, für welche die Schweiz eine Schutzfunktion übernimmt (vgl. Ziff. 3.4.1.1). Die im 3. Titel geregelten Tätigkeiten des Bundes bezwecken gleichermassen die Förderung junger Auslandschweizerinnen und -schweizer wie die Vermittlung schweizerischer Bildung und Kultur in den Empfangsstaaten, wozu namentlich die beitragsberechtigten Schweizerschulen dienen. Es handelt sich somit nicht um ein «Auslandschweizergesetz» im engen Sinn des Wortes, sondern um ein Gesetz über «Schweizer Personen und Institutionen im Ausland».

Das ASG ist jedoch nicht ausschliesslich auf Dienstleistungen ausgerichtet. So werden beispielsweise im zweiten Titel Rechte und Pflichten von Auslandschweizerin nen und -schweizern sowie Unterstützungen und Fördermassnahmen des Bundes zugunsten bestimmter Institutionen geregelt.

Wie in Absatz 2 dargelegt ist, bezieht das ASG den diplomatischen Schutz, d.h. die Vertretung staatlicher Interessen der Schweiz bei Empfangsstaaten, nicht ein. Dieser Schutz, bei dem die Schweiz ihr eigenes Recht geltend macht, wird aufgrund einer Verfügung des Bundesrates gewährt.

Absatz 3 präzisiert den Verfassungsgrundsatz, dass das Völkerrecht von Bund und Kantonen zu beachten ist (Art. 5 Abs. 4 BV). Das wichtigste multilaterale Abkommen im Bereich des Gesetzes ist das Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen vom 24. April 196310. Unter den bilateralen Staatsverträgen sind die Vereinbarungen betreffend die Vertretung der liechtensteinischen Interessen in Drittstaaten zu erwähnen. Während das Fürstentum Liechtenstein in Österreich und Belgien die konsularischen Aufgaben durch eine eigene Vertretung wahrnimmt, hat es mit der Schweiz Vereinbarungen geschlossen, wonach die Schweiz die Interessen natürlicher und juristischer Personen des Fürstentums Liechtenstein in den übrigen Ländern vertritt. Der Briefwechsel vom 21. und 24. Oktober 1919 begründet die geografisch möglichst umfassende Erbringung von Dienstleistungen der schweizerischen Vertretungen für liechtensteinische Personen. Aufgrund späterer Vereinbarungen erledigt die Schweiz bestimmte konsularische Aufgaben für liechtensteinische Personen auch in Deutschland und in den USA, ungeachtet der Eröffnung von Vertretungen des Fürstentums Liechtenstein in Berlin und Washington.

Des Weiteren kann als Beispiel das bilaterale schweizerisch-österreichische
Abkommen über die Zusammenarbeit auf konsularischem Gebiet von 1979 angeführt werden. Im Kontext der europäischen Integration ist das Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft sowie ihren Mitgliedstaaten über die Personenfreizügigkeit von 1999 wichtig. Die Schweiz beabsichtigt, weitere Abkommen über konsularische Zusammenarbeit abzuschliessen.

Art. 2

Zweck

In diesem Artikel wird namentlich an Artikel 40 BV angeknüpft, mit dem der Bund beauftragt wird, die Beziehungen der Auslandschweizer untereinander und zur Heimat zu fördern. Die Regelung der Rechte und Pflichten, die Schweizer Personen im Ausland geniessen, sowie der Dienstleistungen und Massnahmen zu ihren Gunsten, betreffen im Besonderen die Ausübung der politischen Rechte und die Sozialhilfe. Ergänzt wird der Auftrag nach Artikel 40 BV durch den Zweck der Erleichterung der internationalen Mobilität von Schweizerinnen und Schweizern, womit der Gesetzgeber anerkennt, dass eine internationale Mobilität, bei der die Gesetze der 10

SR 0.191.02

1926

Schweiz und des Empfangsstaats befolgt werden, einen Gewinn für unser Land darstellt. Der Bund ist gehalten, Hindernisse dieser Mobilität zu verringern, wo dies möglich ist. Die Qualifizierung der Mobilität als international verdeutlicht, dass die Erscheinung ganzheitlich betrachtet wird und Bewegungen aus der Schweiz heraus sowie in die Schweiz zurück einschliesst. Immer grösser ist die Zahl der Schweizerinnen und Schweizer, die in mehreren Zielländern in Abfolge leben, im Unterschied zu Epochen, in denen die Auswanderung einen definitiven Charakter hatte. Verbesserungen in Bezug auf die Mobilität werden namentlich auf dem Weg völkerrechtlicher Abkommen angestrebt, von denen die Schweiz viele abschliesst mit ausländischen Staaten oder mit der Europäischen Union, beispielsweise im Rahmen des Personenfreizügigkeitsabkommens. Eine Zwecksetzung des ASG ist ferner die Regelung der Dienstleistungen zugunsten von Schweizer Personen im Ausland, deren Voraussetzungen und Grenzen dargelegt werden. Weitere Zwecke bestehen in der Vermittlung schweizerischer Bildung und Kultur im Ausland. Die Bildung junger Auslandschweizerinnen und -schweizer und ihre Beziehungen zur Schweiz sind zu fördern. Ebenso sind die Kenntnisse über die Schweiz weiteren Kindern und Jugendlichen im Ausland zu vermitteln.

Art. 3

Begriffe

Das ASG stellt den Begriff der Auslandschweizerin bzw. des Auslandschweizers auf eine neue Grundlage. Im geltenden Recht fehlt eine vorrangige Begriffsbestimmung.

Die Definitionen in einzelnen Bundesgesetzen haben unterschiedliche Anknüpfungspunkte und weisen Abweichungen auf, beispielsweise zwischen den politischen Rechten und der Sozialhilfe. Im ASG ist ein einheitlicher Begriff festgelegt, der von zeitlichen Kriterien losgelöst ist (nach Art. 12 des Reglements gelten zwölf Monate als Mindestdauer eines Auslandaufenthalts zur Qualifikation als Auslandschweizer). Auslandschweizerinnen bzw. -schweizer im Sinne des ASG sind die schweizerischen Staatsangehörigen, die keinen Wohnsitz in der Schweiz haben und sich bei einer Schweizer Vertretung angemeldet haben.

Mit Bezug auf den Wohnsitz sei präzisiert, dass die Auslandschweizerin bzw. der Auslandschweizer entweder nie einen Wohnsitz in der Schweiz hatte oder im Falle der Auswanderung aus der Schweiz bei der letzten Wohngemeinde abgemeldet sowie bei keiner anderen schweizerischen Gemeinde angemeldet ist. Unter dem Wohnsitz nach Buchstabe a ist der zivilrechtliche Wohnsitzbegriff zu verstehen.

Damit ist er von anderen Wohnsitzen wie etwa dem unterstützungsrechtlichen oder dem steuerrechtlichen unterschieden. Wie auch weitere Bestimmungen des ASG (Art. 11 Abs. 1, 14 Abs. 1 Bst a, 18 Abs. 1 und 62 Abs. 3) bezieht sich Artikel 3 Buchstabe a auf den Wohnsitz nach Artikel 23 ZGB11.

Die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer sind eine Teilgruppe des weiter gefassten Personenkreises der natürlichen Schweizer Personen im Ausland.

Das Auslandschweizerregister (ASR) wird als Gesamtheit des elektronischen Informationssystems VERA12 und der Papierakten definiert, die zur Erledigung der konsularischen Aufgaben gegenüber den in Artikel 4 des Bundesgesetzes über die

11 12

SR 210 Verordnung über die Vernetzte Verwaltung der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer vom 7. Juni 2004 (VERA-Verordnung), SR 235.22.

1927

Bearbeitung von Personendaten im EDA13 erwähnten Personen nötig ist (s. auch Ziff. 3.2.2, Erläuterung zu Art. 11 bezüglich des persönlichen Geltungsbereichs).

Das ASR ersetzt das Matrikelregister gemäss Artikel 11 Absatz 1 des Reglements.

Der Empfangsstaat ist der ausländische Staat, auf dessen Gebiet eine Vertretung der Schweiz konsularische Aufgaben wahrnehmen kann. Die Schweizer Vertretung ist entweder im Empfangsstaat selber etabliert oder sie nimmt ihre konsularischen Aufgaben von einem anderen Staat aus wahr, sofern der Empfangsstaat dies nicht ablehnt (vgl. Art. 7 Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen). In diesem Sinne können beispielsweise regionale Konsularzentren konsularische Dienstleistungen in verschiedenen Empfangsstaaten erbringen. Der Begriff Empfangsstaat definiert je nach Kontext auch den Staat, in dem sich eine natürliche Person dauerhaft oder vorübergehend aufhält oder aber eine juristische Person etabliert ist. Im Bereich der Vermittlung schweizerischer Bildung ist Empfangsstaat mit dem Begriff Gastland gleichbedeutend, wie er in der Botschaft des Bundesrats vom 7. Juni 2013 zum Bundesgesetz über die Vermittlung der schweizerischen Bildung im Ausland verwendet wird (s. Ziff. 3.3).

Die schweizerischen Vertretungen, die keine konsularischen Aufgaben wahrnehmen (beispielsweise die multilaterale Mission der Schweiz bei der EU in Brüssel oder bei den Vereinten Nationen in New York), werden vom Begriff der Vertretung nach diesem Gesetz nicht abgedeckt.

Art. 4

Rechtsvorschriften des Empfangsstaates

In Artikel 4 wird dargelegt, dass die schweizerischen Behörden und Vertretungen in ihrer Tätigkeit die Rechtsvorschriften des Empfangsstaates beachten. Dies geht bereits aus dem Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen hervor.

Damit das ASG eine Gesamtschau vermitteln kann, ist es wichtig, diesen Grundsatz neben der Beachtung des Völkerrechts ausdrücklich festzuhalten und gegenüber der Öffentlichkeit transparent zu machen, dass sich die schweizerischen Behörden im Rahmen dieses Gesetzes nicht nur an schweizerisches Recht, sondern auch an das Recht des Empfangsstaates zu halten haben, wodurch in der Erbringung von Dienstleistungen Grenzen gesetzt sind. Im deutschen Konsulargesetz findet sich im Übrigen ein analoger Wortlaut in Artikel 1 Absatz 3.

Art. 5

Eigenverantwortung

Schweizer Personen, die sich vorübergehend oder zum dauernden Verbleib im Ausland aufhalten, sind gehalten, Eigenverantwortung wahrzunehmen, indem sie sich bemühen, Risiken zu vermeiden ­ soweit sie über Handlungsalternativen verfügen ­ und wenn eine Gefahr eingetreten ist, die Schwierigkeiten aus eigener Kraft zu meistern und deren Folgen zu bewältigen. Das Verhalten jeder Person und die Dienstleistungen des Bundes sind miteinander verknüpft. Die Behörden können ihre Aufgaben, besonders die Dienstleistungen im Rahmen des konsularischen Schutzes, wirksamer erfüllen, wenn sie auf die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger bauen können, die persönliche Verantwortung wahrzunehmen. Darum verwendet das ASG den Begriff der Eigenverantwortung in Anlehnung an die Verantwortung jeder Person gemäss Artikel 6 BV. Die Verantwortung des Staates ist im Verhältnis hierzu 13

Bundesgesetz vom 24. März 2000 über die Bearbeitung von Personendaten im Eidg.

Departement für auswärtige Angelegenheiten, SR 235.2.

1928

subsidiär. Die Kommission erkennt in der Eigenverantwortung einen geeigneten Leitgedanken im Umgang mit der internationalen Mobilität, die das Leben im beginnenden 21. Jahrhundert prägt. Die Schweizerinnen und Schweizer nutzen die Gelegenheiten dieser Mobilität besonders intensiv, sei es für kurzfristige Aufenthalte, die Ausübung von Bildungs- und Berufstätigkeiten oder zur Migration.

In der Eigenverantwortung in Bezug auf Auslandaufenthalte sind die Elemente der Selbstverantwortung einer Person, der Mitverantwortung für ihre Angehörigen, z.B.

mitreisende Kinder, sowie der Verantwortung für die Allgemeinheit enthalten: Selbstverantwortung beweist, wer die Risiken für die eigene Person im Rahmen von Auslandaufenthalten begrenzt. Das kann sich auf das Reiseverhalten beziehen sowie bei einer niedergelassenen Person auf die Sicherung ihres Lebensunterhalts und der Vorsorge für Alter und Krankheit. Oft sind die Selbstverantwortung und die Verantwortung für die Allgemeinheit eng miteinander verknüpft. Verantwortung in Bezug auf das Gemeininteresse beweist eine Person, die unnötige Risiken vermeidet, um damit anderen keine Hilfskosten in Form von konsularischem Beistand oder von Sozialhilfeleistungen zu verursachen. Würde in Bezug auf Auslandaufenthalte allgemein Verantwortung wahrgenommen, so wäre ein bedeutender Teil der Situationen vermieden, die mitunter aufwändige Aktionen des Bundes nach sich ziehen.

Die Eigenverantwortung einer Schweizer Person im Ausland schliesst ein, dass sie die Gesetze des Empfangsstaates beachtet und die Anweisungen der lokalen Behörden befolgt. Im Übrigen ist die Eigenverantwortung je nach Situation mit unterschiedlichen Akzenten versehen. Sie beinhaltet bei einem Aufenthalt von begrenzter Dauer im Ausland, dass die Person sich über die aktuellen Risiken informiert und Gefahrensituationen durch die Wahl von Destinations- und Transitorten und ihre Verhaltensweise vor Ort vermindert, und dass sie private Versicherungen mit angemessener Deckung abschliesst (Krankenkasse bzw. Reiseschutz). Die Person, die sich vorübergehend ins Ausland begibt, kann ihre Daten auf Itineris registrieren (Online Plattform des EDA), damit sie von der zuständigen Vertretung im Notfall rasch kontaktiert werden kann. Andere Aspekte der Eigenverantwortung stehen bei der Niederlassung im Ausland im
Vordergrund wie die Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen oder der Weisungen und Hinweise, die die Landesbehörden etwa bei besonderen Ereignissen erlassen. Entsprechend der stärkeren Bindung an den Empfangsstaat, welcher der neue Lebensmittelpunkt ist, stellen die Auslandschweizerinnen und -schweizer die Eigenverantwortung durch die nachhaltige Sicherung des Lebensunterhalts, Abschluss einer Krankenversicherung und Sicherung der Altersvorsorge unter Beweis (gegebenenfalls via freiwillige Alters- und HinterlassenenVersicherung).

Art. 6

Empfehlungen

Das EDA kann aktuelle Informationen über Gefahrenquellen und allgemein über situationsgerechtes Verhalten im Zusammenhang mit Auslandaufenthalten veröffentlichen. Den Reiseinteressierten bzw. Reisenden stehen namentlich die Reisehinweise auf dem Internetportal des EDA zur Verfügung, die eine Risikoanalyse enthalten sowie ggf. die Empfehlung bestimmter Vorsichtsmassnahmen, die von Ämtern in verschiedenen Departementen formuliert werden. Diese Informationen können der Prävention wie auch der Verhaltensanleitung bei eingetretener Notlage dienen.

Bezüglich Krisensituationen präzisiert Artikel 65 Absatz 3 (vgl. Ziff. 3.4.1.3), dass Schweizer Personen im Ausland gehalten sind, die Sicherheitsempfehlungen des EDA zu beachten, namentlich die Reisehinweise und Kommunikationen an limi1929

tierte Empfängerkreise wie etwa elektronische Mitteilungen (z.B. SMS) einer Vertretung oder der Helpline EDA an Personen in einer Gefahrenzone. Artikel 60 Absatz 2 Buchstabe c legt fest, dass der Bund wegen Missachtung von Empfehlungen den konsularischen Schutz beschränken kann, und Artikel 61 Absatz 2 entbindet den Bund von der Haftung für veröffentlichte Empfehlungen.

Durch Artikel 6 ist das EDA auch ermächtigt, die Öffentlichkeit zu informieren, was im Rahmen der üblichen Tätigkeit, aber beispielsweise auch durch Sensibilisierungsaktionen in den Medien und an Fachmessen zugunsten der Beachtung der Reisehinweise geschehen kann.

Art. 7

«Guichet unique»

Der in diesem Artikel verankerte «guichet unique» ist ein wesentlicher Bestandteil der Anstrengungen zu Gunsten einer kohärenten, ganzheitlichen Auslandschweizerpolitik. Mit dem «guichet unique» stellt die Verwaltung die bedarfsgerechte Erbringung von Dienstleistungen nach dem ASG sicher. Er ist ein Instument des Service public.

Die Motion Brunschwig Graf (Mo 11.3203) verleiht der Forderung nach einem «guichet unique» Nachdruck14. Im gleichen Sinn fordert die parlamentarische Initiative Lombardi (11.446) die Zuweisung der Federführung in der Auslandschweizerpolitik an ein Department. Im Verlauf der letzten Jahrzehnte hat die Intensität des Geschäftsverkehrs zwischen Amtsstellen in der Schweiz und Vertretungen zugenommen und der Bedarf an wechselseitigem Austausch von Daten sowie an Unterstützung ist gewachsen. Dieser Entwicklungstrend, der sich fortsetzen dürfte, hängt mit der zunehmenden internationalen Mobilität zusammen. Das Interesse an einem leistungsfähigen «guichet unique» beim Bund ist unbestritten.

Wie die eidgenössischen Räte hat sich auch der Bundesrat für die Errichtung des «guichet unique» eingesetzt. So richtete er im Mai 2011 im EDA die Konsularische Direktion (KD) ein, die für effiziente und kundenfreundliche konsularische Dienstleistungen sorgt und zu diesem Ziel mit andern Stellen der Bundesverwaltung, kantonalen Gremien und ausländischen Partnern zusammenarbeitet.15 Der Auftrag der KD deckt sich in bedeutendem Mass mit der Spannweite der Funktionen des «guichet unique» zugunsten der Auslandschweizerinnen und -schweizer sowie der anderen Schweizer Personen und Institutionen16 im Ausland. Der «guichet unique» ist der Schalter für Anfragen jeglicher Natur, über den seine Benutzerinnen und Benutzer informiert werden, Rat erhalten und an die richtige Stelle weitergeleitet werden. Die Direktion als zentrale Dienststelle ist Dienstleistungszentrum und Kontaktstelle der Bundesverwaltung für Kantonsbehörden in Fragen im Bereich des Gesetzes (damit ist namentlich einer spezifischen Forderung der Motion 11.3203 Folge geleistet). Im Schoss der Bundesverwaltung ist der «guichet unique» der Ansprechpartner für Institutionen der Vertretung von Auslandschweizerinteressen, namentlich für die Auslandschweizer-Organisation (ASO). Bei Fragen, für deren

14 15 16

Diese Motion verlangte die Zentralisierung an einer für Auslandschweizerangelegenheiten zuständigen Bundesstelle.

Organisationsverordnung vom 20. April 2011 für das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (OV-EDA), SR 172.211.1.

Damit sind hier Institutionen im weiten Sinn gemeint, im Unterschied zur eingeschränkten Definition des Begriffs in Art. 38 Abs. 1 ASG.

1930

Behandlung andere Departemente zuständig sind, wird über den «guichet unique» die Koordination sichergestellt.

Absatz 2 besagt, dass der «guichet unique» die zwei Komponenten des EDA einschliesst, nämlich die KD als zentrale Dienststelle und das Vertretungsnetz, bestehend aus Botschaften und Generalkonsulaten mit eigenem Konsularbezirk sowie den regionalen Konsularzentren. In Angelegenheiten des konsularischen Schutzes kann der Bund auch die Unterstützung der übrigen Schweizer Berufsvertretungen sowie der rund 200 Honorarkonsulate in Anspruch nehmen. Die Komponenten werden entsprechend ihrer Stärken eingesetzt: der Spezialkompetenzen in der KD, der räumlichen Nähe der Vertretungen zu den Betroffenen. Der Bund bemüht sich darum, die informationstechnologischen Systeme und Plattformen des e-Government einzurichten, um die Verwaltungstätigkeit über den «guichet unique» bürgernah zu gestalten.

Die Präzisierung in Absatz 2, wonach die Erbringung konsularischer Dienstleistungen in der Regel den Vertretungen obliegt, lässt dem EDA die Möglichkeit offen, internationale Vereinbarungen abzuschliessen, auf deren Grundlage konsularische Aufgaben für Schweizer Personen im Ausland auch durch Vertretungen von Partnerstaaten erbracht werden können. Gewisse Dienstleistungen werden in Koordination mit dem EDA auch durch andere Amtsstellen erbracht. Vom Bundesrat wird erwartet, dass er das Vertretungsnetz mit den nötigen Ressourcen ausstattet, die zur bedürfnisgerechten Erbringung der konsularischen Dienstleistungen erforderlich sind.

Aufgrund der Wahrnehmung der «guichet unique»-Funktionen in ihrer ganzen Breite hat die KD den Überblick über alle Angelegenheiten bezüglich Schweizer Personen im Ausland. Somit kann sie den Bundesrat in der Formulierung der aussenpolitischen Strategie unterstützen, namentlich unter dem Gesichtspunkt der Auslandschweizerinnen- und Auslandschweizerinteressen, und in der Gestaltung seiner Politik im Bereich dieses Gesetzes.

Art. 8

Aussenpolitische Strategie

Bei der Festlegung seiner aussenpolitischen Strategie berücksichtigt der Bundesrat auch die Interessen der Schweizer Personen, einschliesslich der Auslandschweizerinnen und -schweizer, und Institutionen im Ausland. Der Bundesrat soll namentlich auf der Linie seiner aussenpolitischen Strategie 2012­201517 fortfahren, welche die Hauptachsen der Aussenpolitik ergänzt durch die Unterstützung von schweizerischen Staatsangehörigen, die im Ausland wohnen oder reisen, um den wachsenden Mobilitätsbedürfnissen der Schweizer Bevölkerung gerecht zu werden.

Im Rahmen seiner Politik bestimmt der Bundesrat, wie er deren Bedürfnissen im Einzelnen Rechnung trägt.

17

Bericht des Bundesrates vom 21. Februar 2012 über die aussenpolitischen Schwerpunkte der Legislatur.

1931

3.2

2. Titel: Auslandschweizerinnen und -schweizer

3.2.1

1. Kapitel: Vernetzung und Information

Im 1. Kapitel sind die Massnahmen zusammengefasst, mit welchen der Bund zu geeigneten Rahmenbedingungen für die Stärkung der Beziehungen der Auslandschweizerinnen und -schweizer zu ihrer Heimat und untereinander beiträgt. Die Hauptbereiche dieser Massnahmen sind die Betreuung, die Vernetzung und die Information.

Art. 9

Vernetzung

Die diplomatischen und konsularischen schweizerischen Vertretungen sind aufgrund dieses Artikels gehalten, die Auslandschweizerinnen und -schweizer sowie ihre lokalen Vereine und Institutionen in geeigneter Weise zu fördern. Absatz 1 präzisiert, dass die Auslandschweizerinnen und -schweizer über wertvolle persönliche Kontaktnetze verfügen, die gewinnbringend in Partnerschaften mit den Vertretungen genutzt werden können. Schon das Postulat Lombardi (04.3571) aus dem Jahr 2004 verlangte, dass diese Kontaktnetze vermehrt genutzt werden. Die Missions- und Postenchefs geniessen einen Spielraum in der Umsetzung. Aus der Partnerschaft ziehen beide Seiten Vorteile, namentlich was den Zugang zu Entscheidungsträgern im Empfangsstaat anbelangt. Für die Vertretungen sind Absolventinnen und Absolventen der Schweizerschulen ein nützliches Bindeglied in der Beziehungspflege und Interessenwahrung im Empfangsstaat. Nach Artikel 53 arbeiten die beitragsberechtigten Schulen mit den Vertretungen zusammen.

In Absatz 2 sind die Bundesstellen in der Schweiz angehalten, den Kontakt zu den Institutionen zu pflegen, die in Übereinstimmung mit dem Ziel von Artikel 40 BV wirken. Der Absatz begründet keinen Anspruch auf finanzielle Unterstützung.

Absatz 3 verankert die Förderung des Austausches junger Auslandschweizerinnen und -schweizer untereinander und mit der Schweiz in einer spezifischen Bestimmung, so wie dies in der Vernehmlassung gefordert wurde. Nach geltendem Recht unterstützt der Bund gestützt auf Artikel 7a Absatz 2 BRPAS über Finanzhilfen Institutionen, die sich der Förderung der Auslandschweizer-Jugend verschreiben, beispielsweise das Ferienlagerangebot den ASO-Jugenddienstes sowie Lager der Stiftung für junge Auslandschweizer (SJAS). Die ASO unterstützt ferner Angehörige dieser Zielgruppe, die z.B. einen Einblick in den Bildungsplatz Schweiz erhalten oder für einen kürzeren Schweizaufenthalt bei einer Gastfamilie leben wollen.

Jung nach Absatz 3 sind Kinder ab dem Kindergartenalter und Jugendliche bis zum vollendeten 25. Altersjahr, in Übereinstimmung mit der Zielgruppe des Kinder- und Jugendförderungsgesetzes.18 Das ASG verankert diese bewährte Tätigkeit, wofür weiterhin Beiträge via die ASO und anderer Institutionen und damit gestützt auf Artikel 38 ausgerichtet werden.

18

Bundesgesetz vom 30. September 2011 über die Förderung der ausserschulischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen (KJFG), Art. 4, SR 446.1.

1932

Art. 10

Information

Das ASG stellt durch Artikel 10 die Informationstätigkeit des Bundes auf eine breitere Grundlage als dies gemäss BPRAS (Art. 7a Abs. 2 Bst. b und Abs. 3) der Fall ist. Die Auslandschweizerinnen und -schweizer sollen wie ihre im Inland lebenden Mitbürgerinnen und -bürger amtlich über ihre Rechte und Pflichten informiert werden und Zugang zu den Informationen haben, die ihnen die Teilnahme am politischen Leben der Schweiz erleichtern.

Mitteilungen amtlicher Natur über grundlegende, die Auslandschweizerinnen und -schweizer betreffende Angelegenheiten werden vom Bund über Medien verbreitet, die sich an Auslandschweizerkreise richten, namentlich auf reservierten Seiten in der «Revue Suisse» («Gazzetta Svizzera» in Italien) (vgl. Ziff. 3.2.5, Erläuterungen zu Art. 38). Weitere Gefässe der offiziellen Information sind etwa der «Ratgeber für Auslandschweizer» und die von den Vertretungen herausgegebenen periodischen Mitteilungen (elektronische «Newsletter»). Was die politischen Rechte anbelangt, gilt im Vorfeld von eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen ein genereller Informationsauftrag des Bundes für die Stimmberechtigten im Inland und Ausland nach den Artikeln 10a, 11 und 34 des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 197619 über die politischen Rechte Zusätzliche Informationen über Kantons- und Gemeindevorlagen und bei Nationalratswahlen über Fragen, die nur einzelne Wahlkreise betreffen, richten sich nach dem kantonalen Recht (gemäss Grundsatz in Art. 15).

Neben der amtlichen Information erhalten die Auslandschweizerinnen und -schweizer auch vielfältige und ausgewogene Information durch unabhängige Anstalten, welche die freie politische Meinungsbildung fördert. Der Bund unterstützt das Angebot im Rahmen eines Service Public-Auftrags finanziell. Im Bundesgesetz vom 24. März 200620 über Radio und Fernsehen (RTVG) schliesst der vom Bund erteilte Auftrag auch die engere Verbindung zwischen den Auslandschweizerinnen und -schweizern und der Heimat ein. Zu nennen wären hierbei die Online-Angebote der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRF) im Ausland und deren internationaler Service Swissinfo. Insgesamt ist der Zugang zu einem Grundangebot an Information über die Schweiz weltweit aufgrund der heutigen offenen IT- und Übermittlungsinfrastrukturen (Funk und Kabel) gegeben. Indem der Bund diesen Auftrag
auf dem Gebiet der staatsbürgerlichen Information in das ASG einfügt, konsolidiert er die Beziehungen der Auslandschweizerinnen und -schweizer zur Schweiz.

Der Bund bz. die Verantwortlichen der Medien schöpfen die Möglichkeiten der allgemein verwendeten neuen Informationstechnologien aus. Das ASG nennt keine einzelnen Medienträger mit ihrer gegenwärtigen Bezeichnung, um dem Bund bzw.

den Herausgebern den nötigen Spielraum für Änderungen zu lassen, soweit diese nicht die Substanz der Bestimmung tangieren.

In Anerkennung des Bedarfs einer Übersicht über die gesetzlichen Grundlagen, welche die Auslandschweizerinnen und -schweizer betreffen, kann über den «guichet unique» eine Zusammenstellung von Links zu einschlägigen Gesetzesbestimmungen zur Verfügung gestellt werden. Dieses Online-Angebot konzentriert sich auf das für die Gesamtschau bedeutsame Recht und erfasst nicht alle relevanten Erlasse.

19 20

SR 161.1 SR 784.40, Art. 24 Bst. c

1933

3.2.2 Art. 11

2. Kapitel: Auslandschweizerregister Eintrag im Auslandschweizerregister

Der Eintrag ins Auslandschweizerregister (ASR) ist an objektive Voraussetzungen (schweizerische Staatsangehörigkeit und kein Wohnsitz in der Schweiz) gebunden.

Nach Absatz 1 ist die Person, die diese Voraussetzungen erfüllt, zur Anmeldung bei der zuständigen Vertretung verpflichtet. Der Anlass ihrer Anmeldung kann die Auswanderung bei Abmeldung in der Schweiz sein oder aber das Erreichen der Volljährigkeit, falls die Person nie in der Schweiz gelebt hat. Die Pflichtnorm hat Aufforderungsfunktion, denn ihre Unterlassung löst keine Sanktion aus, die in der Praxis ausgesprochen oder durchgesetzt werden könnte. Die Anmeldung ist der Ausdruck der Verantwortung des Einzelnen gegenüber der Schweiz, die ihren Staatsangehörigen Rechtsansprüche gewährt.

Der Eintrag der Personendaten im ASR und ihre Aktualisierung liegt im Interesse der Individuen. Er erleichtert es ihnen, die Verbindung zur Schweiz aufrecht zu erhalten. Die Anmeldung von nicht handlungsfähigen Personen erfolgt durch die nach ZGB als ihre Vertreter bestimmten Personen (Inhaber der elterlichen Gewalt, Beistand). Die Anmeldung der Kinder kann als Ausdruck von Mitverantwortung für dieselben verstanden werden, welche dank dem Eintrag im ASR, namentlich aufgrund der Meldung einer Geburt, ihr Schweizer Bürgerrecht bewahren.21 Auch der Staat hat ein begründetes Interesse an einem möglichst hohen administrativen Erfassungsgrad seiner Staatsangehörigen im Ausland. So ist der Bund beispielsweise bestrebt, sie mit vielfältiger Information zu erreichen oder statistisch zu erheben. Die konstante Zunahme der Eintragungen bei den Vertretungen lässt die bestehende Regelung als angemessen funktionierend erscheinen. Deshalb sieht die Kommission von einer anfänglich ins Auge gefassten Freiwilligkeit der Anmeldung ab. Sie kommt damit auch der Kritik entgegen, welche in der Vernehmlassung gegenüber der freiwilligen Anmeldung geäussert wurde.

Die fristgerechte und effiziente Erbringung diverser Dienstleistungen wird durch den Eintrag im ASR erleichtert. Auch nicht im ASR eingetragene Personen können zwar bestimmte Dienstleistungen beanspruchen, sie müssen aber mit einem eventuell grösseren Zeitaufwand zu ihrer Erbringung rechnen. Die Behörden müssen nämlich die Prüfung der Identität und der schweizerischen Staatsangehörigkeit, die im Rahmen der Anmeldung schon
erfolgt wäre, bei der einzelnen Dienstleistung vornehmen. Ausserdem macht das ASG den Eintrag im ASR zur Voraussetzung dafür, dass die anspruchsberechtigte Person ihre politischen Rechte im Ausland ausüben und Sozialhilfe erhalten kann sowie dass junge Schweizer Staatsangehörige im Ausland in den Genuss von Fördermassnahmen nach Artikel 9 Absatz 3 kommen. In Krisensituationen kann die zuständige Vertretung rasch den Kontakt zur eingetragenen Person herstellen. Damit gesellen sich zur Pflicht Anreize, die Anmeldung vorzunehmen. In Absatz 2 wird der Bundesrat beauftragt, bezüglich Sozialhilfe in bestimmten Fällen von Bedürftigkeit Ausnahmen zu machen, die er durch Verordnungsrecht präzisiert. Der Bundesrat muss gewährleisten, dass seine Sozialhilfe für 21

Ins Register können auch Familienangehörige der anspruchsberechtigten Person eintragen werden, ungeachtet derer Staatsangehörigkeit. Bundesgesetz vom 24. März 2000 über die Bearbeitung von Personendaten im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten, SR 235.2, Art. 4, Abs. 1 und 2.

1934

Personen in einer Notlage vorrangig die Sicherung ihres menschenwürdigen Daseins bezweckt. In Situationen der Dringlichkeit, die Sofortmassnahmen erfordern, die nach dringlichem Handeln ruft, darf die Wirksamkeit nicht durch administrative Verfahren behindert werden. Die Vertretungen bringen diesen Grundsatz mit der Anmeldeflicht nach Absatz 1 in Übereinstimmung, indem sie das Verfahren parallel zur Erbringung von Soforthilfe oder erst im Anschluss daran einleiten (dies gilt übrigens auch für Gesuchsverfahren nach Artikel 32 und 33).

Das sogenannte Matrikelwesen (Immatrikulationswesen) ist bisher in den Artikeln 11­14 des Reglements geregelt. Es hält in Artikel 12 die Pflicht zur Immatrikulation fest, die im Kern übernommen und dabei auf Gesetzesstufe verankert wird. In Bezug auf die übrigen Modalitäten hat sich seit dem Erlass des Reglements die Situation namentlich im Zug der Entwicklung der Informationstechnologie tiefgreifend verändert. Im Rahmen der e-Government Strategie wurde ein Projekt eingeleitet, dessen Ziel es ist, VERA (s. Ziff. 3.1, Erläuterung zu Art. 3) durch eine moderne Plattform abzulösen, die den zuständigen Behörden sowie den Benutzerinnen und Benutzern zur Verfügung stehen wird. Das ASG führt eine neue Konzeption des Informationssystems VERA ein, indem es den Wechsel von einem System zu Kontrollzwecken hin zu einem Angebot behördlicher Dienstleistungen vollzieht. Die Öffentlichkeit wird über die Anmeldepflicht und die Vorteile des Eintrags im ASR beispielsweise durch ein Flugblatt in jedem abgegebenen Pass und durch eine Kommunikation an Benutzerinnen und Benutzer des «guichet unique» und namentlich via Helpline EDA informiert.

Art. 12

Anmeldung

Absatz 1 präzisiert, dass die Anmeldung bei der zuständigen Vertretung erfolgt.

Nach Absatz 2 leitet sich die Zuständigkeit davon ab, in welchem Konsularkreis die Person ihren Wohnsitz hat. Die Zuordnung der Person zu einer einzigen Vertretung gewährleistet, dass niemand an mehreren Orten zugleich den Wohnsitz bzw. den gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dieser Grundsatz ist für Personen im Inland gesetzlich verankert (Art. 23 Abs. 2 ZGB22). Er gilt in privatrechtlichen Angelegenheiten auch in Bezug auf das Ausland (Art. 20 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 18. Dezember 198723 über das internationale Privatrecht IPRG).

Weiter kann nach Absatz 2 der Bundesrat Ausnahmen von der Regel vorsehen, wonach der Wohnsitz das Kriterium zur Bestimmung der zuständigen Vertretung ist.

Diese Ausnahmeklausel ist notwendig, um die verwaltungsmässige Zuordnung jeder anspruchsberechtigten Person sicherzustellen, zumal die Definition der Auslandschweizerin bzw. des Auslandschweizers sich auf das Fehlen eines Wohnsitzes in der Schweiz beschränkt. So kann etwa, wenn sich eine Person im Ausland aufhält, ohne dort einen festen Wohnsitz zu haben (z.B. Weltenbummler), ihre Zustelladresse als massgebend zur Festlegung der zuständigen Vertretung betrachtet werden. Die Notwendigkeit der Ausnahmeregel wird auch deutlich am Beispiel der schweizerischen Staatsangehörigen mit Wohnsitz im Fürstentum Liechtenstein. Diese müssen sich nicht bei einer Vertretung anmelden, jedoch bei der Verwaltung des Kantons St. Gallen, welche die Ausweise für sie ausstellt und wo sie auch ihren Wunsch zur Ausübung ihrer politischen Rechte gemäss Artikel 18 ASG mitteilen können.

22 23

SR 210 SR 291

1935

Absatz 3 regelt die Bestätigung der Anmeldung infolge Erreichens der Volljährigkeit. Die Vertretungen führen die bisherige Praxis fort, Minderjährige nach Möglichkeit schon vor dem Erreichen der Volljährigkeit zur Bestätigung der Anmeldung einzuladen, damit sie sich frühzeitig zum Eintrag im Stimmregister melden und ihre politischen Rechte möglichst rasch nach Erreichen der Volljährigkeit ausüben können.

Mit Absatz 4 werden die Einwohnergemeinden, bei denen sich eine Schweizerin oder ein Schweizer ins Ausland abmeldet, verpflichtet, dies dem EDA zum Zweck der verbesserten Erfassung der Auswanderung zu melden. Diese Bestimmung soll einerseits eine Symmetrie schaffen zum Artikel 13 Absatz 3, wonach die Einwohnergemeinden dem EDA jede Anmeldung von Schweizer Staatsangehörigen, die aus dem Ausland in die Schweiz zurückkehren, melden muss. Andererseits bietet er zusammen mit Artikel 13 Absatz 3 die gesetzliche Grundlage für einen verbesserten Austausch von Personendaten zwischen den Registern der schweizerischen Einwohnergemeinden und dem Auslandschweizerregister im Sinne der Zielsetzung der E-Government-Strategie von 2007. Dieser Austausch dient der elektronischen Abwicklung von Dienstleistungen, wodurch eine sowohl bürgerfreundliche als auch wirtschaftliche Aufgabenerfüllung durch die Verwaltungen erleichtert wird.

Art. 13

Meldung von Änderungen

Die im ASR eingetragene Person ist gemäss Absatz 1 verpflichtet, Änderungen der im Moment der Anmeldung gemachten Angaben zu melden. Hierbei ist der Wechsel des Wohnsitzes im Ausland eine besonders wichtige Information. Der Umzug kann zur Folge haben, dass eine andere Vertretung für die angemeldete Person zuständig wird.

Absatz 2 präzisiert, dass der Wechsel der registerführenden Vertretung infolge eines Wohnsitzwechsels so ausgeführt wird, dass der Aufwand für die im ASR eingetragene Person gering ist. Diese muss lediglich bei der Abreise oder der Ankunft ihren Wunsch mitteilen, im Register eingetragen zu bleiben, worauf die Daten in die für ihren neuen Wohnort zuständige Plattform im ASR verschoben werden. Das Verfahren der Übertragung ist somit einfacher als in der Vergangenheit, womit die internationale Mobilität der Auslandschweizerinnen und -schweizer erleichtert wird.

Absatz 3 regelt die Wohnsitznahme in der Schweiz, die gemäss Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe a (vgl. unten) die Abmeldung im ASR zur Folge hat. Hier liegt nicht ein Umzug im Ausland vor, sondern eine Rückkehr in die Schweiz (welche die Einwanderung im Fall der Auslandschweizerinnen und -schweizer der zweiten und folgenden Generationen einschliesst, die nicht persönlich aus der Schweiz ausgewandert sind).

Gemäss Absatz 3 ist die Einwohnergemeinde, bei der sich eine Schweizerin bzw. ein Schweizer anmeldet, verpflichtet, dies dem EDA zum Zweck der verbesserten Erfassung der Rück- bzw. Einwanderung von Auslandschweizerinnen und -schweizern zu melden. Dies erlaubt der Vertretung, die betreffende Person abzumelden und die Stimmrechtsgemeinde über die Wohnsitznahme in der Schweiz zu informieren.

1936

Art. 14

Streichung des Eintrags und Vernichtung der Daten

Wie Artikel 14 des Reglements bestimmt Artikel 14 ASG die Fälle, in denen der Eintrag einer Person im ASG gestrichen wird (Abs. 1 Bst. a­f). Die Streichung des Eintrags nach diesem Kapitel bedeutet die Deaktivierung der Personendaten im ASR. Der Bund kann diese Daten weiterhin (bevor sie gemäss Absatz 2 vernichtet werden) im Rahmen der konsularischen Aufgaben und für statistische Zwecke benutzen.

In diesem Zusammenhang spezifiziert Absatz 1 Buchstaben e und f die Nachrichtenlosigkeit nach mehreren Kriterien: Die Adresse, die bei der Anmeldung angegeben wurde, existiert nicht, die Person lebt nicht an der angegebenen Adresse (Kriterium für die Vertretung ist eine dreimalige Rücksendung von nichtzustellbaren Postsendungen), oder die Person wird für verschollen erklärt (wobei die allfällige Verschollenerklärung durch die Behörden des Empfangsstaates seitens der zuständigen Schweizer Behörde anerkannt sein muss).

Es gilt die Streichung des Eintrags von der Vernichtung der Daten zu unterscheiden, zu welcher der Bund gemäss Absatz 2 unter Beachtung von rechtlichen Fristen und anderer Vorgaben schreitet, die auf Verordnungsstufe bestimmt sind.

3.2.3

3. Kapitel: Politische Rechte

Der Bund regelt die Ausübung der politischen Rechte in eidgenössischen, die Kantone regeln sie in kantonalen und kommunalen Angelegenheiten (Art. 39 BV). Nach geltendem Recht kann eine stimmberechtigte Auslandschweizerin bzw. ein stimmberechtigter Auslandschweizer, die bzw. der bei einer Stimmgemeinde in der Schweiz gemeldet ist, das Stimm- und Wahlrecht persönlich oder brieflich ausüben.

Die Stimmabgabe kann auch elektronisch erfolgen, sofern ein Kanton diese Möglichkeit vorsieht und der Bundesrat die entsprechende Genehmigung erteilt hat. Seit Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die politischen Rechte der Auslandschweizer (BPRAS) im Jahr 1975 hat sich die Zahl der schweizerischen Staatsangehörigen, die ihre politischen Rechte aus dem Ausland wahrnehmen, kontinuierlich erhöht und umfasst im März 2013 rund 132 000 Personen. Der Inhalt des BPRAS ist weitgehend ins ASG überführt worden. Zum Zweck zeitgemässer und klarer rechtlicher Vorgaben sind einzelne Bestimmungen angepasst worden. Neuerungen sind insbesondere in den Artikeln 18, 19 und 21 vorgesehen (s. unten, Erläuterung der entsprechenden Artikel).

Art. 15

Anwendbares Recht

Artikel 15 entspricht inhaltlich Artikel 7 BPRAS. Er nimmt in Absatz 2 auf die politischen Rechte von Auslandschweizerinnen und -schweizern in kantonalen und kommunalen Angelegenheiten Bezug. Das kantonale Recht ist für die Wahl des Ständerats massgebend. Die Kantone können nach Artikel 150 Absatz 3 BV nicht bundesrechtlich dazu verpflichtet werden, die Auslandschweizerinnen und -schweizer an Ständeratswahlen teilnehmen zu lassen.

Art. 16

Umfang

Artikel 16 übernimmt Artikel 3 BPRAS redaktionell leicht verändert.

1937

Art. 17

Ausschluss vom Stimmrecht

Nach Artikel 17, der Artikel 4 BPRAS ablöst, ist die umfassende Verbeiständung einer Person ein Ausschlussgrund bezüglich des Stimmrechts. Dabei wird der bisherige Begriff «entmündigt», der nach wie vor in Artikel 136 BV verwendet wird, auf Gesetzesstufe durch den heute geltenden Begriff «umfassende Beistandschaft» ersetzt. Der Ausschluss einer Person kann auch aufgrund einer Verfügung nach ausländischem Recht erfolgen. Allerdings soll eine im Ausland verfügte Massnahme des Erwachsenenschutzes nur als Ausschlussgrund für das Stimmrecht in der Schweiz gelten, sofern diese auch nach schweizerischem Recht hätte ausgesprochen werden können beziehungsweise von der zuständigen Schweizer Behörde anerkannt wird. Dadurch wird ein Ausschluss verhindert, der aufgrund von ausländischem Recht angeordnet werden könnte, jedoch nach schweizerischem Recht nicht zu einer solchen Massnahme geführt hätte.24 Für Massnahmen des Erwachsenenschutzes, die von einer zuständigen Behörde einer Vertragspartei des Haager Übereinkommens vom 13. Januar 2000 über den internationalen Schutz von Erwachsenen ausgesprochen wird, ist grundsätzlich von einer direkten Anerkennung dieser Massnahme durch die Schweiz als Vertragspartei dieses Übereinkommens auszugehen.25 Ausschlussmassnahmen in Anwendung von Artikel 17 Buchstabe b werden voraussichtlich selten sein.

Art. 18

Ausübung des Stimmrechts

Artikel 18 vereinfacht die Festlegung der Stimmgemeinde (s. Erläuterung zu Art. 19, unten), die nach geltendem Recht frei zwischen einer früheren Wohnsitz- und der/einer Heimatgemeinde gewählt werden kann. Für die Fassung des Artikels war der Gedanke wegleitend, dass die Stellung der Auslandschweizerin bzw. des Auslandschweizers derjenigen der Stimmberechtigten im Inland gleichwertig ist: Auslandschweizerinnen und -schweizer sollen nicht besser gestellt werden als die Schweizerinnen und Schweizer im Inland. Letztere können auch nicht auswählen, wo sie ihre politischen Rechte ausüben wollen. Während Schweizerinnen und Schweizer im Inland das Stimmrecht in der Gemeinde ihres Wohnsitzes ausüben, wird die Auslandschweizerin bzw. der Auslandschweizer ins Stimmregister der Gemeinde ihres bzw. seines letzten Wohnsitzes in der Schweiz eingetragen oder, falls die stimmberechtigte Person nie Wohnsitz in der Schweiz hatte, ins Stimmregister ihrer Heimatgemeinde. Sofern mehrere Heimatgemeinden bestehen, gibt die Person bei der Anmeldung an, in welcher sie ihr Stimmrecht ausüben möchte. Die Stimmgemeinde kann in diesem Fall nachträglich nicht mehr geändert werden.

Die Annäherung der Rechtsansprüche zwischen Ausland- und Inland-Schweizerinnen und -schweizern bezüglich der Wahl ihrer Stimmgemeinde bzw. politischem Wohnsitz sowie der Ausschluss eines Wechsels nach erfolgter Eintragung dienen dem Ziel, Fälle von doppelter Stimmabgabe durch Auslandschweizerinnen und -schweizer aufgrund doppelter Eintragung zu verhindern. Infolge dieser Konzeption ist Artikel 5a Absatz 2 BPRAS nicht ins ASG zu überführen.

24 25

Vgl. Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1975 an die Bundesversammlung über die politischen Rechte der Auslandschweizer, BBl 1975 I 1285, 1298.

HEsÜ, SR 0.211.232.1

1938

Absatz 3 regelt die Formen der Stimmabgabe. Diese kann brieflich oder persönlich erfolgen (Überführung von Art. 1 BPRAS). Ausserdem ist die Möglichkeit der elektronischen Stimmabgabe im Rahmen der Voraussetzungen verankert. Absatz 4 präzisiert, dass bei eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen die stimmfähigen und in das Stimmregister eingetragenen Auslandschweizerinnen und -schweizer in den Kantonen, welche diese Möglichkeit vorsehen, ihre Stimme elektronisch abgeben können. Die elektronische Stimmabgabe wird heute in einer versuchsweisen und nicht verallgemeinerten Weise gewährt. Wie neben dem ASG auch in Artikel 8a des Bundesgesetzes über die politischen Rechte festgehalten ist, kann der Bund im Einvernehmen mit interessierten Kantonen und Gemeinden die Durchführung von Versuchen mit der elektronischen Stimmabgabe zulassen (vgl. Erläuterungen zu Art. 21). Auf jeden Fall besteht heute noch kein Anspruch darauf, die Stimme elektronisch abgeben zu können.

Eine Minderheit der Kommission möchte darauf verzichten, die Möglichkeit der elektronischen Stimmabgabe hier zu erwähnen. Da die elektronische Stimmabgabe noch nicht umfassend gewährleistet werden könne, könnten durch die Erwähnung dieser Möglichkeit falsche Hoffnungen geweckt werden. Die Durchführung von Versuchen mit elektronischer Stimmabgabe sei in Artikel 8a des Bundesgesetzes über die politischen Rechte hinreichend geregelt.

Art. 19 und 20

Eintrag und Löschung im Stimmregister/ Führung des Stimmregisters

Die Artikel 19 und 20, welche Artikel 5a und 5b BPRAS aufnehmen, legen die Grundsätze der Ausübung der politischen Rechte sowie der administrativen Vorkehrungen der Stimmregisterführung dar. Die Regelungen präzisieren die Rechtsansprüche und stellen die effiziente Stimmregisterführung sicher.

In Artikel 19 sind die Eintragung in das und die Löschung im Stimmregister festgelegt. Die Stimmgemeinde nach Absatz 1, welcher Artikel 5 des BPRAS übernimmt, ist die Schweizer Gemeinde, in der die stimmberechtigte Auslandschweizerin bzw.

der stimmberechtigte Auslandschweizer ihre bzw. seine politischen Rechte ausübt.

Mit dem Begriff ist die Stimmgemeinde oder die nach kantonalem Recht für die Stimmregisterführung zuständige Stelle bezeichnet. In gewissen Kantonen, bei denen das Auslandschweizer-Stimmregister auf kantonaler Ebene geführt wird, ist dies z.B. ein kantonales Auslandschweizer-Wahlbüro.

Der Wille der Auslandschweizerin bzw. des Auslandschweizers, ihre bzw. seine schweizerischen politischen Rechte auszuüben, steht zum Zeitpunkt der Meldung an die Stimmgemeinde über die zuständige Vertretung fest. Die Meldung nach Absatz 1 und der Verzicht nach Absatz 2 haben in schriftlicher Form zu erfolgen.

Eine Löschung der Eintragung im Stimmregister erfolgt zum einen auf Antrag der eingetragenen Person. Zum anderen erfolgt die Löschung von Amtes wegen, wenn einer der im Artikel angeführten Gründe gegeben ist. Zu diesen Gründen gehört die Nachrichtenlosigkeit, die für die Stimmregisterführung eine gewisse praktische Bedeutung hat. Die dreimalige, als unzustellbar markierte Rücksendung in Folge von Stimmunterlagen an die von der Auslandschweizerin bzw. vom Auslandschweizer angegebene Adresse ist ein ausreichender Löschungsgrund (dabei sind bezüglich Rücksendungen Urnengänge auf Kantons- bzw. Gemeindeebene und auf eidgenössischer Ebene gleichgestellt). Wie bisher praktiziert soll die zuständige Vertretung weiterhin auf Anfrage einer Stimmgemeinde Nachforschungen über den Verbleib 1939

bzw. die Anschrift der betroffenen stimmberechtigten Person unternehmen. Ausserdem soll diese Vertretung die Stimmgemeinde über die Löschung des Eintrags einer Person im Auslandschweizerregister (gemäss Art. 14) informieren, in welchem Fall die Stimmgemeinde zur Löschung der Daten im Stimmregister verpflichtet ist.

Die eidgenössischen Räte haben mit dem Beschluss vom 17. Juni 201126 den Willen zum Ausdruck gebracht, die Beteiligung der Auslandschweizerinnen und -schweizer am politischen Leben der Schweiz zu fördern, indem die Verfahren zur Erneuerung der Wiederanmeldung ausgebaut und dadurch für die Auslandschweizerin bzw. den Auslandschweizer vereinfacht werden. Die damals beschlossene Regelung, wonach mit jeder erfolgten Teilnahme an einem Urnengang die Meldung erneuert ist, bedeutet für die Kantone und Gemeinden einen massiven administrativen Mehraufwand.

Im Rahmen des ASG wird deshalb eine Vereinfachung im Interesse der Auslandschweizerinnen und -schweizer wie auch der Kantone oder Gemeinden als den stimmregisterführenden Behörden vorgeschlagen. Im Rahmen einer Neukonzeption des Stimmregisterwesens wird vorgeschlagen, auf die vierjährliche Wiederanmeldung beim Stimmregister als Rechtspflicht zu verzichten. Hingegen erhalten die Auslandschweizerinnen und -schweizer die Möglichkeit, jederzeit den Verzicht auf Ausübung ihrer Rechte zu melden, was die Löschung im Stimmregister zur Folge hat. Sie können ihren Verzicht jederzeit rückgängig machen. Die zuständigen Behörden können über diverse Informationsmedien (Informationsblätter, «Revue Suisse») diejenigen Auslandschweizerinnen und -schweizer, die ihre politischen Rechte nicht weiter ausüben wollen, über die Möglichkeit der Abmeldung bei ihrem Stimmregister informieren. Mit dieser Regelung wird die Entwicklung der Nutzung der elektronischen Stimmabgabe nicht beeinträchtigt.

Die Massnahme der Löschung der Daten im Stimmregister wird durch das kantonale Recht präzisiert (sie kann beispielsweise als Deaktivierung bei zeitlich begrenzter weiterer Verfügbarkeit definiert werden).

Mit Artikel 20 wird Artikel 5b BPRAS ins ASG überführt. Bei jeder Konzeption bleibt eine gewisse Anzahl Personen in Stimmregistern eingetragen, welche die Voraussetzungen der Eintragung nicht mehr erfüllt. Die Behörden bemühen sich, im Rahmen der in Artikel 20 festgelegten
Stimmregisterführung und mittels Informationsaustausch zwischen Gemeinden und EDA gemäss Artikel 19 Absatz 4 die Zahl dieser Fälle möglichst zu begrenzen.

Art. 21

Förderungsmassnahmen

Gemäss Artikel 7a Absatz 2 BPRAS kann der Bund Massnahmen von Organisationen und Institutionen fördern, welche die Auslandschweizerinnen und -schweizer in der Ausübung der politischen Rechte unterstützen. Artikel 21 weitet den Kreis der Subventionsberechtigten aus. Neu kann er im Rahmen der bewilligten Kredite auch Massnahmen weiterer Akteure, namentlich der Kantone, unterstützen. Beiträge an Auslandschweizer-Institutionen sind weiterhin möglich; sie werden in Artikel 38 ASG definiert. Zweckmässig kann diese auf eine neue Empfängergruppe bezogene Finanzhilfebefugnis zum Beispiel bei der Entwicklung der technischen Systeme der elektronischen Stimmabgabe via Internet («Vote électronique») sein, die zur Erleichterung der Ausübung des Stimmrechts im Ausland beitragen. Durch die Nutzung des «Vote électronique» kann die Ausübung der politischen Rechte wesentlich 26

BBl 2011 4839

1940

gefördert werden in Anbetracht der faktischen Mängel, die dem brieflichen Weg immer noch anhaften. Im Bericht des Bundesrats von 2006 zum Vote électronique, von dem das Parlament Kenntnis nahm, ist festgehalten, dass die stimmberechtigten Auslandschweizerinnen und -schweizer im Rahmen der etappenweisen Einführung der elektronischen Stimmabgabe eine prioritäre Zielgruppe sind.27 «Vote électronique» wurde als priorisiertes Vorhaben in die E-Government-Strategie aus dem Jahr 2007 aufgenommen. Konkret hat sich der Bund zum Ziel gesetzt, der grossen Mehrheit der stimmberechtigten Auslandschweizerinnen und -schweizer bei den Nationalratswahlen 2015 die Möglichkeit der Teilnahme durch elektronische Stimmabgabe anzubieten. Es ist allerdings aufgrund der Kompetenzaufteilung im Bereich der politischen Rechte den Kantonen überlassen, ob und wann sie «Vote électronique» einführen. Weitere Gebiete, bei denen Unterstützungen durch den Bund erfolgen können, sind die Förderung der elektronischen Teilnahme an eidgenössischen Abstimmungen und die künftige Einführung des elektronischen Unterschriftensammelns («E-Collecting»), womit die elektronische Sammlung bzw. Einreichung von Unterschriften für Initiativen, Referenden, Petitionen oder Wahlvorschlägen bei Nationalratswahlen bezeichnet wird. Mittels Unterstützungen nach Artikel 21 fördert der Bund die (Weiter-)Entwicklung (nicht auch den Betrieb) von solchen Systemen.

Der Bund gewährt Unterstützungen als einmalige Hilfen. Sie überschreiten insgesamt die Höhe von 20 Mio. Schweizerfranken nicht, weshalb die Ausgabenbremse für diesen neuen Fördertatbestand nicht greift (vgl. Ziff. 5.1).

3.2.4

4. Kapitel: Sozialhilfe

Der Bund leistet hilfsbedürftigen Auslandschweizerinnen und -schweizern Sozialhilfe, sofern alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind, einen existenzsichernden Lebensunterhalt zu finanzieren, sei es aus eigenen Mitteln durch die betroffene Person, sei es durch Beiträge von privater Seite (Verwandte) oder Leistungen des Empfangsstaats (Art. 24). Die Sozialhilfe des Bundes fördert die wirtschaftliche und persönliche Selbständigkeit der betroffenen Person sowie deren soziale und berufliche Integration; mit der Sozialhilfe soll die Eigenverantwortung gestärkt werden. Mit Bedürftigkeit wird die fehlende wirtschaftliche Selbständigkeit bezeichnet, die den Anspruch auf Sozialhilfe auslöst. Diese Sozialhilfe ist ­ wie im Inland ­ rückerstattungspflichtig, sofern sich die wirtschaftliche Situation stabilisiert hat und ein angemessener Lebensstandard erreicht worden ist (Art. 35).

Das Bundesgesetz vom 21. März 197328 über Sozialhilfe und Darlehen an Schweizer Staatsangehörige im Ausland (BSDA) bildet bisher die Gesetzesgrundlage für diese Sozialhilfe. Das BSDA wird mit wenig Änderungen ins ASG überführt.

Die untenstehende Tabelle enthält Angaben zur Leistung des Bundes unter dem Titel Sozialhilfe an Schweizer Staatsangehörige im Ausland. Der Bund leistet einerseits finanzielle Hilfe an Einzelpersonen (Personen, die ausschliesslich die Schweizer Staatsangehörigkeit besitzen, und Personen mit mehrfacher Staatsangehörigkeit, sofern ihr schweizerisches Bürgerrecht vorherrscht), s. die obere Zeile der untenstehenen Tabelle. Andererseits vergütet der Bund den Kantonen die Kosten für die von 27 28

Vgl. den [zweiten] Bericht des Bundesrates vom 31. Mai 2006 über die Pilotprojekte zum Vote électronique, 06.056, BBl 2006 5459.

SR 852.1

1941

diesen in den ersten drei Monaten an in die Schweiz Rückkehrende geleistete Sozialhilfe (Art. 3 BSDA), s. die zweite Zeile der Tabelle.

Sozialhilfeleistungen im Ausland und Rückvergütung der Leistungen an die Kantone bei Rückkehr von Auslandschweizerinnen und -schweizern: 2002

2004

2006

2008

2010

2012

Leistungen an Schweizer Staatsangehörige Rückvergütung an Kantone

2 426 260 3 129 171 2 199 801 1 755 323 1 802 932 2 023 510

Total

6 881 669 6 405 245 5 859 865 3 774 682 3 797 808 3 627 279

4 455 409 3 276 074 3 660 064 2 019 359 1 994 876 1 603 769

Erläuterungen Angaben in Schweizerfranken.

Die finanziellen Auslagen werden nicht für Nur-Schweizerbürger/innen und für Mehrfachbürger/innen separat erfasst. Der Anteil der Letzteren lag 2011 bei 73 % der immatrikulierten Schweizer Bürger/innen (s. dazu Ziff. 1.2). In dieser Grössenordnung können auch die Sozialhilfeauslagen den beiden Kategorien zugewiesen werden.

Vergleichsmöglichkeit: Die Stadt Zürich tätigte im Jahr 2011 bei einer Bevölkerungszahl von 390 082 Personen Nettosozialhilfeunterstützung in der Höhe von 188 Millionen Schweizerfranken. Im selben Jahr waren nach Auslandschweizerstatistik 703 640 Personen immatrikuliert.

Anzahl Dossiers und geschätzte Anzahl Sozialhilfebezügerinnen und -bezüger Angeführte Zahlen: Fälle (Dossiers) / geschätze Personenzahl29

Unterstützung im Ausland (vgl. oben: entspricht Leistungen an Schweizer Staatsangehörige) Unterstützung Inland Rückkehrende (vgl. oben: entspricht Rückvergütung an Kantone für die ersten 3 Monate)

2006

2008

2010

2012

583/875

437/656

331/497

307/461

544/816

457/686

562/843

504/756

Die Überführung des BSDA in das ASG erfolgt über weite Teile ohne materielle Änderungen. In einigen wenigen Punkten scheint indessen eine Anpassung an die neuen Gegebenheiten und Bedürfnisse angezeigt. Die wichtigsten inhaltlichen Änderungen gegenüber dem BSDA betreffen folgende Punkte:

29 30

­

Schweizerische Staatsangehörige, die in der Schweiz Wohnsitz haben, sich aber länger als drei Monate im Ausland aufhalten, erhalten künftig nicht mehr Sozialhilfe im Ausland, sondern höchstens ein Notdarlehen.

­

Die von den Kantonen in den ersten drei Monaten nach der Rückkehr einer Auslandschweizerin oder eines Auslandschweizers in die Schweiz geleistete Sozialhilfe wird nicht mehr vom Bund rückvergütet. Damit wird das Wohnsitzprinzip gemäss Artikel 115 BV konsequent angewendet.30 Gestützt auf Erfahrungswerte wird die geschätzte Personenzahl durch Multiplizierung der Anzahl Fälle (Dossiers) mit dem Faktor 1,5 erreicht.

Dem gleichen Ziel verpflichtet ist die von der Bundesversammlung in Frühjahr 2013 verabschiedete Revision des Zuständigkeitsgesetzes SR 851.1, mit der die Entgeltungspflicht der Heimatkantone an die Wohn- und Aufenthaltskantone abgeschafft wurde (BBl 2012 9645).

1942

­

Zum Bezug von Sozialhilfe sind grundsätzlich Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer berechtigt, die im ASR eingetragen sind. Der Bundesrat hat jedoch eine Ausnahmeregelung für Fälle vorzusehen, in denen dringliche Sozialhilfe geboten ist, um Härtefälle zu vermeiden (s. Ziff. 3.2.2).

Liegt eine kurzfristige Notlage vor, in die eine vermögende oder bedürftige Person geraten ist, die in der Schweiz ihren Wohnsitz begründet und weniger als 3 Monate im Ausland weilt, so wird nach ASG nicht mehr Sozialhilfe geleistet, sondern im Rahmen des konsularischen Schutzes ein Notdarlehen gewährt (Art. 64). Diese Notdarlehen sind innert 60 Tagen zurückzuzahlen.31 ­

Notdarlehen können ausdrücklich begrenzt oder verweigert werden, wenn sich die betroffene Person fahrlässig verhalten (indem sie beispielsweise Empfehlungen des Bundes missachtet) oder frühere Hilfeleistungen missbraucht hat (Art. 60 Abs. 2 Bst. c und d).

­

Während eine Sozialhilfeleistung an eine Person mit mehrfachem Bürgerrecht nur bei vorherrschendem Schweizer Bürgerrecht erfolgt, nimmt der konsularische Schutz keine solche Differenzierung vor. Damit dehnt das ASG bezüglich der Notdarlehen den persönlichen Geltungsbereich aus.

Zu bemerken ist, dass das geltende Recht in Bezug auf die Rückvergütung geleisteter Sozialhilfe der Kantone durch den Bund nicht ins ASG überführt wird. Nach dem BSDA übernimmt der Bund die Sozialhilfekosten, die ein Kanton für einen in die Schweiz zurückgekehrten Schweizer Staatsangehörigen in den ersten drei Monaten nach der Rückkehr aufgewendet hat.32 Diese Regelung hat heute ihre Rechtfertigung verloren. Die in allen Kantonen modernisierten Sozialhilfegesetzgebungen und das Zuständigkeitsgesetz (ZUG) bieten die Voraussetzungen, um die Existenz zu sichern und allfällige Zuständigkeitsprobleme zu lösen. Die Sozialhilfe für Schweizer Staatsangehörige mit Wohnsitz in der Schweiz ist grundsätzlich Sache der Kantone.

Eine Kostenrückvergütung durch den Bund widerspricht aus heutiger Sicht der fachlichen Zuständigkeitsordnung. Diese Bestimmungen werden deshalb im vorliegenden Gesetz nicht übernommen.

Die Rückvergütungen des Bundes an die Kantone gemäss BSDA schwanken jährlich in einer gewissen Bandbreite. Insgesamt betrugen sie 2009 1,6 Millionen Franken, 2010 1,8 Millionen Franken, 2011 1,7 Millionen Franken und 2012 1,9 Millionen Franken. Erfahrungsgemäss sind einige Kantone mehr betroffen als andere. Die höchsten Kosten für Rückkehrer verzeichnen die Kantone Zürich (2011: 335 000 Franken, 2012: 595 000 Franken) sowie die Kantone Waadt (2011: 233 000 Franken, 2012: 217 000 Franken) und Genf (2011: 272'000 Franken, 2012: 216 000 Franken). Insbesondere diese Kantone werden denn auch wegen der neuen Regelung mit etwas höheren Sozialhilfeausgaben zu rechnen haben.

31 32

Art. 32 Abs. 2 VSDA, SR 852.11 Art. 3, 16 und 24 Abs. 2 BSDA

1943

3.2.4.1 Art. 22

1. Abschnitt: Grundsatz und vorbeugende Massnahmen Grundsatz

Artikel 22 definiert die Antragsberechtigung für Sozialhilfeleistungen. Diese ist im Unterschied zu den Artikeln 1 und 2 BSDA grundsätzlich auf Auslandschweizerinnen und -schweizer beschränkt. Das BSDA schliesst Schweizerinnen und Schweizer ein, die sich über drei Monate im Ausland aufhalten, aber ihren Wohnsitz in der Schweiz behalten haben. Nach dem ASG ist dieser Personenkreis nicht mehr für den Bezug von Sozialhilfe antragsberechtigt, wobei Ausnahmen vorgesehen sind. Im Falle einer Notlage erhalten nach Artikel 64 Schweizer Staatsangehörige mit Wohnsitz in der Schweiz, die sich vorübergehend im Ausland aufhalten, ein Notdarlehen.

Die Kommission erachtet die Voraussetzung der Anmeldung nach Artikel 11 Absatz 2 für Personen ohne Wohnsitz in der Schweiz als verhältnismässig. Ersucht eine Person den Bund um Sozialhilfe, so wünscht sie eine wesentliche Beziehung zur Schweiz zu etablieren, und es kann von ihr erwartet werden, dass sie diese Beziehung durch ihre Anmeldung zum Eintrag im ASR bezeugt. Auslandschweizerinnen und -schweizer können auch Sozialhilfe vom Bund erhalten, wenn sie während eines vorübergehenden Aufenthalts in der Schweiz in Not geraten. Die einschlägige, auf Artikel 25 Absatz 2 VSDA gestützte bisherige Praxis wird unter dem ASG fortgeführt.

Artikel 11 Absatz 2 ASG ermächtigt den Bundesrat, in Fällen, in denen dringliche Sozialhilfe geboten ist, Ausnahmen von der Anmeldung vorzusehen. Die Anmeldung zum Eintrag im Auslandschweizerregister (ASR) ist unter Beachtung des Sozialhilfegrundsatzes, wonach in Notlagen die Sicherung des menschenwürdigen Daseins vorrangiges Ziel ist, auf flexible Weise auszuführen (dazu Ziff. 3.2.2).

Bisher waren etwa 40% der gesuchstellenden Personen nicht immatrikulierte Bürgerinnen und Bürger. In dringlichen Fällen muss auch weiterhin gewährleistet sein, dass diese Personen trotz fehlender Anmeldung Soforthilfe erhalten.

Art. 23

Vorbeugende Massnahmen

Dieser Artikel entspricht Artikel 4 Absatz 1 BSDA. Die Zuständigkeit des Bundes ist begrenzt, was in der Präzisierung «in besonderen Fällen» zum Ausdruck kommt.

Der Bund kann in besonderen Fällen Massnahmen treffen oder unterstützen, um Auslandschweizerinnen und -schweizer vor drohender Bedürftigkeit zu schützen. In Ergänzung zu Artikel 22, der die Zuständigkeit regelt, wenn die Person schon bedürftig geworden ist, bietet Artikel 23 die gesetzliche Grundlage für Massnahmen vorbeugender Natur an. Die entsprechende Bestimmung der Verordnung zur BSDA (VSDA) wird in der Praxis selten angewendet.33 Nach Artikel 23 kann der Bund bspw. über gesundheitliche u.a. Gefahren aufklären, Massnahmen des Familien- und Kinderschutzes ergreifen und Hilfe bei der Stellensuche und für Behinderte leisten.

Der Begriff «drohende Not» wurde durch «drohende Bedürftigkeit» ersetzt. Mit diesem neuen Begriff soll verdeutlicht werden, dass es hier nicht um eine kurzfristige, akute Notlage geht (diese ist durch Art. 64 abgedeckt), sondern darum, jemanden in grundsätzlich wirtschaftlich prekären Verhältnissen mittel- und längerfristig vor Bedürftigkeit zu bewahren.

33

Art. 3 VSDA, SR 852.11

1944

3.2.4.2 Art. 24

2. Abschnitt: Voraussetzungen der Sozialhilfe Subsidiarität

In der Sozialhilfe an Schweizer Staatsangehörige im Ausland findet ­ analog der Sozialhilfe in der Schweiz ­ der Grundsatz der Subsidiarität Anwendung. Gemäss diesem Grundsatz erfolgt die Hilfe nur, wenn die gesuchstellende Person ihren Lebensunterhalt nicht hinreichend oder nicht rechtzeitig aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten kann und von Dritter Seite (Versicherungen, Verwandte, Aufenthaltsstaat) keine Unterstützung erhältlich ist. So wird beispielsweise unter Bezugnahme auf Artikel 328 ZGB regelmässig geprüft, ob nicht Verwandte in auf- oder absteigender Linie über die nötigen finanziellen Mittel zur Unterstützung ihres Verwandten verfügen. Die regelmässige, von den Vertretungen vorgenommene Überprüfung bezüglich der Situation der Empfängerinnen und Empfänger und der Leistungen verfolgt den Zweck, die Beachtung des Subsidiaritätsgrundsatzes sicherzustellen.

Art. 25

Mehrfache Staatsangehörigkeit

Dieser Artikel übernimmt Artikel 6 BSDA, wobei der Begriff «Doppelbürger» durch «mehrfache Staatsangehörigkeit» ersetzt wird, weil es auch Personen mit einer dreioder vierfachen Staatsangehörigkeit gibt. Bei der Beurteilung, welches Bürgerrecht vorherrscht, wird gemäss bisheriger Praxis eine Gesamtwürdigung vorgenommen.

Beachtung finden insbesondere folgende Kriterien: Hat sich die Person aktiv um den Erwerb des Schweizer Bürgerrechts bemüht? In welchem Staat und in welchem familiären Umfeld hat die Person die stark prägende Kindheits- und Jugendzeit verbracht? Wo lebt ihre Familie? Wie lange lebt die Person bereits im Aufenthaltsstaat? Hat sich die Person im ASR registrieren lassen? Die wichtigsten Kriterien sind in Artikel 2 der Verordnung VSDA ausdrücklich erwähnt. Die bewährte Praxis in der Frage der mehrfachen Staatsangehörigkeit soll fortgesetzt werden.

Art. 26

Ausschlussgründe

Es gelten die gleichen Ausschlussgründe wie nach Artikel 7 BSDA. Der Bund kann einer gesuchstellenden Person Sozialhilfe verweigern oder entziehen, wenn sie öffentliche Interessen der Schweiz schwer geschädigt hat, wenn sie versucht hat, Leistungen durch wissentlich unwahre oder unvollständige Angaben zu erlangen, wenn sie Auskunft verweigert oder ihre Einholung erschwert hat, wenn sie Auflagen oder Bedingungen nicht erfüllt hat, zumutbare Bemühungen zur Verbesserung ihrer Lage unterlassen und bezogene Leistungen missbräuchlich verwendet hat.

1945

3.2.4.3 Art. 27

3. Abschnitt: Sozialhilfeleistungen Art und Umfang

Artikel 8 BSDA wird redaktionell überarbeitet und gestrafft übernommen.

Art. 28

Bedingungen und Auflagen

Artikel 9 BSDA wird unverändert übernommen.

Art. 29

Abtretung und Verpfändung

Mit dieser Bestimmung, die den Inhalt von Artikel 10 BSDA redaktionell angepasst übernimmt, soll die Zweckentfremdung der Sozialhilfe vermieden werden. Im Widerhandlungsfall ist der Bund befugt, weitere Leistungen zu verweigern (vgl.

Art. 26 ASG) und die Rückzahlung bereits ausgezahlter Beträge zu verlangen. In der Praxis sind keine Fälle verbotener Abtretung oder Verpfändung bekannt.

Art. 30

Rückkehr in die Schweiz

Dieser Artikel entspricht inhaltlich ganz Artikel 11 BSDA und wurde nur redaktionell überarbeitet. Mit Rückkehr in die Schweiz wird nach diesem Artikel die Einwanderung bezeichnet. Die Bestimmung findet auf Auslandschweizerinnen und -schweizer der zweiten und folgenden Generationen Anwendung, das heisst auch auf Personen, die nicht persönlich aus der Schweiz ausgewandert sind.

Art. 31

Bestattungskosten

Diese Bestimmung entspricht inhaltlich Artikel 12 BSDA; es werden redaktionelle Anpassungen vorgeschlagen.

Stirbt ein schweizerischer Staatsangehöriger im Ausland, stellt sich bisweilen die Frage, wer für die Bestattungskosten aufkommt. Auch hier gelangt das Subsidiaritätsprinzip zur Anwendung. Die Bestattungskosten werden nur dann von der Sozialhilfe des Bundes getragen, wenn sie nicht aus der Hinterlassenschaft der verstorbenen Person, durch Angehörige oder durch den Aufenthaltsstaat übernommen werden.

Vorrang hat eine schickliche Beerdigung und die Wahrung der Würde der verstorbenen Person. Dazu gehört auch, dass die Beerdigung nicht unnötig hinausgeschoben wird. Deshalb erfolgt die Abklärung der Zahlungsfähigkeit und -willigkeit potentiell Leistungspflichtiger nur summarisch, oft aufgrund der Umstände erst im Nachhinein.

3.2.4.4 Art. 32

4. Abschnitt: Verfahren Gesuch

Die Bestimmung entspricht inhaltlich Artikel 13 BSDA; es wird eine redaktionelle Anpassung vorgeschlagen, unter anderem die Präzisierung, dass Auslandschweizerinnen und -schweizer nach Artikel 3 Buchstabe a ASG, Sozialhilfe empfangen können.

1946

Schweizerische Staatsangehörige im Ausland können ein Unterstützungsgesuch bei der Vertretung einreichen. Diese berät die Gesuchstellenden, stellt die nötigen Formulare zur Verfügung und nimmt eine erste Sichtung der Unterlagen vor. Die Vertretung übermittelt Gesuche mit einem Begleitbericht an die Konsularische Direktion des EDA.

Art. 33

Entscheid

Diese Bestimmung entspricht inhaltlich Artikel 14 BSDA; es wird nur eine redaktionelle Anpassung vorgeschlagen. Auf Artikel 14 Absatz 4 BSDA kann verzichtet werden; er wiederholt bloss allgemeine Grundsätze des Verfahrensrechts.

Entscheidungsinstanz ist grundsätzlich die Konsularische Direktion. Wird ein Gesuch gutgeheissen, so wird die Vertretung angewiesen, den zugesprochenen Betrag auszuzahlen. Wird ein Gesuch ganz oder teilweise abgelehnt, so wird der Entscheid der gesuchstellenden Person mit einer formellen Verfügung eröffnet. Diese Verfügung kann beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

Die Verfügungen, welche die Vertretungen in dringenden Fällen oder auf Ermächtigung der Konsularischen Direktion nach den Absätzen 2 und 3 dieses Artikels entscheiden, können zunächst mit Beschwerde beim EDA angefochten werden (vgl.

Art. 79 Abs. 2 ASG).

Art. 34

Mitwirkung der Hilfsvereine

Diese Bestimmung entspricht inhaltlich Artikel 15 BSDA; es wird nur eine redaktionelle Anpassung vorgeschlagen. Gelegentlich können die Hilfsvereine vor Ort wertvolle Unterstützung leisten (beispielsweise kleine Geldbeiträge, Hilfe in natura, Besuch von alleinstehenden Personen, Abklärung der sozialen Situation auf Anfrage der Vertretung). Es macht deshalb Sinn, ihre Hilfe im Gesetz zu erwähnen, zumal wenn sie vom Bund finanziell unterstützt werden (vgl. Art. 38 des vorliegenden Entwurfs).

3.2.4.5 Art. 35

5. Abschnitt: Rückerstattung Rückerstattungspflicht

Dieser Artikel entspricht Artikel 19 BSDA, der materiell unverändert übernommen werden soll. Jährlich werden insgesamt Rückzahlungen in der Höhe von etwa 10 %­15 % der Bruttoauslagen geleistet. Die vom Bund erbrachten Sozialhilfeleistungen sind grundsätzlich zurückzuerstatten, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.

Ausbildungsauslagen nach Absatz 2, die nach Erreichen der Volljährigkeit einer Person im Rahmen der Sozialhilfe gedeckt werden, betreffen Ausbildungen, welche deren Chance einer selbständigen Bestreitung des Lebensunterhalts erhöhen.

Rückerstattungspflichtig ist die Sozialhilfebezügerin oder der Sozialhilfebezüger.

Verstirbt diese Person und hinterlässt sie einen Nachlass (z.B. eine Liegenschaft), sind nach Absatz 4 ihre Erben im Umfang dieses Nachlasses zur Rückerstattung verpflichtet. Diese Konstellation ergibt sich indessen relativ selten.

1947

Gesamtbetrag rückbezahlte Sozialhilfe des Bundes: rückerstattete Leistungen an Bezügerinnen und Bezüger im Ausland, Rückvergütung an Kantone für Hilfeleistung an Rückgekehrte (erste 3 Monate)

2006

2008

2010

2012

462 180

663 755

347 649

443 510

Erläuterungen Angaben in Schweizerfranken.

Es ist nur der Gesamtbetrag erfasst, d.h. die Rückzahlung durch Bezügerinnen und Bezüger im Ausland direkt an den Bund und die Rückvergütung des Aufwands der Kantone für ihre Leistungen an Rückgekehrte in den ersten drei Monaten sind in der Statistik nicht gesondert ausgewiesen.

Art. 36

Befristung der Rückerstattungspflicht und Unverzinslichkeit

Artikel 20 BSDA wird redaktionell überarbeitet übernommen. Erhaltene Sozialhilfe ist grundsätzlich zurückzuerstatten, wenn sich die wirtschaftliche Situation der betroffenen Person stabilisiert und verbessert hat. Allerdings sollen die Sozialhilfebezügerinnen und -bezüger nach einer gewissen Zeit unbeschwert in die Zukunft blicken können. Deshalb ist vorgesehen, dass die Rückerstattung normalerweise nur in den ersten zehn Jahren nach der Auszahlung verlangt werden kann.

Die Höhe der jährlichen Rückzahlungen schwankt. In den Jahren 2009­2012 wurden dem zuständigen Bundesamt für Justiz gemessen an den Auszahlungen 12 % zurückerstattet.

3.2.4.6

6. Abschnitt: Kostenverteilung

Art. 37 Absatz 1 entspricht inhaltlich Artikel 21 Absatz 1 BSDA. Zur Abgrenzung der finanziellen Zuständigkeiten von Bund und Kantonen siehe die Ausführungen unter Ziffer 3.2.4.

Sofern nach Absatz 2 ein Sozialhilfeabkommen mit dem Ausland besteht, wonach der Aufenthaltsstaat die von ihm geleistete Sozialhilfe an Schweizer Staatsangehörige von der Schweiz zurückfordern kann, hat der Heimatkanton der unterstützten Person diese Rückerstattung zu leisten.

1948

3.2.5

5. Kapitel: Unterstützung von Auslandschweizer-Institutionen

Art. 38 Artikel 38 löst in Absatz 1 punktuelle Bestimmungen in zwei geltenden Bundesgesetzen ab, nämlich Artikel 7a BPRAS34 und Artikel 4 BSDA. Der Bund setzt somit die Unterstützung von Institutionen im In- und Ausland fort, die auf diese Bundesgesetze gestützt erfolgen. Da die Zuwendungen zur Verfolgung spezifischer Zwecke in den beiden genannten Bundesgesetzen Finanzhilfecharakter haben, ist die Regelung durch eine einzige, offen formulierte Bestimmung sinnvoll.

Diese Institutionen haben den Sitz teils in der Schweiz (Auslandschweizer-Organisation, Jugenddienst der ASO, ausserdem Stiftung für junge Auslandschweizer und educationsuisse), teils in anderen Ländern. Zu den letztgenannten zählen zahlreiche Schweizervereine, darunter der Schweizer Verein im Fürstentum Liechtenstein, daneben auch Hilfsvereine gemäss Artikel 34 ASG. Die Schweizerschulen im Ausland sind im 3. Titel geregelt.

Absatz 2 regelt das Verhältnis zwischen dem Bund und der AuslandschweizerOrganisation (ASO). Diese Stiftung ist aus einem Organ der Neuen Helvetischen Gesellschaft hervorgegangen, das seit der Zeit des ersten Weltkriegs die Interessen der Auslandschweizer vertrat. Seit langem gilt die ASO als unbestrittene Interessenvertreterin der Auslandschweizergemeinschaft gegenüber den Schweizer Behörden.

Hauptorgane der Stiftung sind der Auslandschweizerrat und die Geschäftsstelle. Die ASO wird von den Schweizervereinen sowie Dachorganisationen getragen, die von ihr anerkannt sein müssen; zurzeit existieren weltweit rund 750 schweizerische Vereinigungen. Da im Schoss der ASO eigenständige Vereine vernetzt sind und ihre Kräfte gebündelt werden, könnte die Organisation als eine Konföderation umrissen werden.

Es ist keine regulatorische Einflussnahme des Bundes auf die privatrechtliche Institution ASO vorgesehen. Das Gesetz erwähnt die ASO auf Grund ihrer Bedeutung als Organisation der Interessenvertretung und als Partnerin des Bundes, welche durch ihre Geschäftsstelle bestimmte Leistungen erbringt. Die finanzielle Unterstützung der ASO wird seit dem 7. Dezember 2011 im Rahmen einer Leistungsvereinbarung zwischen EDA (Konsularische Direktion) und ASO geregelt. Durch eine enge Zusammenarbeit, die regelmässige Treffen einschliesst, bemühen sich die Partner, gemeinsam Lösungen für die Bedürfnisse der Auslandschweizergemeinschaft
zu suchen und diese umzusetzen. Die Herausgabe der «Revue Suisse» durch die ASO, die in Verträgen zwischen derselben und dem EDA geregelt ist, wird als Standard in elektronischer Form hergestellt. Der Bund unterstreicht die Wichtigkeit der Information der Auslandschweizergemeinschaft durch ihre Erwähnung in Absatz 2 als eine der Zwecksetzungen von Finanzhilfen. Ihrer besonderen Bedeutung wegen wird die Förderung des Austauschs junger Auslandschweizerinnen und -schweizer untereinander und zur Schweiz zusätzlich in einer gesonderten Bestimmung verankert (Art. 9 Abs. 3).

34

SR 161.5. Die Verordnung über die finanzielle Unterstützung von Auslandschweizer Institutionen, SR 195.11, soll durch eine Verordnung zum ASG abgelöst werden.

1949

Eine Minderheit der Kommission ist mit einem Teil der Vernehmlassungsteilnehmer der Ansicht, dass die Bedeutung der ASO im Gesetzesentwurf zu wenig zum Ausdruck komme. Sie schlägt eine Bestimmung vor, wonach die Zusammenarbeit zwischen Bund und ASO auf Gesetzesstufe präziser definiert wird. Zudem soll auch der Auslandschweizerrat erwähnt werden. Dies ermögliche, gewisse Mindestanforderungen bezüglich der Wahl zur Bestellung dieses Organs festzulegen.

3.3

3. Titel: Vermittlung schweizerischer Bildung im Ausland

Im Sommer 2012 gab der Bundesrat den Entwurf für ein Bundesgesetz im Bereich der schweizerischen Bildung im Ausland in die Vernehmlassung. Im Juni 2013 hat er der Bundesversammlung die Botschaft zum Bundesgesetz über die Vermittlung schweizerischer Bildung im Ausland unterbreitet (13.052), welches das Auslandschweizer-Ausbildungsgesetz (AAG) ablösen soll. Die SPK-S schlägt vor, den Gesetzesentwurf, wie er nach Beratung durch den Ständerat in der Wintersession 2013 vorliegt, als 3. Titel in den Entwurf für das ASG zu überführen. Da die Beratungen der Vorlage 13.052 im Parlament zügig voranschreiten, kann damit gerechnet werden, dass dieses Gesetz bereits in der Frühjahrssession 2014, spätestens in der Sommersession 2014 in die Schlussabstimmungen kommt. Der Entwurf für das ASG wird sich dann voraussichtlich im Zweitrat befinden, so dass die von den Räten verabschiedete Version des Gesetzes betreffend die schweizerische Bildung im Ausland im ASG integriert werden kann.

Dieser Schritt leitet sich von der Zielsetzung ab, dass bestehende Erlasse über Schweizer Personen und Institutionen im Ausland in einem Gesetz zusammengeführt werden sollen, was eine Gesamtschau der einschlägigen Rechte und Pflichten sowie Dienstleistungen und Unterstützungen des Bundes ermöglicht. Die materielle Zuständigkeit bezüglich Beratung in den eidgenössischen Räten und Anwendung in der Verwaltung soll davon nicht berührt werden. Die Botschaft vom 7. Juni 201335 zum Bundesgesetz über die Vermittlung schweizerischer Bildung im Ausland ist als erläuternder Text zu den Bestimmungen im 3. Titel des ASG zu betrachten.

3.4

4. Titel: Konsularischer Schutz und weitere konsularische Dienstleistungen zugunsten von Personen im Ausland

3.4.1

1. Kapitel: Konsularischer Schutz

3.4.1.1

1. Abschnitt: Voraussetzungen

Art. 56

Natürliche Personen

Die Bestimmungen des 1. Kapitels gelten für die Auslandschweizerinnen und -schweizer und andere Schweizerinnen und Schweizer, die sich im Ausland aufhalten, ferner für Personen, für welche die Schweiz eine Schutzfunktion übernimmt, beispielsweise von der Schweiz anerkannte Flüchtlinge und anerkannte Staatenlose.

35

13.052, BBl 2013 5277

1950

Ausserdem gelten einzelne Bestimmungen für Angehörige von Schweizerinnen und Schweizern im Ausland.

Die Gewährung von konsularischem Schutz wird in Bezug auf Auslandschweizerinnen und -schweizer in der Regel auf Notlagen beschränkt, die ausserhalb ihres Empfangsstaats (Wohnsitzstaats) eintreten. Verstirbt z.B. eine Auslandschweizerin oder ein Auslandschweizer in ihrem bzw. seinem Wohnsitzstaat, geht der Bund davon aus, dass die bzw. der Verstorbene vor dem Ableben entsprechende Vorkehrungen getroffen hat, damit Angehörige und Dritte die Formalitäten direkt mit den Behörden abwickeln können. Demzufolge gewährt er in diesen Fällen keinen konsularischen Schutz.

Der konsularische Schutz des Bundes wird in bestimmten Fällen via Angehörige einer betroffenen Person gewährt, insbesondere wenn die Person selber als Gesprächspartnerin entfällt. Insbesondere verpflichtet Artikel 62 Absatz 3 (vgl.

Ziff. 3.4.1.3, unten) den Bund, die Angehörigen über die Todesfälle zu informieren, von denen er Kenntnis erhält. In Krisensituationen kann neben der Schweizer Person auch deren Angehörigen geholfen werden.

Absatz 2 bezieht sich auf die mehrfache Staatsangehörigkeit unter dem Gesichtspunkt des von den Vertretungen gewährten konsularischen Schutzes, der den Schweizerinnen und Schweizern im gleichen Umfang gewährt wird, ob diese nun die alleinige schweizerische oder eine mehrfache Staatsangehörigkeit besitzen.

Diese Praxis steht in Übereinstimmung mit der Tolerierung des mehrfachen Bürgerrechts von natürlichen Personen durch eine zunehmende Anzahl von Staaten. Auslandschweizerinnen und -schweizer sind in wachsendem Mass Doppel- und Mehrfachbürger; deren Anteil an der Gesamtzahl belief sich 2013 auf 73 %. Bei der Erbringung von Leistungen des konsularischen Schutzes müssen die Vertretungen und das EDA der Dringlichkeit der Notlage entsprechend rasch und unbürokratisch handeln, und nehmen administrative Nachprüfungen erst anschliessend vor. In diesem Bereich rechtfertigt sich der Grundsatz der Gleichbehandlung.

Absatz 3 präzisiert den Fall, dass ein Drittstaat der Schweizerin bzw. dem Schweizer, die bzw. der ebenfalls dessen Bürgerrecht besitzt, bereits beisteht. In diesem Fall wird der Bund nur in begründeten Fällen parallel und in Abstimmung mit diesem Drittstaat aktiv. Den Schweizerinnen und Schweizern, die auch
die Staatsangehörigkeit des Aufenthaltsstaats besitzen, in dem sie in Not geraten, kann der Bund konsularischen Schutz unter dem Vorbehalt gewähren, dass der besagte Staat sich nicht widersetzt.

Die ausländische Staatsangehörigkeit wird beim konsularischen Schutz und bei der Sozialhilfe aufgrund der unterschiedlichen Leistungsinhalte nicht nach den gleichen Kriterien geprüft und beurteilt (siehe Ziff. 3.2.3.2, Erläuterungen zu Art. 25).

Art. 57

Juristische Personen

Im Zuge einer fortgeschrittenen Globalisierung sind viele Schweizer Unternehmen, Vereine oder Stiftungen heute weltweit im Ausland tätig. In vielen Ländern unterscheiden sich die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen von denjenigen in der Schweiz. Willkür und unrechtmässige staatliche Beschränkungen des Wettbewerbs oder Beschneidung von Eigentumsrechten stellen Unternehmen in gewissen Staaten vor grosse Herausforderungen. Auch der Bund hat deshalb ein Interesse

1951

daran, von einem Empfangsstaat widerrechtlich behandelte schweizerische juristische Personen zu unterstützen.

Der konsularische Schutz richtet sich nicht nur an gewinnorientierte Schweizer Unternehmen im engen Sinne, sondern auch an Schweizer Personengesellschaften, Vereine und Stiftungen, die im Ausland beispielsweise einer humanitären Tätigkeit nachgehen. Deshalb ist der Begriff «juristische Personen» im Sinne von Artikel 52 ZGB auszulegen und nicht nur als öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Körperschaften und Anstalten zu verstehen. Juristische Personen mit unsittlichen oder widerrechtlichen Zwecken können das Recht der Persönlichkeit nicht erlangen.

In den Geltungsbereich des konsularischen Schutzes fallen grundsätzlich alle juristischen Personen, die einen ausreichend engen Bezug zur Schweiz aufweisen, was beispielsweise bei den sogenannten Briefkastenfirmen nicht der Fall ist. In erster Linie sind darunter die juristischen Personen zu verstehen, die in der Schweiz inkorporiert sind und das Zentrum ihrer tatsächlichen Verwaltung in der Schweiz haben.

Indizien für die tatsächliche Verwaltung in der Schweiz können sein: Regelmässig stattfindende Vorstands- bzw. Verwaltungsratssitzungen, Anzahl der Arbeitnehmerinnen und -nehmer, Vorhandensein von Telefon- und Faxverbindungen für Kontakte mit Dritten sowie tatsächliche Aufwände für Miete, Nebenkosten und Unterhalt.

Subsidiär können auch juristische Personen im Ausland, die von Schweizer Personen im obengenannten Sinne kontrolliert werden, konsularisch geschützt werden.

Absatz 3 dieses Artikels definiert, was unter «Kontrolle» zu verstehen ist und lehnt sich stark an Artikel 963 OR (neu) an, der seinerseits das Kontrollprinzip definiert.36 Im Gegensatz zu Artikel 963 OR wird in Absatz 3 Buchstaben a und b bewusst auf die indirekte Möglichkeit der Einflussnahme durch Schweizer Personen verzichtet, da diese in der Praxis bei Unternehmen im Ausland kaum nachzuweisen ist. Die wirtschaftlich Berechtigten müssen bei einem Antrag auf konsularischen Schutz ihre direkte Kontrolle belegen können.

Die Kontrolle eines Unternehmens liegt somit nur vor, wenn eine natürliche oder juristische Person (einschl. Personengesellschaft) direkt über die Mehrheit der Stimmen im obersten Organ verfügt (bei der AG in der Generalversammlung). Eine Kontrolle
ist auch dann gegeben, wenn eine natürliche Person oder ein Unternehmen direkt das Recht hat, die Mehrheit der Mitglieder des obersten Leitungs- und Verwaltungsorgans (bei der AG den Verwaltungsrat) zu bestellen oder abzuberufen.

Schliesslich besteht auch dann ein Kontrollverhältnis, wenn aufgrund der Statuten, der Stiftungsurkunde, eines Vertrags (z.B. Aktionärsbindungsvertrag, Personengesellschaft) oder vergleichbarer Instrumente ein beherrschender Einfluss ausgeübt werden kann.

Es ist zu beachten, dass die Kontrolltheorie gegenwärtig keinen völkerrechtlichen Grundsatz im Rahmen des diplomatischen oder konsularischen Schutzes darstellt.

Ohne eine staatsvertragliche Regelung (bspw. in einem Investitionsschutzabkommen) ist die gerichtliche Durchsetzung der Kontrolltheorie kaum möglich. Ein Empfangsstaat könnte sich demnach einer Einmischung aufgrund der Kontrolltheorie widersetzen.

36

Botschaft vom 21. Dezember 2007 zur Änderung des Obligationenrechts (BBl 2008 1589; Erläuterungen zu Art. 963 E-OR, BBl 2008 1722 f.); BBl 2012 63.

1952

Die effektive Gewährung des konsularischen Schutzes an juristische Personen liegt schliesslich im Ermessen der Behörden und kann insbesondere gestützt auf die in Artikel 60 Absatz 2 ASG genannten Gründe verweigert werden. Namentlich werden hier vor allem die aussenpolitischen Interessen des Bundes ein wichtiges Kriterium bei der Beurteilung einer Unterstützung sein.

Letztlich gilt es festzuhalten, dass die Gewährung von konsularischem Schutz zugunsten von juristischen Personen von der Wirtschafts- und Exportförderung von Schweizer Unternehmen zu unterscheiden ist. Für die Umsetzung des Bundesgesetzes über die Förderung des Exports vom 6. Oktober 200037 sind das WBF (SECO) und ­ aufgrund einer Leistungsvereinbarung mit dem Bund ­ Switzerland Global Enterprise (vormals OSEC) zuständig. Die vorgängige Unterstützung eines Unternehmens im Rahmen der Exportförderung kann allenfalls ein Indiz für die «Swissness» und für den ausreichenden Bezug zur Schweiz im Rahmen des konsularischen Schutzes darstellen.

Art. 58

Schutz fremder Interessen

Die Schweiz kann die Interessen eines Staates in einem Drittstaat schützen, mit dem dieser Staat entweder die konsularischen und diplomatischen Beziehungen abgebrochen hat oder aus anderen Gründen, bspw. aus Ressourcenüberlegungen, die Erbringung bedarfsgerechter konsularischer Dienstleistungen der Schweiz anvertraut (vgl.

Ziff. 3.1, Erläuterungen zu Art. 1 Abs. 3 betr. Liechtenstein und Österreich). Die Schweiz kann den Angehörigen des betreffenden Staates Dienstleistungen bis maximal zum gleichen Umfang gewähren wie für die eigenen Staatsangehörigen (Abs. 2).

Der Bundesrat kann den Schutz dieser Interessen von Angehörigen anderer Staaten in der Regel gestützt auf einen völkerrechtlichen Vertrag übernehmen, über dessen Abschluss er entscheidet (vgl. Ziff. 3.6., Erläuterung zu Art. 81 Abs. 3). Der Vertrag, der seinen Anlass im Abbruch der diplomatischen und konsularischen Beziehungen hat, enthält ein Schutzmachtmandat. Schutzmachtverträge können die Erbringung konsularischer Dienstleistungen sowie diplomatischer Aufgaben durch schweizerisches Personal (Interessenvertretung der USA im Iran) oder durch Personal des von der Schweiz vertretenen Staates (beidseitige Interessenvertretung zwischen Kuba und den USA sowie zwischen Georgien und Russland) beinhalten. Die Erfüllung solcher Mandate ist im aussenpolitischen Interesse der Schweiz.

3.4.1.2

Art. 59

2. Abschnitt: Subsidiarität, Beschränkung und Verantwortlichkeit des Bundes Subsidiarität

Das EDA und die Vertretungen sind ermächtigt, einer Person konsularischen Schutz zu gewähren, die im Ausland in eine Notlage geraten ist bzw. ihre Rechte verteidigen muss, und der nicht zugemutet werden kann oder die nicht in der Lage ist, ihre Interessen aus eigener Kraft oder mithilfe von Dritten (bspw. Familie, Versicherung, 37

SR 946.14

1953

private Hilfsdienste) zu wahren. Die Person nimmt die zu erwartenden Handlungen vor, um im Sinne der Eigenverantwortung die Notlage selber organisatorisch und finanziell zu überwinden. Die subsidiäre Schutztätigkeit des Bundes beginnt dann, wenn die Person ihre Mittel zur Selbsthilfe ausgeschöpft hat.

Art. 60

Beschränkung des konsularischen Schutzes

Es besteht kein Rechtsanspruch einer Person auf Gewährung von konsularischem Schutz. In diesem Kontext ist der Leitgedanke der Eigenverantwortung von Bedeutung. Zum Zweck der Klarheit führt Absatz 2 namentlich vier Gründe an, die in der Anwendung des Gesetzes eine Beschränkung des konsularischen Schutzes rechtfertigen können, und verdeutlicht damit, dass der Bund seine Schutzleistung im Einzelfall gegen andere Interessen und Rechtsgüter abwägt und eine Hilfeleistung verweigern oder begrenzen kann.

Diese Gründe sind von unterschiedlicher Natur. Der erste Grund besteht in der potenziellen Gefährdung von aussenpolitischen Interessen der Schweiz. Eine ähnliche, offenere Formulierung («Gefährdung der allgemeinen Interessen der Eidgenossenschaft») besteht in Artikel 16 Absatz 4 des abzulösenden Reglements. Der zweite Grund liegt neu in der Gefährdung einer Person, die im Auftrag des Bundes eine Leistung des konsularischen Schutzes gegenüber der hilfesuchenden Person erbringen soll (beispielsweise bei einer Geiselnahme oder in einer Krisensituation). Zwei weitere Gründe beziehen sich auf das Verhalten der betroffenen Person: Der dritte Grund liegt vor, wenn die Person gegen die gebotene Sorgfalt verstösst und dadurch die Situation hervorruft, in der sich die Frage der Schutztätigkeit stellt. Der Verstoss ist nicht im Sinne des Verstosses gegen eine Rechtspflicht zu verstehen, sondern als Vernachlässigung der Eigenverantwortung. Der vierte Grund liegt vor, falls ein früherer Missbrauch von Hilfeleistungen durch die Person nachgewiesen ist. Das Reglement setzt gemäss der Formulierung des genannten Artikels 16 einen schweren Verstoss der gesuchstellenden Person gegen ihre Pflichten als schweizerische Staatsangehörige voraus. Der Gesetzgeber will mit der Bestimmung in Artikel 60 diese Möglichkeit der Einschränkung des konsularischen Schutzes nicht nur weiterhin beibehalten, sondern eine strengere Haltung einnehmen und eine präventive Signalwirkung erzielen.

Artikel 16 Absatz 4 des Reglements schliesst die Möglichkeit aus, dass der konsularische Schutz verweigert oder begrenzt wird, wenn Leib und Leben der betroffenen Person gefährdet sind. Das ASG übernimmt diesen Vorbehalt in Absatz 3. Darunter ist eine offensichtliche oder vermutete Lebensgefahr sowie eine schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigung
zu verstehen.

Bei jeder Beschränkung des konsularischen Schutzes gilt es den Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu berücksichtigen (vgl. Art. 5 Abs. 2 BV).

Art. 61

Verantwortlichkeit des Bundes

Hinsichtlich der Verantwortlichkeit des Bundes gilt das Verantwortlichkeitsgesetz vom 14. März 195838 (VG). Artikel 61 schliesst im Besonderen die Haftung des Bundes für veröffentlichte Empfehlungen und erbrachte Hilfeleistungen aus, ausser-

38

SR 170.32

1954

dem die Haftung des Bundes für Folgen, die einer Person aus der Missachtung der Empfehlungen des Bundes oder anderem fahrlässigen Verhalten erwachsen.

3.4.1.3

3. Abschnitt: Hilfeleistungen

Der konsularische Schutz des EDA nach Artikeln 62 und 63 verzeichnet umfangmässig über das vergangene Jahrzehnt bei starken Schwankungen eine bedeutende Zunahme. Dabei können komplexere Schutzfälle, welche die Zusammenarbeit zwischen den Vertretungen und der Konsularischen Direktion in Bern erfordern (Anzahl eröffnete Dossiers s. Tabelle) von Schutzfällen unterschieden werden, die von den Vertretungen selbständig betreut werden können (in dieser Kategorie 972 bearbeitete Dossiers 2012). Bei den komplexeren Schutzfällen kann die Mehrzahl der Dossiers im Jahr ihrer Eröffnung geschlossen werden, doch rund 200 Schutzfälle, besonders Haftfälle, benötigen eine mehrjährige Bearbeitung.

neu eröffnete Dossiers

2002

2004

2006

2008

2010

2012

737

513

497

470

897

985

Erläuterung Als Schutzfall wird jede betroffene Person gezählt (ein Dossier pro Person).

Art. 62

Allgemeiner Beistand im Ausland

Absatz 1 nennt die hauptsächlichen Beweggründe, die den Bund zu konsularischem Beistand veranlassen: Wenn eine natürliche Person eine Krankheit oder einen Unfall erleidet oder das Opfer eines schweren Verbrechens ist, kann der Bund Hilfe leisten.

Absatz 2 legt eine gesetzliche Basis für die Beteiligung des Bundes an Such- und Rettungsaktionen für Individuen in Notlage im Ausland. Im geltenden Recht fehlt die Grundlage hierzu. In den eidgenössischen Räten ist angeregt worden, die Rechtsgrundlage zu schaffen, beispielsweise in der Interpellation Leutenegger Filippo 12.3156 «Werden Schweizer im Ausland im Stich gelassen?» vom 14. März 2012 und in der Aufsichtseingabe der GPK des Nationalrats vom 30. Mai 2012 betreffend einen im Ausland verstorbenen schweizerischen Staatsangehörigen.

Erhält der Bundesrat durch die zuständige ausländische Behörde die Information vom Hinschied einer Schweizerin bzw. eines Schweizers mit Wohnsitz in der Schweiz, so ist er durch Absatz 3 beauftragt, die nächsten Angehörigen zu informieren.

Bei rechtlichen Verfahren im Ausland kann der Bund natürlichen und juristischen Personen unverbindlich einen Rechtsbeistand empfehlen (Abs. 4). Er kann sich zugunsten von juristischen Personen ausserdem bemühen, bei privatrechtlichen Streitfällen einen aussergerichtlichen Vergleich oder die Streitbeilegung auf anderem Weg zu erleichtern.

Nach Absatz 5 können die Vertretungen Hilfe für natürliche und juristische Personen in der Form von Demarchen bei Behörden des Empfangsstaats leisten.

1955

Art. 63

Freiheitsentzug

Der Beistand für eine Person, deren Freiheit entzogen wurde, kann beinhalten, dass die Vertretung sich bemüht, mit der betroffenen Person am Haftort Kontakt aufzunehmen und menschenwürdige Haftbedingungen sowie ihre Verteidigung sicherzustellen (Pflichtverteidiger, keine Übernahme von Anwaltskosten durch den Bund). In diesem Kontext ist der Grundsatz hervorzuheben, wonach sich der Bund bei seiner konsularischen Schutztätigkeit nicht in Gerichtsverfahren ausländischer Staaten einmischen darf. Die Vertretungen erkundigen sich, sobald sie die Verbindung mit der Person im Freiheitsentzug hergestellt haben, über ihre Einwilligung zur Information der nächsten Angehörigen. Sie führen diese gängige Praxis fort.

Art. 64

Notdarlehen

Nach Artikel 2 BSDA gelten Schweizerinnen und Schweizer, die sich mehr als drei Monate im Ausland aufhalten und keinen Wohnsitz mehr in der Schweiz begründen oder im Ausland Wohnsitz begründet haben, als Auslandschweizer und erhalten im Bedarfsfall Sozialhilfe. Die übrigen in Not geratenen schweizerischen Staatsangehörigen (typischerweise Touristinnen und Touristen sowie Geschäftsleute) sowie anerkannte Flüchtlinge und Staatenlose mit Wohnsitz in der Schweiz erhalten hingegen Vorschüsse bzw. Notdarlehen für die Rückkehr, als Überbrückungshilfe sowie für im Ausland entstandene Spital- und Arztkosten (Art. 22a und 22b BSDA).

Bevor ein Notdarlehen gewährt wird, muss die betroffene Person die Möglichkeit nutzen, internationale Banküberweisungen zu veranlassen bzw. Unternehmen für internationale Geldüberweisungen in Anspruch zu nehmen. Die Vorschüsse sind innert 60 Tagen zurückzuerstatten (Art. 32 Abs. 2 VSDA).

Der untenstehenden Tabelle sind die Notdarlehen zu entnehmen, die vom Bund in den jüngsten Jahren Personen gewährt wurden, die sich weniger als drei Monate im Ausland aufhielten bzw. ihren Wohnsitz noch in der Schweiz hatten (sogenannte Notfälle).

Angeführte Zahlen: Fälle (Dossiers) / geschätzte Personenzahl39 Auslagen

2006

2008

2010

2012

152/228

112/168

101/152

99/149

60 395

70 595

74 545

80 847

Erläuterungen Angaben in Schweizerfranken.

Erfahrungsgemäss werden dem Bund durchschnittlich etwa 50% der Vorschüsse, die er im Rahmen der Nothilfe gewährt, zurückerstattet.

Mit der Überführung des BSDA in das ASG wird die Regelung der Notdarlehen in das Kapitel zum konsularischen Schutz eingefügt. Dabei hat der Subsidiaritätsgrundsatz nach Artikel 59 Geltung. Der persönliche Geltungsbereich wird neu umschrieben. Notdarlehen sollen künftig allen Schweizer Staatsangehörigen sowie jenen Personen gewährt werden, für welche die Schweiz Schutzfunktionen übernimmt. Auslandschweizerinnen und -schweizer, die kurzfristig ausserhalb des Staa39

Siehe Fussnote 29.

1956

tes ihres Wohnsitzes bzw. dauerhaften Aufenthalts in Not geraten, erhalten somit neu Notdarlehen, nicht mehr einmalige Leistungen im Rahmen der Sozialhilfe.

Bisher diente das rückzahlbare Notdarlehen der Heimreise in die Schweiz. Mit der Ausweitung des Anwendungsbereichs auf Auslandschweizerinnen und -schweizer ist für diese mit der Heimreise die Rückkehr aus einem Drittland an deren Wohnsitz im Ausland gemeint.

Art. 65

Krisensituationen

Schweizer Personen im Ausland können von Ereignissen verschiedenster Natur betroffen werden, die von zwischenstaatlichen oder internen Kriegen über schwere Unruhen, Terroranschläge, naturbedingte (Erdbeben, Vulkanausbrüche, Überschwemmungen, Stürme, Brände u.a.) oder technogene Katastrophen (Flugzeugabstürze, schwere Bus-, Zug- oder Schiffsunglücke, Chemie- und Nuklearunfälle) bis zu Pandemien reichen. Ihre Bewältigung erfordert vom Bund rasches und umsichtiges Handeln.

Oft leisten in Krisen die Vertretungen entsprechend ihrer räumlichen Nähe besonders wirkungsvoll konsularischen Schutz. Die Bewältigung von Krisen liegt in erster Linie in der Zuständigkeit der Behörden des Empfangsstaats, und der Bund leistet subsidiär Unterstützung. Bisweilen müssen die betroffenen Personen bzw. ihre Angehörigen auf die eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten der Behörden aufmerksam gemacht werden. Auch im Zusammenhang mit Krisensituationen hat das eigenverantwortliche Verhalten der Betroffenen eine nicht zu unterschätzende Bedeutung.

Absatz 1 verpflichtet jede Vertretung, ein Krisendispositiv zu führen, um bei Eintreten von Krisen wirkungsvolle Unterstützung leisten zu können. Dieses Dispositiv enthält verschiedenste Massnahmen der Standortbestimmung, der Krisenvorsorge und der Aktion bei Eintreten einer Krise.

Nach Absatz 3 sollen in Krisensituationen die Sicherheitsempfehlungen des EDA beachtet werden. Hierbei spielen die Reisehinweise eine zentrale Rolle. Auch Kommunikationen an limitierte Empfängerkreise wie etwa Mitteilungen einer Vertretung an Auslandschweizerinnen und -schweizer in ihrem Konsularbezirk und Personen mit Kurzzeitaufenthalt in einer Gefahrenzone40 gelten als Sicherheitsempfehlungen. Der Bund schliesst jede Haftung in Bezug auf seine Sicherheitsempfehlungen bezüglich des Verlassens einer Krisenregion aus.

Auf der Grundlage von Absatz 4 kann der Bund mit dem Empfangsstaat sowie nach Bedarf auch mit befreundeten Drittstaaten Vereinbarungen treffen, mit denen schweizerischen Staatsangehörigen in stark gefährdeten Regionen die Möglichkeit verschafft wird, sich freiwillig Evakuationsoperationen anzuschliessen. Der Bund kann sich auch an Such- und Rettungsmassnahmen beteiligen, die im Unterschied zu den Aktionen nach Artikel 62 Absatz 2 vom Empfangsstaat organisiert sind und in der Regel Gruppen
von Personen betreffen.

Absatz 5 hat das Instrument der Schutzbriefe für anspruchsberechtigte natürliche und juristische Personen zum Gegenstand, die von den Vertretungen bei akuter Gefährdung ausgehändigt werden.

40

Siehe Fussnote 2

1957

Mit Absatz 6 wird die Möglichkeit des Bundes erwähnt, eine finanzielle Unterstützung an Schweizer Personen auszurichten, die infolge bestimmter, schwerwiegender Ereignisse im Ausland in grösserer Zahl unverschuldet ihre Existenzgrundlage verloren haben. Die vom Bund gewährten Entschädigungen sollen zeitlich begrenzt sein. Den Schweizer Personen stehen grundsätzlich private Vorsorge- und Versicherungslösungen zwecks Existenzsicherung bei Schadenereignissen infolge bewaffneter Konflikte, innerer Unruhen oder sozial- und wirtschaftspolitischer Zwangsmassnahmen zur Verfügung. Neben den Produkten von Versicherungsanstalten zeugt das Wirken des genossenschaftlichen «Solidaritätsfonds der Auslandschweizer» («Soliswiss») vom Leitgedanken der Selbsthilfe (vgl. Ziff. 4.1). Der Bund leistete durch fünf Bundesbeschlüsse zwischen 1939 und 1957 Entschädigungen an Auslandschweizerinnen und -schweizer und Rückkehrerinnen bzw. Rückkehrer, die im Zusammenhang mit dem zweiten Weltkrieg ihre Existenzgrundlage verloren hatten.

Die Bundesbeschlüsse begründeten keinen Rechtsanspruch der unterstützten Schweizerinnen und Schweizer. Sie unterschieden zudem nicht zwischen den Auslandschweizerinnen und -schweizern und anderen Schweizerinnen und Schweizern im Ausland bzw. mit Interessen im Ausland.

Art. 66

Entführungen und Geiselnahmen

Bei Entführungen (bei der eine natürliche Person an einen unbekannten Ort verbracht wird) und Geiselnahmen (bei der dieselbe an einem bekannten Ort festgehalten wird) gewährt der Bund zugunsten von Personen nach Artikel 56, die Opfer dieser kriminellen Akte werden, im Rahmen seiner Möglichkeiten, und aufgrund der politischen Vorgaben sowie internationalen Verpflichtungen, konsularischen Schutz.

Für die Lösung von Entführungsfällen im Ausland ist grundsätzlich derjenige Staat verantwortlich, auf dessen Hoheitsgebiet sich die Entführung bzw. die Geiselnahme ereignet hat. Auf der Suche nach einer Lösung kooperiert der Bund deshalb in erster Linie mit diesem Staat. In der Praxis kann sich je nach der Situation eine enge Kooperation auch mit Drittstaaten oder anderen Drittparteien (z.B. Organisationen) entwickeln.

In diesem Zusammenhang ist die internationale Gemeinschaft besonders mit der Problematik terroristischer Aktionen konfrontiert. Die Bemühungen zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus und zur Unterbindung von dessen Finanzierung werden im Rahmen der Globalen Antiterrorismus-Strategie der Vereinten Nationen von 2006 gebündelt. Die Schweiz unterstützt diese und leistet Beiträge in diversen Foren. Der Bund bezahlt im Fall von Entführungen und von Geiselnahmen keine Lösegelder. Das Ziel dieser Politik ist die Vorbeugung; für Kriminelle und Terroristen soll es unattraktiv sein, sich Schweizer Opfer auszusuchen. Der Bundesrat hat diese Politik im Rahmen der Bundesratsziele 2013 bekräftigt.

Der internationale Entzug eines Kindes durch einen Elternteil fällt nicht unter Artikel 66. Die Fälle, die im Rahmen der internationalen Rechtshilfe behandelt werden können, liegen in der Zuständigkeit des Bundesamts für Justiz. Diejenigen Fälle von internationalem Kindsentzug, die sich in Staaten ereignen, die das Haager Übereinkommen vom 25. Oktober 198041 und das Haager Kindesschutzübereinkommen vom 19. Oktober 199642 nicht ratifiziert haben, werden vom EDA behandelt, wobei

41 42

HKÜ, SR 0.211.230.02 HKsÜ, SR 0.211.231.011

1958

sich der konsularische Schutz auf den allgemeinen Beistand nach Artikel 62 beschränken muss.

3.4.2

2. Kapitel: Weitere konsularische Dienstleistungen zugunsten von Personen im Ausland

3.4.2.1

1. Abschnitt: Konsularische Dienstleistungen des EDA

Zum Zweck einer Übersicht sind im 2. Kapitel Dienstleistungen des Bundes ausserhalb des Bereichs des konsularischen Schutzes aufgeführt, insoweit diese für Schweizer Personen im Ausland bzw. deren Angehörige von Bedeutung sind. Der Kreis der Personen, die eine bestimmte Dienstleistung beantragen können, variiert.

Er kann breiter oder schmäler sein als der Geltungsbereich des konsularischen Schutzes. Beispielsweise ist der Kreis grösser für die Ausstellung von Bestätigungen, hingegen kleiner bei Dienstleistungen in Schifffahrtsangelegenheiten.

Grundsätzlich stützen sich die konsularischen Aufgaben auf Artikel 5 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen vom 24. April 196343, das dem Bund einen breiten Rahmen vorgibt, innerhalb dessen er sein Dienstleistungsangebot der Entwicklung der Bedürfnisse anpassen kann.

Art. 67

Administrative Dienstleistungen

Artikel 67 nennt als eine der angeführten Dienstleistungen administrativer Natur die Hinterlegung. Damit ist die Entgegennahme von persönlichen beweglichen Gütern bzw. Gegenständen gemeint (einschliesslich Dokumenten und Urkunden, Wertpapieren, Geld etc.), die sich im Eigentum schweizerischer Staatsangehöriger befinden und einer Vertretung zur vorübergehenden Aufbewahrung übergeben werden. Die Vertretungen können die genannten Güter bzw. Gegenstände aufbewahren, in der Regel vorübergehend und bei Testamentsurkunden unbegrenzt. Die Vertretungen übernehmen die Aufbewahrung, wo Alternativen einer sicheren Verwahrung fehlen.

Der Bund übernimmt Haftung weder für den Bestand der hinterlegten Güter bzw.

Gegenstände noch für allfällige Verluste infolge Währungsreform oder höherer Gewalt. Die Hinterlegung nach diesem Artikel hat nicht denselben Begriffsinhalt wie im OR.

Art. 68

Aus- und Rückwanderungsberatung

Das EDA hat in der Konsularischen Direktion KD den Beratungsdienst Auswanderung Schweiz für Fragen der Aus- und Rückwanderung eingerichtet, der in Artikel 68 verankert wird. Die entsprechende frühere Tätigkeit im EJPD, Bundesamt für Migration (BFM), wird damit ins EDA integriert. Die Ergänzung der Aufgaben der KD durch das Angebot einer kostenlosen Beratung in diesen Fragen ist Ausfluss der Politik der Stärkung des «guichet unique». Auswanderung Schweiz steht bezüglich arbeitsmarkttechnischer Gesichtspunkte in Verbindung mit dem WBF (SECO, Direktion für Arbeit). Das BFM betreut weiterhin im Rahmen von bilateralen Sta43

SR 0.191.02

1959

giaire-Abkommen junge schweizerische Berufsleute. Der Beratungsdienst haftet nicht für die Richtigkeit der abgegebenen Informationen, die überwiegend Situationen und Regelungen in anderen Staaten betreffen und die häufigen Änderungen unterworfen sind. Das EDA geht davon aus, dass die Person die sie interessierenden Angaben an der Quelle überprüft.

Das Beratungskonzept fokussiert auf einen Zyklus, welcher die Auswanderung, den Auslandaufenthalt und die Rückwanderung einschliesst. Damit liegt ein umfassender Ansatz zugrunde, der mit dem Gesetzeszweck der Erleichterung der internationalen Mobilität der Schweizerinnen und Schweizer übereinstimmt. Der Begriff der Rückwanderung schliesst die Einwanderung von Auslandschweizerinnen und -schweizern ein, auch wenn diese nicht persönlich aus der Schweiz ausgewandert sind.

Art. 69

Seeschifffahrtsangelegenheiten

Artikel 69 verweist auf das Seeschifffahrtsgesetz44, in dem Aufgaben der Konsulate (den Vertretungen nach Art. 3 Bst. d ASG gleichzusetzen) geregelt sind, in Bezug auf den Seebrief (urkundliche Berechtigung zur Führung der Schweizer Flagge), auf gewisse Rechte und Pflichten des Kapitäns und der Schiffsbesatzung (soziale Sicherheit) sowie auf Unfälle an Bord.

3.4.2.2

2. Abschnitt: Konsularische Dienstleistungen in der Zuständigkeit anderer Departemente

Eine Anzahl von konsularischen Dienstleistungen, die über den beantragt werden kann, liegt in der sachlichen Zuständigkeit anderer Departemente.

Diese Dienstleistungen, die wesentlich in einem fachspezifischen Kontext stehen, werden vom EDA bzw. den Vertretungen je nach Dienstleistung im Auftrag der zuständigen Stelle behandelt oder nur zur Entscheidung an dieselbe weitergeleitet, wobei sie gegebenenfalls Beiträge zur Vorbereitung und zur Ausführung der Entscheidungen leisten können. Ausweisschriften werden von den Vertretungen in eigener Zuständigkeit ausgestellt.

Die einzelnen Artikel enthalten Verweise auf die wichtigen Gesetzesbestimmungen, die der jeweiligen konsularischen Dienstleistung zugrunde liegen.

Art. 70

Zivilstand

Das EDA stellt die Koordination zwischen den Vertretungen und den Stellen mit Zuständigkeit für die internationale Dokumentenübermittlung im Bundesamt für Justiz (BJ) sicher. Vergleiche im Übrigen die einleitenden Erläuterungen des 2. Abschnittes.

Mit Bezug auf die Suche von Angehörigen nach Personen im Ausland ist festzuhalten, dass sich die Möglichkeiten nach den geltenden datenschutzrechtlichen Vorschriften richten. Der Fall des Verschwindens einer Person ist in einer Bestimmung

44

SR 747.30

1960

des Bundesgesetzes über den Datenschutz geregelt,45 der Fall des Hinschieds der Person in der Verordnung des genannten Gesetzes.46 Art. 71

Bürgerrecht

Die Bestimmungen des Bürgerrechtsgesetzes vom 29. September 195247 (BüG), auf die Artikel 71 verweist, regeln die Verwirkung der Schweizer Bürgerrechts, wenn ein im Ausland geborenes Kind zusätzlich zur schweizerischen eine andere Staatsangehörigkeit hat, ausser es sei gemäss Artikel 10 Absatz 1 BüG gemeldet worden, ferner die Möglichkeit, nach Verwirkung oder Entlassung aus dem Bürgerrecht ein Gesuch um Wiedereinbürgerung zu stellen, und schliesslich die erleichterte Einbürgerung von Personen, die mit einer Auslandschweizerin bzw. einem Auslandschweizer in Ehe leben.

Art. 72

Ausweisschriften

Artikel 72 verweist auf das Ausweisgesetz vom 22. Juni 200148 (AwG), genauer auf Aspekte im Bereich der Ausstellung, der Ausfertigung, des Entzugs und des Verlustes der Ausweise, bei deren Regelung das EDA dem Bundesamt für Polizei im Ausland Unterstützung bietet.

Art. 73

Militärisches Meldewesen

Im Rahmen des militärischen Kontrollwesens erfüllen die Vertretungen Aufgaben der Information und Weiterleitung von Dokumenten. Gemäss Bundesgesetz über die Armee und die Militärverwaltung vom 3. Februar 199549 (MG) erfüllt die militärdienstpflichtige Person mit Wohnsitz in der Schweiz, die sich für einen Aufenthalt von längerer Dauer ins Ausland begibt, ihre Meldepflicht durch Gesuchstellung um militärischen Auslandurlaub beim zuständigen Kreiskommando, bevor sie sich bei der Wohngemeinde ins Ausland abmeldet. Somit knüpft das militärische Kontrollwesen mit Bezug auf das Ausland an die Abmeldung zwecks Wegzug an; eine Anmeldung bei der Vertretung gibt es nicht. Militärdienstpflichtige Personen, die sich bereits im Ausland aufhalten und entgegen anfänglicher Absicht dauerhaft dort verbleiben wollen, können über die zuständige Vertretung nachträglich den Auslandurlaub beantragen. Die Vertretungen leiten diese Gesuche an das Kreiskommando weiter.

Ausgewanderte Schweizerinnen und Schweizer mit einem rechtswirksamen Auslandurlaub sind in Friedenszeiten von der Militärdienstpflicht befreit sowie auch die Auslandschweizerinnen und -schweizer, für die die Meldung zum Militärdienst freiwilligen Charakter hat. Im Bereich von Artikel 73 erteilen die Vertretungen ferner Auskunft zu Fragen der Militärdienstpflicht, der Ersatzpflicht und des Meldewesens, unter anderem im Zusammenhang mit der mehrfachen Staatsangehörigkeit.

45 46 47 48 49

Bundesgesetz vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz, SR 235.1, Art. 19, Abs. 1 Bst. b.

Verordnung vom 14. Juni 1993 zum Bundesgesetz über den Datenschutz, SR 235.11, Art. 1 Abs. 7.

SR 141.0 SR 143.1 SR 510.10

1961

Art. 74

Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung

Durch das Bundesgesetz vom 20. Dezember 194650 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung und das Bundesgesetz vom 19. Juni 195951 über die Invalidenversicherung ist die freiwillige Versicherung für im Ausland wohnhafte Personen errichtet worden. Das EDA unterstützt die Schweizerische Ausgleichskasse und die IV-Stelle in der Anwendung der freiwilligen Versicherung. Gewisse Kategorien von schweizerischen Staatsangehörigen im Ausland unterstehen der obligatorischen AHV bzw. IV und können darum nicht der freiwilligen Versicherung beitreten.

Ausserdem können Abkommen das Beitrittsrecht regeln, z.B. das Abkommen über Personenfreizügigkeit von 1999 zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten.

3.5

4. Titel: Finanzierung, Gebühren und Kostenersatz

Art. 75

Finanzierung

Auf der Grundlage von Artikel 75 bewilligt die Bundesversammlung Zahlungsrahmen, mit welchen der Höchstbetrag der Voranschlagskredite für die Beiträge an Dritte während einer Beitragsperiode festgelegt wird. Dieses Instrument dient der mehrjährigen Steuerung der finanziellen Ausstattung durch die eidgenössischen Räte. Es ist vorgesehen, dass der Bundesrat den Zahlungsrahmen mit einer Sonderbotschaft unterbreitet, in der er das finanzielle Engagement des Bundes in diesem Bereich in einer Gesamtschau darlegt und Rechenschaft über die vergangene Periode ablegt.

Für die Geltungsbereiche des Zahlungsrahmens nach Absatz 1 (Buchstabe b: Sozialhilfe, Buchstabe c: Unterstützung von Auslandschweizer Institutionen, und Buchstabe d: Notdarlehen) hat der Bund im Jahr 2012 gesamthaft rund 6,4 Mio. Franken aufgewendet. Ein weiterer Geltungsbereich (Buchstabe a: Förderungsmassnahmen im Bereich der politischen Rechte) betrifft Subventionen an Kantone oder weitere Dritte in der Form einmaliger Hilfen für Investitionsvorhaben; die Mittelverwendung für diesen neuen Fördertatbestand wird durch die Bundeskanzlei gesteuert.

Der Zahlungsrahmen nach Absatz 2 gilt der Finanzierung der Vermittlung schweizerischer Bildung im Ausland. Diese richtet sich nach Artikel 27, Absatz 3 Buchstabe c des Kulturförderungsgesetzes vom 11. Dezember 200952 (KFG). Die Aufwendungen des Bundes in diesem Rahmen beliefen sich im Jahr 2011 (bzw. Schuljahr 2011/12) auf rund 20,2 Mio. Franken.

Der Aufwand der Verwaltung (Personal- und Sachaufwand) fällt nicht unter den Artikel 75 und wird aus Betriebsmitteln der zuständigen Stellen gedeckt.

Art. 76

Gebühren

Dieser Artikel hält fest, dass der Bundesrat nach den Grundsätzen des RVOG (Art. 46a Abs. 3) für den Erlass von Gebührenregeln zuständig ist. Die Gebühren sollen die Kosten für alle Amtshandlungen nach diesem Gesetz decken. Der Bundes50 51 52

SR 831.10 SR 831.20 SR 442.1

1962

rat hat Gebühren und Kostenersatz, die in den Artikeln 76, 77 und 78 behandelt werden, in den einschlägigen Verordnungen weitgehend identisch geregelt.53 Die grundsätzliche Zahlungsverpflichtung der Person, die eine Amtshandlung veranlasst hat, setzt in Bezug auf Gebühren und Kostenersatz die bisherige Praxis fort.

Art. 77

Kostenersatz

Kosten nach Artikel 77 sind gleichbedeutend mit den Auslagen gemäss den einschlägigen Verordnungen.54 Im Unterschied zur Gebühr, mit welcher der Eigenaufwand des Bundes für eine beantragte Dienstleistung abgegolten wird, wird mit Kosten der Aufwand bezeichnet, den der Bund gegenüber Dritten hat. In der Praxis verrechnen die Vertretungen die Gebühren und Kosten gesondert.

Absatz 1 regelt den Grundsatz, dass eine Person, die eine konsularische Dienstleistung des Bundes verursacht hat, Kostenersatz ohne Rücksicht auf ihr allfälliges Verschulden schuldet.

Absatz 2 hält fest, dass ein Kostenersatz auch in Fällen geschuldet ist, in denen die Behörden nach dem mutmasslichen Willen der Person und in ihrem Interesse tätig werden, ohne dass diese Person einen Antrag auf Gewährung von konsularischem Schutz gestellt hat (u.a. wenn die betreffende Person faktisch keinen Kontakt zu den Schweizer Behörden hat). Mit dieser Regelung wird klargestellt, dass konsularische Dienstleistungen (Eigenaufwand nach Art. 76 und Auslagen nach Art. 77) ersatzpflichtig sind, selbst wenn eine konsularische Intervention beispielsweise nicht zum erwünschten Erfolg geführt hat oder wenn die Person nachträglich geltend macht, die Dienstleistung nicht nachgefragt zu haben.

Absatz 3 präzisiert mit Bezug auf die Regelung der Einzelheiten, die nach Artikel 46a Absatz 4 RVOG dem Bundesrat obliegt, dass dieser auch ermächtigt ist Ausnahmen zu beschliessen. Eine Ausnahme kann im Verzicht auf eine Verfügung von Kostenersatz für bestimmte Leistungen bestehen. Ausnahmen sollen ein überwiegendes öffentliches Interesse voraussetzen, nicht nur Einzelfälle betreffen und klar eingegrenzt sein.

Art. 78

Verzicht auf Gebühren oder Kostenersatz

Im einzelnen Fall ermächtigen das RVOG und die darauf gestützten Verordnungen die Verwaltungseinheiten, eine Gebühr oder einen Kostenersatz aus wichtigen Gründen, namentlich der Bedürftigkeit, zu stunden bzw. teilweise oder vollumfänglich zu erlassen. Die Entscheidungen werden unter Berücksichtigung aller konkreten Umstände getroffen, darunter der Beachtung von Empfehlungen des EDA durch die betroffene Person, dem Grund ihres Aufenthalts, ihrem Verhalten vor Ort und dem widerfahrenen Leid. So wird das Gesuch einer Person auf teilweisen oder vollen Erlass einer erhobenen Gebühr oder eines geschuldeten Kostenersatzes grössere oder geringere Chancen haben, je nachdem, ob diese Person die Empfehlungen des Bun53

54

Allgemeine Gebührenverordnung vom 8. September 2004 (AllGebV), SR 172.041.1; Verordnung vom 29. November 2006 über die Gebühren der diplomatischen und konsularischen Vertretungen der Schweiz, SR 191.11.

Kosten für beigezogene Dritte, Kosten für die Beschaffung von Unterlagen, Übermittlungs- und Kommunikationskosten, Reise- und Transportkosten (Art. 6 Abs. 2 AllGebV), ferner Unterkunfts- und Verpflegungskosten (Art. 4 Verordnung über die Gebühren der diplomatischen und konsularischen Vertretungen der Schweiz).

1963

des beachtet oder missachtet, sich zu offiziellen, beruflichen oder privaten Zwecken an einen Ort begeben und sich dort umsichtig oder unvorsichtig verhalten hatte.

Durch das ausdrücklich erwähnte Kriterium des fahrlässigen Verhaltens will der Gesetzgeber auch eine präventive Signalwirkung erzielen.

3.6

5. Titel: Schlussbestimmungen

Art. 79

Rechtspflege

Soweit nichts anderes bestimmt wird, ist das ordentliche Beschwerdeverfahren nach den allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVG)55, des Verwaltungsgerichtsgesetzes (VGG)56 und des Bundesgerichtsgesetzes (BGG)57 anwendbar.

Im Bereich des konsularischen Schutzes ist je nach Einzelfall entweder der Bundesrat oder das Bundesverwaltungsgericht als Beschwerdeinstanz zuständig. Nach Artikel 72 VwVG ist der Bundesrat zuständig, über eingereichte Beschwerden gegen Verfügungen, welche die «auswärtigen Angelegenheiten» betreffen, zu entscheiden.

In solchen Fällen ist das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich nicht zuständig (Art. 32 Abs. 1 Bst. a VGG)58. Der Begriff «auswärtige Angelegenheiten» sollte restriktiv ausgelegt werden. Als «auswärtige Angelegenheiten» betreffend kann jede Verfügung definiert werden, die einen vorwiegend politischen Charakter aufweist59.

Wenn eine Verfügung im Rahmen des konsularischen Schutzes einen vorwiegend politischen Charakter aufweist, wie dies manchmal bei einem Entführungsfall oder bei einer Intervention auf dem diplomatischen Kanal der Fall sein kann, ist der Bundesrat die zuständige Beschwerdeinstanz. Hingegen, wenn eine solche Verfügung keinen vorwiegend politischen Charakter aufweist, wie beispielsweise im Fall der Gewährung eines Notdarlehens, ist die Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht offen. Die Verweigerung des konsularischen Schutzes wird der betroffenen Person grundsätzlich mittels einfachen Schriftverkehrs mitgeteilt. Die betroffene Person kann anschliessend von der zuständigen Schweizer Behörde eine formelle Verfügung im Sinne des Artikels 5 VwVG verlangen, in der die Rechtsmittel erwähnt werden.

In Fällen des diplomatischen Schutzes haben der Bundesrat und das Bundesgericht entschieden, dass kein Rechtsanspruch auf Gewährung von diplomatischem Schutz durch den Bund besteht. Folglich verfügt der Staat über einen breiten Ermessensspielraum beim Entscheid, ob er diplomatischen Schutz gewährt oder nicht. Die richterliche Überprüfung eines solchen Entscheides ist daher grundsätzlich auf das Willkürverbot beschränkt (vgl. VPB 61.75 und 68.78 sowie BGE 130 I 312).

Wie beim diplomatischen Schutz besteht auch beim konsularischen Schutz weder im Landesrecht (vgl. Art. 60, Abs. 1 ASG) noch im Völkerrecht ein Rechtsanspruch gegenüber dem Bund. Die zuständigen Schweizer Behörden müssen über einen 55 56 57 58 59

SR 172.021 SR 172.32 SR 173.110 Das Bundesgericht kennt als letzte Beschwerdeinstanz die gleiche Ausnahmebestimmung (Art. 83 Bst. a BGG).

Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 4202, S. 4388.

1964

breiten Ermessensspielraum verfügen, um je nach Einzelfall zwischen den verschiedenen Entscheidelementen abwägen zu können (vgl. Art. 60, Abs. 2 ASG). Die oben erwähnte Beschränkung der Kognition im Rahmen des diplomatischen Schutzes, die aus der Rechtsprechung der Beschwerdebehörden resultiert, sollte auch beim konsularischen Schutz analog zur Anwendung kommen, wenn die vorgenommene Verfügung einen vorwiegend politischen Charakter aufweist (Beschwerde beim Bundesrat und, in letzter Instanz, beim Bundesgericht). Wenn die Verfügung keinen vorwiegend politischen Charakter aufweist, kann die richterliche Überprüfbarkeit der in Frage stehenden Verfügung breiter sein und beispielsweise die Achtung der Grundrechte wie Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Verfahrensgarantien umfassen (Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht und, in letzter Instanz, beim Bundesgericht).

Absatz 2 hat Geltung in Verbindung mit Artikel 33 Absatz 2 und 3 ASG. Wie bisher in Artikel 22 BSDA60 wird festgehalten, dass eine Verfügung einer Schweizer Vertretung betreffend Sozialhilfe zunächst mit Beschwerde beim EDA angefochten werden kann. Anschliessend steht eine Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht offen.

Art. 80

Vollzug

Der Bundesrat gestaltet den Vollzug dieses Gesetzes im Rahmen seiner Zuständigkeit für die Organisation der Verwaltung nach Artikel 8 RVOG. Die Regelung von Aspekten auf untergeordneter Erlassstufe wird vom Bund dem EDA überlassen, dies namentlich wo Bestimmungen einen höheren Detaillierungsgrad aufweisen und öfters Änderungen unterliegen können.

Art. 81

Internationale Zusammenarbeit und Übertragung von Befugnissen

Absatz 1 verankert einerseits die unentgeltliche Zusammenarbeit zwischen Stellen des Bundes, der Kantone und der Gemeinden, und hält andererseits fest, dass der Bund mit kantonalen Amtsstellen Leistungsvereinbarungen abschliessen kann, in deren Rahmen kantonale Fachstellen finanzielle Unterstützung erhalten. Die Möglichkeit betrifft ausserordentliche Dienstleistungen, bei Fällen von Entführung und Geiselnahme im Ausland namentlich solche, die von den durch kantonale Polizeibehörden gebildeten Verhandlungsgruppen erbracht werden. Der Bund kann ihre Einsatzkosten entgelten.

Absatz 2 ermöglicht es den zuständigen Schweizer Behörden, auch mit ausländischen Behörden im Rahmen der Amtshilfe zusammenzuarbeiten.

Der Bundesrat kann völkerrechtliche Verträge selbständig abschliessen, soweit er durch ein Bundesgesetz oder einen von der Bundesversammlung genehmigten völkerrechtlichen Vertrag dazu ermächtigt ist (Art. 7a Abs. 1 RVOG). Absatz 3 führt eine solche Delegationsnorm auf Gesetzesstufe ein, die es dem Bundesrat erlaubt, Abkommen über konsularische Dienstleistungen selbständig abzuschliessen.

Damit besteht für den Bundesrat die Möglichkeit, die Zusammenarbeit mit anderen Staaten im konsularischen Bereich zur Erleichterung der internationalen Mobilität der Schweizer Personen zu vereinfachen. Ebenso soll der Bundesrat weiterhin im Stande sein, im Sinne von Artikel 58 ASG die Interessen eines fremden Staates 60

SR 852.1

1965

übernehmen zu können, wenn es im aussenpolitischen Interesse der Schweiz ist. Es ist wichtig, dass diese Abkommen schnell und effizient genehmigt werden können.

Um dies zu gewährleisten und um sich dabei nicht auf die in Artikel 7a Absatz 2 RVOG, vorgesehene Abschlusskompetenz des Bundesrates für völkerrechtliche Verträge von beschränkter Tragweite abstützen zu müssen, wird eine spezifische und solide gesetzliche Grundlage für die zukünftigen Abkommen im konsularischen Bereich bevorzugt. Bereits bestehende Abschlusskompetenzen des Bundesrates oder der Departemente, die mit konsularischen Dienstleistungen oder mit der Förderung der internationalen Mobilität in Berührung kommen, bleiben von diesem Absatz unberührt. Als Beispiel kann der Artikel 100 Absatz 2 des Bundesgesetzes über Ausländerinnen und Ausländer vom 16. Dezember 200561 erwähnt werden, der unter anderem auch eine Abschlusskompetenz des Bundesrates betreffend Visumpflicht oder berufliche Aus- und Weiterbildung vorsieht.

Der Bundesrat ist gemäss Absatz 4 in Ausnahmefällen dazu ermächtigt, die Erbringung konsularischer Dienstleistungen, die in der Regel von diplomatischen und konsularischen Vertretungen (im Sinne von Art. 3, Bst. d ASG) wahrgenommen werden, an private juristische Personen zu übertragen. Solche Situationen können auftreten, wenn die Eröffnung einer schweizerischen Vertretung auf einem gewissen Territorium unmöglich ist.

Die konsularischen Aufgaben sind in Artikel 5 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen62 definiert. Die Übertragung dieser Aufgaben an private juristische Personen kann sich auf folgende Dienstleistungen erstrecken: die Entwicklung der kommerziellen sowie wirtschaftlicher, kultureller und wissenschaftlicher Beziehungen63, die Hilfe und der Beistand Schweizer Staatsangehöriger, und zwar sowohl natürlicher als auch juristischer Personen64 und die Ausstellung von Visa oder andere dazugehörige Aufgaben65.

Art. 82

Statistik

Der Bundesrat hat im Bericht vom 18. Juni 2010 über die Auslandschweizerpolitik in Erfüllung des Postulats Lombardi 04.3571 die Datenlage bezüglich der Auslandschweizerinnen und -schweizer als lückenhaft bezeichnet und die Notwendigkeit einer Verbesserung der Statistiken hervorgehoben. Nachdem der Bund die Wohnbevölkerung der Schweiz seit Ende 2010 im Einjahresrhythmus auf der Basis der Einwohnerregister erhebt, eröffnet sich die Möglichkeit, die Daten über den Bestand der Schweizerinnen und Schweizer im Ausland sowie die Struktur und den beschleunigten Wandel dieser Gruppe in vergleichbarer Qualität zu erheben. Gemäss Artikel 82 ist die Erhebung durch das Bundespersonenregister VERA (vgl. Ziff. 3.1, Erläuterung zu Art. 3) bedarfsgerecht zu entwickeln, und die Auswertung kann neben dem EDA neu auch dem Bundesamt für Statistik (BFS) übertragen werden.

Die Registererhebung ist durch thematische Erhebungen zu ergänzen, deren Durchführung Gegenstand von Vereinbarungen zwischen dem EDA und dem BFS bilden.

61 62 63 64 65

SR 142.20 SR 0.191.02 Ibid., Art. 5 Bst. b Ibid., Art. 5 Bst. e Ibid., Art. 5 Bst. d

1966

Art. 83

Aufhebung und Änderung bisherigen Rechts

Unter Absatz 1 sind die Erlasse aufgeführt, die aufgrund der Integration ihrer Bestimmungen in den vorliegenden Entwurf aufgehoben werden können. Nicht aufgeführt ist das Reglement des schweizerischen diplomatischen und konsularischen Dienstes vom 24. November 196766. Gemäss Artikel 7c Absatz 4 RVOG, tritt dieses mit der Annahme des vorliegenden Entwurf ausser Kraft.

Art. 84

Übergangsbestimmungen

Erworbene Leistungsansprüche aufgrund von Bestimmungen des geltenden Rechts, das von Artikel 75 Buchstaben a­d ASG abgelöst wird, bleiben bestehen (Besitzstandgarantie). In den Absätzen 2­4 sind Übergangsbestimmungen bezüglich Leistungsansprüchen nach dem 3. Titel spezifiziert.

4

Anhang

4.1

Aufhebung bisherigen Rechts

Das Bundesgesetz vom 19. Dezember 197567 über die politischen Rechte der Auslandschweizer, das Bundesgesetz vom 21. März 197368 über Sozialhilfe und Darlehen an Schweizer Staatsangehörige im Ausland und das Bundesgesetz über die Vermittlung schweizerischer Bildung im Ausland vom ...69 können aufgehoben werden, da ihre Bestimmungen grösstenteils im Fall des letztgenannten Erlasses integral in das ASG eingefügt werden. Die Abweichungen werden vorne in den Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln offengelegt.

Der Bundesbeschluss vom 22. Juli 196270 über die Gewährung einer Ausfallgarantie an die Genossenschaft «Solidaritätsfonds der Auslandschweizer» wird aufgehoben.

Die Genossenschaft leistet Entschädigungen an Genossenschafterinnen und Genossenschafter, die im Ausland infolge von Krieg, inneren Unruhen oder sozial- und wirtschaftspolitischen Zwangsmassnahmen ohne Verschulden ihre Existenzgrundlage verloren haben. Der Bund gewährte die Garantie in der Optik der frühen Sechzigerjahre, vor dem Hintergrund der Erfahrung des zweiten Weltkriegs, der zum Ausbau der Unterstützung von Landsleuten im Ausland durch den Bund, Kantone und Gemeinden geführt hatte. Mit der Gewährung der Garantie entsprachen die Behörden dem Anliegen, die politische Risikovorsorge unter Auslandschweizerinnen und -schweizern zu fördern.71 Auslandschweizerkreise gründeten 1958 die Genossenschaft, die heute den Namen Soliswiss trägt, und ersuchten im folgenden Jahr um eine Ausfallgarantie, die der Bund ihr 1962 gewährte.

Die Ausfallgarantie hat subsidiären Charakter (der Bund kann Soliswiss Darlehen erst nach Ausschöpfung ihrer Eigenmittel gewähren). In der Aufbauphase nahm Soliswiss gestützt auf die Garantie ein Darlehen beim Bund auf und bezahlte es bis 66 67 68 69 70 71

SR 191.1 AS 1976 1805, 1991 2388, 2002 3193, 2007, 4637, 2009 5685, 2011 725 AS 1973 1976, 2000 1915, 2006 2197, 2008 3437, 2009 5685, 2011 725 BBl 2013 5277 SR 852.8 Botschaft des Bundesrates vom 8. Dezember 1961 über die Gewährung einer Ausfallgarantie an die Genossenschaft «Solidaritätsfonds der Auslandschweizer», BBl 1961 II 1295­1324.

1967

1973 zurück. Dieser Darlehensbezug blieb bis heute die einzige Inanspruchnahme der Garantie. Mit der Gewährung der Garantie an das System gemeinsamer Selbsthilfe unter Auslandschweizerinnen und -schweizern verfolgte der Bund auch das Ziel, deren Verbundenheit mit der Heimat zu stärken.

Da 1962 privatwirtschaftliche Angebote der Risikovorsorge bzw. -versicherung fehlten, konnte das Entschädigungssystem von Soliswiss als Wahrnehmung einer Aufgabe im öffentlichen Interesse betrachtet werden. Heute steht den meisten Auslandschweizerinnen und -schweizern die Möglichkeit der privaten Vorsorge bzw.

Versicherung gegen politische Risiken offen; jedenfalls denjenigen, die sich in einem Mitgliedstaat der Welthandels-Organisation aufhalten. Zu vermerken ist, dass die Zahl der Genossenschafterinnen und Genossenschafter von 16 000 in den Sechzigerjahren auf fast 4000 im Jahr 2011 abgenommen hat. Ferner hat die Schweiz bilaterale Investitionsschutz-Übereinkommen abgeschlossen. In diesen ist gewöhnlich ein Rechtsweg eingerichtet, auf dem Schweizer Personen im Schadenfall bei Staaten, die für den Verlust eine Verantwortung tragen, eine Entschädigung geltend machen können.

Im Markt für Versicherungsdienstleistungen besteht die Rolle des Bundes darin, die diskriminierungsfreie Teilnahme am Markt sicherzustellen. Das öffentliche Interesse bezieht sich hier auf das Funktionieren des Wettbewerbs. Demzufolge sollte der Bund davon absehen, einzelne Marktteilnehmer zu fördern. Eine öffentliche Haftung für den einzelnen Marktteilnehmer Soliswiss birgt das Risiko einer Wettbewerbsverzerrung, dem mit der Aufhebung der Ausfallgarantie vorgebeugt wird. Die Aufhebung steht in Übereinstimmung mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz im Rahmen von Freihandelsabkommen und des Allgemeinen Abkommens über den Handel mit Dienstleistungen (GATS).

Da Soliswiss nicht im Eigentum des Bundes steht bzw. der Bund keine Haupt- oder Mehrheitsbeteiligung hält, sind die Grundsätze des Corporate-GovernanceBerichts72 nicht direkt anwendbar, sie können aber sinngemäss angewendet werden.

Gemäss Leitsatz 12 soll der Bund gegenüber verselbständigten Einheiten nur noch ausnahmsweise unternehmensspezifische Haftungen, Garantien, Bürgschaften und Eventualverpflichtungen eingehen. Damit soll erreicht werden, dass solche Verpflichtungen vom
Bund nur noch in begründeten Ausnahmefällen übernommen werden und von verschärften risikopolitischen Vorgaben (z.B. regelmässige Überprüfung der strategischen Vorgaben, allfällige Versicherungspflicht usw.) begleitet werden müssen.73 Wenn der Bund also bereits Unternehmen in seinem Eigentum, auf deren Organisation, Geschäftsführung und insbesondere Risikopolitik er unmittelbar Einfluss nehmen kann, nur noch in Ausnahmefällen Garantien gewährt, so muss dies erst recht für ein Unternehmen wie Soliswiss gelten, das ausserhalb des direkten Einflussbereiches des Bundes steht. Andernfalls würde der Bund eine Garantie gewähren, könnte aber insbesondere auf das Risikoverhalten von Soliswiss keinen oder kaum Einfluss nehmen.

Die Aufhebung der Ausfallgarantie bedeutet keine Herabstufung der Bedeutung von Soliswiss. Der Bund bekräftigt die Wertschätzung, welche die kollektive Risikovorsorge auf privater Basis wie z.B. das Entschädigungssystem von Soliswiss geniesst.

Im Übrigen hält Artikel 65 Absatz 6 ASG, fest, dass der Bund bei ausserordentlich 72 73

Bericht des Bundesrates vom 13. September 2006 zur Auslagerung und Steuerung von Bundesaufgaben, 06.072, BBl 2006 8233­8303.

Vgl. Bericht op. cit., Ziff. 4.2.4, BBl 2006 8274

1968

schweren Ereignissen, von denen eine grössere Zahl von Landsleuten im Ausland getroffen wird, Entschädigungen leisten kann. Damit stellt der Bund seine Solidarität namentlich mit den Auslandschweizerinnen und -schweizern unter Beweis.

Der Bundesrat hob in der Botschaft von 1961 zur Gewährung der Ausfallsgarantie hervor, dass die eidgenössischen Räte ihm nicht eine unbegrenzte Vollmacht erteilen. Vielmehr sollte den Räten einige Jahre nach dem Bundesbeschluss Gelegenheit gegeben werden, die gemachten Erfahrungen zu würdigen und sich über die Fortführung der Garantie auszusprechen. Diese Gelegenheit ist mit der Ausarbeitung des ASG erneut gegeben. Nach eingehender Prüfung der Frage ist der Schluss zu ziehen, dass unter den heutigen Umständen kein Anlass besteht, die Ausfallgarantie aufrecht zu erhalten.

4.2

Änderung von Bundesgesetzen

Parlamentsgesetz Art. 152 Abs. 3bis Das konsularische Vertretungsnetz der Schweiz ist für die Auslandschweizerinnen und -schweizer von grosser praktischer Bedeutung. Daher hat in den letzten Jahren die geplante oder die tatsächlich vorgenommene Schliessung von Botschaften und Konsulaten immer wieder zu grösseren Diskussionen Anlass gegeben. Die Anliegen der betroffenen Auslandschweizerinnen und -schweizer wurden auch von mehreren parlamentarischen Vorstössen aufgegriffen. So haben die Räte z.B. mit Beschlüssen vom 16. April 2013 (Nationalrat) und 6. Juni 2013 (Ständerat) entgegen dem Antrag des Bundesrates eine Motion der Aussenpolitischen Kommission (APK) des Nationalrates für die Aufrechterhaltung der Botschaft in Guatemala City (12.3991) angenommen; an denselben Behandlungstagen wurde eine weitere Motion dieser Kommission gegen die Schliessung des Generalkonsulates in Chicago (13.3007) zwar vom Nationalrat angenommen, vom Ständerat hingegen abgelehnt.

Artikel 152 des Parlamentsgesetzes (ParlG) regelt die Information und Konsultation des Parlaments im Bereich der Aussenpolitik. Absatz 3 sieht vor, dass der Bundesrat «die für die Aussenpolitik zuständigen Kommissionen zu wesentlichen Vorhaben» konsultiert und später diese Kommissionen «über den Stand der Realisierung dieser Vorhaben» informiert. Geplante Änderungen im diplomatischen und konsularischen Vertretungsnetz galten bisher nicht als «wesentliche Vorhaben». Angesichts der grossen praktischen Bedeutung dieser Änderungen für die betroffenen Auslandschweizerinnen und -schweizer ist es gerechtfertigt, dass sich die APK beider Räte dazu äussern können. Die Interessen der betroffenen Schweizer Stimmberechtigten können dadurch auf repräsentative Weise eingebracht werden. Um dieses Ziel zu erreichen, muss Artikel 152 ParlG durch einen unmittelbar auf Absatz 3 folgenden Absatz 3bis ergänzt werden. Der bisherige Absatz 3bis wird dadurch zu Absatz 3ter.

Nicht unter die Konsultationspflicht fällt die Eröffnung oder Schliessung von Honorarkonsulaten, da diese nicht alle konsularischen Dienstleistungen erbringen, die im ASG vorgesehen sind.

Die Konsultation ändert nichts an der Kompetenzverteilung zwischen Bundesversammlung und Bundesrat im Bereich der Aussenpolitik; der Bundesrat wird durch die Stellungnahme der APK in formeller Hinsicht nicht gebunden und er kann 1969

gegebenenfalls davon abweichen. Insofern kann keine Rede sein von einer Vermischung der Zuständigkeiten oder gar von einem Verstoss gegen Grundsätze der Gewaltenteilung. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass bis in die 1980er Jahre die Zuständigkeit zur Errichtung von neuen Botschaften nicht beim Bundesrat, sondern beim Gesetzgeber lag.74

Bundesgesetz vom 24. März 200075 über die Bearbeitung von Personendaten im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten: Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 Bst. a, Abs. 3 Bst. c und Abs. 5 Die Änderungen betreffen Artikel 4 dieses Gesetzes: Die Begriffe in Absatz 1 werden an die Terminologie des ASG angepasst («Auslandschweizerregister» anstelle von «Matrikelregister» und «angemeldete Personen» anstelle von «immatrikulierte Personen»), ebenso in Absatz 2 («konsularischer Schutz» anstelle des «Schutzes privater schweizerischer Interessen»). Mit der Änderung von Absatz 3 wird die nötige datenschutzrechtliche Grundlage für die Bearbeitung der Personendaten im EDA geschaffen. Dadurch wird die Bestimmung von Artikel 17a BSDA in die Buchstaben b und c in Absatz 3 von Artikel 4 dieses Gesetzes integriert. Buchstabe c bezieht sich auf die Personendaten über die Vermögens- und Einkommensverhältnisse, sowie auf besonders schützenswerte Daten über die Gesundheit. Die besonders schützenswerten Daten über Sozialhilfeleistungen sind bereits in den Massnahmen der sozialen Hilfe nach Buchstabe b eingeschlossen. Dem Artikel 4 wird mit Absatz 5 eine Bestimmung hinzugefügt, welche die Rechtsgrundlage für die Kommunikation von Daten zu statistischen Zwecken an das Bundesamt für Statistik in Erinnerung ruft.

Registerharmonisierungsgesetz Art. 2 Abs. 1 Bst. d Die Änderungen in diesem Gesetz betreffen das Informationssystem des EDA «Vernetzte Verwaltung der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer (VERA)» in seiner Funktion als Register, dessen Daten für statistische Zwecke verwendet werden können. Die Nutzung der in VERA registrierten Daten zur Herstellung von Statistiken beschränkt sich nicht mehr auf das Matrikelregister76, das bei Inkrafttreten des ASG durch das Auslandschweizerregister (ASR) abgelöst wird.

Die Änderungen ermöglichen es, Daten zu weiteren Aufgaben zu erheben und für statistische Zwecke auszuwerten. In der VERA-Verordnung77 sind nicht abschliessend einige dieser Aufgaben genannt.

74

75 76 77

Siehe z.B. das Bundesgesetz vom 10. Oktober 1980 über die Errichtung von diplomatischen Vertretungen in Simbabwe und in den Vereinigten Arabischen Emiraten; BBl 1980 III 688.

SR 235.2 Art. 2 Abs. 1 Bst. a VERA-VO, SR 235.22 Art. 2 Abs. 1 Bst. b­g VERA-VO, SR 235.22

1970

Seeschifffahrtsgesetz Art. 81 Die in Artikel 81 dieses Gesetzes vorgesehene Schiedsgerichtsfunktion eines Konsulates bei Streitigkeiten aus dem Heuerverhältnis wird nicht mehr angewendet. Das diplomatische und konsularische Personal verfügt nicht über die fachlichen Kenntnisse, um einen Entschied in dieser Sache zu treffen. Im Kollektivübereinkommen zur Anstellung der Seeleute auf Schiffen unter Schweizer Flagge, das zwischen den schweizerischen Seereedereien und der Vertretung der Seeleute (NAUTILUS International) abgeschlossen wurde, ist ein Schiedsverfahren für solche Streitigkeiten vorgesehen. In letzter Instanz sind die Gerichte des Kantons Basel-Stadt zuständig.

Arbeitsvermittlungsgesetz Art. 25 Abs. 1, 2 und 2bis, Art. 35 Abs. 3 Bst. j Um die «guichet unique»-Funktion des EDA zu vervollständigen, verankert Artikel 68 ASG die Aufgabe der Beratung schweizerischer Staatsangehöriger in Fragen der Aus- und Rückwanderung. Die Zuständigkeit des SECO, WBF, im Bereich der Arbeitsvermittlung in der Schweiz und des BFM, EJPD, im Bereich der StagiaireAbkommen bleiben gewahrt. Durch die Änderungen in den Artikeln 25 und 35 dieses Gesetzes wird die Erbringung dieser Dienstleistung sichergestellt.

Zuständigkeitsgesetz Art. 1 Abs. 3 Der Verweis auf das BSDA in diesem Gesetz muss durch einen Verweis auf das ASG ersetzt werden.

5

Auswirkungen

5.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Das ASG fasst vornehmlich bereits laufende Tätigkeiten des Bundes zusammen. Die in Artikel 75 Absatz 1 Buchstaben b und c angeführten Finanzhilfen sind bereits in bestehenden Erlassen geregelt.

Die auf Absatz 1 Buchstabe a gestützten Fördermassnahmen zur Erleichterung der Ausübung der politischen Rechte schliessen an Projektunterstützungen durch den Bund an, die erstmals anfangs 2000 getätigt wurden. Im Jahr 2013 erhielten die Kantone 300 000 Schweizerfranken für die Weiterentwicklung der Systeme zur elektronischen Stimmabgabe gemäss dem Aktionsplan 2013 (finanzielle Unterstützung von E-Government-Vorhaben). Die Fortsetzung dieser Unterstützungen ist geplant. Mit Inkrafttreten des ASG stützen sich die Fördermassnahmen auf Artikel 75 Absatz 1 Buchstabe a. Sie übersteigen den Gesamtbetrag von 20 Millionen

1971

Schweizerfranken nicht, weshalb die Ausgabenbremse78 hier nicht greift (vgl.

Ziff. 3.2.3).

Im Bereich der Sozialhilfe entfällt beim Bund aufgrund von Artikel 37 der Aufwand für Rückvergütung von Sozialhilfekosten der Kantone. Die Höhe dieses Aufwands schwankte in den letzten Jahren zwischen 1,6 und 1,9 Mio. Franken. Für die Kantone bringt somit das Gesetz einen Mehraufwand mit sich.

Infolge der Ausdehnung des persönlichen Geltungsbereichs von Artikel 64 muss mit einer zunehmenden Anzahl von Notdarlehen gerechnet werden. Die Subvention der Auslandschweizer-Organisation (ASO) durch den Bund wird nach den gemäss Leistungsvereinbarung zwischen dem EDA und der ASO zu erbringenden Leistungen bemessen. Die Ressourcen der Aus- und Rückwanderungsberatung auf der Basis von Artikel 68 bewegen sich im selben Rahmen wie die bisher von der Bundesverwaltung angebotenen Dienstleistungen, wobei die Departemente den Implikationen der Neuzuweisung der Aufgaben Rechnung tragen müssen.

Finanzbeschlüsse zur Anwendung von Artikel 75 Absatz 2 unterstehen der Ausgabenbremse.

Der Aufwand der Bundesstellen im Rahmen von Betreuungsaufgaben, der Gewährung von konsularischem Schutz und weiteren konsularischen Dienstleistungen aus dem Personal- und Sachaufwand der zuständigen Stellen sind Betriebsauslagen der zuständigen Stellen. Die hauptsächlichen Vollzugsstellen sind die Konsularische Direktion EDA und die Vertretungen (Definition gemäss Art. 3 ASG) sowie das Bundesamt für Kultur EDI.

5.2

Vollzugstauglichkeit

Es ist mit keinen Vollzugsschwierigkeiten zu rechnen, die sich aus dem vorliegenden Gesetz ergeben würden, weil in ihm weitgehend bereits geltendes Recht zusammengefasst wird.

6

Verhältnis zum europäischen Recht

Das ASG berührt keine Fragen im Zusammenhang mit dem europäischen Recht. Es sind keine Vereinbarungen zwischen der Schweiz und der EU in Kraft, die Gegenstände des Gesetzes berühren. Nach Artikel 81 Absatz 3 ist der Bundesrat zum Abschluss von Vereinbarungen mit der EU bzw. mit ihren Mitgliedstaaten befugt, die den Zielen dieses Gesetzes im konsularischen Bereich dienen. Das ASG ist insbesondere mit dem Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft sowie ihren Mitgliedstaaten über die Personenfreizügigkeit von 199979 vereinbar.

78 79

Artikel 159 Absatz 3 BV SR 0.142.112.681

1972

7

Rechtliche Grundlagen

7.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Das ASG regelt Massnahmen im Bereich der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer sowie der schweizerischen Aussenpolitik. Es stützt sich zum einen auf den Artikel 40 BV, der dem Bund die Zuständigkeit gibt, die Beziehungen der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer untereinander und zur Schweiz zu fördern und die Rechte und Pflichten der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer, namentlich in Bezug auf die Ausübung der politischen Rechte im Bund und die Unterstützung durch den Bund, zu regeln. Zum anderen bietet Artikel 69 Absatz 1 BV dem Bund die Grundlage zur Unterstützung kultureller Bestrebungen von gesamtschweizerischer Bedeutung, welche die Vermittlung schweizerischer Bildung im Ausland einschliessen. Schliesslich stützt sich das ASG auf Artikel 54 Absatz 1 BV, welcher dem Bund eine umfassende Kompetenz im Bereich der auswärtigen Angelegenheiten verleiht.

7.2

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Artikel 80 überträgt in Absatz 2 die Befugnis zum Erlass der Ausführungsbestimmungen dem Bundesrat. Delegationen von Rechtsetzungsbefugnissen, die über die allgemeine Vollzugskompetenz hinausgehen, sind in folgenden Artikeln enthalten: Artikel 76 überträgt dem Bundesrat die Kompetenz zum Erlass von Bestimmungen betreffend Gebührenerhebungen. Artikel 20 Absatz 2 verankert die Zuständigkeit der Kantone zur Führung des Stimmregisters. Artikel 80 Absatz 3 unterstellt die kantonale Rechtsetzung der Genehmigung des Bundes.

7.3

Erlassform

Gemäss Artikel 164 Absatz 1 BV sind wichtige rechtsetzende Bestimmungen in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen. Da mit dem ASG unter anderem die Rechte und Pflichten von Personen sowie die Aufgaben und Leistungen des Bundes geregelt werden, ist die Erlassform des Bundesgesetzes notwendig. Das ASG untersteht gemäss Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe a BV dem fakultativen Referendum.

1973

1974