Interdepartementale Zusammenarbeit in der Aussenpolitik Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 28. Februar 2014

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Bericht 1

Einleitung

Im Januar 2012 beauftragten die Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte (GPK) die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) mit einer Evaluation der internationalen Zusammenarbeit in der Aussenpolitik.

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) entschied sich für dieses Thema, da in der Presse fast täglich über die schweizerische Aussenpolitik berichtet wurde, wobei häufig von Schwierigkeiten und Problemen die Rede war.1 Es kann der Eindruck entstehen, dass die Schweiz oft Mühe hat, ihre Interessen zu vertreten und durchzusetzen. Auffällig ist, dass bei Verhandlungen auf Schweizer Seite oft nicht das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) federführend ist, sondern (auch) andere Departemente. Da das EDA aber zusammen mit anderen Departementen dafür sorgen soll, dass die Interessen der Schweiz gut vertreten werden und die Aussenpolitik kohärent ist, sollten sich die verschiedenen Bundesstellen koordinieren und zusammenarbeiten.

Heute hat jeder Politikbereich (Wirtschafts-, Umwelt-, Sicherheitspolitik usw.) auch eine aussenpolitische Dimension. Es kommt häufig vor, dass sich in der Verwaltung verschiedene Bundesstellen mit demselben aussenpolitischen Thema befassen, d. h.

in der Regel (mindestens) eine fachlich zuständige Bundesstelle sowie eine Stelle im Aussendepartement. Durch die zunehmende Internationalisierung der Politik wird die Koordination der aussenpolitischen Tätigkeiten der Departemente immer wichtiger und zugleich auch immer schwieriger.2 Die GPK gelangten deshalb zur Ansicht, dass eine vertiefte Behandlung dieses Themas sinnvoll ist; insbesondere um festzustellen, ob die bei der Untersuchung bestimmter Dossiers zu Tage getretenen Schwierigkeiten dossierspezifisch waren oder ob es grundsätzliche Probleme in der Zusammenarbeit gibt, für deren Beseitigung es konkreter Massnahmen bedarf.

Am 19. Juni 2013 hat die PVK ihren Bericht über die interdepartementale Zusammenarbeit in der Aussenpolitik (siehe Anhang) zuhanden der GPK-N verabschiedet.

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Einschätzungen der GPK-N

2.1

Grundsätzlich gute Zusammenarbeit

Die GPK-N stellt fest, dass, gemäss dem Bericht der PVK, die interdepartementale Zusammenarbeit in der Aussenpolitik aus Sicht der befragten Personen grundsätzlich gut funktioniert. Laut PVK haben die Interviews gezeigt, dass die Bundesstellen zur Zusammenarbeit gewillt sind und in dieser auch einen Nutzen sehen. Die

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Konkret sind solche Probleme z.B. im Steuer- und Fluglärmdossier auszumachen, vgl.

dazu z.B. Tagesanzeiger.ch vom 2.2.2012: «Schwieriges Teamwork im US-Steuerstreit», SonntagsZeitung vom 8.4.2012: «Eklat könnte Ende bedeuten».

Für weitere Informationen über die Aussenpolitik und über die involvierten Akteure und ihre Zuständigkeiten siehe die Kapitel 2.1 und 2.2 des beiliegenden PVK-Berichts.

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GPK-N weist zudem darauf hin, dass es in den Augen der PVK derzeit keine schwerwiegenden Probleme bei der Zusammenarbeit gibt.3 Die GPK-N hebt allerdings auch hervor, dass die Zusammenarbeit laut PVK-Bericht im Einzelfall und in bestimmten Themenbereichen sehr schwierig sein kann. Der Bericht hält ebenfalls fest, dass die Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit nicht ganz klar sind und es wenig Vorgaben oder Leitlinien gibt, auf die sich die involvierten Mitarbeitenden im Konfliktfall stützen können.

Als Faktoren für Probleme bei der Zusammenarbeit nannte die PVK in ihrem Bericht unter anderem eine fehlende Gesamtsicht, Zuständigkeitskonflikte, insbesondere zwischen dem EDA und den Fachdepartementen4, Probleme im Ablauf und mit Instrumenten der Zusammenarbeit5 sowie die Personenabhängigkeit der Zusammenarbeit6. Besorgt zeigt sich die PVK namentlich über die fehlende Gesamtsicht und die langsame Zusammenarbeit.

Die GPK-N geht davon aus, dass die interdepartementale Zusammenarbeit in der Aussenpolitik künftig weiter an Bedeutung gewinnen wird. Aus diesem Grund drängt sich eine Auseinandersetzung mit den von der PVK festgestellten Mängeln auf, so dass schnellstmöglich geeignete Massnahmen zur Verbesserung der interdepartementalen Zusammenarbeit in der Aussenpolitik getroffen werden können.

2.2

Ungenügende Gesamtsicht

Gemäss der Evaluation der PVK fehlt es in der Schweizer Aussenpolitik an einer grundlegenden Übersicht, um zumindest die wichtigsten Interessen der Schweiz identifizieren und bei Bedarf gegeneinander abwägen zu können.

So geht aus den von der PVK geführten Gesprächen hervor, dass eigentlich nicht das Nebeneinander verschiedener Aussenpolitiken das Problem ist, sondern vielmehr der Umstand, dass die verschiedenen betroffenen Bundesstellen manchmal die grossen Linien und die durch andere Departemente im Ausland vertretenen Positionen nicht kennen. So bleiben Zielkonflikte unentdeckt und die unterschiedlichen departementalen oder sektoralen Interessen werden nicht gegeneinander abgewogen und priorisiert.

Aus Sicht der GPK-N ist es deshalb unerlässlich, dass alle Möglichkeiten zur Verknüpfung von Dossiers genutzt werden, um so die wichtigsten Anliegen der Schweiz besser vertreten zu können. Durch eine solche Verknüpfung der Geschäfte könnten verschiedene sektorale Interessen wahrgenommen und gegeneinander abgewogen werden, so dass allfällige Kreuzkonzessionen zum Vorschein kommen. Darüber hinaus ist die GPK-N der Ansicht, dass eine konsequente Priorisierung der Geschäfte innerhalb der Departemente absolut notwendig ist.

Die GPK-N ist der Auffassung, dass die fehlende Gesamtsicht unmittelbar mit den von der PVK in ihrer Evaluation erkannten Schwierigkeiten bei der Rollen- und Aufgabenverteilung zwischen dem EDA und den Fachdepartementen zusammenhängt. Für die Fachdepartemente sind ausserdem auch die Zuständigkeiten innerhalb 3 4 5 6

Vgl. Kapitel 3.1 des Anhangs.

Vgl. Kapitel 3.4 des Anhangs.

Vgl. Kapitel 3.5 des Anhangs.

Vgl. Kapitel 3.6 des Anhangs.

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des EDA nicht immer klar, so dass sie teilweise nicht wissen, an welche Stelle oder Personen sie sich wenden müssen. Um zu einer besseren Gesamtsicht der Schweizer Aussenpolitik zu gelangen, müssten in allen Departementen jene Personen bestimmt werden, welche jederzeit über eine solche Gesamtsicht verfügen müssen. Diesen Mitarbeitenden käme dann die Aufgabe zu, die Instrumente der Zusammenarbeit auf ihre Angemessenheit hin zu prüfen und nötigenfalls zu verbessern.

Schliesslich ist die GPK-N der Ansicht, dass eingehend untersucht werden sollte, ob das Modell der Direktion für europäische Angelegenheiten (DEA, ehemaliges Integrationsbüro) nicht umfassender angewendet werden könnte, wie das auch von mehreren Auskunftspersonen angeregt wurde. Die Europapolitik ist anscheinend der einzige Bereich, in dem die Praxis der «Kreuzverhandlungen» systematisch zur Anwendung kommt.

2.2.1

Schlussfolgerung: Möglichkeiten zur Verbesserung der Gesamtsicht

Gestützt auf die Evaluation der PVK empfiehlt die GPK-N dem Bundesrat zu prüfen, inwiefern die Gesamtsicht in der Aussenpolitik verbessert werden kann und ersucht ihn, entsprechende Massnahmen vorzuschlagen.

Empfehlung 1

Verbesserung der Gesamtsicht

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, zu prüfen, wie die Gesamtsicht in der Aussenpolitik verbessert werden kann, und ersucht ihn, entsprechende Massnahmen vorzuschlagen.

Der Bundesrat richtet sein Augenmerk bei dieser Prüfung insbesondere auf folgende Elemente: 1.

Klärung und Definition der Rollen- und Aufgabenverteilung zwischen den Departementen und dem EDA;

2.

Institutionalisierung des Einbezugs des EDA durch die Departemente in ihre Auslandgeschäfte;

3.

Klärung der Zuständigkeiten innerhalb des EDA;

4.

Festlegung von Hauptakteuren in jedem Departement, die zu jeder Zeit den Überblick über die laufenden Auslandgeschäfte inne haben und die die bestehenden Instrumente der Zusammenarbeit auf ihre Angemessenheit hin überprüfen;

5.

Konsequente Priorisierung der Auslandgeschäfte innerhalb der Departemente;

6.

Prüfung der Zweckmässigkeit einer Ausdehnung des DEA-Modells auf andere wichtige Bereiche der Aussenpolitik;

7.

Kritische Prüfung der bestehenden Instrumente der Zusammenarbeit in Bezug auf ihren Beitrag zu einer verbesserten Gesamtsicht; insbesondere: Prüfung der Zweckmässigkeit einer spezifisch aussenpolitischen Jahresplanung sowie der derzeitigen Verwendung des Instruments der Sektorstrategien.

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2.3

Langsame Verfahren der Zusammenarbeit

Die PVK-Evaluation hat gezeigt, welche Bedeutung den allgemeinen interdepartementalen Koordinationsinstrumenten wie der Ämterkonsultation und den Mitberichtsverfahren zukommt.

Ausserdem geht aus ihr hervor, dass die interdepartementale Zusammenarbeit grundsätzlich funktioniert und in der Regel breit abgestützte und sachgerechte Positionen generiert. Allerdings haben fast alle Befragten darauf hingewiesen, dass die Zusammenarbeit oft sehr aufwändig und in bestimmten Situationen auch zu langsam ist.

Laut PVK sind die klassischen Verfahren der interdepartementalen Koordination, namentlich die Ämterkonsultation, in vielen wichtigen aussenpolitischen Dossiers nach wie vor zweckmässig, jedoch führt die Langsamkeit dieser Verfahren in einigen Fällen zu Problemen, insbesondere bei internationalen Verhandlungen. In diesen Fällen müssen die federführenden Bundesstellen flexibel und schnell auf neue, nicht immer vorhersehbare Entwicklungen reagieren können. Die breit abgestützte und sachlich beste Position ist nutzlos, wenn man zu spät zu ihr gelangt und inzwischen wegen der Dringlichkeit des Problems bereits andere Lösungen im Vordergrund stehen.

Die GPK-N teilt die Ansicht der PVK, dass die Kritik und die Bedenken vieler Befragten, die interdepartementale Zusammenarbeit in der Aussenpolitik sei in gewissen Situationen zu aufwändig und zu langsam, ernst zu nehmen sind und dass darüber nachgedacht werden muss, wie die Flexibilität und Reaktionsfähigkeit der Schweiz in bestimmten Situationen verbessert werden kann.

Die GPK-N fordert den Bundesrat deshalb auf, zu prüfen, ob in der Aussenpolitik für bestimmte Situationen oder Notfälle die Koordinationsverfahren angepasst bzw.

beschleunigt werden können. Sie ersucht ihn, allfällige Verbesserungsmöglichkeiten vorzulegen und zu erläutern, in welchen Situationen und auf welche Weise die angepassten Verfahren zum Einsatz kommen sollen.

Es gilt zu präzisieren, dass sich die von mehreren Befragten geäusserte Kritik an den langsamen Verfahren nicht nur auf die interdepartementale Koordination, d. h. auf die Prozesse innerhalb der Bundesverwaltung, sondern auch auf die Beteiligung der Kantone und des Parlaments bezieht. Die GPK-N ersucht den Bundesrat deshalb, auch diesen Aspekt, der nicht Teil der PVK-Evaluation war, in seine Arbeiten einzubeziehen.

Empfehlung 2

Anpassung der Verfahren der Zusammenarbeit

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf zu prüfen, ob in der Aussenpolitik für bestimmte Situationen oder Notfälle die Koordinationsverfahren angepasst werden können. Er legt allfällige Verbesserungsmöglichkeiten vor und erläutert, in welchen Situationen und auf welche Weise die angepassten Verfahren zum Einsatz kommen sollen.

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Schlussfolgerung

Angesichts der obigen Ausführungen kommt die GPK-N zum Schluss, dass die interdepartementale Zusammenarbeit in der Aussenpolitik grundsätzlich gut funktioniert.

Dennoch besteht bei der interdepartementalen Zusammenarbeit Verbesserungspotenzial. Infolge der fehlenden Gesamtsicht können Möglichkeiten für allfällige Kreuzkonzessionen ungenutzt bleiben; zudem können die langwierigen Konsultationsverfahren das rechtzeitige Einbringen von Vorschlägen in die Verhandlungen erschweren.

In Anbetracht der zunehmenden Internationalisierung der Dossiers wird eine optimale Zusammenarbeit in der Aussenpolitik immer wichtiger. Die GPK-N erachtet es deshalb als vordringlich, dass die aufgezeigten Unzulänglichkeiten schnellstmöglich behoben werden, damit die Interessen der Schweiz bestmöglich gewahrt werden können.

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Weiteres Vorgehen

Die GPK-N ersucht den Bundesrat, bis zum 30. Mai 2014 zu den Feststellungen und Empfehlungen dieses Berichts Stellung zu nehmen und dabei darzulegen, mit welchen Massnahmen und bis wann er die Empfehlungen der Kommission umzusetzen gedenkt.

28. Februar 2014

Im Namen der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates Der Präsident: Rudolf Joder Die Sekretärin: Beatrice Meli Andres Die Präsidentin der Subkommission EDA/VBS: Ida Glanzmann Der stellvertretende Sekretär: Christoph Albrecht

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Abkürzungsverzeichnis GPK

Geschäftsprüfungskommissionen

GPK-N

Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates

PVK

Parlamentarische Verwaltungskontrolle

DEA

Direktion für europäische Angelegenheiten

VBS

Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport

EDA

Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten

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