Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern unter dem Personenfreizügigkeitsabkommen Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 4. April 2014 Stellungnahme des Bundesrates vom 13. August 2014

Sehr geehrter Herr Kommissionspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht «Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern unter dem Personenfreizügigkeitsabkommen» der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 4. April 2014 nehmen wir nach Artikel 158 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Kommissionspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

13. August 2014

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Didier Burkhalter Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2014-1420

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) wurde im Januar 2012 durch die Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte (GPK) mit einer Evaluation zum Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern unter dem Personenfreizügigkeitsabkommen1 (FZA) beauftragt. Der Bericht der GPK des Nationalrates (GPK-N) stützt sich auf die Evaluation der PVK.

Die zuständige Subkommission EJPD/BK der GPK-N entschied am 18. Juni 2012, sich einerseits auf die Auswirkungen des FZA und andererseits auf die Rolle des Bundes in der Umsetzung des Abkommens zu fokussieren.

Die PVK führte eine Längsschnittbetrachtung durch, wobei teilweise gewisse Daten erstmals überhaupt miteinander verknüpft wurden. Im September 2013 führte die PVK beim Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), beim Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF), beim Bundesamt für Statistik (BFS) und beim Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) eine Verwaltungskonsultation durch. Die für die Umsetzung des FZA zuständigen kantonalen Behörden wurden nicht konsultiert.

Am 18. November 2013 nahm die Subkommission EJPD/BK vom Bericht der PVK vom 6. November 2013 zum Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern unter dem FZA Kenntnis. Ebenso nahm sie die offen gebliebenen Fragen zum kantonalen Vollzug zur Kenntnis. Die Subkommission leitete ihre Schlussfolgerungen und Anträge an die GPK-N weiter, die den zur Diskussion stehenden Bericht und die darin enthaltenen Empfehlungen am 4. April 2014 verabschiedete und an den Bundesrat weiterleitete. Der Bericht der GPK-N sowie die Evaluation der PVK wurden veröffentlicht.2 Die GPK-N hat den Bundesrat eingeladen, bis zum 15. August 2014 seine Stellungnahme abzugeben.

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Stellungnahme des Bundesrates

2.1

Einleitung

Die Hauptkapitel des Berichts der GPK-N befassen sich einerseits mit den beschränkten Möglichkeiten der Steuerung der Zuwanderung unter dem FZA und andererseits damit, wie die Kantone die ihnen zur Verfügung gestellten Instrumente nutzen. Überdies setzt sich ein weiteres Kapitel mit der Aufgabenwahrnehmung des Bundes, insbesondere der Aufsichtsfunktion, auseinander.

1

2

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (SR 0.142.112.681).

Bericht der GPK-N: BBl 2014 8201 8221; Evaluation der PVK: www.parlament.ch > Organe und Mitglieder > Kommissionen > Parlamentarische Verwaltungskontrolle

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Die GPK-N kommt zum Schluss, dass es sich bei der Zuwanderung unter dem FZA bislang im Wesentlichen um eine Arbeitsmigration handelte, d. h. Personen, die in die Schweiz einreisten, kamen, um zu arbeiten, und taten dies in der Regel auch. Der Bericht stellt auch fest, dass Personen, die sich im Rahmen des FZA in der Schweiz aufhalten, Ansprüche hinsichtlich Sozialleistungen geltend machen können, ohne dass dies zum Verlust des Aufenthaltsrechts führe.

Die GPK-N sieht in drei Themenbereichen Handlungsbedarf. So verfügten die zuständigen kantonalen Vollzugsbehörden nicht über die notwendigen Informationen, um im Einzelfall das Aufenthaltsrecht einschränken zu können. Diejenigen Informationen, die den kantonalen Behörden zur Verfügung standen, hätten diese nicht konsequent genutzt, um in konkreten Einzelfällen das Aufenthaltsrecht einzuschränken. Zudem habe der Bund die notwendigen Grundlagen zur Steuerung der Zuwanderung im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten nicht verbessert.

Die GPK-N sowie die PVK haben auf eine Konsultation der zuständigen kantonalen Vollzugsbehörden sowie weiterer interessierter Stellen verzichtet. Diese Konsultation ist im Rahmen der Erstellung des vorliegenden Berichts durch das Bundesamt für Migration (BFM) erfolgt, und die VKM3, der VSAA4, die KKJPD5, die VDK6, SODK7 sowie die SKOS8 haben sich zum Bericht der GPK-N vernehmen lassen.

Der Bundesrat erachtete eine Konsultation der für die Umsetzung zuständigen kantonalen Behörden als zentral, um eine umfassende Sicht hinsichtlich der Umsetzung des FZA und den damit verbundenen Herausforderungen gewährleisten zu können. Die Ergebnisse der Konsultation sind in die vorliegende Stellungnahme eingeflossen.

Volk und Stände haben am 9. Februar 2014 die Volksinitiaitve «Gegen Masseneinwanderung» angenommen.9 Damit kommt es zu einem Systemwechsel in der Zuwanderungspolitik der Schweiz. Die neuen Verfassungsbestimmungen sehen vor, dass die Bewilligungen für den Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern durch jährliche Höchstzahlen und Kontingente begrenzt werden. Dies gilt für sämtliche Bewilligungen im Ausländerrecht unter Einbezug von Grenzgängerinnen und Grenzgängern sowie den Personen aus dem Asylbereich. Höchstzahlen und Kontingente sind auf die gesamtwirtschaftlichen Interessen der Schweiz auszurichten. Bei der Einstellung
von Arbeitskräften muss der Inländervorrang berücksichtigt werden.

Die neuen Verfassungsbestimmungen gewähren Bundesrat und Parlament für die Umsetzung drei Jahre Zeit (also bis Februar 2017). In der Zwischenzeit bleibt das FZA in Kraft. Die vorliegende Stellungnahme des Bundesrates zu den Empfehlungen der GPK-N ist in diesem Zusammenhang zu verstehen.

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Vereinigung der kantonalen Migrationsbehörden Verband Schweizerischer Arbeitsmarktbehörden Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren Konferenz Kantonaler Volkswirtschaftsdirektoren Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe BBl 2014 4117

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2.2

Zu den Empfehlungen der GPK-N

Empfehlung 1

Lohnentwicklung und Sozialleistungsbezugsquoten beobachten

Der Bundesrat wird aufgefordert, die Entwicklung der Sozialleistungsbezugsquoten, des durchschnittlichen Lohnniveaus und der Tiefstlöhne der Bereiche, die von der Zuwanderung besonders betroffen sind, genau zu beobachten.

Zudem wird der Bundesrat dazu eingeladen, zur Frage, welche Massnahmen er gedenkt zu treffen, damit mit den erwirtschafteten Löhnen die Lebenshaltungskosten in der Schweiz gedeckt werden können, der GPK-N Bericht zu erstatten.

Beobachtung des durchschnittlichen Lohnniveaus und der Tiefstlöhne Das FZA sieht vor, dass Staatsangehörige aus der EU-25/EFTA, die in der Schweiz eine Stelle antreten und je nach Dauer des ausgestellten Vertrags eine Kurzaufenthaltsbewilligung L oder eine Aufenthaltsbewilligung B erhalten, keiner vorgängigen Überprüfung der Lohn- und Arbeitsbedingungen unterstehen. Im Bereich der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung bis zu maximal 90 Tagen pro Kalenderjahr sowie bei kurzfristigen Stellenantritten bei Schweizer Arbeitgebern bis zu drei Monaten pro Kalenderjahr ist keine Bewilligung nötig; eine Meldung genügt.

Die Einhaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen wird nachgelagert, im Rahmen der flankierenden Massnahmen, stichprobenartig durch die zuständigen Kontrollorgane überprüft. Die flankierenden Massnahmen (FlaM) wurden in den letzten Jahren mittels gesetzlicher sowie praktischer Massnahmen mehrfach verschärft.

Dem Bundesrat ist es ein zentrales Anliegen, dass sowohl schweizerische wie auch ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Lohn- und Sozialdumping geschützt werden. Der Vollzug der FlaM basiert auf einem dualistischen System: In Branchen mit einem allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsvertrag (ave GAV) sind die paritätischen Kommissionen (PK; zusammengesetzt aus den Sozialpartnern) für die Durchführung der Kontrollen zuständig. In Branchen, für die kein ave GAV besteht, üben die kantonalen tripartiten Kommissionen (TPK; jeweils mit Vertreterinnen und Vertretern von Behörden, Arbeitgebern sowie Gewerkschaften) ihre Kontrolltätigkeiten aus.

Im Rahmen der Kontrolltätigkeit der Vollzugsorgane der FlaM werden einerseits die (meldepflichtigen) ausländischen Dienstleistungserbringer, die gestützt auf das Entsendegesetz vom 8. Oktober 199910 die Schweizer Lohn- und Arbeitsbedingungen einzuhalten haben, überprüft. Andererseits werden die Arbeitsbedingungen bei Schweizer Arbeitgebern im Rahmen der Arbeitsmarktaufsicht durch die kantonalen tripartiten Kommissionen (TPK) oder im Rahmen des ordentlichen Vollzugs der ave GAV durch die paritätischen Kommissionen (PK) kontrolliert.

Seit dem 1. Mai 2013 sind Arbeitgeber aus der EU/EFTA verpflichtet, im Rahmen der Meldung via Online-Meldeverfahren den effektiv für die gemeldete Dienstleistung in der Schweiz an ihre entsandten
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entrichteten Bruttostundenlohn zu melden. Die Lohnmeldung kann und soll nicht die Kontrolle vor Ort durch die zuständigen Kontrollorgane ersetzen. Sie soll primär den

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SR 823.20

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zuständigen Kontrollorganen als zusätzliche Information dienen, um Kontrollen besser planen und gezielter durchführen zu können.

Die tripartite Kommission des Bundes (TPK Bund) hat unter anderem den Auftrag, jährlich auf nationaler Ebene Fokusbranchen festzulegen, was eine intensivere Kontrolltätigkeit in diesen Branchen mit sich bringt. Für die Festlegung der Fokusbranchen beruft sich die TPK Bund unter anderem auf die jährliche Berichterstattung des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) über den Vollzug der FlaM, auf die Daten des Zentralen Migrationsinformationssystems (ZEMIS)11 bezüglich der ausländischen Arbeitnehmenden in der Schweiz und auf die Lohnstrukturerhebung (LSE) des Bundesamts für Statistik (BFS). Falls die Analyse dieser Daten auf eine allfällige vermehrte Unterbietung der üblichen Löhne in einer Branche hindeutet oder falls in einer Branche viele ausländische Arbeitnehmende tätig sind, kann die TPK Bund die entsprechende Branche zur Fokusbranche erklären. Die intensiven Kontrolltätigkeiten in den Fokusbranchen ermöglichen es, vertiefte Erkenntnisse über die Lage in jeder dieser Branchen zu erhalten. Die tripartiten Kommissionen leisten damit einen wertvollen Beitrag zur Beobachtung der allgemeinen Entwicklungen des Arbeitsmarkts und im Speziellen der Entwicklung und Einhaltung der Löhne. Im Jahr 2013 hat die TPK Bund das Baunebengewerbe, das Gastgewerbe, den Personalverleih, das Überwachungs- und Sicherungsgewerbe, den Gartenbau sowie den Detailhandel mit Schuhen und Bekleidung zu Fokusbranchen erklärt.

Zusätzlich werden im jährlich erscheinenden Observatoriumsbericht zum FZA die Lohnentwicklungen seit Inkrafttreten des FZA umfassend untersucht. Das Mandat des Observatoriumsberichts ist es, die demografischen und arbeitsmarktlichen Auswirkungen der Personenfreizügigkeit auf nationaler Ebene und soweit möglich in den Grossregionen der Schweiz zu beurteilen.12 Der Observatoriumsbericht enthält Untersuchungen zur allgemeinen Lohnentwicklung, aber auch detaillierte Untersuchungen der Lohnentwicklung nach Branchen, zu den Einstiegslöhnen und der Lohentwicklung in den Grenzregionen.

Mit den genannten Instrumenten (Arbeitsmarktbeobachtung durch die tripartiten Kommissionen und die Untersuchungen im jährlichen Observatoriumsbericht zur Lohnentwicklung) werden die Entwicklungen des
durchschnittlichen Lohnniveaus und der Tiefstlöhne verfolgt. Diese beiden Instrumente haben sich aus Sicht des Bundesrates bewährt, weshalb er diese auch in Zukunft weiterführen wird.

Nach Annahme der Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» hält der Bundesrat die flankierenden Massnahmen weiterhin für nötig. Er prüft im Rahmen der Umsetzungsarbeiten, in welcher Form sie weitergeführt werden sollen.

Beobachtung der Entwicklung der Sozialleistungsbezugsquote Im jährlichen Observatoriumsbericht zum FZA werden die Auswirkungen des FZA auf die Sozialversicherungen umfassend dargelegt. Es werden die Auswirkungen des FZA auf die 1. Säule, die Invalidenversicherung, die Ergänzungsleistungen, die Unfallversicherung, die Arbeitslosenversicherung und die Sozialhilfe untersucht.

11 12

Vgl. ZEMIS-Verordnung vom 12. April 2006 (SR 142.513).

Vgl. 10. Observatoriumsbericht zum Freizügigkeitsabkommen Schweiz-EU vom 9. Juli 2014, S. 115. Der Bericht wird jährlich unter Mitwirkung des SECO, des BFM, des BFS sowie des BSV erstellt. Zu finden unter: www.seco.admin.ch > Themen > Arbeit > Freier Personenverkehr CH-EU und flankierende Massnahmen.

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Massnahmen zur Deckung der Lebenshaltungskosten durch die erwirtschafteten Löhne Das Phänomen der «working poor» trifft nicht nur Ausländerinnen und Ausländer, sondern auch Schweizerinnen und Schweizer. In seiner Botschaft vom 16. Januar 201313 zur Volksinitiative «Für den Schutz fairer Löhne (Mindestlohninitiative)» hat der Bundesrat festgehalten, dass er zwar grundsätzlich das Anliegen der Initiative, Lohnunterbietung und Armut zu bekämpfen, teilt, jedoch an der Wirksamkeit der Initiative zweifelt. Der Bundesrat ist der Meinung, die Initiative habe schädliche Auswirkungen auf den Schweizer Arbeitsmarkt und die insgesamt gut funktionierende Sozialpartnerschaft im Land. Während die hohen Löhne von den Unternehmen festgelegt werden, sind die Niedriglöhne weitgehend vom guten Funktionieren der Sozialpartnerschaft und der GAV abhängig. Die Allgemeinverbindlicherklärung von GAV durch die öffentliche Hand hilft den Sozialpartnern, die Löhne und die Mindestarbeitsbedingungen in den Branchen und Regionen zu sichern. Die Initiative wurde in der Volksabstimmung vom 18. Mai 2014 deutlich abgelehnt.14 Das BFM hat durch den Erlass von Weisungen zur Zulassung von EU-/EFTAStaatsangehörigen zu einer Teilzeitarbeit das Problem der «working poor» an die Hand genommen. Die Weisungen15 sehen vor, dass bei Vorliegen eines Teilzeitarbeitsvertrags die Erteilung einer Bewilligung der sorgfältigen vorgängigen Überprüfung der speziellen Situation des Gesuchstellers bzw. der Gesuchstellerin bedarf.

Geht aus dem Gesuch hervor, dass die Tätigkeit derart unbedeutend ist, dass sie als rein marginaler Nebenerwerb zu beurteilen ist,16 so kann von der betreffenden Person verlangt werden, ihr Arbeitspensum durch weitere Teilzeitarbeitsverträge zu erhöhen, um nach Erteilung der Aufenthaltsbewilligung für den eigenen Lebensunterhalt und die Bedürfnisse ihrer Familie sorgen zu können, ohne Sozialleistungen zu beanspruchen.17 Bei mehreren Teilzeitstellen sind die jeweiligen Arbeitspensen zusammenzurechnen. Wenn die betreffende Person trotz der Verpflichtung zur Erhöhung ihres Teilzeitpensums auf ihrem Gesuch beharrt, ist vertieft zu prüfen, ob die Arbeitnehmereigenschaft tatsächlich gegeben ist oder ob nicht vielmehr ein Rechtsmissbrauch vorliegt; im letzteren Fall darf die Bewilligung nicht erteilt werden.

Der Bundesrat teilt die
Empfehlung der GPK-N, dass die Lohnentwicklungen und Sozialleistungsbezugsquoten genau zu beobachten sind. Er wird daher die bewährten Beobachtungsinstrumente (Arbeitsmarktbeobachtung durch die tripartiten Kommissionen und jährlicher Observatoriumsbericht) weiterführen. Massnahmen zur Bekämpfung des Phänomens der «working poor» erachtet er als notwendig. Da dieses 13 14 15

16 17

BBl 2013 1211 76,3 % Nein (2 208 728 Stimmen) gegen 23,7 % Ja (687 347 Stimmen) und 23:0 Stände; vgl. BBl 2014 6349 Weisungen zur Verordnung über die Einführung des freien Personenverkehrs (VEP), Ziff. 4.2.3; zu finden unter: www.bfm.admin.ch > Dokumentation > Rechtliche Grundlagen > Weisungen und Kreisschreiben > II. Freizügigkeitsabkommen Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 23. März 1982 in der Rechtssache C-53/81 (Levin).

In seinem Entscheid vom 23. März 1982 in der Rechtssache 139/85 (Kempf) kam der EuGH zum Ergebnis, dass ein EU-Mitgliedstaat, der einem Musiklehrer mit einem Teilzeitpensum von 12 Wochenstunden die Arbeitnehmereigenschaft zuerkannte, dessen Arbeitnehmeransprüche nach der Erteilung der Aufenthaltsbewilligung nicht ausschliessen und die Leistung von Sozialhilfe nicht verweigern durfte; vgl. auch Marcel Dietrich, Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer in der Europäischen Union, Zürich 1995, S. 278.

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Phänomen sowohl Schweizerinnen und Schweizer als auch Ausländerinnen und Ausländer betrifft, sind Massnahmen zur Bekämpfung dieses Phänomens auf die Gesamtbevölkerung auszurichten.

Gemäss Sozialhilfestatistik des Bundesamtes für Statistik waren 2012 von den rund 173 000 Sozialhilfeempfänger und Sozialhilfeempfängerinnen (18­64 Jahre) 40 399 Personen erwerbstätig (ohne Lernende). Davon arbeiteten 8414 oder 21 % Vollzeit.

Gemessen am Total aller Vollzeiterwerbstätigen in der Schweiz waren 2012 somit weniger als ein Prozent der Vollzeiterwerbstätigen auf Unterstützung durch die Sozialhilfe angewiesen. Jeder dritte im Jahr 2012 abgeschlossene Sozialhilfefall konnte aufgrund einer durch Erwerbstätigkeit verbesserten wirtschaftlichen Situation der Betroffenen abgeschlossen werden.

Ferner verfolgt der Bund eine Strategie zur Prävention und Bekämpfung von Armut (Nationales Programm zur Prävention und Bekämpfung von Armut 2014­2018).

Seit Anfang 2014 setzt das Eidgenössische Departement des Innern zusammen mit Kantonen, Gemeinden, Sozialpartnern und Nicht-Regierungsorganisationen das Programm um. Inhaltlich legt das Programm Schwerpunkte in vier Handlungsfeldern: Chancengleichheit von sozial benachteiligten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, soziale und berufliche Eingliederung, Lebensbedingungen sowie Wirkungsmessung von Massnahmen der Prävention und Bekämpfung.

Empfehlung 2

Informationsgrundlagen zum Sozialleistungsbezug

Der Bundesrat wird aufgefordert zu prüfen, ob die Migrationsbehörden Zugang zu Informationen bezüglich weiterer Sozialleistungsbezüge benötigen, um die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Steuerung der FZA-Zuwanderung ausschöpfen zu können.

Wie der Bericht der GPK-N richtig ausführt, besteht in den Bereichen der Arbeitslosenversicherung18 sowie der Sozialhilfe19 bereits eine Meldepflicht, d. h. die zuständigen Behörden melden den kantonalen Migrationsbehörden Fälle von Personen, die Arbeitslosengelder bzw. Sozialhilfe beziehen. Die mit der Ausrichtung von Ergänzungsleistungen betrauten Stellen sollen in Zukunft ebenfalls zu einer solchen Meldung verpflichtet werden. Die dazu notwendige gesetzliche Grundlage wird derzeit durch das BFM in Zusammenarbeit mit dem BSV ausgearbeitet. Aus Sicht des Bundesrates stehen damit die im Einzelfall aufenthaltsrechtlich relevanten Daten zur Verfügung. Es ist Sache aller zuständigen kantonalen Behörden, diese Daten zu nutzen und im Rahmen einer Einzelfallprüfung abzuklären, ob ein Entscheid über den Entzug des Aufenthalts zu treffen ist oder nicht. Dabei dürfte es meist um die Fragestellung gehen, ob aufgrund von unfreiwilliger Arbeitslosigkeit das Aufenthaltsrecht erlischt oder erhalten bleibt. Der Bundesrat ist bestrebt, auch diese Frage im Rahmen seines angekündigten Massnahmenpakets zur Missbrauchsbekämpfung20 zu klären und die entsprechende Regelung im Bundesrecht zu verankern. Im Übrigen soll als weitere Massnahme der Sozialhilfeausschluss von neu zur Stellen18 19 20

Vgl. Art. 82 Abs. 6 der Verordnung vom 24. Okt. 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE; SR 142.201).

Vgl. Art. 82 Abs. 5 VZAE.

Vgl. Medienmitteilung des Bundesrates vom 15. Januar 2014.

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suche eingereisten Personen im Bundesrecht verankert werden. Die Vernehmlassung zu dieser Vorlage wurde am 2. Juli 2014 eröffnet. Sie dauert bis zum 22. Oktober 2014.21 Der Bundesrat anerkennt den von der GPK-N ausgemachten Handlungsbedarf betreffend den Zugang der Migrationsbehörden zu Informationen über den Sozialleistungsbezug. Mit der Schaffung der rechtlichen Grundlagen zur Datenübermittlung im Bereich der Ergänzungsleistungen und der bereits bestehenden rechtlichen Grundlage für die Datenübermittlung im Bereich der Sozialhilfe und der Arbeitslosenversicherung werden den Migrationsbehörden die wesentlichen aufenthaltsrechtlich relevanten Daten zur Verfügung stehen, weshalb eine Erweiterung des Datenaustauschs zurzeit nicht geplant ist.

Empfehlung 3

Klärung der kantonalen Unterschiede beim Ausmass der Differenz zwischen deklariertem und tatsächlichem Aufenthaltszweck

Der Bundesrat wird aufgefordert, die Gründe für die Unterschiede zwischen den Kantonen bei der Differenz zwischen deklariertem und tatsächlichem Aufenthaltszweck von FZA-Zugewanderten mit den Kantonen zu klären und der GPK-N darüber Bericht zu erstatten. Auf der Basis der dadurch erlangten Informationen zum kantonalen Vollzug ist die Verbesserung der Datenlage umgehend an die Hand zu nehmen.

Entscheidendes Kriterium bei der Bewilligungserteilung für EU-/EFTA-Staatsangehörige ist ein zu diesem Zeitpunkt vorliegendes konkretes Arbeitsverhältnis mit einem Schweizer Arbeitgeber. Gemäss FZA genügt eine Bestätigung des Arbeitgebers. Die zuständige kantonale Migrationsbehörde entscheidet zu diesem Zeitpunkt aufgrund der ihr vorliegenden Informationen. Nicht erteilt wird die Bewilligung bei offensichtlichem Rechtsmissbrauch oder Anhaltspunkten für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten. Die kantonale Behörde trifft in diesen Fällen weitere Abklärungen.

Grundsätzlich besteht für EU-/EFTA-Staatsangehörige berufliche und geografische Mobilität,22 d. h. sie können, solange ihre Bewilligungen gültig sind, den Arbeitgeber und den Beruf wechseln bzw. von einer unselbstständigen zu einer selbstständigen Erwerbstätigkeit übergehen.23 Die Faktenlage kann sich zudem rasch ändern (Probezeit, Arbeitnehmer tritt Stelle nicht an etc.). Solange keine staatlichen Sozialleistungen bezogen werden, sind weder eine Pflicht zur Meldung noch eine Pflicht zum Einholen einer Bewilligung für die Änderung des Aufenthaltszwecks vorgesehen (vgl. Ausführungen zu den Empfehlungen 2 und 4). Ebenso trifft Personen, die sich auf das FZA berufen können und im Familiennachzug einreisen, keine Meldepflicht, wenn sie später eine Erwerbstätigkeit aufnehmen und sich der Aufenthaltszweck faktisch ändert.

21 22 23

www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Laufende Vernehmlassungen > Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement Art. 8 Anhang I FZA.

Vorbehalten bleiben die Übergangsbestimmungen des FZA zur EU-2.

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Die Differenz zwischen deklariertem und aktuellem Aufenthaltszweck ergibt sich aus Sicht des Bundesrates aus der fehlenden Meldepflicht bei Änderung der Erwerbssituation. Die Unterschiede zwischen den Kantonen, was das Ausmass dieser Differenz betrifft, ergeben sich aus den Unterschieden im kantonalen Vollzug (vgl. Empfehlung 6). Die Überprüfung des Aufenthaltsrechts findet nicht über flächendeckende Auswertungen oder Datenabfragen statt, sondern erfolgt anhand der im Einzelfall übermittelten Daten (vgl. Ausführungen zu den Empfehlungen 2 und 7).

Aus Sicht des Bundesrates könnte eine Verbesserung der Datenlage daher zwar zu verbesserten statistischen Auswertungen, nicht aber zur Vollzugsunterstützung beitragen. In Bezug auf die Weiterleitung und die dauerhafte Speicherung aller für die Abbildung des aktuellen Aufenthaltszwecks relevanten Daten in einem zentralen Informationssystem (dauerhafte und permanente Datenverknüpfung) gilt es, das Prinzip der Verhältnismässigkeit und die mit einer solchen Datenverknüpfung verbundenen hohen administrativen und technischen Aufwände zu bedenken. Der Bundesrat erachtet die Schaffung einer neuen Datenlage zu statistischen Zwecken angesichts der laufenden Arbeiten zur Ausarbeitung eines neuen Zulassungssystems zum jetzigen Zeitpunkt nicht als opportun.

Empfehlung 4

Notwendige Grundlagen für Informationszugang schaffen

Der Bundesrat wird aufgefordert, zu prüfen, wie die kantonalen Vollzugsbehörden an die für die Steuerung der FZA-Zuwanderung notwendigen Informationen gelangen, namentlich über die Änderung des Aufenthaltszwecks und über eine Aufnahme oder Aufgabe einer Erwerbstätigkeit, ohne die Regelung des Personenfreizügigkeitsabkommens zu verletzen.

Gemäss FZA besteht für Staatsangehörige aus der EU/EFTA, die in der Schweiz als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erwerbstätig sind, berufliche und geografische Mobilität. Auch sind sie durch die Vorgaben des FZA nicht dazu verpflichtet, an einem bestimmten Ort zu wohnen oder sich aufzuhalten. Eine Meldepflicht des Arbeitgebers oder der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Falle eines beruflichen oder geografischen Wechsels ist im FZA nicht vorgesehen und wäre aufgrund der beruflichen und geografischen Mobilität auch nicht mit dem FZA vereinbar. Die Einführung einer solchen Meldepflicht bei den zuständigen kantonalen Migrationsbehörden würde zudem zu einem erheblichen administrativen Aufwand für alle beteiligten Akteure führen. Eine Meldepflicht bei Erwerbsaufgabe, noch bevor staatliche Leistungen (vgl. Ausführungen zu Empfehlung 2) bezogen werden, hätte zur Folge, dass jedes Personendossier in ZEMIS flächendeckend mit dem aktuellen Aufenthaltszweck sowie allenfalls weiteren Erkenntnissen versehen werden müsste.

Überdies kann eine derartige Meldepflicht dazu führen, dass die kantonale Vollzugsbehörde künftig flächendeckend in allen Fällen bei Aufgabe der Erwerbstätigkeit Abklärungen durchführen müsste, wenn sie der Meinung ist, dass beispielsweise die Arbeitnehmereigenschaft nicht mehr gegeben ist. Dabei ist nicht auszuschliessen, dass die betreffende Person in der Zwischenzeit wieder eine Stelle gefunden oder die Schweiz bereits wieder verlassen hat. Dieser personelle und finanzielle Aufwand steht aus Sicht des Bundesrates und der kantonalen Migrations- und Arbeitsmarktbehörden in keinem vernünftigen Verhältnis zum verfolgten Zweck.

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Die Einführung einer Meldepflicht bei einer Änderung des Aufenthaltszwecks ist nach Auffassung des Bundesrates nicht im Sinne des FZA. Vor dem Hintergrund der Arbeiten zur Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative bleibt jedoch abzuwarten, inwiefern die Einführung einer hier dargelegten Meldepflicht opportun und zulässig ist.

Empfehlung 5

Nutzung der Steuerungsmöglichkeiten

Der Bundesrat wird aufgefordert, sich im Rahmen seiner Kompetenzen dafür einzusetzen, dass die zuständigen kantonalen Behörden die vorhandenen Möglichkeiten systematisch prüfen, die Zuwanderung aus den Vertragsstaaten des Personenfreizügigkeitsabkommens durch Bewilligungsentzug oder -befristung zu steuern.

Der Bundesrat ist der Ansicht, dass der Entzug und die Befristung von Bewilligungen ein nur bedingt wirksames Mittel zur Steuerung der Zuwanderung ist. Es ist primär die Wirtschaft, die nachfrageorientiert die Zuwanderung steuert.

Der Bundesrat stimmt aber vollumfänglich der Empfehlung der GPK zu, dass die vorhandenden Möglichkeiten zum Entzug und zur Befristung des Aufenthaltsrechts systematisch genutzt werden sollen. Durch die Schaffung der rechtlichen Grundlagen für den Datenaustausch zwischen den Sozialleistungsbehörden und den kantonalen Migrationsämtern wurden die nötigen Voraussetzungen für die Überprüfung des Aufenthaltsrechts bei im Einzelfall aufenthaltsrechtlich relevanten Ereignissen geschaffen. Das BFM weist die kantonalen Behörden regelmässig in persönlichen Kontakten und mittels Weisungen und Rundschreiben auf diese Aufgabe hin. Der Bundesrat ist sich aber bewusst, dass die Verfahren zum Bewilligungswiderruf aufwendig sind und deren Ausgang häufig ungewiss ist. Zum Beispiel kann durch das Entstehen neuer Tatsachen wie ein Stellenantritt während eines laufenden Verfahrens unter gewissen Umständen erneut ein Anspruch auf ein Aufenthaltsrecht entstehen und das Verfahren gegenstandslos machen.

Der Bundesrat wird sich weiterhin dafür einsetzen, dass die vorhandenen Möglichkeiten zur Beendigung oder Befristung des Aufenthaltsrechts genutzt werden, indem er die hierfür erforderlichen rechtlichen Grundlagen schafft und entsprechende Weisungen an die Vollzugsbehörden erlässt.

Empfehlung 6

Klärung der Ursachen für die Unterschiede beim kantonalen Vollzug

Der Bundesrat wird aufgefordert, die Gründe für die in Anhang 1 befindlichen Feststellungen zu den teilweise erheblichen Differenzen beim Vollzug des Personenfreizügigkeitsabkommens und bei der Gewährung von Niederlassungsbewilligungen zwischen den Kantonen mit diesen zu klären und der GPK-N Bericht darüber zu erstatten.

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Allgemein ist festzuhalten, dass das FZA diverse Rechtsansprüche vorsieht, die unmittelbar und reziprok anwendbar sind. Den bestehenden Ermessensspielraum nutzen die zuständigen kantonalen Behörden regelmässig aus, was zu gewissen Unterschieden im Vollzug führt. Dieser Ermessensspielraum ist im Rahmen des föderalistischen Systems der Schweiz politisch gewollt. Zudem gilt es weiter zu bedenken, dass ­ z. B. aufgrund ihrer geografischen Lage ­ nicht alle Kantone mit derselben Ausgangslage in Bezug auf den Arbeitsmarkt konfrontiert sind. Ein Grenzkanton sieht sich beispielsweise mit anderen Herausforderungen konfrontiert als ein Kanton in der Zentralschweiz, was zu einer unterschiedlichen Setzung von Schwerpunkten im Vollzug führen kann. Kantonale Unterschiede im Vollzug des Ausländerrechts sind daher kein Novum, sondern haben seit jeher bestanden und ermöglichen es auch, den Anforderungen des Einzelfalls und den lokalen Gegebenheiten angemessen Rechnung zu tragen.

Nach fünf Jahren Aufenthalt kann Staatsangehörigen aus der EU/EFTA die Niederlassungsbewilligung erteilt werden. Die Schweiz hat mit elf europäischen Staaten24 Niederlassungsvereinbarungen abgeschlossen. Das Vorliegen einer Niederlassungsvereinbarung bedeutet jedoch nicht, dass einer Person automatisch, ohne jegliche Voraussetzung und ohne jegliche Prüfung die Niederlassungsbewilligung nach fünf Jahren erteilt wird. Voraussetzung ist, dass ein ordnungsgemässer ununterbrochener ausländerrechtlicher Aufenthalt gegeben ist und insbesondere keine Widerrufs- oder Erlöschensgründe vorliegen.25 Das für die Weisungen zu Handen der vollziehenden kantonalen Behörden im Bereich der Personenfreizügigkeit zuständige BFM erlässt Weisungen und Rundschreiben in denjenigen Fällen, die von gesamtschweizerischer Relevanz sind (z. B.

die Anwendung der Ventilklausel) und wo sich effektiv ein Bedürfnis nach einer gesamtschweizerisch einheitlichen Regelung manifestiert.

Der Bundesrat anerkennt das Ergebnis der GPK-N, dass es in gewissen Bereichen teilweise Unterschiede im kantonalen Vollzug gibt. Vor dem Hintergrund des Föderalismus soll auch in Zukunft den kantonalen Behörden im Vollzug ein gewisser Ermessenspielraum belassen werden. In sensiblen Bereichen und Fragen von gesamtschweizerischer Relevanz soll mittels des Erlasses von Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen sowie Weisungen ein gesamtschweizerisch einheitlicher Vollzug gefördert werden.

Empfehlung 7

Notwendige Instrumente zur Verfügung stellen

Der Bundesrat wird aufgefordert, zu prüfen, wie sowohl den vollzugsverantwortlichen Behörden als auch dem BFM ein Instrument zur Verfügung gestellt werden kann, das ihnen erlaubt, ihre jeweilige Aufgabe (Vollzug bzw. Aufsicht) zu erfüllen. Dabei soll die Funktionalität und die tatsächliche Nutzung von ZEMIS überprüft und allenfalls angepasst werden.

24 25

Belgien, Deutschland, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Italien, Liechtenstein, Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien.

Vgl. Weisungen und Erläuterungen Ausländerbereich (Weisungen AuG) des BFM, Kapitel 3.4.3; zu finden unter: www.bfm.admin.ch > Dokumentation > Rechtliche Grundlagen > Weisungen und Kreisschreiben > I. Ausländerbereich

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ZEMIS ist eine Registerdatei, die Administrativdaten zur ausländerrechtlichen Regelung enthält. In ZEMIS werden die bei der Einreise für die ausländerrechtliche Regelung relevanten Daten gespeichert. Nachträgliche Änderungen werden nur dann erfasst, wenn diese den zuständigen Behörden mitgeteilt werden. Aufgrund der beruflichen und geografischen Mobilität (vgl. Ausführungen zu den Empfehlungen 3 und 4) und der fehlenden Meldepflicht bei Änderungen in Bezug auf die Erwerbstätigkeit (vgl. Ausführungen zu den Empfehlungen 3 und 4) wird der Erwerbsverlauf nicht in ZEMIS abgebildet.

Der Vollzug des FZA erfolgt nicht über die Datenbank ZEMIS. ZEMIS wurde nicht als Vollzugsinstrument konzipiert, das zu jedem Zeitpunkt die Lebens- und Erwerbssituation der Zugewanderten lückenlos abbilden kann. Dies ist aufgrund der fehlenden Meldepflicht zur Aufnahme resp. Aufgabe einer Erwerbstätigkeit auch nicht möglich. Die Überprüfung des Aufenthaltsrechts erfolgt nicht flächendeckend oder stichprobenartig, sondern in klar definierten Fällen. Daten zu aufenthaltsrechtlich relevanten Ereignissen wie Arbeitslosigkeit oder Sozialleistungsbezügen werden den zuständigen Vollzugsbehörden ausserhalb von ZEMIS weitergeleitet (vgl.

Ausführungen zu den Empfehlungen 2 und 8). Die kantonalen Vollzugsbehörden sind in diesen Fällen gehalten, das Aufenthaltsrecht zu überprüfen. Besteht in anderen Fällen ein Verdacht auf Verlust des Aufenthaltsrechts, so müssen die kantonalen Behörden die benötigten Informationen direkt bei den ausländischen Staatsangehörigen im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht einfordern.

Die Aufsicht des Bundes über die kantonalen Behörden erfolgt weder über ZEMIS noch durch rein quantitative Erhebungen und Auswertungen. Sie erfolgt vielmehr im Rahmen der ständigen Vollzugsunterstützung der kantonalen Behörden durch bilaterale Kontakte und im Rahmen von regionalen Austauschtagungen. Einerseits können dort unmittelbar Vollzugsprobleme erhoben und festgestellt werden, die durch das BFM weiter bearbeitet werden können. Ortet das BFM in einem bestimmten Bereich Handlungsbedarf, so hat es wo nötig entsprechende Weisungen zu erlassen, und es hat dies in der Vergangenheit auch getan. Andererseits steht das BFM den kantonalen Behörden beratend zur Seite, um eine korrekte und einheitliche Umsetzung des FZA zu fördern.
Der Bundesrat anerkennt daher die Kritik der GPK-N, dass sich ZEMIS nicht zur Ausübung von Vollzugs- und Aufsichtsaufgaben eignet. Da das FZA der Einführung einer ausgebauten Meldepflicht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und der Arbeitgeber in Bezug auf den Erwerbsverlauf entgegensteht, erachtet der Bundesrat eine Anpassung der Funktionalität von ZEMIS nicht als zielführend. Er wird sich weiterhin dafür einsetzen, dass die vorhandenen Vollzugsinstrumente (Datenaustausch in begründeten Fällen) und Aufsichtsinstrumente (Austauschtagungen, bilaterale Kontakte, Erlass von Weisungen) konsequent genutzt werden.

Empfehlung 8

Klärung der Rechtslage

Der Bundesrat sorgt dafür, dass die zuständigen Behörden den Begriff der unfreiwilligen Arbeitslosigkeit gemäss Artikel 6 Absatz 1 und 6 Anhang I FZA und damit die Rechtslage in Bezug auf die Möglichkeiten eines Entzugs des Aufenthaltsrechts für EU/EFTA-Angehörige aufgrund von Arbeitslosigkeit umgehend zu klären und allfällige vollzugsnotwendige Vorgaben den Kantonen zu kommunizieren.

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Der Bundesrat wird, wie am 15. Januar 2014 angekündigt, eine formelle gesetzliche Grundlage im Bundesrecht vorschlagen, worin verankert wird, wie lange und unter welchen Voraussetzungen das Aufenthaltsrecht bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit fortbesteht.26 In derselben Vorlage sind zudem Änderungen im Bundesgesetz vom 6. Oktober 200627 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung vorgesehen, die einen Informationsaustausch über den Bezug von Ergänzungsleistungen zwischen den zuständigen kantonalen Behörden ermöglichen werden. Bezieht eine ausländische, nichterwerbstätige Person Ergänzungsleistungen, so soll die zuständige Stelle die kantonalen Migrationsbehörden informieren. Damit wird sichergestellt, dass diesen Personen die Aufenthaltsbewilligung entzogen werden kann. Das BFM wird die zuständigen kantonalen Behörden rechtzeitig vor Inkrafttreten der gesetzlichen Grundlagen mittels Weisung oder Rundschreiben über die Neuerungen informieren. Die Vernehmlassung zu dieser Vorlage wurde am 2. Juli 2014 eröffnet. Sie dauert bis zum 22. Oktober 2014.28 Der Bundesrat anerkennt den Handlungsbedarf, was die Regelung der Folgen einer Arbeitslosigkeit für das Aufenthaltsrecht betrifft. Mit dem erwähnten Gesetzespaket soll die Rechtslage geklärt werden.

Empfehlung 9

Ressourcenausstattung der zuständigen Sektion im BFM

Der Bundesrat veranlasst umgehend, dass das Amt bzw. das Departement dafür sorgt, dass die Aufgaben und Ressourcen der zuständigen Sektion in einem ausgewogenen Verhältnis stehen, damit dieses eine aktive Aufsicht betreiben kann.

Der Bundesrat überprüft vor dem Hintergrund der in den letzten Jahren gestiegenen politischen Bedeutung des FZA sowie der durch die Annahme der Masseneinwanderungsinitiative massgeblich veränderten politischen Situation, ob der Sektion Personenfreizügigkeit im BFM genügend personelle Ressourcen zur Erfüllung ihrer Aufgaben zur Verfügung stehen.

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Das Bundesgericht hat in diesem Zusammenhang in seinem Urteil vom 10. April 2014 (2C_390/2013) Anhaltspunkte für den Verlust der Arbeitnehmereigenschaft dargelegt.

Das BFM hatte gegen das Urteil des kantonalen Gerichts des Kantons Waadt Beschwerde beim Bundesgericht geführt. Ebenso sei hier auf das Urteil des Bundesgerichts vom 27. Mai 2014 (2C_412/2014) verwiesen, in welchem Kriterien zum Bewilligungsentzug im Falle von Arbeitslosigkeit aufgeführt werden.

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