14.080 Botschaft zur Genehmigung eines neuen Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Island vom 12. November 2014

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Genehmigung eines neuen Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Island.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

12. November 2014

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Didier Burkhalter Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2014-2047

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Übersicht Das geltende Abkommen zwischen der Schweiz und Island zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen wurde am 3. Juni 1988 unterzeichnet und seither nicht revidiert.

Im Nachgang zum Beschluss des Bundesrats vom 13. März 2009, den Vorbehalt der Schweiz gegenüber dem Informationsaustausch gemäss dem Musterabkommen der OECD (nachfolgend «OECD-Musterabkommen») zurückzuziehen, nahmen die Schweiz und Island Verhandlungen auf, um das Doppelbesteuerungsabkommen mit einer Bestimmung nach Artikel 26 des OECD-Musterabkommens zu ergänzen. Das geltende Abkommen enthält eine Bestimmung, die den Austausch von Informationen vorsieht, die zur ordnungsgemässen Anwendung des Abkommens notwendig sind.

Nebst der Vereinbarung einer Bestimmung über den Informationsaustausch in Steuersachen nach dem internationalen Standard konnte das Abkommen auch in anderen Punkten an die heutige Abkommenspolitik beider Länder und den Wortlaut des geltenden OECD-Musterabkommens angepasst werden. Zu erwähnen ist namentlich die Quellensteuerbefreiung von Dividenden an Vorsorgeeinrichtungen und an die Nationalbanken sowie von Dividenden an Gesellschaften, die eine Beteiligung von mindestens 10 Prozent an der ausschüttenden Gesellschaft während mindestens eines Jahres halten.

Das neue Abkommen wurde am 10. Juli 2014 in Bern unterzeichnet.

Die Kantone und die interessierten Wirtschaftskreise haben den Abschluss des neuen Abkommens mehrheitlich begrüsst.

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Botschaft 1

Allgemeine Überlegungen über die Weiterentwicklung der Abkommenspolitik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

Doppelbesteuerungsabkommen sind ein wichtiges Mittel der Steuerpolitik. Gute Abkommen erleichtern die Tätigkeit unserer Exportwirtschaft, fördern Investitionen in der Schweiz und tragen damit zum Wohlstand in der Schweiz und im Partnerland bei.

Die Politik der Schweiz im Bereich der Doppelbesteuerungsabkommen richtet sich seit jeher nach dem Standard der OECD, weil dieser am besten geeignet ist, das Wohlstandsziel zu erreichen. Sie zielt hauptsächlich darauf ab, die Zuständigkeiten bei der Besteuerung natürlicher und juristischer Personen klar zuzuweisen, die Quellensteuer auf Zinsen, Dividenden und Lizenzgebühren möglichst tief zu halten und allgemein Steuerkonflikte zu verhindern, die sich auf international tätige Steuerpflichtige nachteilig auswirken könnten. Dabei musste die Schweiz schon immer den goldenen Mittelweg zwischen günstigen steuerlichen Rahmenbedingungen im eigenen Land einerseits und internationaler Anerkennung ihrer Steuerordnung anderseits finden. Gute Schweizer Lösungen können wertlos werden, wenn sie international keine Anerkennung finden.

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Ausgangslage, Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

Zwischen der Schweiz und Island besteht ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen1 (nachfolgend «DBA 1988»). Es wurde am 3. Juni 1988 in Bern unterzeichnet und bislang nicht revidiert.

Im Nachgang zum Beschluss des Bundesrats vom 13. März 2009, den Vorbehalt der Schweiz gegenüber dem Informationsaustausch gemäss dem Musterabkommen der OECD (nachfolgend «OECD-Musterabkommen») zurückzuziehen, ist Island im Frühjahr 2013 mit dem Wunsch an die Schweiz herangetreten, das DBA 1988 zu revidieren und insbesondere mit einer Bestimmung nach Artikel 26 OECD-Musterabkommen zu ergänzen. Das DBA 1988 enthält eine Bestimmung, die den Austausch von Informationen vorsieht, die zur ordnungsgemässen Anwendung des Abkommens notwendig sind.

Während die Schweiz grundsätzlich nur eine Teilrevision des bestehenden Abkommens wünschte, plädierte die isländische Delegation aus praktischen Gründen und angesichts des Alters des geltenden Abkommens für eine Gesamtrevision und den Abschluss eines neuen Doppelbesteuerungsabkommens. Die Schweiz stimmte diesem Begehren unter der Bedingung zu, dass aus den Verhandlungen ein für beide Seiten vorteilhafteres Abkommen resultieren würde.

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SR 0.672.944.51

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Nebst der Verankerung der neuen Bestimmung über den Informationsaustausch in Steuersachen wurde das Abkommen auch in anderen Punkten an die heutige Abkommenspolitik beider Länder und den Wortlaut des geltenden OECD-Musterabkommens angepasst. Das neue Abkommen (nachfolgend «DBA-IS») wurde am 10. Juli 2014 in Bern unterzeichnet.

Die Kantone und interessierten Wirtschaftsverbände haben den Abschluss des DBA-IS mehrheitlich begrüsst.

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Würdigung

Das DBA-IS übernimmt auf Begehren der Schweiz zahlreiche vorteilhafte Bestimmungen des DBA 1988. Zu erwähnen sind namentlich die Anerkennung der Ansässigkeit von Personengesellschaften und die ausschliessliche Besteuerung von Zinsen im Ansässigkeitsstaat der an den Zinsen nutzungsberechtigten Person.

Die Residualsteuer von derzeit 5 Prozent auf Dividenden an Gesellschaften aus Beteiligungen von mindestens 10 Prozent am Kapital wird im DBA-IS aufgehoben.

Solche Dividenden sind künftig nur noch im Ansässigkeitsstaat der begünstigten Gesellschaft zu versteuern, vorausgesetzt die Beteiligung wurde mindestens ein Jahr gehalten. Eine entsprechende Ausnahme von der Quellensteuer gilt auch für Dividenden an Vorsorgeeinrichtungen und an die Nationalbanken. Bei Lizenzgebühren bleibt es grundsätzlich bei der heute geltenden ausschliesslichen Besteuerung im Ansässigkeitsstaat der an den Lizenzgebühren nutzungsberechtigten Person. In gewissen Fällen hat der Quellenstaat jedoch künftig das Recht, auf Lizenzgebühren eine Quellensteuer von 5 Prozent zu erheben. Die Aufhebung der Quellenbesteuerung auf Dividenden in bestimmten Fällen fördert Investitionen im bilateralen Verhältnis und vermeidet die steuerliche Mehrfachbelastung der Dividenden in Konzernverhältnissen. Demgegenüber führt die Einführung einer Quellensteuer auf Lizenzgebühren grundsätzlich zu einer Belastung des wirtschaftlichen Austausches.

Angesichts der jüngsten isländischen Abkommenspolitik war jedoch ein Festhalten am generellen Ausschluss einer Quellenbesteuerung nicht mehr möglich.

Zur Verhinderung von Missbräuchen wurde eine Bestimmung aufgenommen, die die Abkommensvorteile für Dividenden, Zinsen, Lizenzgebühren und sonstige Einkünfte in Fällen versagt, in denen sie aufgrund einer entsprechenden Gestaltung tatsächlich einer nicht abkommensberechtigten Person zukommen und die Inanspruchnahme des Abkommens der Hauptzweck dieser Gestaltung war.

Für Veräusserungsgewinne aus Anteilen an Immobiliengesellschaften liegt das Besteuerungsrecht künftig im Belegenheitsstaat der Liegenschaften. Die Kantone können damit ihr Besteuerungsrecht aus wirtschaftlicher Handänderung wahrnehmen. Gewinne aus der Veräusserung von Anteilen an Gesellschaften, die in einem Vertragsstaat ansässig sind, können unter gewissen Umständen von diesem Staat besteuert werden,
wenn die Person kurz zuvor aus diesem Staat in den anderen Vertragsstaat umgezogen ist.

Ruhegehälter können neu im Quellenstaat besteuert werden. Diese Lösung entspricht der Regelung, wie sie die Schweiz namentlich mit anderen nordischen Staaten vereinbart hat.

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Weiter enthält das DBA-IS neu eine Schiedsklausel und eine Bestimmung über die steuerliche Berücksichtigung von Beiträgen an die Vorsorge. Dies führt zu einer erhöhten Rechtssicherheit für die steuerpflichtigen Personen.

Schliesslich erfüllt die neue Bestimmung über den Informationsaustausch den in diesem Bereich geltenden internationalen Standard.

Im vorliegenden Abkommen konnte ein ausgewogenes Ergebnis erzielt werden, das im Vergleich zum DBA 1988 insgesamt für beide Seiten vorteilhaft ist und zur weiteren positiven Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen mit Island beitragen wird, das wie die Schweiz Mitglied der EFTA ist. Die Kantone und Wirtschaftsverbände haben das DBA-IS mehrheitlich begrüsst.

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Erläuterungen zu einzelnen Artikeln des DBA-IS

Das DBA-IS folgt sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht den entsprechenden Bestimmungen des OECD-Musterabkommens sowie der Abkommenspolitik der Schweiz. Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich darauf, die wichtigsten Abweichungen gegenüber dem OECD-Musterabkommen, dem DBA 1988 und der schweizerischen Abkommenspolitik zu erläutern.

Art. 2

Unter das Abkommen fallende Steuern

Der Katalog der isländischen Steuern wird den aktuellen Gegebenheiten angepasst.

Island erhebt Steuern vom Einkommen auf Ebene der Zentralregierung und der Gemeinden. Eine Steuer vom Vermögen wird seit 2014 nicht mehr erhoben. Sollte Island eine solche Steuer jedoch wieder einführen, so würde sie in den Anwendungsbereich des DBA-IS fallen (Art. 2 Abs. 4).

Art. 3

Allgemeine Begriffsbestimmungen

Auf Begehren der Schweiz wurde eine Definition für den Begriff der Vorsorgeeinrichtung vereinbart. Vorsorgeeinrichtungen müssen in einem Vertragsstaat errichtet sein, der Regulierung dieses Staates unterliegen, von den Steuern vom Einkommen generell ausgenommen sein und natürliche Personen gegen die Risiken von Alter, Invalidität oder Tod versichern. Die Bestimmung wird in Ziffer 1 des Protokolls zum Abkommen weiter präzisiert. Für die Schweiz umfasst der Begriff der Vorsorgeeinrichtung sämtliche Einrichtungen der Säulen 1, 2 und 3a. Die kollektive Kapitalanlage, in welche ausschliesslich Vorsorgeeinrichtungen investieren, wird gleich behandelt wie die direkte Kapitalanlage durch die Vorsorgeeinrichtungen selbst.

Art. 4

Ansässige Person

Diese Bestimmung ist neu nach dem Wortlaut des OECD-Musterabkommens gefasst.

Entsprechend der Regelung im DBA 1988 gelten Personengesellschaften jedoch nach dem DBA-IS auch als ansässige Personen, wenn sie in einem der Vertragsstaaten errichtet worden sind. Personengesellschaften können daher direkt die Vorteile des DBA-IS in Anspruch nehmen.

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Im Protokoll zum Abkommen wird festgehalten, dass Vorsorgeeinrichtungen und Organisationen mit religiösen, wohltätigen, wissenschaftlichen, kulturellen, sportlichen oder Ausbildungszwecken als in einem Vertragsstaat ansässige Personen gelten (Ziff. 2). Diese Bestimmung dient der Präzisierung, dass solche Einrichtungen auch im Fall einer allfälligen Steuerbefreiung als ansässige Personen qualifizieren können. In der Schweiz gelten solche Institutionen auch ohne eine entsprechende Bestimmung nach innerstaatlichem Recht als ansässig für die Zwecke der Doppelbesteuerungsabkommen, selbst wenn diese Institutionen aufgrund der von ihnen verfolgten Zwecke steuerbefreit sind.

Art. 7

Unternehmensgewinne

Artikel 7 wurde nach dem neuen Wortlaut von Artikel 7 des OECD-Musterabkommens gefasst. Für Einzelheiten zu den Änderungen zur bisherigen Bestimmung wird auf die Botschaft vom 20. November 20132 zur Genehmigung eines Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Ungarn verwiesen.

Art. 10

Dividenden

Nach dem geltenden Abkommen kann auf Dividenden eine Residualsteuer von 15 Prozent erhoben werden, die im Fall einer Beteiligung einer Gesellschaft von mindestens 25 Prozent an der ausschüttenden Gesellschaft auf 5 Prozent reduziert wird. Der generelle Residualsteuersatz für Dividenden von 15 Prozent wird beibehalten. Dividenden aus direkten Beteiligungen an Gesellschaften von mindestens 10 Prozent des Kapitals können jedoch nur noch im Ansässigkeitsstaat der nutzungsberechtigten Gesellschaft besteuert werden, vorausgesetzt, die Haltedauer von einem Jahr war im Zeitpunkt der Zahlung der Dividende bereits abgelaufen (Art. 10 Abs. 3 Bst. a). Ist die Haltedauer im Zeitpunkt der Zahlung nicht erfüllt und wird deshalb eine Quellensteuer einbehalten, so kann diese bei späterer Erfüllung der Haltedauer zurückgefordert werden (Ziff. 3 des Protokolls zum Abkommen).

Ausser bei den erwähnten Beteiligungen gilt die ausschliessliche Besteuerung im Ansässigkeitsstaat der an den Dividenden nutzungsberechtigten Person auch für Dividenden an Vorsorgeeinrichtungen und an die Nationalbanken (Art. 10 Abs. 3 Bst. b und c).

Art. 12

Lizenzgebühren

Das DBA 1988 weist das Besteuerungsrecht für Lizenzgebühren ausschliesslich dem Ansässigkeitsstaat der an den Lizenzgebühren nutzungsberechtigten Person zu.

Diese Regelung wird im DBA-IS weitergeführt (Abs. 1). Werden die Lizenzgebühren jedoch für die Benutzung oder das Recht auf Benutzung von Patenten, Marken, Mustern oder Modellen, Plänen, geheimen Formeln oder Verfahren bezahlt, so steht dem Staat, aus dem die Lizenzgebühren stammen, neu ein Besteuerungsrecht von maximal 5 Prozent zu (Abs. 2). Weiterhin nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden können dagegen Zahlungen für die Benutzung oder für das Recht auf Benutzung von Urheberrechten an literarischen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Werken, einschliesslich kinematografischer Filme, oder für die Mitteilung gewerblicher, kaufmännischer oder wissenschaftlicher Erfahrungen.

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Im Gegensatz zum DBA 1988 sind die Leasingzahlungen nicht mehr in der Definition der Lizenzgebühren enthalten. Solche Erträge fallen daher unter die Bestimmung über die Unternehmensgewinne (Art. 7) und können ebenfalls nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden.

Art. 13

Gewinne aus der Veräusserung von Vermögen

Dieser Artikel wird mit einem neuen Absatz 4 ergänzt. Wie andere Schweizer Doppelbesteuerungsabkommen und das OECD-Musterabkommen sieht er vor, dass die Gewinne aus der Veräusserung von Anteilen an einer Gesellschaft, deren Wert zu über 50 Prozent direkt oder indirekt aus unbeweglichem Vermögen in einem Vertragsstaat stammen, in diesem besteuert werden können. Die Schweiz als Ansässigkeitsstaat der veräussernden Person gewährt in einem solchen Fall die Freistellung erst dann, wenn nachgewiesen wurde, dass die Besteuerung in Island tatsächlich erfolgt ist (Art. 23 Abs. 2 Bst. a DBA-IS).

Um den Handel von börsenkotierten Aktien an Immobiliengesellschaften nicht zu erschweren, wurde eine Ausnahme von Absatz 4 für solche Titel vereinbart (Bst. a).

Ebenso gilt eine Ausnahme für Anteile an einer Gesellschaft, deren Wert zwar zu mehr als 50 Prozent aus unbeweglichem Vermögen in einem Vertragsstaat besteht, die aber ihre Geschäftstätigkeit in diesen Liegenschaften ausübt (Bst. b). Nicht unter die Bestimmung würden daher beispielsweise Gewinne einer in Island ansässigen Person aus der Veräusserung von Anteilen an einer in der Fabrikation tätigen Gesellschaft fallen, deren Vermögen zu mehr als 50 Prozent aus Liegenschaften in der Schweiz besteht, in denen die Gesellschaft ihren Fabrikationsbetrieb führt. In diesen Fällen kommt das Besteuerungsrecht für die Veräusserungsgewinne dem Ansässigkeitsstaat der veräussernden Person zu, im Beispiel daher Island (Art. 13 Abs. 6 DBA-IS).

Der neue Absatz 5 führt auf Begehren Islands ein Nachbesteuerungsrecht für Kapitalgewinne von natürlichen Personen ein, die von einem Vertragsstaat in den anderen umziehen. Das Besteuerungsrecht des früheren Ansässigkeitsstaates konnte jedoch beschränkt werden: Die Gewinne müssen aus der Veräusserung von Anteilen an Gesellschaften herrühren, die in diesem Staat ansässig sind, die veräussernde natürliche Person muss in den zehn Jahren vor dem Umzug in den anderen Vertragsstaat mindestens fünf Jahre im früheren Ansässigkeitsstaat ansässig gewesen sein, die Veräusserung muss innert drei Jahren nach dem Zuzug in den anderen Vertragsstaat erfolgen, und die natürliche Person muss im Zeitpunkt des Wegzugs aus dem früheren Ansässigkeitsstaat mindestens mit zehn Prozent am Kapital der Gesellschaft beteiligt gewesen sein, deren Anteile
veräussert werden. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so steht dem früheren Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht für den Teil des Gewinns zu, der sich auf den Zeitraum bis zum Zuzug in den anderen Vertragsstaat bezieht. Letzterer hat die Besteuerung im früheren Ansässigkeitsstaat gegebenenfalls bei der Festsetzung der Gestehungskosten zu berücksichtigen.

Vergleichbare Bestimmungen hat die Schweiz bereits in anderen Doppelbesteuerungsabkommen vereinbart, so z.B. in jenen mit Deutschland, den Niederlanden und Schweden.

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Art. 18

Ruhegehälter

Das isländische Vorsorgesystem besteht wie das schweizerische aus drei Säulen. Die soziale Sicherheit (1. Säule) wird durch eine eigens durch die Arbeitgeber zu entrichtende Steuer aus dem Staatshaushalt finanziert. Die durch Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge finanzierte, kapitalbasierte berufliche Vorsorge ist die 2. Säule.

Schliesslich wird das System durch die freiwillige Vorsorge (3. Säule) abgerundet.

Die Beiträge an die Vorsorge sind bis zu einem gewissen Betrag steuerlich absetzbar.

Artikel 18 sieht neu vor, dass sämtliche Ruhegehälter im Staat besteuert werden können, aus dem die Leistungen stammen (Abs. 1). Als Ruhegehälter gelten in der Schweiz die Leistungen der Säulen 2 und 3a. Für Leistungen der sozialen Sicherheit verbleibt dagegen das Besteuerungsrecht im Ansässigkeitsstaat (Art. 18 Abs. 2 i.V.m. Art. 21).

Der schweizerischen Abkommenspolitik entsprechend wurde in Ziffer 5 des Protokolls zum Abkommen zu Artikel 18 festgehalten, dass Ruhegehälter nicht nur in periodischer Form, sondern auch als Einmalzahlungen unter diese Bestimmung fallen.

Art. 23

Vermeidung der Doppelbesteuerung

Island vermeidet neu die Doppelbesteuerung generell durch Anrechnung. In der Schweiz gilt der ständigen Abkommenspolitik entsprechend wie im DBA 1988 die Freistellungsmethode. Bei Dividenden und Lizenzgebühren wird die Doppelbesteuerung jedoch durch die pauschale Steueranrechnung vermieden.

Auf Begehren der Schweiz hat sich Island zu einer bilateralen Ausgestaltung der Bestimmung zum Beteiligungsabzug bereit erklärt (Abs. 3). Bezahlt eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft eine Dividende an eine Person im anderen Vertragsstaat, so gewährt Letzterer dieser Person den Beteiligungsabzug unter den gleichen Voraussetzungen, wie wenn die Dividende von einer Gesellschaft in diesem Staat bezahlt worden wäre.

Art. 25

Verständigungsverfahren

Diese Bestimmung sieht die Aufnahme einer Schiedsklausel auf der Basis des OECD-Musterabkommens ins DBA-IS vor. Dies entspricht der Abkommenspolitik der Schweiz. Für Einzelheiten hinsichtlich des Schiedsverfahrens als solches wird auf die Botschaft vom 5. September 20073 über ein neues Doppelbesteuerungsabkommen mit Südafrika verwiesen.

In der Praxis hat sich gezeigt, dass Verständigungsverfahren, insbesondere in Verrechnungspreisfällen, oftmals nicht innerhalb der nach OECD-Musterabkommen vorgesehenen zwei Jahre abgeschlossen werden können. Es wurde daher vereinbart, diese Frist zur Einigung im Verständigungsverfahren auf drei Jahre zu verlängern.

Das Schiedsverfahren wird auf Verlangen des betroffenen Steuerpflichtigen eingeleitet, sofern sich die zuständigen Behörden der beiden Vertragsstaaten nicht innert drei Jahren nach Vorlage des Falls gütlich einigen können. Der Entscheid der Schiedsstelle ist im Einzelfall für die Vertragsstaaten verbindlich, sofern keine der 3

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direkt betroffenen steuerpflichtigen Personen den Entscheid ablehnt oder die zuständigen Behörden und die betroffenen Personen sich nicht innert sechs Monaten nach dem Entscheid auf eine andere Lösung einigen. Die Verfahrensfragen müssen noch von den zuständigen Behörden vereinbart werden.

Art. 26

Informationsaustausch

Das DBA-IS enthält eine Bestimmung über den Informationsaustausch nach dem internationalen Standard. Die nachfolgenden Ausführungen gehen lediglich auf einzelne Punkte in Artikel 26 DBA-IS sowie der dazugehörigen Protokollbestimmung (Ziff. 7) ein.

Wie in den Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz mit diversen anderen Staaten sowie im OECD-Musterabkommen gilt die Bestimmung über den Informationsaustausch für sämtliche Steuern.

Die Schweiz wird Island keine Amtshilfe leisten, wenn das Amtshilfegesuch auf illegal beschafften Daten beruht. Die schweizerische Delegation hat dies der isländischen Delegation mitgeteilt.

Die Bestimmungen von Artikel 26 werden im Protokoll zum Abkommen (Ziff. 7) konkretisiert. Es regelt unter anderem im Detail die Voraussetzungen, die ein Auskunftsersuchen erfüllen muss (Bst. b). Notwendig sind insbesondere die Identifikation der betroffenen steuerpflichtigen Person sowie, soweit bekannt, Name und Adresse der Person (z.B. eine Bank), in deren Besitz der ersuchende Staat die gewünschten Informationen vermutet. Ebenso hält das Protokoll zum Abkommen fest, dass diese Voraussetzungen nicht formalistisch ausgelegt werden dürfen (Bst. c).

Gemäss dem internationalen Standard ist der Informationsaustausch auf konkrete Anfragen beschränkt. Dazu gehören nach dem weiterentwickelten OECD Standard auch konkrete Anfragen, die auf eine genau definierte Gruppe von Steuerpflichtigen abzielen, bei denen davon ausgegangen werden muss, dass sie ihren Steuerpflichten im ersuchenden Staat nicht nachgekommen sind. Das DBA-IS ermöglicht es, solchen Ersuchen Folge zu leisten. Die Identifikation kann durch Name und Adresse der betroffenen Person erfolgen, aber auch durch andere Mittel, z.B. durch die Beschreibung eines Verhaltensmusters. Diese Auslegung beruht auf der Auslegungsklausel (Bst. c in Verbindung mit Bst. b), die die Vertragsstaaten zu einer Auslegung der Erfordernisse an ein Ersuchen mit dem Ziel eines möglichst weitgehenden Informationsaustausches verpflichtet, ohne dass «fishing expeditions» zuzulassen sind. Die prozeduralen Voraussetzungen für die Erfüllung von Gruppenersuchen sind im Steueramtshilfegesetz vom 28. September 20124 geregelt.

Die neue Klausel findet auf die Steuerjahre Anwendung, die am oder nach dem 1. Januar des auf das Inkrafttreten des Änderungsprotokolls
folgenden Kalenderjahres beginnen.

Artikel 26 DBA-IS sieht den spontanen und den automatischen Informationsaustausch nicht vor. Im heutigen Schweizer Recht besteht keine genügende Rechtsgrundlage für diese Formen des Informationsaustausches. Sollten die Schweiz und Island ihre Zusammenarbeit im Steuerbereich ausweiten wollen, müssten zusätzliche

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SR 672.5

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Instrumente vereinbart werden, die der Bundesversammlung zur Genehmigung unterbreitet werden müssten.

Art. 28

Inkrafttreten

Die Bestimmungen des DBA-IS finden Anwendung für Quellensteuern auf Erträge, die am oder nach dem 1. Januar des auf das Inkrafttreten folgenden Kalenderjahres bezahlt oder gutgeschrieben werden, sowie für Steuerjahre, die dann beginnen. Das gilt auch für die Bestimmungen über den Informationsaustausch.

Das DBA 1988 tritt mit Inkrafttreten des DBA-IS ausser Kraft. Es ist jedoch weiterhin auf Steuerjahre und Steuerperioden anwendbar, die vor dem Tag enden, an dem die Bestimmungen des DBA-IS anwendbar werden.

Ziff. 4 des Protokolls zum Abkommen (Zu den Art. 10, 11, 12 und 21) Zur Verhinderung des Missbrauchs des DBA-IS wurde eine Bestimmung vereinbart, die die Inanspruchnahme der Bestimmungen über die Dividenden, Zinsen, Lizenzgebühren und andere Einkünfte in missbräuchlichen Fällen versagt. Als missbräuchlich gelten Transaktionen und Zwischenstrukturen, die mit dem hauptsächlichen Zweck eingesetzt oder errichtet werden, die Vorteile der erwähnten Bestimmungen des DBA-IS in Anspruch zu nehmen, vorausgesetzt dass die betroffenen Einkünfte, würden die Transaktionen oder Zwischenstrukturen weggedacht, einer Person zuzurechnen wären, die weder in Island noch in der Schweiz ansässig ist (Abs. 1) oder die die für die Gewährung der entsprechenden Abkommensvorteile spezifischen Voraussetzungen nicht erfüllt (Abs. 2). Werden die Einkünfte einer solchen Person zugerechnet und hätte diese, wenn sie die Einkünfte direkt vereinnahmt hätte, Zugang gehabt zu gleichwertigen oder günstigeren Zuteilungsregeln, so wird vermutet, dass die Transaktionen und Zwischenstrukturen nicht hauptsächlich dem Zweck dienen, die Bestimmungen des DBA-IS in Anspruch zu nehmen (Abs. 3).

Die Bestimmung erfasst sowohl Fälle des Gewinndurchlaufs (z.B. solche des sogenannten «Dividenden-Stripping»), als auch Fälle, bei welchen Zwischenstrukturen (i.d.R. Gesellschaften) eingesetzt werden, ohne dass es zu einer Weiterleitung der Erträge kommt. Ebenfalls abgedeckt sind Situationen, in welchen Anteile an Gesellschaften mit ausschüttbaren Reserven übertragen werden.

Die vereinbarte Lösung entspricht der Entwicklung der schweizerischen Abkommenspolitik auf diesem Gebiet und der von der Schweiz befolgten Praxis im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Abkommensmissbräuchen.

Ziff. 6 des Protokolls zum Abkommen (Zu den Art. 18 und 24) Diese
Bestimmung betrifft die steuerliche Berücksichtigung von Vorsorgebeiträgen.

Es kommt regelmässig vor, dass Beiträge an die Vorsorge in einem Staat geleistet werden, während das Erwerbseinkommen im anderen Staat besteuert wird. In solchen Situationen besteht das Risiko, dass die Vorsorgebeiträge steuerlich unberücksichtigt bleiben.

Im Rahmen der Verhandlungen konnte Einigkeit erzielt werden, dass Beiträge an die Vorsorge im anderen Vertragsstaat im Staat, in dem das Erwerbseinkommen erzielt wird, unter gleichen Bedingungen steuerlich berücksichtigt werden sollen wie

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Beiträge an das Vorsorgesystem in diesem Staat. In der Schweiz sind davon die Beiträge an die Säulen 1, 2 und 3a betroffen.

In der Schweiz wird der Abzug der Beiträge an die schweizerischen Sozialversicherungen (einschliesslich berufliche Vorsorge) bereits heute in den Quellensteuertarifen pauschal berücksichtigt. Die geltende schweizerische Praxis erfüllt somit in der Regel den Inhalt der Bestimmung schon heute.

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Finanzielle Auswirkungen

Die Ausnahme von der Quellensteuer für Dividenden aus massgeblichen Beteiligungen sowie für Dividenden an Vorsorgeeinrichtungen und an die Nationalbanken hat grundsätzlich steuerliche Einbussen zur Folge. Ebenfalls zu gewissen Mindereinnahmen führt die neu eingeführte Residualsteuer auf bestimmten Lizenzgebühren, die zur Anrechnung der isländischen Residualsteuer in der Schweiz berechtigt.

Insgesamt führt das neue Abkommen jedoch zu einer Standortverbesserung und damit grundsätzlich zu zusätzlichen Steuereinnahmen. Über die Höhe der steuerlichen Einbussen und Mehreinnahmen liegt keine Schätzung vor.

Das vorliegende Abkommen kann im Rahmen der bestehenden personellen Ressourcen umgesetzt werden.

Die Kantone und die interessierten Wirtschaftskreise haben das DBA-IS mehrheitlich begrüsst. Insgesamt trägt es in positiver Weise zur Beibehaltung und zum Ausbau der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen bei und unterstützt damit die wesentlichen Ziele der schweizerischen Aussenhandelspolitik.

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Verfassungsmässigkeit

Verfassungsgrundlage für das DBA-IS ist Artikel 54 der Bundesverfassung5 (BV), der die Zuständigkeit für auswärtige Angelegenheiten dem Bund zuweist. Gemäss Artikel 184 Absatz 2 BV unterzeichnet der Bundesrat die Verträge. Nach Artikel 166 Absatz 2 BV ist die Bundesversammlung für die Genehmigung des DBA-IS zuständig. Gemäss Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterstehen dem fakultativen Referendum völkerrechtliche Verträge, die unbefristet und unkündbar sind, den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen oder wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. Das Abkommen ist auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, kann aber jederzeit unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten auf das Ende eines Kalenderjahrs gekündigt werden. Es sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor. In Anlehnung an Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20026 gilt eine Bestimmung eines Staatsvertrags dann als rechtsetzend, wenn sie auf unmittelbar verbindliche und generell-abstrakte Weise Pflichten auferlegt, Rechte verleiht oder Zuständigkeiten festlegt.

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SR 101 SR 171.10

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Die neue Bestimmung zum Informationsaustausch gemäss dem OECD-Musterabkommen stellt eine gewichtige Neuerung der schweizerischen Abkommenspolitik im Bereich der Doppelbesteuerung dar. Das DBA-IS enthält damit wichtige neue Bestimmungen im Sinne von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV. Der Bundesbeschluss über die Genehmigung eines neuen Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Island ist daher dem fakultativen Staatsvertragsreferendum für völkerrechtliche Verträge nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV zu unterstellen.

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