13.483 Parlamentarische Initiative Effizienz des Parlamentsbetriebes steigern Bericht des Büros des Nationalrates vom 7. November 2014

Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Änderung des Geschäftsreglements des Nationalrates.

Das Büro beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

7. November 2014

Im Namen des Büros Der Präsident: Ruedi Lustenberger

2014-3123

9413

Bericht 1

Entstehungsgeschichte und Ausgangslage

1.1

Einführung eines beschleunigten Verfahrens für bekämpfte Vorstösse in der Frühjahrssession 2011

Im Rahmen der parlamentarischen Initiative 10.458 des Büro des Nationalrates «Behandlung von bekämpften Vorstössen» (vgl. zur Entstehungsgeschichte den Bericht des Bü-NR, BBl 2010 8076 f.) verabschiedete der Nationalrat am 17. Dezember 2010 mit 179 zu 9 Stimmen eine Revision seines Geschäftsreglements (GRN; SR 171.13) und führte ein beschleunigtes Verfahren für die Behandlung von bekämpften Vorstössen ein. Der neu aufgenommene Absatz 2 in Artikel 28a lautete wie folgt: Stimmt die Urheberin oder der Urheber dem Antrag des Bundesrates zu einer Motion oder einem Postulat zu und wird dieser Antrag aus der Mitte des Rates bekämpft, so wird über die Motion oder das Postulat in der folgenden ordentlichen Session ohne Wortmeldung abgestimmt. ...

2

Aufgrund des Inkrafttretens der Bestimmung auf die Frühjahrssession 2011 fanden die ersten Abstimmungen in der Sommersession 2011 statt.

Ein Vorstoss gilt als bekämpft, wenn ein Ratsmitglied die Ablehnung eines vom Bundesrat zur Annahme beantragten Vorstosses beantragt. In der Praxis werden die Vorstösse, bei welchen die Urheberin oder der Urheber mit dem Antrag des Bundesrates einverstanden ist, auf eine Liste gesetzt, welche jeweils in der dritten Sessionswoche verteilt und als Ergänzung der Tagesordnung am letzten Sessionstag behandelt wird (sogenannte Freitagsliste). Die Ratsmitglieder haben dabei bis am vorletzten Sessionstag Zeit, um die Ablehnung eines vom Bundesrat zur Annahme beantragten Vorstosses zu beantragen, d. h. den Vorstoss zu «bekämpfen».

1.2

Geltendes Recht

Mit der Änderung des Parlamentsgesetzes (ParlG; SR 171.10) vom 21. Juni 2013 (vgl. 10.440 Pa.Iv. SPK-SR. Verbesserungen der Organisation und der Verfahren des Parlamentes) wurde im ParlG neu das Recht auf Wortmeldung zu umstrittenen parlamentarische Initiativen und Vorstössen verankert (vgl. Art. 6 Abs. 4 ParlG).

Gleichzeitig wurde der oben erwähnte Artikel 28a Absatz 2 GRN aufgehoben, welcher die Grundlage für das beschleunigte Verfahren für bekämpfte Vorstösse bildete.

Initiiert wurde die zwingende mündliche Begründung von bestrittenen parlamentarischen Initiativen und Vorstössen vom Ständerat. Er stiess sich primär daran, dass im Nationalrat in «organisierten Debatten» zu einem Thema eine Vielzahl von Vorstössen behandelt und nicht zu jedem einzelnen Vorstoss Stellung genommen wurde (was vor allem im Rahmen von ausserordentlichen Sessionen geschah). Er störte sich aber auch am beschleunigten Verfahren für bekämpfte Vorstösse. Für den Ständerat war in beiden Fällen nicht immer nachvollziehbar, aufgrund welcher

9414

Argumente im Nationalrat umstrittene Motionen angenommen worden waren (vgl. Bericht der SPK-SR zum Geschäft 10.440, BBl 2011 6812 f.).

Das Büro des Nationalrates beantragte bei der Erstberatung im Plenum erfolglos, die Behandlung von bekämpften Vorstösse vom zwingenden Rederecht auszunehmen (AB NR 2012 2072 ff.).

Unbestrittene Vorstösse werden gemäss geltendem Recht in einem beschleunigten Verfahren behandelt. Vorstösse, die der Bundesrat zur Annahme empfiehlt und die nicht bekämpft sind, werden am letzten Sessionstag diskussionslos angenommen.

Und Vorstösse, die der Bundesrat zur Ablehnung beantragt, werden ­ wenn die Urheberin oder der Urheber damit einverstanden ist ­ am letzten Sessionstag diskussionslos abgelehnt.

Vorstösse aber, die von einem Ratsmitglied oder von mehreren Ratsmitgliedern bekämpft werden, können nicht in diesem beschleunigten Verfahren behandelt werden und kommen auf die chronologisch gegliederte Liste der hängigen Vorstösse.

1.3

Wiedereinführung des beschleunigten Verfahrens für bekämpfte Vorstösse unter Wahrung des Rederechts

Frau Nationalrätin Leutenegger Oberholzer reichte am 13. Dezember 2013 eine parlamentarische Initiative «Effizienz des Parlamentsbetriebes steigern» zur Wiedereinführurng des beschleunigten Verfahrens für bekämpfte Vorstösse ein. Die parlamentarische Initiative verlangt eine prioritäre Behandlung von bekämpften Vorstössen unter gleichzeitiger Wahrung der Rederechte der Urheberin resp. des Urhebers sowie des den Vorstoss bekämpfenden Ratsmitgliedes. Um Obstruktionstaktiken zu verhindern und den Stellenwert von (mehrheitsfähigen) Vorstössen zu erhöhen, gab das Büro des Nationalrates der parlamentarischen Initiative am 16. Mai 2014 Folge. Es verabschiedete am 7. November 2014 den beiliegenden Erlassentwurf zuhanden des Rates.

2

Grundzüge der Vorlage

Grundsätzlich werden Vorstösse von Ratsmitgliedern und Fraktionen in der Reihenfolge ihrer Einreichung behandelt. In der Praxis werden diese nicht separat auf der Tagesordnung aufgelistet, sondern es werden sogenannte Vorstosslisten pro Departement erstellt.1 Das Büro schlägt nun vor, dass bekämpfte Vorstösse wieder prioritär behandelt werden und neu jeweils zuoberst auf die Vorstossliste zu einem Departement gesetzt werden sollen. Auf diese Weise wird auch dem Rederecht der Urheberin oder des Urhebers gemäss Artikel 6 Absatz 4 ParlG und Artikel 46 Absatz 4 GRN Rechnung getragen.

1

Gemäss Artikel 35 Absatz 2 GRN können Vorstösse von Ratsmitgliedern und Fraktionen ­ anders als Motionen oder Postulate, die von einer Kommission eingereicht werden, oder Motionen, die vom anderen Rat angenommen wurden ­ auf der Tagesordnung unter einem Sammeltitel erwähnt werden.

9415

3

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

3.1

Geschäftsreglement des Nationalrates

Artikel 28, Absatz 2, zweiter Satz Gemäss Artikel 28 Absatz 2 werden Vorstösse von Ratsmitgliedern und Fraktionen, die den gleichen oder einen ähnlichen Gegenstand betreffen, in der Reihenfolge ihrer Einreichung behandelt. In der Praxis werden solche Vorstösse einzeln und nacheinander im Rahmen von chronologisch geordneten Vorstosslisten pro Departement behandelt. Der Begriff des ähnlichen Gegenstands wird somit weit gefasst und bezieht sich in der Regel auf den Zuständigkeitsbereich eines Departementes.

Ebenfalls möglich ist die Behandlung von Vorstössen im Zusammenhang mit einer Debatte zu einem aktuellen politischen Thema (etwa im Rahmen von ausserordentlichen Sessionen oder aktuellen Debatten).2 Das Büro schlägt vor, Absatz 2 mit einem zweiten Satz zu ergänzen, wonach Vorstösse von Ratsmitgliedern und Fraktionen, die der Bundesrat zur Annahme empfiehlt und die aus der Mitte des Rates bekämpft werden, vor den Vorstössen von Ratsmitgliedern und Fraktionen behandelt werden, welche der Bundesrat zur Ablehnung empfiehlt. In der Praxis werden bekämpfte Vorstösse somit zuoberst auf die chronologisch geordneten Vorstosslisten pro Departement gesetzt.

Die Traktandierung der Vorstosslisten ist von der Anwesenheit der zuständigen Departementsvorsteherin bzw. des zuständigen Departementsvorstehers und der verfügbaren Zeitreserve am Ende einer Sitzung abhängig. Angestrebt wird in der Praxis eine möglichst ausgeglichene Berücksichtigung aller Departemente, wobei Departemente mit einer hohen Zahl hängiger Vorstösse häufiger zum Zuge kommen.

Ein strikter Turnus kann aufgrund der Abhängigkeit vom spezifischen Sessionsprogramm nicht eingehalten werden. Pro Session werden nur in Ausnahmefällen Vorstosslisten zu allen Departementen traktandiert. In der aktuellen Legislatur wurden pro ordentliche Session im Schnitt Vorstosslisten zu drei bis vier Departementen traktandiert. Ein Departement wurde somit durchschnittlich in jeder zweiten Session berücksichtigt. Es kommt immer wieder vor, dass traktandierte Vorstösse aus Zeitgründen nicht behandelt werden können.

Die prioritäre Behandlung von bekämpften Vorstössen im Rahmen von Vorstosslisten pro Departement hat zur Folge, dass bei gleichbleibendem Zeitbudget entsprechend weniger Vorstösse beraten werden können, welche der Bundesrat zur Ablehnung beantragt und in
der Regel bereits seit längerer Zeit hängig sind.

In den vier ordentlichen Sessionen seit der Abschaffung des beschleunigten Verfahrens (ab Wintersession 2013) wurden im Schnitt knapp 12 von 32 vom Bundesrat zur Annahme empfohlenen Vorstösse bekämpft. Die Anzahl bekämpfter Vorstösse pro Departement variiert und beträgt im Mittel zwischen 0 bis 3 Vorstösse (BK: 0,5; EDA: 1,25; EDI: 3; EFD: 2; EJPD: 3; UVEK: 1,5; VBS: 0; WBF: 0,5). Geht man bezüglich Vorstosslisten weiterhin davon aus, dass ein Departement im Schnitt jede 2

Vor der Einführung der zwingenden mündlichen Begründung von bestrittenen Vorstössen (vgl. oben, Ziff. 1.2) wurde wiederholt eine grosse Zahl von Vorstössen gemeinsam und im Zusammenhang mit einer Debatte zu einem aktuellen Thema in der Behandlungskategorie II behandelt, wobei es den Fraktionen überlassen blieb, Schwerpunkte zu setzen und die Redezeit auf ihre Mitglieder aufzuteilen.

9416

zweite Session berücksichtigt wird, sammeln sich durchschnittlich höchstens 6 bekämpfte Vorstösse an, welche zuoberst auf die Vorstossliste zu einem Departement gesetzt würden.

Es wird sich zeigen, ob die Aussicht auf eine prioriserte Behandlung im Rat dazu führt, dass in Zukunft vermehrt Vorstösse bekämpft werden. Der Umstand, für die Begründung der Bekämpfung das Wort zu erhalten, könnte immerhin auch zur Folge haben, dass Vorstösse nur nach vertiefter inhaltlicher Auseinandersetzung bekämpft werden. Die taktische Bekämpfung eines Vorstosses mit dem Ziel, eine priorisierte Behandlung gemäss dem neuen Verfahren zu erwirken, wäre in Hinblick auf eine rasche Abwicklung kontraproduktiv. Ohne Bekämpfung wird ein vom Bundesrat zur Annahme beantragter Vorstoss nämlich gemäss dem aktuellen beschleunigten Verfahren in der Regel bereits am letzten Tag der auf die Einreichung folgenden ordentlichen Session stillschweigend angenommen.

Übergangsbestimmung zu Art. 28 Die priorisierte Behandlung kommt für Vorstösse von Ratsmitgliedern und Fraktionen zur Anwendung, die ab dem Datum des Inkrafttretens dieser Änderung aus der Mitte des Rates bekämpft werden.

4

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die Vorlage hat keine finanziellen und personellen Auswirkungen.

5

Rechtliche Grundlagen

Die vorgeschlagene Änderung stützt sich auf Artikel 36 ParlG.

9417

9418