14.089 Botschaft zur Volksinitiative «Für eine faire Verkehrsfinanzierung» vom 19. November 2014

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft beantragen wir Ihnen, die Volksinitiative «Für eine faire Verkehrsfinanzierung» Volk und Ständen zur Abstimmung zu unterbreiten mit der Empfehlung, die Initiative abzulehnen.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 2014

P

14.3105

Milchkuhinitiative. Von welchem Bauern frisst die Kuh das Gras? (S 03.06.14, Bieri)

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

19. November 2014

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Didier Burkhalter Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2014-2463

9619

Übersicht Die Volksinitiative «Für eine faire Verkehrsfinanzierung» hat zum Ziel, den sich abzeichnenden Finanzierungsengpass für die Aufgaben im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr abzuwenden. Die nötigen Mittel sollen durch die vollständige Zweckbindung der Mineralölsteuer auf Treibstoffen gesichert werden. Diese Mittelumlagerung hat erhebliche negative Auswirkungen auf den Bundeshaushalt. Der Bundesrat beantragt dem Parlament deshalb, die Initiative Volk und Ständen ohne direkten Gegenentwurf oder indirekten Gegenvorschlag zur Ablehnung zu empfehlen.

Inhalt der Initiative Die Initiative wurde am 10. März 2014 mit 113 306 gültigen Unterschriften eingereicht. Sie hat zum Ziel, den sich abzeichnenden Finanzierungsengpass für die Aufgaben im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr abzuwenden. Zu diesen Aufgaben gehören gemäss Artikel 86 der Bundesverfassung unter anderem Bau, Unterhalt und Betrieb der Nationalstrassen, die Förderung des Schienengüterverkehrs (Verkehrsverlagerung) sowie Beiträge an die Kantone. Gemäss der Initiative sollen die nötigen Mittel durch die vollständige Zweckbindung der Mineralölsteuer auf Treibstoffen gesichert werden. Heute sind 50 Prozent der Mineralölsteuererträge, das heisst 1,5 Milliarden Franken pro Jahr, zweckgebunden; die übrigen 50 Prozent stehen dem allgemeinen Bundeshaushalt für alle anderen Aufgaben zur Verfügung.

Vorzüge und Mängel der Initiative Die Initiative würde die Finanzierung der Aufgaben im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr auf absehbare Zeit hinaus sicherstellen und damit das Hauptanliegen der Initianten erfüllen.

Die Initiative steht jedoch im Widerspruch zur Finanz- und Verkehrspolitik von Bundesrat und Parlament. Durch die Zweckbindung der gesamten Mineralölsteuern auf Treibstoffen würden andere Bundesaufgaben gefährdet. Bei einer Annahme der Initiative wäre, weil Erhöhungen anderer Steuern kaum in Frage kommen, ein Sparprogramm im Umfang von bis zu 1,5 Milliarden Franken nötig. Einsparungen könnten kurzfristig nur bei den schwach gebundenen Ausgaben vorgenommen werden, das heisst unter anderem bei Bildung und Forschung, beim öffentlichen Verkehr, der Landesverteidigung sowie der Landwirtschaft.

In Frage gestellt wäre zudem die in der Volksabstimmung vom 9. Februar 2014 gutgeheissene Einlage aus Mineralölsteuermitteln in den Bahninfrastrukturfonds.
Der von der Bundesversammlung beschlossene Ausbauschritt 2025 sowie die weiteren geplanten Ausbauschritte bei der Bahninfrastruktur könnten daher beträchtlich verzögert werden.

Die Initiative bewirkt zudem, dass der sich abzeichnende Finanzierungsmehrbedarf im Strassenbereich nicht durch Mehrleistungen der Strassenbenützer aufgefangen,

9620

sondern zulasten anderer Aufgabenbereiche des Bundes gedeckt würde. Während der Ausbau der Bahninfrastruktur unter anderem durch höhere Billettpreise finanziert wird, müssten sich die Automobilistinnen und Automobilisten somit nicht durch höhere Abgaben am Ausbau der Nationalstrassen beteiligen. Diese Ungleichbehandlung würde die koordinierte Verkehrspolitik schwächen. Rückverlagerungen von der Schiene auf die Strasse mit entsprechend negativen Auswirkungen ­ unter anderem auf die Stau- und Lärmproblematik insbesondere in den Agglomerationen ­ wären nicht ausgeschlossen.

Aus Sicht des Bundesrates kann aus all diesen Gründen nicht von einem fairen Finanzierungskonzept gesprochen werden. Dieses ist vielmehr als einseitig und unausgewogen zu bezeichnen.

Antrag des Bundesrates Der Bundesrat beantragt deshalb den eidgenössischen Räten mit dieser Botschaft, die eidgenössische Volksinitiative «Für eine faire Verkehrsfinanzierung» Volk und Ständen ohne direkten Gegenentwurf oder indirekten Gegenvorschlag zur Ablehnung zu empfehlen.

9621

Inhaltsverzeichnis Übersicht

9620

Abkürzungsverzeichnis

9623

1

Formelle Aspekte und Gültigkeit der Initiative 1.1 Wortlaut der Initiative 1.2 Zustandekommen und Behandlungsfristen 1.3 Gültigkeit

9624 9624 9625 9625

2

Ausgangslage für die Entstehung der Initiative 2.1 Vom Benzinzoll zur Mineralölsteuer 2.2 Heutige Situation der Strassenfinanzierung und Handlungsbedarf in den nächsten Jahren 2.2.1 Spezialfinanzierung Strassenverkehr 2.2.2 Kostendeckungsgrad Strassenverkehr 2.2.3 Spezialfinanzierung Luftverkehr

9625 9625

3

Ziele und Inhalt der Initiative 3.1 Ziele der Initiative 3.2 Inhalt der vorgeschlagenen Regelung 3.3 Erläuterung und Auslegung des Initiativtextes

9631 9631 9632 9633

4

Würdigung der Initiative 4.1 Würdigung der Anliegen der Initiative 4.1.1 Vollständige Zweckbindung der Mineralölsteuer 4.1.2 Fakultatives Referendum 4.1.3 Verbot der Zweckentfremdung 4.2 Auswirkungen der Initiative bei einer Annahme 4.2.1 Auswirkungen auf den Bundeshaushalt 4.2.2 Auswirkungen auf die Spezialfinanzierung Strassenverkehr (SFSV) 4.2.3 Auswirkungen auf die Umwelt und die koordinierte Verkehrspolitik 4.2.4 Auswirkungen auf die Spezialfinanzierung Luftverkehr (SFLV) 4.2.5 Auswirkungen auf die Kantone 4.2.6 Rechtliche Anpassungen auf Gesetzesstufe 4.3 Vorzüge und Mängel der Initiative 4.4 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 4.5 Prüfung eines direkten Gegenentwurfs bzw. eines indirekten Gegenvorschlags 4.6 Vorlage des Bundesrates über die Schaffung eines Fonds für die Nationalstrassen und den Agglomerationsverkehr (NAF)

9637 9637 9637 9638 9639 9639 9639

5

Schlussfolgerungen

Bundesbeschluss über die Volksinitative «Für eine faire Verkehrsfinanzierung» (Entwurf) 9622

9628 9628 9630 9631

9644 9647 9649 9650 9651 9651 9652 9652 9653 9654 9657

Abkürzungsverzeichnis AHV

Alters- und Hinterlassenenversicherung

ASTRA

Bundesamt für Strassen

BFS

Bundesamt für Statistik

BIF

Bahninfrastrukturfonds

BV

Bundesverfassung (SR 101)

FABI

Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur

FinöV-Fonds

Fonds für die Eisenbahngrossprojekte

GATT

Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen (General Agreement on Tariffs and Trade)

IF

Infrastrukturfonds

LSVA

Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe

MWSt

Mehrwertsteuer

NAF

Fonds für die Nationalstrassen und den Agglomerationsverkehr

NEAT

Neue Eisenbahn-Alpentransversale

öV

öffentlicher Verkehr

SFLV

Spezialfinanzierung Luftverkehr

SFSV

Spezialfinanzierung Strassenverkehr

STEP

Strategisches Entwicklungsprogramm

USR

Unternehmenssteuerreform

WTO

Welthandelsorganisation (World Trade Organisation)

9623

Botschaft 1

Formelle Aspekte und Gültigkeit der Initiative

1.1

Wortlaut der Initiative

Die Volksinitiative «Für eine faire Verkehrsfinanzierung» hat den folgenden Wortlaut: Die Bundesverfassung1 wird wie folgt geändert: Art. 86 Abs. 2bis (neu), 3, 3bis Einleitungssatz, 4, 5 (neu) und 6 (neu) Er verwendet den Reinertrag der Verbrauchssteuer auf allen Treibstoffen ausser den Flugtreibstoffen sowie den Reinertrag der Nationalstrassenabgabe ausschliesslich für folgende Aufgaben und Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr: 2bis

3

a.

die Errichtung, den Unterhalt und den Betrieb von Nationalstrassen;

b.

Massnahmen zur Förderung des kombinierten Verkehrs und des Transports begleiteter Motorfahrzeuge;

c.

Massnahmen zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur in Städten und Agglomerationen;

d.

Beiträge an die Kosten für Hauptstrassen;

e.

Beiträge an Schutzbauten gegen Naturgewalten und an Massnahmen des Umwelt- und Landschaftsschutzes, die der Strassenverkehr nötig macht;

f.

allgemeine Beiträge an die kantonalen Kosten für Strassen, die dem Motorfahrzeugverkehr geöffnet sind;

g.

Beiträge an Kantone ohne Nationalstrassen für die Errichtung, den Unterhalt und den Betrieb der Kantonsstrassen.

Aufgehoben

Er verwendet den Reinertrag der Verbrauchssteuer auf Flugtreibstoffen ausschliesslich für folgende Aufgaben und Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Luftverkehr: 3bis

Die Einführung oder Erhöhung von Steuern, Abgaben oder Gebühren im Bereich des Strassenverkehrs untersteht dem fakultativen Referendum gemäss Artikel 141.

4

Reichen die Mittel für die Aufgaben und Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr oder dem Luftverkehr nicht aus, so erhebt der Bund auf den betreffenden Treibstoffen einen Zuschlag zur Verbrauchssteuer.

5

Jede Zweckentfremdung der Reinerträge nach den Absätzen 2bis und 3bis sowie des Reinertrags des Zuschlags zur Verbrauchssteuer nach Absatz 5 ist untersagt.

6

1

SR 101

9624

1.2

Zustandekommen und Behandlungsfristen

Die Volksinitiative «Für eine faire Verkehrsfinanzierung» wurde am 19. Februar 2013 von der Bundeskanzlei vorgeprüft2 und am 10. März 2014 mit den nötigen Unterschriften eingereicht.

Mit Verfügung vom 1. April 2014 stellte die Bundeskanzlei fest, dass die Initiative mit 113 306 gültigen Unterschriften zustande gekommen ist.3 Die Initiative hat die Form eines ausgearbeiteten Entwurfs. Der Bundesrat unterbreitet dazu weder einen direkten Gegenentwurf noch einen indirekten Gegenvorschlag.

Nach Artikel 97 Absatz 1 Buchstabe a des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20024 (ParlG) muss der Bundesrat spätestens am 10. März 2015 einen Beschlussentwurf und eine Botschaft zuhanden des Parlaments verabschieden. Die Bundesversammlung hat nach Artikel 100 ParlG innert 30 Monaten nach Einreichung der Initiative, d. h. bis zum 10. September 2016, über die Abstimmungsempfehlung zu beschliessen.

1.3

Gültigkeit

Die Initiative erfüllt die Anforderungen an die Gültigkeit nach Artikel 139 Absatz 3 der Bundesverfassung (BV): a.

Sie ist als vollständig ausgearbeiteter Entwurf formuliert und erfüllt die Anforderungen an die Einheit der Form.

b.

Zwischen den einzelnen Teilen der Initiative besteht ein sachlicher Zusammenhang. Die Initiative erfüllt somit die Anforderungen an die Einheit der Materie.

c.

Die Initiative verletzt keine zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts.

Sie erfüllt somit die Anforderungen an die Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht.

2

Ausgangslage für die Entstehung der Initiative

2.1

Vom Benzinzoll zur Mineralölsteuer

Die heutige Mineralölsteuer hat ihren Ursprung im Benzinzoll. Der Ertrag aus den vom Bund erhobenen Zöllen floss gemäss Artikel 30 der Bundesverfassung vom 29. Mai 18745 (aBV) vollumfänglich in die Bundeskasse und diente der Finanzierung allgemeiner Bundesaufgaben. Der Benzinzoll war ­ wie die anderen Zölle ­ somit als voraussetzungslos geschuldete Abgabe angelegt und nicht als Entgelt für eine spezifische staatliche Leistung oder einen besonderen Vorteil beispielsweise in Form von Strassenausbauten.

2 3 4 5

BBl 2013 1697 BBl 2014 3141 SR 171.10 AS 1874 I 1 oder www.bj.admin.ch > Staat & Bürger > Laufende Rechtsetzungsprojekte > Abgeschlossene Projekte > Reform der Bundesverfassung

9625

Angesichts steigender Strassenbaulasten der Kantone richtete der Bund allerdings bereits ab Ende der 1920-er Jahre Beiträge an die Kantone für Bau und Unterhalt der Strassen aus. Die Höhe dieser Leistungen richtete sich nach dem Ertrag des Benzinzolls («Benzinzollviertel») und stellte damit bereits eine Art von Zweckbindung dar, ohne dass diese jedoch ausdrücklich in der Verfassung verankert wurde.

Der nach dem Krieg stark zunehmende Motorfahrzeugverkehr führte zu steigenden Anforderungen an den Ausbau der Strassen, der damals noch vollständig den Kantonen oblag. In den 1950-er Jahren zeigte sich, dass der Bund eine aktivere Rolle beim Weiterausbau des Strassennetzes übernehmen musste. 1958 wurde die Bundesverfassung entsprechend ergänzt: Artikel 36bis aBV6 regelte die Erstellung der Nationalstrassen. Mit Artikel 36ter aBV wurden die nötigen finanziellen Mittel bereitgestellt, indem ausdrücklich ein Teil des Ertrags der Treibstoffzölle für die in dieser Bestimmung genannten Aufgaben zweckgebunden wurde: Bundesanteil an den Kosten der Nationalstrassen, Beiträge an Kantone für Hauptstrassen, allgemeine Beiträge an Kantone zur Deckung der Strassenkosten, Beiträge an Kantone, die aufgrund der Strassenlasten einen Finanzausgleich benötigten, sowie Beiträge an Kantone mit internationalen Alpenstrassen. Um eine rasche Erstellung des Nationalstrassennetzes zu ermöglichen, wurde der zweckgebundene Anteil am Treibstoffzollertrag in der Bundesverfassung anfänglich auf 60 Prozent festgelegt.

Gleichzeitig wurde in Artikel 36ter aBV die Möglichkeit geschaffen, auf Treibstoffen einen Zollzuschlag zu erheben, falls die verfügbaren Anteile am Treibstoffzollertrag für die Finanzierung der Nationalstrassen nicht ausreichten (Art. 36ter Abs. 2 aBV).

Von dieser Möglichkeit wurde anfangs der 1960er-Jahre erstmals Gebrauch gemacht; seit 1974 beträgt der Zuschlag unverändert 30 Rappen pro Liter (heutiger Mineralölsteuerzuschlag).

Mit dem 1983 vom Volk angenommenen Bundesbeschluss vom 8. Oktober 19827 über die Neuregelung bei den Treibstoffzöllen wurde die Weiterführung des Treibstoffzollzuschlags bei gleichzeitiger Erweiterung der Verwendbarkeit für alle Aufgaben im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr bestätigt. Weil genügend Einnahmen vorhanden waren, konnte der zweckgebundene Anteil des Treibstoffzolls trotz
Erweiterung des Katalogs der aus Treibstoffzollmitteln zu finanzierenden Aufgaben (u. a. Beiträge an den kombinierten Verkehr, an Bahnhofparkanlagen sowie an Umweltschutzmassnahmen) wieder von 60 auf 50 Prozent reduziert werden.

Mit Wirkung ab 1995 wurden schliesslich auch die Erträge der 1985 eingeführten Nationalstrassenabgabe auf Verfassungsstufe für alle Aufgaben im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr zweckgebunden (Bundesbeschluss vom 18. Juni 19938 über die Weiterführung der Nationalstrassenabgabe).

6 7 8

Der Wortlaut der Bestimmungen der Bundesverfassung von 1874 ist auf der Internetseite des Bundesamtes für Justiz zugänglich (vgl. vorangehende Fussnote).

BBl 1982 III 125 BBl 1993 II 892

9626

Der auf Verfassungsstufe geregelte, aus Mineralölsteuermitteln zu finanzierende Aufgabenkatalog erfuhr später noch zwei von Volk und Ständen genehmigte Erweiterungen: ­

Mit dem Bundesbeschluss vom 20. März 19989 über Bau und Finanzierung von Infrastrukturvorhaben des öffentlichen Verkehrs wurde festgelegt, dass 25 Prozent der Gesamtaufwendungen für den Bau der Neuen EisenbahnAlpentransversale (NEAT) aus Mineralölsteuermitteln gedeckt werden.

­

Abgestützt auf den Bundesbeschluss vom 3. Oktober 200310 zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) beteiligt sich der Bund seit 2008 mit Beiträgen an Massnahmen zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur in Städten und Agglomerationen.

Seit 2011 werden zudem, abgestützt auf den Bundesbeschluss vom 3. Oktober 200811 zur Schaffung einer Spezialfinanzierung für Aufgaben im Luftverkehr, die anteiligen Mineralölsteuern dieses Verkehrsträgers (50 % der Mineralölsteuer, 100 % des Zuschlags) für Aufgaben im Zusammenhang mit dem Luftverkehr zweckgebunden.

Die Umwandlung der Treibstoffzölle in besondere Verbrauchssteuern bzw. in die heutige Mineralölsteuer wurde mit dem Bundesbeschluss vom 18. Juni 199312 über besondere Verbrauchssteuern im Grundsatz beschlossen und per 1. Januar 1997 umgesetzt. Sie wurde aufgrund internationaler Abkommen (GATT/WTO, Freihandelsabkommen) nötig, in denen sich die Schweiz zur Beseitigung von Schutz- und Fiskalzöllen verpflichtete. Die bestehende Teilzweckbindung der Einnahmenanteile der früheren Treibstoffzölle für Aufgaben im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr wurde für die neuen Mineralölsteuern unverändert beibehalten.

Die heutige Bundesverfassung enthält zu Erhebung und Verwendung der zweckgebundenen Mittel folgende Bestimmungen: ­

Artikel 131 regelt die grundlegende Kompetenz des Bundes, Verbrauchssteuern (u. a. auf Treibstoffen) zu erheben.

­

Artikel 86 (Verbrauchssteuer auf Treibstoffen und übrige Verkehrsabgaben) regelt die Erhebung und die Verwendung von Abgaben des motorisierten Strassen- und Luftverkehrs durch den Bund.

­

Gemäss der Übergangsbestimmung Artikel 196 Ziffer 3 Absätze 2 und 3 kann der Bund Mineralölsteuermittel für die NEAT verwenden.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Benzinzoll, der spätere Treibstoffzoll sowie die heutige Mineralölsteuer von ihrer Anlage her ursprünglich als Einnahme für den allgemeinen Bundeshaushalt bestimmt waren. Seit Ende der 1920er-Jahre wurde jedoch die Zweckbindung ­ unter Sicherstellung der dafür nötigen Mittel ­ schrittweise ausgeweitet. Die entsprechenden Anpassungen der Verfassung wurden jeweils von Volk und Ständen genehmigt.

9 10 11 12

BBl 1998 II 1421 BBl 2003 5765 BBl 2008 8231 BBl 1993 II 882

9627

2.2

Heutige Situation der Strassenfinanzierung und Handlungsbedarf in den nächsten Jahren

2.2.1

Spezialfinanzierung Strassenverkehr

In der Spezialfinanzierung Strassenverkehr (SFSV) werden auf Bundesebene den zweckgebundenen Einnahmen die Aufgaben und Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr gegenübergestellt (Art. 86 BV). Sowohl die Einnahmen als auch die Ausgaben der SFSV fliessen über die Bundesrechnung und unterstehen damit der Schuldenbremse. Die SFSV ist eine «Schattenrechnung». Die jährlichen Differenzen zwischen Einnahmen und Ausgaben erhöhen oder vermindern die Rückstellungen (bilanzielle Reserven) der SFSV. Als zweckgebundene Einnahmen gelten gemäss Artikel 86 BV: ­

50 Prozent der Mineralölsteuereinnahmen auf Treibstoffen (ohne Mineralölsteuer auf Flugtreibstoffen); 2013 waren das rund 1,47 Milliarden Franken.

­

100 Prozent der Einnahmen aus dem Mineralölsteuerzuschlag auf Treibstoffen (ohne Mineralölsteuerzuschlag auf Flugtreibstoffen); 2013 waren das rund 1,97 Milliarden Franken.

­

100 Prozent der Einnahmen aus der Nationalstrassenabgabe; 2013 waren das rund 0,33 Milliarden Franken.

Die verbleibenden 50 Prozent der Mineralölsteuereinnahmen (2013 rund 1,47 Milliarden Franken) fliessen als voraussetzungslos geschuldete Abgabe in den allgemeinen Bundeshaushalt.

Als Aufgaben und Aufwendungen, die im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr finanziert werden, gelten gemäss Artikel 86 Absatz 3 BV: a.

die Errichtung, der Unterhalt und der Betrieb von Nationalstrassen;

b.

Massnahmen zur Förderung des kombinierten Verkehrs und des Transports begleiteter Motorfahrzeuge;

bbis. Massnahmen zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur in Städten und Agglomerationen; c.

Beiträge an die Kosten für Hauptstrassen;

d.

Beiträge an Schutzbauten gegen Naturgewalten und an Massnahmen des Umwelt- und Landschaftsschutzes, die der Strassenverkehr nötig macht;

e.

allgemeine Beiträge an die kantonalen Kosten für Strassen, die dem Motorfahrzeugverkehr geöffnet sind;

f.

Beiträge an Kantone ohne Nationalstrassen.

Gestützt auf Artikel 86 Absatz 3 Buchstabe b BV und die Übergangsbestimmung in Artikel 196 Ziffer 3 Absatz 2 Buchstabe c BV werden zudem zweckgebundene Mineralölsteuermittel zur Deckung von 25 Prozent der Gesamtaufwendungen für die Basislinien der NEAT verwendet («NEAT-Viertel»). Der in der Volksabstimmung vom 9. Februar 2014 gutgeheissene und voraussichtlich per 1. Januar 2016 in Kraft gesetzte Bahninfrastrukturfonds (BIF) soll befristet, d. h. bis zur vollständigen Rückzahlung der vom FinöV-Fonds übernommenen Bevorschussung, ebenfalls Einlagen aus Mineralölsteuern erhalten.

9628

Abbildung 1 Über die SFSV erfasste Erträge und Aufwände 2013 (in Mio. Franken)

Bis vor einigen Jahren überstiegen die zweckgebundenen Einnahmen der SFSV regelmässig deren Ausgaben. Dank der kumulierten positiven Saldi betrug der Stand der Rückstellungen Ende 2013 noch rund 2 Milliarden Franken. Weil die der SFSV belasteten Ausgaben die dafür zweckgebundenen Einnahmen in den nächsten Jahren mehr und mehr übersteigen werden, dürften diese Rückstellungen bis ca. Ende 2018 praktisch abgebaut sein.

Diese Entwicklung ist einerseits auf die Verbrauchsminderungen bei den neu in Verkehr gesetzten Fahrzeugen zurückzuführen. Der Absatz von Treibstoffen und damit auch die Einnahmen aus der Mineralölsteuer und dem Mineralölsteuerzuschlag stagnieren deshalb seit Längerem. Dieser Trend wird sich mit der Umsetzung der Energiestrategie 205013 auch künftig fortsetzen. Andererseits nehmen die der SFSV belasteten Ausgaben schon allein wegen der Teuerung stetig zu. Hinzu kommen steigende Ausgaben für Ausbau und Unterhalt der Nationalstrassen infolge der zunehmenden Verkehrsbelastung, höherer Sicherheits- und Umweltschutzanforderungen sowie der Tatsache, dass auf verschiedenen Abschnitten erstmals umfassende Sanierungen der langlebigen Bestandteile wie Brücken und Tunnels anfallen.

2018 werden die Ausgaben voraussichtlich rund 500 Millionen Franken höher sein als die zweckgebundenen Einnahmen. Bis die vorhandenen bilanziellen Reserven (Rückstellung) der SFSV aufgebraucht sind, kann ein solcher Ausgabenüberschuss finanziert werden. Die Rückstellung darf aber nicht negativ werden. Dies würde einer «Verschuldung» der SFSV gegenüber der Bundesrechnung entsprechen, was gemäss Verfassung nicht zulässig ist. Vor diesem Hintergrund müssen ab 2019 entweder die Einnahmen auf das Niveau der Ausgaben erhöht oder die Ausgaben auf das Niveau der Einnahmen reduziert werden.

13

www.bfe.admin.ch > Themen > Energiepolitik > Energiestrategie 2050

9629

Abbildung 2 Voraussichtliche Entwicklung der Spezialfinanzierung Strassenverkehr bis 2018

2.2.2

Kostendeckungsgrad Strassenverkehr

Die vom Bundesamt für Statistik (BFS) veröffentlichte Strassenrechnung dient der Gegenüberstellung der dem Strassenverkehr in der Schweiz zurechenbaren Einnahmen und Ausgaben und erlaubt damit Aussagen über den Kostendeckungsgrad. Sie ist als Infrastrukturrechnung konzipiert und berücksichtigt die Einnahmen und Ausgaben aller drei Staatsebenen.

Als anrechenbare Einnahmen werden in dieser Statistik insbesondere der gesamte Mineralösteuerertrag (inkl. Zuschlag), die Erträge aus den kantonalen Motorfahrzeugsteuern, der den Kantonen für Strassenzwecke zugewiesene Anteil an der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA), die Erträge aus der Nationalstrassenabgabe und die Automobilsteuer angesehen. Auf der Ausgabenseite werden sowohl Nationalstrassen (1800 km) als auch Kantons- und Gemeindestrassen (18 000 km bzw. 51 000 km) erfasst. Mit dieser Berechnung resultiert in der Strassenrechnung 2011 bei anrechenbaren Einnahmen von 8,4 Milliarden Franken und zurechenbaren Ausgaben von 7,2 Milliarden Franken ein Deckungsgrad von 118 Prozent.14 Die Strassenrechnung liefert allerdings ein unvollständiges Bild, da sie die vom Strassenverkehr verursachten externen Kosten sowie die Kosten der Verkehrsmittel (Anschaffung und Unterhalt) ausblendet. Um diesen Mangel zu beheben, hat das BFS mit der Transportrechnung, welche neben dem Strassenverkehr auch den 14

Strassenrechnung der Schweiz 2011, BFS, Neuchâtel, Dezember 2013.

9630

Schienenverkehr umfasst, einen umfassenderen Ansatz gewählt. Die 2009 letztmals aktualisierte Transportrechnung weist für das Jahr 2005 nach Berücksichtigung der Kosten für die Verkehrsmittel sowie der nicht gedeckten Unfallfolge- und Umweltkosten für den Strassenverkehr einen Gesamtkostendeckungsgrad von 92 Prozent aus. Zur Verschlechterung des Kostendeckungsgrades im Vergleich zur Strassenrechnung tragen namentlich ungedeckte Unfall- und Umweltkosten bei. Voraussichtlich Anfang 2015 wird das BFS eine überarbeitete Transportrechnung auf der Basis der Daten von 2010 publizieren.

2.2.3

Spezialfinanzierung Luftverkehr

Wie bei den Aufgaben im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr werden auch für den Luftverkehr zweckgebundene Mittel eingesetzt. Diese stammen aus den auf den Treibstoffen des inländischen Luftverkehrs erhobenen Mineralölsteuern (50 %) und dem Mineralölsteuerzuschlag (100 %). Die Einnahmen und die Ausgaben im Zusammenhang mit dem Luftverkehr werden einander in der Spezialfinanzierung Luftverkehr (SFLV) gegenübergestellt, die nach den gleichen Grundsätzen aufgebaut ist und funktioniert wie die SFSV.

Die zweckgebundenen Einnahmen der SFLV betragen derzeit rund 45 Millionen Franken pro Jahr. Seit dem Inkrafttreten der SFLV im August 2011 lagen die Ausgaben der SFLV immer deutlich unter den zweckgebundenen Einnahmen, in den letzten beiden Rechnungsjahren jeweils bei rund 27 Millionen Franken. Dadurch stiegen die bilanziellen Reserven (Rückstellungen) der SFLV auf rund 48 Millionen Franken. Auch für die nächsten Jahre sind keine wesentlichen Mehrausgaben zu erwarten.

Ein Finanzierungsengpass zeichnet sich somit bei der SFLV ­ im Unterschied zur SFSV ­ nicht ab.

3

Ziele und Inhalt der Initiative

3.1

Ziele der Initiative

Ziel der Initiative ist, die mittelfristig erforderlichen zusätzlichen finanziellen Mittel für die Aufgaben im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr durch die vollständige Zweckbindung der Mineralölsteuern auf Treibstoffen bereit zu stellen. Damit soll insbesondere der Ausbau der Strasseninfrastruktur nicht nur finanziell gesichert, sondern nach Möglichkeit auch beschleunigt werden. Die vollständige Zweckbindung soll auch für die in gleicher Weise geregelten Abgaben des Luftverkehrs gelten.

Zugleich ist beabsichtigt, eine in der Sichtweise der Initianten im heutigen System angelegte «Zweckentfremdung» der Abgaben der Strassenbenützer künftig zu verhindern: ­

Einerseits sei, so die Initianten, die bisherige, zweckfreie Verwendung der Hälfte der Mineralölsteuererträge im allgemeinen Bundeshaushalt nicht sachgerecht. Diese Erträge seien vielmehr ebenfalls für die Aufgaben im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr zu verwenden.

9631

­

Andererseits werde ein zu grosser Anteil der von den Strassenbenützerinnen und -benützern geleisteten Abgaben gar nicht diesem Verkehrsträger, sondern dem Schienenverkehr zur Verfügung gestellt. Im Fokus stehen dabei die aus Mineralölsteuererträgen finanzierten Einlagen in den heutigen Fonds für Eisenbahngrossprojekte bzw. die mit der Volksabstimmung vom 9. Februar 2014 zur FABI-Vorlage15 beschlossenen künftigen Einlagen in den BIF.

Mit den vorgeschlagenen Anpassungen der Verfassung sollen diese gemäss den Initianten ungerechtfertigten «Mittelabflüsse» künftig verhindert werden. Mit der weitgehenden Unterbindung der Querfinanzierung von der Strasse zur Schiene soll gleichzeitig sowohl im Bereich der Strassenfinanzierung als auch im Schienenbereich das Verursacherprinzip durchgesetzt werden. In der Sichtweise der Initianten bedeutet dies, dass jeder Verkehrsträger selbst für seine Kosten aufkommt.

Um das in der Beurteilung der Initianten ständige Ansteigen der Abgabenbelastung des Strassenverkehrs zu begrenzen, sollen ferner sämtliche Steuern, Abgaben oder Gebühren des Bundes im Bereich des Strassenverkehrs bei deren Einführung oder bei Erhöhungen zwingend dem fakultativen Referendum unterstellt werden.

3.2

Inhalt der vorgeschlagenen Regelung

Die Initiative sieht Änderungen im geltenden Artikel 86 BV vor:

15

­

Im Gegensatz zur geltenden Fassung, welche nur die Verwendung der Hälfte der Erträge aus der Mineralölsteuer des Strassenverkehrs für die Aufgaben im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr vorsieht, sollen dafür neu die gesamten Erträge der Mineralölsteuer des Strassenverkehrs verwendet werden (Art. 86 Abs. 2bis).

­

Es wird konkretisiert, dass die Mittel «ausschliesslich» für die vorgesehenen Zwecke verwendet werden dürfen (Art. 2bis).

­

Analog zur vorgeschlagenen Regelung im Strassenbereich soll auch der gesamte Reinertrag der Mineralölsteuer auf Flugtreibstoffen für den Luftverkehr verwendet werden (Abs. 3bis).

­

Einführung und Erhöhung von Steuern, Abgaben oder Gebühren im Bereich des Strassenverkehrs sollen immer dem fakultativen Referendum unterstellt werden (Abs. 4).

­

Eine «Zweckentfremdung» der Mittel wird untersagt (Abs. 6).

BBl 2012 1577

9632

3.3

Erläuterung und Auslegung des Initiativtextes

Art. 86 Abs. 2bis Absatz 2bis ersetzt den bisherigen Absatz 3.

Abgesehen von der inhaltlich ohne Folgen bleibenden neuen Systematik der Buchstaben (a, b, c, d, e, f, g statt a, b, bbis, c, d, e, f) wird der Wortlaut der heutigen Bestimmung wie folgt geändert: Vollständige Zweckbindung der Mineralölsteuer Die vollständige Zweckbindung der Mineralölsteuer auf Treibstoffen wird umgesetzt, indem im Einleitungssatz die Formulierung «... verwendet die Hälfte des Reinertrags der Verbrauchssteuer ...» ersetzt wird durch die Formulierung «... verwendet den Reinertrag der Verbrauchssteuer ...». Mit dieser Anpassung entfällt der bislang zugunsten des allgemeinen Bundeshaushalts verwendbare Anteil von 50 Prozent der Verbrauchssteuer.

Auch unter den Bedingungen der Initiative muss somit nachgewiesen werden, wie die zweckgebundenen Einnahmen verwendet werden. Das hat zur Folge, dass die heutige SFSV als Schattenrechnung bestehen bleibt. Einziger Unterschied ist, dass die der SFSV zugerechneten Einnahmen durch die vollständige Zweckbindung der Mineralölsteuer entsprechend höher ausfallen (+1,5 Mrd. pro Jahr). Davon abgesehen bleiben die in der SFSV erfassten Einnahmen und Ausgaben Bestandteile der Bundesrechnung und unterstehen somit auch künftig den haushaltpolitischen Beschlüssen des Parlaments und den Vorgaben der Schuldenbremse.

«Ausschliesslichkeit» Ebenfalls im Einleitungssatz findet sich vor der Aufzählung der Aufgaben neu der Ausdruck «ausschliesslich». Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass der Aufgabenkatalog nach den Buchstaben a­g abschliessend sein soll, was materiell keine Änderung gegenüber der geltenden Regelung in Artikel 86 Absatz 3 BV darstellt.16 Allerdings hat die Ergänzung mit «ausschliesslich» Auswirkungen auf die mit der Volksabstimmung zur FABI-Vorlage17 am 9. Februar 2014 durch Volk und Stände gutgeheissene Einlage aus Mineralölsteuermitteln in den künftigen BIF. Die Ausgaben des 1998 für die Finanzierung des Bahnausbaus geschaffenen FinöV-Fonds werden im Umfang des durch die Verkehrsverlagerung bedingten Ausbaus der NEAT aus Mineralölsteuern mitfinanziert («NEAT-Viertel»). Die entsprechende Regelung findet sich in der Übergangsbestimmung von Artikel 196 Ziffer 3 Absätze 2 und 3 BV. Diese nimmt explizit Bezug auf Artikel 86 Absatz 3 Buchstabe b BV.

Ab 2016 werden die Aufgaben des
FinöV-Fonds durch den BIF übernommen. Auch für den BIF sind Einlagen aus Mineralölsteuermitteln vorgesehen. Diese sollen bis zum vollständigen Abbau der im FinöV-Fonds aufgelaufenen Bevorschussung weitergeführt werden. Gemäss den langfristigen Planungen dürfte dieses Ziel ca.

2030 erreicht sein. Der Umfang der in den BIF fliessenden Mineralölsteuermittel wird nach einem vorgegebenen Schlüssel festgelegt (9 % der zweckgebundenen

16 17

Vgl. Biaggini, Kommentar BV, Zürich 2007, Rz. 10 zu Art. 86.

BBl 2012 1577

9633

Mineralölsteuern, maximal aber 310 Millionen Franken jährlich, wobei der letztgenannte Betrag teuerungsindexiert ist).

Diese Regelung ist gemäss der FABI-Vorlage in der revidierten Übergangsbestimmung von Artikel 196 Ziffer 3 Absatz 2 Buchstabe c und Absatz 3 BV festgehalten.

Im Unterschied zur heute geltenden entsprechenden Übergangsbestimmung wird aber nicht mehr auf Absatz 3 von Artikel 86 Bezug genommen, welcher die Massnahmen zur Förderung des kombinierten Verkehrs enthält (heute Abs. 3, gemäss Initiative Abs. 2bis), sondern auf die Absätze, die die Erhebung der Verbrauchssteuer an sich betreffen (heute Abs. 1 und 4; gemäss der Initiative wird Abs. 4 zu Abs. 5).

Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Aufgaben des BIF wesentlich über die Erstellung und den betrieblichen Unterhalt von Anlagen für den kombinierten Verkehr hinausreichen.

Bei einer Annahme der Initiative würden somit in der Verfassung sowohl der revidierte Artikel 86, als auch der gemäss der FABI-Vorlage angepasste Artikel 196 Ziffer 3 Absätze 2 und 3 nebeneinander stehen. Zwischen diesen beiden Bestimmungen besteht ein Widerspruch: Die entstehungsmässig ältere Bestimmung in Artikel 196 sieht eine Verwendung von Mineralölsteuermitteln für die Bahninfrastruktur vor, insbesondere die Finanzierung der Verzinsung und Rückzahlung der Bevorschussung des FinöV-Fonds. Die neuere Bestimmung gemäss der Initiative verbietet in Artikel 86 Absatz 6 BV jegliche Verwendung von Mineralölsteuermitteln für andere als die in Absatz 2bis genannten Zwecke.

Diese Situation bedarf der Auslegung: ­

Variante 1: Bei Anwendung des Grundsatzes, dass neuere Bestimmungen älteren vorgehen, wäre eine Einlage von Mineralölsteuermitteln in den BIF im geplanten Umfang nicht mehr möglich («lex posterior derogat legi priori»). Möglich wären einzig noch Beiträge, die sich unter dem Titel «Massnahmen zur Förderung des kombinierten Verkehrs» subsumieren und damit auf Artikel 86 Absatz 2bis Buchstabe b BV in der Fassung der Initiative zurückführen lassen.

­

Variante 2: Demgegenüber liesse sich allerdings auch die Haltung vertreten, dass die spezielle Regelung gemäss Artikel 196 Ziffer 3 Absatz 2 Buchstabe c und Absatz 3 BV zur BIF-Finanzierung der allgemeinen Regelung in Artikel 86 BV überzuordnen ist («lex specialis derogat legi generali»). Eine Einlage von Mineralölsteuermitteln in den BIF würde damit möglich bleiben. Diese Interpretation würde insbesondere auch der Entstehungsgeschichte von Artikel 196 BV Rechnung tragen. Diese Bestimmung hat letztlich einzig den Zweck, die 1998 im Rahmen des FinöV-Fonds eingeleitete Mitfinanzierung der Bahnausbauten bis zur vollständigen Rückzahlung der Bevorschussung weiterzuführen.

Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Initiative im Fall ihrer Annahme im Sinne von Variante 2 ausgelegt werden müsste. Andernfalls würde die von Volk und Ständen am 9. Februar 2014 beschlossene FABI-Vorlage ausgehebelt und dem Schienenverkehr Mittel in der Höhe von rund 4 Milliarden Franken wieder entzogen (vgl. Ziff. 4.1.1). Der Gesetzgeber könnte aber auch der Auslegung gemäss Variante 1 folgen; auch dafür gibt es gute Gründe. Insofern bleiben die Folgen einer Annahme der Initiative für den Bau, Betrieb und Unterhalt der Infrastruktur des Schienenverkehrs bis zur allfälligen Klärung durch das Parlament ungewiss.

9634

«Kantonsstrassen» Unter Buchstabe g wird festgehalten, dass Kantone ohne Nationalstrassen ­ heute noch die Kantone Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden ­ die ihnen zukommenden Beiträge des Bundes einzig «für die Errichtung, für den Unterhalt und den Betrieb der Kantonsstrassen» zu verwenden haben. Diese Einschränkung ist auslegungsbedürftig. Die heutige Verfassungsbestimmung enthält nur die Formulierung «Beiträge an Kantone ohne Nationalstrassen». Die Konkretisierung erfolgt in Artikel 35 Absatz 4 des Bundesgesetzes vom 22. März 198518 über die Verwendung der zweckgebundenen Mineralölsteuer und der Nationalstrassenabgabe (MinVG) mit dem Begriff «Strassenaufgaben». Diese Formulierung lässt zu, dass die Kantone aus den vom Bund erhaltenen Mitteln allenfalls auch Beiträge an Gemeindestrassen leisten. Es sind zwei Auslegungen denkbar: ­

Bei einer engen Auslegung der Initiative wäre dies künftig nicht mehr möglich. Die Beiträge des Bundes könnten nur noch für das klassifizierte Kantonsstrassennetz verwendet werden. In diesem Fall müsste das MinVG entsprechend angepasst werden.

­

Bei einer weiten Auslegung des Begriffs «Kantonsstrassen» im Sinne von «alle Strassen auf dem Hoheitsgebiet des Kantons» und unter der zusätzlichen Annahme, dass es den Initianten vor allem darum geht, bereits in der Verfassungsbestimmung klar festzuschreiben, dass die betreffenden Mittel nur für Strassenaufgaben und nicht für andere verwendet werden dürfen, könnte die heutige Praxis weitergeführt werden.

Der Bundesrat interpretiert die Einschränkung im Sinne der Kontinuität gemäss der zweitgenannten, weiten Auslegung. Auch in dieser Frage müsste der Gesetzgeber die notwendigen Klärungen vornehmen.

Art. 86 Abs. 3bis In Absatz 3bis wird die vollständige Zweckbindung der Verbrauchssteuer, durch eine gleichlautende Neuformulierung wie in Absatz 2bis, auch auf die entsprechenden Erträge der Verbrauchssteuer auf Flugtreibstoffen ausgedehnt. Die entsprechende Schattenrechnung im Bereich des Luftverkehrs, die SFLV, behält damit ihre Funktion unverändert bei, es ändert einzig die Mitteldotation.

Art. 86 Abs. 4 Diese neue Bestimmung fordert, dass alle Einführungen und Erhöhungen von Steuern, Abgaben und Gebühren im Bereich des Strassenverkehrs dem fakultativen Referendum zu unterstellen sind. Die entsprechenden Anpassungen müssten deshalb immer in Form eines Gesetzes dem Parlament unterbreitet werden.

Da auf die Verfassung oder auf Gesetze abgestützte Abgaben bereits heute sowieso dem obligatorischen oder dem fakultativen Referendum unterstehen, kann sich diese Bestimmung nur auf Anpassungen von Abgaben beziehen, die in der Kompetenz des Bundesrates liegen.

18

SR 725.116.2

9635

Gemäss Artikel 182 BV hat der Bundesrat folgende Kompetenzen bei Rechtssetzung und Vollzug: ­

1

­

2

Der Bundesrat erlässt rechtsetzende Bestimmungen in der Form der Verordnung, soweit er durch Verfassung oder Gesetz dazu ermächtigt ist.

Er sorgt für den Vollzug der Gesetzgebung, der Beschlüsse der Bundesversammlung und der Urteile richterlicher Behörden des Bundes.

Zudem ist der Bundesrat gemäss Artikel 46a des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 199719 (RVOG) befugt, Gebührenordnungen für von der Verwaltung erbrachte Leistungen zu erlassen. Kompetenzen zur Anpassung von Abgaben hat der Bundesrat auch dort, wo ihm in anderen Gesetzen (z. B. im Schwerverkehrsabgabegesetz vom 19. Dezember 199720; SVAG) ein entsprechender Handlungsspielraum übertragen wird.

Absatz 4 in der Fassung der Initiative beschränkt sich nicht auf die in Artikel 86 BV geregelten Verbrauchssteuern auf Treibstoffen, sondern gilt für alle Steuern, Abgaben und Gebühren «im Bereich des Strassenverkehrs». Damit wird insbesondere auch die in Artikel 85 BV geregelte Schwerverkehrsabgabe erfasst. Nach den Artikeln 8 und 9 SVAG obliegt dem Bundesrat bei dieser Abgabe die Tarifgestaltung und Pauschalierung innerhalb bestimmter, im Gesetz festgelegter Grenzen.

Der Referendumszwang würde auch für den Kompensations-Aufschlag (vor der gesetzlichen Regelung «Klimarappen» genannt) auf Treibstoffen gelten, welcher von der Branche gemäss Artikel 26 des CO2-Gesetzes vom 23. Dezember 201121 direkt auf dem Treibstoffkonsum erhoben wird und zur Kompensation des CO2Ausstosses verwendet wird. Das CO2-Gesetz gibt einen maximal zulässigen Aufschlag von 5 Rappen vor. Der Bundesrat hat die Kompetenz, dessen Höhe nach Anhörung der Branche und nach Massgabe der Erreichung der Reduktionsziele im Einzelnen festzulegen.

Ebenfalls betroffen wäre der Beitrag für die Unfallverhütung im Strassenverkehr, den die Halterinnen und Halter eines Motorfahrzeuges zusammen mit der Haftpflichtversicherung entrichten. Die Höhe dieses Beitrags wird gemäss Artikel 1 Absatz 2 des Unfallverhütungsbeitragsgesetzes vom 25. Juni 197622 durch den Bundesrat festgelegt.

Gebühren im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr fallen beim Bundesamt für Strassen (ASTRA) an. Als Beispiele zu nennen sind Typenprüfungen von Motorfahrzeugen, Ausnahmebewilligungen für Transporte, Fahrerkarten usw. Diese Gebühren unterliegen gemäss Artikel 46a RVOG dem Äquivalenz- und Kostendeckungsprinzip und dürfen nur im Ausmass der tatsächlich entstehenden Kosten erhoben werden. Sie sind heute auf Verordnungsstufe geregelt. Ob auch diese Gebühren unter den Wortlaut des neuen Absatzes 4 fallen, müsste vom Gesetzgeber geklärt werden.

Ergänzend ist
darauf hinzuweisen, dass sich Artikel 86 BV ausschliesslich auf Erhebung und Verwendung von Mitteln im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr auf Bundesebene bezieht. Diese Bestimmung hat keine bindende Wirkung für 19 20 21 22

SR 172.010 SR 641.81 SR 641.71 SR 741.81

9636

die anderen Staatsebenen. Nicht betroffen sind deshalb Steuern, Abgaben oder Gebühren, die die Kantone im Bereich des Strassenverkehrs in eigener Kompetenz erheben.

Art. 86 Abs. 5 Absatz 5 entspricht inhaltlich dem heute geltenden Absatz 4. Das heutige geschlossene Finanzierungssystem, welches die für die Finanzierung der Aufgaben im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr vorgesehenen Einnahmen abschliessend aufzählt, wird unverändert weitergeführt. Der (subsidiäre) Zuschlag zur Verbrauchssteuer ist damit auch unter den Bedingungen der Initiative zu erheben bzw. zu erhöhen, wenn die Mittel aus der Mineralölsteuer und der Nationalstrassenabgabe für die Aufgaben im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr nicht ausreichen; andere Mittel des Bundeshaushalts stehen dafür nicht zur Verfügung. Zutreffend ist auch der Umkehrschluss: Sofern die zweckgebundenen Einnahmen den Mittelbedarf für die Aufgaben im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr deutlich und dauerhaft übersteigen, ist der Mineralölsteuerzuschlag entsprechend zu senken.

Art. 86 Abs. 6 Der inhaltlich neue Absatz 6 verbietet die «Zweckentfremdung» der Reinerträge gemäss den Absätzen 2bis (Strassenverkehr) und 3bis (Luftverkehr). Diese Bestimmung ist so zu verstehen, dass die zweckgebundenen Mittel nur noch für die in Artikel 86 BV aufgeführten Verwendungen eingesetzt werden dürfen.

Diese Vorgabe ergänzt die in Absatz 2bis geforderte «Ausschliesslichkeit» und stellt in Verbindung mit dieser insbesondere die Einlage aus Mineralölsteuermitteln in den künftigen BIF in Frage.

4

Würdigung der Initiative

4.1

Würdigung der Anliegen der Initiative

4.1.1

Vollständige Zweckbindung der Mineralölsteuer

Der Umfang der Zweckbindung der Mineralölsteuer ist ein politischer Entscheid. Es gibt weder verfassungs- noch steuerrechtliche Gründe, die einen bestimmten Umfang der Zweckbindung als richtig oder falsch nahelegen würden. In der Vergangenheit herrschte die auch durch entsprechende Entscheide von Parlament und Volk getragene Auffassung vor, dass ein Teil der Abgaben der Strassenbenützerinnen und -benützer für den allgemeinen Bundeshaushalt bestimmt sei. Es ist aber grundsätzlich möglich, die Mineralölsteuer vollständig zweckzubinden. Dabei wäre allerdings in Kauf zu nehmen, dass der Finanzierungsengpass, der sich bei den Aufgaben im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr abzeichnet, lediglich auf die anderen Aufgabenbereiche des Bundes verschoben würde. Damit entstünden im Bundeshaushalt Finanzierungsprobleme, die durch Einsparungen oder durch die Erhöhung anderer Einnahmen gelöst werden müssten (vgl. Ziff. 4.2.1).

Sofern der Gesetzgeber entscheidet, dass die Einlagen aus Mineralölsteuermitteln in den BIF unter den Bedingungen der Initiative nicht mehr zulässig wären, würde auch die Finanzierung der Bahninfrastruktur in Frage gestellt. Kumuliert würde der 9637

BIF bis 2030 rund 4 Milliarden Franken verlieren. Dies hätte zur Folge, dass die geplanten Ausbauten später fertig gestellt werden könnten und der Abbau der Bevorschussung des Bundes an die Eisenbahngrossprojekte ­ der BIF übernimmt diese vom FinöV-Fonds ­ länger dauern würde.

Bei einem Vergleich23 mit dem europäischen Umfeld zeigt sich, dass insbesondere alle Nachbarländer, aber auch Grossbritannien, die Niederlande und Spanien keine Zweckbindung der auf Treibstoffen erhobenen Abgaben für Infrastrukturausbauten kennen. Einzig in Tschechien besteht ein Fonds zur Infrastrukturfinanzierung, welcher u. a. mit zweckgebundenen Mitteln aus Treibstoffsteuern gespiesen wird. Treibstoff- bzw. Energiesteuern und die jährlichen Motorfahrzeugsteuern fliessen in den übrigen genannten Ländern in den allgemeinen Staatshaushalt. Diese Situation scheint stabil zu sein: In Deutschland und Österreich wurden früher bestehende Zweckbindungen aufgehoben. Eine Stärkung der Zweckbindung auf den Treibstoffabgaben ist in keinem der genannten Länder zu beobachten. Zweckgebunden sind in der Regel nur spezifische Abgaben für die Benützung bestimmter Streckenabschnitte (z. B. Tunnel- oder Autobahnmauten). Die ausgeprägte Zweckbindung der auf den Treibstoffen erhobenen Verkehrssteuern in der Schweiz stellt somit einen Ausnahmefall dar.

4.1.2

Fakultatives Referendum

Neue Steuern und Abgaben des Bundes müssen sich auf die Bundesverfassung (obligatorisches Referendum) und auf formelles Gesetzesrecht (fakultatives Referendum) abstützen. Hier bringt der Referendumszwang in Artikel 86 Absatz 4 BV gemäss der Initiative keine Veränderung. Alle heute bestehenden Steuern und Abgaben des Strassenverkehrs ­ zu nennen sind insbesondere die Mineralölsteuer, der Mineralölsteuerzuschlag, die Nationalstrassenabgabe sowie die LSVA ­ wurden im Rahmen der entsprechenden Verfahren demokratisch legitimiert. Dies würde bei künftigen Anpassungen auch ohne den neuen Absatz 4 nicht anders sein.

Hingegen müssten künftig auch Erhöhungen von Abgabesätzen oder ­ je nach Entscheid des Gesetzgebers ­ von Gebühren dem fakultativen Referendum unterstellt werden. Ausgenommen wären Gebühren oder Abgabesätze, die per Gesetz fix indexiert sind. Dem Bundesrat bliebe einzig noch die Kompetenz, Gebühren oder Abgabesätze zu senken.

Die neue Regelung würde für Bundesrat und Parlament zu erhöhten administrativen Aufwänden führen. Zudem ist es nach Auffassung des Bundesrates weder sachnoch stufengerecht, die Festlegung von Gebühren, bei denen das Äquivalenz- und Kostendeckungsprinzip gemäss Artikel 46 RVOG angewendet wird und die deshalb bezüglich ihrer rechtlichen Verankerung tieferen Standards unterliegen, mit einer Gesetzesvorlage dem Parlament und gegebenenfalls einer Volksabstimmung zu unterbreiten.

23

ECOPLAN, Verkehrsabgaben und Einnahmenverwendung im europäischen Umfeld ­ Kurzexpertise, 2014; vgl. Link in der Medienmitteilung vom 19. November 2014 «Bundesrat verabschiedet Botschaft zur Volksinitiative », abrufbar unter www.efd.admin.ch > Dokumentation > Medieninformationen).

9638

4.1.3

Verbot der Zweckentfremdung

Die Forderung der Initianten, dass die gemäss ihrer Auffassung heute gegebenen «Zweckentfremdungen» künftig verhindert werden sollen, ist eher ein politisches als ein rechtliches Anliegen. Im geltenden Artikel 86 BV werden die Verwendungszwecke der zweckgebundenen Mittel abschliessend aufgezählt. «Zweckentfremdungen» sind mit anderen Worten bereits heute nicht vorhanden. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber sich auch an die Vorgaben einer gemäss der Initiative geänderten Verfassungsbestimmung halten wird. «Zweckentfremdungen» werden somit auch künftig nicht möglich sein.

Insbesondere kann die zweckfreie Verwendung der Hälfte der Mineralölsteuereinnahmen nicht als Zweckentfremdung oder Vorenthaltung des nicht-zweckgebundenen Anteils der Mineralölsteuer eingestuft werden. Im bisherigen Verständnis, welches durch wiederholte Volksabstimmungen zu den Verfassungsbestimmungen gestützt wird, handelt es sich bei den Erträgen aus Mineralölsteuern grundsätzlich um allgemeine, dem allgemeinen Bundeshaushalt zustehende Steuereinnahmen. Im Sinne einer Sonderlösung («Spezialfinanzierung») wird die Hälfte davon für die in Artikel 86 BV definierten Aufgaben im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr zweckgebunden.

Auch das sogenannte NEAT-Viertel stellt keine Zweckentfremdung dar: Die Übergangsbestimmung in Artikel 196 Ziffer 3 Absatz 2 Buchstabe c BV nimmt explizit Bezug auf Artikel 86 Absatz 3 BV und kam ebenfalls aufgrund eines Volksentscheides zustande. Dies gilt auch für die Einlage von Mineralölsteuermitteln in den BIF.

Diese ist nun allerdings durch die in Absatz 2bis geforderte Ausschliesslichkeit in Frage gestellt (vgl. Ziff. 3.3 und 4.1.1).

Keine konkreten Auswirkungen hat Absatz 6. Die Spezialfinanzierung Strassenverkehr kann in der heutigen Form weitergeführt werden. Es wird deshalb grundsätzlich auch weiterhin möglich sein, zweckgebundene Mittel vorübergehend (d. h. wenn die Einnahmen die Ausgaben übersteigen) im allgemeinen Bundeshaushalt zu verwenden. Eine «Zweckentfremdung» liegt in diesen Fällen nicht vor, sind doch die Mittel durch die Zweckbindung für die Verwendung für Aufgaben im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr dauerhaft reserviert und fliessen, wenn die Ausgaben im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr die zweckgebundenen Einnahmen übersteigen, in diesen Aufgabenbereich zurück.

Vor diesem Hintergrund ist das im neuen Absatz 6 von den Initianten vorgeschlagene Zweckentfremdungsverbot aus rechtlicher Sicht obsolet.

4.2

Auswirkungen der Initiative bei einer Annahme

4.2.1

Auswirkungen auf den Bundeshaushalt

Bei Annahme der Initiative müssten Einnahmen aus der Mineralölsteuer im Umfang von rund 1,5 Milliarden Franken, die bislang für andere Aufgabengebiete zur Verfügung stehen, umgehend zweckgebunden und damit der SFSV gutgeschrieben werden. Diese Mittel stünden zumindest mittelfristig nicht mehr für die Erfüllung der übrigen Aufgaben des Bundes zur Verfügung. Es stellt sich somit die Frage, wie der Haushalt diesen Einnahmenausfall verkraften könnte.

9639

Im Finanzplan 2016­2018 vom 20. August 201424 wird zwar ein struktureller Überschuss ausgewiesen, der bis Ende der Periode auf gegen 2,8 Milliarden Franken ansteigt. Dieses Bild täuscht indes: Im Rahmen der Unternehmenssteuerreform III (USR III)25 sind vertikale Ausgleichsmassnahmen zugunsten der Kantone vorgesehen, die den Bundeshaushalt mit bis zu 1 Milliarde Franken belasten werden. Weitere ausgabenseitige Mehrbelastungen in der Höhe von voraussichtlich 200­300 Millionen Franken sind allein durch die Erhöhung des Ausgabenplafonds der Armee auf bis zu 5 Milliarden Franken zu erwarten. Daneben stehen weitere namhafte Mehrausgaben in verschiedenen Aufgabengebieten an (höhere Berufsbildung, internationales Genf, Investitionen zur Beschleunigung der Asylverfahren, Kulturförderung, Sportförderung usw.). Sodann sieht sich der Haushalt auch auf der Einnahmenseite mit erheblichen Risiken konfrontiert. Einerseits stehen weitere Reformen an, es sei hier die Ehepaar- und Familienbesteuerung mit Einnahmenausfällen von bis zu 2,3 Milliarden Franken erwähnt, andererseits verlangsamt sich seit einiger Zeit das Ertragswachstum bei der direkten Bundessteuer. Schliesslich sind auch die wirtschaftlichen Risiken nach wie vor bedeutend. Der laufende konjunkturelle Aufschwung scheint sich eher abzuschwächen. Aus all diesen Gründen muss davon ausgegangen werden, dass bei Annahme der Initiative im Bundeshaushalt ein Kompensationsbedarf von bis zu 1,5 Milliarden Franken entstünde.

Diese Kompensationen könnten grundsätzlich sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite erfolgen.

Kompensation auf der Einnahmenseite Für die Beschaffung zusätzlicher Mittel auf der Einnahmenseite ist der Spielraum ausserordentlich gering, wie ein Blick auf die Haupteinnahmequellen des Bundes und die hier anstehenden Reformen zeigt:

24 25 26

­

Direkte Bundessteuer: Die maximalen Steuersätze sind in der BV festgeschrieben, wobei die Befugnis zur Erhebung bis Ende 2020 befristet ist. Eine Erhöhung der Maximalsätze zur Kompensation der vollständigen Zweckbindung der Mineralölsteuer auf Treibstoffen bedürfte demnach eines längeren politischen Prozesses und einer Volksabstimmung. Aus Sicht des Bundesrates ist eine Erhöhung aber auch nicht wünschbar. Insbesondere eine Erhöhung der Gewinnsteuer wäre mit Blick auf die internationale steuerliche Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz tendenziell schädlich und stünde im Widerspruch zu den Zielen der geplanten USR III.

­

Mehrwertsteuer (MWST): Die maximalen Steuersätze sind ebenfalls in der Bundesverfassung festgeschrieben. Per Anfang 2018 wird, nach Ablauf der befristeten Erhöhung zugunsten der Invalidenversicherung, die Mehrwertsteuer um 0,4 Prozentpunkte (ordentlicher Satz) gesenkt. Gleichzeitig werden zugunsten der Finanzierung der Bahninfrastruktur 0,1 Prozentpunkte zusätzlich erhoben (befristet bis 2030). Der Bundesrat beabsichtigt zudem, im Rahmen der Reform der Altersvorsorge («Altersvorsorge 2020»26) die

www.efv.admin.ch > Dokumentation > Finanzberichterstattung > Finanzpläne www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Laufende Vernehmlassungen > Eidgenössisches Finanzdepartement > Unternehmenssteuerreformgesetz III www.bsv.admin.ch > Aktuell > Medieninformationen > 25.06.2014 «Altersvorsorge 2020: Vernehmlassung bestätigt Notwendigkeit und Zielsetzung der grossen Reform»

9640

MWST zugunsten der AHV zu erhöhen. Eine zusätzliche Erhöhung der MWST zugunsten des Haushaltes ist daher ebenfalls zu verwerfen.

­

Verrechnungssteuer: Der Bundesrat hat jüngst beschlossen, mehrere Reformvarianten zu prüfen, insbesondere einen Wechsel zum sogenannten Zahlstellenprinzip. Dies wäre tendenziell mit Mehreinnahmen verbunden, wobei die finanziellen Auswirkungen sehr schwierig zu quantifizieren sind.

Die entsprechende Gesetzesrevision ist aber sehr komplex und eignet sich nicht zur kurzfristigen Kompensation von Einnahmenausfällen.

­

Stempelabgaben: Eine Erhöhung der Stempelabgaben ist keine Option zur Schaffung von Handlungsspielraum im Bundeshaushalt. Die Emissionsabgabe auf Fremdkapital wurde bereits abgeschafft, und die Abschaffung der Emissionsabgabe auf Eigenkapital steht in der parlamentarischen Beratung (Vorlage A zur parlamentarischen Initiative 09.503 «Stempelsteuer schrittweise abschaffen und Arbeitsplätze schaffen»).

­

Tabaksteuer: Der Bundesrat plant, mittels einer Gesetzesrevision dem Parlament eine neue Steuererhöhungskompetenz auf Zigaretten sowie Feinschnitttabak zu beantragen. Eine entsprechende Botschaft ist in Vorbereitung. Mit einer allfälligen Erhöhung der Tabaksteuer können allerdings auch in Zukunft keine substanziellen Beiträge zur Kompensation von Einnahmenausfällen in anderen Bereichen geleistet werden. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass die Tabaksteuer nicht nur fiskalische Zwecke verfolgt, sondern auch einen Pfeiler der Präventionspolitik des Bundes darstellt; die mit der Steuererhöhung angestrebte Veränderung des Konsumverhaltens reduziert folglich die realisierbaren Mehreinnahmen.

Bei den umfangmässig kleineren Fiskaleinnahmen (insb. Alkohol-, Bier- und Automobilsteuer) ergibt sich vor allem vom Volumen her kein Potenzial für substanzielle einnahmenseitige Massnahmen.

Einnahmenseitige Massnahmen stellen somit keine realistische Option dar, um die haushaltpolitischen Konsequenzen, welche eine Annahme der Initiative mit sich brächte, aufzufangen.

Kompensation auf der Ausgabenseite Die Kompensationsmassnahmen müssten somit schwergewichtig auf der Ausgabenseite ansetzen. Bei über der Hälfte der Bundesausgaben von rund 70 Milliarden Franken fallen Kürzungen indes weitgehend ausser Betracht. Bei den Bundesbeiträgen an Sozialversicherungen, den Einnahmenanteilen Dritter, den Zahlungen in den Finanzausgleich, der Rückverteilung von Lenkungsabgaben oder den Zinsausgaben besteht kurzfristig überhaupt kein Spielraum. Aber auch mittel- und längerfristig sind in diesen Gebieten keine substanziellen Entlastungen zu erzielen: Im Bereich der Sozialversicherungen geht es eher darum, durch Reformen das namentlich demografisch bedingte starke Ausgabenwachstum etwas zu bremsen. Kürzungen bei den Einnahmenanteilen Dritter oder beim Finanzausgleich gingen zulasten anderer öffentlicher und privater Haushalte (Kantone, Sozialversicherungen, Wirtschaft, Private). Systemreformen in diesen Bereichen sind zudem ausserordentlich komplex und zeitaufwändig.

Die Einsparungen müssten daher schwergewichtig bei den kurzfristig beeinflussbaren Ausgaben vorgenommen werden. Diese betrugen im Rechnungsjahr 2013 rund 30 Milliarden Franken. Zur Erfüllung einer Sparvorgabe von 1,5 Milliarden Franken 9641

müssten diese schwach gebundenen Ausgaben im Durchschnitt um 5 Prozent gekürzt werden.

Wie diese Kürzungen auf die einzelnen Aufgabengebiete aufgeteilt würden, kann heute nicht gesagt werden. Bundesrat und Parlament würden diese Entscheide erst zu gegebener Zeit treffen, unter Berücksichtigung der finanziellen Lage und der politischen Prioritäten.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt muss daher im Sinne einer Arbeitshypothese eine lineare Umsetzung der notwendigen Einsparungen angenommen werden. Wie die Erfahrung mit früheren Sparprogrammen zeigt, dürften lineare Kürzungen der Realität allerdings relativ nahe kommen, da politische Mehrheiten nur bei Einhaltung einer minimalen Opfersymmetrie gewonnen werden können.

Abbildung 3 Lineare Kürzungen im Bundeshaushalt In Mio. (auf 50 Mio. gerundet)

Beziehungen zum Ausland

Kürzung pro Jahr

­150

Landesverteidigung

­250

Bildung und Forschung

­350

Soziale Wohlfahrt

­50

Verkehr*

­250

Landwirtschaft und Ernährung

­200

Übrige Aufgabengebiete*

­250

Total

­1500

* Exkl. der aus SFSV/SFLV finanzierten Aufgaben

Abbildung 3 zeigt, wie sich eine lineare Sparvorgabe auf die verschiedenen Aufgabengebiete auswirken würde: ­

Am stärksten betroffen wäre das Aufgabengebiet Bildung und Forschung.

Kürzungen hinzunehmen hätten voraussichtlich u.a. die Eidg. Technischen Hochschulen in Zürich und Lausanne, die kantonalen Universitäten und Fachhochschulen, die Berufsbildung und die Institutionen der Forschungsförderung (Schweizerischer Nationalfonds, Kommission für Innovation und Technologie). Einsparungen in diesen Bereichen würden die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschafts-, Forschungs- und Arbeitsstandortes Schweiz beeinträchtigen.

­

Stark betroffen wäre sodann der öffentliche Verkehr. Im Vordergrund stünden zum einen Kürzungen bei der Einlage in den BIF mit der Folge, dass bereits beschlossene Bahnausbauten verzögert und künftige Ausbauvorhaben zumindest zurückgestellt werden müssten. Zum andern hätte auch der regionale Personenverkehr (Bahn, Bus, Seilbahnen) mit weniger Mitteln zu rechnen. Der Angebotsabbau könnte insbesondere auch ländliche Regionen treffen.

9642

­

Mit Einsparungen in dreistelliger Millionenhöhe sähe sich mit grosser Wahrscheinlichkeit auch die Landesverteidigung konfrontiert. Die Weiterentwicklung der Armee wäre dadurch in Frage gestellt. Deren Einsatzbereitschaft müsste reduziert werden, und die Schliessung der Ausrüstungslücken würde sich verzögern.

­

Kaum zu umgehen wäre im Weiteren, dass auch die Landwirtschaft einen erheblichen Sparbeitrag leistet. Die Ausgaben des Bundes in diesem Bereich sind grösstenteils direkt einkommenswirksam. Die Bauernbetriebe und Bauernfamilien müssten also mit Einkommenseinbussen rechnen.

­

Unter den übrigen Aufgabengebieten sind Bereiche wie die Regionalpolitik, die Standort- und Tourismusförderung, die Kultur, der Sport, die Gesundheit oder der Umweltschutz zusammengefasst. Auch hier wären Kürzungen unumgänglich.

Mehr als ein Sechstel dieser Ausgaben geht als Subventionen direkt an die Kantone oder kantonale Institutionen. Obschon sich der Bund immer bemüht, bei Sparprogrammen auf Lastenverschiebungen auf die Kantone zu verzichten, wäre es kaum möglich, die kantonalen Haushalte vollständig zu verschonen. Prinzipiell können Kürzungen des Bundes durch die Kantone aufgefangen werden, indem sie ihre Beiträge aufstocken. Weil die Kantone mit der Initiative zugleich höhere allgemeine Strassenbeiträge vom Bund erhielten, wäre für entsprechende Umlagerungen in den kantonalen Budgets ein gewisses Potential vorhanden. Dies dürfte aber nicht ausreichen, und es müssten wohl auch Steuern erhöht werden. Alternativ könnten die Kantone ihre Beiträge ebenfalls kürzen. Alles in allem hätte die Annahme der Initiative somit spürbare Auswirkungen auf die Empfängerinnen und Empfänger von Leistungen sowohl des Bundes als auch der Kantone und Gemeinden.

Rasche Umsetzung der Einsparungen Während die Gutschrift der zusätzlich zweckgebundenen Einnahmen in der SFSV ab dem Zeitpunkt der Volksabstimmung in vollem Umfang erfolgen würde, dürfte es einige Zeit dauern, bis die Ausgaben auf ein entsprechendes Niveau angestiegen sind. In Frage kommen hierfür nur die Ausgaben für Bau und Unterhalt der Nationalstrassen. Die übrigen der SFSV belasteten Ausgaben sind in ihrem Umfang nicht oder in geringerem Umfang beeinflussbar und wachsen mehrheitlich mit der Teuerung. Dieser verzögerte Anstieg der Ausgaben würde es theoretisch ermöglichen, auch die notwendigen Einsparungen zeitlich zu erstrecken und die nicht beanspruchten Mittel aus den Strassenverkehrsabgaben vorübergehend im allgemeinen Bundeshaushalt zu verwenden.

Damit würde sich der Haushalt aber bei der SFSV «verschulden». Davon sollte unbedingt abgesehen werden und dies nicht nur, weil ein solches Vorgehen dem Geist der Schuldenbremse widersprechen würde: Da die Rückstellung in der Spezialfinanzierung Strassenverkehr rasch auf einen Stand von mehreren Milliarden Franken anwachsen könnte, würde ein allzu langes Zuwarten mit Sparmassnahmen den späteren Abbau der Rückstellung zulasten des ordentlichen Bundeshaushalts zusätzlich erschweren. Die notwendigen Sparmassnahmen würden dann zumindest vorübergehend deutlich mehr als 1,5 Milliarden Franken jährlich betragen.

Im Fall der Annahme der Initiative müsste daher darauf geachtet werden, dass die Rückstellungen in der SFSV, die aus Sicht des Bundeshaushalts nichts anderes sind

9643

als eine interne Schuld, nicht zu stark anwachsen. Dieses Ziel liesse sich grundsätzlich auf zwei Wegen erreichen: ­

Sofortige Erhöhung der Einlage in den Infrastrukturfonds (IF). Aus diesem Fonds werden die Fertigstellung des Nationalstrassennetzes und die Beseitigung von Engpässen finanziert sowie Beiträge an Massnahmen im Agglomerationsverkehr und für Hauptstrassen in Berggebieten und Randregionen geleistet. Für diese Aufgaben sind im Bundesbeschluss über den Gesamtkredit des Infrastrukturfonds vom 4. Oktober 2006 20,8 Milliarden Franken (Preisstand 2005, zuzüglich Teuerung und Mehrwertsteuer) vorgesehen.

Diese Summe dürfte durch die geplanten Einlagen bis zu einer allfälligen Abstimmung erst etwa zur Hälfte erreicht sein. Die jährlichen Einlagen könnten daher kurzfristig deutlich erhöht und gegen Ende der Laufzeit des Fonds durch entsprechend tiefere Einlagen wieder kompensiert werden. Die dadurch frei werdenden Mittel stünden dann für den Ausbau, Betrieb und Unterhalt der Nationalstrassen zur Verfügung. Gegebenenfalls könnten sie auch in einen Strassenfonds überführt werden. Dieser müsste auf Gesetzesstufe geschaffen werden, da es bei Annahme der Initiative kaum vorstellbar wäre, dass Volk und Stände kurze Zeit später erneut über eine Änderung von Artikel 86 BV abstimmen.

­

Planung von strukturellen Überschüssen im Bundeshaushalt, die soweit tatsächlich realisiert, dem Amortisationskonto gemäss Artikel 17a des Finanzhaushaltgesetzes vom 7. Oktober 200527 gutgeschrieben werden könnten.

Dieser zweite Weg wäre zwingend mit der späteren Schaffung eines zu Lasten des Amortisationskontos zu äufnenden Strassenfonds zu kombinieren.

Es kann heute offen gelassen werden, welcher Weg des «Vorsparens» dem Parlament im Fall einer Annahme der Initiative vorgeschlagen würde. Beide Varianten erfordern in den übrigen Aufgabengebieten unmittelbar wirksame Sparmassnahmen.

Ihr Vorteil besteht aber darin, dass in der SFSV nicht ungewollt ein Saldo von mehreren Milliarden Franken entsteht, dessen Abbau später Sparprogramme von deutlich über 1,5 Milliarden Franken erfordern würde.

4.2.2

Auswirkungen auf die Spezialfinanzierung Strassenverkehr (SFSV)

Nachfolgend wird dargestellt, wie sich Einnahmen und Ausgaben der SFSV unter den Bedingungen der Initiative entwickeln würden. Dabei wird für die Berechnungen im Sinne einer Annahme von einer Volksabstimmung im Juni 2016 ausgegangen. Die Ausgaben entsprechen den Modellannahmen des Szenarios28 des ASTRA für die Vernehmlassungsvorlage für einen Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds (NAF). Abweichungen zum NAF-Szenario ergeben sich allerdings bei den nicht werkgebundenen Beiträgen und bei der BIF-Einlage, deren Höhe von den Einnahmen abhängig ist. Da sich bei Annahme der Initiative eine etwas stärkere Mitteldotation als im NAF-Szenario ergibt, fallen sowohl die Einlagen in den BIF aus Mineralölsteuern als auch die nicht werkgebundenen Beiträge an die Kantone

27 28

SR 611.0 Dieses Szenario wird zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Botschaft überarbeitet.

9644

entsprechend höher aus. Ergänzend ist zu unterscheiden zwischen den beiden Varianten gemäss Ziffer 3.3: ­

Variante 1: Die Einlage von Mineralölsteuermitteln in den BIF ist nicht mehr möglich.

­

Variante 2: Die Einlage von Mineralölsteuermitteln in den BIF bleibt möglich.

Abbildung 4

Entwicklung der SFSV bis 2040; Variante 1 (keine BIF-Einlagen aus Mineralölsteuermitteln)

9645

Abbildung 5 Entwicklung der SFSV bis 2040; Variante 2 (mit BIF-Einlagen aus Mineralölsteuermitteln)

Die Darstellungen zeigen, dass die Ausgaben ca. 2023 (Variante 1) bzw. 2021 (Variante 2) die Höhe der zweckgebundenen Einnahmen erreichen. Weil die Einnahmen in beiden Varianten vorher markant über den Ausgaben liegen, steigt die Rückstellung der SFSV anfänglich deutlich an. Während in Variante 1 der höchste Stand erst um 2025 mit über 6,5 Milliarden Franken erreicht wird, steigt die Rückstellung in Variante 2 bis 2020 auf rund 4 Milliarden Franken und fällt dann langsam wieder ab.

Auf der Grundlage des Szenarios des ASTRA aus der Vernehmlassungsvorlage wäre die Finanzierung der Aufgaben im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr bei Annahme der Initiative ohne weitere Massnahmen bis 2040 (Variante 1) bzw. bis 2031 (Variante 2) gewährleistet.

Problematik der hohen Rückstellungen In beiden Varianten würden bei Annahme der Initiative hohe Rückstellungen in der SFSV aufgebaut, die insbesondere in Variante 1 sehr lange bestehen blieben.

Hohe Rückstellungen sind aus mehreren Gründen problematisch: ­

Als Ausgleichsreserve zur Abfederung von Einnahmen- und Ausgabenschwankungen dürfte ein deutlich geringerer Stand ausreichen.

­

Eine zu hohe Rückstellung der SFSV kann zu einem unwirtschaftlichen Einsatz der Mittel verleiten.

­

Schliesslich ist ein hoher Stand der SFSV mit Blick auf eine gerechte intergenerationelle Lastenverteilung kritisch zu beurteilen: es werden gewissermassen «Steuern auf Vorrat» erhoben, die erst viel später verwendet werden könnten.

9646

Grundsätzlich die gleichen Fragen stellen sich, wenn die Rückstellungen laufend in den Infrastrukturfonds oder in einen zu schaffenden Strassenfonds abgeführt würden, dort aber nicht innert angemessener Zeit verwendet werden könnten (vgl.

Ziff. 4.2.1).

4.2.3

Auswirkungen auf die Umwelt und die koordinierte Verkehrspolitik

Die koordinierte Verkehrs- und Raumordnungspolitik ist ein wichtiges Element zur Erreichung der umwelt- und klimapolitischen Ziele auf allen Staatsebenen. Das sich abzeichnende weitere Wachstum der Verkehrsleistungen muss möglichst wesensgerecht durch den jeweils geeigneten Verkehrsträger bewältigt werden. In Agglomerationen und Städten ist dies häufig der öffentliche Verkehr. Die Erfolgsaussichten einer koordinierten Verkehrspolitik werden ­ neben einer intensivierten Abstimmung der Ausbauplanungen bei Strasse und Schiene ­ entscheidend von der Entwicklung der von den jeweiligen Nutzern zu tragenden Kosten beeinflusst.

Entwicklung der Fahrkosten des Strassenverkehrs Die Kosten, welche den Automobilistinnen und Automobilisten entstehen, setzen sich aus einer Vielzahl von Faktoren zusammen. Der grösste Anteil sind Fixkosten, wie die Amortisation des Fahrzeugs, Motorfahrzeugsteuern, Versicherungen, Service- und Reparaturkosten. Die Treibstoffkosten alleine sind nur für rund 15 Prozent der Gesamtkosten verantwortlich.

Die effektive Belastung der Strassenbenützer durch die Mineralölsteuer hängt neben der Höhe der Mineralölsteuer und des Zuschlags selbst auch vom Treibstoffverbrauch der Fahrzeuge sowie dem Preisniveau der Volkswirtschaft ab. Von 1970 bis 2010 sank der durchschnittliche Treibstoffverbrauch der Personenwagen um über ein Drittel, während die Teuerung in diesem Zeitraum insgesamt 200 Prozent betrug.

Die Mineralölsteuersätze, welche letztmals 1993 (Grundsteuer) bzw. 1974 (Zuschlag) angehoben wurden, stiegen seit 1970 in deutlich geringerem Ausmass. Die inflationsbereinigte Mineralölsteuerbelastung für eine Fahrt von 100 Kilometern von 1970 bis 2010 ist effektiv von 14,0 Franken auf 5,8 Franken (Preisstand 2010) gesunken. Die reale Belastung der Automobilistinnen und Automobilisten durch die Mineralölsteuer hat sich damit seit 1970 dank sparsamerer Motoren und dem Verzicht auf eine Anpassung der Steuersätze an die Teuerung mehr als halbiert.

Entwicklung der Fahrkosten des öffentlichen Verkehrs Der Preisüberwacher hat in einer Studie29 gestützt auf Daten des Touring Club Schweiz (tcs) die Entwicklung der Fahrkosten im Strassen- und Schienenverkehr für den Zeitraum 1990 bis 2013 untersucht.

29

Entwicklung der Fahrkosten im Strassen- und Schienenverkehr, Preisüberwachung 2013 (im Internet gefunden unter www.preisueberwacher.admin.ch > Dokumentation > Publikationen > Studien und Analysen > 2013)

9647

Abbildung 6 Vergleich der realen Preisentwicklung Strasse-Schiene seit 1990

Die Fahrkosten im Strassenverkehr entwickelten sich gemäss dieser Untersuchung während der letzten 15 Jahre weitgehend parallel zur allgemeinen Teuerung in der Schweiz. So haben sich die Betriebskosten eines Autos seit 1990 wie auch die Teuerung um ca. 30 % erhöht, mit anderen Worten: die Fahrkosten im Strassenverkehr sind real konstant geblieben. Die Fahrkosten im öffentlichen Verkehr werden neben der allgemeinen Teuerung vor allem auch durch politische Entscheide (z.B.

Trassenpreiserhöhungen) sowie Entwicklungen der Tarifstruktur beeinflusst (z.B.

Abschaffung des Retourtarifs, Erhöhung der sog. Tarifkilometer). Diese Faktoren führten zu einer markanten Erhöhung der Fahrpreise. Deutlich wird dies im Fall der Strecke Bern ­ Zürich, für die sich der Preis eines Retourbillets von 50 Franken im Jahr 1990 auf 98 Franken im Jahr 2013 fast verdoppelt hat. Nach Abzug der Teuerung, hat sich der Preis für eine Retourfahrt zwischen Bern und Zürich damit real um 65 Prozent verteuert. Als Fazit aus der Untersuchung des Preisüberwachers lässt sich festhalten, dass die Fahrkosten im öV seit 1990 deutlich stärker gestiegen sind als diejenigen des Strassenverkehrs.

Auswirkungen auf die Verteilung des Verkehrsaufkommens auf Strasse und Schiene Bei Annahme der Initiative würde sich die Abgaben-/Tarifschere zwischen dem Strassenverkehr und dem öffentlichen Verkehr weiter öffnen30. Die Zugspassagiere 30

Einschränkend ist darauf hinzuweisen, dass der Bundesrat im Frühjahr 2015 eine Vernehmlassung zu einem Energielenkungssystem eröffnen wird. Auf der Grundlage einer Verfassungsbestimmung soll der Bund die Kompetenz erhalten, eine Klimaabgabe auf Brenn- und Treibstoffen sowie eine Stromabgabe auf Elektrizität zu erheben. Es handelt sich dabei um Lenkungsabgaben, die an die Bevölkerung zurückerstattet werden. Die Verfassungsbestimmung ist offen formuliert: In welchem Ausmass die Abgaben auf welchen Energieträgern erhoben werden, ist darin nicht festgelegt. Zur Veranschaulichung wird die Vernehmlassungsvorlage mögliche Kombinationen von Abgaben aufzeigen, darunter auch solche mit einer Abgabe auf Treibstoffen. Mit einer allfälligen Umsetzung wäre erst nach 2020 zu rechnen.

9648

müssten sich auch in Zukunft mit höheren Billettpreisen an den Kosten des Angebotsausbaus beteiligen, während die von den Automobilistinnen und Automobilisten entrichteten Abgaben nominal stagnieren und real zurückgehen würden. Je nach Auslegung der Initiative wäre sogar eine Senkung des Mineralölsteuerzuschlags in Erwägung zu ziehen.

Diese Scherenbewegung ist sowohl aus verkehrspolitischen, aber auch aus ökologischen Gründen fragwürdig: ­

So bestünde die Gefahr einer Rückverlagerung von Verkehr von der Schiene auf die Strasse. Insbesondere in den Agglomerationen könnte sich auf vielen, während der Spitzenzeiten bereits heute überlasteten Strassenabschnitten die Situation weiter verschärfen: Die Folge wären längere Staus, mehr Lärm und höhere Schadstoffemissionen.

­

Eine Rückverlagerung vom öffentlichen Verkehr auf die Strasse hätte auch negative Auswirkungen auf den Kostendeckungsgrad des regionalen Personenverkehrs. Daraus entstünde Druck auf eine Erhöhung der Abgeltungen von Bund und Kantonen oder eine Einschränkung des öV-Angebots, womit eine negative Dynamik in Gang gesetzt würde, die den Zielen einer koordinierten Verkehrspolitik zuwiderläuft.

­

Schliesslich wären auch negative Auswirkungen auf die angestrebte Umstellung des Fahrzeugparks auf verbrauchsärmere, weniger CO2 emittierende Fahrzeuge zu erwarten. Es würde damit schwieriger, den Energieverbrauch des Verkehrs zu senken, die Klimaziele zu erreichen und die Abhängigkeit von Erdölimporten zu verringern. Auch der Tanktourismus, welcher bereits auf geringe Preisunterschiede reagiert, würde stimuliert. Dies brächte zwar zusätzliche Steuereinnahmen mit sich, würde aber auch die der Schweiz angerechneten CO2-Emissionen entsprechend der von ausländischen Fahrzeugen getankten Treibstoffmenge erhöhen.

4.2.4

Auswirkungen auf die Spezialfinanzierung Luftverkehr (SFLV)

Die Initiative betrifft neben dem Strassenverkehr auch den Luftverkehr. Artikel 86 Absatz 3bis BV, wonach die Hälfte des Reinertrags der Verbrauchsteuer auf Flugtreibstoffen zweckgebunden zu verwenden ist, soll analog der Bestimmung für den Strassenverkehr so angepasst werden, dass in Zukunft der gesamte Reinertrag für Aufgaben und Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Luftverkehr zweckgebunden wäre.

Durch die volle Zweckbindung des Reinertrags der Mineralölsteuer auf Flugtreibstoffen resultierten jährliche Mehreinnahmen für die SFLV von rund 20 Millionen Franken. Bei Annahme der Initiative bestünde deshalb grundsätzlich die Möglichkeit, die Ausgaben zu Lasten der SFLV um 20 auf 65 Millionen Franken zu erhöhen oder den (subsidiär erhobenen) Mineralölsteuerzuschlag auf Flugtreibstoffen zu senken. Um die Einnahmehöhe konstant zu halten, müsste der Zuschlag von 30 Rappen auf rund 6 Rappen pro Liter reduziert werden.

Die zweckgebundenen Einnahmen der SFLV betragen gemäss heutiger Verfassungsgrundlage rund 45 Millionen Franken. Wie unter Ziffer 2.2.3 dargestellt, besteht in der SFLV aktuell kein Finanzierungsengpass. Die Einnahmen liegen 9649

konstant über den Ausgaben. Wenn nach der Annahme der Initiative der Zuschlag nicht gesenkt würde, stünden dem Luftverkehr jährlich zweckgebundene Mittel von rund 65 Millionen Franken zu Verfügung. Unter den geltenden Subventionsbestimmungen (MinVG und Verordnung vom 29. Juni 201131 über die Verwendung der zweckgebundenen Mineralölsteuer für Massnahmen im Luftverkehr) wäre ein wirtschaftlicher und zielgerichteter Einsatz dieser Mittel kaum möglich.

Aus diesen Gründen ist vorderhand davon auszugehen, dass bei Annahme der Initiative der Mineralölsteuerzuschlag auf Flugtreibstoffen gesenkt werden müsste, um einen zusätzlichen Aufbau der Rückstellungen in der SFLV zu verhindern. Alternativ wäre zu prüfen, den Katalog der aus der SFLV zu finanzierenden Aufgaben zu erweitern. Dies würde allerdings eine Gesetzesänderung bedingen.

4.2.5

Auswirkungen auf die Kantone

Bei einer Annahme der Initiative würden sich einerseits die nicht werkgebundenen Beiträge an die Kantone erhöhen. Andererseits liesse sich aber kaum verhindern, dass die Kantone von den weit reichenden Sparmassnahmen des Bundes betroffen wären.

Nicht werkgebundene Beiträge Bei den nicht werkgebundenen Beiträgen handelt es sich um Kantonsanteile an den zweckgebundenen Einnahmen aus der Mineralölsteuer, dem Mineralölsteuerzuschlag und der Nationalstrassenabgabe. In der Bundesverfassung (Art. 86 Abs. 3 Bst. e) wird der Grundsatz geregelt, im MinVG der Umfang der Beiträge (Art. 4 Abs. 5): Art. 4

Aufteilung auf die einzelnen Aufgabengebiete

...

Der Anteil für die nicht werkgebundenen Beiträge wird für jeweils vier Jahre festgelegt; er beträgt mindestens 10 Prozent der für den Strassenverkehr bestimmten Mineralölsteuer.

5

Einzuschliessen in die Berechnung nach Artikel 4 Absatz 5 MinVG sind auch die Erträge aus dem Mineralölsteuerzuschlag und der Nationalstrassenabgabe, da diese Bestandteile der «für den Strassenverkehr bestimmten Mineralölsteuern» sind. Die nicht werkgebundenen Beiträge sind unterteilt in allgemeine Beiträge an alle Kantone (98 % der zweckgebundenen Einnahmen) sowie Beiträge an Kantone ohne Nationalstrassen (2 % der zweckgebundenen Einnahmen, heute noch Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden). Die Verteilung erfolgt nach einem feststehenden Schlüssel, welcher Strassenlängen und Strassenlasten berücksichtigt.

Heute entsprechen die Beiträge des Bundes dem gesetzlichen Minimum von 10 Prozent der zweckgebundenen Einnahmen. Mit der vollständigen Zweckbindung der Mineralölsteuern auf Treibstoffen gemäss der Initiative würden somit automatisch 10 Prozent von 1,5 Milliarden Franken, also 150 Millionen Franken, zusätzlich an die Kantone fliessen. Die nicht werkgebundenen Beiträge würden damit von rund 31

SR 725.116.22

9650

380 Millionen Franken auf rund 530 Millionen Franken oder um 40 Prozent ansteigen (Stand Finanzplan 2016). Aufgrund des feststehenden Schlüssels gilt diese Berechnung auch für die einzelnen Kantonsanteile.

Sparprogramm des Bundes Auf der anderen Seite wären die Kantone von dem zur Gegenfinanzierung nötigen Sparprogramm des Bundes spürbar mitbetroffen. Angesichts des zu kompensierenden Einnahmenausfalls müsste ein solches Sparprogramm breit angesetzt werden.

Dabei liesse es sich kaum vermeiden, dass auch Leistungen an die Kantone betroffen wären. Vor einer konkreten Ausgestaltung eines solchen Sparprogramms lassen sich die Auswirkungen auf einzelne Kantone allerdings nicht beziffern (vgl. Ziff. 4.2.1).

Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht möglich, für einzelne Kantone einen Saldo aus zusätzlichen Mittelzuflüssen und Belastungen aufgrund eines Sparprogramms zu berechnen.

4.2.6

Rechtliche Anpassungen auf Gesetzesstufe

Je nach den Entscheiden des Parlaments zur Auslegung der Initiative bezüglich der Einlage aus Mineralölsteuermitteln in den Bahninfrastrukturfonds und der Beiträge an Kantone ohne Nationalstrassen (vgl. Ziff. 3.3 Erläuterungen zu Art. 86 Abs. 2bis) könnte die Initiative zu Anpassungen folgender Gesetze führen: ­

Bahninfrastrukturgesetz vom 21. Juni 201332: Artikel 3 Absatz 2 und Artikel 11 Absatz 1

­

MinVG: Artikel 35

Die Referendumspflicht für heute im Kompetenzbereich des Bundesrates liegende Abgabenerhöhungen (vgl. Ziff. 3.3 Erläuterungen zu Art. 86 Abs. 4) macht zudem Anpassungen der folgenden Gesetze nötig: ­

SVAG: Art. 8

­

CO2-Gesetz vom 23. Dezember 2011: Art. 26

­

Unfallverhütungsbeitragsgesetz vom 25. Juni 1976: Art. 1, Abs. 2

4.3

Vorzüge und Mängel der Initiative

Mit der Initiative könnte die Finanzierung der Aufgaben im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr langfristig sichergestellt werden. Jedoch ginge dies zu Lasten der übrigen Aufgabengebiete. Da Einnahmenerhöhungen zumindest kurz- und mittelfristig keine realistische Option darstellen, müsste bei einer Annahme der Initiative ein Sparprogramm ausgearbeitet werden, das insbesondere in den Bereichen Bildung und Forschung, öffentlicher Verkehr, Landesverteidigung und Landwirtschaft einschneidende Konsequenzen hätte. Das Finanzierungsproblem der Strasse würde damit einseitig zulasten anderer Bereiche gelöst. Ebenfalls nachteilig ist, dass die Initiative die Einlage von Mineralölsteuermitteln in den BIF und damit die Rückzah-

32

Noch nicht in Kraft gesetzt; Erlass publiziert in BBl 2014 4106.

9651

lung der Bevorschussung und den mit der FABI-Vorlage vorgesehenen Ausbau der Schieneninfrastruktur beeinträchtigt.

4.4

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Initiative enthält keine Bestimmungen, die bestehende internationale Verpflichtungen der Schweiz beeinträchtigen könnten.

4.5

Prüfung eines direkten Gegenentwurfs bzw.

eines indirekten Gegenvorschlags

Es stellt sich die Frage, ob der Initiative ein direkter Gegenentwurf oder ein indirekter Gegenvorschlag gegenüberzustellen ist. Grundsätzlich dazu eignen würde sich die Vorlage «Schaffung eines Fonds für die Nationalstrassen und den Agglomerationsverkehr (NAF); zur Schliessung der Finanzierungslücke; zum Strategischen Entwicklungsprogramm Nationalstrasse (STEP)». Das zentrale Element dieser Vorlage ist die Sicherstellung der für die Aufgaben im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr nötigen finanziellen Mittel. In der Vernehmlassung, die im Frühjahr 2014 eröffnet wurde, schlug der Bundesrat hierzu folgende Varianten vor: ­

Hauptvariante: Erhöhung des Mineralölsteuerzuschlags um 15 Rappen pro Liter und Zweckbindung von zwei Dritteln der Automobilsteuer.

­

Nebenvariante: Erhöhung des Mineralölsteuerzuschlags um 12 Rappen pro Liter und vollständige Zweckbindung der Automobilsteuer.

In der Vernehmlassung wurde insbesondere die als zu hoch beurteilte Erhöhung des Mineralölsteuerzuschlags kritisch aufgenommen. Der Bundesrat hat diesen Vorbehalten mit einer Anpassung der NAF-Vorlage Rechnung getragen (vgl. Ziff. 4.6).

Für eine Verknüpfung der NAF-Vorlage und der Initiative spricht, dass beide Vorlagen Artikel 86 BV betreffen und sich somit gegenseitig ausschliessen. Nach einer Annahme der Initiative würde sich die NAF-Vorlage in weiten Teilen erübrigen.

Gegen eine Verknüpfung spricht, dass aus Sicht des Bundesrates möglichst rasch Klarheit darüber geschaffen werden sollte, ob die Finanzierung der Aufgaben in Zusammenhang mit dem Strassenverkehr in Zukunft nach dem Konzept der Initiative gesichert werden soll. Dieses steht in deutlichem Widerspruch zur Finanz- und Verkehrspolitik von Bundesrat und Parlament und hätte erhebliche Auswirkungen auf die Aufgabenerfüllung in allen anderen Aufgabengebieten. Die Initiative stellt zudem auch das von Volk und Ständen beschlossene Finanzierungskonzept für den Ausbau der Bahninfrastruktur wieder in Frage. Mit Blick auf die mittel- und längerfristige Planungssicherheit in diesen Bereichen hält es der Bundesrat daher für angezeigt, sie rasch zur Abstimmung zu bringen und die Grundsatzfrage der vollständigen Zweckbindung der Mineralölsteuererträge zeitnah zu klären. Er schlägt aus diesem Grund vor, die NAF-Vorlage nicht mit der Initiative «Für eine faire Verkehrsfinanzierung» zu verbinden, weder als direkter Gegenentwurf noch als indirekter Gegenvorschlag.

9652

Der Bundesrat wird die Botschaft zur NAF-Vorlage aber noch im ersten Quartal 2015 verabschieden. Damit schafft er die Voraussetzungen, dass die Finanzierung des Baus, Betriebs und Unterhalts der Nationalstrassen jederzeit garantiert bleibt und auch dieser Bereich über die notwendige Planungssicherheit verfügt. Dieses Vorgehen hat ausserdem den Vorteil, dass die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger zum Zeitpunkt der Abstimmung über die Initiative Kenntnis davon haben, wie der Bundesrat die Finanzierung der Aufgaben in Zusammenhang mit dem Strassenverkehr zu lösen gedenkt.

4.6

Vorlage des Bundesrates über die Schaffung eines Fonds für die Nationalstrassen und den Agglomerationsverkehr (NAF)

Mit der NAF-Vorlage hat der Bundesrat ein Konzept für die Sicherstellung und Neustrukturierung der Strassenfinanzierung vorgelegt. Die Vernehmlassung dauerte bis zum 20. Juni 2014. Am 19. September 2014 beschloss der Bundesrat für die Ausarbeitung der Botschaft die folgenden wesentlichen Eckwerte: ­

In Anerkennung des Resultats der Vernehmlassung soll die Automobilsteuer ­ vorbehältlich allfälliger Sparprogramme ­ grundsätzlich («in der Regel») vollständig zweckgebunden werden. Der Mineralölsteuerzuschlag soll entgegen den Vorschlägen in der Vernehmlassung in einem ersten Schritt nur um 5­7 Rappen pro Liter angehoben werden. Diese Erhöhung soll zudem nicht auf Vorrat geschehen, sondern erst, wenn im NAF ein bestimmter Stand der Rückstellungen unterschritten ist. Ferner ist vorgesehen, ab ca. 2020 auch die wachsende Zahl von Fahrzeugen mit alternativen Antriebstechniken mit einer Pauschale an der Finanzierung der Strasseninfrastruktur zu beteiligen.

­

Für die Finanzierung der Nationalstrassen und der Beiträge an Massnahmen zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur in Städten und Agglomerationen wird auf Verfassungsstufe ein unbefristeter Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds geschaffen. Wie beim geplanten Bahninfrastrukturfonds fliessen bestehende und neue Einnahmen direkt in den Fonds. Dieser soll die langfristige Planungs- und Realisierungssicherheit erhöhen sowie die Transparenz verbessern. Über den NAF sollen auch die Agglomerationsprogramme als zweckmässige Instrumente zur koordinierten Entwicklung von Siedlung und Gesamtverkehr, und zur Aufrechterhaltung eines funktionierenden Verkehrs in den Ballungsräumen auf eine dauerhafte Finanzierungsbasis gestellt werden.

­

Die Vorlage wird zudem mit der Einführung eines strategischen Entwicklungsprogramms Nationalstrasse kombiniert. Im Rahmen dieses Programms erhalten die Eidgenössischen Räte die Möglichkeit, periodisch über Erweiterungen und Kapazitätsausbauten der Nationalstrassen zu befinden.

9653

5

Schlussfolgerungen

Die Finanzierung der Aufgaben im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr muss langfristig gesichert werden. Der Bundesrat teilt das Ziel der Initiative «Für eine faire Verkehrsfinanzierung», hält aber den Weg, den sie vorschlägt, für falsch.

Durch die Zweckbindung der gesamten Mineralölsteuern auf Treibstoffen stünden rund 1,5 Milliarden Franken nicht mehr für die Aufgabenerfüllung in anderen Gebieten zur Verfügung, für die der Bund zuständig ist. Eine Kompensation durch die Erhebung neuer oder die Erhöhung bestehender Steuern erachtet der Bundesrat als ausgeschlossen. Es wären daher voraussichtlich hohe Einsparungen nötig, die den Haushalt in seiner ganzen Breite tangieren würden: Die Beiträge an die Universitäten und Fachhochschulen, an die Institutionen der Forschungsförderung und an die Berufsbildung wären davon ebenso betroffen wie die Einlagen in den Bahninfrastrukturfonds oder die Abgeltungen für den regionalen Personenverkehr. Auch die Armee müsste mit weniger Mitteln auskommen, und die Bäuerinnen und Bauern hätten mit spürbaren Einkommenseinbussen zu rechnen. Bereiche wie die Regionalpolitik, die Standort- und Tourismusförderung, Kultur, Sport, Familienpolitik, Gesundheit und Umweltschutz könnten ebenfalls kaum von Kürzungen ausgenommen werden. Diese Massnahmen würden sich auch auf die Kantone auswirken, die zahlreiche Aufgaben in den Bereichen Bildung, Verkehr, Umweltschutz, Sozial- und Familienpolitik, Regionalpolitik usw. mit Hilfe von Bundesbeiträgen erfüllen.

In Frage gestellt wäre ferner das von Volk und Ständen am 9. Februar 2014 mit grossem Mehr beschlossene Finanzierungskonzept für die Bahninfrastruktur. Je nach Auslegung der Initiative wäre die gemäss der neuen Verfassungsbestimmung vorgesehene, befristete Einlage von Mineralölsteuererträgen in den Bahninfrastrukturfonds nicht mehr möglich. Dem Schienenverkehr würden damit Mittel in der Höhe von rund 4 Milliarden Franken entzogen. Viele der geplanten Ausbauvorhaben müssten zurück gestellt werden.

Mit der vollständigen Zweckbindung der Mineralölsteuern auf Treibstoffen stünde die Schweiz weitgehend alleine da. In allen unseren Nachbarländern und in den meisten anderen Staaten der EU fliessen die Mineralölsteuererträge ohne Zweckbestimmung in den allgemeinen Staatshaushalt. Deutschland und Österreich haben früher bestehende
Zweckbindungen wieder aufgehoben.

Der Sonderweg einer vollständigen Zweckbindung ist auch deswegen abzulehnen, weil sich damit die Abgaben-/Tarifschere zwischen dem Strassenverkehr und dem öffentlichen Verkehr weiter öffnen würde. Während die Nutzerinnen und Nutzer des öffentlichen Verkehrs den Angebotsausbau über höhere Billettpreise mitfinanzieren, blieben die Automobilistinnen und Automobilisten in den kommenden Jahren von höheren Abgaben verschont. Denn der Ausbau der Nationalstrassen wäre ausschliesslich durch Einsparungen in anderen Aufgabengebieten des Bundes zu finanzieren. Diese Ungleichbehandlung würde die koordinierte Verkehrspolitik schwächen und dürfte erfahrungsgemäss zu einer unerwünschten Rückverlagerung des Verkehrs von der Schiene auf die Strasse führen.

Die Initiative «Für eine faire Verkehrsfinanzierung» löst die Finanzierungsprobleme der Strasse somit zulasten von anderen, für den Wohlstand und den sozialen Ausgleich wichtigen Aufgaben: Sie schwächt die Investitionen in Bildung und Forschung. Sie entzieht dem Bundeshaushalt Mittel, die für die Förderung der regionalen Entwicklung und der Landwirtschaft benötigt werden. Sie gefährdet das von 9654

Volk und Ständen beschlossene Finanzierungskonzept für den Bahnausbau. Sie macht das Autofahren real immer billiger, während Bahn und Bus ihre Tarife weiter erhöhen müssen. Sie belastet damit nicht nur die Umwelt, sondern führt auch zu zusätzlichen Staus, insbesondere in Städten und Agglomerationen. Zudem unterläuft sie die Bestrebungen zur Senkung des Energieverbrauchs und der CO2-Emissionen der Mobilität. Aus Sicht des Bundesrates kann aus all diesen Gründen nicht von einem fairen Finanzierungskonzept gesprochen werden. Dieses ist vielmehr als einseitig und unausgewogen zu bezeichnen.

Der Bundesrat beantragt daher den eidgenössischen Räten, die Volksinitiative «Für eine faire Verkehrsfinanzierung» Volk und Ständen zur Ablehnung zu empfehlen.

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