13.107 Botschaft zur Volksinitiative «Millionen-Erbschaften besteuern für unsere AHV (Erbschaftssteuerreform)» vom 13. Dezember 2013

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft beantragen wir Ihnen, die Volksinitiative «Millionen-Erbschaften besteuern für unsere AHV (Erbschaftssteuerreform)» Volk und Ständen zur Abstimmung zu unterbreiten mit der Empfehlung, die Initiative abzulehnen.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

13. Dezember 2013

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ueli Maurer Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2013-2707

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Übersicht Die Volksinitiative «Millionen-Erbschaften besteuern für unsere AHV (Erbschaftssteuerreform)» will eine Erbschafts- und Schenkungssteuer auf Bundesebene einführen. Dies würde die Steuerhoheit der Kantone einschränken. Die bestehende Kompetenzordnung, die den Kantonen beträchtliche Einnahmen sichert, soll jedoch nach dem Willen des Bundesrates beibehalten werden. Die künftige Finanzierung der AHV soll mit anderen Mitteln sichergestellt werden und ist Gegenstand eines laufenden Projekts. Der Bundesrat empfiehlt, die Initiative abzulehnen.

Inhalt der Initiative Die Initiantinnen und Initianten fordern die Einführung einer nationalen Erbschaftsund Schenkungssteuer. Diese soll auf Nachlässen und Schenkungen über 2 Millionen Franken zu einem Satz von 20 Prozent erhoben werden. Die Erhebung und der Bezug der Steuer erfolgen durch die Kantone. Der Ertrag der Steuer geht zu zwei Dritteln an den Ausgleichsfonds der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) und zu einem Drittel an die Kantone. Witwen und Witwer, überlebende eingetragene Partnerinnen und Partner sowie von der Gewinnsteuer befreite juristische Personen sind von der Steuer befreit, ebenso Schenkungen bis 20 000 Franken pro Jahr und beschenkte Person. Ansonsten sind Schenkungen rückwirkend ab dem 1. Januar 2012 dem Nachlass anzurechnen. Gehören Unternehmen oder Landwirtschaftsbetriebe zum Nachlass oder zur Schenkung und werden sie von den Erben, Erbinnen oder Beschenkten mindestens zehn Jahre weitergeführt, so hat der Gesetzgeber für deren Besteuerung besondere Ermässigungen vorzusehen, damit ihr Weiterbestand nicht gefährdet wird und die Arbeitsplätze erhalten bleiben.

Vorzüge und Mängel der Initiative Die von der Initiative geforderte Kompetenzverlagerung von den Kantonen zum Bund würde die föderalistischen Zuständigkeiten im Steuerbereich massgeblich verändern. Sie stellt einen Eingriff in die Steuerhoheit und das Steuersubstrat der Kantone dar und wird daher vom Bundesrat abgelehnt. Es ist zudem davon auszugehen, dass die Kantone bei Annahme der Initiative trotz ihres Anteils von einem Drittel am Steuerertrag insgesamt mit Mindereinnahmen rechnen müssen. Dies wird zumindest dann der Fall sein, wenn für Unternehmen und Landwirtschaftsbetriebe deutliche Abschläge gewährt werden.

Zudem ist die Ausgestaltung der Erbschafts- und Schenkungssteuer in verschiedener Hinsicht problematisch, insbesondere bezüglich der rückwirkenden Anrechnung der Schenkungen ab dem 1. Januar 2012.

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Zwei Drittel der Erträge sollen an den AHV-Ausgleichsfonds fliessen. So willkommen zusätzliche Einnahmen für die AHV an sich sind, vermag dieser Umstand die Bedenken bezüglich der föderalistischen Kompetenzordnung nicht zu überwiegen.

Der Bundesrat will die künftige Finanzierung der AHV im Rahmen der geplanten Reform Altersvorsorge 2020 mit anderen Mitteln sicherstellen.

Antrag des Bundesrates Der Bundesrat empfiehlt, die Volksinitiative ohne Gegenentwurf abzulehnen.

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Botschaft 1

Formelle Aspekte und Gültigkeit der Initiative

1.1

Wortlaut der Initiative

Die Volksinitiative «Millionen-Erbschaften besteuern für unsere AHV (Erbschaftssteuerreform)» hat den folgenden Wortlaut: I Die Bundesverfassung1 wird wie folgt geändert: Art. 112 Abs. 3 Bst. abis (neu) 3

Die Versicherung wird finanziert: abis. aus den Erträgen der Erbschafts- und Schenkungssteuer;

Art. 129a (neu)

Erbschafts- und Schenkungssteuer

Der Bund erhebt eine Erbschafts- und Schenkungssteuer. Die Steuer wird von den Kantonen veranlagt und eingezogen. Zwei Drittel des Ertrages erhält der Ausgleichsfonds der Alters- und Hinterlassenenversicherung, ein Drittel verbleibt den Kantonen.

1

Die Erbschaftssteuer wird auf dem Nachlass von natürlichen Personen erhoben, die ihren Wohnsitz im Zeitpunkt des Todes in der Schweiz hatten oder bei denen der Erbgang in der Schweiz eröffnet worden ist. Die Schenkungssteuer wird beim Schenker oder bei der Schenkerin erhoben.

2

3

4

Der Steuersatz beträgt 20 Prozent. Nicht besteuert werden: a.

ein einmaliger Freibetrag von 2 Millionen Franken auf der Summe des Nachlasses und aller steuerpflichtigen Schenkungen;

b.

die Teile des Nachlasses und die Schenkungen, die dem Ehegatten, der Ehegattin, dem registrierten Partner oder der registrierten Partnerin zugewendet werden;

c.

die Teile des Nachlasses und die Schenkungen, die einer von der Steuer befreiten juristischen Person zugewendet werden;

d.

Geschenke von höchstens 20 000 Franken pro Jahr und beschenkte Person.

Der Bundesrat passt die Beträge periodisch der Teuerung an.

Gehören Unternehmen oder Landwirtschaftsbetriebe zum Nachlass oder zur Schenkung und werden sie von den Erben, Erbinnen oder Beschenkten mindestens zehn Jahre weitergeführt, so gelten für die Besteuerung besondere Ermässigungen, damit ihr Weiterbestand nicht gefährdet wird und die Arbeitsplätze erhalten bleiben.

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1

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SR 101

II Die Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung werden wie folgt geändert: Art. 197 Ziff. 92 (neu) 9. Übergangsbestimmung zu Art. 112 Abs. 3 Bst. abis und 129a (Erbschafts- und Schenkungssteuer) Die Artikel 112 Absatz 3 Buchstabe abis und 129a treten am 1. Januar des zweiten Jahres nach ihrer Annahme als direkt anwendbares Recht in Kraft. Auf den gleichen Zeitpunkt werden die kantonalen Erlasse über die Erbschafts- und Schenkungssteuer aufgehoben. Schenkungen werden rückwirkend ab 1. Januar 2012 dem Nachlass zugerechnet.

1

2 Der Bundesrat erlässt die Ausführungsvorschriften für die Zeit bis zum Inkrafttreten eines Ausführungsgesetzes. Dabei beachtet er folgende Vorgaben:

a.

Der steuerpflichtige Nachlass setzt sich zusammen aus: 1. dem Verkehrswert der Aktiven und Passiven im Zeitpunkt des Todes; 2. den steuerpflichtigen Schenkungen, die der Erblasser oder die Erblasserin ausgerichtet hat; 3. den Vermögenswerten, die zur Umgehung der Steuer in Familienstiftungen, Versicherungen und dergleichen investiert worden sind.

b.

Die Schenkungssteuer wird erhoben, sobald der Betrag nach Artikel 129a Absatz 3 Buchstabe a überschritten wird. Bezahlte Schenkungssteuern werden der Erbschaftssteuer angerechnet.

c.

Bei Unternehmen wird die Ermässigung nach Artikel 129a Absatz 5 durchgeführt, indem auf dem Gesamtwert der Unternehmen ein Freibetrag gewährt und der Steuersatz auf dem steuerbaren Restwert reduziert wird.

Ausserdem kann für höchstens zehn Jahre eine Ratenzahlung bewilligt werden.

d.

Bei Landwirtschaftsbetrieben wird die Ermässigung nach Artikel 129a Absatz 5 durchgeführt, indem ihr Wert unberücksichtigt bleibt, sofern sie nach den Vorschriften über das bäuerliche Bodenrecht von den Erben, Erbinnen oder Beschenkten selbst bewirtschaftet werden. Werden sie vor Ablauf der Frist von zehn Jahren aufgegeben oder veräussert, so wird die Steuer anteilmässig nachverlangt.

1.2

Zustandekommen und Behandlungsfristen

Die Volksinitiative «Millionen-Erbschaften besteuern für unsere AHV (Erbschaftssteuerreform)» wurde am 2. August 2011 von der Bundeskanzlei vorgeprüft3 und am 15. Februar 2013 mit den nötigen Unterschriften eingereicht.

2 3

Die endgültige Ziffer dieser Übergangsbestimmung wird nach der Volksabstimmung von der Bundeskanzlei festgelegt.

BBl 2011 6459

129

Mit Verfügung vom 12. März 2013 stellte die Bundeskanzlei fest, dass die Initiative mit 110 205 gültigen Unterschriften zustande gekommen ist.4 Die Initiative hat die Form des ausgearbeiteten Entwurfs. Der Bundesrat unterbreitet dazu weder einen direkten Gegenentwurf noch einen indirekten Gegenvorschlag.

Nach Artikel 97 Absatz 1 Buchstabe a des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20025 (ParlG) hat der Bundesrat somit spätestens bis zum 15. Februar 2014 einen Beschlussentwurf und eine Botschaft zu unterbreiten. Die Bundesversammlung hat nach Artikel 100 ParlG bis zum 15. August 2015 über die Abstimmungsempfehlung zu beschliessen.

1.3

Gültigkeit

Die Initiative erfüllt die Anforderungen an die Gültigkeit nach Artikel 139 Absatz 3 BV: a.

Sie ist als vollständig ausgearbeiteter Entwurf formuliert und erfüllt somit die Anforderungen an die Einheit der Form.

b.

Zwischen den einzelnen Teilen der Initiative besteht ein sachlicher Zusammenhang. Die Initiative erfüllt somit die Anforderungen an die Einheit der Materie (vgl. nachstehende Begründung).

c.

Die Initiative verletzt keine zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts.

Sie erfüllt somit die Anforderungen an die Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht.

Einheit der Materie Der Grundsatz der Einheit der Materie wird in Artikel 75 Absatz 2 des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 19766 über die politischen Rechte (BPR) wie folgt umschrieben: «Die Einheit der Materie ist gewahrt, wenn zwischen den einzelnen Teilen einer Volksinitiative ein sachlicher Zusammenhang besteht.» Mit dieser Anforderung soll die freie und unverfälschte Willensbildung und -kundgebung der Unterzeichnerinnen und Unterzeichner sowie der Stimmenden geschützt werden. In der Botschaft zu Artikel 75 Absatz 2 BPR ist die Vorschrift wie folgt erläutert worden: «Initiativen, welche verschiedene Materien, zwischen denen kein sachlicher Zusammenhang besteht, willkürlich verkoppeln, sind ... ungültig zu erklären. Der Stimmberechtigte soll sowohl bei der Unterzeichnung einer Initiative als auch bei der Volksabstimmung darüber seinen wirklichen Willen klar zum Ausdruck bringen können. Dies wäre unmöglich, wenn er mit einer einzigen Stimme zu einer Initiative Stellung nehmen muss, die mehrere, wesentlich verschiedene Postulate vermischt».7 Der «sachliche Zusammenhang» ist ein offener Rechtsbegriff und lässt einen weiten Ermessensspielraum offen. Aufgrund der langjährigen Praxis hat die Lehre verschiedene Fallgruppen gebildet, bei denen die Einheit der Materie zu bejahen ist, namentlich:

4 5 6 7

130

BBl 2013 2267 SR 171.10 SR 161.1 BBl 1975 I 1351

­

Beschränkung auf ein einziges Thema Zulässig sind zunächst Initiativen, die sich auf ein einzelnes, klar umschriebenes Thema beziehen, wie zum Beispiel das Minarett-Verbot. Zulässig sind aber auch solche, in denen die verschiedenen Themen des Initiativtextes einen inneren Zusammenhang aufweisen. So enthielt beispielsweise die Initiative «für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten»8 neben Vorschriften über den Kriegsmaterialexport auch einen Auftrag zur Förderung internationaler Bestrebungen für Abrüstung und Rüstungskontrolle.

­

Verbindung eines Zwecks mit einem Finanzierungsvorschlag Die Einheit der Materie ist gewahrt, wenn die Initiative nebst dem angestrebten Zweck auch dessen Finanzierung umschreibt. Beispielsweise verlangte die Initiative «Für eine soziale Einheitskasse»9 einerseits eine Einheitskasse für die obligatorische Krankenversicherung, andererseits eine Festlegung der Prämien nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Versicherten.

­

Verbindung eines Ziels mit sachlich dazu gehörenden Mitteln oder mit den sich daraus ergebenden Konkretisierungen Als Beispiel sei die Initiative «Gesundheit muss bezahlbar bleiben (Gesundheitsinitiative)»10 erwähnt. Sie enthielt das Ziel einer hochstehenden, bedarfsgerechten und kostengünstigen medizinischen Versorgung. Dieses Ziel sollte durch verschiedene Massnahmen (z.B. eine teilweise steuerfinanzierte obligatorische Krankenversicherung und eine eingehende Regelung der Erbringung medizinischer Dienstleistungen) erreicht werden.

­

Verknüpfung mehrerer zusammenhängender Anliegen Zulässig ist nach der Lehrmeinung die Verknüpfung mehrerer Forderungen, die einem einheitlichen Thema zugerechnet werden können. So sah z.B. die Initiative «für eine Reichtumssteuer»11 neben der Einführung einer Reichtumssteuer auf Bundesstufe auch ausführliche Regelungen über die Steuerharmonisierung und minimale Steuersätze für die Erhebung kantonaler und kommunaler Steuern vor.

Die Praxis der Bundesversammlung zur Einheit der Materie ist anerkanntermassen grosszügig. Seit der Einführung der Volksinitiative auf Teilrevision der Bundesverfassung (1891) hat die Bundesversammlung nur zwei Initiativen wegen Verletzung der Einheit der Materie für ungültig erklärt und eine Initiative nach Materien aufgeteilt zur Abstimmung gebracht. Beim ersten Fall der Ungültigerklärung ging es um die PdA-Initiative «gegen Teuerung und Inflation»12. Diese enthielt ein umfangreiches Paket wirtschafts- und sozialpolitischer Postulate und Massnahmen, u.a. ein Recht auf Arbeit, ein Recht auf Wohnung, die Garantie des Bestehens einer gesunden Landwirtschaft, Massnahmen gegen Kartelle und Trusts und für eine stark progressive Besteuerung etc.

8 9 10 11 12

BBl 2007 7219 BBl 2005 533 BBl 1999 7308 BBl 1974 II 258 BBl 1975 II 285

131

Der zweite Fall betraf die sogenannte «Armeehalbierungsinitiative»13. Diese Initiative verlangte eine stufenweise Kürzung der Kredite für die Landesverteidigung auf 50 Prozent gegenüber dem Ausgangsjahr; die eingesparten Mittel sollten schwergewichtig zugunsten zusätzlicher Aufwendungen für internationale Friedenspolitik und soziale Sicherheit im Inland verwendet werden. Bei dieser Initiative wurde darüber gestritten, ob es zulässig sei, die Verminderung der Ausgaben für die Landesverteidigung mit dem Auftrag zu verknüpfen, einen Teil der eingesparten Mittel für Mehrausgaben im Bereich der sozialen Sicherheit zu verwenden. Die staatspolitische Kommission des Nationalrates hörte dazu vier Professoren an (J.-F. Aubert, Th. Fleiner, W. Haller und P. Richli). Drei dieser Professoren hielten diese Verknüpfung für zulässig; einzig Prof. Richli machte geltend, bei einer Verfassungsbestimmung, welche die Umlagerung von Finanzmitteln verlange, müsste zwischen den verschiedenen Ausgabenbereichen ein sachlicher Zusammenhang bestehen. Das Parlament folgte damals der Meinung von Prof. Richli und erklärte die Initiative für ungültig.

In der Literatur wird dieser Entscheid vor dem Hintergrund der zuvor geübten (grosszügigen) Praxis und der nachfolgenden (ebenfalls grosszügigen) Praxis überwiegend als inkonsistent betrachtet.14 In der Tat hat die Bundesversammlung beispielsweise im Jahr 2001 die Initiative «für eine gesicherte AHV ­ Energie statt Arbeit besteuern»15 für gültig erklärt, obwohl diese vorsah, den Ertrag einer neuen Energiesteuer zur Senkung von Sozialversicherungsbeiträgen zu verwenden.

Im Weiteren ist auch Folgendes zu beachten: Die Erbschaftssteuer-Initiative verlangt einerseits die Erhebung einer Bundessteuer auf Erbschaften und Schenkungen, andererseits die Verwendung des Ertrags zu zwei Dritteln für die AHV-Finanzierung, während ein Drittel den Kantonen verbleiben soll. Das klar erkennbare Konzept der Initiative ist also die Erhebung einer Zwecksteuer. Die Einführung solcher Zwecksteuern in einer Verfassungsvorlage ist bisher nie als Verstoss gegen die Einheit der Materie betrachtet worden. Beispielsweise ist bei der Aufhebung des Spielbankenverbots16 vorgesehen worden, eine Spielbankenabgabe zu erheben und deren Ertrag für die Finanzierung der AHV zu verwenden. Auch der neue Spielbankenartikel
(Art. 106 BV), der als Gegenentwurf zu einer Volksinitiative am 11. März 2012 angenommen wurde, ist bezüglich Spielbankenabgabe und Ertragsverwendung gleich konzipiert worden. Es wäre höchst widersprüchlich (und für die künftige Praxis der Bundesversammlung wohl verhängnisvoll), wenn die Erhebung von Zwecksteuern in einer Vorlage wegen Verstosses gegen die Einheit der Materie ausgeschlossen würde. Dass die Initiative ferner noch vorsieht, die kantonalen Erlasse über die Erbschafts- und Schenkungssteuer würden mit dem Inkrafttreten der Bundessteuer aufgehoben, ist eine sachlogisch unmittelbar mit der Einführung der neuen Bundessteuer zusammenhängende Nebenbestimmung.

Schliesslich sei daran erinnert, dass die Bundesversammlung in ihrer Praxis ihren Ermessensspielraum nach dem Grundsatz «in dubio pro populo» nutzt, was bedeutet, dass sie im Zweifelsfall zugunsten der Volksrechte entscheidet und eine Verletzung des Grundsatzes verneint. So soll verhindert werden, dass das Initiativrecht zu sehr eingeschränkt wird. Bei der Beurteilung kantonaler Volksinitiativen geht das 13 14 15 16

132

BBl 1993 I 89 Vgl. z.B. Hangartner/Kley, Die demokratischen Rechte in Bund und Kantonen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 2000, Rz 2508.

BBl 1996 V 137 Vorlage vom 9. Oktober 1992, BBl 1992 VI 58

Bundesgericht mit dem Kriterium des sachlichen Zusammenhangs zwar etwas strenger, aber immer noch grosszügig um.17 Die bundesgerichtliche Praxis betont, «dass der Grundsatz von relativer Natur und vor dem Hintergrund der konkreten Verhältnisse zu betrachten ist».18 Das Stimmvolk hat keinen verfassungsmässigen Anspruch darauf, dass ihm einzelne oder etwa besonders wichtige Teile einer Vorlage separat zur Abstimmung unterbreitet werden.19 Der blosse Umstand, dass es Stimmberechtigte geben könnte, die der Erhebung einer Erbschaftssteuer zwar zustimmen, die vorgeschlagene Zweckbindung aber ablehnen möchten, begründet keine Verletzung der Einheit der Materie.

Zusammenfassend ergibt sich, dass die vorliegende Initiative das Erfordernis der Einheit der Materie erfüllt und somit der Bundesverfassung entspricht.

2

Ausgangslage für die Entstehung der Initiative

2.1

Erbschafts- und Schenkungssteuer

Nach geltendem Recht liegt die Erhebung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer in kantonaler Kompetenz. Mit Ausnahme des Kantons Schwyz erheben alle Kantone eine Erbschafts- und Schenkungssteuer (der Kanton Luzern erhebt eine Erbschafts-, aber keine Schenkungssteuer). Die Erbschaftssteuer ist in der Regel als Erbanfallsteuer ausgestaltet, d.h. steuerpflichtig ist der Erbe bzw. die Erbin für den eigenen Erbanteil. Bei Schenkungen ist die beschenkte Person steuerpflichtig. Der überlebende Ehegatte oder die überlebende Ehegattin (in allen Kantonen) und die Nachkommen (ausser in Appenzell Innerrhoden, Neuenburg und Waadt) sowie die öffentliche Hand und gemeinnützige Organisationen sind steuerbefreit. Betreffend Freibeträge, Steuersätze und Spezialregelungen für Unternehmen bestehen unterschiedliche kantonale Regelungen.20 Die Einnahmen der Kantone und Gemeinden aus den Erbschafts- und Schenkungssteuern erreichten 1999 mit 1,515 Milliarden Franken ihren höchsten Stand. Mit den seither in vielen Kantonen erfolgten Befreiungen der Nachkommen gingen die Einnahmen zurück. Im Jahr 2010 brachte die Besteuerung der Erbschaften und Schenkungen 974 Millionen Franken ein (Kantone: 886 Mio. Fr., Gemeinden: 88 Mio. Fr.). Gemessen an den gesamten Steuererträgen von Kantonen und Gemeinden von 63,679 Milliarden Franken ergibt dies einen Anteil von 1,53 Prozent der Steuererträge.

Der Bundesrat und die Mehrheit der eidgenössischen Räte haben die Zuständigkeit der Kantone im Bereich der Erbschafts- und Schenkungssteuern stets respektiert.

Bisherige Anläufe zur Einführung einer Erbschaftssteuer auf nationaler Ebene sind gescheitert, zuletzt eine parlamentarische Initiative Wyss aus dem Jahr 2008 (08.439 «Nationale Erbschaftssteuer ab 1 Million Franken»).

17 18 19 20

Vgl. z.B. BGE 130 I 185 sowie 129 I 366 BGE 129 I 366 E. 2.3 S. 372 BGE 129 I 366 E. 4 www.estv.admin.ch > Dokumentation > Publikationen > weitere Publikationen > Dossier Steuerinformationen > Die Erbschafts- und Schenkungssteuern

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2.2

Finanzierung der Alters- und Hinterlassenenversicherung

Die Einnahmen der Alters- und Hinterlassenenversicherung (Beitragszahlungen, Beiträge der öffentlichen Hand, Anlageertrag des AHV-Ausgleichsfonds, Einnahmen aus dem Rückgriff auf haftpflichtige Dritte) beliefen sich 2012 auf 40,8 Milliarden Franken, gegenüber Ausgaben von 38,8 Milliarden. Um die momentan noch stabile Finanzierung der AHV auch im Hinblick auf den demografischen Wandel im Gleichgewicht halten und gleichzeitig die Leistungen der Altersvorsorge garantieren zu können, müssen in Zukunft bestehende Finanzierungsquellen ausgebaut oder alternative Einnahmen erschlossen werden. Der Bundesrat hat am 20. November 2013 die Vernehmlassungsvorlage zur Reform der Altersvorsorge 2020 verabschiedet. Der Finanzierungsbedarf der AHV soll über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um maximal 2 Prozentpunkte gedeckt werden. Rentenkürzungen oder eine generelle Anhebung des Rentenalters wurden verworfen, ebenso eine Zusatzfinanzierung über höhere Lohnbeiträge. Mit den festgelegten Eckwerten soll die Finanzierung der AHV bis 2030 gesichert werden.

2.3

Vermögensverteilung

Die Vermögenskonzentration ist in der Schweiz im internationalen Vergleich hoch, wenngleich mit den USA und Schweden zwei sehr unterschiedliche Länder eine ähnlich hohe Vermögenskonzentration aufweisen.21 Diese hohe Konzentration ist eine Folge der hohen Attraktivität der Schweiz für international mobile wohlhabende Personen. Zwischen den Kantonen ergeben sich durchaus Unterschiede: So sind die Vermögen in der Waadt, Genf und Basel-Stadt stark konzentriert, während die Vermögen in Uri und Graubünden schweizweit am geringsten streuen.22 Ebenfalls ist der Befund über die Zeit hinweg uneinheitlich. Gemäss der von der ESTV aufbereiteten Vermögensstatistik der natürlichen Personen vereinigten im Jahr 1969 1,09 Prozent der vermögendsten Steuerpflichtigen 34,81 Prozent des Reinvermögens auf sich. Dieser Wert sank bis 1991 auf 30,44 Prozent, um bis 2009 wieder auf 40,27 Prozent bei den 1,05 Prozent vermögendsten Steuerpflichtigen anzusteigen.23 Die Vermögensstatistik bildet allerdings Immobilienvermögen sowie Guthaben der zweiten und dritten Säule nicht oder nur unvollständig ab, sodass Aussagen zur Entwicklung der Vermögenskonzentration immer vor dem Hintergrund der nicht optimalen Datenlage getroffen werden müssen. Zudem können Änderungen der Vermögensverteilung nicht nur auf ökonomischen oder steuerlichen Ursachen beruhen, sondern auch Resultat sozio-struktureller Veränderungen (z.B. verändertes Heiratsverhalten, vermehrte Scheidungen) sein.24

21

22

23 24

134

Frederiksen K.B. (2012) Less Income Inequality and More Growth ­ Are They Compatible? Part 6 The Distribution of Wealth. OECD Economics Department Working Paper 929, OECD Publishing / Schweizerischer Gewerkschaftsbund (2012): www.sgb.ch > uploads > media > 86df_DL-DG_Verteilungsbericht_2012.pdf www.seco.admin.ch > dokumentation > Die Volkswirtschaft, Heft 12, 2007: Jeitziner/Peters «Regionale Einkommens- und Vermögensverteilung in der Schweiz. Was sagen die Steuerdaten?» www.estv.admin.ch > dokumentation > 00075/00076/00717 > index.html?lang=de www.unifr.ch/finwiss/Publikationen/Eichenberger, R. (2013) «Erbschaftssteuern für direkte Nachkommen: Die schlechteste Steuer»

3

Ziele und Inhalt der Initiative

3.1

Ziele der Initiative

Die Initiantinnen und Initianten (EVP, SP, Grüne Partei, Schweizerischer Gewerkschaftsbund) beabsichtigen mit einer Erbschafts- und Schenkungssteuer auf hohen Vermögen die Konzentration grosser Vermögen in wenigen Händen zu vermindern.

Dadurch soll die Chancengleichheit (gleiche Startbedingungen für alle Menschen) verbessert werden. Zudem soll die AHV langfristig gestärkt werden.

3.2

Inhalt der vorgeschlagenen Regelung

Die Initiantinnen und Initianten fordern die Einführung einer nationalen Erbschaftsund Schenkungssteuer. Diese soll auf Nachlässen und Schenkungen über 2 Millionen Franken zu einem Satz von 20 Prozent erhoben werden. Die Erhebung und der Bezug der Steuer erfolgen durch die Kantone. Der Ertrag der Steuer soll zu zwei Dritteln an den AHV-Ausgleichsfonds und zu einem Drittel an die Kantone gehen.

Witwen und Witwer, überlebende eingetragene Partnerinnen und Partner sowie von der Gewinnsteuer befreite juristische Personen sind von der Steuer befreit, ebenso Schenkungen bis 20 000 Franken pro Jahr und beschenkte Person. Ansonsten sind Schenkungen rückwirkend ab dem 1. Januar 2012 dem Nachlass anzurechnen.

Gehören Unternehmen oder Landwirtschaftsbetriebe zum Nachlass oder zur Schenkung und werden sie von den Erben, Erbinnen oder Beschenkten mindestens zehn Jahre weitergeführt, so hat der Gesetzgeber für deren Besteuerung besondere Ermässigungen vorzusehen, damit ihr Weiterbestand nicht gefährdet wird und die Arbeitsplätze erhalten bleiben.

Im Vergleich zum geltenden Recht sieht die Volksinitiative somit auf dem Gebiet der Erbschafts- und Schenkungssteuern folgende Neuerungen vor: Geltendes Recht

Volksinitiative

Steuerhoheit

Kantone

Bund

Steuererhebung

Kanton/Gemeinde

Kanton (ev. Gemeinde)

Steuerpflicht

Erbschaft: Erben (GR + SO: Nachlasssteuer) Schenkung: Beschenkte Person

Erbschaft: Nachlass Schenkung: Schenkende Person

Steuerbefreiung

­ Ehegatte, Ehegattin ­ (teilweise) eingetragener Partner, eingetragene Partnerin ­ Nachkommen (ausser in VD, NE, AI) ­ (teilweise) Eltern, Stiefeltern ­ öffentliche Hand (Bund, Kantone, Gemeinden und ihre Anstalten) ­ gemeinnützige Organisationen (unterschiedliche kant. Regelungen) ­ Konkubinatspartner oder -partnerin (GR)

­ Ehegatte, Ehegattin ­ eingetragener Partner, eingetragene Partnerin ­ von Gewinnsteuer befreite juristische Personen

135

Geltendes Recht

Volksinitiative

Freibetrag

unterschiedlich nach kant. Recht

Erbschaft: 2 Mio. Fr.

Schenkung: 20 000 Fr. pro Jahr und beschenkte Person

Steuersatz

unterschiedlich nach kant. Recht, i.d.R.

abgestufter Tarif nach Höhe der Erbschaft und Grad der Verwandtschaft zum Erblasser oder zur Erblasserin

20 % auf steuerbarem Nachlass

Zweckbindung

keine

2/3 AHV, 1/3 Kantone

Unternehmen

kantonal unterschiedliche Regelungen

Erleichterungen auf Gesetzesstufe vorgesehen

3.3

Erläuterung und Auslegung des Initiativtextes

Der Initiativtext ist vergleichsweise detailliert und legt die wichtigsten Grundsätze der Erbschafts- und Schenkungssteuer auf Verfassungsstufe fest (vgl. Ziff. 3.2).

Dem Gesetzgeber bleibt diesbezüglich kaum Handlungsspielraum. In der Übergangsbestimmung wird in Absatz 1 festgelegt, dass der Initiativtext am 1. Januar des zweiten Jahres nach Annahme als direkt anwendbares Recht in Kraft tritt. Auf den gleichen Zeitpunkt werden die kantonalen Erlasse über die Erbschafts- und Schenkungssteuer aufgehoben. Schenkungen werden rückwirkend ab dem 1. Januar 2012 dem Nachlass zugerechnet. Zudem enthält Absatz 2 Vorgaben zur Ausführungsverordnung des Bundesrates für die Zeit bis zum Inkrafttreten eines Ausführungsgesetzes.

3.3.1

Steuererleichterungen für Unternehmen und Landwirtschaftsbetriebe

Nach Artikel 129a Absatz 5 BV sollen für die Besteuerung von Unternehmen oder Landwirtschaftsbetrieben, die von den Erben, Erbinnen oder Beschenkten mindestens zehn Jahre weitergeführt werden, besondere Ermässigungen gelten, damit ihr Weiterbestand nicht gefährdet wird und die Arbeitsplätze erhalten bleiben. In einzelnen Konstellationen muss der Begriff des Unternehmens präzisiert werden. Dies ist vor allem bei Beteiligungen an einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft zu definieren, die zu einem Nachlass gehören. Offen ist zudem der Umfang der Erleichterungen für Unternehmen und Landwirtschaftsbetriebe. Diese Entscheide verbleiben dem Gesetzgeber. Die Voraussetzung, dass das Unternehmen oder der Landwirtschaftsbetrieb mindestens zehn Jahre weitergeführt werden muss, wird dann als erfüllt erachtet, wenn die Erben oder Erbinnen glaubhaft darlegen, dass sie das Unternehmen oder den Landwirtschaftsbetrieb während mindestens zehn Jahren weiterzuführen beabsichtigen. Diese Voraussetzung dürfte in der Praxis kaum zu Schwierigkeiten Anlass geben. Sollte sich später herausstellen, dass die ZehnJahres-Frist nicht eingehalten wurde, müsste ein Nachsteuerverfahren stattfinden.

136

Zu beachten ist zudem, dass dem Bundesrat verschiedene Vorgaben zu den Ausführungsbestimmungen gemacht werden, die er für die Zeit bis zum Inkrafttreten eines Ausführungsgesetzes zu erlassen hat (Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 Bst. c und d BV). Bei Unternehmen soll die Steuererleichterung durch einen Freibetrag auf dem Gesamtwert des Unternehmens und der Reduktion des Steuersatzes auf dem steuerbaren Restwert erfolgen. Ausserdem kann für höchstens zehn Jahre eine Ratenzahlung bewilligt werden.

Bei Landwirtschaftsbetrieben soll deren Wert unberücksichtigt bleiben, sofern sie nach den Vorschriften über das bäuerliche Bodenrecht von den Erben, Erbinnen oder Beschenkten selbst bewirtschaftet werden. Werden sie vor Ablauf der Frist von zehn Jahren aufgegeben oder veräussert, so wird die Steuer anteilmässig nachverlangt (Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 Bst. d BV).

Der Spielraum des Bundesrates zur Regelung der Ausführungsvorschriften zu den Steuererleichterungen ist somit gemäss der Übergangsbestimmung begrenzt. Dem Gesetzgeber werden hingegen von der Initiative keine Vorgaben gemacht, nach denen die Steuererleichterungen umzusetzen sind.

3.3.2

Steuerbefreiung

Nach Artikel 129a Absatz 3 Buchstabe c BV sollen die Teile des Nachlasses und die Schenkungen, die einer von der Gewinnsteuer befreiten juristischen Person zugewendet werden, von der Steuer befreit sein. Nicht erwähnt wird die öffentliche Hand (Bund, Kantone, Gemeinden und ihre Anstalten), die heute in allen Kantonen steuerbefreit ist. Da es sich bei Artikel 129a Absatz 3 BV um eine abschliessende Aufzählung handelt, hat dies zur Folge, dass die öffentliche Hand bei Annahme der Volksinitiative Erbschafts- und Schenkungssteuern entrichten müsste.

3.3.3

Kantonale Erbschafts- und Schenkungssteuer

Die Übergangsbestimmung legt fest, dass die kantonalen Regelungen zur Erbschafts- und Schenkungssteuer im Zeitpunkt des Inkrafttretens der nationalen Erbschafts- und Schenkungssteuer aufgehoben werden. Die Volksinitiative zielt ausdrücklich auf die Besteuerung hoher Vermögen ab. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass kleine und mittlere Vermögen steuerfrei bleiben sollen. Bei Annahme der Volksinitiative bleibt daher kein Raum mehr für kantonale Erbschafts- und Schenkungssteuern.

3.3.4

Grenzüberschreitende Sachverhalte

Die geltenden kantonalen Gesetze sehen als Anknüpfungspunkt für die Besteuerung den letzten Wohnsitz des Erblassers und bei Liegenschaften den Ort der gelegenen Sache vor. Der Erbschaftssteuer unterliegt daher nach geltendem Recht der Nachlass eines Erblassers, der seinen letzten Wohnsitz in der Schweiz hatte. Befindet sich eine zum Nachlass gehörende Liegenschaft im Ausland, so wird diese nach kantonalem Recht nicht besteuert, unabhängig davon, ob im Einzelfall ein Abkommen zur

137

Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Erbschaftssteuern anwendbar ist oder nicht.

Hatte der Erblasser seinen letzten Wohnsitz im Ausland, so sehen die kantonalen Gesetze ­ im Gegensatz zu anderen Ländern (z.B. Deutschland, USA, Frankreich, Grossbritannien) ­ für die Besteuerung keinen Anknüpfungspunkt am Wohnsitz der Erben vor. In der Schweiz lebende Erben eines Erblassers mit ausländischem Wohnsitz werden somit von der Schweiz nicht besteuert. Einzig eine zum Nachlass gehörende und in der Schweiz gelegene Liegenschaft kann vom Belegenheitskanton besteuert werden.

Die Volksinitiative hält an diesem Konzept fest und sieht denselben Anknüpfungspunkt vor wie die geltenden kantonalen Bestimmungen: Nach Artikel 129a Absatz 2 BV wird die Erbschaftssteuer nämlich auf dem Nachlass von natürlichen Personen erhoben, die ihren Wohnsitz im Zeitpunkt des Todes in der Schweiz hatten oder bei denen der Erbgang in der Schweiz eröffnet worden ist.

3.3.5

Bedeutung des Begriffs «legs» im französischen Initiativtext

Im deutschen Initiativtext wird neben dem Begriff «Erbschaft» im Sinne eines Synonyms auch der Begriff «Nachlass» verwendet. Im französischen Initiativtext wird neben dem Begriff «succession» der Begriff «legs» verwendet. Obwohl diese beiden Begriffe im Zivilrecht keine Synonyme sind, ist aufgrund des deutschen Initiativtexts davon auszugehen, dass die Initiantinnen und Initianten sie im Kontext der Volksinitiative als Synonyme verstanden haben. Der Begriff «legs» bezeichnet somit nicht einen Vermögensvorteil, den ein Erblasser einer bedachten Person testamentarisch zuwenden kann, sondern die Erbschaft als Ganzes (vgl. Art. 129a Abs. 2, Abs. 3 Bst. a­c und Abs. 5 sowie Art. 197 Ziff. 9 Abs. 1 und Abs. 2 Bst. a BV).

4

Würdigung der Initiative

4.1

Würdigung der Anliegen der Initiative

Die Volksinitiative fordert die Einführung einer nationalen Erbschafts- und Schenkungssteuer bei Erbschaften und Schenkungen von mehr als 2 Millionen Franken.

Der Ertrag der Steuer soll zu zwei Dritteln in den AHV-Ausgleichsfonds und zu einem Drittel an die Kantone fliessen.

Die Kompetenz zur Erhebung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer liegt nach geltendem Recht bei den Kantonen und Gemeinden. Sie ist ein wichtiger Bestandteil der Finanzhoheit der Kantone. Die Erbschafts- und Schenkungssteuern stellen ein bedeutendes Steuersubstrat dar. Obwohl heute der überlebende Ehegatte, die überlebende Ehegattin und die Nachkommen in fast allen Kantonen von der Erbschaftsund Schenkungssteuer befreit sind, bleiben die Einnahmen aus der Erbschafts- und Schenkungssteuer immer noch beträchtlich. Immerhin betrugen im Jahr 2010 die Einnahmen der Kantone und Gemeinden 974 Millionen Franken, was 1,53 Prozent ihrer gesamten Steuererträge entspricht.

138

Die von der Initiative geforderte Kompetenzverlagerung zum Bund würde die föderalistischen Zuständigkeiten im Steuerbereich massgeblich verändern. Gemäss einer Erklärung der Konferenz der kantonalen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren (FDK) vom 17. Mai 2013 stellt eine Erbschaftssteuer des Bundes denn auch einen Eingriff in die Steuerhoheit und das Steuersubstrat der Kantone dar und wird entschieden abgelehnt.

Zudem ist die Ausgestaltung der Erbschafts- und Schenkungssteuer in verschiedener Hinsicht problematisch, insbesondere bezüglich der rückwirkenden Anrechnung der Schenkungen ab 1. Januar 2012.

Zwei Drittel der Erträge sollen an den AHV-Ausgleichsfonds fliessen. So willkommen zusätzliche Einnahmen für die AHV an sich sind, vermag dieser Umstand die Bedenken bezüglich der föderalistischen Kompetenzordnung nicht zu überwiegen.

Der Bundesrat hat sich bezüglich der Finanzierung der AHV im Rahmen der Reform Altersvorsorge 2020 für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ausgesprochen.

4.2

Auswirkungen der Initiative

4.2.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Finanzielle Auswirkungen In der Mehrheit der Kantone werden Nachkommen nicht mehr besteuert, sodass Schätzungen zu den finanziellen Auswirkungen bzw. zu den Steueraufkommen auf Basis aktueller Daten ausscheiden. Deshalb wurden Daten aus früheren Jahren genutzt. Mit Hilfe kantonaler Erbschaftsteuerstatistiken aus Bern (2001), St Gallen (2000), der Waadt (2002) und Zürich (1999) wurden Hochrechnungen für die Schweiz durchgeführt. Da die kantonalen Erbschaftsteuerstatistiken veraltet sind, muss der Anstieg der nominalen Vermögenswerte über die Zeit hinweg berücksichtigt werden. Deshalb wurde der prozentuale Anstieg des Vermögens der privaten Haushalte zwischen 2001 und 2011 als Grundlage verwendet. Der Anstieg betrug in diesem Zeitraum 39,7 Prozent.25 Die Ergebnisse für die vier Kantone wurden auf die Schweiz mit Hilfe der kantonalen Vermögensstatistik hochgerechnet. Es wurde der Anteil des Vermögens in diesen vier Kantonen als Gewichtungsfaktor zugrunde gelegt. Gemäss Vermögensstatistik ist etwas weniger als die Hälfte des Schweizer Vermögens in diesen vier Kantonen konzentriert. Allfällige Verhaltensanpassungen in Folge der Gesetzesänderung (siehe Ziff. 4.2.2) sind in den Schätzungen jedoch nicht enthalten.

Kombiniert man die verfügbaren Informationen unter Berücksichtigung des Freibetrags von 2 Millionen Franken und der von der Initiative geforderten Befreiung des Ehegatten, der Ehegattin, des registrierten Partners oder der registrierten Partnerin und bestimmter juristischer Personen von der Steuer, so dürfte das Einnahmenpotenzial einer Erbschaftssteuer des Bundes ­ ohne Einbezug der Begünstigung des Betriebsvermögens ­ bei etwa 3 Milliarden Franken liegen. Die Initiantinnen und Initianten gehen ebenfalls von einem Einnahmenpotenzial in dieser Höhe aus. Zwei Drittel der Einnahmen würden an den AHV-Ausgleichsfonds, ein Drittel an die 25

Quelle für die Berechnungen bildeten Daten der Schweizerischen Nationalbank zum Vermögen der privaten Haushalte in der Schweiz.

www.snb.ch/de/iabout/stat/statpub/vph/stats/wph/wph_T1

139

Kantone gehen. Für die Kantone würde dies bedeuten, dass sie gegenüber dem Status quo mit einem in etwa gleichbleibenden Aufkommen zu rechnen hätten, nämlich rund 1 Milliarde Franken.

Wird allerdings eine Begünstigung von Unternehmen und Landwirtschaftsbetrieben eingerechnet, so liesse sich das Aufkommen von 3 Milliarden Franken sehr wahrscheinlich nicht realisieren. Eine Schätzung der Einnahmeneffekte unter Einbezug einer solchen Begünstigung des Betriebsvermögens gestaltet sich schwierig, da aus dem Wortlaut der Initiative nicht hervorgeht, wie hoch der Umfang der Begünstigung ausfallen soll. Weiter geht aus dem Initiativtext nicht hervor, was unter einem Unternehmen zu verstehen ist. Zudem gibt es keine Statistiken, die Aufschluss über den Anteil des Betriebsvermögens am gesamten Nachlassvermögen geben. Zu vermuten ist, dass insbesondere bei sehr grossen Erbschaften der Anteil des Betriebsvermögens beträchtlich ist. In einer Analyse für Deutschland wurde der Anteil des Unternehmensvermögens (wenn man auf die Steuerbilanzwerte rekurriert) auf 22 Prozent bzw. (wenn die Verkehrswerte zugrunde gelegt werden) auf 32 Prozent taxiert.26 Im Folgenden wird im Rahmen zweier Szenarien unterstellt, dass der Anteil des Betriebsvermögens 25 bzw. 50 Prozent ausmacht. Ferner wird davon ausgegangen, dass der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum nutzt und Betriebsvermögen ermässigt (mit 10 bzw. 5 Prozent statt der im Regelfall erhobenen 20 Prozent) besteuert.

Die nachfolgende Tabelle fasst die fiskalischen Auswirkungen zusammen. Wie zu erkennen ist, hängt die fiskalische Ergiebigkeit des Vorschlags von der Reduktion der Bemessungsgrundlage (infolge der Begünstigung des Unternehmensvermögens) und der ermässigten Besteuerung ab. Werden ferner ein grosszügiger zusätzlicher Freibetrag auf den Unternehmenswert oder (zinslose) Ratenzahlungen gewährt, dürften die Einnahmen hinter den in der Tabelle dargestellten Werten zurückbleiben.

Prognostizierte Erbschaftsteuereinnahmen bei Begünstigung des Betriebsvermögens Anteil des Betriebsvermögens am Nachlass

25 Prozent 50 Prozent

Steuersatz 10 Prozent

Steuersatz 5 Prozent

Steuereinnahmen

Steuereinnahmen

2,7 Mrd. Fr.

2,0 Mrd. Fr.

2,2 Mrd. Fr.

1,7 Mrd. Fr.

Die Kantone würden im Vergleich zum Status quo ihr Aufkommen nur dann wahren können, wenn das Betriebsvermögen lediglich einen geringen Prozentsatz der Erbschaften ausmacht und die Ermässigung bei den Steuersätzen gering ist. Je geringer die Begünstigung des Unternehmensvermögens ausfällt, desto wahrscheinlicher werden aber Verhaltensänderungen. Diese schmälern wiederum das Aufkommen.

26

140

Wissenschaftlicher Beirat des Bundesministeriums der Finanzen, 2012.

Die Begünstigung des Unternehmensvermögens bei der Erbschaftsteuer www.bundesfinanzministerium.de/Ministerium/Geschaeftsbereich/Wissenschaftlicher Beirat/Gutachten und Stellungnahmen/AusgewaehlteTexte

In der Summe dürften die Kantone ihr Aufkommen von derzeit rund 1 Milliarde Franken nicht halten können, zumindest dann nicht, wenn für Betriebsvermögen deutliche Abschläge gewährt werden sollten.

Vollzugskosten und -probleme Der Kanton Schwyz, der bisher keine Erbschafts- und Schenkungssteuer erhoben hat, hätte höhere Vollzugskosten. In den Kantonen Neuenburg, Waadt und Appenzell Innerrhoden, die im jetzigen System auch die Nachkommen besteuern, dürften die Vollzugskosten ­ wegen des Freibetrags in Höhe von 2 Millionen Franken ­ sinken. Bei den anderen Kantonen ist die Situation weniger eindeutig: Infolge der Besteuerung der Nachkommen, die bisher nicht (mehr) besteuert wurden, wäre mit einem Anstieg der Vollzugskosten zu rechnen. Dem ist entgegenzuhalten, dass bei anderen Konstellationen (z.B. entfernte Verwandte, Geschwister, Freunde) die Zahl der zu bearbeitenden Fälle aufgrund des im Vergleich zum Status quo höheren Freibetrags sinken dürfte. Für diese Kantone wäre der Nettoeffekt im Hinblick auf die Vollzugskosten unklar.

Ferner führt die rückwirkende Berücksichtigung von Schenkungen bei der Erhebung der Erbschaftssteuer zu einer beträchtlichen Verkomplizierung, insbesondere wenn der Erblasser oder die Erblasserin im massgebenden Zeitraum den Wohnsitz gewechselt hat.

Personelle Auswirkungen Bei Annahme der Initiative wäre der Bund neu zuständig für die Erhebung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer. Die Veranlagung und der Bezug der Steuer würden wie bei der direkten Bundessteuer den Kantonen obliegen.

Es ist davon auszugehen, dass beim Bund ein personeller Mehraufwand im Hinblick auf die Aufsicht über die Erhebung und den Bezug der Steuer durch die Kantone entstehen würde. Zudem müsste der Finanzfluss (Verteilung der Erträge) sichergestellt werden.

Bei den Kantonen könnte sich sowohl ein niedrigerer als auch ein höherer Aufwand einstellen. Lediglich für Schwyz wäre sicher von einem Mehraufwand, für die Waadt, Neuenburg und Appenzell Innerrhoden wohl von einem niedrigeren Aufwand auszugehen. Die Ermässigung für Unternehmen und die ab dem 1. Januar 2012 anrechenbaren Schenkungen dürften in allen Kantonen zu aufwendigen Veranlagungen führen.

4.2.2

Wirtschaftliche Auswirkungen

Bisher war es möglich, durch Wegzug in einen Kanton mit niedriger Erbschaftssteuer die Steuerbelastung der Erben und Erbinnen zu reduzieren. Würde die Kompetenz für die Erhebung der Erbschafts- und Schenkungssteuer dem Bund übertragen, so würde der Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen ausgeschaltet. Es wäre folglich nicht mehr möglich, in einen niedrig besteuernden Kanton auszuweichen. Die Erbschaftssteuerinitiative beseitigt somit einige bisher existierende Ausweichoptionen.

Dadurch könnten andere Optionen der Steuergestaltung aber an Relevanz gewinnen.

Die höhere Besteuerung der Erbschaften und Schenkungen könnte dazu führen, dass sehr vermögende Personen ins Ausland wegziehen oder Betriebsvermögen ins

141

Ausland verlagern. Ebenso könnte eine Erbschaftssteuer vermögende Privatpersonen und Unternehmen von einem Zuzug in die Schweiz abhalten.

Ob sich ein Wegzug aus der Schweiz lohnen würde, kann nicht generell gesagt werden. Das umliegende Ausland besteuert grosse Erbschaften im Privatvermögen teilweise höher. So liegen die Höchststeuersätze für die Nachkommen in Deutschland und Frankreich über den von der Erbschaftssteuerinitiative geforderten 20 Prozent. Allerdings kennen auch Frankreich und Deutschland Vergünstigungen bei der Übergabe von Unternehmensanteilen. Hingegen wird z.B. in Österreich, im Fürstentum Liechtenstein und in Schweden (wie auch in einigen weiteren OECDStaaten) keine Erbschafts- und Schenkungssteuer erhoben.27 Empirische Untersuchungen bezüglich der Bedeutung dieses Problems liegen nicht vor. Allerdings kann vermutet werden, dass es nicht zu einer Abwanderung in grosser Zahl von personenbezogenen Unternehmen kommen würde, da die Schweiz in der Gesamtsicht ein relativ attraktives Steuerbelastungsniveau aufweist und die Mobilität kleinerer Unternehmen begrenzt ist. Demgegenüber ist zu erwarten, dass ein Wegzug von Privatpersonen möglich ist und die Schweiz für den Zuzug von Privatpersonen mit hoher Mobilität (z.B. ohne Erwerbstätigkeit in der Schweiz) an Attraktivität verlieren würde.

In engem Zusammenhang mit der Wegzugsproblematik steht die Gewährung von steuerlichen Vorteilen für Unternehmen, da der Vorschlag der Erbschaftsteuerinitiative Anlass zu Verhaltensänderungen geben würde. Bei einer regulären Besteuerung bestünde der Anreiz, Betriebsvermögen ins Ausland zu verlagern. Würden dagegen Unternehmen weitreichend begünstigt, so würden Anreize geschaffen, Privatvermögen ins Betriebsvermögen einzubringen.

Die volle Belastung des Betriebsvermögens mit 20 Prozent des Gesamtwerts könnte den Weiterbestand eines Unternehmens in Frage stellen. Aus dieser Überlegung wären Massnahmen aus ökonomischer Sicht zum Schutz der Betriebe angezeigt. Mit der vorgesehenen Privilegierung würde aber aus steuerlicher Sicht eine Form der Vermögensbildung ­ nämlich durch Aufbau eines Unternehmens ­ gegenüber anderen Vermögensformen deutlich günstiger und damit ungleich besteuert. Sodann wäre zu erwarten, dass in erheblichem Umfang Privatvermögen einzig aus erbschaftssteuerrechtlichen Gründen in eine
Geschäftsorganisation eingebracht würde. Die Einbringung von Privatvermögen in ein Geschäftsvermögen würde somit erbschaftssteuerrechtlich gefördert und die Einführung von Missbrauchsbestimmungen durch den Gesetzgeber notwendig machen.

Die augenfälligste Verhaltensänderung betrifft jedoch die Entscheidung bezüglich Konsum und Vermögensbildung. Eine Erbschaftssteuer könnte die Vermögensbildung (in der Schweiz) hemmen. Dies hätte in der Tendenz wiederum negative indirekte Rückwirkungen auf die Einkommens- und Vermögenssteuereinnahmen, positive Wirkungen dagegen auf die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer.

Die Annahme der Erbschaftssteuerinitiative würde für viele Erbgänge zu einer Steuererhöhung führen, da derzeit nur wenige Kantone die Nachkommen des Erblassers besteuern. Im Vergleich zum Status quo führt der Steuersatz in Höhe von 20 Prozent für grosse Erbschaften bei Nachkommen zu einer höheren Steuerzahlung.

Bei Erbschaften beziehungsweise Schenkungen an entfernte Verwandte dürfte eine 27

142

Vgl. dazu im Anhang die Übersicht über die Erbschafts- und Schenkungssteuer in ausgewählten europäischen Staaten.

niedrigere Steuerlast im Vergleich zum Status quo resultieren. Überlegungen, der Erbschaftssteuer auszuweichen, dürften aber vor allem dann angestellt werden, wenn Vermögen an die Nachkommen übergeben wird. Eine Erhöhung der Steuerbelastung könnte sich negativ auf den Wirtschaftsstandort Schweiz auswirken, da im Vergleich zum Status quo durch Wegzüge, Nichtzuzüge oder eine geringere Vermögensbildung sowohl die Zahl qualifizierter Personen wie auch der Kapitalbestand in der Schweiz tendenziell sinken könnten.

4.2.3

Belastung durch die Erbschafts- und Schenkungssteuer

Im geltenden Recht sind die Steuertarife in der Regel nach der Höhe des Vermögenszugangs und dem Verwandtschaftsgrad zum Erblasser abgestuft. Die Bandbreite ist dabei gross, wobei die Belastung von nicht verwandten Erben und Erbinnen am höchsten ist.

Für Witwen und Witwer sowie überlebende eingetragene Partnerinnen und Partner würde sich mit der Volksinitiative nichts ändern: Sie blieben von der Erbschaftsund Schenkungssteuer befreit. Für heute von der Erbschafts- und Schenkungssteuer befreite Nachkommen hingegen hätte die Erbschafts- und Schenkungssteuer des Bundes ­ bei Überschreiten des Freibetrags von 2 Millionen Franken ­ neu eine Belastung zur Folge. Bei anderen Erben und Erbinnen wie z.B. Eltern, Geschwistern, nahen Verwandten, Konkubinatspartnern und -partnerinnen oder nicht verwandten Personen würde die Belastung von der Höhe der Erbschaft abhängen.

Beträgt der Nachlass weniger als 2 Millionen Franken, so würden diese Erben und Erbinnen, im Gegensatz zur heutigen Steuerpflicht, von der Erbschafts- und Schenkungssteuer befreit. Beträgt der Nachlass mehr als 2 Millionen Franken, so wäre die Steuer von 20 Prozent auf dem Nachlass geschuldet, was eine entsprechende Reduktion des Erbteils zur Folge hätte. Dies könnte je nach Ausgestaltung des heutigen kantonalen Rechts sowohl zu einer Mehr- als auch zu einer Minderbelastung führen.

4.2.4

Auswirkungen auf die Doppelbesteuerungsabkommen

Die Schweiz hat mit zehn Staaten Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Erbschaftssteuern abgeschlossen (Deutschland, Österreich, Dänemark, Vereinigte Staaten, Finnland, Frankreich, Norwegen, Niederlande, Vereinigtes Königreich, Schweden). Diese Abkommen regeln die Frage, welchem Staat bei grenzüberschreitenden Sachverhalten die Steuerhoheit zukommt und wie eine Doppelbesteuerung vermieden wird. Das innerstaatliche materielle Recht wird vom jeweiligen Staat geregelt. Die Annahme der Volksinitiative hätte daher keine unmittelbaren Auswirkungen auf diese zehn Abkommen. Aus Abkommenssicht spielt es keine Rolle, ob die Kompetenz zur Erhebung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer beim Bund oder bei den Kantonen liegt.

143

4.3

Vorzüge und Mängel der Initiative

4.3.1

Rückwirkung

Nach Absatz 1 der Übergangsbestimmung sieht die Initiative die rückwirkende Anrechnung von Schenkungen ab dem 1. Januar 2012 vor.

Die Frage der Zulässigkeit dieser rückwirkenden Anrechnung von Schenkungen wird sich bei Annahme der Volksinitiative konkret nicht stellen, da die Rückwirkung in der Verfassung statuiert sein und somit qua Verfassung Geltung beanspruchen wird.

Es spielt daher auch keine Rolle, ob es sich um eine echte Rückwirkung handelt, die auf Gesetzesstufe unzulässig wäre, oder um eine unechte Rückwirkung, die grundsätzlich zulässig ist, sofern ihr nicht wohlerworbene Rechte gegenüber stehen.

Im Fall der vorliegenden Volksinitiative werden die Rechtsunterworfenen erst mit dem Ausgang der Volksabstimmung wissen, ob Schenkungen, die sie seit dem 1. Januar 2012 getätigt haben, der Schenkungssteuer unterliegen (vorausgesetzt, der Freibetrag wird überschritten). Die gesamte Rückwirkungsfrist dürfte je nach Behandlungstempo und Abstimmungstermin um die drei Kalenderjahre betragen.

Eine derart lange Frist kann nicht mehr als verhältnismässig angesehen werden.

4.3.2

Nachlass- versus Erbanfallsteuer

Die Erbschaftssteuer kann als Nachlass- oder als Erbanfallsteuer ausgestaltet werden. Bei der Erbanfallsteuer ist das Steuerobjekt der Vermögensübergang auf den einzelnen Erben, die einzelne Erbin. Die Steuer richtet sich nach der Höhe der einzelnen Erbanfälle und nach dem Verwandtschaftsgrad. Bei der Nachlasssteuer ist der Übergang des Nachlasses auf die Gesamtheit der Erben und Erbinnen Steuerobjekt. Die Steuer wird nach der Höhe des Nachlasses bemessen. Eine Abstufung nach Verwandtschaftsgrad ist nicht möglich.

Die Erbschaftssteuerinitiative schreibt eine Nachlasssteuer vor. Anders als bei einer Erbanfallsteuer werden die Freibeträge auf den Nachlass und nicht auf den einzelnen Erben oder die einzelne Erbin bezogen. Es ist daher unerheblich, an wie viele Erben und Erbinnen der Nachlass fliesst. Eine Differenzierung der Steuersätze nach Verwandtschaftsgrad ist nicht möglich. Die Abstufung der Erbschaftssteuer nach der Höhe der Erbschaft und dem Verwandtschaftsgrad zum Erblasser oder zur Erblasserin wurde bisher jedoch nicht in Frage gestellt.

4.3.3

Freibetrag und Tarif

Durch die (rückwirkende) Besteuerung von Schenkungen sollen Steuerumgehungen verhindert werden. Da der Freibetrag von 20 000 Franken für Schenkungen pro Person und Jahr gilt, wird dadurch das mit der Volksinitiative verfolgte Prinzip durchbrochen, Nachlässe und Schenkungen unabhängig von den persönlichen Beziehungen zu besteuern.

144

Die Initiative sieht vor, Erbschaften über 2 Millionen Franken mit einem einheitlichen Steuersatz von 20 Prozent zu belegen. Die Erbschaftssteuer trifft daher nur einen kleinen Kreis von Personen. Der Grundsatz der Allgemeinheit der Besteuerung sowie das Diskriminierungsverbot werden durch den Vorschlag strapaziert.

4.4

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die internationalen Verpflichtungen der Schweiz werden durch die Volksinitiative nicht berührt.

5

Schlussfolgerungen

Die Kantone sind gemäss Artikel 3 BV souverän und üben alle Rechte aus, die nicht dem Bund übertragen wurden. Ihnen obliegt somit auch die Steuerhoheit, soweit diese nicht dem Bund übertragen wurde. Die Kompetenz zur Erhebung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer liegt traditionell bei den Kantonen. Obwohl heute der überlebende Ehegatte oder die überlebende Ehegattin und die Nachkommen in fast allen Kantonen von der Erbschafts- und Schenkungssteuer befreit sind, sind die Einnahmen aus der Erbschafts- und Schenkungssteuer immer noch so beträchtlich, dass die Kantone darauf nicht verzichten können und wollen. Der zentrale Grund, der gegen eine Erbschaftssteuer des Bundes spricht, ist daher in dieser Kompetenzaufteilung und dem zu erwartenden Widerstand der Kantone gegen den Verlust dieser Kompetenz zu sehen. Es ist zudem davon auszugehen, dass die Kantone bei Annahme der Volksinitiative trotz ihres Anteils von einem Drittel am Steuerertrag mit Mindereinnahmen rechnen müssten. Dies wird zumindest dann der Fall sein, wenn für Unternehmen und Landwirtschaftsbetriebe deutliche Abschläge gewährt werden.

Zwei Drittel der Erträge würden an den AHV-Ausgleichsfonds fliessen. So willkommen zusätzliche Einnahmen für die AHV an sich sind, vermag dieser Umstand die Bedenken bezüglich der föderalistischen Kompetenzordnung nicht zu überwiegen. Der Bundesrat hat sich bezüglich der Finanzierung der AHV im Rahmen der Reform Altersvorsorge 2020 für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ausgesprochen.

Die Ausgestaltung der Erbschafts- und Schenkungssteuer ist ferner in verschiedener Hinsicht problematisch, insbesondere bezüglich der rückwirkenden Anrechnung von Schenkungen und der Begünstigung der Unternehmen.

Der Bundesrat lehnt die Volksinitiative daher ab.

145

Anhang

Übersicht zur Erbschafts- und Schenkungssteuer in ausgewählten europäischen Staaten Die Angaben (ausser zum Fürstentum Liechtenstein) basieren auf einer Studie von Ernst & Young28 sowie einer Studie von KPMG Deutschland29.

D

28 29

146

Erbschafts- und Schenkungssteuer

Steuerbefreiung

Tarife / Freibeträge

Ermässigung für Unternehmen

Vermögenssteuer

Erbschafts- und Schenkungssteuer wird auf Bundesebene erhoben auf dem weltweiten Vermögensübergang von Todes wegen oder unter Lebenden (Schenkung), wenn der Erblasser/Schenker oder der Erbe/Beschenkte in D Wohnsitz hat.

Bei Erblasser/Schenker ohne Wohnsitz in D wird der Übergang von in D gelegenen Grundstücken, Betriebsstätten und Anteilen von Firmen (mind. 10% des Kapitals) besteuert.

Erbanfallsteuer

Steuerfrei sind Erbschaften und Schenkungen an den Staat, gemeinnützige Organisationen, politische Parteien, angemessene Gelegenheitsgeschenke, persönliche Effekten bis 41 000 Euro, das Familienhaus bei einer Schenkung unter Lebenden oder Erbschaft an den Ehegatten, eingetragenen Partner oder Nachkommen.

Der Steuersatz variiert nach Höhe der Erbschaft und Verwandtschaft zum Erblasser.

Erbschaften bis 600 000 Euro: ­ 15 % für Ehegatten/eingetragenen Partner, Nachkommen, Eltern, ­ 25 % für Geschwister, Neffen/Nichten, Eltern (bei Schenkung), ­ 30 % für übrige Erben.

Erbschaften bis 6 Mio. Euro: ­ 25 % für Ehegatten/eingetragenen Partner, Nachkommen, ­ 30 % für Geschwister, Neffen/Nichten, Eltern (bei Schenkung), ­ 30 % für übrige Erben.

Es bestehen Freibeträge von: ­ 500 000 Euro für Ehegatten/eingetragenen Partner, ­ 400 000 Euro für direkte Nachkommen, ­ 200 000 Euro für Enkel, ­ 100 000 Euro für Eltern, Geschwister, Neffen/Nichten, Stiefeltern, ­ 20 000 Euro für übrige Erben.

Steuerermäskeine sigungen von 85­100 % des Verkehrswerts sind möglich beim Übergang von landwirtschaftlichen Grundstücken, Unternehmen mit Sitz in D oder Anteilen von Unternehmen mit Sitz in D von mind. 25 %

www.ey.com/Publication/vwLUAssets/2013-international-estate-and-inheritance-tax-guide/$FILE/2013-international-estate-and-inheritance-tax-guide.pdf www.kpmg.com/DE/de/Bibliothek/presse/Seiten/KPMG-Studie-Vermoegensbesteuerung-Deutschland-entspricht-internationalen-Standards.aspx

Erbschafts- und Schenkungssteuer

Steuerbefreiung

Tarife / Freibeträge

Ermässigung für Unternehmen

Vermögenssteuer

F

Erbschafts- und Schenkungssteuer wird erhoben auf dem weltweiten Vermögensübergang von Todes wegen oder unter Lebenden (Schenkung), wenn der Erblasser/Schenker oder der Erbe/Beschenkte in F Wohnsitz hat. Bei Erblasser/Schenker ohne Wohnsitz in F wird der Übergang von in F gelegenen Grundstücken besteuert.

Schenkungen unter Lebenden werden besteuert, wenn der Schenker oder der Beschenkte Wohnsitz in F hat oder der Vermögenswert in F liegt.

Schenkungen, die in den 15 Jahren vor dem Todesfall gemacht wurden, werden angerechnet.

Erbanfallsteuer

Steuerbefreit für Erbschaften sind der überlebende Ehegatte oder der eingetragene Partner, Geschwister, die über 50 Jahre alt oder behindert sind und mit dem Erblasser zusammengewohnt haben, Zuwendungen an den Staat und unter anderem an wohltätige Organisationen.

Der Steuersatz variiert nach Höhe der Erbschaft und Verwandtschaft zum Erblasser.

Für Erben in auf- und absteigender Linie: ­ 552 324 ­ 902 838 Euro: 30 %, ­ 902 838 ­ 1 805 677 Euro: 40 %, ­ über 1 805 677 Euro: 45 %.

Bei Geschwistern: Erbschaft über 24 430 Euro: 45 %.

Bei Blutsverwandten bis zum 4. Grad: 55 %.

Bei den übrigen Erben: 60 %.

Es bestehen folgende Freibeträge auf Erbschaften: ­ 100 000 Euro für Nachkommen, ­ 15 932 Euro für Geschwister, ­ 159 325 Euro für Behinderte.

Zusätzlich bestehen folgende Freibeträge auf Schenkungen: ­ 80 724 Euro bei Ehepaaren, ­ 31 865 Euro für Enkel, ­ 5310 Euro für Urenkel.

Für Schenkungen zwischen Ehegatten bestehen spezielle Tarife.

Steuerermässigungen von bis zu 75 % auf den Unternehmenswert sind möglich.

Für natürliche Personen ab 1.3 Mio. Euro, mit Steuersätzen von 0,55­1,8 % (ab 1.1.2013).

I

Erbschafts- und Schenkungssteuer wird erhoben bei Erblasser/Schenker mit Wohnsitz in I auf dem weltweiten Vermögen, bei Erblasser/Schenker ohne Wohnsitz in I auf dem in I gelegenen Vermögen.

Schenkungen zu Lebzeiten sind an die Erbschaft anzurechnen.

Erbanfallsteuer

147

Der Steuersatz variiert nach Höhe der Erbschaft und Verwandtschaft zum Erblasser: Für den Ehegatten und Verwandte in auf- und absteigender Linie: 4 %, Freibetrag von 1 Mio. Euro pro Erben.

Für Geschwister: 6 %, Freibetrag von 100 000 Euro pro Erben.

Andere Verwandte: 6 % ohne Freibetrag.

Übrige Erben: 8 % ohne Freibetrag.

Vermögenssteuer auf ausländischem Finanzvermögen von Personen mit Wohnsitz I von 0,15 % pro Jahr vom Wert des Vermögens. Die

Erbschafts- und Schenkungssteuer

Steuerbefreiung

Tarife / Freibeträge

Ermässigung für Unternehmen

ausländische Steuer wird angerechnet.

Behinderte: Tarif gemäss Verwandtschaftsgrad, Freibetrag von 1.5 Mio. Euro.

GB

148

Der Erbschaftssteuer unterliegt unbeschränkt mit seinem Weltvermögen, wer in GB als domiziliert gilt. Domizil («domicile») ist nicht mit Residenz gleichbedeutend.

Resident ist jemand, der sich mindestens 183 Tage in GB aufhält oder aber nach aussen hin die Absicht erkennen lässt, für mehr als zwei Jahre dort zu leben. Für Zwecke des Erbschaftssteuerrechts muss aber noch hinzutreten, dass er dort auch sein Domizil begründen will, was normalerweise bedeutet, dass er sein Heimatdomizil («domicile of origin») aufgibt, um dauerhaft dort zu bleiben. Somit kann es auch bei mehrjährigem Aufenthalt an einem Domizil fehlen. Von einem Domizil in GB geht man aus, wenn jemand sich während der vergangenen 20 Jahre mindestens 17 Jahre dort als Resident aufgehalten hat. Wird ein Domizil aufgegeben, so bleibt die Steuerpflicht noch drei Jahre nach dem Wegzug bestehen. Fehlt es daran, besteht nur eine beschränkte Steuerpflicht, die nur den in GB belegenen Nachlass erfasst.

Besteuert wird der Nachlass, nicht der Erbanfall bei den jeweiligen Erben.

Ehegatten, eingetragene Lebenspartner («civil partner») und gleichgeschlechtliche Partner sind von der Steuerpflicht befreit.

Setzen sich Eheleute gegenseitig zu Alleinerben ein und sollen später die Kinder oder andere nahe Verwandte das Vermögen erben, so ist es beim späteren zweiten Erbfall unter gewissen Voraussetzungen möglich, dass der steuerfreie Grundbetrag doppelt abgezogen werden kann.

Vom Nachlass darf der steuerfreie Grundbetrag (« nil-rate band») abgezogen werden, derzeit 325 000 Pfund.

Pauschal gilt ein Erbschaftsteuersatz von 40% auf dem Nachlass (abzüglich des steuerfreien Grundbetrags).

Vermögenssteuer

Gewisse Ausnahmen gibt es vor allem für Betriebsvermögen (Unternehmen können unter Umständen sogar völlig steuerfrei vererbt werden), für Landwirtschaftsbetriebe und für Kulturgüter. Bei Immobilien können die Erbschaftssteuern in der Regel in Raten bezahlt werden.

Keine Vermögensteuer, aber ab 2013 wird eine jährliche Abgabe auf Wohneigentum mit einem Wert von über 2 Mio. Pfund erhoben von «non-natural persons».

Erbschafts- und Schenkungssteuer

Steuerbefreiung

Tarife / Freibeträge

Ermässigung für Unternehmen

Vermögenssteuer

Schenkungen des Erblassers, die dieser innerhalb der letzten sieben Jahre vor seinem Tod gemacht hat, werden zum Nachlass hinzugerechnet.

Außerhalb dieses Zeitraumes sind Schenkungen steuerfrei.

Schenkungen an bestimmte Zweckvermögen («trusts»), die nicht mit dem Erbfall in Zusammenhang stehen (dann würden sie dem Nachlass zugerechnet), werden mit 20 % besteuert.

A

keine Erbschafts- und Schenkungssteuer

keine

FL30

keine Erbschafts- und Schenkungssteuer

ja

S

keine Erbschafts- und Schenkungssteuer

keine

30

149

www.llv.li/amtsstellen/llv-stv-schenkungs_nachlass_erbanfallssteuer.htm

150