zu 10.450 Parlamentarische Initiative «Den Verkauf von Bankkundendaten hart bestrafen» Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates vom 19. Mai 2014 Stellungnahme des Bundesrates vom 13. August 2014

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates vom 19. Mai 2014 betreffend die parlamentarische Initiative 10.450 «Den Verkauf von Bankkundendaten hart bestrafen» nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

13. August 2014

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Didier Burkhalter Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2014-1756

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

1.1

Entstehungsgeschichte

Die parlamentarische Initiative 10.450 «Den Verkauf von Bankkundendaten hart bestrafen» wurde am 17. Juni 2010 von der FDP-Liberalen Fraktion eingereicht. Sie fordert durch eine Änderung von Artikel 47 des Bankengesetzes vom 8. November 19341 (BankG) die Schaffung eines qualifizierten, als Verbrechen ausgestalteten Straftatbestands der Verletzung des Berufsgeheimnisses.

Die Kommissionen für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates (WAK-N) und des Ständerates (WAK-S) beschlossen, der parlamentarischen Initiative Folge zu geben. Die Verwaltung wurde in einem ersten Schritt mit der Ausarbeitung eines Gesetzesvorentwurfs im Sinne der parlamentarischen Initiative und in einem zweiten Schritt mit der Ausdehnung von Artikel 47 BankG auf Personen beauftragt, die ­ in Kenntnis der widerrechtlichen Herkunft ­ nachträglich in den Besitz von Bankkundendaten gelangen und diese zum eigenen Vorteil verwenden.

Am 29. Oktober 2013 nahm die WAK-N den Vorentwurf an und eröffnete die Vernehmlassung. Diese dauerte bis zum 28. Februar 2014.2 Mit Schreiben vom 5. Juni 2014 lud die WAK-N den Bundesrat ein, nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20023 bis zum 14. August 2014 zur Vorlage Stellung zu nehmen.

1.2

Grundzüge der Vorlage

1.2.1

Geltendes Recht

Gemäss Artikel 47 BankG wird mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer «ein Geheimnis offenbart, das ihm in seiner Eigenschaft als Organ, Angestellter, Beauftragter oder Liquidator einer Bank, als Organ oder Angestellter einer Prüfgesellschaft anvertraut worden ist oder das er in dieser Eigenschaft wahrgenommen hat». Vom Straftatbestand heute nicht erfasst werden Personen, die ­ in Kenntnis der widerrechtlichen Herkunft ­ nachträglich in den Besitz von Bankkundendaten kommen und diese zum eigenen Vorteil verwenden. Strafbar sind hingegen der Versuch, die Anstiftung und der Anstiftungsversuch (Art. 47 Abs. 1 Bst. b BankG).

Analoge Regeln zu Artikel 47 BankG finden sich im Finanzmarktbereich in Artikel 148 Absatz 1 Buchstabe k des Kollektivanlagengesetzes vom 23. Juni 20064 (KAG) und in Artikel 43 des Börsengesetzes vom 24. März 19955 (BEHG).

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SR 952.0 Unterlagen zu finden unter www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2013 > Parlamentarische Kommissionen SR 171.10 SR 951.31 SR 954.1

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1.2.2

Vorschlag der Kommission

Die Kommissionsmehrheit erachtet es als unbefriedigend, dass Personen nicht strafbar sind, die ­ in Kenntnis der widerrechtlichen Herkunft ­ nachträglich in den Besitz von Bankkundendaten kommen und diese weiterleiten oder zum eigenen Vorteil verwenden. Sie schlägt daher vor, die bestehende Lücke zu schliessen, indem Artikel 47 Absatz 1 BankG um einen Buchstaben c ergänzt wird, wonach mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft wird, wer vorsätzlich ein ihm unter Verletzung des Berufsgeheimnisses offenbartes Geheimnis weiteren Personen offenbart oder für sich oder einen anderen ausnützt.

Die Kommissionsmehrheit schlägt zudem vor, die präventive Wirkung von Artikel 47 BankG dadurch zu erhöhen, dass ein qualifizierter, als Verbrechen ausgestalteter Tatbestand geschaffen wird. Gemäss diesem sollen Personen, die sich oder einem anderen durch die Verletzung des Berufsgeheimnisses zusätzlich einen Vermögensvorteil verschaffen, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft werden (vgl. Art. 47 Abs. 1bis E-BankG).

Aus Gründen der Kohärenz sollen im KAG und im BEHG analoge Anpassungen wie im BankG vorgenommen werden (vgl. Art. 148 Abs. 1 Bst. l E-KAG und Art. 43 Abs. 1 Bst. c E-BEHG).

Eine Minderheit der Kommission beantragt, nicht auf die Vorlage einzutreten. Sie macht im Wesentlichen geltend, die Vorlage erziele nicht die angestrebte abschreckende Wirkung. Ferner erübrige sich die Vorlage mit der Einführung des automatischen Informationsaustauschs (AIA).

1.2.3

Ergebnisse der Vernehmlassung

Die Vorlage wird von den Vernehmlassungsteilnehmern grossmehrheitlich begrüsst.

Die Skeptiker und Gegner der Vorlage machen hauptsächlich das Argument der Kommissionsminderheit geltend, mit der Einführung des automatischen Informationsaustauschs entfalle der Anreiz für den Diebstahl von Bankkundendaten, womit sich die Vorlage erübrige. Auch verschiedene Befürworter werfen die Frage auf, inwieweit die Vorlage im Hinblick auf den automatischen Informationsaustausch noch berechtigt ist.6

2

Stellungnahme des Bundesrates

Generelle Einschätzung Die Verletzung des Bankgeheimnisses durch den Geheimnisträger sowie die Verwendung und die Weitergabe unrechtmässig erworbener Bankkundendaten durch Dritte verletzt die Persönlichkeitsrechte der Bankkundinnen und -kunden. Die genannten Verhaltensweisen können ausserdem dazu führen, dass in- und auslän6

Zu den Ergebnissen der Vernehmlassung vgl. den Ergebnisbericht unter www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2013 > Parlamentarische Kommissionen

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dische Bankkundinnen und -kunden ihr Vertrauen in die betroffene Bank und den Finanzplatz Schweiz verlieren, was sich letztlich negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes und auch auf die schweizerische Volkswirtschaft auswirken kann.

Aus diesen Gründen befürwortet der Bundesrat ­ wie er bereits in seinen Stellungnahmen auf die Motionen Bischof (12.3137), Amherd (12.3123) und RK-S (12.3976) dargelegt hat ­ eine Ausdehnung von Artikel 47 Absatz 1 BankG auf Personen, die vorsätzlich ein ihnen unter Verletzung des Berufsgeheimnisses offenbartes Geheimnis weiteren Personen offenbaren oder für sich oder andere ausnützen.

Er erachtet es zudem als sinnvoll, die abschreckende Wirkung von Artikel 47 BankG durch die vorgeschlagene Schaffung eines qualifizierten Straftatbestandes zu erhöhen.

Ebenfalls begrüsst der Bundesrat den Vorschlag der Kommission, im KAG und im BEHG analoge Anpassungen wie im BankG vorzunehmen (vgl. Art. 148 Abs. 1 Bst. l E-KAG und Art. 43 Abs. 1 Bst. c E-BEHG). Dadurch werden die Kohärenz und die Einheitlichkeit des Finanzmarktrechts gewahrt.

In neueren Urteilen haben erstinstanzliche Gerichte und das Bundesstrafgericht den Diebstahl von Bankkundendaten in bestimmten Fällen auch als Verletzung des Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisses beurteilt. Falls das Bundesgericht diese Auffassung teilen sollte, könnte die Strafbarkeitslücke, so wie sie im Bericht dargelegt wird (vgl. Ziff. 2.3.1), kleiner sein als angenommen, und hauptsächlich den Fall betreffend, dass ein Dritter das Geheimnis weiteren Personen offenbart.

Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass die Tatbestände der Verletzung der Berufsgeheimnisses durch die Schaffung eines qualifizierten Tatbestandes zu Vortaten zur Geldwäscherei werden.

Verhältnis zum automatischen Informationsaustausch (AIA) Das Argument der Kommissionsminderheit, mit der Einführung des AIA erübrige sich die Vorlage, trifft nach Ansicht des Bundesrates nicht zu. Ein für alle wesentlichen Finanzplätze geltender AIA ist ein Fernziel der schweizerischen Finanzmarktpolitik. Bis die Schweiz mit den betroffenen Staaten die für die Umsetzung des Standards notwendigen Abkommen über den AIA in Steuerangelegenheiten abgeschlossen hat, wird jedoch noch ein gewisser Zeitraum verstreichen. Es ist zudem nicht davon auszugehen, dass sämtliche Staaten
mit der Schweiz ein Abkommen nach internationalem Standard abschliessen werden.

Schliesslich bleibt das innerstaatliche Verhältnis vom AIA unberührt. In der Frage der Ausgestaltung des inländischen Bankgeheimnisses bleibt die Schweiz souverän.

Aus diesen Gründen wird der Anreiz für den Diebstahl von Bankkundendaten durch den AIA zwar gemildert, nicht jedoch gänzlich beseitigt.

Redaktionelle Bereinigung Aus dem Bericht der Kommission und dem Wortlaut der parlamentarischen Initiative ergibt sich, dass der qualifizierte Tatbestand der Verletzung des Bankkundengeheimnisses erfüllt sein soll, wenn der Täter durch die Verletzung eines Grundtatbestandes, d. h. alternativ durch die Offenbarung des Geheimnisses oder die Weiterleitung oder Ausnützung zum eigenen oder fremden Vorteil, einen Vermö6244

gensvorteil verschafft. Damit dieses alternative Erfordernis unzweideutig aus dem Gesetzestext hervorgeht, sollte Artikel 47 Absatz 1bis BankG daher lauten: «Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer sich oder einem anderen durch eine Handlung nach Absatz 1 Buchstaben a oder (anstatt: und) c einen Vermögensvorteil verschafft.» Die analogen Bestimmungen im BEHG und im KAG müssten entsprechend angepasst werden.

3

Anträge des Bundesrates

1. Der Bundesrat beantragt Zustimmung zum Antrag der Kommissionsmehrheit.

2. Er stellt den Antrag, dass in den Artikeln 47 Absatz 1bis BankG, 43 Absatz 1bis BEHG und 147 Absatz 1bis KAG das «und» durch ein «oder» ersetzt wird.

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