14.026 Botschaft zur Volksinitiative «Für eine sichere und wirtschaftliche Stromversorgung (Stromeffizienz-Initiative)» vom 26. Februar 2014

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft beantragen wir Ihnen, die Volksinitiative «Für eine sichere und wirtschaftliche Stromversorgung (Stromeffizienz-Initiative)» Volk und Ständen zur Abstimmung zu unterbreiten mit der Empfehlung, die Initiative abzulehnen.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

26. Februar 2014

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Didier Burkhalter Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2013-2978

2423

Übersicht Die eidgenössische Volksinitiative «Für eine sichere und wirtschaftliche Stromversorgung (Stromeffizienz-Initiative)» fordert substanzielle Verbesserungen der Stromeffizienz. Der Bundesrat anerkennt die wachsende Bedeutung der Stromeffizienz. Der Bundesrat lehnt die Initiative jedoch ab, da sie im Gegensatz zur Energiestrategie 2050 einseitig auf den Energieträger Strom fokussiert. In der Botschaft zum ersten Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050 schlägt der Bundesrat bereits ein mit demjenigen der Initiative vergleichbares Stromeffizienzziel vor.

Inhalt der Initiative Die eidgenössische Volksinitiative «Für eine sichere und wirtschaftliche Stromversorgung (Stromeffizienz-Initiative)» wurde am 15. Mai 2013 mit 109 420 gültigen Unterschriften eingereicht. Die Initiative fordert substanzielle Verbesserungen der Stromeffizienz. Dazu soll der Bund entsprechende Ziele vorgeben. Bund und Kantone sollen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten die nötigen Massnahmen zur Zielerreichung treffen. Der Bundesrat könnte Zwischenziele festlegen. Als ein erstes Ziel wird in den Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung festgelegt, dass der jährliche Stromendverbrauch im Jahr 2035 das Niveau von 2011 nicht überschreiten soll. Falls sich unerwartete Entwicklungen beim Bevölkerungswachstum oder bei Stromanwendungen zum Ersatz fossiler Technologien ergeben, könnte der Bundesrat die Obergrenze oder die Zwischenziele entsprechend anpassen.

Vorzüge und Mängel der Initiative Die Erhöhung der Stromeffizienz stellt im Rahmen der heutigen nationalen Energiepolitik und in der Energiestrategie 2050 des Bundesrates ein wichtiges Ziel dar.

Eine Verbesserung der Stromeffizienz hat positive Effekte auf die Stromversorgungssicherheit, reduziert den Bedarf an Importen nicht erneuerbarer Energieträger und kann die lokale Wertschöpfung bei Herstellern von Effizienztechnologien steigern.

Auch führt eine Erhöhung der Stromeffizienz zu verminderten direkten Kosten von Stromproduktion und -verteilung und reduziert deren negative ökologische Auswirkungen im Inland. Die Initiantinnen und Initianten fordern denn auch zu Recht eine Erhöhung der Stromeffizienz.

Die Stromeffizienz-Initiative fokussiert jedoch einseitig auf den Energieträger Strom.

Während in der Verfassung Ziele zur Verbesserung der Stromeffizienz festgelegt werden,
fehlen solche für die (Gesamt-)Energieeffizienz. In der Energiepolitik müssen die verschiedenen Energieträger diversifiziert und optimal aufeinander abgestimmt werden. Dabei ist stets eine gesamtenergetische Sicht zu wahren. Effizienzziele nur für den Energieträger Strom können hier zu Verzerrungen führen und eine optimale Abstimmung der Energieträger aufeinander verhindern.

2424

Im Weiteren enthält die Bundesverfassung bereits heute übergeordnete Bestimmungen zum rationellen Energieverbrauch und zum Energiesparen. Konkrete Effizienzziele sind aus staatspolitischen Gründen nicht in der Bundesverfassung, sondern auf Gesetzes- oder Verordnungsstufe zu regeln.

Auch passt die Stromeffizienz-Initiative nicht in die Logik der Energiestrategie 2050 des Bundesrates. Mit der Energiestrategie 2050 sollen kurz- bis mittelfristig mit einem ersten Massnahmenpaket auf Gesetzesstufe die vorhandenen Potenziale im Bereich der erneuerbaren Energie und der Energieeffizienz ausgeschöpft werden.

Längerfristig soll in einer zweiten Phase das bestehende Fördersystem in ein Lenkungssystem umgebaut werden.

Der Bundesrat schlägt in der Botschaft zum ersten Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050 vor, den Pro-Kopf-Stromendverbrauch bis ins Jahr 2035 gegenüber dem Jahr 2000 um 13 Prozent zu reduzieren. Dieses Ziel ist mit demjenigen der Stromeffizienz-Initiative vergleichbar.

Antrag des Bundesrates Der Bundesrat beantragt deshalb den eidgenössischen Räten mit dieser Botschaft, die eidgenössische Volksinitiative «Für eine sichere und wirtschaftliche Stromversorgung (Stromeffizienz-Initiative)» Volk und Ständen zur Ablehnung zu empfehlen.

2425

Botschaft 1

Formelle Aspekte und Gültigkeit der Initiative

1.1

Wortlaut der Initiative

Die Volksinitiative «Für eine sichere und wirtschaftliche Stromversorgung (Stromeffizienz-Initiative)» hat den folgenden Wortlaut: I Die Bundesverfassung1 wird wie folgt geändert: Art. 89a 1

Stromeffizienz

Der Bund gibt Ziele für substanzielle Verbesserungen der Stromeffizienz vor.

Bund und Kantone treffen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten die zur Zielerreichung nötigen Massnahmen.

2

II Die Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung werden wie folgt geändert: Art. 197 Ziff. 92 9. Übergangsbestimmung zu Art. 89a (Stromeffizienz) 1 Die Stromeffizienz ist bis 2035 so weit zu steigern, dass der jährliche Stromendverbrauch dannzumal das Niveau von 2011 nicht überschreitet. Der Bundesrat setzt Zwischenziele.

Der Bundesrat passt die Obergrenze und die Zwischenziele an, wenn sich gegenüber dem Szenario «Neue Energiepolitik» im Bericht «Grundlagen für die Energiestrategie des Bundesrates; Frühjahr 2011. Aktualisierung der Energieperspektiven 2035 (energiewirtschaftliche Modelle)»3 wesentliche Abweichungen ergeben bezüglich: 2

1 2 3

a.

der Bevölkerungsentwicklung;

b.

Stromanwendungen zum Ersatz fossiler Energieträger, soweit sie die beste verfügbare Technik nutzen.

SR 101 Die Bundeskanzlei wird die definitive Nummerierung dieser Übergangsbestimmung nach der Volksabstimmung festlegen.

Bundesamt für Energie (Hg.): Grundlagen für die Energiestrategie des Bundesrates; Frühjahr 2011. Aktualisierung der Energieperspektiven 2035 (energiewirtschaftliche Modelle). Bern, 25. Mai 2011. Abrufbar im Internet unter: www.bfe.admin.ch/energiestrategie2050 > Energiestrategie 2050 (Stand: 9. Juli 2012)

2426

1.2

Zustandekommen und Behandlungsfristen

Die Volksinitiative «Für eine sichere und wirtschaftliche Stromversorgung (Stromeffizienz-Initiative)» wurde am 14. August 2012 von der Bundeskanzlei (BK) vorgeprüft4 und am 15. Mai 2013 mit den nötigen Unterschriften eingereicht.

Mit Verfügung vom 5. Juni 2013 stellte die Bundeskanzlei fest, dass die Initiative mit 109 420 gültigen Unterschriften zustande gekommen ist.5 Die Initiative hat die Form des ausgearbeiteten Entwurfs. Der Bundesrat unterbreitet dazu weder einen direkten Gegenentwurf noch einen indirekten Gegenvorschlag.

Nach Artikel 97 Absatz 1 Buchstabe a des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20026 (ParlG) hat der Bundesrat somit spätestens bis zum 15. Mai 2014 einen Beschlussentwurf und eine Botschaft zu unterbreiten. Die Bundesversammlung hat nach Artikel 100 ParlG bis zum 15. November 2015 über die Abstimmungsempfehlung zu beschliessen.

1.3

Gültigkeit

Die Initiative erfüllt die Anforderungen an die Gültigkeit nach Artikel 139 Absatz 3 der Bundesverfassung: a.

Sie ist als vollständig ausgearbeiteter Entwurf formuliert und erfüllt somit die Anforderungen an die Einheit der Form.

b.

Zwischen den einzelnen Teilen der Initiative besteht ein sachlicher Zusammenhang. Die Initiative erfüllt somit die Anforderungen an die Einheit der Materie.

c.

Die Initiative verletzt keine zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts.

Sie erfüllt somit die Anforderungen an die Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht.

2

Ausgangslage für die Entstehung der Initiative

2.1

Politisches Umfeld

Sowohl die nationale wie auch die internationale Energiepolitik befinden sich zurzeit im Umbruch. Zu den bereits bestehenden energiepolitischen Herausforderungen der Verknappung fossiler Energieträger und der Verhinderung eines für die Menschheit schädlichen Klimawandels kam mit dem Reaktorunfall in Fukushima, welcher die Risiken von Kernenergietechnologien ins öffentliche Bewusstsein rückte, eine weitere Herausforderung hinzu. Die Gesamtenergieeffizienz ­ und damit verbunden auch die Stromeffizienz ­ war bereits in der Energiestrategie 2007 des Bundesrates einer von vier gleichberechtigten Pfeilern der Energiepolitik. Mit der Energiestrategie 2050 setzt der Bundesrat nun einen Schwerpunkt auf die Erhöhung der Energieeffizienz.

4 5 6

BBl 2012 7881 BBl 2013 3889 SR 171.10

2427

Die Stromeffizienz-Initiative wurde im August 2012 von der BK vorgeprüft und im Mai 2013 mit den nötigen Unterschriften eingereicht. Zu diesem Zeitpunkt waren erst die Grundsatzentscheide von Bundesrat und Parlament zum Ausstieg aus der Kernenergienutzung und zur Neuausrichtung der Energiepolitik bekannt. Die Vorlage zum ersten Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050 befand sich noch bis Januar 2013 in der öffentlichen Vernehmlassung. Vor diesem Hintergrund verfolgen die Initiantinnen und Initianten das Ziel, mit ihrer Initiative die aktuell stattfindende Neuausrichtung der Energiepolitik in Richtung höhere Stromeffizienz zu verstärken.

Der Bundesrat hat am 4. September 2013 die Botschaft zum ersten Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050 (Revision des Energierechts) und zur Volksinitiative «Für den geordneten Ausstieg aus der Atomenergie (Atomausstiegsinitiative)» zuhanden des Parlaments verabschiedet.7 Mit dieser Botschaft beantragt der Bundesrat dem Parlament, die Atomausstiegsinitiative abzulehnen und ihr das erste Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050 als indirekten Gegenvorschlag entgegenzustellen. Mit dem ersten Massnahmenpaket zur Energiestrategie 2050 werden die Forderungen der Stromeffizienz-Initiative bereits weitgehend erfüllt.

2.2

Geltendes Recht

Artikel 89 der Bundesverfassung regelt die Aufgaben und Zuständigkeiten in der Energiepolitik. Gemäss Absatz 1 setzen sich Bund und Kantone im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für eine ausreichende, breit gefächerte, sichere, wirtschaftliche und umweltverträgliche Energieversorgung sowie für einen sparsamen und rationellen Energieverbrauch ein. Absatz 2 überträgt dem Bund die Kompetenz, Grundsätze über den sparsamen und rationellen Energieverbrauch festzulegen. Gemäss Absatz 3 erlässt der Bund Vorschriften über den Energieverbrauch von Anlagen, Fahrzeugen und Geräten und fördert die Entwicklung von Energietechniken im Bereich des Energiesparens. Absatz 4 weist die Zuständigkeit für Massnahmen, die den Verbrauch von Energie in Gebäuden betreffen, in erster Linie den Kantonen zu.

Auf Stufe Bundesverfassung existiert zurzeit keine explizite Bestimmung zur Erhöhung der Stromeffizienz. Die Bestimmungen zu einer sicheren, wirtschaftlichen und umweltverträglichen Energieversorgung sowie zu einem sparsamen und rationellen Energieverbrauch schliessen die Stromeffizienz jedoch implizit mit ein.

Mit dem Energiegesetz (EnG)8 hat der Gesetzgeber die Verfassungsbestimmung zur Energiepolitik konkretisiert. Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe b EnG nennt die sparsame und rationelle Energienutzung als einen Zweck des Gesetzes. Absatz 5 legt fest, dass der Endenergieverbrauch der privaten Haushalte bis zum Jahr 2030 mindestens auf dem Niveau des Jahres 2008 zu stabilisieren ist. Weitere Verbrauchsziele und insbesondere Stromverbrauchsziele werden nicht definiert.

Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a des Stromversorgungsgesetzes (StromVG)9 überträgt dem Bundesrat bei einer erheblichen mittel- oder langfristigen Gefährdung der sicheren und erschwinglichen Stromversorgung die Kompetenz, unter Einbezug der Kantone und der Organisationen der Wirtschaft, Massnahmen zur Steigerung der Effizienz der Elektrizitätsverwendung zu treffen.

7 8 9

BBl 2013 7561 Energiegesetz vom 26. Juni 1998; SR 730.0.

Stromversorgungsgesetz vom 23. März 2007; SR 734.7.

2428

2.3

Energiestrategie 2007

Der Bundesrat hat im Jahr 2007 beschlossen, seine Energiestrategie auf vier Säulen abzustützen: Energieeffizienz, erneuerbare Energien, Ersatz und Neubau von Grosskraftwerken zur Stromproduktion (inkl. neue Kernkraftwerke) sowie eine Verstärkung der Energieaussenpolitik. Die Energieeffizienz ­ und damit auch die Stromeffizienz ­ war somit eine von vier gleichbedeutenden Säulen. Zur Konkretisierung der Energiestrategie 2007 verabschiedete der Bundesrat im Jahr 2008 zwei Aktionspläne zur Förderung der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energien.10 Mit den darin festgelegten Massnahmen wurde angestrebt, in der Zeit zwischen 2010 und 2020 den Verbrauch fossiler Energien um 20 Prozent zu senken, den Anteil erneuerbarer Energien am gesamten Energieverbrauch auf 24 Prozent zu erhöhen sowie den Anstieg des Stromverbrauchs auf maximal fünf Prozent zu begrenzen.

Der weitaus grösste Teil der Treibhausgasemissionen der Schweiz stammt aus der Nutzung fossiler Energieträger. Deshalb ist die Energiepolitik der Schweiz eng mit der Klimapolitik verbunden. Mit dem CO2-Gesetz11 hat sich die Schweiz das Ziel gesetzt, die Treibhausgasemissionen im Inland bis zum Jahr 2020 gegenüber 1990 um 20 Prozent zu verringern. Die Hauptmassnahmen des CO2-Gesetzes (CO2Abgabe auf Brennstoffe, Möglichkeit zur Abgabebefreiung für Unternehmen mit Zielvereinbarung, Gebäudeprogramm, Emissionshandelssystem, Kompensationspflicht Treibstoffimporteure, CO2-Emissionsvorschriften für Personenwagen) zielen auf die Reduktion der Nutzung fossiler Energieträger ab. Da die verschiedenen Energieträger in einem Energiesystem eng miteinander verbunden sind, hat eine Reduktion des Verbrauchs fossiler Energieträger indirekt auch Auswirkungen auf Stromverbrauch und -effizienz.

Die auf der Energiestrategie 2007 aufbauende nationale Energiepolitik besteht aus einem Mix aus Anreizinstrumenten, Fördermassnahmen, Verbrauchsvorschriften, Minimalstandards sowie Massnahmen im Bereich von Forschung und Ausbildung.

Im Bereich der Stromeffizienz zu erwähnen sind die wettbewerblichen Ausschreibungen für Stromeffizienzmassnahmen, Zielvereinbarungen der Wirtschaft, Gerätevorschriften sowie das Programm EnergieSchweiz.

Mit den wettbewerblichen Ausschreibungen werden Programme und Projekte, die zu einem sparsameren Stromverbrauch im Industrie- und Dienstleistungsbereich
und in den Haushalten beitragen, identifiziert und finanziell unterstützt. Die wettbewerblichen Ausschreibungen finden seit 2010 statt. Im Jahr 2014 steht dafür ein Budget von 22 Millionen Franken zur Verfügung. Die Auswahl der über die wettbewerblichen Ausschreibungen eingereichten Projekte erfolgt im Auktionsverfahren. Den Zuschlag erhalten Projekte und Programme mit dem besten Kosten-NutzenVerhältnis, das heisst Stromeffizienzmassnahmen, die nachweislich mit möglichst geringen finanziellen Mitteln eine maximale Senkung des Stromverbrauchs erreichen.

Mit Zielvereinbarungen sollen Unternehmen der Wirtschaft zur Umsetzung von wirtschaftlichen Effizienzmassnahmen in ihrem Betrieb motiviert werden. Mit der parlamentarischen Initiative 12.400 haben Bundesrat und Parlament beschlossen, 10

11

Aktionspläne «Energieeffizienz» und «Erneuerbare Energien», Bundesamt für Energie, 2008, abrufbar unter: www.bfe.admin.ch > Themen > Energiepolitik > Aktionspläne 2008.

CO2-Gesetz vom 23. Dezember 2011; SR 641.71

2429

stromintensiven Unternehmen, die eine Zielvereinbarung abschliessen, den von ihnen bezahlten Zuschlag zur Finanzierung der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) zurückzuerstatten.12 Mit der Zielvereinbarung verpflichten sich die Unternehmen, alle wirtschaftlichen Energieeffizienzmassnahmen in ihrem Betrieb umzusetzen. Zudem müssen sie 20 Prozent der Rückerstattungssumme in Effizienzmassnahmen investieren.

Gerätevorschriften existieren zurzeit für 13 Kategorien von Geräten (Kühlschränke, Lampen, TV-Geräte u.a.). Seit 2010 sind die Vorschriften stets den technischen Fortschritten angepasst worden. Zudem gibt es für alle Elektrogeräte eine generelle Vorschrift für den Stromverbrauch im Standby- und im Aus-Modus.

EnergieSchweiz ist das partnerschaftliche Programm von Bund, Kantonen, Gemeinden, Wirtschaft, Umwelt- und Konsumentenorganisationen zur Förderung der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energien. EnergieSchweiz wird vom Bundesamt für Energie (BFE) operativ geleitet. Die Aktivitäten von EnergieSchweiz sind auf Sensibilisierung, Information, Beratung, Aus- und Weiterbildung, Qualitätssicherung, Vernetzung sowie Förderung fortschrittlicher Projekte ausgerichtet. Zurzeit steht EnergieSchweiz ein Budget von rund 30 Millionen Franken pro Jahr zur Verfügung.

2.4

Energiestrategie 2050

Infolge der Nuklearkatastrophe von Fukushima haben Bundesrat und Parlament im Jahr 2011 einen Grundsatzentscheid zum schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie gefällt. Dazu hat der Bundesrat auf Basis der überarbeiteten Energieperspektiven die Energiestrategie 2050 erarbeitet. Mit der Energiestrategie 2050 verfolgt der Bundesrat folgende Stossrichtungen:

12

­

Energie- und Stromverbrauch pro Person mit verstärkten Effizienzmassnahmen senken;

­

Anteil der erneuerbaren Energien erhöhen: Die Wasserkraft sowie die neuen erneuerbaren Energien sollen ausgebaut werden. Soweit notwendig soll die Nachfrage vorübergehend durch den Ausbau fossiler Stromproduktion (Wärmekraftkopplung WKK, Gaskombikraftwerke GuD) und durch Stromimporte gedeckt werden. Um die klimapolitischen Ziele nicht zu gefährden, müssen die dabei entstehenden CO2-Emissionen gemäss CO2-Gesetzgebung kompensiert werden;

­

Energieversorgung garantieren: Der ungehinderte Zugang zu den internationalen Energiemärkten und -produzenten soll weiterhin sichergestellt werden.

Stromimporte werden für eine sichere Stromversorgung beibehalten, die Stromübertragungsnetze ausgebaut und die Verteilnetze zu sogenannten Smart Grids umgebaut;

­

Um- und Ausbau der Energienetze und -speicherung: Mit dem Ausbau der Stromproduktion aus neuen erneuerbaren Energien steigt aufgrund der fluktuierenden Einspeisung der Bedarf für einen Um- und Ausbau der elektrischen Netze. Ebenso müssen die anderen Energienetze (Gas, Wärme, Kälte) BBl 2013 5463

2430

sowie die Energiespeicher insgesamt dem zukünftigen Bedarf angepasst werden; ­

Energieforschung verstärken: Das Parlament hat im März 2013 bereits den Aktionsplan «Koordinierte Energieforschung Schweiz» verabschiedet und der Energieforschung bis 2016 zusätzlich rund 200 Millionen Franken zur Verfügung gestellt;13

­

Vorbildfunktion des Bundes, der Kantone, der Städte und der Gemeinden, die ihren Eigenbedarf an Strom und Wärme weitgehend durch erneuerbare Energie decken und den Grundsatz «Best-Practice» in allen Bereichen beachten;

­

Die internationale Zusammenarbeit im Energiebereich wird weiter intensiviert.

Der Bundesrat hat entschieden, die Energiestrategie 2050 zu etappieren. In einer ersten Etappe sollen mit einem umfassenden Massnahmenpaket die aktuell vorhandenen Potenziale zur Erhöhung der Energieeffizienz und zur Steigerung der Produktion aus neuen erneuerbaren Energien ausgeschöpft werden. In einer zweiten Etappe soll das bestehende Fördersystem ab 2021 in ein Lenkungssystem umgebaut werden.

Mit der Energiestrategie 2050 sollen beim Energieverbrauch folgende Ziele erreicht werden: ­

Der durchschnittliche Energieverbrauch pro Person und Jahr soll bis 2020 gegenüber dem Basisjahr 2000 um 16 Prozent sinken, bis 2035 um 43 Prozent. Dies entspricht einem geschätzten Endenergieverbrauch von rund 152 TWh (549 PJ) im Jahr 2035;

­

Der durchschnittliche Stromverbrauch pro Person und Jahr soll bis 2020 im Vergleich zum Basisjahr 2000 um 3 Prozent sinken, bis 2035 um 13 Prozent.

Dies entspricht einem geschätzten Stromverbrauch von 55 TWh (198 PJ) im Jahr 2035.

Die kurzfristigen Ziele für das Jahr 2020 orientieren sich dabei am Szenario Politische Massnahmen des Bundesrates (POM) der Energieperspektiven 2050 und sollen mit dem ersten Massnahmenpaket erschlossen werden (siehe Ziff. 2.4.1). Die Verbrauchsziele für das Jahr 2035 stützen sich auf das Szenario Neue Energiepolitik (NEP) der Energieperspektiven 2050 und erfordern weitere Anstrengungen über das erste Massnahmenpaket hinaus, die Gegenstand der zweiten Etappe der Energiestrategie 2050 sind (siehe Ziff. 2.4.2).

2.4.1

Erstes Massnahmenpaket

Der Bundesrat hat am 4. September 2013 die Botschaft zum ersten Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050 und zur Volksinitiative «Für den geordneten Ausstieg aus der Atomenergie (Atomausstiegsinitiative)» zuhanden des Parlaments verabschiedet.14 Damit legt der Bundesrat das erste Massnahmenpaket als indirekten Gegenvorschlag zur Atomausstiegsinitiative der Grünen Partei vor. Dieses ist auf die

13 14

BBl 2013 2611, 2613 und 2615 BBl 2013 7561

2431

kurzfristigen Zielsetzungen für das Jahr 2020 ausgerichtet, entfaltet seine Wirkung aber auch über diesen Zeithorizont hinaus.

Zur Förderung der Stromeffizienz sind im ersten Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050 folgende Massnahmen vorgesehen: ­

Erhöhung der CO2-Abgabe und Verstärkung des Gebäudeprogramms. Neu sollen im Gebäudeprogramm auch Massnahmen im Bereich Stromeffizienz finanziert werden;

­

Ausbau der wettbewerblichen Ausschreibungen auf rund 50 Millionen Franken pro Jahr;

­

verpflichtende Effizienzziele für Stromlieferanten mittels sogenannten «weissen Zertifikaten»;

­

Einbindung von Unternehmen in Zielvereinbarungsprozesse;

­

Ausweitung und periodische Verschärfung von Effizienzvorschriften für Elektrogeräte;

­

unterstützende Massnahmen von EnergieSchweiz (Förderprogramm Prozessintegration/Abwärmenutzung, Weiterentwicklung der freiwilligen Zielvereinbarungen mit Industrie- und Dienstleistungsunternehmen, Betriebsund Prozessoptimierung, Förderung der Einführung von Energiemanagementsystemen bei Unternehmen etc.).

2.4.2

Zweite Etappe: Übergang von einem Fördersystem zu einem Lenkungssystem

Die Energiestrategie 2050 sieht vor, die Energiepolitik nach 2020 gemeinsam mit der Weiterentwicklung der Klimapolitik strategisch neu auszurichten. Der Bundesrat wird dazu frühzeitig kohärente energie- und klimapolitische Ziele festlegen. Dabei berücksichtigt er internationale Entwicklungen sowie die neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass die Energieverbrauchsziele sowie die Ziele zur Reduktion der Treibhausgasemissionen längerfristig vorwiegend über preisliche Massnahmen zu verfolgen sind. Deshalb sollen bestehende Fördersysteme für erneuerbare Energien (KEV) und Energieeffizienz (Gebäudeprogramm, Wettbewerbliche Ausschreibungen) nach 2021 sukzessive durch ein Lenkungssystem ersetzt werden.

Das vom Bundesrat längerfristig anvisierte Lenkungssystem besteht aus zwei Teilen: Einerseits aus der Erhebung einer Energieabgabe und andererseits aus der Verwendung des Ertrags dieser Energieabgabe. Auf welchen Energieträgern (Brennstoffe, Treibstoffe, Strom) die Energieabgabe erhoben werden soll, ist Gegenstand laufender Abklärungen. Die Energieabgabe soll dabei haushaltsneutral ausgestaltet werden. Das heisst, die öffentliche Hand soll nicht über mehr Mittel verfügen als ohne Energieabgabe, und die Belastung der Haushalte und Unternehmen soll insgesamt nicht ansteigen. Dazu kann das Aufkommen aus der Energieabgabe an die Bevölkerung, Wirtschaft und Kantone verteilt und/oder über die Senkung oder Aufhebung von bestehenden Steuern und Abgaben des Bundes sowie Beiträgen an die Sozialversicherungen kompensiert werden. Die Einnahmen sollen so verwendet werden, dass Haushalte mit tiefen Einkommen nicht benachteiligt werden. Während einer Übergangsphase ab 2021 werden die Förderinstrumente sukzessive auf ein Mini2432

mum reduziert. Ein Teil des Ertrags aus der Energieabgabe kann in diesem Zeitraum zur Finanzierung der Fördermassnahmen verwendet werden. Der Übergang soll fliessend und innerhalb einer vertretbaren Frist stattfinden. Dabei soll der Planungssicherheit der Unternehmen und Haushalte und der dauerhaften Sicherung der Bundeseinnahmen besonders Rechnung getragen werden.

Verschiedene offene Fragen und Varianten in Zusammenhang mit der Einführung des anvisierten Lenkungssystem wurden vom Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) in enger Zusammenarbeit mit dem Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) sowie weiteren Departementen und kantonalen Vertretungen geprüft. Eine erste Konsultation zu einem entsprechenden Grundlagenbericht wurde im Dezember 2013 abgeschlossen.15 Das EFD wird zusammen mit den beteiligten Departementen voraussichtlich bis Ende 2014 eine Vernehmlassungsvorlage erarbeiten.

3

Ziele und Inhalt der Initiative

3.1

Ziele der Initiative

Primäres Ziel der Initiative ist, die Stromeffizienz zu erhöhen. Damit soll einerseits die Stromversorgung sicherer und wirtschaftlicher werden. Andererseits können gemäss den Initiantinnen und Initianten mit einer ambitionierten Effizienzpolitik nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung gefördert, eine Entlastung der Energieverbraucherinnen und Energieverbraucher erreicht sowie Zielkonflikte zwischen Atomausstieg, Bau von Gaskraftwerken und Übernutzung der Wasserkraft vermieden werden.

3.2

Inhalt der Initiative

Zentrales Element der Initiative ist ein Auftrag an den Bund, Ziele für substanzielle Verbesserungen der Stromeffizienz vorzugeben. In den Übergangsbestimmungen wird bereits ein erstes Ziel definiert. So soll die Stromeffizienz bis ins Jahr 2035 so weit gesteigert werden, dass der jährliche Stromendverbrauch dannzumal das Niveau von 2011 nicht überschreitet. Auch soll der Bundesrat entsprechende Zwischenziele festsetzen. Die zur Zielerreichung nötigen Massnahmen werden von Bund und Kantonen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten getroffen. Bei wesentlichen Abweichungen bezüglich Bevölkerungsentwicklung oder Stromanwendungen zum Ersatz fossiler Energieträger gegenüber dem Szenario «Neue Energiepolitik» in den aktualisierten Energieperspektiven 203516 hat der Bundesrat die Möglichkeit, die Obergrenze und die Zwischenziele anzupassen.

15

16

Vgl. den Grundlagenbericht des EFD vom 2. September 2013 betreffend «Übergang vom Förder- zum Lenkungssystem / Varianten eines Energielenkungssystems», abrufbar unter: www.efd.admin.ch > Themen > Steuern > Lenkungssystem im Energiebereich.

Siehe Fussnote 3.

2433

3.3

Erläuterung und Auslegung des Initiativtextes

Die Initiantinnen und Initianten fordern eine Verfassungsgrundlage zur Erhöhung der Stromeffizienz. Sie übergeben dem Gesetzgeber die Kompetenz zur Definition konkreter Stromeffizienzziele. Somit fokussiert die Initiative einseitig auf den Energieträger Strom. Zum Verbrauch anderer Energieträger macht die Initiative keine Aussage.

Als erstes Ziel wird in den Übergangsbestimmungen festgelegt, dass der Stromverbrauch im Jahr 2035 das Niveau von 2011 nicht übersteigen soll. Der Stromendverbrauch im Jahr 2011 betrug gemäss der Schweizerischen Elektrizitätsstatistik 58 599 GWh17. Damit wird für das Jahr 2035 ein absolutes Ziel in dieser Höhe festgelegt. Um die Zielerreichung sicherzustellen, soll der Bundesrat Zwischenziele festsetzen.

Der absolute Stromendverbrauch der Schweiz wird beeinflusst von Entwicklungen bei Bevölkerung, Klima, Wirtschaft und Stand der Technologie. So gehen die Energieperspektiven 2050 vom mittleren Bevölkerungsszenario des Bundesamtes für Statistik mit einer ständigen Wohnbevölkerung von rund 8,8 Millionen im Jahr 2035 aus.18 Technologien wie Wärmepumpen oder Elektromobile haben zu diesem Zeitpunkt bereits vermehrt Ölheizungen oder herkömmlich betriebene Personenwagen ersetzt. Sollte die Bevölkerungszahl bis 2035 stärker ansteigen oder sollten sich strombasierte Anwendungen zum Ersatz fossiler Technologien rascher durchsetzen, wäre das Stromeffizienzziel dementsprechend schwieriger zu erreichen. Im umgekehrten Fall wäre das Ziel entsprechend einfacher zu erreichen. Um unerwartete Entwicklungen diesbezüglich berücksichtigen zu können, wird in den Übergangsbestimmungen geregelt, dass der Bundesrat die Obergrenze und die Zwischenziele anpassen kann, falls sich gegenüber den überarbeiteten Energieperspektiven 2035 Abweichungen ergeben.

Die Initiative verweist auf die überarbeiteten Energieperspektiven 2035, da diese zum Zeitpunkt der Lancierung der Initiative im Sommer 2012 die aktuellsten Perspektiven des BFE darstellten. Die überarbeiteten Energieperspektiven 2035 wurden nach dem Reaktorunfall in Fukushima im Frühling 2011 in relativ kurzer Zeit erstellt, um dem Bundesrat erste Grundlagen zur Neuausrichtung der Energiepolitik bereitstellen zu können. Mit der Vernehmlassungsvorlage zum ersten Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050 hat das BFE im September 2012 die
Energieperspektiven 2050 publiziert. Daraus ergibt sich, dass bei einer Annahme der Initiative die überarbeiteten Energieperspektiven 2035 und deren zugrunde liegenden Annahmen als Grundlage herangezogen werden müssten, obwohl diese nicht mehr dem neusten Stand entsprechen.

Die Massnahmen, mit welchen das Ziel im Jahr 2035 und die Zwischenziele erreicht werden können, sollen von Bund und Kantonen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten getroffen werden. Welche Massnahmen dies sind, wird im Verfassungstext nicht näher konkretisiert. In einem auf der Website des Initiativkomitees publizierten

17 18

Schweizerische Elektrizitätsstatistik 2012, Bundesamt für Energie BFE; abrufbar unter: www.bfe.admin.ch > Themen > Energiestatistiken > Elektrizitätsstatistik.

Die Energieperspektiven für die Schweiz bis 2050, Prognos im Auftrag des Bundesamtes für Energie; abrufbar unter: www.bfe.admin.ch > Themen > Energiepolitik > Energiestrategie 2050 > Grundlagen.

2434

Hintergrundpapier19 zeigen die Initiantinnen und Initianten Effizienzpotenziale in verschiedenen Stromanwendungsbereichen auf. Ebenfalls werden folgende mögliche politische Massnahmen und deren Wirkungspotenzial aufgelistet: ­

Erhöhung von Mindestanforderungen;

­

Ersatzpflicht für Elektroheizungen;

­

Effizienzbonus für Unternehmen mit verpflichtender Zielvereinbarung;

­

Erhöhung der Wettbewerblichen Ausschreibungen;

­

Effizienzauftrag an Stromversorger;

­

staatsquotenneutrale Stromlenkungsabgabe.

4

Würdigung der Initiative

4.1

Würdigung der Anliegen der Initiative

Die Erhöhung der Energieeffizienz und damit auch der Stromeffizienz gewinnt weltweit gesehen in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung. Gründe dafür sind die Verknappung und die damit einhergehende Verteuerung fossiler Energieträger, die Bestrebungen zur Verhinderung eines für die Menschheit schädlichen Klimawandels und der Reaktorunfall in Fukushima, welcher die Risiken der Kernenergie einmal mehr deutlich aufzeigte. So legte die International Energy Agency (IEA) in ihrem «World Energy Outlook 2012» den Fokus auf die «Ressource Energieeffizienz». Alle 28 Mitgliedsstaaten der IEA verfolgen mehr oder weniger ambitionierte Effizienzpolitiken mit Energiesteuern, Lenkungsabgaben, der Einführung von staatlichen Effizienzfonds oder der Umsetzung von Effizienzverpflichtungssystemen für Energieversorgungsunternehmen.

Die EU hat im Oktober 2012 eine Energieeffizienzrichtlinie verabschiedet20. Mit dieser Richtlinie will die EU bis 2020 die Energieeffizienz um 20 Prozent gegenüber einer unbeeinflussten Entwicklung erhöhen. Dazu verpflichtet sie ihre Mitgliedsstaaten dementsprechende nationale Effizienzziele zu setzen und diese mittels ambitionierten Massnahmen zu erreichen.

In der Schweiz bestehen seit längerer Zeit Instrumente zur Erhöhung der Energieeffizienz und insbesondere auch zur Erhöhung der Stromeffizienz. So werden die von den Initiantinnen und Initianten geforderten Massnahmen, Mindestanforderungen für Geräte und wettbewerbliche Ausschreibungen, in der Schweiz bereits umgesetzt.

Das Potenzial der Energie- und Stromeffizienz hat auch der Bundesrat erkannt. Er plant, die Stromeffizienz mit der Energiestrategie 2050 deutlich zu erhöhen. So ist ein Effizienzauftrag an Stromversorger Teil des ersten Massnahmenpakets. Eine staatsquotenneutrale Lenkungsabgabe auf Strom ist für die zweite Phase der Energiestrategie 2050 ab 2021 vorgesehen. Eine Ersatzpflicht für Elektroheizungen ist seit 2008 Teil der Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn) und wurde durch verschiedene Kantone bereits in das kantonale Recht übernommen. Die 19 20

Hintergrundpapier Stromeffizienz-Initiative, abgerufen am 29.11.2013 unter: http://stromeffizienzinitiative.ch > Initiative Richtlinie 2012/27/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 zur Energieeffizienz.

2435

Einführung eines nationalen Effizienzbonus wurde vom BFE während den Arbeiten zur Energiestrategie 2050 geprüft, mit Blick auf eine optimale Abstimmung der Instrumente aufeinander jedoch verworfen.

4.2

Auswirkungen der Initiative bei einer Annahme

Wird die Initiative angenommen, sind Bund und Kantone verpflichtet, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten die notwendigen Massnahmen zur Erreichung der Ziele zu treffen. Die finanziellen und personellen Auswirkungen auf Bund und Kantone sowie Auswirkungen auf wirtschaftliche, gesellschaftliche und ökologische Bereichen sind unter anderem abhängig von den getroffenen Massnahmen und erfordern detaillierte Modellierungen. Somit können die Auswirkungen der Initiative nur grob geschätzt werden. Da die Zielsetzungen, wie auch die massnahmenorientierte Herangehensweise der Stromeffizienz-Initiative aber vergleichbar sind mit dem Zielen der Energiestrategie 2050, kann davon ausgegangen werden, dass auch die Auswirkungen ähnlich ausfallen dürften.

4.2.1

Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen

Gesamtwirtschaftlich hat eine Erhöhung der Stromeffizienz folgende positive Effekte: ­

Erhöhung der Stromversorgungssicherheit aufgrund des reduzierten Stromverbrauchs;

­

reduzierte Abhängigkeit von nicht erneuerbaren Stromimporten und Energieträgern;

­

Erhöhte lokale Wertschöpfung bei Branchen, welche Energieeffizienztechnologien herstellen;

­

reduzierte negative ökologische Auswirkungen von Stromproduktion und -verteilung;

­

reduzierte direkte Kosten für die Stromproduktion und -verteilung und damit Entlastung der Endkonsumenten von Strom.

Negative Effekte können sich ergeben, wenn die politisch geforderte Erhöhung der Stromeffizienz nur zu Kosten erreicht werden kann, welche den aus den positiven Effekten erzielten Nutzen übersteigen. Die Kosten zur Erhöhung der Stromeffizienz sind direkt abhängig vom Stand der Technologie bei den verschiedenen Stromanwendungen. Auch werden die Kosten vom Nachfrageverhalten und ­ solange keine vollständige Entkoppelung stattgefunden hat ­ vom Wirtschaftswachstum beeinflusst. Da die Initiative keine Anpassungsmöglichkeit für eine unvorhergesehene Wirtschaftsentwicklung vorsieht, würde die Zielerreichung bei hohem pro-KopfWirtschaftswachstum entsprechend schwieriger. Der Bundesrat geht davon aus, dass heute ein bedeutendes, unerschlossenes Stromeffizienzpotenzial vorhanden ist, welches zu annehmbaren Kosten erschöpft werden kann. Deshalb schlägt er mit dem ersten Massnahmenpaket zur Energiestrategie 2050 ein mit demjenigen der Stromeffizienz-Initiative vergleichbares Stromverbrauchsziel vor.

2436

In den Energieperspektiven 2050 des BFE werden die jährlichen Gesamtkosten der Stromerzeugung im Jahr 2035 in der Stromangebotsvariante C&E (Fossil-zentral und erneuerbare Energien) für das Szenario «Politische Massnahmen des Bundesrates» mit 8,4 Milliarden Schweizer Franken um rund 900 Millionen Franken tiefer als im Szenario «Weiter wie bisher» ausgewiesen. Da die Stromverbrauchsziele der Stromeffizienz-Initiative und der Energiestrategie 2050 vergleichbar sind, ist davon auszugehen, dass mit der Umsetzung der Stromeffizienz-Initiative Kosteneinsparungen bei der Stromproduktion in ähnlicher Grössenordnung resultieren.

4.2.2

Auswirkungen auf den Bund

Die personellen und finanziellen Auswirkungen auf den Bund sind abhängig von den zur Zielerreichung zu treffenden Massnahmen und können zum jetzigen Zeitpunkt nicht abgeschätzt werden. Es ist davon auszugehen, dass für die Umsetzung dieser Massnahmen im Vergleich zum bestehenden Recht ein gewisser personeller und finanzieller Aufwand beim Bund anfallen wird. Im Vergleich zur Umsetzung der Energiestrategie 2050 im Bereich der Stromeffizienz sind in etwa dieselben personellen und finanziellen Auswirkungen zu erwarten.

Im Vergleich zu einer unbeeinflussten Entwicklung führt eine Umsetzung der Stromeffizienz-Initiative zu einem reduzierten Stromendverbrauch und dadurch zu Einbussen bei den Einnahmen aus der Gewinnsteuer von Stromversorgungsunternehmen und aus der Mehrwertsteuer. Gleichzeitig wird jedoch der Absatz von Effizienztechnologien zunehmen. Werden die Effizienztechnologien in der Schweiz hergestellt, so ergeben sich wiederum positive Effekte auf die Einnahmen aus Gewinn- und Mehrwertsteuer. Welcher Effekt überwiegen wird, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht voraussagen.

4.2.3

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden

Die obengenannten Auswirkungen auf die Einnahmen des Bundes aus der Unternehmensgewinnsteuer gelten sinngemäss auch für die Kantone. Die Kantone und Gemeinden sind zudem über Beteiligungen im Besitz eines grossen Teils der Unternehmen der Energiewirtschaft. Die durch die Stromeffizienz-Initiative ausgelöste Reduktion des Stromendverbrauchs der Schweiz führt bei den Stromversorgungsunternehmen zu einer Reduktion des Absatzes. Dies kann neben reduzierten Gewinnsteuern auch reduzierte Gewinnablieferungen respektive Dividendenausschüttungen zur Folge haben. Gleichzeitig eröffnen sich im Bereich der Effizienztechnologien neue Geschäftsfelder und somit Chancen für die Stromversorgungsunternehmen, den durch die erhöhte Stromeffizienz entgangenen Ertrag zu kompensieren.

4.3

Vorzüge und Mängel der Initiative

Die Initiative folgt im Bereich der Stromeffizienz der gleichen Stossrichtung wie die Energiestrategie 2050 des Bundesrates. Während der Bundesrat im ersten Massnahmenpaket eine Reduktion des Pro-Kopf-Stromverbrauchs gegenüber 2000 um 13 Prozent bis ins Jahr 2035 anstrebt, fordern die Initiantinnen und Initianten eine 2437

Stabilisierung des Stromverbrauchs bis ins Jahr 2035 im Vergleich zum Jahr 2011.

In der nachstehenden Abbildung werden beide Ziele unter Annahme derselben Bevölkerungsentwicklung wie in den Energieperspektiven 2050 dargestellt. Dabei sieht man, dass die beiden Ziele vergleichbar sind. Je nach Annahmen betreffend Bevölkerungsentwicklung oder Technologien zum Ersatz fossiler Energieträger kann das Ziel des Bundesrates sogar als strenger beurteilt werden.

Abbildung 1 Stromeffizienzziele in der Initiative und im ersten Massnahmenpaket zur Energiestrategie 2050

Stromeffizienzziele 9'000'000

61'000

57'000 Bevölkerung

8'000'000

55'000

7'500'000

53'000 51'000

7'000'000

49'000 6'500'000

Stromendverbrauch [GWh]

59'000

8'500'000

47'000

6'000'000

45'000 1990

1995

2000

2005

2010

2015

2020

2025

2030

2035

Wohnbevölkerung

Entwicklung der Wohnbevölkerung (Szenario BFS)

Endverbrauch Strom [GWh]

Ziel Energiestrategie 2050 [GWh]

Ziel Stromeffizienzinitiative [GWh]

Entwicklung Endverbrauch Strom mit 1. Massnahmenpaket

Obwohl die Initiative grundsätzlich in die gleiche Richtung zielt wie das erste Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050, lehnt sie der Bundesrat ab. Einerseits passt die Stromeffizienz-Initiative nicht in die Logik der Energiestrategie 2050. Mit der Energiestrategie 2050 plant der Bundesrat in einer ersten Phase mit einem Massnahmenpaket auf Gesetzesstufe das aktuell vorhandene Potenzial in den Bereichen Energieeffizienz und erneuerbaren Energien auszuschöpfen. In einer zweiten Phase soll das bestehende Fördersystem ab 2021 in ein Energielenkungssystem umgebaut werden.

Andererseits zielt die Initiative einseitig auf den Energieträger Strom und auf die Erhöhung der Stromeffizienz. Eine Annahme der Initiative hätte zur Folge, dass auf Verfassungsebene konkrete Ziele zur Erhöhung der Stromeffizienz ohne Ziele zur Erhöhung der Gesamtenergieeffizienz festgesetzt würden. Im Energiebereich gilt es aber, die verschiedenen Energieträger zu diversifizieren und optimal aufeinander abzustimmen. Genau dies plant der Bundesrat mit seiner Energiestrategie 2050. Ein einseitiger Fokus auf den Energieträger Strom hingegen verunmöglicht eine gesamtenergetische Planung und kann die politisch gewollte Substitution von fossiler Energieträger durch Strom verlangsamen oder sogar rückgängig machen.

Die Bundesverfassung enthält zudem bereits heute übergeordnete Bestimmungen zum rationellen Energieverbrauch und zum Energiesparen, die die Stromeffizienz implizit miteinschliessen. Konkrete Effizienzziele sind aus staatspolitischen Gründen nicht in der Bundesverfassung, sondern auf Gesetzes- oder Verordnungsstufe zu regeln.

2438

4.4

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Stromeffizienz-Initiative ist grundsätzlich mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar. Verschiedene Staaten haben sich in den vergangenen Jahren konkrete Ziele zur Steigerung der Energieeffizienz oder zur Reduktion des Verbrauchs gesetzt und setzen diese um. So verfolgt beispielsweise die EU das Ziel, die Energieeffizienz bis ins Jahr 2020 um 20 Prozent gegenüber einer Referenzentwicklung zu steigern. Um die Zielerreichung sicherzustellen, hat die EU im Oktober 2012 eine Energieeffizienzrichtlinie21 verabschiedet, welche die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, im Bereich der Strom- und Energieeffizienz weitgehende Massnahmen umzusetzen.

ei einer Umsetzung der Stromeffizienz-Initiative ­ wie auch bei der Umsetzung der Energiestrategie 2050 ­ müsste für jede einzelne Massnahme geprüft werden, ob sie kompatibel mit den internationalen Verpflichtungen ist. Dabei spielen die handelsrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz und die Bestimmungen des EU-Binnenmarktes im Hinblick auf ein Stromabkommen mit der EU eine zentrale Rolle.

4.5

Prüfung eines direkten Gegenentwurfs oder eines indirekten Gegenvorschlags

Aus den in den vorangehenden Kapiteln dargelegten Gründen hat sich der Bundesrat am 23. Oktober 2013 dafür ausgesprochen, der Stromeffizienz-Initiative keinen direkten Gegenentwurf gegenüberzustellen.

Zudem verzichtet der Bundesrat darauf, das erste Massnahmenpaket zur Energiestrategie 2050 als indirekten Gegenvorschlag zur Stromeffizienz-Initiative vorzuschlagen. Der Bundesrat hat am 4. September 2013 das erste Massnahmenpaket bereits zum indirekten Gegenvorschlag der Atomausstiegsinitiative erklärt.22 Eine Verknüpfung zweier Volksinitiativen mit einem indirekten Gegenvorschlag wäre nach Ansicht des Bundesrates rechtlich nicht ausgeschlossen, aber unter dem Aspekt der freien und unverfälschten Willenskundgebung der Stimmberechtigten problematisch.

5

Schlussfolgerungen

Aus den dargelegten Gründen beantragt der Bundesrat die Ablehnung der eidgenössischen Volksinitiative «Für eine sichere und wirtschaftliche Stromversorgung (Stromeffizienz-Initiative)».

21 22

Siehe Fussnote 20.

Siehe Fussnote 14.

2439

2440