14.064 Botschaft zur Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und dem Kosovo über die polizeiliche Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität vom 3. September 2014

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung des Abkommens vom 6. November 2013 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Kosovo über die polizeiliche Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

3. September 2014

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Didier Burkhalter Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2014-1059

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Übersicht Das Abkommen mit dem Kosovo über die polizeiliche Zusammenarbeit bei der Kriminalitätsbekämpfung ergänzt das bilaterale Vertragsnetz, das die Schweiz mittels analoger Abkommen mit anderen Staaten Ost- und Südosteuropas geknüpft hat. Ein solches Vertragsnetz und eine gute, formalisierte Zusammenarbeit tragen zur inneren Sicherheit der Schweiz bei. Das Abkommen kann mit den bestehenden Mitteln umgesetzt werden.

Ausgangslage Kriminalitätsphänomene wie Drogenhandel, Menschenhandel, Menschenschmuggel, Geldwäscherei, Terrorismusfinanzierung oder kriminelle Organisationen treten typischerweise transnational auf. Die Bekämpfung solcher Phänomene darf deshalb nicht an den Landesgrenzen Halt machen. Vor diesem Hintergrund hat die Schweiz in den vergangenen Jahren ihre internationale Polizeikooperation auf verschiedenen Ebenen weiter ausgebaut.

Auf globaler Ebene wurde die Zusammenarbeit mit Interpol weiter verstärkt. Im regional-europäischen Bereich hat die Beteiligung an der Schengener Zusammenarbeit die polizeiliche Zusammenarbeit mit der Europäischen Union (EU) auf ein neues Niveau gehoben. Mit Europol konnte die Zusammenarbeit ebenfalls ausgeweitet werden. Im bilateralen Bereich hat die Schweiz in den vergangenen Jahren Kooperationsabkommen mit verschiedenen Staaten ausgehandelt, die für die Kriminalitätsentwicklung in der Schweiz von besonderer Bedeutung sind. Das vorliegende Abkommen mit dem Kosovo ergänzt das Vertragsnetz, das die Schweiz in Südosteuropa in den vergangenen Jahren aufgebaut hat.

Inhalt des Abkommens Das Abkommen regelt die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den nach jeweiligem Landesrecht zuständigen Polizeibehörden im Bereich des Informationsaustauschs, der Koordination operativer Einsätze, der Einsetzung von gemeinsamen Arbeitsgruppen sowie der Aus- und Weiterbildung. Dabei wird der Wahrung eines hohen datenschutzrechtlichen Standards grosse Bedeutung beigemessen. Das Abkommen soll in erster Linie der Bekämpfung der Schwerstkriminalität dienen, ist jedoch auf alle Kriminalitätsbereiche anwendbar. Explizit ausgeschlossen ist eine Zusammenarbeit bei politischen, militärischen und fiskalischen Delikten. Im vorliegenden Fall erwies sich die Aushandlung eines bilateralen Abkommens als umso wichtiger, da der Kosovo weder Mitglied von Interpol noch von Europol ist.
Das Abkommen greift nicht in die bestehende Kompetenzverteilung zwischen den Justiz- und Polizeibehörden ein. Die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Kantonen sowie unter den Kantonen wird nicht angetastet. Das Abkommen kann mit den bestehenden Mitteln umgesetzt werden.

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Botschaft 1

Grundzüge des Abkommens

1.1

Ausgangslage

Kriminalität ist keine rein nationale Angelegenheit mehr. Kriminelle Netzwerke handeln über Grenzen hinweg, sind multinational vernetzt und äusserst mobil. Sie haben Methoden entwickelt, über die Landesgrenzen hinweg zu operieren und daraus gar einen Vorteil zu ziehen. Daher darf eine effektive Kriminalitätsbekämpfung nicht an den Landesgrenzen Halt machen. Zur Verhinderung und Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität ist die Schweiz deshalb auf eine enge Zusammenarbeit mit ausländischen Polizeibehörden angewiesen. Die Schweiz hat folglich in den letzten Jahren die Kooperation mit ausländischen Polizeibehörden sukzessive verstärkt. Diese Verstärkung richtet sich nach der «Strategie internationale Polizeikooperation 2010­2013» des Bundesamtes für Polizei (fedpol), die am 4. Dezember 2009 vom Bundesrat zur Kenntnis genommen wurde. Diese Strategie beruht auf drei Pfeilern: der globalen, der regional-europäischen und der bilateralen Zusammenarbeit.

Auf globaler Ebene steht die Zusammenarbeit über die internationale kriminalpolizeiliche Organisation (Interpol) mit ihren heute 190 Mitgliedern im Vordergrund.

Die Zusammenarbeit bezieht sich in erster Linie auf den polizeilichen Informationsaustausch und die internationale Fahndung.

Auf regional-europäischer Ebene wurde mit der Assoziierung der Schweiz an Schengen1 ein wesentlicher Fortschritt in der Verbrechensbekämpfung erzielt.

Namentlich die Fahndungszusammenarbeit im Rahmen des Schengener Informationssystems hat sich dabei als wertvolles Instrument erwiesen. Mit Europol wurde zudem der Kampf gegen kriminelle Organisationsstrukturen weiter ausgebaut, namentlich durch die Erweiterung der Zusammenarbeit auf alle Deliktsbereiche des Europol-Mandats2.

Die bilaterale Polizeikooperation erlaubt schliesslich, massgeschneiderte Lösungen mit jenen Staaten zu treffen, die für die Kriminalitätsentwicklung in der Schweiz besonders wichtig sind. Es bestehen heute bilaterale Abkommen mit allen Nachbarstaaten (Deutschland3, Österreich und Fürstentum Liechtenstein4, Frankreich5 und Italien6) sowie mit Ungarn7, Slowenien8, Lettland9, der Tschechischen Repu-

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SR 0.362.31 SR 0.362.2; 0.362.21 SR 0.360.136.1 SR 0.360.163.1 SR 0.360.349.1 SR 0.360.454.1 SR 0.361.418.1 SR 0.361.691.1 SR 0.361.487.1

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blik10, Albanien11, Mazedonien12, Rumänien13, Bosnien und Herzegowina14 und Serbien15.

Kriminelle aus Südosteuropa spielen eine wichtige Rolle in der Kriminalitätsentwicklung in der Schweiz. So sind sie namentlich in den Bereichen Drogenhandel, Menschenhandel, illegaler Handel von Waffen und Zigaretten sowie sonstigen Eigentumsdelikten tätig. Südosteuropa, und namentlich der Kosovo, ist ein Hauptherkunftsgebiet von einerseits illegal in West- und Nordeuropa eingereisten Migrantinnen und Migranten, und andererseits von professionell agierenden Menschenschmugglern. Solche südosteuropäischen kriminellen Gruppierungen stützen sich oft auf ein Beziehungsnetz innerhalb der in der Schweiz ansässigen Diaspora. Vor diesem Hintergrund ist es für die Schweizer Strafverfolgungsbehörden wichtig, die guten Kontakte zu den Behörden in dieser Region weiter zu vertiefen und auszubauen, namentlich auch mit den Behörden im Kosovo.

Zusätzlich zum Abschluss von bilateralen Polizeikooperationsabkommen mit verschiedenen Staaten Südosteuropas (Albanien, Mazedonien, Serbien, Bosnien und Herzegowina, Rumänien, Ungarn und Slowenien) hat die Schweiz in dieser Region zwei Polizeiattachés stationiert: Einen in Serbien (mit Seitenakkreditierungen für Bosnien und Herzegowina und für Kroatien) und einen im Kosovo (mit Seitenakkreditierungen für Albanien, Mazedonien und Montenegro). Ein weiterer Polizeiattaché ist in der Tschechischen Republik stationiert (mit Seitenakkreditierungen für Polen, die Slowakei und Ungarn).

Der Abschluss eines bilateralen Polizeiabkommens mit dem Kosovo ist die logische Weiterentwicklung dieser bewährten Zusammenarbeit. So wird denn auch in der «Strategie internationale Polizeikooperation 2014­2017», welche vom Bundesrat am 26. Februar 2014 genehmigt wurde, die Umsetzung eines solchen Polizeiabkommens ausdrücklich genannt.

1.2

Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

Am 17. Februar 2008 hat der Kosovo die Unabhängigkeit ausgerufen. Die Schweiz hat die Republik Kosovo am 27. Februar 2008 anerkannt und diplomatische und konsularische Beziehungen aufgebaut. Am 22. Juni 2008 wurde der in Mazedonien stationierte Polizeiattaché für den Kosovo seitenakkreditiert. Seit 2010 ist er in Pristina selbst stationiert.

Im Februar 2010, anlässlich eines Treffens zwischen der damaligen Departementsvorsteherin und dem damaligen Innenminister des Kosovo, wurde der Abschluss eines Abkommens thematisiert und von kosovarischer Seite begrüsst. Ein anschliessendes Expertentreffen im März 2011 in Pristina bot den Schweizer Vertreterinnen und Vertretern die Möglichkeit, die für die Polizeizusammenarbeit wichtigen Partner und Institutionen kennenzulernen. Beim Treffen zwischen der Vorsteherin des EJPD

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SR 0.360.743.1 SR 0.361.123.1 SR 0.361.520.1 SR 0.361.663.1 SR 0.361.191.1 SR 0.360.682.1

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und dem kosovarischen Diaspora-Minister im März 2012, wurde der Abschluss eines Polizeikooperationsabkommens zwischen den beiden Ländern beschlossen.

Die Schweiz stellte anschliessend der kosovarischen Seite einen Abkommensentwurf zu. Die Verhandlungen wurden nach einer Runde erfolgreich abgeschlossen.

Am 28. Januar 2013 konnte das Abkommen paraphiert werden.

Die von Seiten der Schweiz definierten Ziele wurden mit dem vorliegenden Polizeiabkommen erreicht. Beide Seiten sind mit dem Verhandlungsergebnis zufrieden und das Abkommen ist eine fundierte Grundlage für die erweiterte Zusammenarbeit.

Der Bundesrat hat das Abkommen am 20. September 2013 genehmigt. Anlässlich einer Balkanreise haben der Direktor des fedpol und der kosovarische Innenminister das Abkommen am 6. November 2013 in Pristina unterzeichnet.

1.3

Vernehmlassungsverfahren

Gemäss Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 200516 ist bei völkerrechtlichen Verträgen, die nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 der Bundesverfassung17 (BV) dem Referendum unterliegen, ein Vernehmlassungsverfahren durchzuführen. Gemäss Ziffer 2 Buchstabe A der Leitlinien der Bundeskanzlei (BK) vom 30. August 2006 zur Konsolidierung der entsprechenden Praxis kann auf die Durchführung eines Vernehmlassungsverfahrens verzichtet werden, wenn es sich um einen Vertrag handelt, der politisch eindeutig akzeptiert und ohne wesentlichen neuen Inhalt ist. Der Inhalt des Abkommens stimmt im Wesentlichen mit jenem bereits abgeschlossener Abkommen (z. B. mit Albanien, Mazedonien, Rumänien, Bosnien und Herzegowina oder Serbien) überein.

Die politische Akzeptanz wurde im Rahmen des Aussprachepapiers «Strategie internationale Polizeikooperation 2010­2013» geklärt.

1.4

Überblick über den Inhalt des Abkommens

In der Präambel bestätigen die beiden Vertragsparteien ihr Interesse, die Zusammenarbeit namentlich in den Bereichen der organisierten Kriminalität, des Menschenhandels sowie des Drogenhandels zu verstärken. Die geltenden Rechte und Pflichten der Angehörigen der Vertragsparteien sowie die Grundrechte, der Datenschutz und weitere internationale Verpflichtungen bleiben unangetastet.

Kapitel I des Abkommens beinhaltet die allgemeinen Bestimmungen. Es definiert insbesondere die zuständigen Behörden sowie den Anwendungsbereich.

Kapitel II legt die Hauptformen der Zusammenarbeit fest und bestimmt den allgemeinen Informationsaustausch, die Zusammenarbeit mit oder ohne Ersuchen und die Regelungen betreffend die Koordination der getroffenen Massnahmen.

Kapitel III regelt die besonderen Formen der Zusammenarbeit. Namentlich geht es um die gemeinsamen Arbeitsgruppen, die grenzüberschreitende Observation und die

16 17

SR 172.061 SR 101

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kontrollierte Ein-, Durch- und Ausfuhr. Des Weiteren erweitert es die Grundlagen für die Stationierung von polizeilichen Verbindungsbeamten.

Kapitel IV behandelt die zivil- und strafrechtliche Verantwortung sowie die Verfahrensvorschriften und Kosten.

Kapitel V enthält die datenschutzrechtlichen Bestimmungen sowie die Regeln zum Schutz klassifizierter Informationen und zu deren Weitergabe an Dritte.

Kapitel VI enthält die Schlussbestimmungen und legt die Modalitäten für das Inkrafttreten sowie die Kündigung fest.

1.5

Würdigung

Bereits 2008 hat die Schweiz einen Polizeiattaché für den Kosovo seitenakkreditiert und ihn 2010 schliesslich auch in Pristina selbst stationiert. Aufgrund des umstrittenen Status des Kosovo ist eine direkte Zusammenarbeit im Rahmen von Interpol oder Europol nicht möglich, weshalb sich die Aushandlung eines bilateralen Abkommens als notwendig erwies. Das Abkommen stellt die Zusammenarbeit auf eine umfassende und klare rechtliche Basis. Es definiert einheitliche Verfahrensregeln und enthält grundlegende Datenschutzbestimmungen.

Durch das Abkommen wird eine weitere Lücke im Sicherheitsnetz, das die Schweiz mittels Abkommen mit anderen Staaten aus Südosteuropa bereits geknüpft hat, geschlossen und die Zusammenarbeit zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität verstärkt. Die Umsetzung des Abkommens wird denn auch in der Polizeikooperationsstrategie für die Jahre 2014­2017, welche vom Bundesrat am 26. Februar 2014 genehmigt wurde, ausdrücklich genannt.

Das Abkommen verlangt keine Anpassungen des Landesrechts und kann mit den bestehenden Mitteln umgesetzt werden.

2 Art. 1

Erläuterungen zu einzelnen Bestimmungen des Abkommens Zweck dieses Abkommens

Zweck des Abkommens ist die Verstärkung der bilateralen polizeilichen Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien, um Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren und strafbare Handlungen zu bekämpfen. Die Auslegung des Begriffs «strafbare Handlung» richtet sich ausschliesslich nach dem innerstaatlichen Recht der Vertragsparteien. Als Mittel zur Zweckerfüllung sind der Austausch von strategischen und operativen Informationen und regelmässige Treffen der zuständigen Behörden vorgesehen.

Art. 2

Zuständige Behörden und Stellen

Die Zusammenarbeit basiert gemäss Artikel 2 auf dem Zentralstellenprinzip, wie es bei der polizeilichen Zusammenarbeit mit Nicht-Nachbarstaaten angewendet wird.

Die Ersuchen werden an eine zentrale Stelle übermittelt. Diese Zentralstellen behandeln die Ersuchen nach den nationalen Vorschriften und leiten sie gegebenenfalls an 6888

die zuständige Behörde weiter. Durch die klaren Kommunikationswege wird die Koordination erleichtert. Die Zentralstellen sind auch prioritäre Ansprechpartner für die Klärung von Auslegungsfragen und für die Erarbeitung von Vorschlägen zur Weiterentwicklung des Abkommens.

Absatz 2 dieses Artikels listet jene Stellen auf, welche für die Umsetzung des Abkommens zuständig sind. Der Vollzug betrifft einerseits die Weiterentwicklung der bilateralen Kooperation und des Inhaltes des Abkommens, andererseits den direkten Austausch von Informationen und die Umsetzung der im Abkommen festgehaltenen Kooperationsmassnahmen durch die direkten Kontaktstellen. Bei Beachtung des oben erwähnten Zentralstellenprinzips können sich somit neben dem Bundesamt für Polizei auch das Grenzwachtkorps sowie die Polizei- und Strafverfolgungsbehörden der Kantone als die zum Vollzug berechtigten Organe auf das Abkommen stützen. Auf kosovarischer Seite sind die Kosovo Polizei, die Zollbehörden sowie die Meldestelle für Geldwäscheverdachtsmeldungen (Financial Intelligence Unit) genannt.

Die Vertragsparteien sind gemäss Absatz 3 verpflichtet, jegliche Änderungen der in den Absätzen 1 und 2 genannten Stellen unverzüglich mitzuteilen. Dies reicht von einer Namensänderung bis zu einer Neustrukturierung und dient der Sicherstellung einer effizienten Kommunikation.

Art. 3

Anwendungsbereich

Artikel 3 regelt den sachlichen Geltungsbereich und sieht grundsätzlich die polizeiliche Zusammenarbeit in allen Kriminalitätsbereichen vor. Mit der Auflistung besonders schwerwiegender Bereiche wie organisierte Kriminalität, Terrorismus sowie dessen Finanzierung, Menschenhandel- und schmuggel, sexuelle Ausbeutung von Kindern und Kinderpornographie, Computerkriminalität, Drogenhandel, Korruption usw. wird zum Ausdruck gebracht, dass sich die Zusammenarbeit primär auf die Bekämpfung solch schwerer Straftaten konzentrieren soll.

Art. 4

Grenzen der Zusammenarbeit

Ausdrücklich untersagt wird gemäss Artikel 4 die Zusammenarbeit in Angelegenheiten fiskalischer, militärischer und politischer Natur.

Art. 5

Anwendbares Recht

Artikel 5 legt fest, dass die Zusammenarbeit auf der Grundlage des innerstaatlichen Rechts sowie nach Massgabe der internationalen Verpflichtungen, namentlich im Bereich der internationalen Polizeizusammenarbeit, erfolgt. Dies bedeutet, dass bei der operativen Umsetzung von Massnahmen die schweizerischen Verfahrens- und Zuständigkeitsvorschriften beachtet werden müssen. Welche polizeilich relevanten Erlasse des schweizerischen Rechts tatsächlich Anwendung finden, kann nur im konkreten Einzelfall entschieden werden. Mit dem Verweis auf das innerstaatliche Recht wird beispielsweise festgelegt, dass für die Anordnung von Zwangsmassnahmen wie etwa Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen oder Telefonüberwachungen ausnahmslos der Rechtshilfeweg zu beschreiten ist.

Der Vorbehalt zugunsten bestehender internationaler Übereinkünfte bedeutet aber auch, dass durch das neue Abkommen die Bestimmungen bestehender bi- oder

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multilateraler internationaler Abkommen, welche die Schweiz und der Kosovo ratifiziert haben, nicht aufgehoben werden.

Art. 6

Allgemeine Zusammenarbeit

Artikel 6 definiert das allgemeine Ziel der Zusammenarbeit: Die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie die Bekämpfung der in Artikel 3 erwähnten Kriminalitätsformen.

Art. 7

Informationsaustausch

Artikel 7 regelt die gegenseitige Unterstützung durch den Austausch personenbezogener und anderer Daten und Materialien. Der Austausch personenbezogener Daten, einschliesslich sensitiver Daten nach Artikel 21 Buchstabe a, dient in erster Linie der operationellen Polizeiarbeit. Artikel 7 umfasst beispielsweise Angaben zu Personen, die an strafbaren Handlungen beteiligt sind, Angaben über Tatverdächtige sowie Informationen über die Tatbegehungsweise, die getroffenen Massnahmen oder geplante kriminelle Handlungen, Angaben über die Identität einer verdächtigen Person (Fingerabdrücke, DNA-Profile, Fotografien usw.), die Übermittlung von Auszügen aus öffentlichen Registern, Informationen über Inhaberinnen und Inhaber von Postfächern sowie Telefon-Abonnentinnen und -Abonnenten, über Fernhaltemassnahmen oder Fahrzeughalterdaten.

Der Austausch von nicht personenbezogenen Daten und Materialien dient in erster Linie der Analyse, der Koordination und der allgemeinen Information, kann aber auch die operationelle Polizeiarbeit betreffen. Im Bereich der Analyse steht der Austausch von kriminalpolizeilichen Analysen und Lagebildern im Vordergrund, der Austausch kann sich aber auch auf allgemeine Fachliteratur beziehen. Des Weiteren werden der Austausch von Informationen betreffend vorgesehene Aktionen, die mit dem anderen Land zeitlich abgestimmt werden sollten, oder auch die gegenseitige Orientierung über Gesetzesänderungen, die den Anwendungsbereich des Abkommens betreffen, explizit erwähnt.

Artikel 7 regelt den Umfang des möglichen Informationsaustauschs nicht abschliessend. Bezüglich des genauen Umfangs und der Grundsätze des Informationsaustauschs ist auch hier das innerstaatliche Recht der Vertragsparteien massgebend. In der Schweiz richtet sich der Austausch kriminalpolizeilicher Informationen nach dem Bundesgesetz vom 20. März 198118 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG) sowie nach den vom Bundesrat für anwendbar erklärten Statuten und Reglementen von Interpol (Art. 350­353 des Strafgesetzbuchs19). Namentlich können alle Informationen ausgetauscht werden, deren Gewinnung im Rahmen der Kompetenzen der Polizei liegen und die keine Zwangsmassnahmen erfordern.

Art. 8

Zusammenarbeit auf Ersuchen

Gemäss Artikel 8 Absatz 1 können die zuständigen Behörden einander direkt um Unterstützung ersuchen oder eingegangene Ersuchen beantworten, unter der Voraussetzung, dass es sich um die Bekämpfung der Kriminalität oder um die Abwehr von Gefahren handelt. Ausgeschlossen sind Ersuchen, welche den Justizbehörden vorbe18 19

SR 351.1 SR 311.0

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halten sind. Absatz 2 dieses Artikels konkretisiert die Bereiche für solche Unterstützungsersuchen. Es handelt sich beispielsweise um Feststellungen von Aufenthalt und Wohnsitz, von Inhaberinnen und Inhabern eines Telefonanschlusses, zur Aussagebereitschaft einer Zeugin oder eines Zeugen, um Erkenntnisse aus grenzüberschreitenden Observationen, Informationen zur Herkunft von Sachen oder auch die Übersendung von Erkennungsdaten wie DNA-Profile.

Art. 9

Zusammenarbeit ohne Ersuchen

Im Einzelfall können sich die zuständigen Behörden nach Artikel 9 auch ohne Ersuchen Informationen mitteilen, soweit diese für die empfangende Behörde zur Unterstützung bei der Abwehr von konkreten Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder zur Bekämpfung von Straftaten von Bedeutung sind. Die empfangende Behörde ist verpflichtet, die Informationen auf ihre Nützlichkeit hin zu prüfen. Werden diese als nicht notwendig erachtet, sind sie unaufgefordert zu vernichten oder der mitteilenden Behörde zurückzugeben.

Art. 10

Gemeinsame Sicherheitsanalysen

Die Erarbeitung gemeinsamer Sicherheitsanalysen stellt für die operationelle und strategische Zusammenarbeit eine wichtige Grundlage dar. Durch das Abkommen werden beide Parteien darin bestärkt, untereinander Lageberichte auszutauschen und gemeinsam die Sicherheitslage zu analysieren.

Art. 11

Koordination

Eine gute Koordination ist für die Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität grundlegend. Es ist notwendig, innerstaatlich geplante Polizeiaktionen mit anderen betroffenen Staaten abzusprechen und Interventionen bei Bedarf zeitlich abzustimmen.

Gemäss Absatz 1 betreffen solche Einsätze vorab die Suche nach Personen und Gegenständen, die Strafverfolgung im Bereich der organisierten Kriminalität und die Umsetzung besonderer Ermittlungstechniken wie der verdeckten Ermittlung. Die Koordination kann jedoch auch Massnahmen des nach innerstaatlichem Recht vorgesehenen Opfer- und Zeugenschutzes für Personen beinhalten, die für beide Länder von Interesse sind. Ebenfalls abgedeckt werden die Planung und die Durchführung gemeinsamer Programme bei der Kriminalitätsprävention oder zur Sicherung des Linienluftverkehrs. Bei der Koordination von Einsätzen, welche Zwangsmassnahmen beinhalten, ist eine Bewilligung von Seiten der Justizbehörden einzuholen. Die bestehende Kompetenzaufteilung zwischen Polizei und Justizbehörden wird nicht berührt.

Bei der Umsetzung bestimmter Massnahmen können grössere Kosten entstehen. In diesen Fällen können die zuständigen Behörden, abweichend von dem in Artikel 20 Absatz 6 statuierten Grundsatz, dass jeder Vertragsstaat die eigenen Kosten trägt, gemeinsam eine besondere Kostenaufteilung festlegen.

Art. 12

Gemeinsame Arbeitsgruppen

Artikel 12 sieht vor, dass bei Bedarf gemeinsame Arbeitsgruppen gebildet werden können. Dabei kann es sich um Analyseteams zur Erarbeitung von Lagebildern 6891

beziehungsweise Kriminalanalysen handeln oder auch um gemischt besetzte Kontroll- und Observationsteams bei operationellen Massnahmen. Bei besonderen Angelegenheiten, welche beide Länder betreffen, können auch gemischt besetzte Ermittlungsgruppen gebildet werden. Die Beamten eines Vertragsstaats, die im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaats beratend und unterstützend tätig werden, dürfen dabei jedoch keine hoheitlichen Befugnisse wahrnehmen. Je nach Bedürfnis und nach Absprache mit der anderen Vertragspartei können die Modalitäten der gemeinsamen Arbeitsgruppen zusätzlich in einer Vereinbarung nach Artikel 26 (Durchführungsvereinbarung) spezifiziert werden.

Art. 13

Grenzüberschreitende Observation

Artikel 13 regelt die grenzüberschreitende Observation. Gemäss Absatz 1 sind Beamte des einen Vertragsstaates befugt, bei einem laufenden Ermittlungsverfahren eine grenzüberschreitende Observation durchzuführen. Voraussetzung ist, dass die observierte Person selbst verdächtigt wird, an einer Straftat beteiligt gewesen zu sein, die im ersuchenden Staat mit Freiheitsentzug von mindestens einem Jahr bestraft wird, oder dass vermutet wird, die observierte Person könnte bei der Identifizierung einer Person helfen, die einer Straftat verdächtigt wird. Diese Massnahme untersteht der Rechtshilfe und bedarf eines vorgängig gestellten Rechtshilfeersuchens, das an die dafür zuständigen Behörden zu richten ist (Abs. 3). Gemäss Absatz 2 gilt ein bewilligtes Ersuchen grundsätzlich für das gesamte Hoheitsgebiet, die ersuchte Behörde kann die Bewilligung indes an bestimmte Auflagen binden.

Der vierte Absatz schliesslich definiert die Beamten beider Parteien, die zur Observation befugt sind. In der Schweiz sind dies die Polizeibeamten des Bundes, der Kantone, der Zollbehörden sowie des Grenzwachtkorps. Für die Republik Kosovo sind es die Polizei- und Zollbeamten.

Art. 14

Kontrollierte Lieferungen

Artikel 14 regelt die Durchführung kontrollierter Lieferungen. Absatz 1 nennt hierbei die kontrollierte Einfuhr, Durchfuhr und Ausfuhr von Betäubungsmitteln, Waffen, Falschgeld oder sonstigem Diebesgut. Stellt die Lieferung ein nicht vertretbares Risiko für die beteiligten Personen oder für die öffentliche Sicherheit dar, kann die Operation vom ersuchten Staat beschränkt oder abgelehnt werden. Der zweite Absatz regelt den Ablauf und die Befugnisse der beteiligten Beamten. Am Grenzübertritt oder einem vereinbarten Übergabeort übernimmt die ersuchte Behörde die Kontrolle der Lieferung. Nach Absprache besteht für die Beamten des Ausgangsstaates die Möglichkeit, die Lieferung zusammen mit den Beamten des ersuchten Staates weiter zu begleiten. Sie unterstehen dabei jedoch den Anordnungen der Beamten des ersuchten Staates.

Art. 15

Verbindungsbeamte

Durch Artikel 15 werden die Vertragsparteien dazu ermächtigt, Vereinbarungen über die befristete oder unbefristete Entsendung von Verbindungsbeamten in das Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei zu treffen (Abs. 1). Die konkreten Vereinbarungen geschehen in der Regel über einen Notenaustausch. Nach Artikel 8 Absatz 4 der Verordnung vom 30. November 200120 über die Wahrnehmung kriminalpolizei20

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licher Aufgaben im Bundesamt für Polizei ist in der Schweiz das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) dafür zuständig. Unter Artikel 15 des vorliegenden Abkommens fällt auch eine allfällige Seitenakkreditierung, d. h. die Akkreditierung eines polizeilichen Verbindungsbeamten einer Vertragspartei, der in einem Drittstaat stationiert ist. Der Status der stationierten Beamten richtet sich nach den Bestimmungen des Wiener Übereinkommens vom 18. April 196121 über diplomatische Beziehungen.

In den Absätzen 2 und 3 sind die Grundsätze der Aufgaben eines Verbindungsbeamten festgehalten. Das Ziel ist eine Intensivierung der polizeilichen Zusammenarbeit durch die Unterstützung in der polizeilichen und justiziellen Rechtshilfe, wobei den Beamten die Ausübung hoheitlicher Funktionen im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei untersagt bleibt.

Die Schweiz hat seit 2008 einen Polizeiattaché für den Kosovo akkreditiert, und dieser ist seit 2010 in Pristina selbst stationiert. Diese Vereinbarung wurde per diplomatische Note formalisiert. Durch den vorliegenden Artikel wird die Stationierung eine erweiterte rechtliche Grundlage erhalten.

Art. 16

Fürsorge und Dienstverhältnis

Der empfangende Vertragsstaat ist gegenüber den entsandten Beamten bei der Ausübung ihres Dienstes nach Artikel 12 zu gleichem Schutz und Beistand verpflichtet wie gegenüber den eigenen Beamten (Abs. 1). Darunter sind insbesondere die Arbeitsbedingungen sowie der Schutz der Gesundheit und des Lebens der Beamten zu verstehen (Abs. 1). Bei einem Diensteinsatz auf dem Hoheitsgebiet der anderen Partei gelten gemäss Absatz 2 die Regeln und Dienstvorschriften jener Einheit, welcher die Beamten zugeteilt sind.

Nach Absatz 3 bleiben die entsandten Beamten jedoch in Bezug auf ihr Dienst- und Anstellungsverhältnis sowie in disziplinarrechtlicher Hinsicht ihrem Heimatstaat unterstellt.

Art. 17

Aus- und Weiterbildung

Artikel 17 soll es ermöglichen, die Zusammenarbeit durch Massnahmen der Ausund Weiterbildung im Polizei- und Sprachbereich zu verstärken. Im Vordergrund stehen die Teilnahme an Ausbildungskursen, die Durchführung gemeinsamer Seminare und Übungen sowie die Schulung von Spezialistinnen und Spezialisten der anderen Partei. Weitere Möglichkeiten sind der Austausch von Schulungskonzepten beziehungsweise -programmen und die Teilnahme von Beobachtern an Übungen der anderen Vertragspartei (Abs. 1). Grundsätzlich geht es um die Förderung des Erkenntnis- und Erfahrungsaustauschs (Abs. 2).

Art. 18

Zivilrechtliche Verantwortlichkeit

Artikel 18 regelt die Deckung zivilrechtlicher Ansprüche, die sich aus dem Einsatz von Beamten nach Artikel 12 ergeben können. Grundsätzlich gilt, dass eine Vertragspartei gemäss dem innerstaatlichen Recht jener Partei haftet, auf deren Gebiet der Einsatz stattfindet (Abs. 1). Von der Vertragspartei, in deren Hoheitsgebiet der 21

SR 0.191.01

6893

Schaden entstanden ist, wird verlangt, dass sie den Schaden in derselben Weise behebt, als wäre er von ihren eigenen Beamten verursacht worden (Abs. 2). In einem solchen Fall muss die andere Vertragspartei den an die Geschädigten oder ihre Rechtsnachfolgerinnen und Rechtsnachfolger geleisteten Schadenersatz in voller Höhe erstatten (Abs. 3). Vorbehaltlich einer solchen Erstattung und unbeschadet von allfälligen Ansprüchen gegenüber Dritten darf der Vertragsstaat, in welchem der Schaden entstanden ist, keine weiteren Ersatzansprüche geltend machen (Abs. 4).

Art. 19

Strafrechtliche Verantwortlichkeit

Bei Einsätzen nach Massgabe von Artikel 12 werden die Beamten beider Vertragsparteien in Bezug auf Straftaten, die gegen sie begangen werden oder die sie selbst begehen, als Beamte der Vertragspartei betrachtet, in deren Hoheitsgebiet der Einsatz stattfindet. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit in der Schweiz richtet sich nach Artikel 15 Absatz 1 des Verantwortlichkeitsgesetzes vom 14. März 195822. Sie beschränkt sich auf die strafbaren Handlungen, die im Rahmen eines Einsatzes beziehungsweise der amtlichen Tätigkeit verübt wurden. Die Strafverfolgung solcher strafbarer Handlungen, bedarf einer Ermächtigung des EJPD; ausgenommen sind Zuwiderhandlungen im Strassenverkehr.

Art. 20

Verfahren und Kosten

Artikel 20 regelt die Verfahrensabläufe sowie die Kostenaufteilung bei der Zusammenarbeit. Ersuchen um Information oder andere Ersuchen um Hilfeleistung sind gemäss Absatz 1 grundsätzlich in schriftlicher Form zu stellen. In dringenden Fällen kann gemäss Artikel 9 ein Ersuchen auch mündlich gestellt werden, sofern es anschliessend unverzüglich schriftlich bestätigt wird. Die Ersuchen sollten in der Regel mindestens folgende Angaben enthalten: ­

die Bezeichnung der Behörde, von der das Ersuchen ausgeht;

­

den Grund des Ersuchens;

­

eine kurze Beschreibung des wesentlichen Sachverhalts;

­

die Bezugspunkte zum ersuchten Staat;

­

Angaben über alle im Ersuchen genannten Hauptpersonen.

Absatz 2 legt fest, dass die Hilfeleistung direkt zwischen den zuständigen Behörden erfolgen kann, sofern ein Ersuchen nicht den Justizbehörden vorbehalten ist. Zudem sind die Vertragsstaaten verpflichtet, die Ersuchen so schnell als möglich zu beantworten (Abs. 3).

Absatz 4 behält den Vertragsstaaten das Recht vor, die Hilfe in einem konkreten Fall ganz oder teilweise zu verweigern, wenn die Erledigung des Hilfeersuchens ihre Souveränität beeinträchtigt, ihre Sicherheit oder andere wesentliche Staatsinteressen gefährdet oder ihre Rechtsvorschriften und Verpflichtungen aus internationalen Übereinkünften verletzt.

In diesem Fall muss die ersuchte Vertragspartei die andere Partei unverzüglich und schriftlich unter Angabe der Gründe informieren (Abs. 5).

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SR 170.32

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In Absatz 6 wird festgehalten, dass die Kosten für die Erledigung eines Ersuchens von der ersuchten Vertragspartei getragen werden. Eine Ausnahme bilden Massnahmen, die im Rahmen von Artikel 11 Absatz 2 getroffen wurden, beispielsweise die Umsetzung von Programmen zur Kriminalitätsprävention oder Massnahmen im Bereich des Zeugen- und Opferschutzes.

Art. 21 und 22

Datenschutz und Weitergabe von Daten an Dritte

Die Zusammenarbeit zwischen Polizeibehörden umfasst den Austausch von Personendaten, auch von besonders schützenswerten Personendaten. Diese Datenbearbeitungen berühren die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen. Mit den Artikeln 21 und 22 wird die Zielsetzung einer effizienten Bekämpfung von Straftaten mit den Anliegen des Datenschutzes in Einklang gebracht. Grundlage ist dabei das Europaratsübereinkommen vom 28. Januar 198123 zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten.

In Artikel 21 wird festgelegt, welche Datenschutzvorschriften bei der Übermittlung personenbezogener Daten von besonderer Bedeutung sind und deshalb von den Behörden beider Länder zwingend berücksichtigt werden müssen. Bereits aufgrund des innerstaatlichen Rechts sowie der von der Schweiz ratifizierten multilateralen Abkommen sind die Polizeibehörden des Bundes und der Kantone an die im Abkommen aufgeführten Vorschriften gebunden.

Zunächst wird explizit festgehalten, dass polizeilich relevante, jedoch besonders schützenswerte Personendaten (z. B. Daten bezüglich religiöser Überzeugungen) sowie Persönlichkeitsprofile nur übermittelt werden dürfen, wenn es unbedingt erforderlich ist, und nur gemeinsam mit anderen polizeilich relevanten Daten.

Weiter sind folgende Datenschutzgrundsätze hervorzuheben: ­

die Zweckbindung sowie die Beschränkung auf die nutzungsberechtigten Behörden;

­

die datenschutzrechtlichen Grundsätze der Richtigkeit, der Erforderlichkeit und der Verhältnismässigkeit und die damit zusammenhängende Pflicht zur Berichtigung beziehungsweise Vernichtung falscher Daten;

­

die Gewährung des Auskunftsrechts über die Verwendung gegenüber der übermittelnden Vertragspartei sowie betroffenen Personen;

­

die Pflicht zur Einhaltung der Löschungsfristen, wie sie im innerstaatlichen Recht vorgesehenen sind;

­

die Pflicht, die Übermittlung, den Empfang und die Löschung aktenkundig zu machen;

­

die Schadenersatzregelung für allfällige Regressansprüche unter den Vertragsparteien;

­

die Pflicht, Massnahmen zur Datensicherheit zu treffen. Diese erfolgen nach nationalem Recht und in Übereinstimmung mit internationalen Standards.

Gemäss Artikel 22 Absatz 1 verpflichten sich die Vertragsparteien, die Geheimhaltung von Daten, die ihnen von der anderen Partei übermittelt wurden und nach deren innerstaatlichem Recht als klassifiziert gelten, zu gewährleisten. Da sich die länder23

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spezifischen Klassifizierungsvorschriften unterscheiden können, muss die übermittelnde Partei bei der Übermittlung genau umschreiben, welche besonderen Schutzvorkehrungen getroffen werden müssen. Ob und wie eine Information zu klassifizieren ist (z. B. als «geheim» oder «vertraulich»), bestimmt sich nach dem innerstaatlichen Recht der Vertragsparteien. Für die Behörden des Bundes ist dabei die Informationsschutzverordnung vom 4. Juli 200724 massgeblich.

Absatz 2 regelt die Frage der Weitergabe klassifizierter Daten an Dritte. Dies kann ein Drittstaat oder eine Behörde sein, die nicht mit der Bekämpfung von Kriminalität beauftragt ist. Die Weitergabe übermittelter Daten und Gegenstände an Dritte ist nur mit vorgängiger schriftlicher Zustimmung der übermittelnden Partei zulässig. Einem Ersuchen um Weitergabe, insbesondere von personenbezogenen Daten, sollte nur sehr restriktiv zugestimmt werden, insbesondere nur dann, wenn das betreffende Drittland ein angemessenes Schutzniveau gewährleistet. Eine Verletzung beim Umgang mit klassifizierten Informationen soll gemäss Absatz 3 unverzüglich schriftlich bekanntgegeben werden.

Art. 23

Mitteilungen

In Artikel 23 Absatz 1 wird vereinbart, dass die Vertragsparteien einander innerhalb von 30 Tagen nach Inkrafttreten des Abkommens die Telefon- und Telefaxverbindungen sowie weitere relevante Informationen der wichtigsten Dienststellen innerhalb der zuständigen Organe mitteilen. Wichtigste Stelle innerhalb des Bundesamts für Polizei ist in diesem Zusammenhang die Einsatzzentrale, die bereits heute rund um die Uhr einen effizienten Informationsaustausch zwischen ausländischen und schweizerischen Polizeibehörden beziehungsweise der Zollverwaltung und dem Grenzwachtkorps sicherstellt. Gibt es im Laufe der Zeit weitere Änderungen der Kommunikationsmittel oder -wege, ist der Vertragspartner nach Absatz 2 unverzüglich schriftlich zu informieren.

Art. 24

Sprache

Artikel 24 regelt die sprachlichen Modalitäten der Zusammenarbeit. Um unnötigen Übersetzungsaufwand zu vermeiden, sollen Informationen grundsätzlich in englischer Sprache ausgetauscht werden. Im konkreten Einzelfall haben die beteiligten Polizeibehörden jedoch die Möglichkeit, sich auf einer anderen Sprache zu verständigen.

Art. 25

Evaluation

Artikel 25 sieht die Möglichkeit der Zusammenkunft von hochrangigen Vertreterinnen und Vertretern der Vertragsparteien vor. Solche Expertentreffen dienen der Evaluation der Umsetzung des Abkommens. Die Fachleute können im Rahmen solcher Treffen zudem Erfahrungen im Zusammenhang mit neuen Sicherheitsstrategien austauschen oder Initiativen zur Ergänzung und Weiterentwicklung der Zusammenarbeit ergreifen und den Vertragsstaaten entsprechende Vorschläge unterbreiten.

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SR 510.411

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Art. 26

Durchführungsvereinbarungen

Die zuständigen Behörden können auf der Grundlage und im Rahmen des Abkommens schriftliche Vereinbarungen über die Durchführung treffen. Durchführungsvereinbarungen ergänzen oder konkretisieren die Bestimmungen des Abkommens.

Es kann sich dabei um spezifische und befristete Regelungen betreffend einer Hilfeleistung im Einzelfall oder um allgemeine und unbefristete Vereinbarungen zur Festlegung der generellen Modalitäten der Zusammenarbeit handeln.

Als zuständig gelten die nach dem nationalen Recht der jeweiligen Parteien bezeichneten Behörden. Bei Abkommen dieser Art handelt es sich um völkerrechtliche Verträge von beschränkter Tragweite im Sinne von Artikel 7a Absatz 2 Buchstabe b des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 199725 (RVOG). Diese Verträge dienen dem Vollzug von Verträgen, die von der Bundesversammlung genehmigt worden sind und für deren Abschluss im Prinzip der Bundesrat zuständig ist.

Art. 27

Andere internationale Übereinkünfte

Artikel 27 enthält einen Vorbehalt zugunsten bestehender internationaler Abkommen. Durch das vorliegende Abkommen werden Bestimmungen bestehender bioder multilateraler Abkommen, welche die Schweiz oder den Kosovo binden, nicht berührt.

Art. 28

Inkrafttreten und Kündigung dieses Abkommens

Nach Abschluss ihrer verfassungsrechtlichen Verfahren für das Inkrafttreten des Abkommens teilen sich die Vertragsstaaten mit, dass die dafür notwendigen innerstaatlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Das Abkommen tritt am Tag des Eingangs der letzten Notifikation in Kraft (Abs. 1). Das Abkommen kann von den Vertragsstaaten jederzeit durch eine schriftliche Mitteilung gekündigt werden und tritt sechs Monate nach dem Empfang der Kündigung ausser Kraft (Abs. 2).

3

Auswirkungen

Das Abkommen kann mit den bestehenden Mitteln umgesetzt werden; es führt weder auf Bundes- noch auf Kantonsebene zu einer finanziellen oder personellen Mehrbelastung. Gewisse Massnahmen können jedoch im Einzelfall und nach vorgängiger Absprache zwischen den beiden Parteien zu einer Kostenaufteilung führen, namentlich die Koordination operativer Einsätze. Die Erfahrungen aus den bereits in Kraft getretenen Kooperationsabkommen haben jedoch gezeigt, dass diese zu keinen wesentlichen personellen oder finanziellen Mehrbelastungen führen.

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SR 172.010

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Verhältnis zur Legislaturplanung und zu nationalen Strategien des Bundesrates

In der Botschaft vom 25. Januar 201226 zur Legislaturplanung 2011­2015 sowie im Bundesbeschluss vom 15. Juni 201227 über die Legislaturplanung 2011­2015 ist eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit in- und ausländischen Partnern im Justiz- und Polizeibereich zur Gewährleistung der Ordnung und der öffentlichen Sicherheit angekündigt. Durch den zunehmenden internationalen Charakter der Kriminalität sind effiziente Justiz- und Polizeibehörden sowie rechtsstaatliche Handlungsgrundlagen notwendig. Die Zusammenarbeit mit in- und ausländischen sowie mit internationalen Partnern soll weiterentwickelt und konsolidiert werden. Das vorliegende Abkommen wird diesem Ziel gerecht.

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Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 54 Absatz 1 BV, wonach der Bund für die auswärtigen Angelegenheiten zuständig ist. Artikel 184 Absatz 2 BV ermächtigt den Bundesrat, völkerrechtliche Verträge zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 166 Absatz 2 BV für die Genehmigung völkerrechtlicher Verträge zuständig, sofern für deren Abschluss nicht aufgrund von Gesetz oder völkerrechtlichem Vertrag der Bundesrat zuständig ist (Art. 24 Abs. 2 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200228 [ParlG]; Art. 7a Abs. 1 RVOG).

5.2

Erlassform

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert.

Nach Artikel 22 Absatz 4 ParlG sind unter rechtsetzenden Normen jene Bestimmungen zu verstehen, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Als wichtig gelten Bestimmungen, die auf der Grundlage von Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form eines Bundesgesetzes erlassen werden müssten.

Das vorliegende Abkommen mit dem Kosovo enthält solche wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen. Zum einen werden den rechtsanwendenden Behörden neue Kompetenzen eingeräumt (z. B. Bildung gemeinsamer Kontroll-, Observations-, Analyse- und Ermittlungsgruppen). Zum andern werden den Vertragsparteien auch Pflichten auferlegt (z. B. Haftung, Schadenersatzpflicht bei der Übermittlung von unrichtigen Daten). Der Bundesbeschluss über die Genehmigung des Abkommens ist deshalb dem fakultativen Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV zu unterstellen.

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BBl 2012 481, hier 561 BBl 2012 7155, hier 7160 SR 171.10

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5.3

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Das vorliegende Abkommen entspricht jenen, welche mit anderen Staaten in der Region abgeschlossen wurden.

Es steht im Einklang mit anderen bilateralen oder multilateralen Polizeikooperationsabkommen. Das Abkommen mit dem Kosovo betrifft namentlich auch den Rahmenbeschluss 2008/977/JI29. Dieser Rahmenbeschluss regelt namentlich die Bedingungen, unter denen Daten, die von einem Schengenstaat übermittelt wurden, an einen Drittstaat übermittelt werden dürfen. Das vorliegende Abkommen berücksichtigt dabei die Bedingungen gemäss Artikel 13 des Rahmenbeschlusses und stimmt damit mit dem von der Schweiz übernommenen europäischen Recht überein.

5.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Das Abkommen enthält weder Subventionsbestimmungen noch Verpflichtungskredite oder Zahlungsrahmen. Somit unterliegt es nicht der Ausgabenbremse nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV.

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Rahmenbeschluss 2008/977/JI des Rates vom 27. November 2008 über den Schutz personenbezogener Daten, die im Rahmen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen verarbeitet werden, ABl. L 350 vom 30.12.2008, S. 60­71.

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