14.068 Botschaft zur Genehmigung der Beteiligung der Schweiz an der internationalen Forschungsinfrastruktur Europäische Spallationsquelle ESS und zur Änderung des Bundesbeschlusses über die Kredite für die internationale Zusammenarbeit in Bildung, Forschung und Innovation für die Jahre 2013­2016 vom 3. September 2014

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, die Entwürfe zweier Bundesbeschlüsse über die Genehmigung der Beteiligung der Schweiz am Bau und Betrieb der internationalen Forschungsinfrastruktur «Europäische Spallationsquelle» ESS (Vorlage 1) sowie deren Finanzierung (Vorlage 2).

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

3. September 2014

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Didier Burkhalter Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2014-0631

6795

Übersicht Die Schweiz soll sich an der internationalen Forschungsinfrastruktur «Europäische Spallationsquelle (European Spallation Source ESS)» beteiligen können.

Diese Infrastruktur folgt dem europäischen Rechtsrahmen ERIC. Gleichzeitig soll die Langzeitfinanzierung der Schweizer Beteiligung am Bau und Betrieb der ESS bis 2026 gesichert werden.

Ausgangslage Die Schweiz braucht heute für ihre Spitzenforschung in vielen Gebieten die Beteiligung an internationalen Forschungsinfrastrukturen. Solche Anlagen sind häufig für einen Einzelstaat nicht alleine realisierbar und bedingen eine Zusammenarbeit mehrerer Länder. Die Beteiligung der Schweiz an internationalen Forschungsinfrastrukturen stärkt den Forschungsstandort Schweiz wesentlich. Die Förderung solcher Infrastrukturen ist wichtiger Teil der BFI-Botschaft 2013­2016 und damit Teil der Legislaturziele des Bundesrates.

Mit ERIC (European Research Infrastructure Consortium), einem neuen europäischen Rechtsrahmen für Forschungsinfrastrukturen, will die Europäische Kommission den länderübergreifenden Aufbau und Betrieb internationaler Forschungseinrichtungen durch mehrere Staaten vereinfachen. Der Rechtsrahmen wurde als notwendige flexible Alternative zu den bestehenden Rechtsformen entwickelt, weil diese die Gründung neuer internationaler Infrastrukturen oft schwerfällig machen.

Die Schweiz ist aktuell an der Planung verschiedener neuer Forschungsinfrastrukturen beteiligt, zum Teil in führender Rolle. Die Mehrzahl dieser Infrastrukturen plant die Anwendung von ERIC als Rechtsrahmen. Gegenwärtig kann die Schweiz an diesen ERIC-Forschungsinfrastrukturen nur als Beobachterin und ohne Mitbestimmungsrechte mitmachen. Eine Teilnahme als Mitglied ist erst nach der Anerkennung des ERIC-Rechtsrahmens für jede einzelne Forschungsinfrastruktur möglich. Gemäss ERIC-Verordnung können sich assoziierte Staaten, Drittstaaten sowie zwischenstaatliche Organisationen als Mitglied bei einer ERIC-Forschungsinfrastruktur beteiligen. Die Beteiligung von Drittstaaten und zwischenstaatlichen Organisationen muss durch die Mitgliederversammlung des ERIC anerkannt werden.

Inhalt der Vorlage Die aus Schweizer Sicht wichtigste geplante Forschungsinfrastruktur mit ERICRechtsrahmen ist derzeit die Europäische Spallationsquelle («European Spallation Source» ESS) im schwedischen
Lund. Mit ESS wird die weltweit leistungsfähigste Neutronenquelle gebaut. Durch den mit Vorlage 1 beantragten Beitritt soll das exzellente Niveau der Schweizer Forschung auf dem Gebiet der Neutronenstreuung gesichert werden. Das Parlament hat, basierend auf der vom Bundesrat genehmigten Schweizer Roadmap für Forschungsinfrastrukturen, einen ersten für die Schweizer ESS-Beteiligung notwendigen Verpflichtungskredit mit der BFI-Botschaft 2013­2016 bereits bewilligt. Mit Vorlage 2 dieser Botschaft soll die Langzeitfinan-

6796

zierung der Schweizer Beteiligung am Bau und Betrieb der ESS über die initiale Laufzeit der ESS-Statuten bis 2026 gesichert werden.

Für die Beteiligung der Schweiz an der ESS-ERIC-Forschungsinfrastruktur genügt eine Erklärung der Schweiz, dass sie die ERIC-Verordnung als Rechtsgrundlage für ESS anerkennt. Diese Erklärung der Schweiz gegenüber der Europäischen Kommission ist einem völkerrechtlichen Vertrag gleichzusetzen, der von der Bundesversammlung genehmigt werden muss.

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Abkürzungsverzeichnis AEUV BBMRI BFI BFI-Botschaft 2013­2016 CERN CESSDA CH-Roadmap EC ECRIN ELIXIR EMBL EPOS ERIC ESFRI ESO ESS ESSurvey EU EuGH ETH F&E FIFG FRP ICOS KMU KOF SBFI SHARE XFEL

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Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Biobanking and Biomolecular Resources Research Infrastructure Bildung, Forschung und Innovation Botschaft vom 22. Februar 2012 über die Förderung von Bildung, Forschung und Innovation in den Jahren 2013­2016 (BBl 2012 3099) Europäisches Laboratorium für Teilchenphysik Consortium of European Social Science Data Archives Schweizer Roadmap für Forschungsinfrastrukturen Europäische Kommission European Clinical Research Infrastructure Network European Bio-informatics Infrastructure Europäisches Molekularbiologie-Laboratorium European Plate Observing System European Research Infrastructure Consortium resp. Europäisches Forschungsinfrastruktur-Konsortium European Strategy Forum on Research Infrastructures / Europ. Strategieforum für Forschungsinfrastrukturen Europäische Südsternwarte European Spallation Source / Europ. Spallationsquelle European Social Survey Europäische Union Europäischer Gerichtshof Eidgenössische Technische Hochschule Forschung und Entwicklung Bundesgesetz vom 14. Dezember 2012 über die Förderung der Forschung und der Innovation (SR 420.1) EU-Forschungsrahmenprogramm Integrated Carbon Observation System Kleine und mittlere Unternehmen Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation Survey of Health, Ageing and Retirement in Europe Europäischer Freie-Elektronen-Laser

Botschaft 1

Grundzüge der Vorlagen

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Heutige Beteiligung der Schweiz an internationalen Forschungsinfrastrukturen

Auch in der Schweiz ist die Spitzenforschung auf die Beteiligung an grossen internationalen Forschungsinfrastrukturen angewiesen. Unter Forschungsinfrastrukturen versteht man Grossforschungsanlagen, Datenbanken, Computer-Netzwerke, Software und Kommunikationssysteme, Sammlungen oder Archive. Solche Forschungsinfrastrukturen können an einem einzigen Standort angesiedelt sein oder «verteilt» auf mehrere Standorte und ein organisiertes Netz bilden. Diese Infrastrukturen bilden ein Kernstück des Dreiecks von Bildung, Forschung und Innovation und spielen bei der Weiterentwicklung von Wissen und Technologie sowie zur Erreichung von wissenschaftlicher Exzellenz eine zentrale Rolle. So sind zum Beispiel Observatorien für die Umweltwissenschaften, Datenbanken in der Genomik und in den Sozialwissenschaften, Bildgebungssysteme oder Reinräume für die Nanoelektronik, Strahlenquellen für die Materialforschung oder Superrechner wesentliche Instrumente für den Aufbau von Wissen im jeweiligen Gebiet. Indem sie einzigartige Forschungsdienstleistungen anbieten, junge Menschen an die Wissenschaft heranführen und Einrichtungen untereinander vernetzen, übernehmen Forschungsinfrastrukturen eine Schlüsselrolle beim Aufbau eines effizienten Forschungs- und Innovationsumfelds.

Die Schweiz ist bereits heute im Rahmen völkerrechtlicher Verträge an verschiedenen internationalen Forschungsinfrastrukturen sehr erfolgreich beteiligt, wie zum Beispiel beim CERN (Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire; Hochenergieund Teilchenphysik), bei der Europäischen Südsternwarte (ESO; erdgebundene Astronomie), am Europäischen Freie-Elektronen-Laser (XFEL; Materialforschung und Strukturanalyse) oder beim Europäischen Molekularbiologie-Laboratorium (EMBL). In all diesen Gebieten ist die Schweizer Forschung dank ihres direkten Zugriffs auf Experimente und auf neueste Daten weltweit führend.

1.1.2

CH-Roadmap für Forschungsinfrastrukturen

Aufgrund des steigenden Finanzbedarfs für Forschungsinfrastrukturen ist eine umsichtige Planung und ein optimaler Einsatz der Mittel wichtig. Gemäss Artikel 41 Absatz 4 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 20121 über die Förderung der Forschung und der Innovation (FIFG) und Artikel 55 der Forschungs- und Innovationsförderungsverordnung vom 29. November 20132 (V-FIFG) ist das SBFI neu in der Pflicht, periodisch oder nach Bedarf zuhanden des Bundesrates einen Bericht zum Stand und zur Entwicklung von Forschungsinfrastrukturen zu erstellen. Diese sogenannte «Roadmap» enthält insbesondere internationale Grossforschungseinrich1 2

SR 420.1 SR 420.11

6799

tungen und weitere international koordinierte Forschungsinfrastrukturen unter Beteiligung der Schweiz.

Eine erste, im Rahmen eines Pilotprojekts erarbeitete CH-Roadmap für Forschungsinfrastrukturen3 wurde am 30. März 2011 durch den Bundesrat zur Kenntnis genommen. Sie war im Wesentlichen die Antwort auf die Europäische Roadmap für Forschungsinfrastrukturen (ESFRI-Roadmap 20084) und bildete die Grundlage für das Infrastrukturkapitel der BFI-Botschaft 2013­2016. Die Schweizer Roadmap selber enthält keine Finanzierungsbeschlüsse, sondern dient als Grundlagenpapier für die jeweils nächste BFI-Botschaft und die darin enthaltenen Anträge für Kreditbeschlüsse. Im Rahmen der BFI-Botschaft 2013­2016 wurde die Finanzierung der entsprechenden Schweizer Knotenpunkte den zuständigen Organen zugeteilt, namentlich dem ETH-Bereich (EPOS: Europäisches Platten-Beobachtungssystem; Erdbebenforschung; ICOS: Integriertes Kohlenstoff-Beobachtungsystem, Atmosphärenphysik/Klimaforschung;), dem Schweizer National Fonds (SHARE: Gesundheit und Alterung in Europa; ESSurvey: Europäische Gesellschaftsstudie; BBMRI: Biobanken und biomolekulare Ressourcen und ECRIN: Europäisches Netzwerk zur Klinischen Forschung) und Artikel 15 FIFG (CESSDA: Konsortium der Europäischen Sozialwissenschafts-Datenbanken mit dem Schweizer Knotenpunkt FORSStiftung für Forschung in den Sozialwissenschaften; ELIXIR: Europäische Bioinformatikinfrastruktur mit dem Schweizer Knotenpunkt SIB-Swiss Institute for Bioinformatics).

Bezüglich Relevanz und Dringlichkeit sehr hoch eingestuft wird in der CH-Roadmap das Projekt für eine Europäische Spallationsquelle ESS. Bei ESS handelt es sich um eine europäische Forschungsinfrastruktur im schwedischen Lund, die darauf abzielt, die weltweit leistungsfähigste Neutronenquelle zu bauen (vgl. Ziff. 1.4). Die Schweizer Beteiligung an ESS ist folglich eine Massnahme, die in der BFI-Botschaft 2013­2016 umgesetzt wird (vgl. Ziff. 1.4.2).

1.1.3

Hintergrund und Entstehung des ERIC-Rechtsrahmens

Für Forschung von Weltniveau ist die Errichtung von Forschungsinfrastrukturen heutzutage ein Kernelement. Diese spielen bei der Weiterentwicklung von Wissen und Technologie eine zentrale Rolle. Da die Pionierbereiche der Forschung mit der zunehmenden technologischen Entwicklung immer komplexer werden, sind Forschungsanlagen häufig für eine einzelne Institution, einen einzelnen Staat oder sogar einen Kontinent nicht mehr alleine realisierbar. Von mehreren Ländern gemeinsam betriebene Forschungsinfrastrukturen ermöglichen die Nutzung durch Forschende aus verschiedenen Ländern und sind eine Voraussetzung für Spitzenforschung. Die immer kürzeren Ablösungszyklen dieser Anlagen sowie die Komplexität der Projekte liessen von verschiedenen Seiten den Wunsch aufkommen, für Forschungsinfrastrukturen von Weltrang einen Rechtsrahmen zu schaffen mit dem die Verfahren und Bedingungen für die Gründung und den effizienten Betrieb vereinheitlicht werden. Dieser neue Rechtsrahmen soll sonstige Rechtsformen ergänzen, die nach 3 4

BBl 2012 3099, hier 3275 European Roadmap for Research Infrastructures ftp://ftp.cordis.europa.eu/pub/esfri/docs/esfri_roadmap_update_2008.pdf

6800

nationalen, internationalen oder europäischem Recht bestehen. 2004 empfahl der Rat «Wettbewerbsfähigkeit» der Europäischen Union (EU) deshalb zur Stärkung der kompetitiven Forschung die Entwicklung einer europaweiten Strategie zu Forschungsinfrastrukturen. Im Auftrag des Rates hat das Europäische Strategieforum für Forschungsinfrastrukturen ESFRI5 im Jahr 2006 unter Mitwirkung der Schweiz einen Fahrplan für Forschungsinfrastrukturen von strategischer Bedeutung erarbeitet, die in den nächsten 10­20 Jahren auf europäischer Ebene gemeinsam zu entwickeln sind (sog. «ESFRI-Roadmap»6). Die Herausforderung besteht nun in der Verwirklichung dieser Projekte.

Die vom Europäischen Rat verabschiedete Verordnung zum europäischen Rechtsrahmen ERIC7 (ERIC-Verordnung8) schafft einen gemeinsamen Rechtsrahmen, der einzelstaatliche oder zwischenstaatliche Regelungen ergänzt. Sie legt die wichtigsten Merkmale europäischer Forschungsinfrastrukturen sowie klare Verfahren zur Verleihung des betreffenden Status fest. Dies vereinfacht insgesamt die Rechtsvorschriften, indem bei der Gründung von Forschungsinfrastrukturen eine einzige Rechtsgrundlage anstatt mehrerer einzelstaatlicher verwendet wird. Dies führt zu einem leichteren, schnelleren und kosteneffizienteren Verfahren für die Gründung von Forschungsinfrastrukturen.

1.2

Verhandlungen zu ERIC

Für eine allgemeine Beteiligung der Schweiz an ERIC-Forschungsinfrastrukturen ist kein Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Kommission vorgesehen. Die Schweiz hat die Möglichkeiten einer Beteiligung am ERIC-Rechtsrahmen im Januar 2013 im Rahmen eines exploratorischen Treffens mit Vertretern der Europäischen Kommission diskutiert. Das Resultat dieser Besprechung war, dass für die Beteiligung der Schweiz an ERIC-Forschungsinfrastrukturen eine Erklärung der Schweiz gegenüber der europäischen Kommission pro Projekt genügt.

1.3

Überblick über den Inhalt der ERIC-Verordnung

Die vom EU-Rat im Jahr 2009 verabschiedete ERIC-Verordnung9 ist heute in Kraft.

Sie legt die wichtigsten Merkmale europäischer Forschungsinfrastrukturen fest, sowie klare Verfahren. Die Rechtsnatur des ERIC wird als internationale Organisation im Sinne des europäischen Rechts definiert. Ziel, Zweck und Inhalt des jewei-

5 6 7

8

9

European Strategy Forum on Research Infrastructures, http://ec.europa.eu/research/infrastructures/index_en.cfm?pg=esfri Strategy Report on Research Infrastructures ­ Roadmap 2010: http://ec.europa.eu/research/infrastructures/index_en.cfm > ESFRI > Roadmap ERIC = European Research Infrastructure Consortium Verordnung (EG) Nr. 723/2009 des Rates vom 25. Juni 2009 über den gemeinschaftlichen Rechtsrahmen für ein Konsortium für eine Europäische Forschungsinfrastruktur (ERIC), ABl. L 206 vom 8.8.2009, S. 1; zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 1261/2013, ABl. L 326 vom 6.12.2013, S. 1.

Verordnung (EG) Nr. 723/2009 des Rates über den gemeinschaftlichen Rechtsrahmen für ein Konsortium für eine europäische Forschungsinfrastruktur (ERIC) vom 25. Juni 2009. http://eurlex.europa.eu/LexUriServ/ LexUriServ.do?uri=OJ:L:2009:206:0001:0008:DE:PDF

6801

ligen Forschungsprojekts definieren die Mitglieder in der Satzung. Nachfolgend sind die wichtigsten Regelungen der ERIC-Verordnung beschrieben.

1.3.1

Definitionen

Forschungsinfrastruktur: Der Begriff «Forschungsinfrastruktur» bezieht sich auf Einrichtungen, Ressourcen und damit verbundene Dienstleistungen, die von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern für Forschung in ihrem jeweiligen Gebiet genutzt werden. Forschungsinfrastrukturen können an einem einzigen Standort angesiedelt sein oder auf mehrere Standorte verteilt und damit ein organisiertes Netzwerk von Ressourcen bilden. Es handelt sich dabei um Grossgeräte oder Instrumente für Forschungszwecke, um Wissensressourcen der wissenschaftlichen Forschung wie Sammlungen, Archive oder strukturierte Informationen, um GrossRechner, Software und Kommunikationssysteme oder um sonstige einzigartige Einrichtungen, die zur Erreichung von Exzellenz in der Forschung wichtig sind.

ERIC ­ European Research Infrastructure Consortium: Ein ERIC ist ein Konsortium von Mitgliedern, die gemeinsam den Aufbau und Betrieb einer Forschungsinfrastruktur sicherstellen. Mitglieder können EU-Mitgliedstaaten, assoziierte Staaten, Drittstaaten und zwischenstaatliche Organisationen sein. Ein ERIC gilt als juristische Person mit Rechtspersönlichkeit und uneingeschränkter Rechts- und Geschäftsfähigkeit, die von allen Mitgliedern des Konsortiums anerkannt ist.

Assoziierte Staaten: Assoziierte Staaten sind Nicht-EU-Staaten, die der Beteiligung an EU-Programmen zugestimmt haben und einen finanziellen Beitrag leisten. Teilnehmende aus diesen Ländern können sich bei Projekten gleichberechtigt wie Partner aus EU-Ländern beteiligen.

Drittstaaten: Ein Drittstaat ist ein Staat, welcher kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und kein assoziierter Staat ist. In einem ERIC sind Drittstaaten gegenüber EU-Staaten und assoziierten Ländern in zwei Punkten nicht vollständig gleichberechtigt, und zwar bezüglich Gründung (es braucht mindestens drei EU-Staaten oder assoziierte Länder für die Gründung) und Stimmrechte (EU-Staaten und assoziierte Länder haben die Mehrheit).

Beobachter: Assoziierte Länder, Drittländer oder Organisationen, die noch nicht als Mitglieder in ein ERIC aufgenommen werden können, haben die Möglichkeit als Beobachter ohne Stimmrecht dem ERIC beizutreten. Beobachter sind gegenüber den anderen Partnern des Konsortiums klar benachteiligt (kein Stimmrecht, Mitsprache nur konsultativ, eingeschränkter Zugang zu Ausschreibungen, Nachteile bei der Rekrutierung von Personal oder bei der Nutzung der Anlage).

Der vorliegende Botschaftstext verwendet folgende Begriffe: ­

ERIC (gemeint ist hier das Konsortium)

­

ERIC-Forschungsinfrastruktur (die Anlage, die vom Konsortium betrieben wird)

­

ERIC-Rechtsrahmen (als Oberbegriff)

­

ERIC-Verordnung (die Verordnung der EU, welche den ERIC-Rechtsrahmen regelt; vgl. Ziff. 1.3).

6802

1.3.2

Wichtigste Regelungen der ERIC-Verordnung

Die wichtigsten Regelungen der ERIC-Verordnung sind im Folgenden kurz zusammengefasst. Es ist gemäss Aussagen der Europäischen Kommission und in Anbetracht des schwerfälligen Verfahrens nicht zu erwarten, dass die ERIC-Verordnung in nächster Zeit geändert wird. Die Erläuterungen und Beurteilungen aus Sicht der Schweiz erfolgen in den nachfolgenden Kapiteln.

­

Interne Struktur: Der statutarische Sitz eines ERIC muss sich in einem EU-Mitgliedsstaat oder einem assoziierten Staat befinden (Art. 8 ERIC-Verordnung). Aktivitäten und weitere Standorte können in oder ausserhalb der EU betrieben werden.

­

Flexibilität: Der interne Aufbau eines ERIC ist sehr flexibel, sodass die Mitglieder in der Satzung ihre Rechte und Pflichten, die Organe und deren Zuständigkeiten sowie weitere interne Regelungen festlegen können.

­

Wirtschaftlichkeit: Ein ERIC muss seine Aktivitäten nach dem Grundsatz der wirtschaftlichen Haushaltsführung durchführen, damit es seine finanzielle Verantwortung wahrnehmen kann. Der Betrieb von Forschungsinfrastrukturen soll grundsätzlich auf nichtwirtschaftlicher Grundlage erfolgen, damit Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden. Um Innovationen und den Wissens- und Technologietransfer anzukurbeln, sollte es einem ERIC gestattet sein, begrenzte wirtschaftliche Tätigkeiten unter bestimmten Bedingungen durchzuführen. Das heisst, dass ein ERIC bei der Erfüllung seiner Hauptaufgabe keinen Erwerbszweck verfolgen darf. Allerdings kann es begrenzte ökonomische Tätigkeiten durchführen, sofern sie eng mit seiner Hauptaufgabe in Verbindung stehen und diese nicht gefährden (Art. 3 ERICVerordnung).

­

Finanzielle Haftung: Die Haftung der Mitglieder für die Schulden eines ERIC wird grundsätzlich beschränkt auf ihre jeweiligen Beiträge; in der Verordnung wird jedoch eine gewisse Flexibilität eingeräumt, um solche Regelungen in den Satzungen zu ändern und eine höhere Haftung festzuschreiben.

­

Anwendbares Recht:. Die Gründung und die interne Funktionsweise eines ERIC unterliegen dem europäischen Recht, insbesondere der ERIC-Verordnung, sowie dem nationalen Recht des Sitzstaates bzw. des Landes, in dem eine Anlage betrieben wird, und dem Recht der Satzung (Statuten) der Mitglieder. Die internen Regelungen für den Aufbau und Betrieb eines ERIC sind somit weitgehend dessen Mitgliedern überlassen.

In Bereichen, die nicht durch europäisches Recht geregelt sind, sowie im Bereich der Sicherheit, des Gesundheitsschutzes, des Umweltschutzes, des Umgangs mit gefährlichen Stoffen und was die Erteilung erforderlicher Genehmigungen betrifft, gilt das Recht des Landes, in dem die entsprechenden Aktivitäten eines ERIC erfolgen (z.B. bei auf mehrere Länder verteilten Infrastrukturen).

­

Gerichtsbarkeit: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) ist letztinstanzlich zuständig für die das ERIC betreffenden Rechtsstreitigkeiten zwischen den Mitgliedern untereinander sowie zwischen den Mitgliedern und dem ERIC und für Rechtsstreitigkeiten, bei denen die EU eine Partei ist. Den ERICMitgliedern steht es frei, für Streitigkeiten, die nicht den europäisches Recht 6803

betreffen ein Schiedsgericht zu vereinbaren. Für Streitigkeiten zwischen dem ERIC und Dritten gelten die europäischen Rechtsvorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit. In allen Fällen, die nicht in den europäischen Rechtsvorschriften vorgesehen sind, bestimmt das Recht des Staates, in dem das ERIC seinen satzungsmässigen Sitz hat, die gerichtliche Zuständigkeit für die Beilegung solcher Streitigkeiten.

­

Mehrwertsteuer und Beschaffungswesen: Ein ERIC gilt als internationale Einrichtung bzw. eine internationale Organisation. Das Konsortium ist somit von der Mehrwertsteuer und von Verbrauchersteuern befreit, und ihre Vergabeverfahren fallen nicht in den Geltungsbereich der Richtlinien über die Vergabe öffentlicher Aufträge. Jedes ERIC kann eigene Regeln für das Beschaffungswesen definieren (basierend auf Transparenz, Nichtdiskriminierung und Wettbewerb).

­

Gründungsstaaten und Stimmrechte: Zu den Mitgliedern eines ERIC müssen mindestens ein EU-Mitgliedstaat und zwei weitere Länder, die entweder Mitgliedstaat oder assoziiertes Land sind, gehören. Drittstaaten und intergovernmentale Organisationen können auch Mitglied eines ERIC sein, ihre Beteiligung muss durch die Mitgliederversammlung des ERIC anerkannt werden. Die Mitgliedstaaten und assoziierten Länder verfügen gemeinsam über die Mehrheit der Stimmrechte in der Mitgliederversammlung. Die assoziierten Staaten erhalten Stimmrechte entsprechend ihrer finanziellen Beteiligung. Für ein ERIC mit Sitz in einem Mitgliedstaat erfordern Vorschläge für Änderungen seiner Satzung die Zustimmung der Mehrheit der Mitgliedstaaten, die Mitglieder dieses ERIC sind.

­

Gründungsentscheid: Die Europäische Kommission prüft, ob die Satzung und deren Durchführungsbestimmungen mit dem anwendbaren Recht vereinbar sind und entscheidet auf Antrag der Gründungsmitglieder des ERIC über die Gründung. Eine Änderung der Statuten muss der Europäischen Kommission zur Genehmigung vorgelegt werden.

1.4

Die Europäische Spallationsquelle ESS

1.4.1

Allgemeines

Der Bundesrat hat im 17. Juni 2011 der Schweiz eine aktive Mitsprache bei der Ausarbeitung des Projekts gesichert, indem er das Memorandum of Understanding über die Beteiligung an der Design-Update-Phase und die Absicht zur Teilnahme an Bau und Betrieb der Europäische Neutronen-Spallationsquelle ESS10 unterzeichnete.

Bei der ESS handelt es sich um ein grosses Forschungsinfrastruktur-Projekt, das darauf abzielt, die weltweit leistungsfähigste Neutronenquelle zum Nutzen unzähliger Forschungsgebiete zu bauen.

Viele der 17 ESS-Partnerländer unterstützen das Projekt schon heute massgeblich.

Die Schweiz verlässt sich bei der Design-Update-Phase erneut auf die weiter angewachsene Expertise des Paul-Scherrer-Instituts (PSI) für die Entwicklung und Optimierung des zur Erzeugung der Neutronen notwendigen Targets und der Neutronenstrahlextraktion. Das SBFI unterstützt seit 2012 das PSI mit Finanzmitteln aus seiner 10

SR 0.423.13

6804

Kreditlinie «internationale Zusammenarbeit in der Forschung»; diese vom PSI erbrachten Leistungen zugunsten ESS werden der Schweiz vollumfänglich angerechnet.

Im Mai 2009 haben sich die an der ESS interessierten Länder mit grosser Mehrheit für Lund in Südschweden als Standort der Anlage ausgesprochen. Die Gesamtkosten für den Bau der Anlage, die voraussichtlich 2019 die ersten Neutronen liefern wird, werden auf 1,83 Milliarden Euro veranschlagt.

Den Forschungsgebieten Festkörperphysik, Materialwissenschaften, Kristallographie, Biologie, Chemie und Proteine werden durch die dritte Generation von Neutronenquellen, wie sie die ESS darstellt, vielversprechende und neuartige Möglichkeiten mit einem enormen Wachstumspotenzial eröffnet; intensive Neutronenstrahlen von niedriger Energie werden völlig neue Möglichkeiten eröffnen und sogar «Filme» von Ereignissen auf der Skala von Nanometern ermöglichen.

Die Regierungen von Schweden, Dänemark und Norwegen haben sich mit 120 Millionen Euro für die Design-Update-Phase 2010­2013 und mit 50 Prozent der Baukosten ab 2014 verpflichtet; Dänemark wird das Datenverarbeitungszentrum in Kopenhagen beherbergen.

Der ESS-Steuerungsausschuss hat an seiner Sitzung im Dezember 2012 beschlossen, dass die ESS unter dem europäischen Rechtsrahmen ERIC realisiert werden wird (basierend auf dem Entwurf der ESS-ERIC-Statuten, Inkrafttreten der Statuten voraussichtlich Ende 2014). Um das exzellente Niveau der Schweizer Forschenden auf dem Gebiet der Neutronenstreuung international zu sichern, plant der Bundesrat, den Beitritt der Schweiz zur ERIC-Forschungsinfrastruktur ESS mit einer Beteiligungshöhe von 3,5 %. Dieser Wert widerspiegelt nicht nur die BIP Stärke der Schweiz und die institutionelle und industrielle Möglichkeiten am Bau der ESS sondern ist auch eine realistische Annahme zur Nutzung der ESS durch Schweizer Forschende.

In Ziffer 2.3 dieser Botschaft wird dargelegt, dass die im Bereich der Forschung und der Innovation vorhandene Kompetenz des Bundesrates zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge (Art. 31 des Bundesgesetzes vom 14. Dez. 2012 über die Förderung der Forschung und der Innovation, FIFG11) für die Teilnahme an ERIC-Forschungsinfrastrukturen und somit auch für ESS-ERIC nicht ausreicht. Um die Teilnahme der Schweiz an ESS-ERIC zu ermöglichen, ist die Genehmigung durch das Parlament notwendig (siehe Vorlage 1).

1.4.2

Finanzierung

Im Rahmen der BFI-Botschaft 2013­2016 wurde ein Verpflichtungskredit von 32,4 Millionen Franken für die Jahre 2014­2019 bewilligt12 mit welchem sich die Schweiz mit einem ersten Beitrag am Bau der ESS beteiligen kann. Mit der Vorlage 2 dieser Botschaft soll die Langzeitfinanzierung der Schweizer Beteiligung am Bau und Betrieb der ESS über die initiale Laufzeit der ESS-Statuten bis 2026 gesichert werden. Für eine 3,5 %-Beteiligung der Schweiz an ESS-ERIC werden wie

11 12

SR 420.1 BBl 2012 8383, hier 8384 zu Art. 5

6805

nachfolgend ausgeführt zusätzliche 97.8 Millionen Franken für die Jahre 2017­2026 benötigt.

Die Planung der Langzeitfinanzierung der Schweizer Beteiligung an ESS-ERIC mit 3,5 % basiert auf dem aktuellen Budget Profil 2013­2028, welches im Annex 2 der ESS Statuten gegeben ist (Figur 1). Dieses beinhaltet drei Komponenten: Bau, Betriebsbeginn / Hochfahren und kontinuierlicher Betrieb.

Figur 1 Budgetprofil für Bau und Betriebsbeginn in Januar 2013 Preisen (Mio. EUR, Annex 2 der ESS Statuten)

Mit einer konservativen Wechselkursannahme von 1 = 1.25 CHF für alle Berechnungen kostet der Bau der ESS 2304 Millionen Franken, der Betriebsbeginn / Hochfahren 1013 Millionen Franken und der kontinuierliche Betrieb 175 Millionen Franken pro Jahr. Diese Annahme rechtfertigt sich auch vor dem Hintergrund, dass das ESS-Budget möglicherweise in Schwedischen Kronen (SEK) aufgestellt wird und die Beiträge damit in SEK geschuldet werden. Die Volatilität der SEK gegenüber dem CHF ist relativ hoch und verlangt daher nach einer vorsichtigen Planung.

In beiden Währungsfällen ist eine entsprechende Wechselkurabsicherung (Spezialgeschäft) geplant.

Basierend auf dem in Figur 1 gegebenen Budgetprofil sind in der Tabelle 1 die vorgesehenen jährlichen finanziellen Beiträge der Schweiz für eine 3,5 %-Beteiligung an ESS aufgeführt. Die Zahlen beinhalten eine jährliche Teuerung von 2 %.

6806

Zusammenstellung der für eine 3,5 %-Beteiligung benötigten Beiträge an ESS Gerundete nominale Zahlen inkl. 2 % Teuerung (Mio. Fr.)

2014 2015

Beteiligung 2.5* am Bau

7.8*

2016 2017

2018

2019

8.0*

4.1*

4.0*

Beteiligung bis zum initialen Betrieb Total

2.5

7.8

8.0

6.0*

2020

2021

2022

2023

2024

2025

2026

32.4

7.5** 8.2** 12.5** 13.8** 13.9** 13.7** 6.9** 7.0**

7.1**

7.3**

13.5

7.1

7.3

12.3

16.5

Total 2014­ 2026

13.8

13.9

13.7

6.9

7.0

97.8

130.2

* Diese Beiträge wurden mit der BFI-Botschaft 2013­2016 beantragt ** Diese Beiträge werden mit der vorliegenden Botschaft beantragt (Vorlage 2)

Nach Genehmigung der Schweizer ESS Beteiligung erhalten die Beiträge einen völkerrechtlich verpflichtenden Charakter. Die Finanzierung der Betriebsbeiträge ab 2027 wird demnach dem Parlament jeweils mit der Botschaft zum Voranschlag vorgelegt.

Letter of Intent Schweden erwartet vor dem im Herbst 2014 geplanten Baubeginn eine Absichtserklärung der ESS-Partnerländer über deren Beteiligung am Bau und Betrieb. Gleichzeitig mit der Unterbreitung dieser Botschaft an das Parlament wird der Direktor des SBFI ermächtigt werden, einen Letter of Intent LoI im Rahmen des vom Parlament bewilligten Verpflichtungskredits zu unterzeichnen.

1.5

Würdigung

1.5.1

Interesse der Schweiz an der Beteiligung an ESSERIC

Europäische Spallationsquelle ESS Die aus Schweizer Sicht wichtigste geplante Forschungsinfrastruktur mit ERICRechtsrahmen ist derzeit die Europäische Spallationsquelle ESS im schwedischen Lund. Mit ESS wird die weltweit leistungsfähigste Neutronenquelle gebaut. Durch den Beitritt soll das exzellente Niveau der Schweizer Forschung auf dem Gebiet der Neutronenstreuung gesichert werden (siehe Ziff. 1.4).

Ohne die Möglichkeit einer Beteiligung der Schweiz an ESS-ERIC ­ wenn die Schweiz also als Drittstaat oder als assoziierter Staat bloss Beobachterstatus hätte ­ sind Schweizer Institutionen gegenüber den anderen Partnern des Konsortiums klar benachteiligt. Das bedeutet zum Beispiel kein Stimmrecht, Mitsprache nur konsultativ, eingeschränkter Zugang zu Ausschreibungen oder Nachteile bei der Rekrutierung von Schweizer Personal. Im Falle von ESS ist der Beobachterstatus auf drei Jahre beschränkt. Die Organisation bestimmt den Umfang der Teilnahme, insbesondere der Nutzung der ESS-Infrastruktur, wobei Mitgliedern in der Regel ein Vorrang gewährt wird. Von Beobachtern wird eine substanzielle finanzielle Beteiligung 6807

erwartet, sie haben aber keine Mitspracherechte wie Mitglieder. Staatsangehörige von Beobachtern sind bei der Rekrutierung von ESS-Personal benachteiligt. Zudem ist der Zugang der Beobachter zu industriellen Ausschreibungen im Bereich von ESS beschränkt, sodass nur schwer Rückflüsse erzielt werden können.

Komplementarität ESS zur ILL-Neutronenquelle Seit 1988 beteiligt sich die Schweiz auf der Basis von fünfjährigen wissenschaftlichen Partnerschaftsverträgen an der Neutronenquelle des Instituts Laue-Langevin (ILL) in Grenoble. Der Bundesrat hat Ende März 2014 beschlossen, die sehr erfolgreiche Zusammenarbeit mit einem Anschlussvertrag weiterzuführen. Im Hinblick auf die Beteiligung an der ESS wurde die Zusammenarbeit mit dem ILL mit einer Reduktion des Finanzvolumens von 4,6 Millionen auf 18,2 Millionen für die Periode 2014­2018 weitergeführt. Im Vergleich mit dem gegenwärtig leistungsfähigsten Hochflussreaktor des ILL wird die ESS im Endausbau einen bis Faktor 100 höheren Neutronenfluss bieten. Der Neutronenfluss aus dem ILL-Reaktor ist kontinuierlich; derjenige aus dem ESS-Beschleuniger hingegen gepulst. Daraus ergeben sich unterschiedliche komplementäre Experimentiermöglichkeiten mit welchen besonders schwierige Fragestellungen angegangen werden können. Von dieser Komplementarität werden Schweizer Forschende profitieren, denen sowohl das ILL als auch die ESS für ihre Experimente zur Verfügung stehen. Der für eine Weiterführung des wissenschaftlichen Partnerschaftsvertrags mit dem ILL notwendige Verpflichtungskredit ab 2019 wird gegebenenfalls mit der BFI-Botschaft 2017­2020 beim Parlament beantragt werden.

1.5.2

Erklärung zur Teilnahme an ESS-ERIC, anwendbares Recht und Gerichtsbarkeit

Erklärung zur Teilnahme an ESS-ERIC Um an ESS-ERIC teilzunehmen, ist vorgesehen, dass die Schweiz, zusätzlich zu den notwendigen Teilnahmeverfahren, für ESS-ERIC der Europäischen Kommission eine Erklärung abgibt. Mit dieser bekundet die Schweiz die Teilnahme an der Forschungsinfrastruktur im Rahmen der bewilligten Kredite und erklärt sich damit einverstanden, dass die Forschungsinfrastruktur ESS unter dem Rechtsrahmen ERIC konstituiert ist.

Beteiligt sich die Schweiz an ESS-ERIC, so kann sie, insbesondere bei einer so massgeblichen finanziellen Beteiligung, über ihr Stimmrecht Einfluss auf die Festlegung der Statuten nehmen. Andererseits bedeutet diese Erklärung die Anerkennung des europäischen Rechts in Bezug auf die ERIC-Verordnung, des nationalen Rechts sowie von allfälligen Entscheidungen des EuGH im Anwendungsbereich der ERICVerordnung. Des Weiteren hat sie den Beitritt zu einer internationalen Organisation zur Folge. Sie ist somit einem völkerrechtlichen Vertrag gleichzusetzen, weshalb die innerstaatliche Kompetenzordnung für völkerrechtliche Verträge Anwendung findet.

ERIC-Verordnung und Gerichtsbarkeit Die Zuständigkeit des EuGH betrifft ausschliesslich Streitigkeiten betreffend das europäische Recht und damit vorwiegend den beschränkten, technischen Bereich der konkreten ESS-ERIC Forschungsinfrastruktur. In anderen Bereichen können die ERIC-Mitglieder die Zuständigkeit von Schiedsgerichten zur Streitbeilegung vorse6808

hen. Dem EuGH wird mit der Erklärung keine Kompetenz übertragen, schweizerisches Recht auszulegen oder zu überprüfen. Die Beteiligung an ESS-ERIC unterscheidet sich damit nicht von anderen Beteiligungen der Schweiz an internationalen Forschungsprojekten oder Forschungsinfrastrukturen, bei denen auch nationales oder europäisches Recht zur Anwendung gelangt oder welche die Zuständigkeit von Schiedsgerichten oder staatlichen Gerichten zur Streitbeilegung vorsehen.

Bei einer Beteiligung an ESS-ERIC hat die Schweiz die Wahl, ob sie sich als volles Mitglied beteiligen will und damit die rechtlichen Bedingungen akzeptiert, oder ob sie lediglich im Beobachterstatus teilnehmen möchte. Der Beobachterstatus bedeutet jedoch deutlich beschränktere Einflussmöglichkeiten.

Aufgrund der Wichtigkeit der Schweizer Teilnahme an ESS-ERIC für den Forschungsplatz Schweiz und der Mitspracherechte der Schweiz im Fall einer Mitgliedschaft zieht der Bundesrat eine Mitgliedschaft dem Beobachterstatus vor. Die relative Einschränkung der Kompetenzen des Gesetzgebers (durch die Anwendbarkeit von europäischem Recht am Ort des Sitzstaats) und die Anerkennung der Zuständigkeit des EuGH im begrenzten Rahmen der ERIC-Verordnung und der ERICForschungsinfrastruktur ist angesichts der beschriebenen Vorteile eine geringe Konzession.

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln der Vorlagen

2.1

Vorlage 1: Bundesbeschluss über die Beteiligung der Schweiz an der ESS

Der Bundesrat beantragt dem Parlament, gestützt auf Artikel 166 Absatz 2 der Bundesverfassung13 (BV) den Beitritt der Schweiz zur Europäischen Spallationsquelle ESS zu genehmigen. Da es sich um den Beitritt zu einer internationalen Organisation handelt, untersteht der Bundesbeschluss dem fakultativen Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 2 BV.

2.1.1

Bestimmungen der ERIC-Verordnung, auf die in der Erklärung über die Beteiligung an der ESS Bezug genommen wird

Im Folgenden werden diejenigen Artikel der ERIC-Verordnung14 aufgeführt, die in der Erklärung15 erwähnt sind, welche die Schweiz für die Beteiligung an der ERICForschungsinfrastruktur ESS zu unterzeichnen beabsichtigt.

13 14

15

SR 101 Verordnung (EG) Nr. 723/2009 des Rates über den gemeinschaftlichen Rechtsrahmen für ein Konsortium für eine europäische Forschungsinfrastruktur (ERIC ) vom 25. Juni 2009, ABl. L 206 vom 8.8.2009, S. 1; zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 1261/2013, ABl. L 326 vom 6.12.2013, S. 1.

Template for the recognition of legal personality and capacity of an ERIC and for providing equivalent treatment of an ERIC as an international body or international organization with respect to relief from VAT and excise duties, and exemption of the procurement Directive by associated countries and third countries other than associated countries applying for setting up or for membership in a European Research Infrastructure Consortium (ERIC).

6809

Art. 5 Abs. 1 Bst. d ERIC-Verordnung (Antrag auf Gründung eines ERIC) (1) Die juristischen Personen, die die Gründung eines ERIC beantragen (nachstehend als «Antragsteller» bezeichnet), stellen einen Antrag bei der Europäischen Kommission. Der Antrag wird schriftlich in einer der Amtssprachen der Organe der Union eingereicht und enthält Folgendes: (d) eine Erklärung des Gastmitgliedstaats, der zufolge das ERIC ab dem Zeitpunkt seiner Gründung als internationale Einrichtung im Sinne von Artikel 143 Buchstabe g und Artikel 151 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 2006/112/EG und als internationale Organisation im Sinne von Artikel 23 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 92/12/EWG anerkannt wird.

Die Grenzen und Bedingungen für die in diesen Bestimmungen vorgesehenen Befreiungen werden in einer Vereinbarung zwischen den Mitgliedern des ERIC festgelegt.

Erläuterungen: Der Antrag auf Gründung eines ERIC ist der letzte Schritt in einem langen Prozess, in dem sich die Mitglieder einigen, eine neue europäische Forschungsinfrastruktur zu gründen und zu betreiben. Nachdem die nationalen Beschlüsse, an der ERIC-Forschungsinfrastruktur teilzunehmen, gefällt sind, reichen die zukünftigen Mitglieder den Antrag zur Gründung des ERIC inklusive die vorgeschlagenen Statuten an die Europäische Kommission zur Überprüfung ein.

Buchstabe d bezieht sich auf die Anerkennung der Forschungsinfrastruktur als internationale Organisation. Dies hat vor allem eine Entlastung bei der Mehrwertsteuer und spezielle Regelungen beim Beschaffungswesen zur Folge (vgl.

Erläuterungen zu Art. 7 Abs. 3).

Art. 7 der ERIC-Verordnung (Satzung des ERIC) (1) Ein ERIC besitzt Rechtspersönlichkeit ab dem Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung zu seiner Gründung wirksam wird.

(2) Ein ERIC verfügt in jedem Mitgliedstaat über die weitestgehende Rechts- und Geschäftsfähigkeit, die juristischen Personen nach dem Recht dieses Mitgliedstaats zuerkannt wird. Insbesondere kann es bewegliches und unbewegliches Vermögen sowie geistiges Eigentum erwerben, besitzen und veräußern, Verträge schließen und vor Gericht auftreten.

(3) Ein ERIC ist eine internationale Organisation im Sinne von Artikel 15 Buchstabe c der Richtlinie 2004/18/EG.

Erläuterungen: Die Rechtspersönlichkeit und volle Rechtsfähigkeit sind die grundlegenden Elemente jeder rechtlichen
Einheit.

Artikel 7 Absatz 3 bedeutet, dass ein ERIC nicht gezwungen ist, den nationalen Bestimmungen des öffentlichen Beschaffungswesens zu folgen (gemäss Art. 15c der genannten Richtlinie 2004/18/EG). Ein ERIC kann eigene Bestimmungen festlegen, sofern es über einen eigenen rechtlichen Rahmen für das Beschaffungswesen verfügt, der internationalen Standards und Praktiken entspricht. Demnach hat ein ERIC die Freiheit, sich in den Statuten auf eine eigene Beschaffungspolitik zu einigen, basierend auf den Prinzipien der Transparenz, der Nicht-Diskriminierung und des Wettbewerbs.

6810

Dieser Punkt ist für die Schweiz nur von Bedeutung, falls sie einmal Sitzstaat werden möchte, was der Bundesrat nicht plant . Das Schweizer Recht stimmt diesbezüglich mit der Regelung in der ERIC-Verordnung überein, indem Beschaffungen einer internationalen Organisation in einem besonderen Verfahren vergeben werden können und nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe d des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 199416 über das öffentliche Beschaffungswesen nicht unter dieses Gesetz fallen.

Die Tatsache, dass Forschungsinfrastrukturen mit ERIC-Rechtsrahmen von der Mehrwertsteuer befreit sind, hat für die Schweiz den Vorteil, dass auch bei Forschungsinfrastrukturen im Ausland die Schweizer Forschungsgelder ausschliesslich der Forschung zu Gute kommen, und keine Mittel in ausländische MehrwertsteuerSysteme fliessen.

Art. 15 der ERIC-Verordnung (Anwendbares Recht und Gerichtsstand) (1) Die Gründung und interne Funktionsweise eines ERIC unterliegen a)

dem Gemeinschaftsrecht, insbesondere dieser Verordnung und den in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a und Artikel 11 Absatz 1 genannten Entscheidungen;

b)

in den Angelegenheiten, die in den in Buchstabe a genannten Rechtsakten nicht oder nur teilweise geregelt sind, dem Recht des Staates, in dem das ERIC seinen satzungsmäßigen Sitz hat;

c)

der Satzung und ihren Durchführungsvorschriften.

(2) Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ist zuständig für die das ERIC betreffenden Rechtsstreitigkeiten zwischen den Mitgliedern untereinander sowie zwischen den Mitgliedern und dem ERIC und für Rechtsstreitigkeiten, bei denen die Gemeinschaft eine Partei ist.

(3) Für Streitigkeiten zwischen dem ERIC und Dritten gelten die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit. In allen Fällen, die nicht in den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften vorgesehen sind, bestimmt das Recht des Staates, in dem das ERIC seinen satzungsmäßigen Sitz hat, die gerichtliche Zuständigkeit für die Beilegung solcher Streitigkeiten.

Erläuterungen: Artikel 15 fokussiert auf den Aufbau und den internen Betrieb eines ERIC. Diese sind durch die ERIC-Verordnung, das Recht des Sitzstaates und die Statuten geregelt. Bezüglich sozialer Sicherheit bestimmen die EU-Regelungen zur Koordination der Systeme der sozialen Sicherheit das anwendbare Recht. Im Freizügigkeitsabkommen der Schweiz mit der EU17 ist die Übernahme der entsprechenden Verordnung geregelt. Individuelle Arbeitsverträge werden in einem ERIC gleich geregelt wie für alle anderen Arbeitnehmenden. Demzufolge kann in einem Arbeitsvertrag spezifiziert werden, welches nationale Recht angewendet wird.

16 17

SR 172.056.1 Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit, SR 0.142.112.681 (Anhang II Abschnitt A)

6811

Die in Absatz 1 Buchstabe a erwähnten Artikel betreffen den Entscheid der Europäische Kommission über die Gründung eines ERIC nach Prüfung der Einhaltung der ERIC-Verordnung (Art. 6 Abs. 1 Bst. a) sowie die Genehmigung einer Änderung der Statuten durch die Europäische Kommission (Art. 11 Abs. 1).

Für Erläuterungen zu Artikel 15 Absatz 2 siehe Ziffer 1.5.2 («Erklärung zur Teilnahme an ERIC-Forschungsinfrastrukturen, anwendbares Recht und Gerichtsbarkeit»).

2.1.2

ESS-Statuten

Die Ausarbeitung der ESS-Statuten ist ein iterativer Prozess zwischen dem schwedischen Forschungsministerium und der europäischen Kommission. Modifikationen an den Statuten müssen vor der Weiterleitung nach Brüssel vom ESS-Steuerungsausschuss einstimmig genehmigt werden. Die Kommission prüft die Statuten jeweils auf die Kompatibilität mit der ERIC-Verordnung, welche für die endgültige Version der Statuten zu 100 % erreicht werden muss. Die Annexes sind seit der Version vom Juni 2014 kein integraler Teil mehr der Statuten; deren Änderungen brauchen nicht mehr die Zustimmung der Kommission und können einstimmig vom ESSSteuerungsausschuss beschlossen werden.

Annex 6 der Statuten listet die genehmigten In-kind-Beiträge der ESS-Partnerländer zur Design-Update-Phase auf; für die Schweiz werden hier die Leistungen des PSI (vgl. Ziff. 1.4.1) aufgeführt. In Artikel 6 Ziffer 2 der Statuten werden die im Letter of Intent (LoI) zugesagten finanziellen Mittel (in-kind oder bar) der ESSGründungsmitglieder zum Bau der Infrastruktur aufgelistet. Diese Liste wird entlang der unterzeichneten LoI fortlaufen aufdatiert.

Die ESS-Statuten wurden im Mai 2014 durch das ESS Steering Committee und im Juni 2014 durch das zuständige schwedische Ministerium formell verabschiedet. Der letzte formelle Schritt besteht nun darin, dass das ERIC-Office der EU-Kommission die Statuten nochmals im Sinne der ERIC-Verordnung abschliessend validiert. Die ESS-Statuten werden daher weder strukturelle noch inhaltliche sondern höchsten Falls verschwindend kleine textliche und grammatikalische Änderungen erfahren.

Zudem ist zu erwarten, dass die Statuten vor der Behandlung des vorliegenden Geschäfts im Parlament (Zweitrat geplant Frühlingssession 2015) definitiv in Kraft sein werden. Ein möglichst rascher Entscheid der Schweiz zum ESS-Beitritt ist für die Organisation sehr wichtig.

2.2

Vorlage 2: Änderung des Bundesbeschlusses über die Kredite für die internationale Zusammenarbeit in Bildung, Forschung und Innovation für die Jahre 2013­2016

Der Bundesrat beantragt einen Zusatzkredit von 97,8 Millionen zur Sicherstellung der Langzeitfinanzierung der European Spallation Source (ESS) bis ins Jahr 2026.

Die Beiträge am Betrieb der ESS sollen danach dem Parlament jeweils mit der Botschaft zum Voranschlag zur Genehmigung vorgelegt werden.

6812

Nach Genehmigung der Beteiligung der Schweiz an der ESS-ERIC erhalten alle Beiträge an die Infrastruktur ab sofort den Charakter von Pflichtbeiträgen.

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

3.1.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die finanziellen Auswirkungen der Schweizer Beteiligung an der internationalen Forschungsinfrastruktur ESS (Vorlagen 1 und 2) sind Ziffer 1.4.2 der vorliegenden Botschaft beschrieben. Für die Europäische Spallationsquelle ESS ist die Haftung gemäss ESS-Statuten (Art. 16 Abs. 3) auf den finanziellen Beitrag der Schweiz limitiert.

Mit der Genehmigung der Statuten durch das Parlament verpflichtet sich die Schweiz zur Langzeitbeteiligung an der ESS. Eine Kündigung ist per 31. Dezember 2026 unter Einhaltung einer Frist von 3 Jahren möglich.

Die Folgen der Beendigung der Schweizer Beteiligung an der ESS, insbesondere die Anteile an den Kosten für die Stilllegung, müssten zwischen den verbleibenden Mitgliedern und der Schweiz in einer separaten Vereinbarung geregelt werden.

Personelle Auswirkungen auf den Bund entstehen ausschliesslich durch den Einsitz von Schweizer Delegierten in Steuerungs- und Administrativ-/Finanzkomitees der internationalen Organisationen. Die Beteiligung an ESS kann mit den bestehenden personellen Ressourcen abgedeckt werden.

3.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Die Beteiligung der Schweiz an ESS-ERIC hat keine direkten regionalpolitischen Auswirkungen. Für Schweizer Regionen, in denen eine an internationalen Forschungsinfrastrukturen beteiligte Institution ansässig ist, ergibt sich ein indirekter Nutzen durch die Möglichkeit, entsprechende Forschungsbeiträge zu akquirieren und durch den Zugang zu diesen Infrastrukturen. Eine erfolgreiche Beteiligung an renommierten internationalen Forschungsinfrastrukturen erhöht zudem die Reputation der teilnehmenden Institution sowie der Region als Forschungsstandort.

3.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die in grossen Forschungsanlagen, wie der Europäischen Spallationsquelle ESS,gewonnenen Kenntnisse können möglicherweise für die Produktion von neuen Konsumgütern eingesetzt werden. Die EU legt ihre Förderprioritäten auf marktnahe Projekte, welche die Entwicklung von innovativen Produkten erwarten lassen. Die Europäische Spallationsquelle ESS wird diesbezüglich massgebliche Beiträge bei der Erforschung und Verbesserung von effizienten Brennstoffzellen, supraleitenden Materialien und leistungsfähigeren Katalysatoren leisten.

6813

Mit aus der Beteiligung an ESS-ERIC gewonnenen Erkenntnissen kann die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft und Gesellschaft gesteigert werden. Durch die Beteiligung an solchen Anlagen im Ausland können Schweizer Unternehmen von Industrieaufträgen profitieren, z. B. im Hinblick auf benötigte Spezialgeräte oder spezifische Teile.

3.4

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Internationale Forschungsinfrastrukturen, wie die Europäische Spallationsquelle ESS, bilden für die Schweizer Forschung einen wichtigen und effizienten Zugang zu weltweit relevanten wissenschaftlichen Kenntnissen. In solchen Grossanlagen gewonnenes Wissen oder Erfahrungen haben schon zu wesentlichen Veränderungen in der Gesellschaft geführt.

Die internationale Forschungszusammenarbeit wirkt sich auf verschiedene Gesellschaftsbereiche (z. B. Bildung, Wohlfahrt, Gesundheit, Sicherheit), in der Wissenschaft (Nachwuchsförderung, Entwicklung von Wissen usw.) positiv aus und begünstigt Entwicklungen und Innovationen, auch wenn sich dies nicht im Detail beziffern lässt.

3.5

Auswirkungen auf die Umwelt

Internationale Forschungsinfrastrukturen, wie die Europäische Spallationsquelle ESS, leisten mit ihrem Wissensgewinn und Innovationen einen wichtigen Beitrag zu Fortschritten im Bereich der nachhaltigen Entwicklung, und zwar in allen drei Dimensionen Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft. Sie begünstigen Innovationen und Entwicklungen, die der Umwelt zu Gute kommen können (Energiegewinnung, Ressourcenschonung, Emissionsminderung, usw.).

4

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu nationalen Strategien des Bundesrates

4.1

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Beteiligung der Schweiz an ESS-ERIC ist in der Botschaft vom 25. Januar 201218 zur Legislaturplanung 2011­2015 unter Ziel 24 «Die hohe Qualität und der international gute Ruf des schweizerischen Hochschulsystems und der Forschung sind gewährleistet»19 explizit aufgeführt. Die Beteiligung bei ERIC-Forschungsinfrastrukturen ist mit diesem Ziel stark verknüpft, da in vielen Bereichen eine hohe Forschungsqualität vom Zugang zu internationalen Forschungsinfrastrukturen abhängig ist. Die BFI-Botschaft 2013­2016 enthält zudem verschiedene Ziele, die sehr stark mit dieser Vorlage verbunden sind. Es sind dies die Ziele des Bundesrates zur Förderung von Forschung und Innovation, insbesondere Ziel 3 «Investitionen in strategisch notwendige Forschungsinfrastrukturen». Betroffen sind im Weiteren Ziel 1 «Positionierung der Schweiz als international anerkannter wettbewerbsfähiger 18 19

BBl 2012 481 BBl 2012 7155, hier 7164

6814

Denk- und Werkplatz», Ziel 2 «Sichern der Spitzenstellung in zukunftsträchtigen Themenbereichen» und Ziel 4 «Strategische Weiterführung der internationalen Zusammenarbeit und Vernetzung»20.

Die Teilnahme der Schweiz an ESS-ERIC ist dringlich, weil: ­

die Beteiligung von Schweizer Institutionen für den Forschungsstandort Schweiz von zentraler Bedeutung ist und vom Bundesrat als wichtiges Instrument für die optimale Positionierung der Schweiz im internationalen Kontext eingestuft wird21.

­

die Schweiz an ESS-ERIC führend beteiligt ist, mit bereits bewilligter Finanzierung.

­

ohne Schweizer Teilnahme an ESS-ERIC Schweizer Partnerinstitutionen nur mit Beobachterstatus teilnehmen könnten und bezüglich Planung, Mitspracherechte etc. gegenüber den anderen Mitgliedern erheblich benachteiligt wären.

Diese drei Punkte haben spezielle Gültigkeit bei der Dringlichkeit einer Schweizer Teilnahme bei der European Spallation Source ESS, für die mit der BFI-Botschaft 2013­2016 bereits substanzielle Mittel bewilligt wurden22 und die in der Zwischenzeit die Rechtsform eines ERIC angenommen hat.

4.2

Verhältnis zu nationalen Strategien des Bundesrates

Internationale Zusammenarbeit in der Forschung hat für den Bundesrat höchste Priorität.23 Die Stärkung und Erweiterung grenzüberschreitender Forschungskooperationen hilft der Schweiz, ihre Position als einen der weltweit wettbewerbsfähigsten Wissenschaftsstandorte zu konsolidieren. In der vom Bundesrat 2010 festgelegten internationalen Strategie sind die dafür längerfristig massgebenden Richtlinien festgelegt.24 Eine wichtige Strategie des Bundesrates, um die Schweiz in internationalen Kontext optimal zu positionieren, ist die Beteiligung an ESS-ERIC, eine von verschiedenen Ländern gemeinsam genutzte Forschungsinfrastruktur25. Ein wesentliches Instrument zur Umsetzung dieser Strategie ist die im März 2011 vom Bundesrat genehmigte CH-Roadmap für Forschungsinfrastrukturen (aktualisiert 2012). Die Beteiligung der Schweiz an ESS-ERIC ist also klar im Sinne der genannten Strategien.

20 21 22 23

24

25

BBl 2012 3099, hier 3128 BBl 2012 3099, hier 3235­3239 BBl 2012 3099, hier 3239 Internationale Strategie der Schweiz im Bereich Bildung, Forschung und Innovation.

Juni 2010; www.sbfi.admin.ch > Dokumentation > Publikationen > Forschung und Innovation Internationale Strategie der Schweiz im Bereich Bildung, Forschung und Innovation.

Juni 2010; www.sbfi.admin.ch > Dokumentation > Publikationen > Forschung und Innovation BBl 2012 3099, hier 3235­3239.

6815

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

5.1.1

Beitritt zu ESS-ERIC (Vorlage 1)

Die Teilnahme der Schweiz an ESS-ERIC bedingt den Beitritt zu einer internationalen Organisation. Der Beitritt erfolgt aufgrund einer einseitigen Erklärung der Schweiz in Form eines Templates zuhanden der Europäischen Kommission.

Die einseitige Erklärung ist aufgrund ihrer forschungspolitischen und wirtschaftlichen Wirkung als Staatsvertrag zu qualifizieren. Es kommen darum sinngemäss die innerstaatlichen Regeln über die Staatsvertragsabschlusskompetenz zur Anwendung.

Nach Artikel 166 Absatz 2 BV ist für die Genehmigung völkerrechtlicher Verträge die Bundesversammlung zuständig, sofern für deren Abschluss nicht aufgrund von Gesetz oder völkerrechtlichem Vertrag der Bundesrat zuständig ist (Art. 24 Abs. 2 ParlG und Art. 7a Abs. 1 RVOG).

Der Bundesrat hat gestützt auf Artikel 31 Absatz 1 und 2 des FIFG26 die Kompetenz, völkerrechtliche Verträge über die internationale Zusammenarbeit im Bereich von Forschung und Innovation abzuschliessen. Der Beitritt zu internationalen Forschungsinfrastrukturen unter dem ERIC- Rechtsrahmen ist in dieser Kompetenz nicht enthalten.

Die Teilnahme der Schweiz an ERIC-ESS muss somit dem Parlament zur Genehmigung unterbreitet werden.

Die Beteiligung der Schweiz an ESS-ERIC hat keine Anpassungen des Landesrechts zur Folge und es sind keine wichtigen rechtssetzenden Bestimmungen vorhanden.

Auch stellt die Beteiligung der Schweiz an ESS-ERIC kein Vorhaben von grosser politischer, finanzieller oder ökologischer Tragweite dar und das Vorhaben wird nicht im erheblichen Masse ausserhalb der Bundesverwaltung umgesetzt. Somit wurde im Sinne von Artikel 2 und Artikel 3 Absatz 2 des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 200527 auf ein Vernehmlassungsverfahren verzichtet.

5.1.2

Finanzierung von ESS-ERIC (Vorlage 2)

Die Zuständigkeit der Bundesversammlung für die beantragte Änderung des Finanzierungsbeschlusses ergibt sich aus Artikel 167 BV und gemäss Artikel 36 Buchstabe d FIFG.

5.2

Erlassform

Nach Artikel 163 Absatz 2 der BV und Artikel 25 Absatz 2 ParlG28 ist für den Beschluss nach Vorlage 2 die Form des einfachen, also nicht dem Referendum unterstehenden Bundesbeschlusses vorgesehen.

26 27 28

SR 420.1 SR 172.061 SR 171.10

6816

Die Teilnahme der Schweiz an ERIC-ESS bewirkt den Beitritt zu einer internationalen Organisation, deshalb untersteht der Bundesbeschluss nach Vorlage 1 dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 2 BV.

5.3

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV bedürfen Finanzierungsbeschlüsse, die neue einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken oder neue wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen, der Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder beider Räte. Diese Bestimmung trifft auf die Vorlage 2 (Art. 5 Abs. 2) zu.

5.4

Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes

Seit 2008 muss in allen Botschaften zur Schaffung bzw. Änderung von Rechtsgrundlagen für Subventionen sowie in Botschaften zu Kreditbeschlüssen und Zahlungsrahmen Bericht erstattet werden über die Einhaltung der im SuG festgelegten Grundsätze.

Dies betrifft Vorlage 2, die Änderung des Bundesbeschlusses über die Kredite für die internationale Zusammenarbeit in Bildung, Forschung und Innovation für die Jahre 2013­2016 (Art. 5 Abs. 2).

Im Folgenden werden die wichtigsten Fragen im Rahmen der Subventionsberichterstattung beantwortet. Die finanziellen Mittel, welche für die Erreichung der angestrebten Ziele vorgesehen sind, befinden sich unter Ziffer 1.4.2 in der vorliegenden Botschaft.

Bedeutung für die vom Bund angestrebten Ziele Die Beteiligung der Schweiz an ESS-ERIC ist in der Botschaft vom 25. Januar 201229 zur Legislaturplanung 2011­2015 unter Ziel 24 «Die hohe Qualität und der international gute Ruf des schweizerischen Hochschulsystems und der Forschung sind gewährleistet»30 explizit aufgeführt. Die internationale Zusammenarbeit ist explizit eine Dimension der BFI-Förderpolitik (Int. BFI-Strategie des Bundes vom 30.6.2010). Die Einbindung der Schweiz in einen internationalen Kontext sichert ihr einen Spitzenplatz im Bereich Bildung und Forschung.

Materielle und finanzielle Steuerung Die Einflussmöglichkeiten des Bundes auf die Organisationen und Institutionen erfolgt über die Schweizer Delegierten in den verschiedenen Organen, Gremien und Komitees. Dabei werden nebst politischen und strategischen Elementen auch finanzielle Bereiche wie Jahresbudgets, Mittelfristplanung und Beitragsschlüssel gesteuert.

29 30

BBl 2012 481 BBl 2012 7155, hier 7164

6817

Verfahren der Beitragsgewährung Die verfügbaren Mittel werden entweder in Form von übrigen Beiträgen an internationale Organisationen oder direkt mittels Beiträgen an Dritte in Forschungsprojekte oder Zusammenarbeitsprojekte im Bildungsbereich investiert. Bei den Organisationen stellen die Mitgliedsländer in Gremien und Komitees sicher, dass die Mitgliederbeiträge zielgerichtet und effizient eingesetzt werden. Die Jahresberichte werden von externen Auditoren überprüft.

Die Beitragsgewährung bei ESS wird für den Bau und den initialen Betrieb über einen Verpflichtungskredit gesteuert. Die Jahresbeiträge der Schweiz am kontinuierlichen Betrieb der ESS werden dem Parlament jeweils mit der Botschaft zum Voranschlag zur Genehmigung vorgelegt.

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