14.039 Botschaft zum Bundesgesetz über die Sperrung und die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte ausländischer politisch exponierter Personen vom 21. Mai 2014

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf des Bundesgesetzes über die Sperrung und die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte ausländischer politisch exponierter Personen.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 2011 M 11.3151

Blockierung von Geldern gestürzter Potentaten (N 17.06.11, Leutenegger Oberholzer; S 22.12.11)

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

21. Mai 2014

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Didier Burkhalter Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2014-0136

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Übersicht Das Thema der unrechtmässig erworbenen Vermögenswerte «politisch exponierter Personen» (PEP) ist in aller Welt und insbesondere seit den Ereignissen des Arabischen Frühlings Gegenstand wachsenden Interesses. Auf diese Situation reagierte die Schweiz als wichtiger Finanzplatz seit den 1980er-Jahren mit der Ausarbeitung einer proaktiven Rückerstattungspolitik. Der vorliegende Gesetzesentwurf verfolgt aussenpolitische Ziele, darunter insbesondere die Wahrung der Reputation unseres Finanzplatzes sowie die Bekämpfung der Straflosigkeit. Dies gewährleistet insbesondere Kohärenz mit unserer Entwicklungspolitik.

Ausgangslage Die Schweiz ist seit Ende der 1980er-Jahre mit der Frage der Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte von PEP konfrontiert. Unser Land hat im Verlauf der vergangenen 25 Jahren viel Erfahrung mit dieser Thematik gesammelt und nahezu 1,8 Milliarden Franken an die betreffenden Staaten zurückerstattet.

Die Schweiz entwickelte ein System, das auf zwei Säulen ruht: Prävention und Repression. Es ermöglicht der Schweiz, unrechtmässig erworbene und in der Schweiz deponierte Vermögenswerte möglichst rasch und transparent an die Herkunftsländer zurückzuerstatten. Diese Lösung liegt im Interesse unseres Landes und der Reputation unseres Finanzplatzes. Die von der Schweiz verfolgte Politik ist innenpolitisch breit abgestützt. Auf internationaler Ebene wird sie begrüsst und dürfte dort auch Anstoss zur Entwicklung neuer Normen geben.

Nach den Ereignissen des Arabischen Frühlings Anfang 2011 reagierte der Bundesrat umgehend mit der Sperrung der in der Schweiz deponierten tunesischen und ägyptischen Vermögenswerte. Weitere Länder, insbesondere EU-Mitgliedstaaten kündigten ähnliche Sperrmassnahmen an. In Ermangelung einer formellen gesetzlichen Grundlage musste der Bundesrat sehr rasch reagieren und sich dabei auf seine in der Verfassung verankerten Befugnisse stützen, um die Interessen des Landes zu wahren (Art. 184 Abs. 3 BV). Im Kontext der Krise in der Ukraine musste der Bundesrat im Februar 2014 für Vermögenssperrungen erneut auf die Bundesverfassung Rückgriff nehmen. Dieses Vorgehen ist nach rechtsstaatlichen Kriterien jedoch unbefriedigend und gewährleistet die demokratische Legitimation dieser Massnahmen nicht ausreichend. Die Annahme eines neuen Gesetzes wird die
Rechtssicherheit, die Voraussehbarkeit und die Transparenz erhöhen.

Mit der Annahme der Motion Leutenegger Oberholzer (11.3151) beauftragte die Bundesversammlung den Bundesrat, eine formelle gesetzliche Grundlage für die Sperrung der Potentatengelder auszuarbeiten. Die Verlängerung der Sperrungsverordnung bezüglich tunesischer und ägyptischer Vermögenswerte bringt zudem mit sich, dass der Bundesrat gemäss Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz der Bundesversammlung bis zum 18. Juli, bzw. zum 9. August 2014 einen Gesetzesentwurf vorzulegen hat. Andernfalls würde die Sperrung dieser Vermögenswerte automatisch aufgehoben.

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Das Gesetz soll der weltweiten Wahrung und Förderung der Interessen und der Werte der Schweiz dienen. Es verfolgt aussenpolitische Ziele und zielt nicht auf eine Regulierung des Schweizer Finanzplatzes ab. Es besteht kein Zusammenhang mit den derzeitigen Reformen im Bereich der internationalen Besteuerung und des Informationsaustauschs zum Zweck der internationalen Amtshilfe. Das Gesetz ist kein Erfordernis zwingender völkerrechtlicher Normen; dies könnte sich allerdings in Zukunft ändern.

Das Gesetz soll in aussergewöhnlichen Situationen Anwendung finden, nämlich im Fall des plötzlichen Sturzes eines Regimes, dessen führende Verantwortliche sich zum Nachteil des Staates unrechtmässig bereichert haben. Nur solche Fälle rechtfertigen eine vorsorgliche Sperrung, denn nur unter diesen Umstäden besteht die Aussicht auf erfolgreiche Rechtshilfebeziehungen. Dies ist nicht der Fall, wenn ein autokratisches und korruptes Regime noch an der Macht ist, denn mangels politischen Willens eines solchen Regimes ist kaum Rechtshilfe zu erwarten.

Inhalt der Vorlage Der Gesetzesentwurf fasst das geltende Recht und die Praxis im Bereich der Rückgabe unrechtmässig erworbener Vermögenswerte in einem einzigen Gesetz zusammen. Er deckt die drei wichtigsten einschlägigen Massnahmen ab, d. h. Sperrung, Einziehung und Rückerstattung. Er sieht zudem eine gezielte Unterstützung an den Herkunftsstaat im Hinblick auf eine rasche gerichtliche Klärung des Ursprungs der Vermögenswerte vor. Diese Massnahmen werden im Rahmen eines verwaltungsrechtlichen Verfahrens umgesetzt, das der gerichtlichen Kontrolle durch das Bundesverwaltungsgericht und in letzter Instanz durch das Bundesgericht untersteht.

Die Rechte der PEP und der ihnen nahestehenden Personen sind vor Schweizer Gerichten gewährleistet.

Der vorliegende Gesetzesentwurf ergänzt die Rechtshilfe. Nur im Fall eines Scheiterns der Rechtshilfe kann nämlich das im Gesetzesentwurf vorgesehene Einziehungs- und Rückgabeverfahren in Gang gesetzt werden. Das vorgeschlagene Gesetz bedingt nicht eine vorgängige strafrechtliche Verurteilung der PEP oder ihr nahestehender Personen, denn es wird lediglich die unrechtmässige Herkunft der Vermögenswerte vorausgesetzt. Damit das System in der Praxis wirksamer ist, gilt unter bestimmten Voraussetzungen die Vermutung eines unrechtmässigen
Erwerbs der Vermögenswerte.

Neben der Kodifizierung der bestehenden Praxis enthält der Gesetzesentwurf zwei gesetzgeberische Neuerungen. Die erste Neuerung erlaubt eine Erweiterung der Möglichkeiten zur Sperrung im Hinblick auf eine Einziehung in Situationen, in denen der Herkunftsstaat nicht in der Lage ist, die vom Bundesgesetz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen vorgeschriebenen menschenrechtlichen Anforderungen zu erfüllen. Die zweite Neuerung erlaubt es den Schweizer Behörden, dem Herkunftsstaat gewisse Informationen zu übermitteln, die diesen dabei unterstützen, genügend begründete und formal korrekte Rechtshilfeersuchen zu stellen.

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Der materielle Gehalt des Gesetzes über die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte politisch exponierter Personen vom 1. Oktober 2010 (RuVG) wurde weitgehend in den Gesetzesentwurf übernommen. Mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes wird das RuVG aufgehoben. Mit diesem Vorgehen soll eine Fragmentierung des geltenden Rechts vermieden werden.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1

Grundzüge der Vorlage 1.1 Ausgangslage 1.1.1 Entwicklung der Problematik und wachsende Bedeutung für die Schweiz 1.1.2 Jüngere Entwicklungen: der Arabische Frühling und die Krise in der Ukraine 1.1.3 Geltender rechtlicher Rahmen 1.1.4 Grenzen der Handlungsmöglichkeiten des Bundesrates auf der Grundlage von Artikel 184 Absatz 3 BV 1.2 Die beantragte Neuregelung 1.3 Entwicklung der vorgeschlagenen Lösung 1.4 Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht 1.5 Umsetzung 1.6 Erledigung parlamentarischer Vorstösse

5271 5271

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen 2.1 Aufbau und Inhalt des Entwurfs 2.2 Koordination mit anderen Rechtsetzungsprojekten 2.3 Kommentar zu den einzelnen Gesetzesbestimmungen 2.3.1 Erster Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen 2.3.2 Zweiter Abschnitt: Sperrung von Vermögenswerten 2.3.3 Dritter Abschnitt Unterstützungsmassnahmen 2.3.4 Vierter Abschnitt: Einziehung von Vermögenswerten 2.3.5 Fünfter Abschnitt: Rückerstattung von Vermögenswerten 2.3.6 Sechster Abschnitt: Rechtsschutz 2.3.7 Siebter Abschnitt: Zusammenarbeit unter Schweizer Behörden, Datenbearbeitung und Berichterstattung 2.3.8 Achter Abschnitt: Strafbestimmungen 2.3.9 Neunter Abschnitt: Schlussbestimmungen

5290 5290 5291 5292 5292 5296 5317 5323 5331 5334

3

Auswirkungen 3.1 Auswirkungen auf den Bund 3.2 Auswirkungen auf die Kantone 3.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

5345 5345 5346 5346

4

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu nationalen Strategien des Bundesrates 4.1 Verhältnis zur Legislaturplanung 4.2 Verhältnis zu nationalen Strategien des Bundesrates

5347 5347 5347

Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungs- und Gesetzmässigkeit 5.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 5.3 Erlassform

5348 5348 5350 5353

2

5

5271 5273 5276 5278 5279 5282 5284 5289 5290

5337 5340 5343

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5.4 5.5 5.6

Unterstellung unter die Ausgabenbremse Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen Datenschutz

Bundesgesetz über die Sperrung und die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte ausländischer politisch exponierter Personen (SRVG) (Entwurf)

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5353 5353 5353

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Entwicklung der Problematik und wachsende Bedeutung für die Schweiz

Das Phänomen der sogenannten Potentatengelder stösst seit rund zwanzig Jahren auf zunehmende internationale Beachtung. Die Bezeichnung «Potentatin», «Potentat» bedarf einleitend einiger Erläuterungen. Im gängigen Sprachgebrauch steht sie für eine politische Führungsfigur, die absolute oder zumindest übermässige Macht ausübt. Sie ist somit negativ konnotiert und wird bisweilen mit einer Plünderung staatlicher Ressourcen durch die betreffende Person in Verbindung gebracht. Sie stellt keinen gesetzlich umschriebenen Rechtsbegriff dar und kommt im Schweizer Recht nicht vor. Im Zusammenhang mit der Thematik der Rückgabe unrechtmässig erworbener Vermögenswerte steht «Potentatin», «Potentat» für eine politische Führungsfigur im Ausland, die sich unter Missbrauch ihrer Macht durch Korruption oder andere Verbrechen Vermögenswerte aneignet und sie dann auf ausländischen Finanzplätzen beiseiteschafft. Bei den fraglichen Vermögenswerten handelt es sich grösstenteils um staatliche Gelder, die eigentlich einer Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung im Herkunftsstaat dienen sollten. In diesem Sinne ist die Bezeichnung «Potentatin» oder «Potentat» bei ihrer Verwendung in dieser Botschaft zu verstehen. Es wäre jedoch aus den soeben genannten Gründen nicht gerechtfertigt, diese Bezeichnung im Gesetzesentwurf zu verankern und sie rechtlich zu umschreiben. Vielmehr ist es angebracht, im Gesetz auf die einzige Bezeichnung zurückzugreifen, die allgemein verwendet wird und Gegenstand einer international anerkannten Definition ist, nämlich «politisch exponierte Person» (PEP), wobei in dieser Vorlage ausschliesslich ausländische politisch exponierte Personen gemeint sind. Zwar sind die beiden Bezeichnungen nicht gleichbedeutend, da eine PEP nicht zwangsläufig ein «Potentat» ist, doch ergibt sich aus dem Geltungsbereich des Gesetzesentwurfes, dass alle gemeinhin als Potentaten angesehenen Personen PEP sind. Der Gesetzesentwurf soll nicht automatisch auf alle PEP Anwendung finden: Die darin vorgesehenen Massnahmen können nämlich nur durchgeführt werden, wenn der Bundesrat gestützt auf Artikel 3 eine vorsorgliche Sperrung von Guthaben für ein bestimmtes Land unter konkreter und namentlicher Nennung der nach Artikel 5 bezeichneten PEP anordnet. In diesem Sinne liegt der gelegentlichen Verwendung der Bezeichnung
«Potentatin», «Potentat» in dieser Botschaft die Annahme zugrunde, dass die einzige gültige Legaldefinition nach wie vor die der PEP ist.

Nach verschiedenen Schätzungen der Weltbank und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass genaue Berechnungen sehr schwierig sind, kann angenommen werden, dass durch Amtsträgerbestechung in Entwicklungs- und Schwellenländern jedes Jahr zwischen 20 und 40 Milliarden US-Dollar entzogen werden. Dieser Betrag

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entspricht 20­40 Prozent der im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit weltweit geleisteten Unterstützung1.

Die Schweiz wurde mit dem Problem der Potentatengelder erstmals nach dem Sturz des philippinischen Diktators Ferdinand Marcos 1986 konfrontiert. Damals reagierte der Bundesrat innert weniger Stunden, indem er aufgrund seiner in der Bundesverfassung2 verankerten aussenpolitischen Befugnisse die vorsorgliche Sperrung sämtlicher Guthaben des Marcos-Regimes bei Schweizer Finanzintermediären anordnete.

Nach Durchführung entsprechender Strafverfahren wurden schliesslich rund 685 Millionen US-Dollar an die Philippinen zurückerstattet. Die Rückerstattung unrechtmässig erworbener ausländischer Staatsgelder wird oft auch als «Asset Recovery» bezeichnet. Dieser Ausdruck wird häufig in einem weiter gefassten Sinn verwendet, der die Identifikation und Herausgabe von Vermögenswerten im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungen und Verfahren der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen umfasst. Im Kontext dieser Botschaft steht «Asset Recovery» lediglich für eine besondere Form internationaler Ermittlungen, die zur Sperrung, Einziehung und allenfalls zur Rückerstattung von Vermögenswerten führen, d. h. für Fälle, die unrechtmässig erworbene Gelder gestürzter Potentaten betreffen.

Die Thematik der Potentatengelder und deren Rückerstattung an die Herkunftsstaaten ist für die Schweiz aus mehreren Gründen von grosser aussenpolitischer Bedeutung. Als Geberstaat im Rahmen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit legt die Schweiz Wert darauf, dass die finanzielle Unterstützung nach den Grundsätzen der Transparenz und der guten Regierungsführung erfolgt und soweit als möglich sichergestellt ist, dass keine Missbräuche vorkommen. Zudem setzt sich die Schweizer Aussenpolitik seit Jahren für eine Stärkung der Rechtsstaatlichkeit ein und unterstützt den Kampf gegen Korruption und Straflosigkeit. Schliesslich sind Fragen der Reputation und der Integrität mehr denn je Schlüsselfaktoren im globalen Wettbewerb unter Finanzplätzen. Unser Land hat ein Interesse daran, dass sein Finanzplatz nicht dazu missbraucht wird, Gelder zu verbergen, die eigentlich der Bevölkerung im Herkunftsstaat zugute kommen sollten.

Der Bundesrat hat wiederholt festgehalten, dass die Schweiz aus Reputationsgründen in der Lage sein muss,
unrechtmässig erworbene und in der Schweiz deponierte Vermögenswerte möglichst rasch und transparent an die Herkunftsländer zurückzuerstatten. Bei ihren Bemühungen um die Wahrung ihrer Reputation und der Integrität ihres Finanzplatzes setzt die Schweiz auf ein Dispositiv, das auch auf den Bereich «Asset Recovery» anwendbar ist und auf zwei Säulen beruht: der Prävention und der Repression. Das Geldwäschereigesetz vom 10. Oktober 19973 stellt eines der wichtigsten Instrumente zur Verhütung der Geldwäscherei dar. Zudem hat der Bundesrat der Bundesversammlung am 13. Dezember 2013 die Botschaft zur Umsetzung der 2012 revidierten Empfehlungen der Groupe d'action financière (GAFI)4 übermittelt. Der Gesetzesentwurf enthält unter anderem Änderungen, die die Aufnahme von inländischen PEP und PEP bei zwischenstaatlichen Organisationen ins GwG sowie genauere Sorgfaltspflichten von Finanzintermediären in Bezug auf die Identifikation der wirtschaftlich berechtigten Person einer Geschäftsbezie1

2 3 4

Siehe Bericht «Stolen Asset Recovery (StAR) Initiative: Challenges, Opportunities, and Action Plan», Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung / Weltbank, Juni 2007, S. 1 (www.unodc.org/pdf/Star_Report.pdf).

SR 101 SR 955.0 AS 2014 605

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hung vorsehen. Die zweite Säule, die Repression, beruht auf dem Strafgesetzbuch (StGB)5 und dem Rechtshilfegesetz vom 20. März 19816 (IRSG), das die Zusammenarbeit mit anderen Staaten im Hinblick auf die Beschlagnahme und Rückerstattung von Vermögenswerten, die aus strafbaren Handlungen herrühren, ermöglicht.

Vervollständigt wird das Dispositiv schliesslich durch das Bundesgesetz vom 1. Oktober 20107 über die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte politisch exponierter Personen (RuVG), das die Rückerstattung von Potentatengeldern ermöglicht, wenn die Strukturen des betreffenden Staates versagen und die Rechtshilfe daher ergebnislos endet.

Das Zwei-Säulen-System aus Prävention und Repression hat sich weitgehend bewährt. In den letzten fünfzehn Jahren konnte die Schweiz rund 1,8 Milliarden Franken zurückerstatten. Die Weltbank schätzt, dass sich der Betrag der während dieser Zeitspanne weltweit insgesamt zurückgeführten Gelder auf 4­5 Milliarden US-Dollar beläuft. Dabei gilt es zu beachten, dass die Schweiz gemäss Schätzungen an weltweit siebter Stelle rangiert, was die Grösse des Finanzplatzes anbelangt.

Unrechtmässig erworbene Gelder sollen transparent zurückgeführt und in Programmen und Projekten eingesetzt werden, die der Bevölkerung zugute kommen. Dieser Prozess ist nicht nur für die wirtschaftliche Entwicklung des Herkunftsstaates wichtig, sondern auch als Beitrag zu Gerechtigkeit und zur Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze. PEP, die ihre Macht missbraucht haben, müssen für ihr Handeln verantwortlich gemacht werden. Dies entspricht dem allgemeinen Engagement der Schweiz im Kampf gegen Straflosigkeit. Eine Situation, in der die juristische Aufarbeitung der Herkunft der gesperrten Vermögenswerte aufgrund der Situation im Herkunftsstaat über Jahre blockiert ist , was die Rückerstattung verunmöglicht, liegt nicht im Interesse der Schweiz. Zudem halten sich Fälle von Potentatengeldern oft während Jahren in der internationalen Presse, was ein Reputationsrisiko darstellt.

1.1.2

Jüngere Entwicklungen: der Arabische Frühling und die Krise in der Ukraine

Mit den Ereignissen des Arabischen Frühlings hat die Thematik der Sperrung und Rückerstattung von Potentatengeldern auf internationaler Ebene deutlich an Bedeutung gewonnen. Die von einem Umbruch betroffenen Staaten, allen voran Tunesien und Ägypten, vermuten, dass die gestürzten Präsidenten Ben Ali und Mubarak in grossem Umfang staatliche Gelder und andere Vermögenswerte beiseitegeschafft hatten. Der Bundesrat reagierte Anfang 2011 umgehend auf den politischen Umbruch in Nordafrika und sperrte die in der Schweiz gelegenen Gelder der gestürzten Präsidenten Ben Ali und Mubarak gestützt auf seine in Artikel 184 Absatz 3 BV verankerten Befugnisse. Diese Bestimmung sieht vor, dass der Bundesrat Verordnungen und Verfügungen erlassen kann, wenn die Wahrung der Interessen des Landes dies erforderlich macht. Eine weitere im Februar 2011 durch den Bundesrat erlassene Sperrungsverordnung betraf die Gelder des gestürzten libyschen Diktators Gaddafi; sie wurde nach kurzer Zeit durch die Übernahme der von der UNO verhängten Sanktionen abgelöst. Mit der sofortigen Sperrung der Gelder unterstrich der 5 6 7

SR 311.0 SR 351.1 SR 196.1

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Bundesrat das Engagement der Schweiz für gute Regierungsführung sowie im Kampf gegen Korruption und Straflosigkeit. Die Sperrung sollte in erster Linie dazu dienen, die Einleitung von Rechtshilfeverfahren mit den betreffenden Ländern zu ermöglichen. Andere Staaten, allen voran die Mitgliedstaaten der EU, zogen wenige Tage später mit Vermögenssperrungen nach.

Erste Rechtshilfeersuchen aus Tunesien und Ägypten gingen schon bald nach der Anordnung der Vermögenssperrung bei den Schweizer Behörden ein. Einige dieser Gesuche konnten mittlerweile vollzogen werden. Parallel dazu hat die Bundesanwaltschaft (BA) eigene Untersuchungen in der Schweiz eröffnet. Sie ermittelt sowohl im Fall Tunesiens als auch Ägyptens namentlich wegen Verdachts auf Geldwäscherei. Im Rahmen dieser Verfahren hat die BA ebenfalls Rechtshilfe von den betroffenen Ländern erbeten und zum Teil bereits erhalten.

Bis heute sind in der Schweiz im Falle von Tunesien rund 60 Millionen Franken und im Falle Ägyptens rund 700 Millionen US-Dollar gesperrt. Die Zahlen beziehen sich auf die Sperrungen aufgrund der bundesrätlichen Verordnung, der in der Schweiz eingeleiteten Strafverfahren und der Rechtshilfeverfahren. In Bezug auf Libyen sind im Rahmen der von der Schweiz übernommenen UNO-Sanktionen rund 100 Millionen Franken gesperrt. Der Umfang der von den genannten Sperren betroffenen Vermögenswerte kann sich allerdings je nach der Entwicklung laufender Strafverfahren in der Schweiz und in diesen Ländern ändern und sind daher vor allem als aktuelle Grössenordnungen zu verstehen.

Die Erfahrungen der Schweiz zeigen, dass der Aufbau von tragfähigen Rechtshilfebeziehungen und einer soliden Partnerschaft mit dem ersuchenden Staat eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Restitution ist. Angesichts der Komplexität der Fragen rund um die Finanz- und Wirtschaftskriminalität hat die Schweiz den betroffenen Staaten zudem ihre gezielte Unterstützung angeboten, beispielsweise in Form von Expertengesprächen, durch die Organisation internationaler Workshops im Rahmen der Lausanne-Seminare8 oder über die Entsendung von Expertinnen und Experten in Sachen Finanzkriminalität. Durch diese Schritte konnten wichtige Fortschritte erzielt werden, zum Beispiel der Vollzug erster Rechtshilfeersuchen. Es bestehen jedoch weiterhin bedeutende Herausforderungen. Staaten
in einer postrevolutionären Phase befinden sich oft in einer schwierigen und verworrenen Lage. Dies wirkt sich auch auf die Tätigkeit der Justiz und der staatlichen Institutionen allgemein aus. Eine derartige Situation kann es der Justiz erheblich erschweren, ihre Ermittlungen konsequent voranzutreiben. In Anwendung der einschlägigen Bestimmungen des IRSG setzt der Vollzug von Rechtshilfeersuchen zudem voraus, dass die Verfahren im Herkunftsstaat den menschenrechtlichen Standards der Europäischen Konvention vom 4. November 19509 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), dem Internationalen Pakt vom 16. Dezember 196610 über bürgerliche und politische Rechte (UNO-Pakt II) sowie weiteren völkerrechtlich anerkannten Mindestgarantien entsprechen.

Mit den geschilderten Herausforderungen sieht sich nicht nur die Schweiz konfrontiert. Sie betreffen auch andere Staaten, die Rechtshilfeersuchen aus Tunesien, 8

9 10

Seit 2001 organisiert das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) in Lausanne in regelmässigen Abständen internationale Expertenseminare zum Thema Rückführung gestohlener Potentatengelder («Asset Recovery»).

SR 0.101 SR 0.103.2

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Ägypten und anderen Staaten des Arabischen Frühlings erhalten haben, weil vermutet wird, dass auf ihren Finanzplätzen Gelder unrechtmässigen Ursprungs aus den betroffenen Staaten lagern. Dazu kommen die hohen Erwartungen der Bevölkerung in den Herkunftsstaaten, was den Umfang der zurückzuerstattenden Gelder sowie den Zeithorizont für die Lösung der einzelnen Fälle betrifft. Dementsprechend bilden die Vermittlung realistischer Perspektiven über Umfang und Dauer der Verfahren einen zentralen Bestandteil der Kontakte mit den Herkunftsstaaten.

Die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Gelder spielt eine wichtige Rolle im Rahmen der bilateralen Beziehungen zwischen den europäischen Ländern und den betroffenen Staaten. Der Bundesrat stellt fest, dass Staaten mit bedeutenden Finanzplätzen (z. B. Grossbritannien oder die USA), aber auch zahlreiche wichtige Foren der internationalen Zusammenarbeit (z. B. die G8 [G7] oder die EU) der Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte eine immer prominentere Rolle einräumen (vgl. in dieser Hinsicht die Erläuterungen zu Ziff. 1.4). Die Ereignisse des Arabischen Frühlings haben auf diesem Gebiet eine spürbare Dynamik ausgelöst. Es ist absehbar, dass sich diese Entwicklung auch auf die internationalen Normen und Praktiken bei der Rückführung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte niederschlagen wird.

Zu den jüngeren Entwicklungen, die aus der Sicht der «Asset Recovery» anzuführen sind, zählt natürlich der Regimewandel in der Ukraine infolge der Absetzung von Präsident Janukowitsch im Februar 2014. Auch wenn sich der Machtwechsel in diesem Land bei Weitem nicht mit der Schockwelle vergleichen lässt, die seit dem Frühjahr 2011 durch einen Grossteil der arabischen Welt geht, hat er durchaus erhebliche Folgen auf regionaler Ebene und betrifft auch die Schweiz, nicht zuletzt aufgrund ihrer geografischen Lage, der exponierten Stellung ihres Finanzplatzes und ihrer Wirtschaftsbeziehungen mit diesem Land. Aus allen diesen Gründen und in Anbetracht des starken Korruptionsverdachts gegen diesen Personenkreis hat der Bundesrat beschlossen, eine Sperrung der Gelder des ehemaligen Präsidenten der Ukraine und seines Umfelds zu verhängen. Die Sperrung dieser Gelder hat weder anklagenden noch konfiskatorischen Charakter, sondern lediglich das Ziel, möglicherweise in
der Schweiz angelegte Gelder zu sichern und den ukrainischen Behörden zu ermöglichen, zur Klärung ihrer Herkunft Rechtshilfeersuchen an die Schweiz zu richten. Dabei hat die Schweiz in enger Zusammenarbeit mit anderen Finanzplätzen, insbesondere Österreich und Liechtenstein, gehandelt und sich auch mit der EU abgestimmt, sobald diese selbst Massnahmen zum Einfrieren ukrainischer Guthaben getroffen hatte. Die während des Arabischen Frühlings gewonnenen Erfahrungen, vor allem in der bilateralen Zusammenarbeit im Bereich der Rechtshilfe, dürften sich bei der künftigen Suche einer Lösung für die gesperrten ukrainischen Gelder als wertvoll erweisen.

Die langjährige Erfahrungen der Schweiz im Umgang mit Potentatengeldern und die dabei entwickelte Lösungsansätze stossen auf reges internationales Interesse. Der deutlich stärkere Einbezug unseres Landes in entsprechende Foren im Rahmen der EU oder auch der G8 (G7) illustriert diesen Umstand. Im November 2013 wurden die «ersuchenden» und «ersuchten» Staaten mit einer gewissen praktischen Erfahrung im Bereich «Asset Recovery» von der Konferenz der Vertragsstaaten des Übereinkommens vom 31. Oktober 200311 der Vereinten Nationen gegen Korruption (UNCAC) beauftragt, Leitlinien auszuarbeiten, die sich an den bewährten Ver11

SR 0.311.56

5275

fahren («Best Practices») auf diesem Gebiet orientieren12. Am 8. Lausanne-Seminar im Januar 2014 leitete die Schweiz den Prozess ein, der zur Ausarbeitung dieser Leitlinien führen soll, und kam damit dem entsprechenden Aufruf der Konferenz der Vertragsstaaten nach. Mit Datum vom 18. Dezember 2013 empfahl die Generalversammlung der Vereinten Nationen13 ihrerseits die Ausarbeitung von Leitlinien auf der Grundlage bestehender bewährter Verfahren. Diese Massnahmen werden dazu beitragen, die Wirksamkeit der Bemühungen um die Rückerstattung von Vermögenswerten durch zunehmende internationale Koordination zu erhöhen. Zugleich sind sie ein wichtiger Schritt zur Schaffung gleicher Ausgangsbedingungen («level playing field») für alle Finanzplätze, also eines Umfelds, in dem alle Akteure der Finanzindustrie an dieselben Regeln gebunden sind und somit keinen Wettbewerbsnachteil erleiden.

1.1.3

Geltender rechtlicher Rahmen

Die Schweiz hat ein fundamentales Interesse daran, dass keine Vermögenswerte unrechtmässiger Herkunft auf ihren Finanzplatz gelangen. Sie verfügt über ein international anerkanntes und wirksames Dispositiv zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Finanzkriminalität. Dennoch ist auch sie von Fällen betroffen, in denen PEP unrechtmässig erworbene Vermögenswerte in der Schweiz anlegen.

Die Politik der Schweiz zur Bekämpfung der Finanzkriminalität von PEP wurde im Lauf der vergangenen zwanzig Jahre ständig weiterentwickelt und verbessert. Heute bildet sie ein kohärentes System, das, wie erwähnt, auf den beiden Säulen Prävention und Repression aufbaut. Dieses System setzt sich aus den folgenden sechs Komponenten zusammen: Korruptionsprävention Die Bekämpfung der Korruption in Staaten, mit denen die Schweiz zusammenarbeitet, nimmt in der schweizerischen Aussen- und Entwicklungspolitik einen hohen Stellenwert ein. Konkrete Massnahmen werden zum Beispiel bei Programmen zur guten Regierungsführung umgesetzt. Alle Zusammenarbeitsverträge enthalten Klauseln zur Korruptionsbekämpfung.

Identifikation der Vertragspartei und der Herkunft der Gelder Die Schweizer Geldwäschereigesetzgebung zielt auch darauf ab zu vermeiden, dass Gelder, die aus Verbrechen stammen, auf den Schweizer Finanzplatz gelangen. Die strengen Regeln der Geldwäschereigesetzgebung verpflichten die Schweizer Banken und alle anderen Erbringer von Finanzdienstleistungen, nicht nur die Vertragspartei zu identifizieren («Know Your Customer»), sondern auch die wirtschaftlich berechtigte Person festzustellen («Know Your Beneficial Owner»). Das schweizerische Geldwäschereirecht sieht überdies im Umgang mit PEP besondere Abklärungspflichten vor. Die Schweizer Banken haben sich bereits 1977 sehr strenge Sorgfaltspflichten auferlegt.

12 13

Resolution 5/3 der Konferenz der Vertragsstaaten zur Erleichterung der internationalen Zusammenarbeit im Bereich «Asset Recovery», Ziffer 36.

Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 18. Dezember 2013, A/RES/68/195, Ziffer 39.

5276

Meldung und Sperrung Die Banken und andere Finanzintermediäre sind verpflichtet, der Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) Meldung zu erstatten, wenn sie den begründeten Verdacht haben, dass Vermögenswerte aus einem Verbrechen herrühren. In diesem Fall muss der Finanzintermediär die betroffenen Konten sofort für fünf Tage sperren, damit die Angelegenheit von der MROS geprüft und ein Verschwinden der Gelder verhindert werden kann. Das Schweizer Bankgeheimnis bietet keinen Schutz vor Verfolgung von Straftaten, weder innerstaatlich noch bei der internationalen Rechtshilfe. Zusätzliche Massnahmen verhindern, dass Vermögenswerte abgezogen werden können, bevor ausländische Behörden ein formelles Rechtshilfeersuchen einreichen.

Die Groupe d'action financière (GAFI) hat zwischen 2009 und 2012 ihre Empfehlungen zur Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung überarbeitet. Die 40 revidierten GAFI-Empfehlungen wurden von der Schweiz im Februar 2012 gutgeheissen. Deren Überführung ins Schweizer Recht läuft zurzeit. Es ist unter anderem vorgesehen, der MROS künftig mehr Zeit für ihre Prüfungen zur Verfügung zu stellen und dadurch die Wirksamkeit des Dispositivs zur Bekämpfung der Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung zu erhöhen. Gemäss dem Entwurf des Bundesgesetzes zur Umsetzung der 2012 revidierten Empfehlungen der GAFI zur Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung soll die Sperrung von Geldern zu dem Zeitpunkt erfolgen, zu dem die MROS den Fall an die Strafverfolgungsbehörden übergibt.

Rechtshilfe Wenn ein Staat ein Rechtshilfeersuchen einreicht, das die Anforderungen des IRSG und/oder der anwendbaren bilateralen oder multilateralen Verträge erfüllt, kann die Schweiz bei einem positiven Ausgang des Rechtshilfeverfahrens dem ersuchenden Staat Angaben über verdächtige Konten liefern, die als Beweismittel in Strafverfahren verwendet werden können. Solche Rechtshilfeverfahren tragen zur Ermöglichung von Einziehungsurteilen in den ersuchenden Staaten bei.

Versagen staatlicher Strukturen im Herkunftsstaat Das RuVG wurde erlassen, um Fälle von in der Schweiz deponierten unrechtmässig erworbenen Vermögenswerten von PEP zu lösen, in denen der Herkunftsstaat dieser Vermögenswerte aufgrund des Versagens staatlicher Strukturen nicht in der Lage ist, ein Strafverfahren zu führen,
das den Anforderungen des IRSG entspricht. Das RuVG schafft zur Lösung solcher Fälle die Möglichkeit der Sperrung, Einziehung und Rückerstattung. Dazu sieht es ein Verwaltungsverfahren vor, das die Rechte der betroffenen PEP umfassend garantiert und gegebenenfalls beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesgericht angefochten werden kann.

Rückerstattung von Vermögenswerten Die Rückerstattung von Vermögenswerten an den Herkunftsstaat setzt grundsätzlich voraus, dass ihre unrechtmässige Herkunft zuvor im Rahmen eines Gerichtsverfahrens festgestellt wurde. Die Schweiz sucht zusammen mit den betroffenen Staaten nach Wegen, die Vermögen zurückzuerstatten. Dabei ist es ihr ein Anliegen, dass diese Gelder nach der Rückerstattung nicht wieder in den Kreislauf der kriminellen Finanzströme zurückfliessen. Die Rückgabe sichergestellter Vermögenswerte erfolgt grundsätzlich auf der Basis des IRSG, da die Herausgabe an sich auch eine Rechtshilfemassnahme im Sinne dieses Gesetzes darstellt. Ist die unrechtmässige Herkunft 5277

der Gelder offensichtlich, so hat die Schweiz gar die Möglichkeit, die Gelder wie im Fall des ehemaligen nigerianischen Präsidenten Sani Abacha ohne rechtskräftige und vollstreckbare Einziehungsverfügung des betroffenen Staates zurückzugeben. Auf der Grundlage der geltenden Gesetze hat die Schweiz den Herkunftsstaaten in den vergangenen zwanzig Jahren Mittel in der Höhe von rund 1,8 Milliarden Franken zurückerstattet.

1.1.4

Grenzen der Handlungsmöglichkeiten des Bundesrates auf der Grundlage von Artikel 184 Absatz 3 BV

Wie bereits ausgeführt, stützte sich die vorsorgliche Sperrung von Potentatengeldern bisher auf die in der Verfassung verankerte Befugnis des Bundesrates, die Interessen des Landes zu wahren (Art. 102 Ziff. 8 aBV, sodann Art. 184 Abs. 3 BV). Die vom Bundesrat im Februar 2014 gegenüber der Ukraine angeordnete vorsorgliche Sperrung beruhte mangels einer formellen gesetzlichen Grundlage, die ihr ein derartiges Vorgehen erlaubt hätte, erneut unmittelbar auf der Bundesverfassung.

Im Fall der 2011 angeordneten Sperrungen betreffend PEP und ihnen nahestehende Personen in Tunesien und Ägypten beschloss der Bundesrat am 18. Dezember 2013 eine Verlängerung um weitere drei Jahre. Die Verlängerung bietet mehr Zeit für gerichtliche Untersuchungen in diesen beiden Ländern und erlaubt so, den dort stattfindenden politischen Umwälzungen Rechnung zu tragen.

Die systematische Anrufung der BV für die Sperrung von Potentatengeldern nach grösseren politischen Umwälzungen oder für die Verlängerung einer solchen Sperrung ist unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten eine unbefriedigende Lösung. Diese Auffassung wird auf juristischer wie auf politischer Ebene weithin geteilt. Die Problematik war nach den Ereignissen des Arabischen Frühlings Gegenstand mehrerer parlamentarischer Vorstösse, darunter der Motion Leutenegger Oberholzer vom 16. März 2011 (11.3151). Die Annahme dieser Motion durch das Parlament verpflichtet den Bundesrat, eine formell-gesetzliche Grundlage zur Sperrung von Potentatengeldern zu erarbeiten (vgl. unten Ziff. 1.6).

Im Anschluss an die Bewältigung der Swissair-Krise 2001, die Finanzkrise 2008 und den Fall Tinner 2008 und 2009 verabschiedete die Bundesversammlung eine Änderung des Rechtsrahmens betreffend die Wahrung von Demokratie, Rechtsstaat und Handlungsfähigkeit in ausserordentlichen Lagen14. Der Bundesrat stimmte dieser Änderung weitgehend zu15. Die entsprechenden Änderungen des Regierungsund Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 199716 (RVOG) schränken die Möglichkeiten des Bundesrates ein, Artikel 184 Absatz 3 BV anzurufen.

Die Änderungen des RVOG haben die folgenden konkreten Auswirkungen: Die Verlängerung einer Verordnung gestützt auf Artikel 184 Absatz 3 BV ist mit der 14

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16

Parlamentarische Initiative «Wahrung von Demokratie, Rechtsstaat und Handlungsfähigkeit in ausserordentlichen Lagen», Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 5. Februar 2010, BBl 2010 1563 ff.

Parlamentarische Initiative «Wahrung von Demokratie, Rechtsstaat und Handlungsfähigkeit in ausserordentlichen Lagen», Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 5. Februar 2010, Stellungnahme des Bundesrates vom 21. April 2010, BBl 2010 2803 ff.

SR 172.010

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Verpflichtung verbunden, der Bundesversammlung innert sechs Monaten nach Inkrafttreten der Verlängerung den Entwurf einer gesetzlichen Grundlage für den Inhalt der Verordnung zu unterbreiten (vgl. Art. 7c Abs. 3 RVOG). Die Vorlage je eines Gesetzesentwurfs betreffend Tunesien und Ägypten hätte diese Anforderung zwar erfüllt, diese Lösung ist jedoch nicht wünschenswert. Es erscheint nicht als opportun, ein Gesetz oder mehrere Gesetze im formellen Sinn anzunehmen, deren Geltungsbereich sich auf ein Land beschränkt. Zudem hätte dieses Vorgehen jedoch eine Fragmentierung der Rechtsgrundlagen der «Asset Recovery» zur Folge gehabt, was unerwünscht ist.

Der Gesetzesentwurf erfüllt die Anforderung von Artikel 7c RVOG. Andernfalls würden die Verordnungen zu Tunesien und Ägypten hinfällig (vgl. Art. 7 Abs. 4 Bst. a RVOG) und die gestützt auf Artikel 184 Absatz 3 BV angeordnete Sperrung der Vermögenswerte von PEP würde in diesem Fall sechs Monate nach Inkrafttreten der Verlängerung automatisch erlöschen.

1.2

Die beantragte Neuregelung

Die vorgeschlagene Neuregelung kodifiziert das geltende Recht und die derzeitige Praxis betreffend die Sperrung, die Einziehung und die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte von PEP in einer neuen formell-gesetzlichen Grundlage. Es findet dort Anwendung, wo nicht bereits ein Rechtshilfeverfahren hängig ist. Die Kodifikation in einem Gesamterlass erhöht die Kohärenz und erlaubt eine erhebliche Verbesserung der Transparenz des Schweizer Dispositivs. Der neue Gesetzesentwurf erfasst alle Stadien des Verfahrens, die im folgenden Schema zur Rechtshilfe zusammenfassend dargestellt sind. Die Stadien der Rechtshilfe im eigentlichen Sinne werden stark vereinfacht wiedergegeben, indem die erste Phase der Herausgabe der Beweismittel (z. B. Bankbelege im Original) bewusst nicht von der folgenden Phase der Herausgabe der Vermögenswerte auf der Grundlage eines vollstreckbaren Urteils abgegrenzt wird:

Machtverlust der PEP im Herkunftsstaat

Bundesrat: vorsorgliche Sperrung (Art. 3)

Unterstützungsmassnahmen (Art. 11-13)

Rechtshilfeverfahren (IRSG)

Rückerstattung (Art. 74a IRSG)

Bundesrat: Sperrung bei Scheitern der Rechtshilfe (Art. 4)

Einziehung Bundesverwaltungsgericht (Art. 14)

Rückerstattung

Die einschlägige schweizerische Praxis betreffend die Sperrung, die Einziehung und die Rückerstattung unrechtsmässig erworbener Vermögenswerte von PEP wurde im Verlauf der letzten fünfundzwanzig Jahre im Rahmen der Schweizer Aussenpolitik entwickelt. Die diesbezüglichen Massnahmen sind abzugrenzen von präventiven Massnahmen, etwa im Bereich der Geldwäschereibekämpfung und stellen eine 5279

Ergänzung zu den Bereichen Strafrecht und Rechtshilfe dar, die vom vorliegenden Erlass nicht berührt werden.

Der Gesetzesentwurf schafft grundsätzlich keine neuen Rechtspflichten zulasten der Bürgerinnen und Bürger. Er umfasst alle Handlungsoptionen, die den Schweizer Behörden zur Verfügung stehen, um mutmasslich unrechtmässig erworbene Vermögenswerte von PEP in transparenter Weise an den Herkunftsstaat zurückführen zu können. Diese Aktivitäten ordnen sich in den Gesamtkontext der Schweizer Aussenpolitik und der Wahrung der Schweizer Interessen weltweit ein und sollen insbesondere die Verfahren der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen ergänzen und unterstützen.

Im Zentrum stehen die folgenden Aspekte: ­

vorsorgliche Sperrung von Vermögenswerten von PEP zu Sicherungszwecken;

­

Leistung gezielter Unterstützungsmassnahmen an den Herkunftsstaat im Hinblick auf eine rasche gerichtliche Klärung des Ursprungs der Vermögenswerte;

­

Möglichkeit der gerichtlichen Einziehung in der Schweiz für den Fall, dass die Rechtshilfe infolge Versagens der staatlichen Strukturen im Herkunftsland scheitert (Überführung des materiellen Inhalts des RuVG).

Soweit der Erlassentwurf die bisherige Praxis kodifiziert, bewirkt er keine Beschleunigung der Behandlung und Lösung von Potentatengelderfällen. Die Erfahrungen zeigen jedoch, dass der Zeitfaktor in diesem Zusammenhang ein wesentliches Anliegen ist. Es ist im Interesse der Schweiz, dass Potentatengelder rasch an die Herkunftsstaaten zurückerstattet und dort zugunsten der Bevölkerung und im Sinn einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung eingesetzt werden können.

Die beiden vorgeschlagenen Neuerungen sind geeignet, zu einer derartigen Beschleunigung beizutragen.

Die erste Neuerung bietet die Möglichkeit, dem Herkunftsstaat bestimmte Informationen zu übermitteln, die diesem für die Aufnahme der Rechtshilfezusammenarbeit und die Beschleunigung des Verfahrens dienen sollen. Diese neue Möglichkeit der Übermittlung stützt sich auf die bisherigen Erfahrungen der Schweiz, insbesondere auf Erkenntnisse aus den Fällen des Arabischen Frühlings. Ziel und Zweck der Informationsübermittlung ist einzig die Unterstützung der Rechtshilfezusammenarbeit zwischen dem Herkunftsstaat und der Schweiz. In Fällen mutmasslicher Potentatengelder im Zusammenhang mit einem politischen Machtwechsel haben die Justizbehörden des Herkunftsstaates erfahrungsgemäss oft Mühe, ihre Rechtshilfeersuchen ausreichend zu begründen. Diese Probleme sind in der Regel auf einen Mangel an Erfahrung und Fachwissen bei der Aufklärung komplexer und strafrechtlich relevanter Sachverhalte zurückzuführen. Auf unzureichend begründete Ersuchen können die Schweizer Behörden jedoch nicht eintreten. Dadurch gerät die Rechtshilfezusammenarbeit ins Stocken. Es drohen erhebliche Verzögerungen, unter Umständen sogar ein Scheitern der Rechtshilfe. Eine derartige Entwicklung liegt jedoch angesichts der zweifelhaften Herkunft der betreffenden Vermögenswerte, aber auch angesichts der hohen Erwartungen in den ersuchenden Staaten weder im Interesse der Schweiz noch in jenem der Herkunftsländer. Angesichts dieser Ausgangslage sieht das Gesetz die Möglichkeit vor, künftig ausserhalb der eigentlichen Rechtshilfe bestimmte Informationen an den Herkunftsstaat zu übermitteln, wobei 5280

solche Informationen Angaben über die Existenz von Bankbeziehungen in der Schweiz enthalten können. Die Voraussetzungen und der Umfang der Informationsweitergabe sollen in der Gesetzesvorlage klar umrissen und eng definiert sein.

Die Informationen dürfen vom Herkunftsstaat nur dazu verwendet werden, ein Rechtshilfeersuchen an die Schweiz zu richten oder, was in der Praxis der bedeutsamere Fall sein wird, ein bereits unterbreitetes Ersuchen zu ergänzen. Eine entsprechende Bestimmung ist in Artikel 13 vorgesehen. Diese Norm stellt eine aussenpolitisch begründete Ergänzung der Bestimmungen des Rechtshilferechts dar.

Die zweite materielle Neuerung betrifft die Möglichkeit, mutmasslich unrechtmässig erworbene Vermögenswerte in einem verwaltungsrechtlichen Verfahren vor Schweizer Gerichten einzuziehen. Das RuVG sieht diese Einziehungsmöglichkeit bereits vor, allerdings nur dann, wenn die Rechtshilfezusammenarbeit an versagenden staatlichen Strukturen im Herkunftsstaat gescheitert ist. Das ist nicht ausreichend. Die bisherigen Erfahrungen mit den Rückführungsfällen aus dem Arabischen Frühling zeigen, dass Fortschritte bei den Rechtshilfeverfahren auch durch Schwierigkeiten beeinträchtigt werden können, die mit der (selbst vorübergehend) bestehenden unbefriedigenden Menschenrechtssituation und mit den Ungewissheiten in Bezug auf künftige Entwicklungen in den betreffenden Ländern verbunden sind.

Regelmässige Kontakte zwischen den Schweizer Behörden und den Behörden dieser Länder sind somit unerlässlich für die bestmögliche Beurteilung der Lage vor Ort und der Perspektiven im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit. Die Anhandnahme bzw. der Vollzug eines Rechtshilfeersuchens setzt nämlich voraus, dass der ersuchende Staat (im vorliegenden Fall der Herkunftsstaat der gesperrten Vermögenswerte) gewisse Standards bezüglich menschenrechtlicher Verfahrensgarantien erfüllt. Diese setzen ihrerseits eine gewisse institutionelle Stabilität und die Gewährleistung rechtsstaatlicher Prinzipien voraus. Staaten in einer postrevolutionären Umbruchphase werden diese Voraussetzungen nicht immer erfüllen können. Damit besteht ein erhebliches Risiko, dass die Bemühungen zur Rückführung der betroffenen Vermögenswerte auf dem Rechtshilfeweg scheitern. Dies würde bedeuten, dass die fraglichen Vermögenswerte wieder in die
Verfügungsmacht derjenigen Personen gelangen, die sie zuvor höchstwahrscheinlich zum Nachteil des Herkunftsstaates unterschlagen oder unrechtmässig erworben haben. Ein derartiger Ausgang liefe nicht nur den Bemühungen zur Wahrung der Integrität und der Reputation des Finanzplatzes Schweiz zuwider. Ein Scheitern der Rückführung würde auch vor dem Hintergrund des Engagements der Schweiz im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit sowie im Kampf gegen die Straflosigkeit zu einem stossenden Ergebnis führen. Schliesslich sind die Folgen eines Scheiterns auch für die zuständigen Behörden und die Bevölkerung im Herkunftsstaat nicht zu unterschätzen. Der Bundesrat hält es daher für sinnvoll und notwendig, eine Einziehungsmöglichkeit im Hinblick auf eine Rückerstattung neu auch für den Fall vorzusehen, dass sich herausstellt, dass die Rechtshilfezusammenarbeit wegen ungenügender menschenrechtlicher Standards im Herkunftsstaat nicht möglich ist. Damit wird sichergestellt, dass die Vermögenswerte in einem rechtsstaatlich einwandfreien Verfahren überprüft und ihren Herkunftsländern zurückerstattet werden können, falls sie illegalen Ursprungs sind.

Die Voraussetzungen zur Anwendung der neuen Einziehungsmöglichkeit sind klar definiert und eng begrenzt.

Der Gesetzesentwurf entspricht den Grundsätzen der Schweizer Aussenpolitik. Er dient dazu, die Interessen und Werte der Schweiz weltweit zu wahren und zu fördern. Mit der Schaffung eines Gesetzes zur Sperrung, Einziehung und Rückerstat5281

tung von Potentatengeldern bringt die Schweiz ihre Entschlossenheit zum Ausdruck, sich auch künftig aktiv gegen Straflosigkeit und unrechtmässige persönliche Bereicherung einzusetzen und durch die konsequente Rückerstattung von Geldern gestürzter Potentaten die Integrität und Reputation des Finanzplatzes zu schützen.

Ein derartiges Gesetz wird zu den weltweit fortschrittlichsten Erlassen in diesem Bereich zählen, da er Fragen der «Asset Recovery» umfassend regelt. Die Schweiz ergreift damit die Möglichkeit, selber massgebliche Standards zu schaffen und dadurch aktive die Interessen des Landes zu wahren, statt unter dem Eindruck relevanter internationaler Entwicklungen reagieren zu müssen.

1.3

Entwicklung der vorgeschlagenen Lösung

Im März 2011 beauftragte der Bundesrat eine interdepartementale Arbeitsgruppe, die Anfang 2011 verabschiedeten Sperrungsverordnungen und die darin enthaltenen Massnahmen zu prüfen und ihm anschliessend einen Bericht zu unterbreiten.

Gestützt auf den Bericht und die darin enthaltenen Empfehlungen erteilte der Bundesrat dem EDA am 11. Mai 2011 das Mandat, eine formell-gesetzliche Grundlage zur Sperrung von Vermögenswerten von PEP zu Sicherungszwecken zu erarbeiten.

Die interdepartementale Arbeitsgruppe, die bereits den Bericht an den Bundesrat erstellt hatte, nahm die Arbeiten am Gesetzgebungsprojekt im Sommer 2011 auf.

Im Rahmen der Umsetzung des bundesrätlichen Auftrags stellte sich die Frage, in welcher Form und in welchem Rahmen die neuen gesetzlichen Bestimmungen erlassen werden sollten.

Der Bundesrat ist unter Abwägung aller Alternativen zum Schluss gelangt, dass ein Gesetz zur Sperrung, Einziehung und Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte die sinnvollste Lösung darstellt. Mit der Schaffung eines Gesamterlasses zu allen von der Sperrung bis zur Restitution reichenden Fragen kann eine Fragmentierung der Rechtsgrundlagen verhindert und die Transparenz des anwendbaren Rechts erhöht werden. Dies trägt der wachsenden Bedeutung der Thematik der Potentatengelder Rechnung. Durch die Kodifizierung der bisherigen Praxis wird den Anforderungen des Legalitätsprinzips Rechnung getragen und die Rechtssicherheit gestärkt. Gleichzeitig setzt die Schweiz damit ein politisches Zeichen gegen aussen und bekundet ihren klaren Willen, den eingeschlagenen Weg im Kampf gegen Potentatengelder aktiv weiterzugehen.

Andere Optionen wurden nach Prüfung durch die interdepartementale Arbeitsgruppe verworfen. Dies gilt namentlich für die Frage einer Integration der neuen Bestimmungen in einen bereits bestehenden gesetzlichen Erlass. Es gibt auf Stufe Bundesgesetz keinen Erlass, der von seinem Geltungsbereich her für eine derartige Integration in Frage kommt. Aus diesem Grund wurde insbesondere die Idee einer Einbettung der neuen Bestimmungen ins IRSG nicht weiterverfolgt. Die Sperrung zu Sicherungszwecken ist als Vorphase zur Rechtshilfe zu verstehen und soll von dieser sowohl in systematischer als auch in zeitlicher Hinsicht getrennt sein. Im Unterschied zum IRSG folgt sie einer primär aussenpolitisch
motivierten Zielsetzung. Sie soll daher auch gesondert vom IRSG geregelt werden und dessen Bestimmungen unberührt lassen.

Eine Verbindung der Bestimmungen des Gesetzesentwurfs mit den Bestimmungen des am 1. Februar 2011 in Kraft getretenen RuVG (bisweilen auch als Lex Duvalier 5282

bezeichnet) wurde aus Gründen der Gesetzessystematik verworfen. Das RuVG regelt ebenfalls die Einziehung und Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte, beschränkt sich jedoch auf einen sehr spezifischen Teilaspekt, nämlich den der gescheiterten Staaten. Der Entwurf übernimmt hingegen die einschlägigen Bestimmungen des RuVG und hebt dieses auf (vgl. die Erläuterungen unter Ziff. 2.1 und 2.3 betreffend Art. 31).

Eine weitere mögliche Alternative, die letztlich ebenfalls verworfen wurde, bestand darin, ein Bundesgesetz zu schaffen, das einzig die vorsorgliche Sperrung von Vermögenswerten von PEP zum Gegenstand hätte. Ein solches Gesetz würde allerdings einen sehr engen Geltungsbereich aufweisen. Nach dem RuVG würde es sich bei einem derartigen Erlass bereits um die zweite thematisch beschränkte gesetzliche Regelung der «Asset Recovery» in der Schweiz handeln. Ein derartiger sektorieller Ansatz hätte eine starke Fragmentierung zur Folge und wäre damit der Rechtssicherheit abträglich.

Am 22. Mai 2013 eröffnete der Bundesrat das Vernehmlassungsverfahren zum Vorentwurf des Bundesgesetzes über die Sperrung und die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte politisch exponierter Personen (SRVG). Die Vernehmlassung dauerte bis zum 12. September 2013. Die Ergebnisse sind im Vernehmlassungsbericht ausführlich dargestellt17.

Der Vorentwurf stiess auf grosses Interesse, wie die 65 Stellungnahmen von interessierten Organisationen in der Vernehmlassung zeigen. Eine deutliche Mehrheit (47) hat den Entwurf, seine Ziele und die Mittel zur Umsetzung generell begrüsst oder zumindest eine grundsätzliche Unterstützung zum Ausdruck gebracht. Nur eine Minderheit (10) lehnte den Vorentwurf als Ganzes ab.

Alle Kantone, die sich in der Vernehmlassung äusserten, begrüssten den Vorentwurf. Dies betrifft insbesondere die Kantone mit bedeutendem Finanzplatz, also Zürich, Genf und das Tessin. Das Gleiche gilt für die Mehrheit der nationalen Wirtschaftsverbände, auch aus dem Bankensektor. Abgelehnt wurde der Vorentwurf hingegen von mehreren Organisationen, die die Interessen der Privatbanken vertreten oder vorwiegend auf dem Genfer Finanzplatz tätig sind.

Bei den in der Bundesversammlung vertretenen politischen Parteien stiess der Vorentwurf teilweise auf klare Zustimmung (SP, Grüne, EVP), teilweise
auf Ablehnung (SVP, FDP und CVP). Einige Parteien, die dem Gesetzesprojekt zwar ablehnend gegenüberstehen, erklärten dennoch ihre Unterstützung für die Politik des Bundesrates in Fragen der «Asset Recovery». Mehrere Parteien haben sich nicht an der Vernehmlassung beteiligt (darunter BDP, glp, Lega, MCR).

Seitens der Gerichtsinstanzen äusserte sich lediglich das BStGer zum Inhalt. Das BG, das BVG und das BPG erklärten, auf eine Stellungnahme zu verzichten.

Um die Stellungnahmen aus der Vernehmlassung so weit wie möglich zu berücksichtigen, wurde der Gesetzesentwurf erheblich überarbeitet. Dies betrifft namentlich die folgenden vier Punkte: ­

17

Zahlreiche Teilnehmende kritisierten, der Vorentwurf enthalte zu viele unbestimmte Rechtsbegriffe, dies gebe den rechtsanwendenden Behörden grossen Ermessensspielraum. Dies gilt insbesondere für Artikel 3, der die www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2013 > Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten.

5283

Voraussetzungen für eine vorsorgliche Sperrung von Vermögenswerten nennt. Um dieser Kritik zu begegnen, wurden Legaldefinitionen in den Artikeln 2 Buchstabe c und 15 Absatz 2 angefügt. Zudem präzisieren Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c und Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe c künftig klar, in welchen Fällen Vermögenswerte von juristischen Personen gesperrt werden können.

­

Die Vertreterinnen und Vertreter der Banken und der Finanzwelt betonten die Notwendigkeit einer einzigen Bundesbehörde, die für die Entgegennahme von Meldungen gemäss dem Vorentwurf, aber auch gemäss anderer gesetzlicher Vorschriften (vor allem GwG) zuständig ist. Um dieses legitime Anliegen zu berücksichtigen, sieht Artikel 7 Absatz 1 des Entwurfs vor, dass die Meldestelle für Geldwäscherei MROS im Sinne des GwG die Befugnis erhält, Meldungen über Vermögenswerten entgegenzunehmen. Damit wird eine zentrale Anlaufstelle («Guichet unique») geschaffen, die die Verpflichtungen der Finanzintermediäre erleichtern wird.

­

Der Vorschlag, im Gesetzesentwurf die Möglichkeit vorzusehen, in besonderen Fällen und unter genau festgelegten Bedingungen Informationen über die in der Schweiz gesperrten Vermögenswerte an der Herkunftsstaat zu übermitteln (Art. 13), wurde in der Vernehmlassung sehr kontrovers aufgenommen. Nach Auffassung des Bundesrates ist diese Bestimmung jedoch eine wichtige Neuerung des Gesetzesentwurfs, um das System wirksamer auszugestalten. Artikel 13 wurde daher beibehalten, jedoch erheblich überarbeitet. Die wichtigste Änderung betrifft den Übermittlungsweg: Es wurde beschlossen, dass die Informationen ausschliesslich von der MROS, und nicht vom EDA an den Herkunftsstaat übermittelt werden. Dieser Übermittlungsweg ist sicher und vertraulich und hat sich bei der internationalen Zusammenarbeit in Fragen der Geldwäschereibekämpfung bereits bewährt.

Weitere wichtige Anpassungen in Artikel 13 wurden vorgenommen, um den in der Vernehmlassung zum Ausdruck gekommenen Befürchtungen Rechnung zu tragen. Diese Anpassungen werden in Kapitel 2 dieser Botschaft ausführlich erläutert.

­

Verschiedene Teilnehmende des Vernehmlassungsverfahrens waren der Auffassung, die Politik des Bundesrates in der Frage der Sperrung und Rückerstattung von Potentatengeldern müsse transparenter und berechenbarer werden. Aus diesem Grund wird vorgeschlagen, die eidgenössischen Räte vermehrt zu informieren. Zu diesem Zweck verpflichtet Artikel 24 das EDA, den zuständigen parlamentarischen Kommissionen jährlich einen Bericht über die in Anwendung dieses Gesetzes getroffenen Massnahmen vorzulegen.

1.4

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

EU: Der Europäische Rat hat im Zusammenhang mit den Ereignissen des Arabischen Frühlings Vermögenssperrungen gegen Personen und Organisationen aus Tunesien, Ägypten, Libyen und Syrien angeordnet. Diese Massnahmen erfolgten im Rahmen der Gemeinsamen Aussen- und Sicherheitspolitik (GASP) auf der Grundlage des Vertrags über die Europäische Union (EUV, Art. 29) und des Vertrags über 5284

die Arbeitsweise der Europäischen Union (VAEU, Art. 215). Es handelt sich dabei um die gleiche Rechtsgrundlage, die üblicherweise der Verhängung internationaler Sanktionen durch die Europäische Union (EU) dient. Im vorliegenden Fall dienen die Massnahmen jedoch einer anderen Zielsetzung: Sie stellen keine völkerrechtlichen Zwangsmassnahmen dar, sondern sollen die Rechtshilfezusammenarbeit im Hinblick auf die Rückerstattung unrechtsmässig erworbener Vermögenswerte erleichtern. Im Sprachgebrauch der EU werden auch derartige Sicherungsmassnahmen ­ anders als in der Schweiz ­ als Sanktionen bezeichnet. Der Europäische Rat hat unlängst mittels Verordnung18 eine Reihe von Sanktionen verabschiedet, die im Wesentlichen das Einfrieren von ukrainischen Guthaben beinhalten.

Die auf diese Grundlage abgestützten Verordnungen und Entscheide sind für die EU-Mitgliedstaaten direkt verbindlich und bedürfen keines innerstaatlichen Gesetzgebungs- oder Verwaltungsaktes. Artikel 215 Absatz 2 VAEU enthält eine explizite Rechtsgrundlage für Sanktionen gegen natürliche oder juristische Personen sowie Gruppierungen oder nichtstaatliche Einheiten. Der Erlass einer Massnahme liegt im Ermessen des EU-Rates. Die Informationen, die einen Sanktionsentscheid rechtfertigen können, liefern die EU-Mitgliedstaaten. Die Vorbereitung von Sanktionsentscheiden (insbesondere die Sperrung von Vermögenswerten zu Sicherungszwecken) wird vertraulich behandelt, um den Erfolg der Massnahmen nicht zu gefährden.

Die Verordnungen der EU, auf die sich die Vermögenssperrungen gegen Personen und Organisationen aus Tunesien19, Ägypten20 und Libyen21 stützen, sehen vor, dass die EU-Mitgliedstaaten Informationen, insbesondere Finanzinformationen, die sie im Rahmen der gemäss ihrem innerstaatlichen Recht vollzogenen restriktiven Massnahmen erhalten haben, an die zuständigen Behörden des betreffenden Staates (Tunesien, Ägypten oder Libyen) und an andere Mitgliedstaaten übermitteln können, wenn dies erforderlich ist, um die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte zu erleichtern.

Anlässlich der Publikation der Verordnung werden die betroffenen Personen und Körperschaften von der EU via Schreiben oder Publikation im offiziellen Amtsblatt der EU über den Sanktionsbeschluss informiert22. Alle EU-Sanktionen haben eine zeitlich begrenzte
Gültigkeit und sind hinsichtlich ihrer Verlängerung zu überprüfen, wenn sich die politische Lage im entsprechenden Land verändert. Eine Streichung kann z. B. vorgenommen werden, wenn neue Informationen vorliegen oder Informationen korrigiert werden müssen.

18

19

20

21 22

Verordnung (EU) Nr. 208/2014 des Rates vom 5. März 2014 über restriktive Massnahmen gegen bestimmte Personen, Organisationen und Einrichtungen angesichts der Lage in der Ukraine, ABl. L 66 vom 6.3.2014, S.1.

Art. 9 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 101/2011 des Rates vom 4. Februar 2011 über restriktive Massnahmen gegen bestimmte Personen, Organisationen und Einrichtungen angesichts der Lage in Tunesien, ABl. L 31 vom 5.2.2011, S. 1.

Art. 9 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 270/2011 des Rates vom 21. März 2011 über restriktive Massnahmen gegen bestimmte Personen, Organisationen und Einrichtungen angesichts der Lage in Ägypten, ABl. L 76 vom 22.3.2011, S. 4.

Art. 13 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 204/2011 des Rates vom 2. März 2011 über restriktive Massnahmen angesichts der Lage in Libyen, ABl. L 58 vom 3.3.2011, S. 1.

Die betroffenen Personen und Körperschaften können u.a. die Genehmigung für die Verwendung eingefrorener Gelder zur Deckung von Grundbedürfnissen oder für bestimmte Zahlungen beantragen. Weiter können sie unter Einreichung der entsprechenden Beweismittel auch die Überprüfung des Beschlusses, sie in eine Sanktionsliste aufzunehmen, beantragen.

5285

Die EU hat keine Kompetenzen, aufgrund eines Sanktionsbeschlusses gesperrte Vermögenswerte einzuziehen. Die Einziehung und Rückerstattung fällt in die Kompetenz der Mitgliedstaaten gemäss den nationalen Verfahrensvorschriften im Bereich Strafrecht und internationale Rechtshilfe. Auf der Ebene des EU-Rechts besteht somit keine spezifische Rechtsgrundlage für die Sperrung, Einziehung und Rückerstattung von Vermögenswerten von PEP.

EU-Mitgliedstaaten: Auf Stufe der EU-Mitgliedstaaten wurde im Rahmen der vorliegenden Vorlage die Rechtslage in Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Spanien, Belgien und dem Vereinigten Königreich untersucht. Nebst der Umsetzung von EU-Sanktionsverordnungen kann es aufgrund von Verdachtsmeldungen seitens Banken sowie im Rahmen von internationalen Rechtshilfeersuchen in Strafsachen oder nationalen Strafverfahren zu Vermögenssperrungen kommen.

Im Vereinigten Königreich, neben der Schweiz der bedeutendste Finanzplatz in Europa, basiert eine allfällige Einziehung in der Regel auf einer strafrechtlichen Verurteilung («conviction based»). Eine Einziehung kann aber auch ohne Vorliegen eines Schuldspruchs («non-conviction based») erfolgen. Im auf richterlichen Leitentscheiden beruhenden angelsächsischen Rechtskreis (Common Law) spricht man in letzterem Fall von einer sogenannten «civil forfeiture»; dabei kann die Einziehung der Erträge aus Straftaten auch ohne Vorliegen eines Schuldspruchs und unter erleichterten Beweisanforderungen erfolgen. Bei einer strafrechtlichen Einziehung muss der um Rechtshilfe ersuchende Staat beweisen, dass die von der Sperrung betroffene Person rechtskräftig verurteilt wurde. Nach geltendem Recht ist eine verwaltungsrechtliche Vermögenssperrung zu Sicherungszwecken nur bei einem Verdacht auf einen terroristischen Hintergrund zulässig. Im Rahmen der «Serious Organised Crime Strategy», die dem Parlament im Oktober 2013 unterbreitet wurde, wird die Möglichkeit geprüft, eine solche Sperrung auf Fälle auszudehnen, in denen ein Verdacht auf andere schwere Straftaten besteht. Im Oktober 2013 verabschiedete das Innenministerium (Home Office) eine neue Strategie über den Kampf gegen die organisierte Kriminalität (Serious Organised Crime Strategy) und stellte sie der Öffentlichkeit vor. Diese Strategie, die einen Passus zur Sperrung unrechtmässig erworbener
Vermögenswerte enthält, sieht für 2014 eine Anpassung des Strafrechts (Proceeds of Crime Act 2002) vor. Geplant ist insbesondere eine Senkung des zur Verhängung einer Sperrung von Vermögenswerten geforderten Beweismasses: Anstelle konkreter Beweise für verbrecherische Aktivitäten würde ein begründeter Verdacht ausreichen. Ferner ist vorgesehen, die Möglichkeiten der Sperrung auf Situationen ohne Terrorismusbezug auszuweiten. Diese Massnahmen, die sich derzeit erst im Entwurfsstadium befinden und dem Parlament anschliessend zur Prüfung vorgelegt werden sollen, würden nicht nur auf Potentatengelder, sondern auf alle unrechtmässig erworbenen Vermögenswerte Anwendung finden. Sollten sie angenommen werden, würden sie die Sperrung und Einziehung von Potentatengeldern erleichtern. Bezüglich Unterstützungsmassnahmen bestehen im Vereinigten Königreich im Rahmen der internationalen Amtshilfe verschiedene Möglichkeiten.

Der ersuchende Staat kann bei der Durchführung von Untersuchungen oder beim Verfassen von Rechtshilfeersuchen unterstützt werden, aber auch mittels Trainingsund Ausbildungsmassnahmen (z. B. via Weltbank). Der britische Premierminister hat eine Taskforce geschaffen, die sich speziell mit der Einziehung und Rückführung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte im Zusammenhang mit den Ereignissen des Arabischen Frühlings befassen und diese koordinieren soll. 2013 nahm ein Regionalreferent dieser Taskforce seine Tätigkeit in Kairo auf, wo er damit 5286

betraut ist, den ägyptischen Behörden unmittelbare Unterstützung zu gewähren, damit sie die im Vereinigten Königreich eröffneten Rechtshilfeverfahren voranbringen können. Erwähnenswert ist schliesslich, dass der bestehende britische Rechtsrahmen, der konkret die Herausgabe unrechtmässig erworbener Vermögenswerte an andere Staaten betrifft, während der zweiten Jahreshälfte 2013 auf Antrag des Generalstaatsanwalts einer allgemeinen Überprüfung unterzogen wurde. Diese Massnahme, die in eine Reihe von Empfehlungen münden soll, wurde vor dem Hintergrund der als schwerfällig und nicht ausreichend flexibel geltenden EU-Sanktionspolitik für notwendig erachtet. In diesem Zusammenhang gilt der Schweizer Rechtsrahmen, insbesondere der Gesetzesentwurf, als Vorbild und wird als Inspirationsquelle angeführt. Auch das Vereinigte Königreich sucht insbesondere nach Möglichkeiten, administrative Blockierungsmassnahmen für Potentatengelder in seine Gesetzgebung aufzunehmen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die genannten europäischen Staaten noch nicht über eine spezifische landesrechtliche Grundlage verfügen, um Vermögenswerte von PEP verwaltungsrechtlich sperren zu können. Es bestehen andere rechtliche Möglichkeiten, vermutlich unrechtmässig erworbene Gelder zu sperren und zurückzuführen. Das Beispiel des Vereinigten Königreichs macht allerdings deutlich, dass die Entwicklungen in diesem Bereich rasch voranschreiten und dass derzeit neue rechtliche und sonstige Instrumente geprüft werden und zum Teil sogar bereits eingeführt wurden. Es ist davon auszugehen, dass bestimmte EU-Länder ihre innerstaatlichen Normen in naher Zukunft nach dem Vorbild der Schweiz weiter stärken werden.

USA: In der Vergangenheit erliess der Präsident der Vereinigten Staaten Vermögenssperrungen, die mit Massnahmen des Bundesrats gestützt auf Artikel 184 Absatz 3 BV vergleichbar sind, in der Form sogenannter «Executive Orders»23. Im Zusammenhang mit den Ereignissen des Arabischen Frühlings wurden auf diesem Weg u. a. Vermögenswerte von PEP aus Libyen und Syrien gesperrt.

Das US-amerikanische Recht kennt verschiedene Instrumente zur Einziehung von Vermögenswerten. Neben der strafrechtlichen Konfiszierung werden vermehrt Einziehungen ohne strafrechtliche Verurteilung angeordnet (sogenannte «non-conviction based forfeiture» oder
«civil forfeiture», s. dazu die Ausführungen zur Rechtslage im Vereinigten Königreich). Diese Massnahme richtet sich gegen den Vermögenswert, nicht gegen die Person. Der Staat geniesst dabei eine erleichterte Beweislast. Dieses Instrument dient nur der Einziehung von Vermögenswerten, nicht aber deren Rückführung in die Herkunftsstaaten. Zur Aufdeckung von Potentatengeldern setzt die Finanzmarktregulierung bei Finanzinstituten mittels Sorgfaltsund Meldevorschriften24 beim Umgang mit PEP an.

Die US-Behörden verfügen über die Möglichkeit, Unterstützungsmassnahmen für Herkunftsstaaten durchzuführen (spezifische Ausbildungsprogramme, Konferenzen, Rechtsberatung etc.).

23 24

Dies jedoch mit dem Unterschied, dass diese Kompetenz in den USA in einem Gesetz geregelt ist.

Diese Vorschriften wurden 2001 mit dem «Patriot Act» eingeführt. Seither gilt die Annahme von Geldern, die aus Korruption in fremden Staaten stammen, als Vortat zu Geldwäscherei in den USA.

5287

Nebst den oben erwähnten Möglichkeiten besteht in den USA somit keine spezifische gesetzliche Grundlage für die Sperrung, Einziehung und Rückerstattung von vermutlich unrechtmässig erworbenen Vermögenswerten von PEP.

Weitere wichtige Finanzplätze: In Liechtenstein existiert keine spezielle Rechtsgrundlage, die eine Rückführung von Potentatengeldern im Administrativverfahren ermöglichen würde. Das Fürstliche Landgericht kann jedoch auf ein entsprechendes Rechtshilfeersuchen einer ausländischen Justizbehörde das dortige Urteil oder die Einziehungsentscheidung im Rechtshilfeverfahren vollstrecken25. Voraussetzung hierfür ist, dass das Urteil, die Geldstrafe oder die Einziehungsentscheidung im ersuchenden Staat in Rechtskraft erwachsen ist. Nach liechtensteinischem Recht können Vermögenswerte entweder als unrechtmässige Bereicherung abgeschöpft werden (§ 20 StGB) oder als Vermögenswerte aus einer strafbaren Handlung für verfallen erklärt werden (§ 20b StGB). Nachdem Vermögenswerte nach den vorgenannten Bestimmungen dem Land Liechtenstein rechtskräftig zugefallen sind26, kann in einem zweiten Verfahrensschritt die Regierung gemäss § 253a der Strafprozessordnung, StPO27 mit dem ersuchenden Staat eine Teilungsvereinbarung abschliessen, in der ein entsprechender Aufteilungsschlüssel für die Rückführung der verfahrensgegenständlichen Vermögenswerte festgelegt wird. Nach Abschluss dieses Regierungsentscheids können die entsprechenden Vermögenswerte auf ein vom ersuchenden Staat bezeichnetes Konto transferiert werden.

Eine spezielle gesetzliche Grundlage28 erlaubt es den Strafverfolgungsbehörden von Hongkong, Verdachtsmeldungen an ausserhalb Hongkongs liegende Stellen zu übermitteln, sofern es um die Bekämpfung von Verbrechen geht. Dabei kann es sich auch um Bankinformationen handeln. Die verwaltungsrechtliche Sperrung und Einziehung von verbrecherisch erlangten Vermögenswerten ist nicht möglich; dazu ist entweder ein Straf- oder ein Rechtshilfeverfahren notwendig. Im Rahmen der Rechtshilfe können ausländische Einziehungsbeschlüsse, welche nicht auf einer strafrechtlichen Verurteilung beruhen («non-conviction based forfeiture»), vollzogen werden. Dies im Gegensatz zu national geführten Verfahren, denen ein strafrechtliches Urteil zugrunde liegen muss.

Singapur verfügt im Bereich der verwaltungsrechtlichen
Vermögenssperrungen über keine speziellen rechtlichen Grundlagen, auch nicht im Bereich der Sperrung und Rückführung von Potentatengeldern. In diesem Zusammenhang hält es sich bisher strikt nur an allfällige Massnahmen der UNO. Für die Zusammenarbeit im Rahmen der Rechtshilfe in Strafsachen verfügt Singapur über eine spezifische Rechtsgrundlage29. Diese wird jedoch eher restriktiv angewandt. Singapur hat sich in letzter Zeit an der schweizerischen Praxis im Umgang mit Potentatengeldern interessiert gezeigt und aktiv den Kontakt gesucht.

Erwähnenswert ist schliesslich die Rechtslage in Kanada. Als Reaktion auf die Ereignisse des Arabischen Frühlings hat Kanada im März 2011 den sogenannten «Freezing Assets of Corrupt Foreign Officials Act» verabschiedet. Dieses Gesetz schafft eine Möglichkeit zur Sperrung von Geldern von PEP zu Sicherungszwecken.

25 26 27 28 29

Art. 64 Abs. 4 Gesetz vom 15. September 2000 über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, RGH).

Art. 64 Abs. 7 RHG.

SR 312.0 Section 25A (9) Organised and Serious Crime Ordinance, Cap. 455.

«Mutual Assistance in Criminal Matters Act» (MACMA).

5288

Der betroffene Staat muss den kanadischen Behörden zu diesem Zweck ein schriftliches Gesuch zur Einfrierung konkreter Vermögenswerte stellen und dabei glaubhaft machen, dass die PEP sich die Vermögenswerte unrechtmässig angeeignet hat.

Nicht verlangt wird hingegen, dass die unrechtmässige Aneignung bereits in diesem Stadium bewiesen ist30. Das Gesetz enthält keine Bestimmungen bezüglich Veräusserung, Einziehung oder Übertragung der beschlagnahmten Vermögenswerte. Diesbezügliche Massnahmen werden in anderen Gesetzen geregelt. Sie haben nicht die Bestrafung der betroffenen Personen, sondern die Sicherstellung der gesperrten Vermögenswerte zum Ziel. Die Rückgabe von gesperrten Vermögenswerten erfolgt in einem separaten Prozess. Hierzu braucht es einen Einziehungsbeschluss («forfeiture order»). Die Vermögenswerte müssen auf ein deliktisches Verhalten zurückgeführt werden können. Bezüglich Unterstützungsmassnahmen ist die Entsendung von Experten möglich. Kanada kann zudem betroffenen Ländern im Rahmen der Polizeikooperation informelle Informationen zur Verfügung stellen. Bezüglich ausserhalb des Strafrechts liegende Einziehungsmöglichkeiten liegt die Kompetenz bei den Provinzen. Will ein betroffener Staat ein Gesuch auf Einziehung ausserhalb des Strafrechts stellen, muss er dieses über eine Anwältin oder einen Anwalt direkt bei der zuständigen Provinz einreichen.

Fazit: Der Rechtsvergleich mit den untersuchten Ländern zeigt auf, dass viele von ihnen über diverse Rechtsgrundlagen verfügen, die in einem solchen Fall zur Anwendung gelangen können. Einige wenige haben erst kürzlich spezielle rechtliche Grundlagen geschaffen (z. B. Kanada) oder die Überprüfung ihres gesetzlichen Rahmens angekündigt. Dazu gehört insbesondere das Vereinigte Königreich, das einen klaren Wechsel seiner Politik durchmachte. Bislang verfügen andere Länder noch nicht über ein ähnlich umfassendes Gesetz betreffend Sperrung, Einziehung und Rückerstattung von Potentatengeldern, wie es Gegenstand dieser Vorlage ist.

1.5

Umsetzung

Der Gesetzesentwurf enthält keine wesentlich neuen Elemente, weil er hauptsächlich das derzeitige Recht und die heutige Praxis bei der Sperrung, Einziehung und Rückerstattung von Potentatengeldern kodifiziert. Da der darin geregelte Bereich der Aussenpolitik zuzuordnen ist, fällt er in die Zuständigkeit des Bundes (Art. 54 BV).

Infolgedessen sind vor allem die Bundesbehörden mit der Umsetzung befasst, in erster Linie das EDA durch die Direktion für Völkerrecht (DV). Eine enge Zusammenarbeit zwischen sämtlichen betroffenen Bundesbehörden ist jedoch unerlässlich.

Das sind insbesondere das Bundesamtes für Justiz (BJ) und die BA betreffend die Rechtshilfe, die MROS betreffend die Meldung von Vermögenswerten und die Übermittlung von Informationen an den Herkunftsstaat sowie das Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) betreffend die Einleitung von Einziehungsverfahren und die Bearbeitung von Verfahren, die strafrechtliche Sanktionen zur Folge haben. Die kantonalen Behörden sind von der Umsetzung nur am Rande betroffen. Dies wäre beispielseise dann der Fall, wenn auf kantonaler Ebene eine Strafverfolgung gegen eine PEP eingeleitet würde, deren Vermögenswerte gesperrt sind. Dies würde 30

Bewilligt wird das Gesuch, wenn kumulativ folgende Voraussetzungen erfüllt sind: Die Person ist eine PEP im gesuchstellenden Staat; im entsprechenden Staat herrscht eine interne Umsturzsituation oder eine unsichere politische Situation; die entsprechenden Massnahmen sind im Interesse der internationalen Beziehungen.

5289

namentlich eine Verpflichtung zur Insformationsübermittlung an die zuständigen Bundesbehörden nach sich ziehen.

Soweit die Umsetzung des Gesetzentwurfes den Bundesbehörden obliegt, ist vorgesehen, gewisse technische Fragen auf Verordnungsstufe zu regeln. Die entsprechende Verordnung wird vom Bundesrat vor Inkrafttreten des Gesetzes zu verabschieden sein. Eine solche Verordnung ist notwendig, weil namentlich im Zusammenhang mit der Erhebung und Übermittlung von Informationen sowie der Verwaltung der gesperrten Vermögenswerte sehr komplexe Fragen zu lösen sind. Zudem rechtfertigen die neuen Befugnisse der MROS im Rahmen des Gesetzesentwurfs eine Regelung bestimmter praktischer Aufgaben der Meldestelle in der Verordnung.

1.6

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Im Zusammenhang mit den Ereignissen des Arabischen Frühlings und den vom Bundesrat erlassenen Vermögenssperrungen wurden in den eidgenössischen Räten verschiedene parlamentarische Vorstösse eingereicht. Darunter ist nur noch die Umsetzung der folgende Motion hängig: ­

11.3151 ­ Motion Leutenegger Oberholzer vom 16. März 2011: Blockierung von Geldern gestürzter Potentaten (Stand der Beratung: angenommen);

Die Motion Leutenegger Oberholzer vom 16. März 2011 (11.3151) verlangt aus Gründen der Rechtssicherheit die Schaffung einer formell-gesetzlichen Grundlage für die heute gestützt auf Artikel 184 Absatz 3 BV verfügten Vermögensblockierungen gestürzter Potentaten. Sie verweist zur Begründung auf die gehäufte Anwendung von Blockierungen durch den Bundesrat im Zuge der Ereignisse des Arabischen Frühlings. Nachdem der Bundesrat das EDA am 11. Mai 2011 mit einem entsprechenden Gesetzgebungsmandat betraut hatte, beantragte er am 25. Mai 2011 die Annahme der Motion. Die Motion wurde vom Nationalrat am 17. Juni 2011 ohne Debatte angenommen. Der Ständerat nahm sie am 22. Dezember 2011 auf einstimmigen Vorschlag der Kommission für Rechtsfragen an. Mit der Vorlage des Gesetzesentwurfs erfüllt der Bundesrat das Anliegen der Motion und beantragt, diese Motion abzuschreiben.

2

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

2.1

Aufbau und Inhalt des Entwurfs

Der Gesetzesentwurf ist in zehn Abschnitte unterteilt. Diese entsprechen im Wesentlichen den verschiedenen Phasen und Aktivitäten, die sich bei der Abwicklung der «Asset Recovery» ­ also des gesamten Verfahrens von der vorsorglichen Sperrung bis hin zur Rückerstattung der Vermögenswerte ­ üblicherweise ergeben.

Der erste Abschnitt (Allgemeine Bestimmungen) umschreibt in Artikel 1 den Gegenstand des Gesetzesentwurfes und legt den Geltungsbereich fest. Artikel 2 enthält Legaldefinitionen der wichtigsten Begriffe, um den Ermessensspielraum der rechtsanwendenden Behörden zu umreissen. Zunächst werden die Personen definiert, die von Sperrungen, Einziehungen und Rückerstattungen von Vermögenswerten betroffen sein können. Es handelt sich dabei um PEP sowie ihnen nahestehende Personen. Sodann wird der Begriff Vermögenswerte erläutert.

5290

Der zweite Abschnitt regelt die Sperrung von Vermögenswerten. Entsprechend der geltenden Rechtslage sieht der Gesetzesentwurf zwei Arten von Sperrungsmassnahmen vor, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten und mit verschiedener Zielsetzung erfolgen können. Der zweite Abschnitt enthält zudem Bestimmungen für den Vollzug von Vermögenssperrungen. Diese umfassen insbesondere die Dauer der Sperrungsmassnahmen, Melde- und Auskunftspflichten sowie Grundsätze für die Verwaltung der gesperrten Vermögenswerte. Weiter wird die Möglichkeit einer gütlichen Einigung für eine Rückerstattung der Vermögenswerte vorgesehen.

Der dritte Abschnitt legt fest, mit welchen Massnahmen die Schweiz den Herkunftsstaat in seinen Bemühungen um Rückerstattung von unrechtmässig erworbenen Vermögenswerten unterstützen kann. Es handelt sich dabei weitgehend um eine Kodifikation der in den letzten Jahren entwickelten Praxis. Der Abschnitt wird durch eine Bestimmung ergänzt, die es den Schweizer Behörden künftig erlauben soll, gemäss den im Geldwäschereigesetz festgelegten Kriterien Informationen über die gesperrten Vermögenswerte an den Herkunftsstaat weiterzugeben. Diese Informationen dürfen vom Herkunftsstaat ausschliesslich für das Stellen oder das Ergänzen eines Rechtshilfeersuchens an die Schweiz verwendet werden.

Der vierte und der fünfte Abschnitt regeln die verwaltungsrechtliche Einziehung von Vermögenswerten im Rahmen eines Gerichtsverfahrens in der Schweiz und legen fest, nach welchen Grundsätzen die Rückerstattung gesperrter oder eingezogener Vermögenswerte an den Herkunftsstaat erfolgen kann. Es handelt sich dabei in erster Linie um die Überführung der materiellen Bestimmungen des RuVG in die neue Gesetzesvorlage.

Der sechste Abschnitt enthält Bestimmungen zum Rechtsschutz. Die Abschnitte sieben und acht enthalten Artikel zur Zusammenarbeit von Behörden, zur Bearbeitung von Personendaten sowie Strafbestimmungen. Der neunte Abschnitt enthält die Schlussbestimmungen.

2.2

Koordination mit anderen Rechtsetzungsprojekten

Der Gesetzesentwurf enthält in Artikel 2 Definitionen der Begriffe «ausländische politisch exponierte Personen» und «nahestehende Personen». Sofern nicht anders angegeben, bezeichnet die in dieser Botschaft verwendete Abkürzung PEP daher «ausländische politisch exponierte Personen». Aus den weiter unten ausgeführten Gründen (vgl. Erläuterungen zu Art. 2) wurde beschlossen, diese Definitionen denjenigen anzupassen, die de lege ferenda im Entwurf des Bundesgesetzes zur Umsetzung der 2012 revidierten Empfehlungen der GAFI enthalten sind. Dieser Gesetzesentwurf, den der Bundesrat am 13. Dezember 2013 angenommen hat31, enthält einen neuen Artikel 2a im GwG, in dem die Begriffe «politisch exponierte Personen» und «nahestehende Personen» definiert werden. Es ist daher wichtig, bei der Behandlung in der Bundesversammlung eine vollständige Koordination beider Gesetzgebungsvorlagen zu gewährleisten, damit diese Begriffe jeweils die gleiche Bedeutung haben. Dies würde die Anwendung der Gesetze in der Praxis erheblich erleichtern.

31

BBl 2014 605

5291

2.3

Kommentar zu den einzelnen Gesetzesbestimmungen

2.3.1

Erster Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen

Art. 1

Gegenstand

Dieser Artikel hält den Zweck und den Anwendungsbereich des Gesetzesentwurfes in deklaratorischer Weise fest. Das neue Gesetz soll regeln, unter welchen Voraussetzungen der Bund Massnahmen treffen kann, um in der Schweiz liegende Gelder von Potentatinnen und Potentaten und ihnen nahestehenden Personen sicherzustellen und ihre Rückerstattung an den Herkunftsstaat zu erleichtern. Es handelt sich dabei um Vermögenswerte von PEP oder ihnen nahestehenden Personen, die vermutlich durch Korruption, ungetreue Geschäftsbesorgung oder andere Verbrechen erworben wurden. Die Aufzählung ist bewusst nicht abschliessend. Das Gesetz und die darin vorgesehenen Massnahmen zielen also nur auf Vermögenswerte von PEP, bei denen der Verdacht besteht, dass sie aus der Begehung von Verbrechen stammen. Dies entspricht der bisherigen Praxis des Bundes und soll in Artikel 1 zum Ausdruck gebracht werden. Gemäss schweizerischem Recht sind Verbrechen Taten, die mit einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren bedroht sind (Art. 10 Abs. 2 StGB).

Die nachfolgenden Gesetzesartikel bringen im Sinne von Kann-Bestimmungen explizit zum Ausdruck, dass es im Ermessen des Bundes liegt, ob und in welchem Umfang er tätig werden will. Er entscheidet im Einzelfall, welches Handeln am besten geeignet ist, um die Interessen der Schweiz zu wahren. Dabei geht es einerseits um den Schutz der Reputation des Schweizer Finanzplatzes und die bilateralen Beziehungen zu anderen Staaten, insbesondere den Herkunftsstaaten von Potentatengeldern. Zur Wahrung der Schweizer Interessen im Sinne des Gesetzesentwurfs gehört aber auch der Einsatz zugunsten von Werten und verfassungsmässig verankerten Zielen wie der Linderung von Not und Armut in der Welt. Internationale Studien und Analysen zeigen, dass die Korruption von PEP und die damit zusammenhängenden illegalen Vermögensabflüsse für viele Entwicklungs- und Schwellenländer ein erhebliches Hindernis auf dem Weg zu einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung darstellen. Ganz grundsätzlich hat die Schweiz ein Interesse daran, dass Machthaberinnen und Machthaber rechtstaatlich handeln und nach rechtstaatlichen Massstäben für unrechtsmässiges Verhalten verantwortlich gemacht werden.

Aufgrund mehrerer Anfragen in der Vernehmlassung wurde Artikel 1 geringfügig umformuliert. Er macht nun deutlicher, dass
die unrechtmässige Herkunft der Vermögenswerte nicht von der vorgängigen Feststellung eines Verschuldens der PEP, in deren Besitz sie sich befinden, abhängt. Die Anwendung dieses Gesetzes setzt weder eine strafrechtliche Verurteilung der betreffenden PEP oder der ihm nahestehenden Personen, noch die Vorlage von Beweisen voraus. Der Verdacht der Herkunft der Vermögenswerte aus einem Verbrechen reicht.

Art. 2

Begriffe

Der Artikel enthält zunächst die gesetzliche Definition der Personen, die von Sperrungen, Einziehungen und Rückerstattungen von Vermögenswerten gemäss vorliegendem Gesetzesentwurf betroffen sein können. Es handelt sich dabei um ausländische PEP und ihnen nahestehende Personen.

5292

Gemäss Buchstabe a handelt es sich bei ausländischen politisch exponierten Personen um Personen, die im Ausland mit führenden öffentlichen Funktionen betraut sind oder waren. Es handelt sich dabei stets um natürliche Personen. Deren mögliche Funktionen werden in exemplarischer Weise aufgeführt. Auch nach der Beendigung ihres öffentlichen Amtes gelten solche Personen weiterhin als politisch exponiert.

Dies steht im Einklang mit den Empfehlungen der Weltbank32. Der Entwurf verzichtet deswegen auf eine zeitliche Begrenzung der Eigenschaft der PEP, denn dies würde die Anwendung in der Praxis erschweren und hätte zur Folge, dass sich der hier verwendete Begriff der PEP nicht mehr deckt mit dem Begriff der PEP, wie er in den revidierten GAFI-Empfehlungen verwendet wird (vgl. nachstehend die Erläuterungen zum Gesetzesentwurf für ein Bundesgesetz zur Umsetzung der 2012 revidierten Empfehlungen der GAFI zur Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung).

Der Begriff der «nahestehenden Personen» ist in Buchstabe b umschrieben. Es handelt sich dabei um natürliche Personen, die den in Buchstabe a aufgeführten Personen aus familiären, persönlichen oder geschäftlichen Gründen erkennbar nahestehen. Diesen Personenkreis ebenfalls zu erfassen ist notwendig, weil damit auch Übertragungen von Vermögenswerten innerhalb der engeren und weiteren Familie und des beruflichen Beziehungsnetzes einer PEP abgedeckt werden können33. Derartige Konstellationen sind in der Praxis weit verbreitet.

Im Interesse der Verwendung von einheitlichen Begriffen in der Schweizer Rechtsordnung entsprechen beide Definitionen nunmehr der Vorlage betreffend Umsetzung der 2012 revidierten Empfehlungen der GAFI zur Bekämpfung der Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung. Der Bundesrat hat die entsprechende Botschaft am 13. Dezember 2013 verabschiedet und an das Parlament überwiesen34.

Dieses Gesetz wird einen neuen Artikel 2a in das GwG einfügen, dereine Definition der ausländischen PEP (Art. 2a Abs. 1 Bst. a), eine Definition der PEP in der Schweiz (Art. 2a Abs. 1 Bst. b) und eine Definition der PEP in zwischenstaatlichen Organisationen (Art. 2a Abs. 1 Bst. c) enthält. Vom Geltungsbereich des Gesetzesentwurfs sind hingegen ausschliesslich PEP im Ausland im Sinne der Terminologie des neuen Artikel 2a GwG erfasst. Der
Gesetzesentwurf gilt mithin weder für PEP in der Schweiz noch für PEP in zwischenstaatlichen Organisationen. Der Bundesrat verzichtete bewusst darauf, die aktuell geltende Definition der PEP und der ihnen nahestehenden Personen aus den heute geltenden Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäscherei (Art. 2 Abs. 1 Bst. a der Geldwäschereiverordnung-FINMA vom 8. Dezember 201035 [(GwV-FINMA]) zu übernehmen, um den laufenden Gesetzgebungsarbeiten im Rahmen der GAFI-Vorlage Rechnung zu tragen.

Aus ähnlichen Gründen und trotz zahlreicher Anträge im Vernehmlassungsverfahren wurden auch juristische Personen nicht in die Definition der «nahestehenden Personen» einbezogen. Folglich beschränkt sich die Definition der «nahestehenden Personen» in Artikel 2 Buchstabe b des Gesetzesentwurfs auf natürliche Personen und 32

33

34 35

Politically Exposed Persons, A Policy Paper on Strengthening Preventive Measures, Th.S. Greenberg, L. Gray, D. Schantz, M. Latham, C. Gardner, The World Bank, StAR, UNODC, 2009, S. 31­32.

Vgl. dazu auch die Ausführungen in der Botschaft vom 28. April 2010 zum Bundesgesetz über die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte politisch exponierter Personen, BBl 2010 3332.

BBl 2014 605 SR 955.033.0

5293

unterscheidet sich damit sowohl von Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer 2 GwVFINMA als auch von Artikel 2 Buchstabe b Ziffer 2 RuVG. Auch hier wurde unter Berücksichtigung der parallelen Rechtsetzungsarbeiten eine Vereinheitlichung der Terminologie angestrebt. Zwar hindert die Schweiz grundsätzlich nichts daran, weitergehende Vorschriften vorzusehen, indem sie auch weiterhin juristische Personen in die Definition der nahestehenden Personen einbezieht. Dies hätte jedoch den Nachteil, dass die Schweiz eine von den GAFI-Empfehlungen abweichende Terminologie verwenden würde. Die durch das neue Gesetz über die Umsetzung der revidierten Empfehlungen der GAFI eingeführte Stärkung der Regeln der Transparenz, insbesondere hinsichtlich der Identifizierung der oder des wirtschaftlich Berechtigten, dürfte die Tatsache, dass juristische Personen nicht mehr von der Definition der nahestehenden Personen erfasst werden, weitgehend kompensieren.

Denn erfahrungsgemäss üben PEP oder ihnen nahestehende natürliche Personen bisweilen die Kontrolle über Vermögenswerte aus, die formell im Eigentum einer juristischen Person stehen. Die Verwendung von juristischen Personen und Hilfskonstruktionen zur Verschleierung der tatsächlichen Verfügungsmacht über verdächtige Vermögenswerte ist ein Phänomen, das international immer mehr Beachtung erfährt36. Derartige Vermögenswerte müssen konsequenterweise ebenfalls unter den Geltungsbereich des vorliegenden Erlasses fallen, da sonst Ziel und Zweck des Gesetzesentwurfes vereitelt werden (vgl. hierzu die Erläuterungen zu Art. 3 des Gesetzesentwurfes). Der Gesetzesentwurf sieht deshalb an verschiedenen Stellen entsprechende Ergänzungen vor (vgl. Art. 3 Abs. 1 Bst. c und 4 Abs. 1 Bst. c). Diese knüpfen am Kriterium der wirtschaftlichen Berechtigung an und präzisieren, dass gewisse Bestimmungen des vorliegenden Erlasses auch Vermögenswerte von juristischen Personen umfassen.

Im Rahmen der Gesetzgebungsarbeiten hat sich die Frage nach der Behandlung von sogenannten Staatsfonds gestellt. Es handelt sich dabei um staatliche oder staatlich kontrollierte Investitionsfonds, die vermehrt als aktive Direktinvestoren im Ausland erscheinen37. Staatsfonds werfen spezifische Risiken auf, deren Entwicklungen der Bundesrat bereits im Januar 2008 aufmerksam zu beobachten begann38. Grundsätzlich
bleibt der Zugang ausländischen Kapitals in der Schweiz frei; eine vorgängige Bewilligungspflicht für Anlagetätigkeiten ausländischer Staatsfonds in der Schweiz wurde bis anhin abgelehnt. Die Problematik der Sperrung von Staatsfonds unterscheidet sich grundsätzlich von derjenigen von Vermögenswerten der individuellen PEP. Während im Falle der Individuen eine Klärung auf dem Rechtshilfeweg anzustreben ist, muss die Herkunft der Gelder eines Staatsfonds nicht auf dem Rechtshilfeweg geklärt werden. Staatsfonds befinden sich im Eigentum eines Staates und nicht von Individuen. Ein Regierungswechsel ändert an den Eigentumsverhältnissen nichts; lediglich die Verfügungsmacht an den Vermögenswerten geht auf die neue Regierung über.

36

37

38

Siehe z. B. die Studie der Weltbank «The Puppet Masters ­ How the Corrupt Use Legal Structures to Hide Stolen Assets and What to do about it», http://issuu.com/world.bank.publications/docs/9780821388945?mode=embed&layout= http://skin.issuu.com/v/light/layout.xml&showFlipBtn=true.

Der Internationale Währungsfonds definiert Staatsfonds (sovereign wealth funds ­ SWF) als «special investment funds created or owned by governments to hold foreign assets for long-term purposes» (s. Annex 1.2. Sovereign Wealth Funds, IMF Global Financial Stability Report, September 2007).

Vgl. Pressemitteilung des SECO vom 30.1.2008: Aktive Beobachtung ausländischer Staatsfonds, www.news.admin.ch/message/index.html?lang=de&msg-id=17035.

5294

Der Staatsfonds selber wird kaum je Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungen und entsprechender Rechtshilfeersuchen sein. Allfällige Ermittlungen können sich allenfalls auf Vermögensbestandteile eines Staatsfonds beziehen, welche die PEP abgezogen und sich unrechtmässig angeeignet hat. Es sind aber auch andere Konstellationen denkbar. Der Sicherungsgedanke kann die Sperrung eines Staatsfonds etwa dann notwendig machen, wenn nicht eindeutig feststeht, ob gestürzte Regierungsmitglieder allenfalls weiterhin die Verfügungsmacht über dessen Vermögenswerte innehaben. So hat sich im Falle von Libyen gezeigt, dass nach Ghaddafis Sturz nicht ausgeschlossen werden konnte, dass dieser noch persönlich Zugriff auf die Vermögenswerte des Staatsfonds hatte. Der Bundesrat soll deshalb die Möglichkeit haben, in Ausnahmefällen auch einen Staatsfonds mit einer Sperrungsmassnahme erfassen zu können. Die Bestimmungen betreffend Vermögenswerte von juristischen Personen stellen sicher, dass diese Möglichkeit gewährleistet ist. Ein Staatsfonds soll solange gesperrt bleiben können, bis sichergestellt ist, dass nur die neue Regierung Zugriff auf die Vermögenswerte hat.

Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass zur Wahrung wichtiger schweizerischer Interessen die Freigabe gesperrter Vermögenswerte bewilligt werden kann (Art. 9). Damit besteht die Möglichkeit, allfällig gesperrte Staatsfonds zu deblockieren, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. Zu denken ist etwa an Situationen, in denen mit der Sperrung eines Staatsfonds der Lebensnerv einer neuen Regierung abgeschnürt zu werden droht. Eine derartige Entwicklung liefe den Interessen der Schweiz zuwider.

Vorstellbar sind aber auch Situationen, in denen aufgrund der Entwicklungen seit der Anordnung der Sperrung jeder Zugriff früherer Regierungsmitglieder nunmehr ausgeschlossen werden kann. In einem solchen Fall besteht die Möglichkeit, gemäss Artikel 5 Absatz 2 vorzugehen, da die Sperrungsvoraussetzungen nicht mehr gegeben sind.

Artikel 2 Buchstabe c enthält eine Definition, die im Vorentwurf nicht enthalten war. Bei der Vernehmlassung wiesen zahlreiche Teilnehmende darauf hin, dass der Entwurf zu viele unbestimmte Rechtsbegriffe enthielt, die den rechtsanwendenden Behörden einen zu grossen Ermessensspielraum einräumen würden. Es wurde daher mehrfach vorgeschlagen, den
Ermessensspielraum des Bundesrates und des EDA namentlich durch die Aufnahme weiterer Definitionen in das Gesetz einzugrenzen.

Aus diesem Grund enthält der Entwurf nunmehr Definitionen der Begriffe «Vermögenswerte» (Art. 2 Bst. c) und «ausserordentlich starker Vermögensanstieg» (Art. 15 Abs. 2) und hält ausdrücklich fest, dass Vermögenswerte juristischer Personen Gegenstand einer Sperrung sein können (Art. 3 Abs. 1 Bst. c und 4 Abs. 1 Bst. c).

Damit hat der Bundesrat die in der Vernehmlassung zum Ausdruck gekommenen Bedenken berücksichtigt und sich dennoch einen Ermessensspielraum bewahrt, der unerlässlich ist, um im Einzelfall die Interessen der Schweiz zu wahren.

Nach der Definition in Artikel 2 Buchstabe c handelt es sich bei «Vermögenswerten» um jede Art von materiellen oder immateriellen, beweglichen oder unbeweglichen Gütern.

Die Vernehmlassungsvorlage verzichtete bewusst auf eine Definition der Vermögenswerte. Auch das RuVG sieht keine solche Begriffsdefinition vor. Angesichts der Stellungnahmen in der Vernehmlassung wurde dennoch beschlossen, diesen Begriff zu definieren und damit die Rechtssicherheit zu erhöhen.

Gemäss StGB, insbesondere Artikel 70 und 72, sind unter dem Begriff der Vermögenswerte alle wirtschaftlichen Vorteile zu verstehen, die der Einziehung unterlie5295

gen können. Gemäss dem Gesetzesentwurf umfasst der Begriff der Vermögenswerte sämtliche in der Schweiz gelegenen und der Verfügungsmacht der PEP oder ihr nahestehender Personen unterliegenden Güter, also sowohl materielle Güter als auch immaterielle Werte wie etwa Bankkonten.

Was unter den Begriffen «Gelder» und «wirtschaftliche Ressourcen» zu verstehen ist, wird durch Artikel 2 der Verordnungen des Bundesrates über Massnahmen gegen gewisse Personen aus der Arabischen Republik Ägypten39 (nachfolgend: Ägypten-Verordnung), aus Tunesien40 (nachfolgend: Tunesien-Verordnung) und aus der Ukraine41 (nachfolgend: Ukraine-Verordnung) veranschaulicht: finanzielle Vermögenswerte, einschliesslich Bargeld, Schecks, Geldforderungen, Wechsel, Geldanweisungen oder andere Zahlungsmittel, Guthaben, Schulden und Schuldenverpflichtungen, Wertpapiere und Schuldtitel, Wertpapierzertifikate, Obligationen, Schuldscheine, Optionsscheine, Pfandbriefe, Derivate; Zinserträge, Dividenden oder andere Einkünfte oder Wertzuwächse aus Vermögenswerten; Kredite, Rechte auf Verrechnung, Bürgschaften, Vertragserfüllungsgarantien oder andere finanzielle Zusagen; Akkreditive, Konnossemente, Sicherungsübereignungen, Dokumente zur Verbriefung von Anteilen an Fondsvermögen oder anderen Finanzressourcen und jedes andere Finanzierungsinstrument für Exporte; Vermögenswerte jeglicher Art, unabhängig davon, ob sie materiell oder immateriell, beweglich oder unbeweglich sind, insbesondere Immobilien und Luxusgüter. Aus diesen Elementen besteht die nicht abschliessende Liste der «Vermögenswerte» im Sinne des Gesetzesentwurfs.

2.3.2

Zweiter Abschnitt: Sperrung von Vermögenswerten

Der Gesetzesentwurf sieht zwei Arten von Sperrungen vor, die in der Regel in unterschiedlichen Stadien eines Potentatengelderfalles angeordnet werden und die zudem unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen. Dementsprechend sind auch die Voraussetzungen, unter denen eine Sperrung angeordnet werden kann, unterschiedlich.

Eine Sperrung von Vermögenswerten zur Unterstützung einer allfälligen Rechtshilfezusammenarbeit nach Artikel 3 erfolgt in der Regel ganz zu Beginn, d. h. nach einem politischen Umsturz im Herkunftsstaat oder wenn ein solcher unmittelbar bevorsteht. Zweck einer derartigen Sperrung ist die umgehende Sicherung der Vermögenswerte, damit diese nicht aus der Schweiz abgezogen werden können. Eine solche Sicherungssperrung erfolgte bisher gestützt auf Artikel 184 Absatz 3 BV.

Wenn die Rechtshilfe aufgrund versagender staatlicher Strukturen im Herkunftsstaat gescheitert ist, kann der Bundesrat in Anwendung von Artikel 4 eine Vermögensperrung anordnen. Eine derartige Sperrung erfolgt im Hinblick darauf, die spätere Einziehung unrechtmässig erlangter Vermögenswerte in einem Verwaltungsjustizverfahren in der Schweiz zu ermöglichen, damit diese an den Herkunftsstaat zurückgegeben werden können. Eine entsprechende Rechtsgrundlage wurde bereits 2011 mit dem RuVG geschaffen. Die materiellen Bestimmungen des RuVG werden weitgehend in den vorliegenden Gesetzesentwurf überführt. Gleichzeitig wird in

39 40 41

SR 946.231.132.1 SR 946.231.175.8 SR 946.231.176.7

5296

Artikel 4 vorgesehen, die heute schon bestehenden Möglichkeiten zur Sperrung und Einziehung solcher Vermögenswerte in eng umrissenem Umfang zu erweitern.

Art. 3

Sperrung im Hinblick auf eine Rechtshilfezusammenarbeit

Dieser Artikel regelt die verwaltungsrechtliche Sperrung von Vermögenswerten unmittelbar vor oder gleich nach einem politischen Umsturz mit dem im Absatz 1 genannten Ziel, eine allfällige Rechtshilfezusammenarbeit mit dem Herkunftsstaat zu unterstützen. Es handelt sich dabei um eine vorsorgliche Massnahme, welche die Aufnahme von Rechtshilfebeziehungen zwischen der Schweiz und dem Herkunftsstaat erleichtern soll. Eine solche Sperrungsanordnung betrifft normalerweise einen sehr grossen Adressatenkreis (sämtliche Finanzintermediäre, Institutionen und weitere juristische und natürliche Personen, die Vermögenswerte der von der Sperrung betroffenen Personen halten; vgl. diesbezüglich die Erläuterungen zu Art. 7 Abs. 1) bzw. eine nicht näher definierte Anzahl von Vermögenswerten. Deshalb wird diese Art der Sperrung in der Regel in Form einer Verordnung erlassen. Eine Namensliste im Anhang zur Verordnung führt diejenigen PEP auf, deren Vermögenswerte von der Sperrung betroffen sind (vgl. Art. 5).

In der Vergangenheit hat der Bundesrat mehrmals vorsorgliche Vermögenssperrungen (d. h. Sperrungen zu Sicherungszwecken) angeordnet; letztmals geschah dies nach der Amtsenthebung des Präsidenten der Ukraine im Februar 2014. Zu Jahresbeginn 2011, hatte der Bundesrat im Zug der Ereignisse des Arabischen Frühlings vorsorgliche Sperrungen der Vermögenswerte von Ben Ali (Tunesien) und von Mubarak (Ägypten) angeordnet. Die rasche Sperrung von Vermögenswerten zweifelhafter Herkunft verhindert, dass diese aus der Schweiz abgezogen werden.

Dadurch verfügt der Herkunftsstaat über die notwendige Zeit, um strafrechtliche Ermittlungen einleiten und Rechtshilfeersuchen an die Schweiz stellen zu können. In der Regel steht der Vorwurf der Korruption oder ähnlicher Verbrechen im Zentrum der Ermittlungen im Herkunftsstaat.

Die Anordnung einer Sperrung nach Artikel 3 liegt im Ermessen des Bundesrats (Kann-Bestimmung). Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass ein derartiger Entscheid immer im Gesamtkontext der Wahrung der aussenpolitischen Interessen der Schweiz zu fällen ist. Die bisherige Praxis zeigt, dass der Bundesrat Vermögenssperrungen zu Sicherungszwecken nur im Zusammenhang mit sehr bedeutenden politischen Umwälzungen im Herkunftsstaat angeordnet hat (z. B. Sturz von Ferdinand Marcos auf den Philippinen 1986 sowie Tunesien,
Ägypten, Libyen und Côte d'Ivoire Anfang 2011, Entmachtung von Präsident Janukowitsch in der Ukraine 2014). Diese zurückhaltende Praxis soll auf der Grundlage der neuen gesetzlichen Bestimmungen weiter geführt werden. Auch den jeweiligen Umständen im Herkunftsland ist Rechnung zu tragen. Der Bundesrat muss in seiner Beurteilung zum Schluss kommen, dass Aussichten zur Rechtshilfezusammenarbeit bestehen und der entsprechende politische Wille im Herkunftsstaat vorhanden ist. Dies wird allgemein nicht der Fall sein, wenn das herrschende Regime an der Macht festhält. In einer solchen Situation wird es nicht zu einem Rechtshilfeersuchen an die Schweiz kommen, weshalb es keinen Sinn machen würde, die Vermögenswerte eines solchen Regimes vorsorglich zu sperren (vgl. die Erläuterungen zu Abs. 2 unten).

Der Bundesrat trägt den Besonderheiten einer postrevolutionären Umbruchsituation Rechnung, die sich auch auf das Funktionieren der Justiz und der staatlichen Institutionen allgemein auswirken können. Die Sperrung kann nebst Vermögenswerten von 5297

natürlichen Personen auch solche von juristischen Personen erfassen und hängt von der Erfüllung gewisser Voraussetzungen ab. Diese werden neu explizit auf Gesetzesstufe geregelt. Dadurch wird die Rechtssicherheit gestärkt sowie die Voraussehbarkeit der bundesrätlichen Politik erhöht. Trotz einiger im Vernehmlassungsverfahren formulierter Anliegen wurde die Kann-Bestimmung, die dem Bundesrat bei der Entscheidung für oder gegen die Anordnung einer vorsorglichen Sperrung einen grossen Ermessensspielraum lässt, beibehalten: Die Tatsache, dass die in Artikel 3 genannten Voraussetzungen alle erfüllt sind, verpflichtet den Bundesrat nicht zu einer Sperrung der Vermögenswerte. In Absatz 1 wurde jedoch vor der Aufzählung der Voraussetzungen eine Anpassung vorgenommen: Das Adjektiv «allfällige» wurde eingefügt, um hervorzuheben, dass schon die Möglichkeit einer künftigen Rechtshilfezusammenarbeit ausreichend ist. Es ist daher in diesem Stadium nicht notwendig davon auszugehen, dass eine solche Zusammenarbeit fast sicher oder sogar sicher ist.

Gemäss Absatz 1 kann eine Sperrung nur für Vermögenswerte erfolgen, die der Verfügungsmacht von PEP oder ihnen nahestehenden Personen unterliegen (Bst. a), sowie für Vermögenswerte, an denen diese Personen wirtschaftlich berechtigt sind (Bst. b); zudem können mit einer Sperrung Vermögenswerte belegt werden, die einer juristischen Person gehören, sofern die PEP oder die ihr nahestehenden Personen Verfügungsmacht darüber ausüben oder wirtschaftlich daran berechtigt sind (Bst. c, Ziff. 1 und 2). Beim Begriff der Verfügungsmacht wird die gleiche Definition zugrunde gelegt, die bereits im RuVG besteht. Demnach hat die «Verfügungsmacht» die gleiche Bedeutung wie in den Bestimmungen des StGB zur Einziehung von Vermögenswerten einer kriminellen Organisation; zudem ist sie eng verwandt mit dem Begriff der «Gewalt über die Sache», worunter der Wille zu verstehen ist, eine Sache unter den effektiv gegebenen Möglichkeiten zu besitzen42. Dies trifft zum Beispiel auf die wirtschaftlich berechtigte Person im Sinne des GwG zu, die in irgend einer Form (z. B. durch Vollmacht, einen Trust, aber auch durch einen Strohmann) Zugang zu einem Bankkonto hat, das nicht auf sie selber lautet, und zwar auch dann, wenn sie ihre Verfügungsmacht nur mittelbar ausübt. In diesem Sinne ist der Begriff
der Verfügungsmacht weit zu verstehen; es sollen alle möglichen Verbindungen einer Person zu den in Frage stehenden Vermögenswerten abgedeckt werden, auch jene juristischer Personen.

Alle drei Hypothesen nach Absatz 1 (Bst. a­c) sind von praktischer Relevanz und tragen der komplexen Lage Rechnung, die dadurch entsteht, dass die PEP häufig auf verschiedene Sitzgesellschaften zurückgreifen und undurchsichtige Strukturen nutzen. Eine Sperrung der in der Schweiz angelegten Guthaben einer im Ausland registrierten Gesellschaft kann etwa gerechtfertigt sein, wenn der Mehrheitsaktionär namentlich auf der vom Bundesrat verabschiedeten Liste geführt ist. Selbst wenn eine Person nur Minderheitsaktionär, infolge der Aktionärsstruktur de facto aber in der Lage ist, die Gesellschaft zu kontrollieren, insbesondere wenn es sich bei anderen Aktionärinnen und Aktionären um nahestehende Personen handelt, ist eine Sperrung gerechtfertigt. Dies gilt auch für andere, nicht im Schweizer Recht vorgesehene Strukturen, beispielsweise Trusts, wenn eine auf der Liste geführte Person Begünstigte der Guthaben dieser Strukturen ist, unter der Voraussetzung, dass diese Guthaben in der Schweiz angelegt sind. Was nahestehende Personen betrifft, so lässt sich zusammenfassend Folgendes festhalten: Entweder diese werden selbst auf der 42

So auch in Artikel 72 StGB und dazugehöriger Botschaft BBl 1993 III 277 317.

5298

vom Bundesrat verabschiedeten Liste geführt ­ dann wird nach denselben Kriterien bestimmt, ob ihre Vermögenswerte unter eine Sperrung fallen ­ oder sie stehen nicht auf der Liste des Bundesrats ­ dann ist durch Prüfung der Umstände des konkreten Falls zu bestimmen, ob die ihnen formal gehörenden Vermögenswerte als von der PEP kontrolliert anzusehen sind. Ohne konkrete Indizien kann beispielsweise nicht davon ausgegangen werden, dass die Guthaben des Gatten einer PEP automatisch der Kontrolle der PEP unterliegen; dagegen kann man davon ausgehen, dass eine PEP über die Verfügungsmacht über die Guthaben ihrer minderjährigen Kinder verfügt, und diese daher mit einer Sperrung belegen.

Folgende Voraussetzungen müssen nach Artikel 3 Absatz 2 kumulativ für eine solche Sperrung zu Sicherungszwecken erfüllt sein: Gemäss Buchstabe a muss im Herkunftsstaat ein Machtverlust der Regierung oder einzelner Regierungsmitglieder eingetreten sein oder unmittelbar bevorstehen. Um einen Abzug von Vermögenswerten vom Schweizer Finanzplatz verhindern zu können, spielt der Zeitfaktor eine zentrale Rolle. Wie in seiner bisherigen Praxis muss der Bundesrat auch in Zukunft in der Lage sein, möglichst rasch auf derartige Entwicklungen reagieren zu können. Dies wird im Normalfall nach Eintritt des Machtverlustes geschehen. Der Erlassentwurf sieht jedoch ausdrücklich vor, dass eine Sperrung auch angeordnet werden kann, wenn ein Machtverlust einer Regierung unmittelbar bevorsteht. Dadurch können unübersichtliche Situationen abgedeckt werden, in denen die neue Macht während eines Zeitraums von höchstens einigen Tagen ihr Amt noch nicht förmlich angetreten hat, die Mitglieder der scheidenden Regierung aber offensichtlich nur unter grossen Schwierigkeiten in der Lage sind, die Macht weiter auszuüben. Eine derartige Ungewissheit darf kein Hinderungsgrund für die Verhängung einer möglichen vorsorglichen Sperrung durch den Bundesrat sein, denn gerade in dieser Phase kann ein Handeln entscheidend sein.

Machtverlust bedeutet in der Regel, dass eine Regierung in nicht verfassungsmässiger Weise gestürzt wird. Erfahrungsgemäss wird in autokratisch regierten Staaten kein Strafverfahren gegen ein Regierungsmitglied oder ihm nahestehende Personen eröffnet, solange dieses noch an der Macht ist. Unter diesen Umständen ist auch kaum mit einem
Rechtshilfeersuchen an die Schweiz zu rechnen. Solange PEP ein Amt ausüben, besteht für sie häufig eine damit verbundene Immunität. Soweit es sich dabei um völkerrechtlich geschützte Immunitäten handelt, würde die Anordnung einer Vermögenssperrung also nicht nur im Herkunftsstaat, sondern auch in der Schweiz auf rechtliche Schranken stossen. Eine Sperrung ist deshalb frühestens dann sinnvoll, wenn sich ein Machtwechsel als unaufhaltsam abzeichnet. Der Bundesrat muss die Umstände des konkreten Einzelfalls ausreichend berücksichtigen können. Zwar wünschten einige Teilnehmende des Vernehmlassungsverfahrens eine Ausweitung der vorsorglichen Sperrung auf Situationen, in denen ein Machtwechsel nicht unmittelbar bevorsteht, doch eine solche Ausweitung wurde nicht in die Vorlage aufgenommen. Dies würde deutlich über die derzeitige Praxis hinausgehen und erhebliche rechtliche wie politische Schwierigkeiten bereiten.

Gemäss Buchstabe b muss der Korruptionsgrad im Herkunftsstaat notorisch hoch sein. Diese Formulierung findet sich in Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe b und stellt dort eines der Kriterien für die Vermutung des unrechtmässigen Erwerbs von Vermögenswerten dar.

Buchstabe c postuliert dass die Vermögenswerte vermutlich durch Korruption, ungetreue Geschäftsbesorgung oder andere Verbrechen erworben wurden. Nach der 5299

Vernehmlassung ist Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe c nach dem Muster von Artikel 1 geringfügig umformuliert worden. Nun ist klarer zu erkennen, dass die Feststellung der Unrechtmässigkeit der Herkunft der Vermögenswerte keiner vorgängigen Verurteilung der PEP bedarf, die die Vermögenswerte hält. Dem Sicherungszweck der Sperrung entsprechend, braucht die tatsächliche Schuld der betroffenen Person bzw.

die unrechtmässige Herkunft der von ihr gehaltenen Vermögenswerte rechtlich nicht festzustehen, um mit einer Sperrung erste sichernde Massnahmen nach dem vorliegenden Gesetzesentwurf treffen zu können. Was die möglichen Straftatbestände betrifft, so kann es sich nebst aktiver oder passiver Korruption auch um andere Straftaten wie etwa im Fall Abacha (Nigeria) handeln.

Nach Buchstabe d muss die Wahrung der Schweizer Interessen die Sperrung erfordern. Es handelt sich im Allgemeinen um das Interesse der Schweiz, die bilateralen Beziehungen zu dem betreffenden Land nicht zu gefährden oder die Reputation der Schweiz zu schützen. Der Wortlaut «Die Wahrung der Schweizer Interessen erfordert die Sperrung» mag zwar einschränkend erscheinen, doch er ist wörtlich aus Artikel 184 Absatz 3 BV entnommen und entspricht durchaus der bisherigen restriktiven Praxis des Bundesrates. In Einzelfällen aber mögen politische Überlegungen gegen eine Sperrung sprechen. Entscheidend ist der Gesamtkontext der aussenpolitischen, menschenrechtspolitischen, wirtschaftspolitischen und anderer Schweizer Interessen. In der Vernehmlassung formulierten NGOs verschiedene Vorschläge, die darauf abzielten, das Kriterium der Wahrung von Schweizer Interessen als Voraussetzung einer Sperrung stark einzuschränken oder zu streichen. Der Bundesrat verzichtete jedoch darauf, diese Vorschläge aufzugreifen, weil sie bei der Anordnung von Sperrungen einem gewissen Automatismus Vorschub leisten würden. Dies ist aus den oben erläuterten Gründen nicht wünschenswert.

Absatz 3 trägt dem Aspekt der internationalen Abstimmung und Koordination von Vermögenssperrungen zu Sicherungszwecken Rechnung. Die Anordnung einer solchen Sperrung und die Modalitäten ihrer Umsetzung müssen grundsätzlich mit den grossen, der Schweiz an Bedeutung gleichrangigen Finanzplätzen abgestimmt werden. Die Erfahrung zeigt, dass Vermögenswerte von PEP, die der Korruption oder anderer
Straftaten verdächtigt werden, meist nicht auf einem einzigen Finanzplatz angelegt sind. Vielmehr besteht oft ein komplexes Netz von Anlagestrukturen, Trusts, Schattengesellschaften etc., das international ausgerichtet ist und mehrere Jurisdiktionen betrifft. Eine Vermögenssperrung zu Sicherungszwecken, die sich auf einzelne Staaten beschränkt, kann vor diesem Hintergrund ihr Ziel nur beschränkt erreichen.

Der Bundesrat ist zudem darauf bedacht, ein internationales «level playing field» zu schaffen. Er will damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Schweiz fördern, insbesondere des Vermögensverwaltungsgeschäfts sowie des Investitionsplatzes Schweiz. Deshalb legt der Bundesrat Wert darauf zu vermeiden, dass die Schweiz im Alleingang und damit isoliert von Partnerländern agiert. Wenn es ihre Interessen verlangen, muss die Schweiz allerdings im Einzelfall und nach einer Gesamtabwägung unabhängig von anderen Staaten und gegebenenfalls früher als diese agieren können.

Der Bundesrat hat diesen Umständen bei seiner bisherigen Praxis Rechnung getragen, insbesondere nach der Amtsenthebung des Präsidenten der Ukraine und in der Folge der Ereignisse des Arabischen Frühlings. In den Fällen der gestürzten Präsidenten Ben Ali (Tunesien), Mubarak (Ägypten) und Ghaddafi (Libyen) hat die Schweiz zwar mit ihren Vermögenssperrungen weltweit am raschesten auf die 5300

historischen Umbrüche in Nordafrika reagiert. Der Bundesrat stellte jedoch sicher, dass die Schweiz nicht isoliert handelte. Vorgängig zum Sperrungsentscheid tätigte er deshalb entsprechende Abklärungen bei weiteren Staaten und Staatengruppen, z. B. der EU. Diese zogen in allen Fällen wenige Tage später mit eigenen Vermögenssperrungen nach. Die Sperrung der ukrainischen Guthaben wurde besonders eng mit Österreich und Liechtenstein, zwei in diesem Kontext potenziell ebenso exponierten Finanzplätzen wie die Schweiz, abgestimmt. Nach direkter Rücksprache mit Wien und Vaduz wurden daher die Listen dieser drei Länder unverzüglich miteinander abgeglichen. Nachdem die EU einige Tage später ihre Vermögenssperrungen anordnete, vervollständigte die Schweiz ihre eigene Liste und stellte damit ein Höchstmass an inhaltlicher Abstimmung mit ihren wichtigsten Partnern sicher.

Eine starke internationale Koordination bezüglich der Anordnung von Sperrungsmassnahmen zu Sicherungszwecken ist sinnvoll, da mit der Koordination die Effektivität der Massnahmen erhöht und potentielle Vermögensabflüsse auf andere vergleichbare Finanzplätze erschwert werden. Der Bundesrat wird sich auf internationaler Ebene für dieses Anliegen einsetzen. Die Erarbeitung internationaler Standards bezüglich vorgängiger Koordination von Vermögenssperrungen wird aber eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen; ob und wann solche Standards geschaffen werden, ist zurzeit noch offen.

Im Rahmen der Vernehmlassung wurden zahlreiche Kritiken aus Kreisen der Wirtschaft und der Banken laut, wonach die Schweiz in diesem Bereich aus Effizienzund Wettbewerbsgründen keinesfalls allein handeln dürfe. Um dieser Kritik Rechnung zu tragen, wurde die in Absatz 3 vorgesehene Verpflichtung zur Abklärung und Abstimmung insofern verstärkt, als sich der Bundesrat nunmehr auch über die Haltung der wichtigsten internationalen Organisationen (Institutionen der UNO, EU, usw) informieren muss, bevor er eine Sperrung anordnet. Um andererseits auch dringende Fälle zu berücksichtigen, in denen vor der Anordnung einer Sperrung keine Abklärung möglich ist, wurde eine Bestimmung eingefügt, derzufolge darauf verzichtet werden kann, wenn «Gefahr im Verzug» ist. Dieses sehr restriktive Kriterium würde es dem Bundesrat zum Beispiel ermöglichen, auch ohne vorgängige Abklärung und
Abstimmung unverzüglich eine Sperrung von Bankkonten einer PEP anzuordnen, wenn Informationen vorliegen, die darauf hinweisen, dass der Abzug von in der Schweiz deponierten Vermögenswerten unmittelbar bevorsteht. Der Begriff «wichtigste Partnerländer» umfasst neben den grossen Nachbarländern wie Deutschland oder Frankreich auch andere EU-Mitgliedstaaten sowie Länder mit wichtigen oder vergleichbaren Finanzplätzen wie Grossbritannien und die USA.

Die besondere Aufmerksamkeit des Bundesrates gilt der Notwendigkeit, im Hinblick auf die Sperrung von Potentatengeldern in Absprache mit unseren wichtigsten Partnern zu handeln. Er wird sich auf internationaler Ebene auch weiterhin für die Stärkung des «level playing field» einsetzen. Seine diesbezügliche Glaubwürdigkeit wird durch die Annahme des Gesetzesentwurfs erhöht. In diesem Zusammenhang ist zu begrüssen, dass die ersuchenden und ersuchten Staaten mit einer gewissen praktischen Erfahrung im Bereich «Asset Recovery» von der Konferenz der Vertragsstaaten des UNCAC beauftragt wurden, Leitlinien auszuarbeiten, die sich an den bewährten Verfahren («Best Practices») auf diesem Gebiet orientieren, und dass die Schweiz am 8. Lausanne-Seminar im Januar 2014 den Prozess einleitete, der zur Ausarbeitung dieser Leitlinien führen soll (vgl. oben die Erläuterungen zu Ziff. 1.1.2).

5301

Art. 4

Sperrungen im Hinblick auf eine Einziehung bei Scheitern der Rechtshilfe

Die Sperrung nach Artikel 4 unterscheidet sich wesentlich von der Sperrung nach Artikel 3. Eine vorsorgliche Sperrung nach Artikel 3 erfolgt üblicherweise ganz zu Beginn eines Potentatengelderfalls und bezweckt die erleichterte Aufnahme von Rechtshilfebeziehungen. Demgegenüber regelt Artikel 4 die Voraussetzungen, unter welchen der Bundesrat eine Vermögenssperrung im Hinblick auf eine spätere Einziehung anordnen kann. Dieser Weg wird erst beschritten, wenn sich eine Rückerstattung auf dem Rechtshilfeweg als unmöglich herausgestellt hat. Um zu vermeiden, dass die verdächtigen Gelder abfliessen können, weil die im Rahmen der Rechtshilfe angeordneten Massnahmen wegzufallen drohen, ist eine erneute Sperrung auf verwaltungsrechtlichem Weg notwendig. Nach der Anordnung dieser Sicherungsmassnahme wird die Einziehungsklage vorbereitet. Die Voraussetzungen dafür richten sich nach dem Gesetzesentwurf. Die Sperrung gemäss Artikel 4 und die anschliessende Einziehung (vgl. Art. 14­16) sind daher subsidiär zur Rechtshilfezusammenarbeit. Eine solche Sperrung wird mittels Verfügung erlassen.

Bei Artikel 4 handelt es sich im Wesentlichen um eine Überführung entsprechender Bestimmungen aus dem RuVG. Das RuVG trat am 1. Februar 2011 in Kraft. Es stellte eine Ergänzung des schweizerischen gesetzlichen Dispositivs zur «Asset Recovery» dar, die unter dem Eindruck der Erfahrungen mit den in der Schweiz gesperrten Geldern u. a. des früheren haitianischen Diktators Jean-Claude Duvalier geschaffen wurde. Im Fall Duvalier drohte die Rechtshilfe an den versagenden staatlichen Strukturen im Herkunftsland Haiti endgültig zu scheitern. Dies hätte bedeutet, dass die gesperrten Gelder hätten freigegeben werden müssen, obwohl starke Anhaltspunkte bestanden, dass sie aus Korruption und ähnlichen Delikten stammten und beiseitegeschafft worden waren. Ein derartiger Verfahrensausgang wäre höchst unbefriedigend gewesen. Als Reaktion schuf die Schweiz mit dem RuVG die Möglichkeit, mutmassliche Potentatengelder zu sperren und anschliessend in einem verwaltungsrechtlichen Verfahren vor Schweizer Gerichten einzuziehen, falls die Rechtshilfe aufgrund versagender staatlicher Strukturen im Herkunftsstaat (sogenannte «failing» oder «failed states») ergebnislos endet43.

Gemäss Artikel 4 Absatz 1 kann eine Sperrung im Hinblick auf eine spätere
Einziehung nur für Vermögenswerte erfolgen, die der Verfügungsmacht von PEP oder ihnen nahestehender Personen unterliegen (Bst. a), sowie für Vermögenswerte, an denen diese Personen wirtschaftlich berechtigt sind (Bst. b); zudem können mit einer Sperrung Vermögenswerte belegt werden, die einer juristischen Person gehören, sofern die PEP oder die ihr nahestehenden Personen die Verfügungsmacht darüber ausüben oder wirtschaftlich daran berechtigt sind (Bst. c, Ziff. 1 und 2). Dieser Absatz deckt sich mit Artikel 3 Absatz 1, sodass hier auf die Erläuterungen zu jener Bestimmung verwiesen werden kann.

Artikel 4 Absatz 2 nennt die Voraussetzungen für eine Sperrung im Hinblick auf eine spätere verwaltungsrechtliche Einziehung von Vermögenswerten. Die Kriterien entsprechen weitgehend jenen von Artikel 2 RuVG. Das Einziehungsverfahren soll zum Zug kommen, wenn die Rechtshilfezusammenarbeit an den versagenden staatlichen Strukturen im Herkunftsstaat gescheitert ist. In der Vernehmlassung haben 43

Vgl. dazu Botschaft vom 28. April 2010 zum Bundesgesetz über die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte politisch exponierter Personen, BBl 2010 3309.

5302

einige Teilnehmende vorgeschlagen, den Geltungsbereich der Sperrung in Artikel 4 Absatz 2 auszuweiten, um auch Fälle abzudecken, in denen es nicht zu einer Rechtshilfezusammenarbeit kommt, und zwar mit der Begründung, dass ein fragiler Staat praktisch nicht in der Lage ist, ein Rechtshilfeersuchen zu stellen, zumindest in einer Übergangszeit, die sich als lang erweisen kann. Dieser Vorschlag wurde aus zwei Gründen nicht aufgegriffen: Erstens, weil die Schweiz nicht an die Stelle der Behörden eines souveränen Staates treten und damit Gefahr laufen darf, als Land wahrgenommen zu werden, das sich die Ausübung universeller Strafgerichtsbarkeit anmasst. Zweitens, weil es erfahrungsgemäss selbst fragilen Staaten nicht selten gelingt, Rechtshilfeersuchen zu stellen, gegebenenfalls mit Hilfe internationaler Experten, die sie bei der Formulierung unterstützen. In der Vergangenheit geschah dies in den Fällen Mobutu und Duvalier. Die Demokratische Republik Kongo und die Republik Haiti waren in der Lage, ein Rechtshilfegesuch an die Schweiz zu richten, das nach dem Sturz dieser Potentaten die Sperrung der in der Schweiz gelegenen Vermögenswerte erlaubte. Allerdings waren diese beiden Länder später nicht in der Lage, ein rechtskräftiges und vollstreckbares Urteil gegen die betroffenen PEP zu fällen, was notwendig ist, um die Vermögenswerte per Rechtshilfe zurückzuerhalten.

Im Einklang mit Absatz 2 müssen für eine Sperrung nach Artikel 4 daher kumulativ folgende Voraussetzungen erfüllt sein: Gemäss Buchstabe a müssen die Vermögenswerte vorgängig oder im Rahmen eines auf Ersuchen des Herkunftsstaates eingeleiteten internationalen Rechtshilfeverfahrens in Strafsachen vorläufig sichergestellt worden sein. Die fragliche vorläufige Sicherstellung kann noch im Gange sein (Normalfall), jedoch durchaus auch vor der formellen Anordnung der Sperrung im Sinne von Artikel 4 abgeschlossen worden sein. Wesentlich ist, dass die Sicherstellung bereits stattgefunden hat, da die Aufnahme eines Rechtshilfeverfahrens Beweis für die Bereitschaft und den Willen des Herkunftsstaats zur Zusammenarbeit ist. Die Bestimmung bringt zum Ausdruck, dass eine Sperrung gemäss Artikel 4 und die anschliessende Einziehung subsidiär zur internationalen Rechtshilfe in Strafsachen nach dem IRSG oder gegebenenfalls den anwendbaren bilateralen oder
multilateralen Rechtshilfeverpflichtungen sind.

Nach Buchstabe b wird zusätzlich vorausgesetzt, dass der Herkunftsstaat die Anforderungen an ein Rechtshilfeverfahren aufgrund des Versagens seiner staatlichen Strukturen nicht erfüllen kann. Dabei ist an Fälle von sogenannten gescheiterten Staaten («failed states») zu denken, in denen der ersuchende Staat nicht in der Lage ist, die notwendige Zusammenarbeit zu gewährleisten, entweder, weil er dazu nicht fähig ist (wie im Fall Duvalier44) oder weil er nicht durchgehend willens ist (wie im Fall Mobutu). Das in diesem Artikel verwendete Konzept des «Versagens staatlicher Strukturen» orientiert sich an Artikel 17 Absatz 3 des Römer Statuts des Internationalen Strafgerichtshofes45. Diese Definition bezieht sich ausschliesslich auf die Situation eines Staates im Zusammenhang mit einem konkreten Rechtshilfeverfahren mit der Schweiz. Es geht dabei nicht um eine allgemeine politische oder wirtschaftliche Einschätzung, sondern um eine konkrete Bewertung im Zusammenhang mit einem konkreten Verfahren. Geprüft wird, ob der ersuchende Staat in einem

44 45

Das Versagen staatlicher Strukturen in Haiti wurde vom Bundesverwaltungsgericht anerkannt (Urteil C-1371/2010 vom 23. September 2013, E. 2 und 4).

SR 0.312.1

5303

bestimmten Fall fähig und willens ist oder nicht, ein Strafverfahren durchzuführen, das die Anforderungen des IRSG erfüllt.

Nach Buchstabe c muss die Sperrung der Wahrung der Schweizer Interessen dienen.

Es kann auf die entsprechenden Erläuterungen zu Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe d und insbesondere zur Übernahme des Wortlauts von Artikel 184 Absatz 3 BV verwiesen werden. Die Berufung auf Buchstabe c bzw. auf ein fehlendes Schweizer Interesse würde es dem Bundesrat zum Beispiel erlauben, ein Tätigwerden abzulehnen, wenn er den Eindruck erhält, das Rechtshilfeverfahren sei im Herkunftsstaat nur aufgrund von politischen Erwägungen eingeleitet worden, ohne dass ein Wille zur Aufarbeitung der Vergangenheit vorliegt.

Gemäss Absatz 3 soll eine Sperrung von Guthaben im Hinblick auf ihre spätere Einziehung neu auch dann möglich sein, wenn sich herausgestellt hat, dass die Rechtshilfezusammenarbeit ausgeschlossen ist, weil die menschenrechtlichen Standards ungenügend sind, d. h. es bestehen Gründe für die Annahme, dass das Verfahren im Herkunftsstaat den nach IRSG massgeblichen Verfahrensgrundsätzen nicht entspricht. Dies ist neben der Möglichkeit, dem Herkunftsstaat Informationen zu übermitteln, die wichtigste Neuerung des Gesetzesentwurfs (vgl. Art. 13) gegenüber dem geltenden Recht und der bisherigen Praxis. In der Vernehmlassung gab es zahlreiche Stellungnahmen zu diesem Absatz. Manche Teilnehmende kritisierten, diese Neuerung werde es in Zukunft möglich machen, die Anforderungen des IRSG zu umgehen und damit Staaten zu unterstützen, die die Menschenrechte und die grundlegenden Verfahrensgarantien nicht achten. Die Mehrheit jedoch und namentlich die Kantone haben diese neue Bestimmung ausdrücklich begrüsst. Sie wurde sogar häufig als unerlässliche Voraussetzung dafür bezeichnet, dass die neuen gesetzlichen Vorschriften nicht leere Worte bleiben. Die Neuerung wird also im Gesetzesentwurf beibehalten. Dies dürfte neue Möglichkeiten für die Rückerstattung bei Scheitern der Rechtshilfe eröffnen, im Rahmen von Gerichtsverfahren in der Schweiz, in denen sowohl die Rechte der Parteien als auch die rechtsstaatlichen Prinzipien vollumfänglich respektiert werden.

Artikel 2 Buchstabe a IRSG sieht vor, dass einem Ersuchen um Zusammenarbeit in Strafsachen nicht entsprochen wird, wenn Gründe für die Annahme bestehen,
dass das Verfahren im Ausland den in der EMRK oder im UNO-Pakt II festgelegten Verfahrensgrundsätzen nicht entspricht. Damit soll verhindert werden, dass die Schweiz die Durchführung von Strafverfahren unterstützt, in welchen den verfolgten Personen die ihnen zustehenden Minimalgarantien nicht gewährt werden. Das in Absatz 3 erwähnte Kriterium von Artikel 2 Buchstabe a IRSG bietet den Vorteil einer klaren Definition und stellt damit eine eng umrissene Erweiterung der Einziehungsmöglichkeiten dar.

Die Prüfung eines Ausschlussgrundes nach Artikel 2 IRSG setzt ein Werturteil über das politische System des ersuchenden Staates, seine Institutionen, sein Verständnis von Grundrechten und deren effektive Gewährleistung sowie über die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz voraus46. Dabei geht es nicht um einzelne Verfahrensverstösse; dies würde nicht genügen, um die Rechtshilfe auszuschliessen. In solchen Fällen ist es Aufgabe der Behörden des ersuchenden Staates, allfällige Verfahrensmängel zu beheben und den betroffenen Personen ein faires Verfahren zu garantieren. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung dürfen Unsicherheiten 46

BGE 130 II 217 E. 8.1

5304

über die allgemeine Menschenrechtssituation jedoch keine kategorische Verweigerung der Rechtshilfe nach sich ziehen, vielmehr können sie die Einholung von Garantien (Bedingungen) hinsichtlich der mit der EMRK bzw. dem UNO-Pakt II festgelegten Grundsätze gebieten47. Somit rechtfertigt sich ein Ausschluss der Rechtshilfe nur, wenn das im Herkunftsstaat geführte Strafverfahren die in der EMRK und dem UNO-Pakt II festgehaltenen Verfahrensgarantien in grundsätzlicher Weise nicht erfüllt.

Zuzulassen, dass die Bemühungen zur Rückerstattung der Gelder scheitern, weil die Rechtshilfezusammenarbeit aufgrund ungenügender Einhaltung der Verfahrensgrundsätze des IRSG nicht möglich ist, stünde dem Interesse der Schweiz offenkundig entgegen. Dies würde bedeuten, dass die fraglichen Gelder wieder in die Verfügungsmacht derjenigen Personen gelangen, die sie höchstwahrscheinlich zuvor dem Herkunftsstaat entzogen haben. Ein derartiger Ausgang liefe sämtlichen Bemühungen zur Wahrung der Integrität und der Reputation des Finanzplatzes Schweiz zuwider, ebenso wie dem entwicklungspolitischen Engagement unseres Landes.

Unter dem Eindruck der Ereignisse im Zusammenhang mit dem Arabischen Frühling hält es der Bundesrat daher für sinnvoll und notwendig, dass das Gesetz neu auch in derartigen Fällen explizit die Sperrung und spätere Einziehung ermöglicht.

Artikel 4 Absatz 3 sieht demzufolge ausdrücklich eine zusätzliche Möglichkeit vor, eine Vermögenssperrung im Hinblick auf eine Einziehung anzuordnen. Allgemein werden die betreffenden Gelder bereits mit einer vorsorglichen Sperrung nach Artikel 3 belegt worden sein, um die Rechtshilfezusammenarbeit mit dem Herkunftsstaat zu erleichtern, doch ist dies nicht unbedingt erforderlich. Wenn sich herausstellt, dass die Rechtshilfezusammenarbeit aufgrund ungenügender menschenrechtlicher Standards im Herkunftsstaat nicht möglich sein wird, kommt die neue Sperrungsmöglichkeit gemäss Artikel 4 Absatz 3 zum Tragen. Sie schafft die Voraussetzungen für eine Rückerstattung der Gelder auf dem Weg der Einziehung gemäss Artikel 14 ff, nachdem die Rückerstattung auf dem Rechtshilfeweg nicht mehr in Frage kommt. Die Anordnung der Sperrung gemäss Artikel 4 Absatz 3 kann zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgen. In der Regel wird zunächst ein längerer Austausch mit dem Herkunftsstaat sowie
eine eingehende Prüfung der Situation vor Ort stattgefunden haben. Es sind aber auch Fälle vorstellbar, in denen sich bereits kurz nach der Einreichung eines Ersuchens herausstellt, dass eine Rechtshilfezusammenarbeit mit dem Herkunftsstaat angesichts der Voraussetzungen von Artikel 2 Buchstabe a IRSG nicht möglich ist. In jedem Fall muss der Herkunftsstaat ein Rechtshilfeersuchen gestellt haben, damit die Sperrung nach Artikel 4 Absatz 3 angeordnet werden kann. Diese Bedingung stellt eine tiefere Anforderung als diejenige in Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe a, wonach eine vorläufige Sicherstellung im Rahmen eines Rechtshilfeverfahrens erforderlich ist. Es wäre nicht gerechtfertigt, dieselbe Anforderung im Kontext von Artikel 4 Absatz 3 zu stellen, denn die Nichteinhaltung massgebender Verfahrensgrundsätze (Art. 2 Bst. a IRSG) kann dazu führen, dass die zuständigen Schweizer Behörden sich weigern, eine vorläufige Sicherstellung im Rahmen der Rechtshilfe anzuordnen. Schliesslich muss die Sperrung der Wahrung der Schweizer Interessen dienen, was der in Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe c formulierten Bedingung entspricht.

Die Grundannahme von Absatz 3 ist eine Situation, in der bei der Feststellung, dass ein im Herkunftsstaat durchgeführtes Strafverfahren den Verfahrensgrundsätzen 47

BGE 123 II 161 E. 6 f.

5305

(Art. 2 Bst. a IRSG) zuwiderläuft, eine Rechtshilfezusammenarbeit mit diesem Land ausgeschlossen wird. Sollte diese Situation andauern, dürfte sie grundsätzlich Fortschritte in allen Einzelverfahren zur administrativen Sperrung im Hinblick auf die administrative Einziehung ermöglichen, gegebenenfalls bis zu einem endgültigen Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts oder des Bundesgerichts. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass sich die allgemeine Menschenrechtslage im betreffenden Land nach Ablauf einer gewissen Zeitspanne soweit verbessert, dass die zuständige Schweizer Rechtshilfebehörde, falls erneut ein Ersuchen an sie gerichtet wird, zu der Auffassung gelangt, dass die Verfahrensgrundsätze (Art. 2 Bst. a IRSG) nunmehr eingehalten sind. In solchen Fällen, die in der Praxis auf den ersten Blick sehr selten vorkommen dürften, hätte das neue Rechtshilfeverfahren also Vorrang vor dem bereits eingeleiteten Verwaltungsverfahren, was der Logik des mit dem Gesetzesentwurf eingeführten Systems entspricht. Im Falle eines neuen Rechtshilfeverfahrens müssten das Bundesverwaltungsgericht oder das Bundesgericht daher beschliessen, die Untersuchung der Beschwerden gegen die vom Bundesrat auf der Grundlage von Artikel 4 Absatz 3 angeordneten Sperrungsverfügungen auszusetzen. Sobald das Rechtshilfeverfahren zu einem Ergebnis geführt und den Weg für eine Herausgabe der Vermögenswerte nach Artikel 74a IRSG frei gemacht hat, sollten sie diese Beschwerden grundsätzlich abschreiben. Ein solches Vorgehen ist zum Zeitpunkt der Wiederaufnahme eines Rechtshilfeverfahrens auch in Bezug auf laufende Einziehungsverfahren geboten, wie es im Übrigen in Artikel 14 Absatz 4 vorgesehen ist (vgl. die diesbezüglichen Erläuterungen unten).

Art. 5

Anpassung und Veröffentlichung der Listen

Absatz 1 regelt, unter welchen Umständen eine vom Bundesrat angeordnete Sperrung von Vermögenswerten ausgedehnt und weitere Personen einer solchen Sperrung unterstellt werden können. Es handelt sich dabei um eine gemäss Artikel 3 angeordnete Sperrung im Hinblick auf Rechtshilfe. Die in Artikel 5 Absatz 1 vorgeschlagene Regelung entspricht der heutigen Praxis, wonach das EDA die Namensliste der von einer Sperrung betroffenen Personen unter gewissen Umständen anpassen kann. Diese Regelung ist stufengerecht und sinnvoll. Der Grundsatzentscheid, gegen Personen aus einem bestimmten Land eine Vermögenssperrung anzuordnen, ist zuvor aufgrund der aussenpolitischen Bedeutung auf Stufe Gesamtbundesrat gefällt worden (vgl. Art 3). Damit das EDA eine entsprechende Ausdehnung der Vermögenssperrungen auf weitere Personen anordnen kann, muss eine der beiden in Artikel 5 Absatz 1 genannten Voraussetzungen erfüllt sein. Einerseits handelt es sich dabei um das Erfordernis der internationalen Koordination mit wichtigen Partnerländern und internationalen Organisationen. Dabei kann es sich z. B. um eine Anpassung aufgrund von veränderten oder angepassten Massnahmen der EU oder der USA oder auch der wichtigsten internationalen Organisationen handeln (vgl.

hierzu die Erläuterungen zu Art. 3 Abs. 3). Andererseits ist eine Anpassung auch möglich, wenn es die Wahrung der Schweizer Interessen erfordert. Dies wird in der Regel voraussetzen, dass neue Informationen seitens des Herkunftsstaates oder seitens der Schweizerischen Vertretungen im Ausland vorliegen, die einen derartigen Schritt als sinnvoll erscheinen lassen. So kann das EDA beispielsweise zum Schluss kommen, dass eine Erweiterung der Sperrung auf weitere Personen aufgrund der Entwicklung der Rechtshilfeverfahren mit dem Herkunftsstaat notwendig ist. Im Falle einer Streichung von Personen auf der Liste oder Erweiterung der Personenliste konsultiert das EDA vorgängig die anderen betroffenen Departemente; 5306

dabei wird es sich insbesondere um das EFD, das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) sowie das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung handeln. In der Neufassung des Gesetzesentwurfs wird in Absatz 1 präzisiert, dass es sich um eine «Namensliste» handelt, woraus klar hervorgeht, dass sie den Vor- und Zunamen der betreffenden Personen, also personenbezogene Angaben nach Artikel 3 Buchstabe a des Bundesgesetzes vom 19. Juni 199248 über den Datenschutz (DSG), enthalten wird. In Absatz 1 wurde nunmehr auch der Verweis auf internationale Organisationen eingefügt und der Verweis auf «juristische Personen» gestrichen; letzterer liess vermuten, die juristischen Personen könnten PEP sein. Das ist jedoch nicht der Fall, auch wenn Vermögenswerte juristischer Personen selbstverständlich ebenfalls Gegenstand einer Sperrung sein können.

Dies kann im Übrigen die Aufnahme juristischer Personen in die in Artikel 5 genannten Listen rechtfertigen; diese juristischen Personen haben somit ebenso wie natürliche Personen die Möglichkeit, ein Gesuch um Streichung von der Liste an das EDA zu richten (vgl. Art. 20 Abs. 1).

Absatz 2 hält explizit fest, dass ein Anspruch der betroffenen Personen auf unverzügliche Streichung von der Sperrungsliste und Freigabe der gesperrten Vermögenswerte besteht, falls sich die Sperrung als unbegründet erweist. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn es sich bei der Auflistung einer Person um eine offensichtliche Verwechslung handelt, etwa um einen Irrtum infolge sehr ähnlicher Familiennamen.

Denkbar sind aber auch Fälle, in denen die Sperrungsvoraussetzungen nachträglich wegfallen (die gelistete Person übt z. B. keine Verfügungsmacht mehr aus bzw. ihre Unterschriftsberechtigung ist nachträglich weggefallen). Zuständig ist das EDA, das einen beschwerdefähigen Entscheid erlässt. Die im Gesetzesentwurf vorgesehene Regelung entspricht der heutigen Praxis, und das EDA sollte auch weiterhin befugt sein, Namen zu streichen, obwohl manche Vernehmlassungsteilnehmende forderten, die Regelung herauszunehmen, um die in Artikel 3 Absatz 3 angesprochene Koordination nicht zu schwächen. Für nähere Angaben zum Rechtsschutz kann auf Artikel 20 verwiesen werden.

Was die Sperrliste anbelangt, so soll sie bei natürlichen Personen mindestens Namen und Vornamen der betroffenen
Personen nennen, bei juristischen Personen die Firma. Um Verwechslungen zu vermeiden, sollen bei natürlichen Personen, soweit vorhanden, zusätzliche faktische Angaben wie familiäre Beziehungen, Beruf, Geburtsdatum, Nationalität, Passnummer(n), Alias-Namen und das Datum der Aufnahme in die Sperrliste hinzugefügt werden. Juristische Personen sollen nach Möglichkeit mittels Angaben über Sitz, Geschäftszweck, Handelsregisternummer etc. genauer identifiziert werden. Die Angaben sollten mithin so detailliert wie möglich aufgeführt werden, damit die Finanzintermediäre und andere Personen und Institutionen in ihrer Identifikationspflicht bestmöglich unterstützt werden können.

Da die Sperrliste sehr häufig unter einem gewissen Druck verfasst wird und auf einer Prima-facie-Analyse der einzigen zu diesem Zeitpunkt verfügbaren Informationen beruht, kann sie hingegen keine echte Begründung für die Eintragung des Namens der betroffenen Person durch den Bundesrat oder, im Fall einer Anpassung, durch das EDA enthalten. Die offiziellen Ämter, die die aufgeführten Personen im ehemaligen Regime bekleideten, sowie ihre allfällige Zugehörigkeit zu einer politischen Partei werden in der Regel die einzigen Elemente sein, die für die Aufnahme in die Liste den Ausschlag geben. Demzufolge wird die Behörde ihrer Begrün48

SR 235.1

5307

dungspflicht zu einem späteren Zeitpunkt nachkommen, d. h. sobald sie eine begründete Entscheidung über einen möglichen Antrag der betreffenden PEP auf Streichung getroffen hat. Dabei ist unbedingt zu bedenken, dass die Aufführung auf der Sperrliste weder anklagenden noch konfiskatorischen Charakter hat.

Absatz 3 wurde in der Neufassung des Gesetzesentwurfs hinzugefügt, um die Transparenz zu erhöhen und die rechtlichen Erfordernisse in Bezug auf den Datenschutz besser zu berücksichtigen. Er sieht die Veröffentlichung der Liste der Namen der PEP und der ihnen nahestehenden Personen in der Amtlichen Sammlung des Bundesrechts (AS) vor. Diese Massnahme, die der aktuellen Praxis entspricht, soll ein Höchstmass an Informationen über die Finanzintermediäre sowie die Personen und Institutionen, die in der Schweiz Vermögenswerte halten oder betreuen, garantieren und so sicherstellen, dass sie ihre Melde- und Auskunftspflicht gemäss Artikel 7 einhalten. Zudem besagt Absatz 3 ausdrücklich, dass die Namensliste bestimmte besonders schützenswerte Daten im Sinne von Artikel 3 Buchstabe c DSG enthalten kann. Dazu zählen vor allem Angaben über die Zugehörigkeit zu einer politischen Partei, die als Ausdruck der politischen Ansichten der betreffenden PEP betrachtet werden kann, sowie über strafrechtliche oder administrative Verfolgungen und Sanktionen, beispielsweise vom Herkunftsstaat erlassene Haftbefehle oder seitens der Gerichte dieses Staates ergangene strafrechtliche Verurteilungen. Da diese besonders schützenswerten Daten durch die Veröffentlichung der Liste in der AS über das Internet zugänglich sind, wird mit der Hinzufügung dieses neuen Absatzes 3 den Anforderungen von Artikel 19 Absätze 3 und 3bis DSG Rechnung getragen.

Art. 6

Dauer der Sperrung

Absatz 1 regelt, wie lange eine Vermögenssperrung zu Sicherungszwecken angeordnet werden kann. Die Sperrung stellt eine vorsorgliche Massnahme im Hinblick auf die Aufnahme von Rechtshilfebeziehungen dar. Jede Sperrung hat einen Eingriff in die Eigentumsrechte der betroffenen Personen zur Folge. Vor diesem Hintergrund ist klar, dass eine Sperrung zu befristen ist, wie dies der heutigen Praxis sowie Artikel 184 Absatz 3 zweiter Satz BV entspricht. Absatz 1 sieht vor, die Sperrung nach Artikel 3 auf höchstens vier Jahre zu befristen. Die Dauer der Sperrung ist eine Abwägungsfrage: sie sollte aufgrund des Verhältnismässigkeitsprinzips nicht zu lange sein, jedoch von ausreichender Dauer, um auf dem Weg der Rechtshilfezusammenarbeit erste Resultate in Form von rechtshilfeweisen oder strafrechtlichen Vermögenssperrungen zu erzielen. Dabei ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass im Falle eines Umsturzes möglicherweise zunächst ein grosser Teil der Behördenstruktur (so auch der Justizapparat) im betroffenen Land erneuert wird. Unter Abwägung dieser Elemente erscheint eine Befristung der Erstsperre auf höchstens vier Jahre angebracht. Sie beginnt mit dem Inkrafttreten der Sperrungsverordnung.

Nach Ablauf der erstmaligen Sperrfrist kann der Bundesrat eine solche Sperrung um jeweils ein Jahr verlängern, sofern der Herkunftsstaat seinen Willen zur Rechtshilfezusammenarbeit ausgedrückt hat. Dies könnte z. B. dann der Fall sein wenn konkrete Hinweise bestehen, dass der Herkunftsstaat auf die Stellung oder Substantiierung eines Rechtshilfeersuchens hinwirkt. Sind die Voraussetzungen für eine Verlängerung nicht mehr gegeben, wird der Bundesrat auf diese Möglichkeit verzichten.

Damit tritt die Sperrungsverordnung nach Ablauf der ursprünglich vorgesehenen Dauer automatisch ausser Kraft. In jedem Fall beträgt die maximale Sperrungsdauer zehn Jahre.

5308

Je nach Fortschreiten der Rechtshilfezusammenarbeit und eines allfälligen nationalen Strafverfahrens in der Schweiz wird über die gemäss Artikel 3 gesperrten Vermögenswerte unter Umständen relativ rasch eine zusätzliche Sperrung der Strafverfolgungsbehörden verhängt. Eine derartige zusätzliche Sperrung soll die administrative Sperrung gemäss Artikel 3 nicht automatisch wegfallen lassen. Es ist denkbar und in gewissen Fällen sogar wahrscheinlich, dass die Ermittlungen auf dem Rechtshilfeweg und in allfälligen strafrechtlichen Verfahren in der Schweiz verdächtige Vermögenswerte nicht auf einen Schlag, sondern schrittweise, im Zuge der Fortschritte bei den Ermittlungen, zutage fördern und daher nur teilweise gesperrt werden. Eine vorsorgliche Sperrung gemäss Artikel 3 beschlägt hingegen ab dem Moment ihrer Verhängung sämtliche Vermögenswerte der betroffenen Personen in der Schweiz. Dies entspricht dem Sicherungszweck der Massnahme.

Diese soll während der gesamten Befristung der Sperrung grundsätzlich aufrecht erhalten bleiben, um den Strafverfolgungsbehörden im Herkunftsstaat und in der Schweiz ausreichend Zeit für ihre Ermittlungen zu geben.

Absatz 2 enthält die Bestimmungen bezüglich Sperrungen gemäss Artikel 4. Es handelt sich dabei um eine Übernahme der Bestimmungen, wie sie das RuVG nach geltendem Recht vorsieht. Die im Hinblick auf eine Einleitung eines Einziehungsverfahrens gesperrten Vermögenswerte bleiben demgemäss bis zum rechtskräftigen Entscheid über ihre Einziehung gesperrt. Wird hingegen innert zehn Jahren nach Eintritt der Rechtskraft der Sperrungsverfügung gemäss Artikel 4 kein Einziehungsverfahren eingeleitet, wird die Sperrung hinfällig. Die zehnjährige Höchstdauer der Sperrung wurde nicht verkürzt, obwohl in der Vernehmlassung entsprechende Vorschläge gemacht wurden. Selbstverständlich kann die Sperrung auch dann aufgehoben werden, wenn gemäss Artikel 5 Absatz 2 des Gesetzesentwurfs eine Streichung von der Liste vorgenommen wird.

Art. 7

Melde- und Auskunftspflicht

Absatz 1 definiert die Melde- und Auskunftspflicht, die zur Umsetzung der Vermögenssperrung zu Sicherungszwecken gemäss Artikel 3 zentral ist. Diese entfaltet ihre Wirkung unmittelbar mit dem Inkraftreten der Sperrungsverordnung, die in ihrem Anhang die Liste der natürlichen und juristischen Personen enthält, die von der Sperrung betroffen sind. Die Sperrung gilt für sämtliche Vermögenswerte der betreffenden Personen in der Schweiz. Der Gesetzesentwurf sieht, entsprechend der bisherigen Praxis, keine Zwangsmassnahmen oder Inspektionsbefugnisse der Behörden zur Durchsetzung der Sperrung vor. Deshalb ist es unerlässlich, dass die Personen und Institutionen, die aufgrund ihrer Funktion entweder durch die Publikation einer Sperrungsverordnung oder durch die Zustellung einer Sperrungsverfügung Kenntnis vom Vorhandensein entsprechender Vermögenswerte haben, diese umgehend den Behörden melden.

Unter «Personen und Institutionen» sind natürliche und juristische Personen zu verstehen, die aus irgendeinem Grund Vermögenswerte von PEP oder ihnen nahestehenden Personen halten, betreuen oder verwalten. Diese Formulierung umfasst im Wesentlichen ­ aber nicht ausschliesslich ­ Finanzintermediäre im Sinne von Artikel 2 GwG sowie auch Vermögensverwalter, Fondsmanager und Treuhänder, die nicht als Finanzintermediäre gelten. Der Begriff «Institutionen» bezeichnet Behörden, die zwar keine juristischen Personen sind, jedoch bei der Erfüllung ihrer Aufgaben gehalten sind, Transaktionen zu validieren oder Vermögenswerte von PEP oder ihnen nahestehenden Personen zu verwalten, zu betreuen oder zu halten. Nach 5309

geltendem Recht49 und heutiger Praxis betrifft dies vor allem die Grundbuchämter.

Sie werden von den zuständigen Bundesbehörden aufgefordert, unverzüglich Immobilien zu melden, die unter die Sperrung fallen, und die Sperrung solcher Immobilien gegebenenfalls durch Vermerk im Grundbuch einzutragen. Die Meldepflicht wurde dagegen nicht auf die Handelsregister ausgedehnt, die nicht befugt sind, Auskünfte über die wirtschaftlich Berechtigten von Firmen einzuziehen, und die keine Vermögenswerte verwalten, halten oder betreuen.

Bei der Vernehmlassung schlugen sehr viele Teilnehmende aus verschiedenen Kreisen eine Vereinfachung der praktischen Modalitäten der Meldepflicht vor. Sie verwiesen vor allem auf die Tatsache, dass im Fall einer gemäss dem vorliegenden Gesetz angeordneten Sperrung von Vermögenswerten häufig bei hinreichendem Verdacht auch eine Meldepflicht gemäss Artikel 9 GwG besteht. Die Vereinfachung soll nicht nur Ungewissheiten hinsichtlich der Art der zu meldenden Sachverhalte und der zuständigen Anlaufstellen vermeiden, sondern auch sicherstellen, dass die betroffenen Finanzintermediäre nicht zu viel Verwaltungsaufwand betreiben müssen.

Angesichts dieser Anliegen und in dem Bestreben, die Umsetzung des Gesetzes so weit wie möglich zu erleichtern, schlägt der Bundesrat im Gesetz einen Mechanismus vor, der es erlaubt, Meldungen gemäss Artikel 7 Absatz 1 an eine einzige Stelle in der Bundesverwaltung (sogenannter «Guichet unique») zu richten. Das EDA wird daher in Absatz 1 des Gesetzesentwurfs nicht mehr genannt. Dieser betraut nunmehr ausschliesslich die MROS mit der zusätzlichen Aufgabe, Meldungen aufgrund dieses Gesetzesentwurfs entgegenzunehmen. Die Bündelung der Aufgaben in der Meldestelle erklärt sich hauptsächlich aus der Tatsache, dass die MROS bereits befugt ist, in Anwendung des GwG zu erstattende Meldungen entgegenzunehmen, die sehr viel vollständiger und ausführlicher sein müssen als die Meldung gemäss Artikel 7 Absatz 1 des vorliegenden Gesetzesentwurfs. Die Meldestelle verfügt demzufolge über langjährige Erfahrungen mit der Behandlung solcher Informationen.

Die Finanzintermediäre sind nach einer Meldung gemäss Artikel 7 Absatz 1 oder 2 des vorliegenden Erlassentwurfs nicht aus ihrer Verantwortung gemäss GwG entlassen. Sie müssen zusätzlich prüfen, ob allenfalls weitere Schritte
einzuleiten sind, die ihnen im Rahmen der geltenden geldwäschereirelevanten Bestimmungen auferlegt werden. Zusammenfassend begründet eine Meldung nach vorliegendem Gesetzesentwurf zwar nicht zwangsläufig einen begründeten Verdacht nach Artikel 9 GwG und eine entsprechende Meldung an die MROS. Die Auflistung eines Namens im Rahmen einer vorsorglichen Vermögenssperrung des Bundesrates wird jedoch für die dem GwG unterstellten Finanzintermediäre ein Auslöser ihrer geldwäschereirechtlichen Abklärungspflichten gemäss Artikel 6 GwG sein. Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe c des Gesetzesentwurfes setzt für die Anordnung einer Vermögenssperrung einen mutmasslich auf verbrecherische Aktivitäten zurückzuführenden Vermögenserwerb voraus. Unter diesen Umständen werden sich in der Praxis meist nicht alle Verdachtsmomente in Bezug auf den möglichen verbrecherischen Ursprung der den Bundesbehörden gemeldeten Kundenbeziehungen ausräumen lassen. Ausnahmefälle, in denen der legale Ursprung von Vermögenswerten offensichtlich ist, sind

49

Vgl. die Art. 3 und 4 der Ägypten-Verordnung, der Tunesien-Verordnung und der Ukraine-Verordnung.

5310

dennoch denkbar (so z. B. wenn Guthaben auf Zahlungen schweizerischer Gemeinwesen beruhen).

Der Inhalt der Meldung wird auf dem Verordnungsweg geregelt werden. Als Mindestangaben dürften der Name der Vertragspartei sowie Gegenstand und Wert der gesperrten Vermögenswerte erforderlich sein. Die von den in Absatz 1 bezeichneten Personen und Institutionen übermittelten Informationen werden von der MROS vertraulich behandelt werden. In der Verordnung wird festzuhalten sein, ob es wünschenswert ist, in Bezug auf die Art der vorzulegenden Informationen dahingehend zu unterscheiden, ob die Personen und Institutionen dem GwG unterstellt sind oder nicht.

Absatz 2 regelt ausdrücklich die Situation von Personen und Institutionen, die zwar selbst keine Vermögenswerte von Personen auf der vom Bundesrat verabschiedeten Liste in der Schweiz halten oder betreuen, aber aufgrund ihrer Aufgaben davon Kenntnis haben. Dabei genügt es selbstverständlich nicht, lediglich zufällig Kenntnis von diesen Vermögenswerten zu haben (z. B. vom Hörensagen). Gemeint sind hier nur diejenigen Vermögenswerte, die im Rahmen bestimmter beruflicher Geschäftsoder Kundenbeziehungen bekannt sind. In diesem Sinne ist der Ausdruck «aufgrund ihrer Aufgaben» zu verstehen, wodurch zum Beispiel eine rein zufällige Kenntnis ausserhalb von Geschäftsbeziehungen ausgeschlossen wird. Zum Beispiel ist ein Juwelier, dessen Geschäft sich gegenüber einem Hotel oder einer Autowerkstatt befindet, nicht verpflichtet zu melden, dass sich auf dem Parkplatz des Hotels oder in der Werkstatt das Auto einer PEP befindet. Er muss jedoch Meldung erstatten, wenn er Schmuck einer PEP zur Reparatur oder zur Aufbewahrung erhalten hat.

Ebenso wäre der Vermögensverwalter einer von einer PEP kontrollierten Gesellschaft, dem bekannt ist, dass diese Gesellschaft ihre Vermögenswerte bei einem Finanzintermediär hält ­ der nicht zwangsläufig über alle Informationen verfügt, anhand deren er genau bestimmen könnte, welche Personen die Kontrolle über diese Gesellschaft ausüben ­ verpflichtet, dies der MROS zur Kenntnis zu bringen.

Absatz 2 sieht also für alle diese Situationen gleichermassen eine Meldepflicht vor und begrenzt somit das Risiko, dass die in der Schweiz befindlichen Vermögenswerte von PEP der Sperrung entgehen.

Absatz 3 bietet der MROS die gesetzliche Grundlage
dafür, sich unmittelbar an die Personen oder Institutionen zu wenden, die möglicherweise unter eine Sperrung fallende Vermögenswerte halten, jedoch selbst keine Meldung erstattet haben. Eine solche Bestimmung ist notwendig, denn die nach Absatz 2 anfänglich eingegangenen Informationen dürften lückenhaft oder unvollständig sein.

Absatz 4 enthält weitergehende Auskunftspflichten, sofern die MROS ergänzende Informationen bzw. Unterlagen benötigt. Allein die MROS ist befugt, solche ergänzenden Auskünfte anzufordern. Diese Bestimmung gilt selbstverständlich nur für die von der Sperrungsmassnahme betroffenen bzw. gemeldeten Vermögenswerte. Wie bereits unter Absatz 1 dargelegt, verzichtet der Bundesrat auf die Einführung von Zwangsmassnahmen bzw. Inspektionsbefugnissen der MROS. Im Bedarfsfall muss diese jedoch die Möglichkeit haben, von den Finanzintermediären, den Institutionen und den weiteren betroffenen natürlichen und juristischen Personen gezielt alle Auskünfte und Informationen zu verlangen, die sie benötigt, insbesondere in Anbetracht ihrer Rolle bei der Übermittlung von Informationen an den Herkunftsstaat gemäss Artikel 13. Daher sollte die MROS, nachdem sie Kenntnis von einer wenige Monate zuvor durchgeführten Transaktion erlangt hat, durch die sich die gesperrten Guthaben einer PEP spürbar verringert haben, in der Lage sein, die Umstände einer 5311

solchen Verringerung zu klären, um deren Tragweite mit grösserer Sicherheit bestimmen zu können.

Absatz 5, der in dem in die Vernehmlassung gegangenen Gesetzesentwurf nicht enthalten war, übernimmt die Ausnahme von der Meldepflicht in Artikel 9 Absatz 2 GwG. Es ist, wie auch die betroffenen Kreise unterstrichen, durchaus folgerichtig, in diesem Gesetz darauf hinzuweisen, dass das Berufsgeheimnis von Anwälten und Notaren auch im Rahmen einer Sperrung und Einziehung von Potentatengeldern gewahrt bleiben muss. Die Einfügung des Vorbehalts in Bezug auf das Berufsgeheimnis bedeutet selbstverständlich nicht, dass Anwälte und Notare sich unbeschränkt darauf berufen können: Sobald sie als «Finanzintermediäre» im Sinne von Artikel 2 GwG50 gelten, können sie die Meldung von unrechtmässig erworbenen Vermögenswerten von PEP nicht unter Berufung auf das Berufsgeheimnis verweigern. Zudem bietet die in Artikel 7 verankerte Melde- und Auskunftspflicht den Finanzintermediären sowie anderen betroffenen Personen und Institutionen die erforderliche gesetzliche Grundlage, damit sie das in Artikel 47 des Bankengesetzes vom 8. November 193451 (BankG) statuierte Bankkundengeheimnis sowie allenfalls weitere Geheimnisschutznormen nicht verletzen.

Der erste Satz von Absatz 6 schafft die formellgesetzliche Grundlage, die erforderlich ist, um die MROS zu ermächtigen, dem EDA und dem BJ die Informationen zu übermitteln, die sie nach den Absätzen 1, 2 und 3 von Personen und Institutionen, welche Vermögenswerte von PEP oder ihnen nahestehenden Personen halten oder verwalten, oder von Personen und Institutionen erhalten haben, die lediglich aufgrund ihrer Aufgaben davon Kenntnis haben. Dabei kann es sich entweder um eine Aufstellung aller gesperrten Guthaben oder um die Übermittlung einer Kopie jedes erhaltenen Formulars handeln. Das EDA (Direktion für Völkerrecht) benötigt diese Informationen, um seine Aufgaben gemäss dem vorliegenden Gesetz zu erfüllen (z. B. Bearbeitung von Anträgen auf Streichung oder auf Freigabe gesperrter Vermögenswerte, auf Verlängerung einer Sperrung etc.). Auch das BJ benötigt diese Informationen in seiner Eigenschaft als Aufsichtsbehörde in Rechtsangelegenheiten.

Es handelt sich ausschliesslich um Informationen, die auf der Grundlage dieses Gesetzes erhalten wurden, nicht jedoch um Informationen,
die aufgrund von Verdachtsmeldungen gestützt auf Artikel 9 GwG oder Artikel 305ter StGB erhoben wurden. Es ist Aufgabe der MROS, diese Informationen zu sichten. Der zweite Satz beauftragt den Bundesrat, die Modalitäten der Zusammenarbeit zwischen dem EDA, dem BJ und der MROS zu regeln. Diese Fragen werden folglich Gegenstand einer Vollzugsverordnung sein.

Aufgrund der gemäss Absatz 1 vorgesehenen Einführung des «Guichet unique» in der MROS sowie der obigen Ausführungen, die darauf hinweisen, dass Finanzintermediäre, die im Sinne von Artikel 7 des Gesetzesentwurfs Meldung erstattet haben, hierdurch nicht von ihrer Meldepflicht nach Artikel 9 GwG befreit sind, ist der im Vorentwurf zu dieser Bestimmung vorgesehene explizite Verweis auf die im GwG statuierten Pflichten nicht mehr erforderlich.

50

51

Siehe dazu das Rundschreiben 2011/1 der FINMA «Finanzintermediation nach GwG», § 114 ff; siehe auch die Praxis der Kontrollstelle für die Bekämpfung der Geldwäscherei zu Art. 2 Abs. 3 GwG, § 305 ff.

SR 952.0

5312

Art. 8

Verwaltung gesperrter Vermögenswerte

Fragen rund um die Verwaltung der gesperrten Vermögenswerte sind in der Praxis von erheblicher Bedeutung. Die wichtigsten Grundsätze sollten daher auf Gesetzesstufe festgehalten werden. Der Entwurf schlägt Grundsätze zur Verwaltung gesperrter Vermögenswerte vor, die beide Formen von Vermögenssperrungen gemäss dem neuen Gesetzesentwurf betreffen. Dasselbe gilt für die Möglichkeit zur Bewilligung von Ausnahmen (s. nachfolgend Art. 9). Dies bewirkt eine Klärung der Rechtslage für Sperrungen im Hinblick auf eine spätere Einziehung. Das RuVG enthält keine Bestimmungen zur Verwaltung gesperrter Vermögenswerte oder zur Bewilligung von Ausnahmen. Demgegenüber nennen die bisher auf die BV abgestützten Sperrungsverordnungen des Bundesrats gewisse Grundsätze betreffend Verwaltung und Ausnahmebewilligungen. Die in Artikel 8 und 9 vorgeschlagenen Regelungen stützen sich auf die Bestimmungen in den Sperrungsverordnungen52 sowie die Praxis dazu ab.

In der Vernehmlassung wurde Artikel 8 häufig kritisiert, namentlich seitens der Finanzintermediäre. Mehrmals wurde unterstrichen, der Artikel regle die Frage der Zuständigkeit für Massnahmen und Beschlüsse im Rahmen der Verwaltung von gesperrten Vermögenswerten nicht klar genug. Überdies sei die Aufgabe, die den mit der Verwaltung betrauten Finanzintermediären, Institutionen und anderen natürlichen und juristischen Personen zugewiesen sei, namentlich die Vermögenswerte sicher und werterhaltend, aber auch ertragsbringend anzulegen, teilweise widersprüchlich, unter anderem aufgrund der Präsenz mehrerer Akteure, deren Zuständigkeiten nicht klar abgegrenzt seien. Angesichts der Kritiken wurde beschlossen, die Verantwortung der implizierten Akteure zu klären. Des Weiteren wurde beschlossen, die für Vermögensverwaltung geltenden Vorschriften durch Anpassung an die strafrechtlichen Regeln zu vereinfachen, die im Fall der Beschlagnahme von Vermögenswerten angewandt werden.

Absatz 1 legt den Grundsatz fest, wonach die Personen und Institutionen, die Vermögenswerte verwalten, diese auch nach einer Sperrung weiterhin verwalten. Die Sperrung als solche verleiht dem EDA also keine allgemeine Befugnis, die fraglichen Vermögenswerte selbst zu verwalten. Das EDA tritt mit anderen Worten bei der Organisation der Verwaltung der Vermögenswerte weder an die Stelle des Kunden noch an
die des Finanzintermediärs, um die laufende Verwaltung und Betreuung der gesperrten Vermögenswerte zu übernehmen. Die Finanzintermediäre und die anderen betroffenen Personen und Institutionen müssen die Vermögenswerte durch eine werterhaltende Betreuung nach bankenüblichen Grundsätzen und im Interesse des Kunden verwalten. In der Praxis hat sich jedoch eingespielt, dass die Finanzintermediäre von sich aus Kontakt mit dem EDA aufnehmen, sobald nach ihrem Dafürhalten zu klären ist, ob im konkreten Einzelfall die von ihnen vorgesehene Massnahme tatsächlich eine normale Verwaltungshandlung im Rahmen einer werterhaltenden Guthabenbetreuung darstellt. Das EDA wird dann über eine Genehmigung der geplanten Betreuungs- oder Verwaltungsmassnahmen entscheiden und kann gegebenenfalls Zahlungen oder Überweisungen von gesperrten Konten erlauben, eine Möglichkeit, die sich auch aus Artikel 25 Absatz 1 des Gesetzesentwurfs ergibt.

52

Vgl. die Art. 1 Abs. 2 und 2 Bst. b in fine der Ägypten-Verordnung, der TunesienVerordnung und der Ukraine-Verordnung.

5313

Diese Lösung liegt nahe, da die Finanzintermediäre und die anderen betroffenen Personen und Institutionen aufgrund ihrer Expertise im Bereich der Vermögensverwaltung und ihrer Kenntnis des Marktes besser als das EDA in der Lage sind, ein Wertpapierportfolio zu verwalten. Die im Rahmen einer Kundenbeziehung anfallenden und bankenüblichen Verwaltungshandlungen von Finanzintermediären können belastet werden (z. B. Administrations- und Depotgebühren, Gebühren für die Vermögensverwaltung etc.). Absatz 1 sieht zudem vor, dass Personen und Institutionen, die gesperrte Vermögenswerte verwalten, das EDA unverzüglich informieren müssen, falls ein rascher Wertverlust droht oder ein kostspieliger Unterhalt vorliegt. Das entspricht der heutigen Praxis und erlaubt dem EDA, gegebenenfalls erforderliche Massnahmen gemäss Absatz 4 anzuordnen.

Nach Absatz 2 ist das EDA befugt, die Institutionen direkt um die Einreichung von Informationen und Unterlagen zur Sperrung und zur Betreuung der Vermögenswerte zu ersuchen. Diese Befugnis ist vor allem aus zwei Gründen gerechtfertigt: Erstens ist es erfahrungsgemäss mitunter schwierig, allein auf der Grundlage der im Rahmen der Meldung nach Artikel 7 eingegangenen Informationen zu entscheiden, ob die Guthaben unter die vom Bundesrat angeordnete Sperrung fallen oder nicht. Schwierigkeiten treten insbesondere im Falle komplexer rechtlicher Strukturen auf, bei denen sich nicht immer eindeutig ermitteln lässt, welche Personen die betreffenden Gesellschaften oder Trusts tatsächlich kontrollieren. Schwierigkeiten können sich auch ergeben, wenn es darum geht, Forderungen zu sperren, bei denen Klärungsbedarf in Bezug auf die entsprechenden Verträge besteht, die von verschiedenen Gesellschaften geschlossen wurden. In bestimmten komplexen Fällen muss das EDA daher möglicherweise klären, ob die Guthaben unter die Sperrung fallen. In einem solchen Fall muss es über alle nützlichen Unterlagen verfügen, um in der Sache zu befinden, gegebenfalls durch formelle Entscheidung. Zweitens kann es bei konkreten Massnahmen zur Verwaltung und Betreuung gesperrter Guthaben auch erforderlich sein, dass die Personen und Institutionen ergänzende Unterlagen vorlegen, damit das EDA feststellen kann, ob es sich bei diesen Massnahmen um eine werterhaltende Betreuung handelt. Nur so wird das EDA tatsächlich
in der Lage sein, effizient zu kontrollieren, wie die Personen und Institutionen die gesperrten Vermögenswerte verwalten, und gegebenenfalls in Kenntnis der Sachlage allfällige Geschäfte genehmigen, die über den üblichen Rahmen einer werterhaltenden Guthabenbetreuung hinausgehen.

Absatz 3 beschränkt sich darauf, sinngemäss auf die Vorschriften zu verweisen, die für die strafrechtliche Beschlagnahme von Vermögenswerten gelten und derzeit in der Verordnung vom 3. Dezember 201053 über die Anlage beschlagnahmter Vermögenswerte enthalten sind, die gestützt auf Artikel 266 Absatz 6 der Strafprozessordnung (StPO) angenommen wurde. Dies schafft Klarheit bezüglich der Regeln und Grundsätze, die für Finanzintermediäre und andere betroffene Personen und Institutionen gelten. Die Anwendbarkeit der strafrechtlichen Verfahrensgrundsätze ermöglicht eine vereinfachte Betreuung und Verwaltung von Vermögenswerten, was sich als notwendig erweist, da es während eines gewissen Zeitraums zu einer Doppelsperrung (strafrechtlich und administrativ) kommen kann.

Die Erfahrungen zeigen, dass es für die Behörden gegebenenfalls möglich sein muss, gezielte Massnahmen anzuordnen, um einen drohenden Wertverlust der gesperrten Vermögenswerte abzuwenden. Das gleiche gilt für Vermögenswerte, die 53

SR 312.057

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einen kostspieligen Unterhalt erfordern, zum Beispiel ein Gebäude, das aufwendig zu renovieren ist, oder eine Jacht oder ein Flugzeug mit hohem Wartungsbedarf.

Zudem muss es möglich sein, die unverzügliche Verwertung von Wertpapieren und anderen börsenkotierten oder auf dem Markt befindlichen Vermögenswerten anzuordnen. Deshalb räumt Absatz 4 dem EDA eine entsprechende ausdrückliche Zuständigkeit ein. Diese Befugnis soll restriktiv und nur in Ausnahmesituationen angewandt werden; das EDA soll nur dann die notwendigen Massnahmen anordnen können, wenn ein substanzieller Verlust der gesperrten Vermögenswerte droht. In diesem Zusammenhang wird die Möglichkeit einer Verwertung gemäss Bundesgesetz vom 11. April 188954 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG), die aus Artikel 266 Absatz 5 StPO übernommen wurde, ausdrücklich erwähnt.

Absatz 5 enthält den Grundsatz des Vorranges eines parallel laufenden Rechtshilfeoder Strafverfahrens. Wie im Kommentar zu Artikel 5 dargelegt, besteht eine Sicherungssperrung fort, auch wenn im Rahmen eines Rechtshilfe- oder Strafverfahrens weitere Sperrungen angeordnet worden sind. Es stellt sich damit die Frage nach einer Kollisionsnorm. Artikel 8 Absatz 5 sieht vor, dass die Verwaltung der zuständigen Rechtshilfe- bzw. Strafverfolgungsbehörde obliegt, falls dieselben Vermögenswerte auch im Rahmen eines solchen Verfahrens gesperrt sind. Im Fall einer späteren Aufhebung der Sperrung durch die zuständige Strafverfolgungs- oder Rechtshilfebehörde muss diese das EDA zuvor darüber unterrichten. Das wird den Übergang erleichtern und dem EDA erlauben, gegebenenfalls die gemäss Absatz 4 notwendigen Massnahmen zu treffen. Absatz 5, der die derzeitige Praxis widerspiegelt, wurde in diesem Sinne ergänzt. Die in Absatz 5 festgelegte Kollisionsnorm, die die praktische Verwaltung und Betreuung sowohl für die Eigentümer als auch für die Behörden vereinfacht, berührt nicht die Befugnisse der Behörden bei Doppelsperrungen: Gemäss Artikel 9 des Entwurfs ist das EDA nach wie vor befugt, eine allfällige Freigabe der einer Sperrung durch den Bundesrat unterliegenden Vermögenswerte zu genehmigen. Die Freigabe selbst hat keine Auswirkungen auf die Sperrung derselben Vermögenswerte, die im Rahmen eines Strafverfahrens oder eines Rechtshilfeverfahrens angeordnet wurde. Bevor solche Freigaben
bewilligt werden, ist es allerdings wünschenswert, dass sich die beteiligten Behörden untereinander abstimmen, was auch der gängigen Praxis entspricht (vgl. die Erläuterungen zu Art. 9 unten).

Art. 9

Freigabe gesperrter Vermögenswerte

Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass es notwendig ist, in bestimmten Situationen die Freigabe gesperrter Vermögenswerte bewilligen zu können. Dem Ziel und Zweck der Vermögenssperrung entsprechend soll dies allerdings nur in eng begrenzten Ausnahmefällen möglich sein. Artikel 9 schafft die notwendige gesetzliche Grundlage für eine solche Freigabe. Vergleichbare Bestimmungen figurieren bereits in den bestehenden Sperrungsverordnungen, die der Bundesrat gestützt auf Artikel 184 Absatz 3 BV erlassen hat55. Nach gängiger Praxis nimmt das EDA vorgängig Rücksprache mit anderen betroffenen Stellen des Bundes.

Vermögenswerte, die gemäss dem Gesetzesentwurf gesperrt sind, können gleichzeitig Gegenstand einer Beschlagnahme zwecks Einziehung wegen Verdachts auf 54 55

SR 281.1 Siehe Art. 1 Abs. 2 der Tunesien-Verordnung, der Ägypten-Verordnung und der UkraineVerordnung.

5315

Teilnahme an oder Unterstützung einer kriminellen Organisation (Art. 72 i.V.m.

Art. 260ter StGB) sein. Es besteht folglich oft eine Verbindung zwischen der strafprozessualen Beschlagnahme und der Sperrung von Vermögenswerten gemäss dem Gesetzesentwurf. Daher ist eine genaue Abstimmung wünschenswert. Die Sperrung und die Aufhebung der Sperrung (oder Freigabe) von Vermögenswerten gemäss dem Gesetzesentwurf sind jedoch als Verwaltungsakt weder rechtlich noch automatisch mit strafrechtlichen Massnahmen zur Anordnung oder Aufhebung der Beschlagnahme verbunden. Dennoch ist die Freigabe gesperrter Vermögenswerte, die auch weiterhin Gegenstand einer strafrechtlichen Beschlagnahme sind, nur mit äusserster Zurückhaltung und bei Vorliegen guter Gründe anzuordnen.

Freigaben nach Artikel 9 sind zur Vermeidung von Härtefällen oder zur Wahrung wichtiger schweizerischer Interessen möglich. Bei der Vermeidung eines Härtefalles kann es sich z. B. um eine teilweise Freigabe von Vermögenswerten zwecks Befriedigung der Grundbedürfnisse der auf einer Liste aufgeführten Personen oder von Personen, gegenüber denen eine Unterhaltsverpflichtung besteht, handeln56. Ein Beispiel wäre die Bezahlung dringend notwendiger ärztlicher Behandlungen. Bei der Wahrung wichtiger schweizerischer Interessen geht es vor allem um den Erhalt wertvoller bilateraler Beziehungen zwischen der Schweiz und dem betreffenden Staat.

Art. 10

Gütliche Einigung

Der Bundesrat hat in der Vergangenheit in einigen Fällen eine Sperrung angeordnet und zugleich das EDA beauftragt, eine gütliche Einigung mit den Inhabern der Vermögenswerte anzustreben. Das RuVG sieht diese Möglichkeit in Artikel 4 explizit vor. Es ist sinnvoll, diese Bestimmung in den neuen Erlass zu übernehmen. Die Möglichkeit einer gütlichen Einigung wurde in der Vernehmlassung mit der Begründung kritisiert, sie stehe im Widerspruch zu den Zielen des Gesetzes, darunter der Bekämpfung der Straffreiheit, der Förderung des Rechtsstaats, der Gerechtigkeit und der Transparenz. Diese Kritik wurde vor allem seitens von NGO, aber auch von politischen Parteien formuliert. Andererseits wird anerkannt, dass eine solche Lösung in bestimmten Fällen einen Ausweg aus verworrenen Rechtslagen bieten kann und dass es kontraproduktiv wäre, eine solche Möglichkeit vollständig auszuschliessen. Die Möglichkeit einer gütlichen Einigung, die dem geltenden Recht entspricht, wird daher beibehalten. Dieser Weg ist in der Praxis nicht oft gewählt worden und wird auch nur ausnahmsweise gewählt werden.

Absatz 1 enthält die Möglichkeit für den Bundesrat, dem EDA den Auftrag zu erteilen, eine gütliche Einigung für eine vollständige oder teilweise Rückerstattung der gesperrten Vermögenswerte an den Herkunftsstaat zu suchen. Eine Verhandlungslösung muss möglich sein, doch muss sie die Ausnahme bleiben. Kommt eine Verhandlungslösung zustande, lässt sich damit das Sperrungsverfahren verkürzen und die Rückerstattung der gesperrten Vermögenswerte beschleunigen. In Betracht kommen insbesondere Fälle, in denen ein sehr langwieriges Verfahren droht, es jedoch nur um verhältnismässig bescheidene Beträge geht. Eine gütliche Einigung soll während der Sperrung grundsätzlich zu jedem Zeitpunkt möglich sein. Solche Verhandlungen werden vom EDA im Auftrag des Bundesrats auf die besonderen 56

Vgl. Art. 4 Bst. a. der Verordnung (EU) Nr. 101/2011 des Rates vom 4. Februar 2011 über restriktive Massnahmen gegen bestimmte Personen, Organisationen und Einrichtungen angesichts der Lage in Tunesien, ABl. L 31 vom 5.2.2011, S. 1.

5316

Gegebenheiten eines Falles abgestimmt und dann durchgeführt, wenn die Berechtigten der gesperrten Vermögenswerte bereit sind, sich am Verfahren zu beteiligen. Der Schlüssel zur Aufteilung des Vermögens zwischen Herkunftsstaat und Berechtigten wird von Fall zu Fall ausgehandelt, wobei den Berechtigten nur ein geringer Prozentsatz der Vermögenswerte zu überlassen sein wird. Eine Verhandlungslösung ist hingegen nicht möglich, wenn über die betroffenen Vermögenswerte gleichzeitig eine Sicherstellung im Rahmen des Rechtshilfeverfahrens oder eines Strafverfahrens in der Schweiz verhängt worden ist. In solchen Fällen verfügt der Bundesrat in Anwendung des Grundsatzes der Gewaltenteilung wohl nicht über den notwendigen Handlungsspielraum. Wenn die fraglichen Vermögenswerte nicht gleichzeitig Gegenstand einer anderen Sperrmassnahme sind, ist die Suche nach einer gütlichen Einigung hingegen zulässig, sofern die Umstände dies rechtfertigen. Ob dies in concreto der Fall ist, entscheidet der Bundesrat.

Gemäss Absatz 2 bedarf die gütliche Einigung der Genehmigung durch den Bundesrat. Wird die gütliche Einigung genehmigt, so wird die Sperrung gemäss Absatz 3 durch den Bundesrat aufgehoben und die Vermögenswerte können gemäss den ausgehandelten Modalitäten zurückerstattet werden. Die Artikel 17­19 finden dabei sinngemäss Anwendung. Eine Pflicht, die Vereinbarung über die gütliche Einigung zu veröffentlichen, wie sie einige Teilnehmende der Vernehmlassung vorschlugen, wurde nicht in den Erlass aufgenommen. Die Anwendung der üblichen Vorschriften bezüglich der Transparenz (Öffentlichkeitsgesetz vom 17. Dezember 199457 [BGÖ]) bietet in der Praxis die Möglichkeit, weitgehend auf allfällige Gesuche um Zugang zu solchen Dokumenten einzugehen.

2.3.3 Art. 11

Dritter Abschnitt Unterstützungsmassnahmen Grundsatz

Bei Potentatengelderfällen handelt es sich oft um Sachverhalte von komplexer Wirtschafts- oder Finanzkriminalität. Dementsprechend bekunden die Behörden im Herkunftsstaat häufig Mühe, entsprechende Ermittlungen durchzuführen und Rechtshilfeersuchen an das Ausland zu stellen. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass ein politischer Umsturz im Herkunftsstaat den Weg frei gemacht hat für die strafrechtliche Aufarbeitung des Verhaltens von PEP und ihres Umfelds. In einer derartigen Konstellation verfügen die Justizbehörden des Herkunftsstaats häufig über wenig oder gar keine Erfahrung beim Aufklären der relevanten Verbrechen, da es ihnen bis zum Umbruch aufgrund der innenpolitischen Situation verwehrt war, entsprechende Ermittlungen zu führen. Dazu kommt der Umstand, dass sich Staaten in einer postrevolutionären Phase oft in einer schwierigen und verworrenen innenpolitischen Lage befinden. Dies erschwert es auch der Justiz, ihre Arbeit wahrzunehmen.

Wie erwähnt hat die Schweiz unser Land alles Interesse, dass Gelder unrechtmässiger Herkunft, die auf dem Schweizer Finanzplatz deponiert wurden, möglichst rasch an den Herkunftsstaat zurückgeführt werden können. Damit stellt sich die Frage nach einer gezielten Unterstützung des Herkunftsstaats. Die Erfahrung zeigt, dass eine erfolgreiche Zusammenarbeit zur Rückführung von Potentatengeldern auf einer 57

SR 152.3

5317

engen Partnerschaft zwischen dem Herkunftsstaat der Vermögenswerte und der Schweiz beruht. Dabei versucht die Schweiz, die Herkunftsstaaten im Rahmen der vorhandenen gesetzlichen Möglichkeiten bestmöglich zu unterstützen und damit auf die Möglichkeit einer speditiven Abwicklung von solchen Fällen hinzuwirken. Zu diesem Zweck sollen auch die genauen Bedürfnisse des Herkunftsstaates bezüglich möglicher Unterstützungsmassnahmen abgeklärt werden. Es handelt sich dabei in der Regel um technische Zusammenarbeit, die seit längerer Zeit fester Bestandteil der Schweizer Praxis in diesem Bereich ist.

Artikel 11 schreibt diesen Grundsatz als Kann-Bestimmung im Gesetzesentwurf fest. Die vorgeschlagene Bestimmung beinhaltet somit keinen Rechtsanspruch für den Herkunftsstaat auf Unterstützungsmassnahmen irgendwelcher Art. Die Behörden des Bundes verfügen damit auch in Zukunft über einen ausreichenden Ermessensspielraum.

Art. 12

Technische Unterstützung

Artikel 12 konkretisiert den in Artikel 11 verankerten Grundsatz der Unterstützung an den Herkunftsstaat. In der Vernehmlassung wurde die Bestimmung, die die Praxis in diesem Bereich kodifiziert, grundsätzlich gutgeheissen. Die in Absatz 1 gewählte Formulierung lässt erkennen, dass die Unterstützung an den Herkunftsstaat, die in Wirklichkeit eine technische Unterstützung darstellt, vom EDA und vom BJ aufgrund ihrer jeweiligen Zuständigkeiten entwickelt wurde. Es ist daher angebracht, dass sie einander vorgängig konsultieren, um kohärente Massnahmen der technischen Unterstützung durchführen zu können.

Verschiedene Unterstützungsmassnahmen, die vorgeschlagen wurden, sind als Beispiele in Absatz 2 aufgeführt; die Liste ist nicht abschliessend. Es handelt sich in den meisten Fällen um Aktivitäten aus dem Bereich der technischen Zusammenarbeit. Bei der Ausbildung und rechtlichen Beratung der zuständigen ausländischen Behörden ist z. B. an die Durchführung von Seminaren und Schulungen zum Rechtshilferecht und zum Schweizer Strafrecht zu denken. Unterstützungsmassnahmen können auch die Möglichkeit der Übernahme von Honoraren spezialisierter Anwältinnen und Anwälte, der Erteilung von Mandaten an oder der finanziellen Unterstützung von Institutionen wie z. B. dem in Basel ansässigen International Center for Asset Recovery (ICAR) oder der Stolen-Asset-Recovery-Initiative (StAR) der Weltbank beinhalten. ICAR hat Pionierarbeit geleistet und wird dank seiner Unabhängigkeit und seines hervorragenden Rufes von vielen Staaten als Know-how-Träger geschätzt und konsultiert. Die wichtigste Institution auf internationaler Ebene ist die StAR-Initiative, die 2007 gemeinsam von der Weltbank und dem Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) gegründet wurde. Wie das ICAR arbeitet auch die StAR-Initiative mit Entwicklungsländern und Finanzzentren bei der Geldwäschereibekämpfung und Rückführung von Potentatengeldern zusammen, vermittelt zwischen den beteiligten Parteien und bietet Ausbildungen an, um eine systematische und rasche Rückgabe unrechtmässig erworbener Vermögenswerte zu unterstützen.

Die Organisation von bi- und multilateralen Konferenzen und Treffen hat mehrere Ziele. Diese bestehen insbesondere im Wissenstransfer, aber auch in der Schaffung von Netzwerken und dem Aufbau von auf
Vertrauen beruhenden Direktkontakten zwischen den Behörden. Wie sich immer wieder zeigt, ist ein regelmässiger und enger Dialog zwischen den zuständigen Behörden von ersuchendem und ersuchtem 5318

Staat ein Schlüsselfaktor für das Erzielen von Fortschritten bei der Rückführung von Vermögenswerten. Von Bedeutung sind weiter Expertentreffen zur Diskussion von aktuellen Fragen im Bereich der Rückführung von Potentatengeldern. So haben sich etwa die sogenannten Lausanne-Seminare, die die Schweiz seit 2001 regelmässig durchführt, als international anerkannte und geschätzte Plattform für den Austausch unter Experten etabliert.

Mit der Entsendung von Fachexpertinnen und Fachexperten hat die Schweiz in der Vergangenheit ebenfalls sehr gute Erfahrungen gemacht. Es handelt sich dabei in der Regel um Praktikerinnen und Praktiker aus der Justiz mit langjähriger Erfahrung im Bereich der Rechtshilfe und bezüglich der Aufklärung von komplexen Wirtschaftsdelikten. Diese können den Behörden des Herkunftsstaats bei der Untersuchung und der Aufklärung der Wirtschaftsdelikte zur Seite stehen, die Besonderheiten des Schweizer Rechtssystems darlegen und sie dabei unterstützen, vollständige und formal korrekte Rechtshilfeersuchen zu stellen. Die Entsendung kann insbesondere via EDA-Expertenpool für zivile Friedensförderung oder durch Partnerorganisationen wie das ICAR erfolgen.

Gemäss Absatz 3 koordiniert das EDA diese Massnahmen mit den anderen betroffenen Departementen in Bezug auf deren jeweiligen Zuständigkeitsbereich. Dadurch ist ein kohärentes Vorgehen im Gesamtinteresse der Schweiz sichergestellt. Die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit geeigneten nationalen und internationalen Organisationen im Hinblick auf die Umsetzung der Massnahmen wird ebenfalls festgehalten. Auch hier ist in erster Linie an spezialisierte Institutionen wie das ICAR oder die StAR-Initiative der Weltbank zu denken (vgl. Abs. 2).

Art. 13

Übermittlung von Informationen an den Herkunftsstaat

Der Bundesrat schlägt vor, in Artikel 13 eine Bestimmung aufzunehmen, die es der MROS erlaubt, dem Herkunftsstaat gemäss diesem Gesetz erlangte Informationen zu übermitteln, damit dieser Staat ein Rechtshilfeersuchen vorbereiten oder ein unzureichend begründetes Ersuchen vervollständigen kann.

Erfahrungsgemäss haben die Justizbehörden in den Herkunftsstaaten oft Mühe, ihre Rechtshilfeersuchen ausreichend zu begründen, um im Zuge politischer Machtwechsel eine Rückführung der Potentatengelder zu erwirken. Diese Probleme sind in der Regel auf einen Mangel an der für die Aufklärung von komplexen Fällen internationaler Wirtschaftskriminalität erforderlichen Erfahrung und spezifischen Sachkenntnis zurückzuführen. Auf unzureichend begründete Ersuchen können die Schweizer Behörden jedoch nicht eintreten. Damit drohen erhebliche Verzögerungen, unter Umständen sogar ein Scheitern der Rechtshilfe. Ein derartiger Stillstand schadet sowohl den Interessen der Schweiz als auch jenen der Herkunftsländer.

Die Entsendung von Fachexpertinnen und Fachexperten, wie in Artikel 12 vorgesehen, kann ein Ansatz sein, um eine derartige Situation zu deblockieren. Der Bundesrat möchte zusätzlich auf einer zweiten Ebene ansetzen. Er schlägt deshalb vor, im Gesetzesentwurf die Möglichkeit zu verankern, ausserhalb der eigentlichen Rechtshilfe gewisse Informationen an den Herkunftsstaat weiterzugeben, wobei die Voraussetzungen und der Umfang der Informationsübermittlung genau festzulegen und präzise zu definieren sind.

Artikel 13 ist die Bestimmung, die in der Vernehmlassung Gegenstand der meisten Stellungnahmen war. Das ist nicht überraschend, handelt es sich doch um eine der 5319

beiden Neuerungen des Erlassentwurfs gegenüber dem geltenden Recht und der bisherigen Praxis. In einem Teil der eingegangenen Stellungnahmen wurde diese Bestimmung mit der Begründung abgelehnt, sie würde die Staaten veranlassen, die Anforderungen an ein Rechtshilfeverfahren zu umgehen; sie würde darauf hinauslaufen, Staaten, die die rechtsstaatlichen Grundsätze und die Grundrechte nicht achten, eine Vorzugsbehandlung zu gewähren; sie würde nicht genügend Garantien hinsichtlich einer korrekten Verwendung der Informationen bieten, und sie würde möglicherweise die unmittelbar Betroffenen und Dritte, deren Name Gegenstand einer Übermittlung wäre, gefährden. Andere Stellungnahmen hingegen sprachen sich mit der Begründung, sie sei ein wichtiger und notwendiger Fortschritt, klar für die Bestimmung aus.

Unter diesen Umständen und angesichts der teilweise entgegengesetzten Erwartungen, die alle legitime Anliegen zum Ausdruck bringen, wird vorgeschlagen, Artikel 13 beizubehalten, denn es handelt sich um ein Kernstück des neuen Dispositivs.

Allerdings wurde die Bestimmung erheblich überarbeitet, um der berechtigten Kritik an einzelnen Schwächen des ursprünglichen Wortlauts Rechnung zu tragen. Die wichtigste Änderung besteht darin, dass nicht mehr das EDA, sondern die MROS mit der Übermittlung von Informationen an den Herkunftsstaat beauftragt wird.

Diese Änderung entspricht der gleichen Logik wie die Einführung des «Guichet unique» in der MROS (Art. 7). Diese Änderung wird erlauben, einen sicheren und vertraulichen Übermittlungsweg zu nutzen, der sich in der Praxis bereits bewährt hat. Es handelt sich dabei um das weltweite Netzwerk von Ansprechpartnern der MROS, das zu diesem Zweck genutzt werden soll: Gemäss den Normen der GAFI muss jedes Land über eine zentrale Meldestelle («Financial Intelligence Units», FIU) verfügen. 1995 schlossen sich 13 Meldestellen zur Egmont-Gruppe zusammen, der heute 139 Meldestellen aus allen Weltregionen angehören, darunter auch die Meldestellen all jener Staaten, die über einen international relevanten Finanzplatz verfügen. Die Egmont-Gruppe wird im Juni 2014 weiter wachsen. Dank dieser Gruppe, der die MROS seit 1998 angehört, wird der Informationsaustausch auf der Grundlage des Prinzips der Zusammenarbeit und bewährter Regeln der Vertraulichkeit erfolgen. Dies dürfte eine
ganze Reihe der Bedenken ausräumen, die vorwiegend von Bankenkreisen und Finanzintermediären geäussert worden waren.

Das geltende Recht im Bereich Rechtshilfe erlaubt schon jetzt eine unaufgeforderte Übermittlung nicht nur von Informationen, sondern auch von Beweismitteln an den Herkunftsstaat (Art. 67a IRSG). Im Hinblick auf den Geheimbereich autorisiert Artikel 67a Absatz 5 IRSG lediglich die Übermittlung von Informationen, während die unaufgeforderte Übermittlung von Beweismitteln, die den Geheimbereich betreffen, verboten ist (Art. 67a Abs. 4 IRSG). Da Bankunterlagen ein von Artikel 47 BankG geschütztes Beweismittel sind, dürfen sie nicht Gegenstand einer unaufgeforderten Übermittlung sein58.

Im Bereich der Potentatengelder ist es allerdings schwierig, Informationen aus dem Geheimbereich unaufgefordert zu übermitteln Dies ist nur zulässig, wenn diese Informationen dem Herkunftsstaat ermöglichen, ein substanziiertes Rechtshilfeersuchen an die Schweiz zu stellen (Art. 67a Abs. 5 IRSG). Die Erfahrung zeigt, dass die Herkunftsstaaten nach einem Umbruch oft sehr rasch als Rechtshilfeersuchen bezeichnete Schreiben an die Schweiz richten, in welchen sie generell um Bankinformationen bezüglich bestimmter Personen ersuchen. Dadurch ist eine 58

BGE 139 IV 137 E. 4.6.1, mit weiteren Hinweisen.

5320

unaufgeforderte Übermittlung von Informationen im Sinne von Artikel 67a IRSG rechtlich nicht mehr möglich. Gleichzeitig kann die Schweiz allenfalls nicht inhaltlich auf die Rechtshilfeersuchen eintreten, weil sie nicht ausreichend begründet sind und einer unzulässigen Beweisausforschung (sog. «fishing expedition») gleichkommen. Damit droht die Rechtshilfe zu scheitern. Artikel 13 bezweckt nicht, eine Umgehung der Vorschriften der Rechtshilfe zu ermöglichen, indem die Übermittlung von Beweismitteln aus dem Geheimbereich autorisiert wird: Es geht hier lediglich darum, in besonderen Situationen eine reibungslose Abwicklung der Rechtshilfe zu erleichtern. Zu diesem Zweck können Informationen, aber keine Beweismittel, übermittelt werden.

Artikel 13 ist eine Kann-Bestimmung und schafft somit keinen Anspruch des Herkunftsstaats auf Informationsübermittlung. Eine solche Übermittlung unterliegt spezifischen Bedingungen, die in Artikel 30, Artikel 31 Buchstaben b und c und Artikel 32 Absatz 3 GwG dargelegt sind.

Absatz 1 regelt die Voraussetzungen, unter denen die MROS die in Anwendung dieses Gesetzesentwurfes erhaltenen Informationen den Behörden des Herkunftsstaates übermitteln kann. Unter Informationen im Sinne dieser Bestimmung sind jegliche sachdienlichen Informationen zu verstehen. Dies kann auch Informationen aus dem Geheimbereich umfassen. Explizit im Erlasstext genannt sind Bankinformationen.

Eine solche Informationsübermittlung kann erfolgen, um es dem Herkunftsstaat zu ermöglichen, ein Rechtshilfeersuchen an die Schweiz zu stellen oder ein unzureichend begründetes Ersuchen zu vervollständigen. Dies setzt voraus, dass der Herkunftsstaat fähig und willens ist, Rechtshilfebeziehungen aufzunehmen oder fortzuführen. Die Übermittlung von Bankinformationen bezieht sich auf Informationen, die die MROS nach diesem Gesetz (Art. 7) erhalten hat. Die MROS übermittelt bereits Finanzinformationen im Rahmen von Artikel 30 Absatz 2 GwG (Neufassung, in Kraft seit 1. November 2013)59. In diesem Sinne führt Artikel 13 nicht eine Neuerung in die Schweizer Rechtsordnung ein, sondern dehnt einen Mechanismus, der bei der Bekämpfung der Geldwäscherei bereits vollumfänglich anwendbar ist, auf die Potentatengelder aus.

Nach Absatz 2 werden die genannten Informationen zunächst gemäss den Bedingungen und Modalitäten von
Artikel 30 GwG übermittelt. Mit dieser Bestimmung wird die Praxis der MROS kodifiziert, die auf den Grundsätzen der Egmont-Gruppe beruht. Die darin vorgesehenen Bedingungen und Garantien gelten auch im Rahmen des vorliegenden Gesetzes. Grundsätzlich erfolgt die Übermittlung von Informationen im Rahmen des GwG in zwei Phasen. In der ersten Phase werden die Informationen an die ausländische Meldestelle des Herkunftslands weitergeleitet. Stellt diese fest, dass die fraglichen Informationen für eine Strafverfolgungs- oder Rechtshilfebehörde ihres Landes nützlich sind, ersucht sie die MROS um vorgängige Genehmigung zur Weitergabe dieser Informationen an die betreffende Behörde. In dieser zweiten Phase erteilt die MROS die Genehmigung, wenn die Bedingungen von Artikel 30 Absätze 4 und 5 GwG erfüllt sind. Mitunter hat die MROS bereits Kenntnis von dem Interesse der ausländischen Strafverfolgungsbehörden. In solchen Fällen kann sie ihre vorgängige Genehmigung zur Weitergabe dieser Informationen an die Strafverfolgungsbehörden des betreffenden Landes auch gleichzeitig mit der 59

Siehe dazu die Ausführungen in der Botschaft vom 27. Juni 2012 zur Änderung des Geldwäschereigesetzes, BBl 2012 6941, 6978 f.

5321

Übermittlung an die ausländische Meldestelle erteilen. Dies ist gängige Praxis unter den FIU, die enge Beziehungen im Bereich Informationsaustausch unterhalten.

Die Situation, in der die MROS ihre vorgängige Genehmigung zur Weitergabe der Informationen an die zuständigen Rechtshilfebehörden parallel zur Übermittlung dieser Informationen an die ausländische Meldestelle erteilt, kann im Rahmen dieses Gesetzes die Regel sein Im Gegensatz zu den nach dem GwG ausgetauschten Informationen, die auch für Analysen bei der FIU herangezogen werden können, dürfen Informationen, um die es hier geht, ausschliesslich zur Vorbereitung eines Rechtshilfeersuchens an die Schweiz oder zur Vervollständigung eines unzureichend begründeten Ersuchens (Abs. 1) dienen. Dem Gesetzgeber geht es also allein darum, dafür zu sorgen, dass diese Informationen von den zuständigen Rechtshilfebehörden genutzt werden. Darunter sind nur die Behörden zu verstehen, deren Befugnisse in Artikel 30 Absatz 4 Buchstabe a Ziffer 2 GwG festgelegt sind. Die in Ziffer 1 genannten Behörden, d. h. die Polizeibehörden, die diese Informationen zu Analysezwecken einsetzen könnten, sind durch diese Bestimmung ausgeschlossen.

Es sei noch darauf hingewiesen, dass das GwG die Übermittlung von Informationen von der MROS an die FIU-Mitglieder der Egmont-Gruppe keiner Einschränkung unterwirft. Möglich ist ein Austausch auch mit den ausländischen Meldestellen, die keinen Status als Mitglied dieser Gruppe aufweisen. Die in Artikel 30 GwG genannten Voraussetzungen gelten für alle Fälle. Diese Befugnis ist insofern sehr nützlich, als dieses Gesetz potenziell auf alle Länder anwendbar ist.

In Situationen, in denen die Auskunft an die ausländische Meldestelle verweigert wird, findet Artikel 31 Buchstabe a GwG keine Anwendung, da er Gesuche ausschliesst, die «fishing expeditions» gleichkommen. Dabei handelt es sich um Gesuche, die keinen Bezug zur Schweiz aufweisen. Im Rahmen dieses Gesetzes betreffen die angeforderten oder übermittelten Informationen jedoch natürliche oder juristische Personen, die einer gemäss Artikel 3 vom Bundesrat beschlossenen Massnahme unterliegen. Erfahrungsgemäss handelt es sich dabei in der Regel um Listen natürlicher oder juristischer Personen, gegen die der Bundesrat Sperrungsmassnahmen beschliesst. Es wäre nicht sinnvoll, die FIU
um einen zusätzlichen Bezug zur Schweiz zu ersuchen.

Die Tatsache einer Gefährdung des Lebens oder der körperlichen Integrität von Personen ist von vorrangigem Interesse, und die MROS hat dem Rechnung zu tragen, wenn sie von dem Ermessen Gebrauch macht, das ihr Absatz 1 verleiht, um die Übermittlung von Informationen zu beschliessen. Es ist jedoch vorzuziehen, den Grundsatz eines Verbots der Gefährdung betroffener Personen oder Dritter in den Wortlaut des Gesetzes aufzunehmen. Absatz 2 trägt dem in Artikel 32 Absatz 3 GwG für die MROS vorgesehenen Verbot Rechnung, den Namen der Person, die die Meldung veranlasst hat, an eine ausländische Strafverfolgungsbehörde weiterzugeben.

Nach Absatz 3 entscheidet die MROS über die Übermittlung der Informationen ans Ausland sowie über die Modalitäten und den Zeitpunkt der Übermittlung. Dazu hält sie vorab Rücksprache mit dem BJ und dem EDA. Zur Gewährleistung der Entscheidungsautonomie der FIU liegt die endgültige Entscheidung bei der MROS in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der GAFI und der Prinzipien der EgmontGruppe. Nach dem Verfügbarkeitsgrundsatz muss eine FIU mit den anderen Meldestellen Informationen im Rahmen der Amtshilfe austauschen. Dieser Grundsatz erfordert insbesondere, dass die FIU allein über die ihnen vorliegenden Informatio5322

nen entscheiden60. Die MROS entscheidet auch alleine über die Weitergabe dieser Informationen durch die ausländische FIU an ihre zuständige Rechtshilfebehörde.

Im Rahmen dieses Gesetzes handelt es sich um unmittelbar verfügbare Informationen. Die Auskunftsverweigerung in den Fällen der Anwendung von Artikel 31 Buchstaben b und c GwG ist für die MROS stets gültig und verbindlich. Eine solche Einschränkung steht allgemein im Einklang mit den Grundsätzen und der Praxis der Egmont-Gruppe.

Der Austausch von Informationen zwischen den FIU unterliegt dem Grundsatz der Vertraulichkeit. Die MROS kann ihre Zusammenarbeit mit einer oder mehreren ausländischen Meldestellen in einem konkreten Fall nur mit vorgängiger Genehmigung der betreffenden ausländischen Meldestelle(n) offenlegen. Daraus folgt, dass die Entscheidung der MROS, diese Informationen zu übermitteln, dem BJ oder dem EDA mitgeteilt wird, sofern die Meldestelle im Ausland akzeptiert, dass diese Behörden unterrichtet werden.

2.3.4

Vierter Abschnitt: Einziehung von Vermögenswerten

In den vierten Abschnitt des Gesetzesentwurfs fliessen die materiellen Bestimmungen des RuVG ein. Soweit die bereits geltenden Bestimmungen übernommen werden, kann auf die Erläuterungen in der Botschaft vom 28. April 2010 zum Bundesgesetz über die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte politisch exponierter Personen verwiesen werden.61 Die Abweichungen gegenüber dem RuVG werden im Folgenden aufgezeigt und erläutert.

Der klassische Weg zur Rückerstattung von Potentatengeldern ist die Zusammenarbeit im Rahmen der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass damit nicht alle Fälle erfolgreich gelöst werden können. Bei Rechtshilfeverfahren mit de facto gescheiterten Staaten ergeben sich bei der Beweiserhebung und Feststellung des rechtlich relevanten Sachverhalts grosse Schwierigkeiten. Meist kann in diesen Verfahren kein Urteil gefällt werden, was die strafrechtliche Einziehung der Vermögenswerte unmöglich macht. So drohte im Fall Duvalier/Haiti die Rechtshilfe 2010 an den versagenden staatlichen Strukturen im Herkunftsland Haiti endgültig zu scheitern.62 Dies hätte zur Folge gehabt, dass die gesperrten Guthaben hätten freigegeben werden müssen, obwohl starke Anhaltspunkte dafür bestanden, dass die Gelder aus Korruption oder anderen Verbrechen stammten. Ein solcher Verfahrensausgang wäre sehr unbefriedigend gewesen. Im Jahr 2011 schuf die Schweiz mit dem RuVG die Möglichkeit, Potentatengelder in einem verwaltungsrechtlichen Verfahren vor Schweizer Gerichten einzuziehen, falls die Rechtshilfe aufgrund versagender staatlicher Strukturen im Herkunftsstaat (sogenannte «failing» oder «failed states») ergebnislos endet.

Im Gesetzesentwurf sollen die Bestimmungen des RuVG zur Einziehung, d. h. die Artikel 5­7, vollständig übernommen werden. Dieses Einziehungsverfahren hat sich inzwischen bewährt. Es hat es der Schweiz vor Kurzem ermöglicht, nach einem 60 61 62

Siehe dazu die Ausführungen in der Botschaft vom 27. Juni 2012 zur Änderung des Geldwäschereigesetzes, BBl 2012 6941, 6951 f.

BBl 2010 3309 Im Fall Mobutu/Demokratische Republik Kongo mussten die Gelder nach mehrjährigen Bemühungen freigegeben und an ihre Eigentümer zurückerstattet werden.

5323

langwierigen Rechtsstreit die Duvalier-Guthaben einzuziehen. Das Bundesverwaltungsgericht hiess mit Entscheid vom 24. September 201363, der nicht angefochten wurde und in Rechtskraft erwachsen ist, die Einziehung der Gelder von Jean-Claude Duvalier und Konsorten, deren Sperrung zuvor vom Bundesrat angeordnet worden war, gut. Dieser Entscheid hat den Weg freigemacht für die Rückerstattung dieser Vermögenswerte an das haitianische Volk, was für die Schweiz einen Erfolg darstellt.

Neben der Übernahme der genannten Bestimmungen des RuVG sieht der Entwurf vor, die Einziehungsmöglichkeiten auf Fälle auszudehnen, in denen ein Rechtshilfeverfahren wegen ungenügender menschenrechtlicher Standards im Herkunftsstaat ausgeschlossen ist. Dies ist eine von zwei bedeutenden Neuerungen, die dieser Entwurf gegenüber dem geltenden Recht enthält. Die Erläuterungen zu dieser Neuerung finden sich in den Ausführungen zu Artikel 4 Absatz 3.

Art. 14

Voraussetzungen und Verfahren

Im Vernehmlassungsverfahren sind zu diesem Artikel mehrere Stellungnahmen eingegangen. Häufig waren sie verknüpft mit Stellungnahmen zu den Artikeln 1, 2, 4 oder auch 15 des Entwurfs, denn diese Artikel spiegeln sich zwangsläufig in den dargelegten Voraussetzungen für das Einziehungsverfahren gemäss Artikel 14 wider. Weniger zahlreich waren dagegen Stellungnahmen, die allein Artikel 14 betrafen. Einige Vernehmlassungsteilnehmende stellten die Notwendigkeit in Frage, ein solches administratives Einziehungsverfahren einzuführen; sie betonten, die in Artikel 74a IRSG vorgesehene Herausgabe zur Einziehung oder Rückerstattung reiche aus. Aus den weiter oben ausführlicher dargelegten Gründen ist der Bundesrat jedoch der Meinung, es sei unerlässlich, im Gesetzesentwurf ein besonderes administratives Einziehungsverfahren beizubehalten, da die Rechtshilfe eben gerade nicht in allen Potentatengelderfällen zielführend sei. Artikel 14 wurde daher beibehalten, aber sein Titel wurde ergänzt, um zu verdeutlichen, dass er auch die Voraussetzungen für eine Einziehung festlegt.

Absatz 1 entspricht Artikel 5 Absatz 1 RuVG; er sieht vor, dass das EFD vor dem Bundesverwaltungsgericht Klage auf Einziehung gesperrter Vermögenswerte erheben kann. Bisher war hier das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen des RuVG zuständig, ohne dass dies zu besonderen Schwierigkeiten geführt hätte. Es scheint daher nicht angezeigt, diese Zuständigkeit an das Bundesstrafgericht zu übertragen, auch wenn dieses bereits für den Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen zuständig ist. Eine solche Übertragung der Zuständigkeit hätte überdies den Nachteil, dass der Eindruck entstehen könnte, es handle sich um eine strafrechtliche Einziehung. Vorliegend handelt es sich jedoch um eine Einziehung verwaltungsrechtlicher Art, die keine Aussage über das Verschulden der PEP oder ihnen nahestehender Personen bedeutet (vgl. diesbezüglich die Erläuterungen zu Art. 15). Das EFD handelt im Auftrag des Bundesrats, der befugt ist, auf Vorschlag des EDA die Eröffnung eines Einziehungsverfahrens zu beschliessen. Die formelle Zuständigkeit für die Vertretung der Schweiz im Rechtsverfahren liegt somit beim EFD, das über die entsprechende Erfahrung und die notwendigen personellen Ressourcen verfügt.

Das EDA wirkt in diesem Verfahren aktiv mit, wie dies im Rahmen der Einziehung

63

Urteil C-2528/2011

5324

der Duvalier-Vermögenswerte geschah, die vom Bundesverwaltungsgericht am 24. September 201364 bestätigt wurde.

Die Eröffnung eines Einziehungsverfahrens setzt voraus, dass der Bundesrat im Vorfeld eine Vermögenssperrung nach Artikel 4 angeordnet hat. Zuständig für das Einziehungsverfahren gemäss Artikel 14 ist das Bundesverwaltungsgericht. Gemäss Artikel 44 Absatz 1 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 200565 (VGG) entscheidet es als erste Instanz. Das Verfahren richtet sich nach den Artikeln 3­73 sowie 79­85 des Bundesgesetzes vom 4. Dezember 194766 über den Bundeszivilprozess (BZP). Anders als in Artikel 3 Absatz 2 BZP vorgesehen stellt das Bundesverwaltungsgericht jedoch den Sachverhalt von Amtes wegen fest, gestützt auf die Sonderregel von Artikel 44 Absatz 2 VGG. Hingegen darf es nicht über die Rechtsbegehren der Parteien hinausgehen (Art. 3 Abs. 2 BZP). So spielt im Klageverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ­ anders als im Rechtsmittelverfahren ­ die Dispositionsmaxime eine grosse Rolle: Der Streitgegenstand wird ausschliesslich durch die Anträge der Parteien definiert. Das Bundesverwaltungsgericht kann somit einer Partei weder mehr noch etwas anderes zusprechen, als sie verlangt hat.67 Im Rahmen dieses Verfahrens haben die an den Vermögenswerten Berechtigten selbstverständlich die Möglichkeit, nachzuweisen, dass sie diese Vermögenswerte rechtmässig erworben haben (siehe Ausführungen zu Art. 15 Abs. 3). Einige Vernehmlassungsteilnehmende haben vorgeschlagen, dass NGO formell am Einziehungsverfahren teilnehmen können, sowohl im Klageverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wie auch in einem allfälligen Rekursverfahren vor dem Bundesgericht. Eine solche Lösung würde zahlreiche Konsequenzen für die Durchführung solcher Gerichtsverfahren nach sich ziehen und weitere Gesetzesänderungen erfordern, jedenfalls wenn den NGO Parteistellung zukommen sollte. Wenn es hingegen darum ginge, dem EFD Informationen zu den fraglichen Vermögenswerten und den PEP oder sogar Beweismittel zur Untermauerung der Klage des EFD zu liefern, steht es den NGO frei, sich spontan ans EFD zu wenden. Dazu müssten die NGO allerdings Kenntnis haben vom Beschluss des Bundesrates, das EFD mit einer Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht zu beauftragen. Denkbar wäre beispielsweise eine Publikation im Bundesblatt.
Absatz 2 überträgt dem Bundesverwaltungsgericht die Befugnis, erstinstanzlich die Einziehung der gesperrten Vermögenswerte anzuordnen. Die deutsche Fassung des Gesetzesentwurfs enthält eine sprachliche Präzisierung gegenüber der analogen Bestimmung im RuVG: Er hält fest, dass das Bundesverwaltungsgericht die Einziehung der betroffenen Vermögenswerte anordnet, falls die gesetzlichen Voraussetzungen dazu (siehe nachfolgenden Kommentar zu Bst. a­c) erfüllt sind. Das RuVG enthielt demgegenüber die Regelung, wonach das Bundesverwaltungsgericht über die Einziehung entscheidet, wenn die gesetzlich statuierten Voraussetzungen erfüllt sind. Materiell bringt die neue Formulierung im vorliegenden Entwurf keine Änderung mit sich. Sind die Voraussetzungen gemäss Artikel 14 Absatz 2 beziehungsweise Artikel 5 Absatz 2 RuVG erfüllt, muss das Gericht die Einziehung anordnen.

Erwächst der Einziehungsentscheid des Bundesverwaltungsgerichtes in Rechtskraft, werden die Eigentumsrechte an den betroffenen Vermögenswerten zwecks späterer Rückerstattung auf den Bund übertragen.

64 65 66 67

Urteil C-2528/2011 SR 173.32 SR 273 BVGE 2008/16, E. 2.2.

5325

Eine Anordnung zur Einziehung unterliegt den folgenden drei Voraussetzungen, die kumulativ erfüllt sein müssen: Gemäss Buchstabe a müssen die betroffenen Vermögenswerte der Verfügungsmacht einer PEP oder ihr nahestehender Personen unterliegen oder diese Personen an den Vermögenswerten wirtschaftlich berechtigt sein. Die Begriffsdefinition der PEP sowie der ihr nahestehenden Personen ist in Artikel 2 enthalten. Die zu den Artikeln 3 Absatz 1 Buchstabe c und 4 Absatz 1 Buchstabe c bereits gemachten Ausführungen machen deutlich, dass auch Vermögenswerte juristischer Personen eingezogen werden können, sofern die Voraussetzungen von Artikel 14 ff. erfüllt sind. Der Begriff der Verfügungsmacht findet bereits in den Artikeln 3 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer 1 und 4 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer 1 Erwähnung. Er ist absichtlich weit gefasst, da die Gesetzesvorlage auch indirekte Formen der Verfügungsmacht einschliessen soll.

Gemäss Buchstabe b müssen die Vermögenswerte unrechtmässig erworben worden sein. Ob es sich um Vermögenswerte «unrechtmässiger Herkunft» handelt, hängt vom Kontext ab, in dem sie erworben wurden (s. dazu Art. 15). Die Herkunft ist insbesondere unrechtmässig, wenn Korruption, ungetreue Geschäftsbesorgung oder andere Verbrechen vorliegen.

Die in Buchstabe c enthaltene dritte Voraussetzung ist rein formeller Natur. Es können nur Vermögenswerte eingezogen werden, die vom Bundesrat in Anwendung von Artikel 4 gesperrt wurden. Der Text von Buchstabe c erfährt gegenüber dem RuVG eine redaktionelle Anpassung, indem ein Verweis auf eine vorausgegangene Sperrung gemäss Artikel 4 des Erlassentwurfs eingeführt wird. Gemäss Artikel 4 Absatz 3 kann die Sperrung auch dann ausgesprochen werden, wenn die justizielle Zusammenarbeit mit dem Herkunftsstaat wegen fehlender Gewähr für die Einhaltung der in der EMRK und dem UNO-Pakt II (Art. 2 Bst. a IRSG) festgehaltenen Verfahrensgrundsätze nicht in Betracht kommt.

Absatz 3 hält fest, dass die Verjährung der Strafverfolgung oder der Strafe für die Anordnung von Verwaltungsmassnahmen kein Hindernis darstellt. Er entspricht Artikel 5 Absatz 3 RuVG.

Analog zu Artikel 5 Absatz 4 RuVG wird gemäss Absatz 4 das Einziehungsverfahren ausgesetzt, wenn das Rechtshilfeverfahren wieder aufgenommen wird. Führt ein Rechtshilfeverfahren zum Erfolg, so wird das Einziehungsverfahren gegenstandslos und als erledigt abgeschrieben.

Art. 15

Vermutung der Unrechtmässigkeit

Dieser Artikel regelt die Bedingungen, unter welchen die Vermutung gilt, dass die Vermögenswerte unrechtmässig erworben wurden. Er entspricht Artikel 6 RuVG.

Rechtshilfeverfahren mit «failed states» bergen erhebliche Schwierigkeiten bezüglich Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts, der Beschaffung von Beweismitteln sowie eines rechtskräftigen Urteils. Hinzu kommt die zunehmende Komplexität von Finanzstrukturen, deren sich PEP bedienen, um Spuren zur Herkunft ihres Vermögens und ihre diesbezüglichen Verbindungen zu verwischen.

Zu diesem Artikel gingen in der Vernehmlassung zahlreiche Stellungnahmen ein.

Für die Befürworter ist er ein zentrales Element des neuen gesetzlichen Regelwerks und sogar unerlässlich, um eine Einziehung vor den Schweizer Gerichten zu ermöglichen, angesichts der oft beträchtlichen Beweisschwierigkeiten, mit denen der Bund 5326

in Fällen dieser Art konfrontiert ist. Für seine Gegner gehört Artikel 15 aufgehoben, denn er sei nicht vereinbar mit den Verfahrensgarantien, die in der Bundesverfassung, der EMRK und dem UNO-Pakt II festgehalten sind, insbesondere nicht mit der Unschuldsvermutung (vgl. Art. 32 Abs. 1 BV, Art. 6 Abs. 2 EMRK, Art. 14 Abs. 2 UNO-Pakt II). Aus den im Folgenden näher erläuterten Gründen wird diese Bestimmung ­ die mit der EMRK und den anderen internationalen Übereinkünften, bei denen die Schweiz Vertragspartei ist, vereinbar ist ­ beibehalten (vgl. die Erläuterungen im Abschnitt 5.2).

Es ist festzuhalten, dass die Umkehr der Beweislast in Bezug auf die Herkunft der Vermögenswerte eine in Artikel 31 Absatz 8 UNCAC vorgesehene Möglichkeit ist und dass die Vertragstaaten aufgefordert werden, die Übernahme in ihr Landesrecht zu erwägen. Zu betonen ist überdies, dass die Umkehr der Beweislast im schweizerischen Strafrecht nicht unbekannt ist: Artikel 260ter StGB über kriminelle Organisationen gestattet nämlich, in Verbindung mit Artikel 72 StGB, eine teilweise Umkehr der Beweislast. Gemäss Artikel 72 wird bei Vermögenswerten einer Person, die sich an einer kriminellen Organisation beteiligt oder sie unterstützt hat, die Verfügungsmacht der Organisation «bis zum Beweis des Gegenteils vermutet», und sie können daher eingezogen werden. Wie das Bundesgericht in seinem Entscheid zu den Abacha-Vermögenswerten festgehalten hat, muss die Strafverfolgungsbehörde immerhin beweisen, dass die fragliche Person vorgängig ein strafbares Verhalten an den Tag gelegt hat (Beteiligung an oder Unterstützung einer kriminellen Organisation), aber es muss nicht nachgewiesen werden, dass diese Person oder diese Organisation ein bestimmtes Delikt begangen hat oder dass die Vermögenswerte aus einem Verbrechen stammen.68 Gemäss Absatz 1 des vorliegendem Entwurfs ist die Vermutung eines unrechtmässigen Erwerbs der Vermögenswerte gegeben, wenn zwei Bedingungen kumulativ erfüllt sind: Gemäss Buchstabe a muss das Vermögen der Person, deren Verfügungsmacht die Vermögenswerte unterliegen, während der Amtszeit der PEP ausserordentlich stark gestiegen sein. Dabei sollen zwei Fälle abgedeckt werden: Einerseits der Fall, in dem die PEP die Verfügungsmacht innehat, und andererseits der Fall, in dem die Person mit der Verfügungsmacht zwar
nicht diejenige Person ist, die ein öffentliches Amt ausübte, aber dieser Person nahesteht. Der Begriff «ausserordentlich stark gestiegen» wird in Absatz 2 definiert. Angesichts der in der Vernehmlassung eingegangenen Stellungnahmen wurde der Wortlaut von Buchstabe a geringfügig geändert: Der Ausdruck «im Zusammenhang mit» könnte nämlich so verstanden werden, dass zwischen dem Vermögensanstieg und der Ausübung des öffentlichen Amtes ein echter ursächlicher Zusammenhang besteht. Daher wurde er durch «begünstigt durch» ersetzt. Diese Änderung wird die Feststellung des Sachverhalts, welcher eine Umkehr der Beweislast ermöglicht, etwas leichter machen; allerdings bleibt eine Verbindung zwischen Amt und Vermögenszuwachs zwingende Voraussetzung.

Zudem wurde der ausdrückliche Verweis auf die Eigenschaft des wirtschaftlich Berechtigten hinzugefügt, da die Verfügungsmacht weit gefasst zu verstehen ist (vgl. die Erläuterungen zu den Art. 3 Abs. 1 und 14 Abs. 2 des Entwurfs).

Buchstabe b betrifft den notorisch hohen Korruptionsgrad des Herkunftsstaates oder der betreffenden PEP während ihrer Amtszeit. Im Rahmen des vorliegenden Geset68

BGE 131 II 169, E. 9.1

5327

zes wird davon ausgegangen, dass Korruption im Herkunftsstaat der PEP weit verbreitet ist, wenn eine gewisse Anzahl Indikatoren aus glaubwürdigen Quellen diese Einschätzung belegen. Es handelt sich dabei vor allem um Berichte von nationalen und internationalen Organisationen69, lokalen und internationalen NGO, die sich in der Korruptionsbekämpfung oder für gute Regierungsführung engagieren, sowie aus anderen öffentlichen Quellen wie etwa den Medien. Es kann sich des Weiteren um Berichte schweizerischer Vertretungen im Ausland oder um Gerichtsurteile handeln. Bisherige Fälle haben gezeigt, dass ein hoher Korruptionsgrad häufig mit dem Versagen staatlicher Strukturen im Herkunftsstaat einhergeht. Als typisches Beispiel kann nebst den Fällen Duvalier oder Mobutu der Fall Suharto genannt werden. Während der Amtszeit dieser Personen war der Korruptionsgrad notorisch hoch, sowohl bei diesen persönhlich als auch im jeweiligen Land im Allgemeinen (Haiti, Demokratische Republik Kongo und Indonesien70).

Um den zahlreichen Kritiken Rechnung zu tragen, die während der Vernehmlassung an der Vielzahl unbestimmter juristischer Begriffe im Entwurf geäussert wurden, wurde eine Definition der Formulierung «ausserordentlich starker Vermögensanstieg» in Absatz 2 aufgenommen. Um das Kriterium eines ausserordentlich starken Vermögensanstiegs zu erfüllen, muss ein erhebliches Missverhältnis zwischen dem rechtmässigen Einkommen der Person, die über die Vermögenswerte verfügt, und dem fraglichen Vermögensanstieg bestehen, das aus der allgemeinen Lebenserfahrung und dem Kontext des Landes nicht erklärbar ist.

Zwei Fälle sollen abgedeckt werden: Einerseits der Fall, in dem die PEP die Verfügungsmacht innehat, und andererseits der Fall, in welchem die Person mit der Verfügungsmacht zwar nicht diejenige Person ist, die ein öffentliches Amt ausübte, aber dieser Person nahesteht. Eine ähnliche Bestimmung findet sich in Artikel 20 UNCAC, der von einer erheblichen Zunahme des Vermögens einer Amtsträgerin oder eines Amtsträgers spricht, die sie oder er im Verhältnis zu seinen rechtmässigen Einkünften nicht plausibel erklären kann. Mit dem Begriff des ausserordentlich starken Anstiegs legt das Gesetz bei der Bereicherung die Messlatte höher an als die UNCAC. Anhand konkreter Anhaltspunkte muss ein ausserordentlich starker Wertanstieg
des Vermögens im entsprechenden Zeitraum nachweisbar sein. Das wäre etwa der Fall bei einem Präsidenten oder einem Minister, der während seiner Amtszeit Millionär geworden ist, obwohl sein offizieller Lohn niedrig ist und er zuvor nur ein bescheidenes Vermögen besass71. Ein weiteres Beispiel wäre der Fall einer der PEP nahestehenden Person, deren Bau- oder Dienstleistungsfirma begünstigt durch die Amtsausübung der PEP bei Aufträgen im Rahmen des öffentlichen Beschaffungswesens einen ausserordentlichen Gewinnanstieg verzeichnet. Eindeutig nicht betroffen ist hingegen ein Vermögenszuwachs beispielsweise aufgrund geschickter Vermögensverwaltung der Bank, bei der sich das Vermögen befindet. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass PEP bereits vor der Ausübung ihrer öffentlichen Ämter rechtmässig ein umfangreiches Vermögen erworben haben können. Gleiches gilt für ihnen nahestehende Personen. Es obliegt den betroffenen Personen, im Rahmen des

69 70 71

Beispielsweise die Weltbank, aber auch Transparency International (TI), die regelmässig Forschungen und Analysen zum Thema Korruption durchführen.

Urteil des Bundesstrafgerichts vom 12. August 2009, RR.2009.94, E. 3.2.3.

Siehe hierzu die Höhe des Lohns des Präsidenten der Republik Haiti und seiner Ehefrau im Vergleich zur Höhe der gesperrten Vermögenswerte: Urteil des Bundesverwaltungsgerichts C-2528/2011 vom 24. September 2013 E. 5.4.4.

5328

Einziehungsverfahrens Nachweise dafür zu erbringen, dass ein solches Vermögen bereits bestand (vgl. die Ausführungen zu Abs. 3 dieses Artikels).

Gemäss Absatz 3 wird die Vermutung umgestossen, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden kann, dass die Vermögenswerte rechtmässig erworben wurden, dies insbesondere indem die massgebenden Unterlagen vorgelegt und die verdächtigen Transaktionen erläutert werden72. Eine solche Umkehr der Beweislast ist im schweizerischen Recht nicht neu. Ein entsprechender Mechanismus gilt bereits im Bereich des Strafrechts beim Vorliegen einer kriminellen Organisation (vgl. die Erläuterungen zu Abs. 1 dieses Artikels), aber auch im Verwaltungsrecht bezüglich der Beschlagnahmung der Vermögenswerte von Asylsuchenden (Art. 87 Abs. 2 des Asylgesetzes vom 26. Juni 199873). Wie bei der Eigentumsgarantie sind Einschränkungen der Grundrechte zulässig, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, durch ein öffentliches Interesse begründet sind und wenn der Grundsatz der Verhältnismässigkeit eingehalten wird. Diese Lösung wird durch die Situation vorgegeben, denn ein Scheitern der Rechtshilfe macht den Nachweis der unrechtmässigen Herkunft der Vermögenswerte für die Behörden praktisch unmöglich, während es für die betroffenen Personen relativ leicht ist, den rechtmässigen Erwerb ihres Vermögens mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nachzuweisen.

Art. 16

Rechte Dritter

Mit dieser Bestimmung sollen gemäss Buchstabe a die Rechte der Schweizer Behörden sowie gemäss Buchstabe b gutgläubiger Dritter an den einzuziehenden Vermögenswerten garantiert werden. Sie geht direkt auf Artikel 74a IRSG zurück, der im Grundsatz übernommen wurde. Diese Bestimmung, welche Artikel 7 RuVG entspricht, soll dafür sorgen, dass die Forderungen von Schweizer Behörden oder gutgläubigen Dritten vor einer Rückerstattung der Vermögenswerte beglichen werden können. Solche Ansprüche können ­ unter bestimmten Voraussetzungen ­ ausschliesslich Dritte geltend machen, die Inhaber dinglicher Rechte sind.

In der Vernehmlassung wurde diese Bestimmung nicht grundsätzlich kritisiert.

Einige Vernehmlassungsteilnehmende, insbesondere NGO, schlugen allerdings vor, es sei explizit das Recht der Opfer auf Wiedergutmachung festzuhalten. Es wurde jedoch darauf verzichtet, diese Neuerung aufzunehmen, die zwar ein nachvollziehbares Ziel verfolgt, jedoch dem Zweck des vorliegenden Gesetzes zuwiderlaufen würde. Das Gesetz hat zum Ziel, die Vermögenswerte von PEP zu beschlagnahmen und einzuziehen, um sie der gesamten Bevölkerung des betreffenden Landes zugute kommen zu lassen, mittels einer Rückerstattung, die nach bestimmten Grundsätzen erfolgt (vgl. Art. 17). Es bezweckt hingegen nicht eine Erleichterung von individuellen Wiedergutmachungsansprüchen. Ein solches Vorgehen wäre überdies mit dem Risiko verbunden, dass nur eine kleine Zahl von Opfern, die über besonders gute juristische und finanzielle Unterstützung verfügen, den Grossteil oder sogar die Gesamtheit der eingezogenen Vermögenswerte erhalten würde. Dies geschähe zum Nachteil der Bevölkerung des betreffenden Landes.Bei der Auswahl der Programme von öffentlichen Interesse kann aber darauf geachtet werden, dass betroffene Regio-

72 73

Dazu Entscheid der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts vom 26. September 2005, E. 4 mit weiteren Hinweisen.

SR 142.31

5329

nen oder bestimmte Bevölkerungsgruppen davon profitieren. Dies wäre durchaus mit Artikel 17 Buchstabe a vereinbar.

Die Wahrung der Rechte der Schweizer Behörden soll gewährleisten, dass die öffentlichen Interessen in Bezug auf die betroffenen Vermögenswerte berücksichtigt werden. Nicht möglich ist deshalb eine Einziehung von Vermögenswerten, die bereits im Rahmen eines schweizerischen Strafverfahrens eingezogen wurden. Von einer Rückerstattung ausgenommen würden auch die Rechte, die ein öffentliches Gemeinwesen in Form von Gebühren für eine Liegenschaft erworben hat.

Privatpersonen können ihre Rechte nur geltend machen, wenn verschiedene Bedingungen erfüllt sind. Erstens muss es sich um eine Person handeln, die einer PEP nicht nahesteht, und zweitens muss sie gutgläubig dingliche Rechte am Vermögen erworben haben. Dieses Konzept nimmt auf den Begriff «in guten Treuen» im Sinne des Strafrechts Bezug und bedeutet sinngemäss, dass die Person aufgrund der Umstände eine legale Herkunft der Vermögenswerte annehmen durfte. Drittens muss das geltend gemachte Recht in der Schweiz erworben oder von einer schweizerischen Gerichtsbehörde anerkannt worden sein.74 Nach dem Wortlaut von Buchstabe b können nur dingliche Rechte von einer Einziehung ausgenommen werden dies analog zu den Bestimmungen bezüglich der Herausgabe im Rahmen der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen gilt.75 So können einem Garagisten vor der Beschlagnahmung des Vermögens die Kosten für das Einstellen eines eingezogenen Fahrzeugs vergütet werden. Hingegen können persönliche Rechte von einer Rückerstattung nicht ausgenommen werden. Diese Beschränkung auf dingliche Rechte wurde trotz gewisser Forderungen in der Vernehmlassung beibehalten, mit denen angestrebt wurde, dass auch die Inhaber von obligationenrechtlichen Gläubigeransprüchen gegen die Einziehung Einsprache erheben können.

Die Bedingungen sind absichtlich restriktiv ausgestaltet. Der Schutz gutgläubiger Dritter ist zwar eingeschränkter, als es die Formulierungen der Artikel 70 StGB oder auch 74a Absatz 4 Buchstabe c IRSG vorsehen. Artikel 16 steht jedoch in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts und des Bundesstrafgerichts. Gemäss dieser Rechtsprechung ist einzig die Drittperson geschützt, die über einen Eigentumstitel oder ein beschränktes dingliches
Recht (insbesondere ein Pfandrecht) an den einzuziehenden Vermögenswerten verfügt, nicht jedoch die Drittperson, die nur über ein persönliches Recht obligatorischer Natur (aus einem Miet-, Leih-, Mandats-, Schuld-, Treuhandverhältnis etc.) verfügt oder die nur indirekt von einer Einziehung betroffene wirtschaftlich berechtigte Person. Diese Beschränkung gilt sowohl im nationalen Einziehungs- als auch im internationalen Rechtshilfeverfahren.

Es wurde eine Interessenabwägung zwischen den Ansprüchen gutgläubiger Dritter sowie dem Ziel der Rückerstattung vorgenommen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass Dritte teilweise zweifelhafte Rechte geltend machen, beispielsweise auf der Grundlage eines ausländischen Urteils oder einer Gefälligkeitsanerkennung von Schulden, die schwer zu überprüfen sind. Es soll verhindert werden, dass sich der Wert des Vermögens durch zweifelhafte Ansprüche Dritter reduziert und auf diese Weise im Ergebnis zulasten der Bevölkerung des Herkunftsstaats wesentlich verringert wird.

74 75

Siehe dazu Art. 74a, Abs. 4 Bst. c und Abs. 5, Bst. c IRSG übernommen.

Entscheid des Bundesgerichts 1C_166/2009 vom 3. Juli 2009, E. 2.3.4.

5330

2.3.5

Fünfter Abschnitt: Rückerstattung von Vermögenswerten

Seit dem Fall Marcos im Jahr 1986 hat die Schweiz Potentatengelder im Umfang von insgesamt rund 1,8 Milliarden US-Dollar an die Herkunftsstaaten zurückerstattet. Beispiele dafür sind die Fälle Abacha (Nigeria), Montesinos (Peru) und gewisse Vermögenswerte von PEP aus Angola und Kasachstan. In einigen Fällen wurde die Schweiz aufgrund eines Rechtshilfeersuchens aus einem Drittstaat aktiv (z. B. in einem Kasachstan betreffenden Fall). In anderen Fällen wurde in der Schweiz ein Strafverfahren eingeleitet, ohne dass ein Rechtshilfeersuchen vorlag (z. B. in einem anderen, Angola betreffenden Fall). In allen Fällen hat die Schweiz erreicht, dass bei der Rückerstattung die Grundsätze der Transparenz und der Rechenschaftspflicht eingehalten wurden. Die Rückerstattung nahm in den einzelnen Fällen je nach Kontext, Erwartungen und Möglichkeiten der betroffenen Parteien unterschiedliche Formen an. Die Schweiz wollte damit sicherstellen, dass die zurückerstatteten Vermögenswerte zugunsten der Bevölkerung im Herkunftsstaat eingesetzt werden. Auf diese Weise konnten Programme in den Bereichen Gesundheit, Bildung und gute Regierungsführung finanziert werden, die der Bevölkerung zugute kamen. Beispiele für diese Praxis sind der Fall Kasachstan, in welchem Vermögenswerte mit Unterstützung der Weltbank über eine unabhängige Stiftung zur Jugendförderung (BOTA) zurückerstattet wurden, oder ein Fall im Zusammenhang mit Angola, wo die Schweiz die Rückerstattung über die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) begleitet.

Die Grundsätze, gemäss denen die Schweiz Vermögenswerte an die Herkunftsstaaten zurückführt, wurden bereits im RuVG geregelt. Der Geltungsbereich des RuVG bezog sich zwar ausschliesslich auf Fälle, in denen Vermögenswerte nach einer erfolgreichen Einziehungsklage zurückgeführt werden. Es handelt sich dabei aber im Wesentlichen um die gleichen Prinzipien, welche die Schweiz in ihrer gesamten Asset-Recovery-Praxis seit längerer Zeit leiten. Dementsprechend sollen die Bestimmungen aus dem RuVG in den vorliegenden Gesamterlass überführt werden, unter Vornahme leichter Anpassungen, wo sich dies als zweckmässig erwies. Der Kommentar zu den einzelnen Bestimmungen weist auf derartige Anpassungen hin.

Art. 17

Grundsatz

Artikel 17 hält den Grundsatz fest, an dem sich die Schweizer Rückerstattungspraxis bereits seit längerer Zeit ausrichtet. Studien der Weltbank zeigen, dass das Beiseiteschaffen staatlicher Gelder durch PEP für die wirtschaftliche Entwicklung des Herkunftsstaats eine erhebliche Herausforderung darstellt. Vermögenswerte, die aus der Schweiz zurückgeführt werden, sollen deshalb dazu eingesetzt werden, die Lebensbedingungen der Bevölkerung im Herkunftsstaat zu verbessern (Bst. a).

Nach einer jahrzehntelangen Diktatur bzw. nach einem politischen Umbruch sieht sich die Justiz des Herkunftsstaats oft in einer geschwächten Situation. In Anlehnung an das RuVG sieht der Gesetzesentwurf deshalb vor, dass die Rückerstattung der Vermögenswerte auch dem Ziel dienen kann, die Rechtsstaatlichkeit im Herkunftsstaat zu stärken und damit zur Vermeidung der Straflosigkeit beizutragen.

Bezüglich der Formulierung in Buchstabe b enthält der Gesetzesentwurf lediglich eine redaktionelle Änderung zum RuVG; der Sinn besteht konkret darin, dass die

5331

zurückerstatteten Gelder zur Verhinderung der Straflosigkeit eingesetzt werden sollen.

Somit sind Programme zur Armutsbekämpfung oder zur Bekämpfung der Straffreiheit auszuwählen und durchzuführen.

Im Vernehmlassungsverfahren wurde diese Bestimmung gut aufgenommen. Einige Vernehmlassungsteilnehmer verlangten, der Anspruch der Opfer auf Wiedergutmachung sei ausdrücklich zu erwähnen. Diesbezüglich sei auf die Erläuterungen zu Artikel 16 verwiesen. Andere wollten in Artikel 17 die Pflicht verankern, laufende Rückerstattungen zu sistieren, wenn der Verdacht aufkommt, dass die zurückerstatteten Gelder den in diesem Artikel vorgesehenen Zwecken entfremdet würden.

Diese Ergänzung ist unnötig; es versteht sich von selbst, dass auf den korrekten Ablauf des Rückerstattungsverfahrens geachtet und alle notwendigen Massnahmen ergriffen würden, einschliesslich der Sistierung eines Programms, wenn die Gefahr eines Missbrauchs im Herkunftsland besteht.

Art. 18

Verfahren

Gemäss den allgemeinen Zielsetzungen von Artikel 17 soll die Rückerstattung der Vermögenswerte gemäss Absatz 1 über die Finanzierung von Programmen von öffentlichem Interesse erfolgen. Diese Programme werden im Rahmen des Möglichen gemeinsam mit der Regierung des Herkunftsstaates festgelegt.

Bei einer Rückerstattung der Vermögenswerte hat sich bisher in der Regel die Schweiz um die Durchführung und Begleitung dieses Prozesses gekümmert. In gewissen Fällen erfolgte dies über eine internationale Organisation wie z. B. die Weltbank oder in Zusammenarbeit mit einem Drittstaat, der am Rechtshilfeverfahren beteiligt war. Wie bereits erwähnt, gab es auch Fälle, die über die DEZA oder auch über lokale Nichtregierungsorganisationen abgewickelt wurden. Die Erfahrung zeigt, dass in jedem einzelnen Fall neu beurteilt werden muss, welche Form der Rückerstattung am ehesten Gewähr bietet, dass die in Artikel 17 verankerten Ziele erreicht werden können.

Die Modalitäten der Rückführung werden meist in einem Abkommen geregelt.

Vertragspartner des Abkommens ist entweder der Herkunftsstaat oder eine internationale Institution wie etwa die Weltbank, die mit der Umsetzung der Rückführung beauftragt wird (s. dazu auch Kommentar zu Absatz 4 nachfolgend). Absatz 2 führt eine Delegationsnorm ein, die es dem Bundesrat erlaubt, derartige Abkommen selbständig abzuschliessen. Es handelt sich um eine Erweiterung der im RuVG vorgesehenen Delegationsnorm, die auf Rückerstattungsfälle nach Einziehungen in der Schweiz beschränkt war. Um den zahlreichen Forderungen zu entsprechen, die in der Vernehmlassung eingegangen sind, wurde, in diesen Absatz ein neuer Satz eingefügt, wonach der Bundesrat die NGO soweit wie möglich in den Prozess der Rückerstattung einbezieht. Es handelt sich um einen Ausbau der derzeitigen Praxis.

Im Visier stehen vor allem ­ aber nicht ausschliesslich ­ NGO des Herkunftslandes.

Hingegen wird darauf verzichtet der Bundesrat darauf, eine allgemeine Publikationspflicht für solche Abkommen in der AS vorzusehen; dies würde zu einem übermässigen administrativen Aufwand führen. Zahlreiche Abkommen werden derzeit nicht in der AS publiziert, können jedoch in der Datenbank Staatsverträge eingesehen werden, die vom EDA (Direktion für Völkerrecht) nachgeführt wird.

Ausserdem kann in Anwendung des BGÖ in der Praxis den meisten Gesuchen um Einsichtnahme in solche Dokumente entsprochen werden.

5332

Absatz 3 enthält die Punkte, die normalerweise in einem derartigen Abkommen zu regeln sind. Die Aufzählung der in Buchstaben a­d aufgeführten Punkte ist nicht abschliessend.

Das Vorhandensein einer demokratisch gewählten Regierung im Herkunftsstaat ist nicht grundsätzlich eine Bedingung für eine Rückerstattung der eingezogenen Vermögenswerte. Im Einzelfall muss ein Weg gefunden werden, der gewährleistet, dass die Bevölkerung oder eine bestimmte Bevölkerungsgruppe im Herkunftsstaat von der Rückerstattung der Vermögenswerte profitiert (vgl. die Erläuterungen zu Art. 17). Unter bestimmten Umständen kann die Rückerstattung direkt an den Herkunftsstaat erfolgen, wenn dieser in der Lage ist, ernstzunehmende Garantien zur künftigen Verwendung der zurückerstatteten Gelder abzugeben. In der Regel trifft der Bundesrat jedoch mit dem Einverständnis des betreffenden Staates Dispositionen dafür, dass Programme von öffentlichem Interesse unter der Aufsicht unabhängiger Institutionen finanziert werden. Kommt keine Einigung mit dem Herkunftsstaat zustande, legt der Bundesrat gemäss Absatz 4 die Rückerstattungsmodalitäten fest.

Insbesondere kann er die eingezogenen Vermögenswerte über internationale oder nationale Institutionen rückerstatten und eine Überwachung durch das EDA vorsehen. Als letzte Möglichkeit oder bei einem schweren Konflikt können die zurückzuerstattenden Vermögenswerte zum Abbau der internationalen Verschuldung des Herkunftsstaates bei anderen Völkerrechtssubjekten oder zugunsten der humanitären Hilfe verwendet werden. Dafür kommen internationale Organisationen wie die Weltbank, das IKRK oder regionale Entwicklungsbanken in Frage, aber auch lokale Nichtregierungsorganisationen. Damit soll das gesamte Spektrum an möglichen Partnern abgedeckt werden, die eine transparente und effiziente Rückerstattung der Vermögenswerte gewährleisten.

Es ist festzuhalten, dass das Bundesgesetz vom 19. März 200476 über die Teilung eingezogener Vermögenswerte (TEVG) aufgrund seines Geltungsbereichs (Art. 2) nicht auf die Rückerstattung von Vermögenswerten anwendbar ist, die gestützt auf das vorliegende Gesetz eingezogen wurden.

Art. 19

Verfahrenskosten

Dieser Artikel entspricht weitgehend Artikel 10 RuVG und orientiert sich an Artikel 57 Absatz 4 UNCAC. Letzterer sieht die Möglichkeit vor, dass der ersuchte Vertragsstaat als Entschädigung für seine Bemühungen während des Rückgabeverfahrens «angemessene Kosten» abziehen kann. Die Botschaft zu diesem Übereinkommen präzisiert dazu: «Unter sind entstandene Kosten und Auslagen zu verstehen, keinesfalls aber Vermittlungshonorare oder andere nicht näher bestimmte Ausgaben»77. Die berücksichtigten Kosten entsprechen dem Mehraufwand der in solchen Fällen involvierten Schweizer Behörden. Mit dem abgezogenen Betrag sollen der Bund oder die Kantone für diesen Mehraufwand und gegebenenfalls für allfällige Mehrausgaben entschädigt werden. Erfahrungsgemäss verursacht die Bearbeitung solcher Dossiers bei den involvierten Schweizer Behörden tatsächlich einen ausserordentlichen Aufwand.

Die Bundesverwaltung beschäftigt sich zum Beispiel seit 1986 mit dem Fall Duvalier, und die Bearbeitung des Falls Mobutu dauerte zwölf Jahre, von 1997­2009.

76 77

SR 312.4 Botschaft vom 21. September 2007, BBl 2007 7349, hier 7406.

5333

Aufgrund dieser Erfahrungen und des erwähnten Artikels aus der UNCAC wurde als Abzug ein Maximalbetrag von 2,5 Prozent der eingezogenen Vermögenswerte festgelegt. Diese Bestimmung figuriert bereits im RuVG. Absatz 1 umfasst nebst den Kosten für die Sperrung und Rückerstattung neu auch die Kosten von Unterstützungsmassnahmen; damit wird der Anwendungsbereich dieser Regelung auf den ganzen Erlassentwurf ausgeweitet. Der tatsächlich einbehaltene Betrag wird im Einzelfall festgelegt. Es ist hervorzuheben, dass es sich dabei nicht um einen automatischen Abzug handelt. Gemäss Absatz 2 entscheidet der Bundesrat, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang im Einzelfall ein derartiger Pauschalbetrag in Abzug gebracht werden soll. Bei dieser Einschätzung stützt er sich unter anderem auf den Aufwand bzw. die geleistete Arbeit. Im Falle eines Abzuges eines bestimmten Betrages wird dieser dem Bund (Bundeskasse) oder den Kantonen gutgeschrieben. Der Bundesrat legt nebst dem Pauschalbetrag auch allfällige Teilungsmodalitäten zwischen Bund und Kantonen im Einzelfall fest. Dabei ist insbesondere an die Berücksichtigung von Kantonen zu denken, die im Rahmen eines bestimmten Falles selber umfangreiche Rechts- oder Strafverfahren geführt und damit auch zur Zusammenarbeit mit dem Herkunftsstaat beigetragen haben. Um die von den Kantonen im Verfahren von der Sperrung bis zur Rückerstattung eingesetzten Ressourcen angemessen zu berücksichtigen, ist Absatz 2 dahingehend ergänzt worden, dass der Bundesrat die betroffenen Kantone vor Festlegung des Pauschalbetrags und der Modalitäten für dessen Aufteilung anhört. Hingegen wurde die Möglichkeit, einen Teil der Verfahrenskosten den Finanzintermediären aufzuerlegen, trotz einiger entsprechender Vorschläge in der Vernehmlassung verworfen. Dies entspräche nicht den Sinn des vorliegenden Gesetzes. Sofern Finanzintermediäre ihre Sorgfaltspflicht im Sinne des GwG vernachlässigt haben, wird dies in einem anderen Verfahren geahndet.

Das TEVG ist nicht auf die Modalitäten der Teilung des Pauschalbetrags für die Verfahrenskosten zwischen Bund und Kantonen anwendbar ist. Selbst sinngemäss geben weder der Teilungsschlüssel nach Artikel 5 TEVG noch der Kostenabzug nach Artikel 4 Absatz 1 TEVG Aufschluss darüber, wie der Bundesrat bei der Aufteilung zwischen Bund und Kantonen zu verfahren hat.

2.3.6 Art. 20

Sechster Abschnitt: Rechtsschutz Gesuch um Streichung

Artikel 20 regelt den Rechtsschutz von natürlichen oder juristischen Personen, die im Rahmen einer Verordnung des Bundesrats mit einer Vermögenssperrung belegt worden sind. In der Regel wird es sich dabei um eine Vermögenssperrung zu Sicherungszwecken gemäss Artikel 3 handeln. In einem derartigen Fall ordnet der Bundesrat die Sperrung sämtlicher in der Schweiz gelegener Vermögenswerte eines bestimmten Kreises von Personen an. Ein Anhang zur Verordnung enthält die Liste der natürlichen und juristischen Personen, deren Vermögenswerte gesperrt sind. Um welche Vermögenswerte es sich genau handelt und wo diese gelegen sind, ist in diesem Stadium noch nicht bekannt. Die Anordnung zieht für einen nicht näher bestimmten Kreis von Adressaten, die derartige Vermögenswerte halten, verwalten oder von ihrer Existenz Kenntnis haben (Art. 3 in Verbindung mit Art. 7), Rechtsfolgen nach sich (effektive Sperrung, Meldepflicht etc). Dementsprechend ergeht die Sperrung gemäss Artikel 3 in der Regel in Form einer Verordnung.

5334

Vermögenssperren zu Sicherungszwecken greifen auch in die Rechte der betroffenen Personen ein. Ein wirksamer und effizienter Rechtsweg muss daher zwingend gegeben sein. Gleichzeitig ist der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die vorsorglichen Vermögenssperrungen weder anklagenden noch konfiskatorischen Charakter haben. Als reine Sicherungsmassnahme können an die Begründungstiefe nicht dieselben Anforderungen gestellt werden, wie bei einem endgültigen materiellen Entscheid oder einem Strafgerichtsurteil über Schuld oder Unschuld.

Der Erlassentwurf sieht gemäss Absatz 1 vor, dass von einer Sperrung betroffene natürliche und juristische Personen ein begründetes Gesuch um Streichung ihres im Anhang zur Sperrungsverordnung aufgelisteten Namens an das EDA richten können. Hier gelten die allgemeinen Verfahrensgrundsätze gemäss dem zweiten Abschnitt (Art. 7­43) des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 198678 (VwVG), insbesondere die Mitwirkungspflicht (Art. 13 VwVG). Gemäss Absatz 2 erlässt das EDA eine beschwerdefähige Verfügung. Diese Verfügung kann zunächst vor dem Bundesverwaltungsgericht, danach, in letzter Instanz, vor dem Bundesgericht im üblichen Rahmen der Bundesrechtspflege angefochten werden (vgl.

Art. 21). Diese Lösung entspricht dem Rechtsschutz, wie er bereits heute in Anwendung der direkt auf Artikel 184 Absatz 3 BV gestützten Sperrungsverordnungen79 gewährleistet ist. Die Verordnung des Bundesrates ist nicht selbständig anfechtbar (vgl. dazu den nachfolgenden Kommentar zu Art. 21 Abs. 3).

Art. 21

Beschwerde

Verfügungen nach dem Gesetzesentwurf sind gemäss Absatz 1 nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und gemäss Artikel 33 Buchstabe b Ziffer 3 VGG, der entsprechend angepasst wird, mittels Beschwerde beim Schweizerischen Bundesverwaltungsgericht anfechtbar. Dabei handelt es sich in erster Linie um Verfügungen, die gemäss den Artikeln 4 sowie 20 Absatz 2 erlassen werden.

Das RuVG hält in Artikel 11 Absatz 1 bereits fest, dass eine Sperrungsverfügung des Bundesrates mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden kann. Auch in Zukunft soll die Sperrung gemäss Artikel 4 des Entwurfs mittels Verfügung angeordnet werden. Sie beschlägt genau definierte Vermögenswerte unter der Verfügungsmacht einer bestimmten Anzahl Personen. Die allgemeine Formulierung von Artikel 21 Absatz 1 deckt somit auch die vom Bundesrat gestützt auf Artikel 4 erlassenen Sperrungsverfügungen im Hinblick auf die Einziehung ab.

Entsprechend der in Artikel 13 vorgesehenen Lösung erfolgt die Übermittlung von Informationen an den Herkunftsstaat gemäss den in Artikel 30 und Artikel 31 Buchstaben b und c und Artikel 32 Absatz 3 GwG dargelegten Bedingungen und Modalitäten. Eine solche Übermittlung ist absolut vertraulich und erfolgt nicht in Form einer Verwaltungsverfügung. Das heisst nicht, dass Personen, zu denen unaufgefordert Informationen an die ausländischen Behörden übermittelt werden, keinerlei Rechtsschutz geniessen: Selbstverständlich verfügen sie über den im Rahmen der Rechtshilfe anwendbaren Rechtsschutz80. Auch haben sie die Möglichkeit, gegen 78 79 80

SR 172.021.

Siehe Tunesien-Verordnung, Ägypten-Verordnung und Ukraine-Verordnung.

Insbesondere im Rahmen einer allfälligen Beschwerde gegen die Schlussverfügung im Rechtshilfeverfahren: BGE 125 II 238 E. 6a.

5335

eine spätere Sperrungsverfügung nach Artikel 4 Beschwerde einzulegen. Überdies können sie gegebenenfalls ihre Argumente im Rahmen einer allfälligen Klage auf Einziehung geltend machen, die gestützt auf Artikel 14 eingereicht wird. Angesichts aller dieser zur Verfügung stehenden Rechtsmittel darf davon ausgegangen werden, dass die vorgeschlagene Lösung der Rechtsweggarantie (Art. 29a BV) und den durch Abkommen gewährleisteten Rechten (Art. 6 und 13 EMRK) entspricht.

Absatz 2 regelt die aufschiebende Wirkung von Beschwerden gegen Verfügungen nach dem vorliegenden Gesetz. Normalerweise hat eine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht aufschiebende Wirkung (Art. 55 Abs. 1 VwVG). Da es sich aber um eine Vermögenssperrung handelt, würde der Zweck des Verfahrens durch eine aufschiebende Wirkung vereitelt, da die gesperrten Vermögenswerte während des laufenden Verfahrens aus der Schweiz abgezogen werden könnten. Aus diesem Grund entzieht Absatz 2 der Beschwerde die aufschiebende Wirkung. Der Beschwerdeentscheid des Bundesverwaltungsgerichts kann mit einer Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht angefochten werden, entsprechend den Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 200581 (BGG). Der zweistufige Instanzenzug entspricht schweizerischer Rechtspraxis. Dass die Beschwerde, wie in Absatz 2 vorgesehen, keine aufschiebende Wirkung hat, gilt auch für die Beschwerde ans Bundesgericht, sodass Artikel 103 Absatz 3 BGG nicht anwendbar ist. Was die vom Bundesrat gestützt auf Artikel 4 angeordneten Sperrungen betrifft, bildet Artikel 21 Absatz 1 somit eine Ausnahme vom Grundsatz von Artikel 189 Absatz 1 erster Satz BV, wonach Akte des Bundesrates nicht angefochten werden können. Diese Ausnahme ist angesichts der Tragweite der Sperrung für die durch die Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) geschützten Ansprüche gerechtfertigt.

Artikel 21 des in die Vernehmlassung geschickten Vorentwurfs nahm Artikel 11 Absatz 3 RuVG auf und sah vor, dass die Rüge der Unangemessenheit unzulässig sei. Im erläuternden Bericht wurde diese Ausnahme von Artikel 49 Buchstabe c VwVG mit dem erheblichen Ermessensspielraum gerechtfertigt, den der Bundesrat bei der Anordnung einer Sperrung hat. Im Vernehmlassungsverfahren betonten zahlreiche Teilnehmende die Notwendigkeit eines ausreichend starken
Rechtsschutzes, da mit den im Gesetzesentwurf vorgesehenen Massnahmen erheblich in die Rechte Privater eingegriffen werde. Vereinzelt wurde in einigen Stellungnahmen auch speziell unterstrichen, dass ein Ausschluss der Kontrolle der Angemessenheit im gegebenen Kontext nicht gerechtfertigt sei. Angesichts dieser Reaktionen ist es vorzuziehen, nicht von der in Artikel 49 VwVG vorgesehenen allgemeinen Regeln abzuweichen. Das Bundesverwaltungsgericht wird somit auch die Angemessenheit der Verfügungen prüfen können, die aufgrund des Gesetzesentwurfs erlassen werden. Dies soll es jedoch nicht daran hindern, bei dieser Prüfung gegebenenfalls Zurückhaltung zu üben. Im Übrigen kann das Bundesverwaltungsgericht bei der Prüfung der Gültigkeit von gestützt auf Artikel 184 Absatz 3 BV erlassenen Verordnungen bereits heute die Angemessenheit prüfen82, sodass diese Lösung den Vorteil einer gewissen Kontinuität aufweist.

Gemäss Absatz 3 können Sperrungsverordnungen nach dem Gesetzesentwurf nicht angefochten werden. Diese Lösung ist vom Bundesgericht in einem neueren Ent81 82

SR 173.110 Siehe z. B. Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts B-4797/2012 vom 5. Dezember 2013 Erw 10.

5336

scheid ausdrücklich gutgeheissen worden. Demnach kann die Verordnung ­ einschliesslich ihres Anhangs, in dem die betroffenen Personen und Organisationen aufgeführt werden ­ als solche nicht angefochten werden. Vielmehr muss die betroffene Person ihre Streichung aus dem Anhang beim zuständigen Departement beantragen, und dieses ist gehalten, eine beschwerdefähige Verfügung zu erlassen.83 Im zitierten Entscheid des Bundesgerichts ging es zwar um eine Verordnung in Umsetzung internationaler Sanktionen. Diese stützen sich seit dem 1. Januar 2003 auf das Embargogesetz vom 22. März 200284 (EmbG). Die vom Bundesgericht in diesem Entscheid entwickelten Grundsätze sind jedoch später vom Bundesverwaltungsgericht in einem Entscheid übernommen worden, in dem die Zulässigkeit einer Beschwerde gegen eine Änderung des Anhangs der Ägypten-Verordnung geprüft wurde.85 Sie sind daher im Gesetzesentwurf zu widerspiegeln.

Die Rechtsweggarantie ist somit durch die Möglichkeit der Einreichung eines Gesuchs um Streichung gemäss Artikel 20 sowie dem anschliessenden Erlass einer begründeten und beschwerdefähigen Verfügung gewährleistet. Die im Anhang zur Sperrungsverordnung aufgeführten Personen sind beschwerdelegitimiert und können die Verletzung von Grundrechten geltend machen (so z. B. die Verletzung der Eigentumsgarantie oder die Verletzung der Wirtschaftsfreiheit). Artikel 5 Absatz 2 verschafft darüber hinaus Personen, gegen die sich die Anordnung einer Vermögenssperrung nachträglich als unbegründet erweist, einen expliziten Anspruch auf Streichung und damit Aufhebung der Sperrung.

2.3.7

Art. 22

Siebter Abschnitt: Zusammenarbeit unter Schweizer Behörden, Datenbearbeitung und Berichterstattung Zusammenarbeit unter schweizerischen Behörden

Zur Umsetzung des vorliegenden Erlasses, insbesondere im Bereich Anordnung und Vollzug von Vermögenssperrungen, ist es wichtig, dass die einzelnen Behörden Informationen und Dokumente austauschen können. Artikel 22 regelt deshalb die Amtshilfe zwischen den Behörden in der Schweiz. Die Weitergabe von Informationen zwischen Behörden innerhalb der Schweiz ist bereits Gegenstand von Artikel 14 der Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung vom 25. November 199886, der die Verwaltungseinheiten der Bundesverwaltung zur Zusammenarbeit verpflichtet: So sind den anderen Verwaltungseinheiten diejenigen Auskünfte zu erteilen, die für deren gesetzliche Aufgabenerfüllung erforderlich sind. Die Informationsweitergabe ist zudem nach geltendem Recht Gegenstand verschiedener spezialgesetzlicher Bestimmungen87. Auch das RuVG regelt in Artikel 12 Absatz 2 die Übermittlung der zum Vollzug dieses Gesetzes notwendigen Angaben an das EDA oder das EFD. Demzufolge soll auch der Gesetzesentwurf eine ausformulierte Bestimmung zur Amtshilfe zwischen Schweizer Behörden enthalten.

83 84 85 86 87

BGE 139 II 384, E. 2.3 SR 946.231 Urteil B-5187/2012 vom 25. Juli 2013 SR 172.010.1 So z. B. Art. 194 StPO

5337

In der Vernehmlassung wurde diese Bestimmung nicht grundsätzlich kritisiert.

Einige Vernehmlassungseilnehmer schlugen jedoch vor, die in Absatz 1 und 2 angesprochene Bekanntgabe von Informationen unter Behörden solle unaufgefordert und nicht nur «auf Verlangen» erfolgen. Dieser Vorschlag wurde hauptsächlich aus praktischen Gründen im Entwurf nicht berücksichtigt, denn es sollen keine unnötigen und potenziell ressourcenaufwendigen Informationsübermittlungen ausgelöst werden. Zudem wird die MROS bereits mit Artikel 7 Absatz 6 des Entwurfs verpflichtet, von Amtes wegen bestimmte Informationen an das EDA und das BJ zu übermitteln.

Absatz 1 sieht vor, dass die Behörden des Bundes und der Kantone den zuständigen Departementen EDA und EFD auf Verlangen die zum Vollzug des Gesetzesentwurfes erforderlichen Informationen und Personendaten bekanntgeben müssen. Dieser Absatz enthält insbesondere die notwendige gesetzliche Grundlage, damit die für die Behandlung des Rechtshilfeverfahrens zuständige Behörde88 ihr Dossier an das EDA weiterleiten kann. Die Tätigkeit gewisser Fachstellen der Bundesverwaltung ist durch Spezialgesetze geregelt, in denen die Behörden, die von diesen Stellen Informationen erhalten können, ausdrücklich bezeichnet werden. Artikel 22 Absatz 1 des Gesetzesentwurfes sieht aufgrund seiner Formulierung vor, dass kein Konflikt mit diesen spezialgesetzlichen Regelungen entsteht. Aufgrund des Grundsatzes, wonach ein Spezialgesetz einem allgemeinen Gesetz vorgeht (lex specialis derogat legi generali), sind die betroffenen Stellen verpflichtet, Informationen nur aufgrund dieser Spezialgesetze zu übermitteln. Als Beispiel kann hier die Meldestelle herangezogen werden, die nur dann Amtshilfe leisten kann, wenn diese dem Zweck der Bekämpfung der Geldwäscherei, deren Vortaten, der organisierten Kriminalität oder der Terrorismusfinanzierung dient.

Gemäss Absatz 2 soll es dem EDA möglich sein, auf Verlangen Informationen und Personendaten an Bundes- sowie Kantonsbehörden zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben bekannt zu geben. Angesichts des Geltungsbereichs des vorliegenden Erlasses kann es sich dabei nur um die jeweiligen Aufsichts-, Rechtshilfe- oder mit dem Vollzug eines Rechtshilfeersuchens oder Strafverfahrens betraute Behörden handeln. Der Gesetzestext sieht diese Einschränkung explizit
vor. Insbesondere soll Absatz 2 dem BJ ermöglichen, beim EDA die Daten und Informationen zu beschaffen, die es für die Bewertung der Situation in dem ersuchenden Staat im Hinblick auf die Einhaltung der Verfahrensgrundsätze nach Artikel 2 Buchstabe a IRSG benötigt.

Absatz 3 regelt die Information des EDA durch das BJ oder durch die sonst mit der Ausführung eines Rechtshilfeersuchens betraute Behörde. Diese Bestimmung war bereits in Artikel 12 Absatz 1 RuVG enthalten. Sie soll gewährleisten, dass das BJ als für die Rechtshilfe zuständiges Amt das EDA frühzeitig über Fälle informiert, in denen ein Rechtshilfeverfahren zu einer PEP aufgrund des Versagens staatlicher Strukturen im ersuchenden Staat zu einem negativen Entscheid führen könnte (Buchstabe a). So bleibt dem EDA genügend Zeit, um den Bundesrat über den Fall zu informieren und ihm vorzuschlagen, die betreffenden Vermögenswerte auf der Grundlage des Gesetzesentwurfes zu sperren bevor die Sperrung im Rahmen des Rechtshilfeverfahrens aufgehoben wird. Diese Informationspflicht wurde für Fälle hinzugefügt, in denen sich sofort abzeichnet, dass ein Rechtshilfeverfahren aufgrund 88

Dabei wird es sich in erster Linie um die BA, aber auch um kantonale Strafverfolgungsbehörden handeln.

5338

ungenügender menschenrechtlicher Standards im Herkunftsstaat ausgeschlossen ist (Buchstabe b) oder in denen ein bereits hängiges Ersuchen aus denselben Gründen abgelehnt werden muss (Bst. c).

Art. 23

Datenbearbeitung

Dieser Artikel bildet die gesetzliche Grundlage, die den mit der Umsetzung des Gesetzesentwurfs und der zu seiner Umsetzung erlassenen Sperrungsverordnungen betrauten Behörden die Bearbeitung von Personendaten erlaubt. Es sind im Wesentlichen das EDA, die MROS, das BJ und das EFD, die befugt sind, zur Wahrnehmung der ihnen von Gesetzes wegen zugewiesenen Aufgaben Personendaten, einschliesslich Daten über administrative oder strafrechtliche Verfolgungen und Sanktionen zu bearbeiten, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben gemäss Gesetzesvorlage notwendig ist. Es gelten die allgemeinen datenschutzrechtlichen Grundsätze gemäss DSG. Mit dieser Bestimmung wird ausdrücklich daran erinnert, dass die zuständigen Behörden sogar besonders schützenswerte Personendaten bearbeiten dürfen, wenn dies zur Behandlung des Einzelfalles unabdingbar ist. Dieser Fall wird insbesondere bei der Behandlung von Gesuchen um Streichung (Art. 20 Abs. 1) eintreten. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass der Entwurf die Bundesbehörden ausdrücklich ermächtigt, besonders schützenswerte Daten im Rahmen der Bekanntmachung und Anpassung der Listen zu bearbeiten und zu veröffentlichen (vgl. die Ausführungen zu Art. 5).

Art. 24

Berichterstattung

Diese im Vorentwurf nicht enthaltene Bestimmung wurde eingefügt, nachdem verschiedene Kreise in der Vernehmlassung mehr Transparenz gefordert hatten. Der Beitrag des Gesetzesentwurfs zur Transparenz, zur Voraussehbarkeit und zur Rechtssicherheit der Schweizer Politik im Bereich der Potentatengelder wurde insgesamt als Stärke anerkannt. Mehrere Teilnehmende schlugen vor, in verschiedener Hinsicht die Rechtsgarantien in diesem Bereich zu stärken. Dies war der Fall bezüglich Verfahren und Modalitäten der Rückerstattung von Vermögenswerten, bezüglich der Anordnung der Sperrungen im Hinblick auf eine Rechtshilfezusammenarbeit und bezüglich der Unterstützungsmassnahmen. In diesem Zusammenhang und in dem Bestreben, diesen Anliegen zu entsprechenwurde die Information des Parlaments verstärkt. Infolgedessen sieht der Erlass vor, dass das EDA die zuständigen parlamentarischen Kommissionen regelmässig über die in Anwendung des künftigen Gesetzes getroffenen Massnahmen unterrichtet. Diese Information ändert nichts an der vom Erlass vorgesehenen Aufgabenverteilung, sodass der Bundesrat auch weiterhin einen Grossteil der Aufgaben wahrnimmt. So bleibt der Bundesrat insbesondere auch künftig für die Anordnung von Sperrungen im Hinblick auf eine Rechtshilfezusammenarbeit auf der Grundlage der in Artikel 3 genannten Voraussetzungen zuständig. Die parlamentarischen Kommissionen werden in Zukunft jedoch dank des jährlichen Berichts des EDA, der ihnen Gelegenheit gibt, sich besser als heute über die Beweggründe von Sperrungen zu informieren, verstärkt in die Umsetzung dieses Mechanismus eingebunden sein. Dieser Bericht wird die parlamentarischen Kommissionen auch über die Entwicklungen in den von Sperrungen betroffenen Ländern, über die Dauer der Sperrungen und über die Gründe einer allfälligen Verlängerung informieren. Der Bericht des EDA kann auch Informationen über andere Massnahmen im Rahmen der Umsetzung des Erlasses enthalten, so etwa über den Stand von Einziehungsverfahren (vierter Abschnitt), Fortschritte bei 5339

den Rückerstattungsmechanismen (fünfter Abschnitt) oder Unterstützungsmassnahmen (dritter Abschnitt). Bei Letzterem geht es vor allem um die technische Unterstützung (Art. 12). Nicht Gegenstand des Berichts ist die Übermittlung von Informationen an den Herkunftsstaat (Art. 13), da diese Massnahme mit strengen Vorschriften in Bezug auf die Vertraulichkeit verbunden ist.

Das EDA wird vor Finalisieren des Berichts die anderen betroffenen Departemente anhören. Denn mehrere Departemente und Bundesämter sind von der Umsetzung des Gesetzes betroffen. Es handelt sich vor allem um das EFD in Bezug auf die Strafbestimmungen und Einziehungsverfahren, um das BJ in Bezug auf die Rechtshilfe und technische Unterstützung und um die MROS bezüglich der Meldepflichten und der Übermittlung von Information ans Ausland. Ebenso ist es angezeigt, das SECO vor dem Hintergrund seiner Zuständigkeit für das EmbG zu konsultieren.

Was den Adressatenkreis des jährlichen EDA-Berichts betrifft, so sind die zuständigen parlamentarischen Kommissionen der Bundesversammlung aus Gründen der Vertraulichkeit der Debatten der Bundesversammlung vorzuziehen, da die im Bericht vorgelegten Informationen und Kommentare kritische Anmerkungen zur Situation im Herkunftsstaat enthalten können. Aus Gründen der Gewaltenteilung hat die Bundesversammlung zu entscheiden, welche Kommissionen für die Prüfung des EDA-Berichts zuständig sind.

2.3.8

Achter Abschnitt: Strafbestimmungen

Gemäss den gegenwärtig in Kraft stehenden Sperrungsverordnungen89 wird die vorsätzliche und fahrlässige Verletzung der Vermögenssperre mit Busse bis zum zehnfachen Betrag der Vermögenswerte bestraft, über die verfügt wurde oder welche ins Ausland überwiesen wurden. Die vorsätzliche und fahrlässige Meldepflichtverletzung ist in den Verordnungen mit Busse bis zu 20 000 Franken bedroht.

Die vorgeschlagenen Strafbestimmungen im Gesetzesentwurf lehnen sich an Strafbestimmungen in anderen Gesetzen mit vergleichbarer strafrechtlicher Regelungsmaterie an. So bestehen bezüglich der Verletzung der Vermögenssperre Parallelen zu Artikel 289 StGB. Mit Blick auf die Verletzung von Melde- und Auskunftspflichten bestehen Parallelen zur Meldepflichtverletzung gemäss Artikel 37 GwG. Die prozessualen Bestimmungen des Gesetzesentwurfes basieren schliesslich auf bewährten Bestimmungen aus dem Finanzmarktaufsichtsgesetz vom 22. Juni 200790 (FINMAG). Die vorgeschlagene neue Regelung sieht im Unterschied zu den Sperrungsverordnungen vor, dass die Strafandrohung dem Umstand einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Begehung Rechnung trägt. Zudem wird eine absolute Strafobergrenze eingeführt.

Art. 25

Verletzung der Vermögenssperre

Diese Strafbestimmung betreffend die Verletzung der Vermögenssperre entspricht Artikel 5 Absatz 1 der Sperrungsverordnungen. Gemäss Artikel 9 des Gesetzesentwurfes kann das EDA einzelne gesperrte Vermögenswerte freigeben. Liegt keine

89 90

Vgl. Art. 5 Tunesien-Verordnung, Ägypten-Verordnung und Ukraine-Verordnung.

SR 956.1

5340

Freigabe bzw. Bewilligung des EDA vor, ist die Vornahme entsprechender Handlungen rechtswidrig und steht unter Strafe.

In Anlehnung an die Strafdrohung von Artikel 289 StGB (Bruch amtlicher Beschlagnahme), der eine vergleichbare Regelungsmaterie aufweist, wird die vorsätzliche Tatbegehung neu als Vergehen ausgestaltet. Damit wird dem erhöhten Unrechtsgehalt der Tat sowie dem Aspekt der Generalprävention verstärkt Rechnung getragen.

Die fahrlässige Tatbegehung ist weiterhin als Übertretung ausgestaltet, soll aber neu mit Busse bis zu 250 000 Franken bestraft werden. Damit bewegt sich der Strafrahmen im gleichen Bereich wie für fahrlässige Widerhandlungen gegen Strafbestimmungen im Finanzmarktbereich91.

Art. 26

Verletzung der Melde- und Auskunftspflicht

Dieser Tatbestand übernimmt die Funktion von Artikel 5 Absatz 2 der gegenwärtig in Kraft stehenden Sperrungsverordnungen, sieht aber neu unterschiedliche Strafandrohungen für die vorsätzliche und fahrlässige Begehung vor.

Die Regelungsmaterie von Artikel 26 ist vergleichbar mit jener der Meldepflichtverletzung bei Geldwäschereiverdacht nach Artikel 37 GwG. Während die Meldung nach Artikel 9 GwG Voraussetzung für die Sperrung der betreffenden Vermögenswerte ist (vgl. Art. 10 GwG), sind die Meldungen und Auskünfte nach Artikel 7 des vorliegenden Gesetzesentwurfes die Folge von Vermögenssperrungen. Damit nimmt die Meldung im Hinblick auf die Sicherung der zu sperrenden Vermögenswerte nicht die gleiche Stellung ein. Vor diesem Hintergrund ist eine niedrigere Strafandrohung als bei Artikel 37 GwG gerechtfertigt.

Art. 27

Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben

Die Regelung in Artikel 27 entspricht jener von Artikel 49 FINMAG für Straftaten nach dem FINMAG und den Finanzmarktgesetzen. Ohne eine solche Bestimmung könnten gemäss Artikel 7 des Bundesgesetzes vom 22. März 197492 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR) lediglich Bussen bis 5000 Franken unter Verzicht auf die Ermittlung der verantwortlichen natürlichen Person dem Geschäftsbetrieb auferlegt werden.

Angesichts der Bussenrahmen sowohl im Finanzmarktbereich als auch in den vorgesehenen Strafbestimmungen des Gesetzesentwurfs handelt es sich bei Delikten, für die im konkreten Fall eine Busse zwischen 5000 und 50 000 Franken in Frage kommt, regelmässig um leichte Fälle. Deshalb soll es in diesem Bereich mit Blick auf die Verfahrensökonomie möglich sein, bei unverhältnismässigem Aufwand auf die Ermittlung der individuell verantwortlichen natürlichen Personen zu verzichten und die Busse stattdessen dem Geschäftsbetrieb aufzuerlegen.

Art. 28

Zuständigkeit

Die Sperrungsverordnungen sehen die Zuständigkeit des EFD für die verwaltungsstrafrechtliche Untersuchung und Ahndung von Verstössen gegen die Strafbestim91 92

Zum Beispiel die Art. 44 Abs. 2 und 45 Abs. 2 FINMAG.

SR 313.0

5341

mungen vor. Diese Zuständigkeit soll für die Strafbestimmungen des Gesetzesentwurfes beibehalten werden.

Die Regelung von Artikel 28 entspricht inhaltlich jener von Artikel 50 FINMAG.

Das Verfahren richtet sich nach den Bestimmungen des VStrR.

Im Vernehmlassungsverfahren forderten einige Teilnehmende, dass die Zuständigkeit für die Verfolgung von Verstössen gegen den Gesetzesentwurf der BA übertragen werden solle und dass anstelle des VStrR das StGB als anwendbar zu erklären sei. Dies wurde damit begründet, dass diese Lösung den Grundsätzen eines Rechtsstaates besser entsprechen würde, was in sensiblen Bereichen, in denen es um die Aufklärung komplexer Sachverhalte gehe, besonders wichtig wäre. Zudem werde so eine allfällige Überweisung der Akten vom EFD an die BA vermieden, wie sie in Absatz 2 vorgesehen ist; dies sei eine wenig effiziente Massnahme, da sie bedeute, dass die zweite Behörde sich erneut in die Arbeit der ersten vertiefen müsse.

Die vorliegende Lösung, wonach das VStrR anwendbar ist und die Zuständigkeit beim EFD liegt, entspricht dem System des FINMAG. Angesichts der Ähnlichkeiten mit den im Entwurf vorgesehenen Sanktionen scheint die Beibehaltung dieser Lösung gerechtfertigt. Der Satz, wonach die Vertreterin oder der Vertreter der BA und die Vertreterin oder der Vertreter des EFD zur Hauptverhandlung nicht persönlich erscheinen müssen, wurde jedoch gestrichen. Die potenzielle Bedeutung der betreffenden Fälle und das damit verbundene öffentliche Interesse rechtfertigen durchaus die Anwesenheit dieser Personen bei den Verhandlungen des Bundesstrafgerichts.

Art. 29

Vereinigung der Strafverfolgung

Diese Bestimmung lehnt sich an Artikel 51 FINMAG an. Sie ermöglicht die Vereinigung einer vom EFD geführten Strafuntersuchung mit einer von einer kantonalen oder bundesrechtlichen Strafverfolgungsbehörde geführten Strafuntersuchung, sofern ein enger Sachzusammenhang besteht. Artikel 51 FINMAG übernimmt weitgehend das in Artikel 20 Absatz 3 VStrR vorgesehene System der Vereinigung der Strafverfolgung, allerdings ohne die vorgängige Zustimmung der Strafverfolgungsbehörden vorzusehen. Die Vereinigung von Verwaltungsstrafverfahren mit Verfahren im ordentlichen Strafrecht ist somit möglich, wenn gegen denselben Täter, gegen den bereits ein Strafverfahren wegen gemeinrechtlicher Delikte eingeleitet wurde, auch wegen verwaltungsstrafrechtlicher Tatbestände ermittelt werden soll (subjektive Konnexität). Darüber hinaus müssen die verwaltungsstrafrechtlichen Tatbestände mit den gemeinrechtlichen Anschuldigungen nach StGB in engem sachlichem Zusammenhang stehen (sachliche Konnexität).93 Die vom Gesetzesentwurf erfassten Tatbestände betreffen insbesondere die Tatbestände nach Artikel 305bis (Geldwäscherei) und 305ter (Mangelnde Sorgfalt bei Finanzgeschäften und Melderecht) Absatz 1 StGB, die in den Zuständigkeitsbereich der Strafverfolgungsbehörden fallen.

Wenn ein enger Sachzusammenhang zwischen den beiden Verfahren besteht (Abs. 1 Bst. a) und die Sache noch nicht beim urteilenden Gericht hängig ist (Abs. 1 Bst. b), ist die Vereinigung möglich (Kann-Bestimmung), sofern sie das Verfahren nicht unnötig verzögert (Abs. 1 Bst. c). Dagegen muss das EFD die Vereinigung der 93

Botschaft vom 28. Januar 1998 zur Verbesserung der Effizienz und der Rechtsstaatlichkeit in der Strafverfolgung, BBl 1998 1561

5342

Verfahren zwingend anordnen, wenn derselbe Sachverhalt sowohl Gegenstand einer ordentlichen Strafklage als auch einer Strafbestimmung im Sinne des Gesetzesentwurfs ist. Niemand darf nämlich wegen einer Straftat, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut verfolgt oder bestraft werden. Dieses Recht, das mit der Wendung ne bis in idem ausgedrückt wird, wird durch Artikel 4 Absatz 1 des Protokolls Nr. 7 vom 22. November 198494 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet.

Indirekt ist es auch in der BV enthalten. Ausserdem sieht Artikel 11 Absatz 1 StPO mit dem Titel «Verbot der doppelten Strafverfolgung» vor, dass niemand, der in der Schweiz rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, wegen der gleichen Straftat erneut verfolgt werden darf95. Artikel 28 des Entwurfs muss daher im Einklang mit diesen Grundsätzen angewandt werden (Grundsatz der konformen Auslegung).

2.3.9 Art. 30

Neunter Abschnitt: Schlussbestimmungen Vollzug

Der Bundesrat wird ermächtigt, die Ausführungsbestimmungen zu diesem Gesetz zu erlassen. Im Vorentwurf, der in die Vernehmlassung geschickt wurde, fehlte dieser Artikel. Nach Abschluss der Vernehmlassung und in Anbetracht bestimmter technischer Fragen, die einer Regelung bedürfen, um mehr Klarheit und Rechtssicherheit bei der künftigen Anwendung des Gesetzes zu gewährleisten, wurde es als sinnvoll erachtet, Ausführungsbestimmungen vorzusehen. Dies gilt insbesondere für die Modalitäten der Zusammenarbeit zwischen dem EDA, dem BJ und der MROS (vgl.

Art. 7 Abs. 6 in Verbindung mit Art. 13).

Art. 31

Aufhebung und Änderung anderer Erlasse

Gemäss Absatz 1 wird das RuVG. Die Aufhebung erfolgt aufgrund der Integration sämtlicher materiell-rechtlicher Bestimmungen des RuVG in den Gesetzesentwurf.

Absatz 2 verweist auf diejenigen Bundesgesetze, die aufgrund des Gesetzesentwurfes eine Änderung erfahren. Im Zeitpunkt des Inkrafttretens des RuVG wurde das VGG96 in Artikel 33 Buchstabe b um eine neue Ziffer 3 ergänzt, damit Beschwerden gegen eine Sperrungsverfügung im Rahmen des RuVG zulässig sind. In Artikel 35 wurde zudem vorgesehen, dass das Bundesverwaltungsgericht Ersuchen um Einziehung von Vermögenswerten aufgrund des RuVG beurteilt. Bei beiden Ergänzungen muss infolge Aufhebung des RuVG neu die vorliegende Gesetzesgrundlage erwähnt werden. Dasselbe gilt für Artikel 44 SchKG (Verwertung beschlagnahmter Gegenstände), wo anstelle des RuVG der Gesetzesentwurf Erwähnung finden muss.

94 95 96

SR 0.101.07 BGE 137 I 363 E. 2.1 mit weiteren Hinweisen.

SR 173.32

5343

Art. 32

Übergangsbestimmungen

Absatz 1 betrifft vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erlassene Sperrungsverfügungen des Bundesrats. Solche Sperrungen können zunächst auf dem RuVG beruhen. Sofern sie bei Inkrafttreten des vorliegenden Gesetzes noch hängig sind, gelten sie automatisch als Sperrungen im Sinne von Artikel 4. Damit wird der Weg für ein Einziehungsverfahren beim Bundesverwaltungsgericht frei. Diese Lösung ist gerechtfertigt, da der Gesetzesentwurf das RuVG ersetzen soll, das mit seinem Inkrafttreten formell aufgehoben wird. Es handelt sich also um die Beibehaltung einer weitgehend unveränderten rechtlichen Regelung von Situationen, in denen staatliche Strukturen versagen.

Die Sperrungen, um die es hier geht, können jedoch auch direkt gemäss Artikel 184 Absatz 3 BV angeordnet werden. Das vorliegende Gesetz, dessen Geltungsbereich weiter gefasst ist als derjenige des RuVG, soll eine Lösung auch für Sperrungen bieten, die zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens möglicherweise noch hängig sind.

Bei einem endgültigen Scheitern der Rechtshilfe soll es möglich sein, unter Berufung auf das vorliegende Gesetz (Art. 14­16) eine verwaltungsrechtliche Einziehung der betreffenden Vermögenswerte vorzunehmen, damit sich vor einem Schweizer Gericht feststellen lässt, ob ihre Herkunft als unrechtmässig angesehen werden kann.

Diese Übergangsbestimmung ist folglich erforderlich, um das stossende Ergebnis zu verhindern, dass diese Vermögenswerte den Eigentümern allein deshalb zurückerstattet werden müssen, weil der Bundesrat ihre Sperrung vor Inkrafttreten des vorliegenden Gesetzes angeordnet hat.

Absatz 2 betrifft Klagen auf Einziehung, die auf der Basis des RuVG beim Bundesverwaltungsgericht hängig sind. In solchen Fällen muss die Frage der Rückwirkung anhand folgender Grundsätze geprüft werden: Gemäss den allgemeinen Regeln in Bezug auf die Frage des anwendbaren Rechts bei fehlenden Übergangsbestimmungen97 ist die Anwendung einer Norm auf Sachverhalte, die sich vor deren Inkrafttreten abschliessend verwirklicht haben, grundsätzlich verboten98. In Abweichung von diesem allgemeinen Grundsatz sind neue Verfahrensregeln im Moment ihres Inkrafttretens vollumfänglich auf noch hängige Fälle anwendbar. Das Verwaltungsverfahren kennt eine Ausnahme von der unmittelbaren Anwendbarkeit des neuen Verfahrensrechts; diese ist nur zulässig, wenn
zwischen dem alten und dem neuen Recht eine Kontinuität des verfahrensrechtlichen Systems besteht und die Verfahrensänderungen nur punktuell sind. Hingegen bleibt das alte Verfahrensrecht in denjenigen Situationen anwendbar, in denen das neue Verfahrensrecht im Vergleich zum vorherigen verfahrensrechtlichen System einen Bruch darstellt und grundlegende Änderungen der Verfahrensordnung mit sich bringt99. Im vorliegenden Fall besteht eine Kontinuität des neuen Rechts mit dem RuVG. Demzufolge ist es zulässig vorzusehen, dass das neue Gesetz auch für Klagen auf Einziehung von Vermögenswerten anwendbar ist, die bei Inkrafttreten des Gesetzesentwurfs beim Bundesverwaltungsgericht hängig sind.

In den Übergangsbestimmungen nicht ausdrücklich geregelt wird der Fall von Vermögenswerten, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des vorliegenden Gesetzesentwurfs Sperrungen unterliegen, welche aufgrund von Verordnungen des Bundes97 98 99

BGE 131 V 425 E. 5.1 S. 429 BGE 137 II 371 E. 4.2 BGE 137 II 409 E. 7.4.5; 130 V 1 E. 3.3.2 S. 5 f.; 112 V 356 E. 4a und 4b S. 360 f.; 111 V 46 E. 4 S. 47.

5344

rates nach Artikel 184 Absatz 3 BV erlassen wurden. Bereits verlängerte Verordnungen des Bundesrates (Tunesien-Verordnung und Ägypten-Verordnung) werden infolge von Artikel 7c RVOG bei Inkrafttreten des neuen Gesetzes hinfällig (Art. 7c Abs. 4 Bst. b RVOG). Da mit dieser Bestimmung des RVOG die Beibehaltung einer Ausnahmeregelung nach Inkrafttreten der neuen förmlichen Rechtsgrundlage verhindert werden soll, ist es angebracht, auch die noch nicht verlängerten Verordnungen (Ukraine-Verordnung) zu ersetzen, selbst wenn ihr Fall nicht ausdrücklich durch das RVOG geregelt ist. In allen Fällen (Tunesien, Ägypten und Ukraine) muss der Bundesrat somit nach Artikel 3 neue Verordnungen erlassen, welche zeitgleich mit der neuen Gesetzesgrundlage in Kraft treten, um die hinfällig werdenden Verordnungen zu ersetzen.

Art. 33

Referendum und Inkrafttreten

Diese Bestimmung ist aufgrund von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe a BV zwingend (Fakultatives Referendum).

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

Der Gesetzesentwurf führt zu keinen dauerhaften neuen Ausgaben für den Bund.

Die im dritten Abschnitt aufgeführten Unterstützungsmassnahmen sollen gemäss heutiger und gängiger Praxis im Rahmen der jährlich bewilligten Mittel des EDA bestritten werden. Hingegen könnten die neuen Kompetenzen, die der MROS im Bereich der Übermittlung von Informationen an den Herkunftsstaat gewährt werden (Art. 13) und die ebenfalls Unterstützungsmassnahmen gemäss Abschnitt 3 bilden, einen gewissen Mehraufwand verursachen. Um die Meldungen gemäss Artikel 7 des vorliegenden Gesetzes ebenso wie die Übermittlungen an die ausländischen FIU (Art. 13) zu tätigen, könnte die MROS vorübergehend mehr Personal benötigen. Der Bundesrat kann diese Ressourcen dann zusprechen, wenn die Bedingungen für die Anwendung des vorliegenden Gesetzes erfüllt sind. Ein Datenverarbeitungssystem zur Umsetzung dieses Gesetzes, das vom bestehenden System gemäss Artikel 23 Absatz 3 GwG unabhängig ist, muss hingegen bereits auf das Inkrafttreten hin erstellt werden. Sollte eine weitere historische Ausnahmesituation wie der Arabische Frühling eintreten, wäre mit einem Mehraufwand für verschiedene Bundesstellen zu rechnen. Betroffen wäre nebst der MROS auch die DV, welche die Sperrungen vorbereitet, die erforderlichen Entscheidungen zur Verwaltung der gesperrten Vermögenswerte trifft und über Anträge auf Streichung befindet. Betroffen wäre zudem das EFD, das Klagen auf Einziehung vor dem Bundesverwaltungsgericht vorbereitet und einleitet. Gemäss Artikel 19 kann zur Deckung der Kosten ein Pauschalbetrag von maximal 2,5 Prozent der eingezogenen Vermögenswerte zugunsten des Bundes in Abzug gebracht werden. Es kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass damit die Kosten des Bundes gedeckt sind.

5345

3.2

Auswirkungen auf die Kantone

Was die Kantone anbelangt, so sind weder zusätzliche finanzielle noch personelle Auswirkungen ersichtlich. Die Kantone werden lediglich von zwei Artikeln im Gesetzesentwurf berührt. Artikel 19 sieht vor, dass auch zugunsten der Kantone ein Pauschalbetrag abgezogen werden kann, wobei der Bundesrat im Einzelfall sowohl den Betrag als auch allfällige Teilungsmodalitäten zwischen Bund und Kantonen festlegt. Gemäss Artikel 22 Absatz 1 müssen die kantonalen Behörden den im Rahmen dieser Gesetzesvorlage zuständigen Departementen (d. h. dem EDA und dem EFD) auf Ersuchen die für den Vollzug der Vorlage erforderlichen Informationen und Personendaten bekannt geben. Umgekehrt kann es aber auch das EDA sein, das solche Angaben den kantonalen Behörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben zur Kenntnis bringt (Art. 22 Abs. 2). Im Hinblick auf die Einleitung eines Einziehungsverfahrens hat die allenfalls mit dem Vollzug eines Rechtshilfeersuchens betraute zuständige kantonale Strafverfolgungsbehörde das EDA ausserdem gemäss Artikel 22 Absatz 3 zu informieren. Es ist davon auszugehen, dass die bisherigen Ressourcen für die Behandlung der wenigen Fälle aus, die sich aus der Anwendung dieses Gesetzesentwurfes auf kantonaler Ebene ergeben werden, ausreichen.

3.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Der Gesetzesentwurf schafft grundsätzlich keine neuen Verpflichtungen, insbesondere auch keine zusätzlichen Regulierungen für die Finanzintermediäre. Auch wird die neue Rechtsgrundlage zu keinem nennenswerten zusätzlichen Administrativaufwand für die Finanzintermediäre führen. Bereits heute sind diese gehalten, Sperrungen des Bundesrates, die sich bisher auf Artikel 184 Absatz 3 BV stützten, dem EDA mit den entsprechenden Angaben über die involvierten Geschäftsbeziehungen zu melden. Zudem bringt der Entwurf eine merkliche Vereinfachung ihrer Aufgabe mit sich, da Meldungen aufgrund von Artikel 7 neu an ein «Guichet unique» bei der MROS zu richten sind. Nebst der nun auf Gesetzesstufe (Art. 7 Abs. 1 und 2) verankerten Meldepflicht kann allenfalls ein leichter Mehraufwand durch die zusätzlich statuierte Auskunftspflicht entstehen, die sich aus Artikel 7 Absatz 4 ergibt. Danach müssen die Institutionen, die verpflichtet sind, das Vorhandensein von Vermögenswerten zu melden, die unter eine Sperrungsmassnahme fallen, auf Verlangen der MROS Auskünfte im Zusammenhang mit den gemeldeten Vermögenswerten erteilen oder entsprechende Unterlagen nachreichen. Aufgrund des beschränkten Anwendungsbereichs der Gesetzesvorlage werden sich solche Anfragen seitens der Behörden allerdings in Grenzen halten und kaum zu einer nennenswerten Zusatzbelastung für die Finanzintermediäre führen.

Im Fokus des Gesetzesentwurfs stehen nicht generell sämtliche Vermögenswerte von PEP in der Schweiz. Die geltenden gesetzlichen Bestimmungen betreffend Geldwäschereibekämpfung erlauben es den Finanzintermediären, Geschäftsbeziehungen zu PEP zu unterhalten, allerdings unter Wahrnehmung erhöhter Sorgfaltspflichten. Dies entspricht den internationalen Standards, ist bereits heute geltendes Recht und soll auch im Zug der Umsetzung der revidierten GAFI-Empfehlungen (s. Ausführungen zu Art. 2) beibehalten werden. Gegenstand des vorliegenden Erlasses sind Vermögenswerte, die unter der Verfügungsmacht von PEP stehen, die sich vermutlich der Korruption, der ungetreuen Geschäftsbesorgung oder anderer Verbrechen schuldig gemacht haben. Der Kreis der betroffenen Personen ist also 5346

entsprechend der bisherigen Praxis des Bundesrats klar umrissen. Dies fördert Rechtssicherheit und Transparenz, was das Vertrauen ausländischer Kunden in den Finanzplatz Schweiz zusätzlich stärken wird.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu nationalen Strategien des Bundesrates

4.1

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Legislaturplanung 2011­2015 unter Ziel 8 aufgeführt: «Die Schweiz ist umfassenden gut vernetzt, und ihre Position im internationalen Kontext und in den multilateralen Institutionen ist gefestigt». Sie wurde in der Botschaft vom 25. Januar 2012 über die Legislaturplanung 2011­2015100 und im Bundesbeschluss vom 15. Juni 2012101 über die Legislaturplanung 2011­2015 bekannt gegeben.

4.2

Verhältnis zu nationalen Strategien des Bundesrates

Der Gesetzesentwurf stellt in erster Linie einen wichtigen Bestandteil des globalen gesetzlichen Dispositivs dar, das in der Strategie der Schweiz zur Sperrung, Einziehung und Rückerstattung von Potentatengeldern («Asset Recovery») vorgestellt wird, an deren Umsetzung sowohl die Bundesbehörden als auch die Kantone beteiligt sind. Im Rahmen dieser Strategie wird aufgezeigt, dass eine rasche und vollständige Rückführung von Potentatengelder an den Herkunftsstaat für die Wahrung aussenpolitischer Interessen der Schweiz von grosser Bedeutung ist. Dem Gesetzesentwurf kommt somit eine zentrale Rolle zu. Die genannte Strategie befasst sich mit der «Asset Recovery» im engeren Sinne: Ebenso wie im Gesetzesentwurf geht es darin nur um eine besondere Form internationaler Ermittlungen, die zur Sperre, Einziehung und allenfalls zur Rückerstattung von Vermögenswerten führen, d. h. um Fälle, die unrechtmässig erworbene Gelder gestürzter Potentatinnen und Potentaten betreffen.

Der Bundesrat hat am 22. Februar 2012 die Strategie für einen steuerlich konformen und wettbewerbsfähigen Finanzplatz Schweiz veröffentlicht. Darin wird die Bedeutung der Bekämpfung der Geldwäscherei zur Sicherstellung der Integrität unseres Finanzplatzes unterstrichen. Eine der wesentlichen Voraussetzungen für dessen Integrität ist die Abwehr krimineller Vermögenswerte. Nebst dem bereits bestehenden gesetzlichen Dispositiv im Rahmen der Geldwäschereibekämpfung ermöglicht der Gesetzesentwurf im Sinne einer Signalwirkung auch eine gewisse Präventivfunktion gegen aussen.

Am 28. März 2012 hat der Bundesrat die kriminalstrategische Priorisierung des Bundes für die Jahre 2012­2015 genehmigt. Darin wird u. a. die Bekämpfung der internationalen Korruption und Geldwäscherei den Kernprioritäten zugewiesen.

In dem Bericht über die aussenpolitischen Schwerpunkte für die Legislatur (Aussenpolitische Strategie 2012­2015)102 hat das EDA vier strategische Schwerpunkte 100 101 102

BBl 2012 481 549 609 BBl 2012 7155 7158 www.eda.admin.ch > Dokumentation > Publikationen > Schweizerische Aussenpolitik

5347

festgelegt. Schwerpunkt 3 sieht die Fortsetzung und Anpassung des Engagements der Schweiz zugunsten der Stabilität in Europa, in Grenzregionen zu Europa und in der übrigen Welt vor und erwähnt ausdrücklich die Ausarbeitung einer Rechtsgrundlage zur Regelung von behördlichen vorsorglichen Sperrungen von Vermögenswerten.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Die auswärtigen Angelegenheiten fallen in die Zuständigkeit des Bundes (Art. 54 Abs. 1 BV). Der Gesetzesentwurf regelt die Sperrung, Einziehung und Rückerstattung von in der Schweiz angelegten, unrechtmässig erworbenen Vermögenswerten von PEP. Der Erlassentwurf unterstützt das Engagement der Schweiz im Bereich der nachhaltigen Entwicklung und im Kampf gegen die Straflosigkeit. Er bezweckt zudem den Schutz der Reputation der Schweiz und ihres Finanzplatzes. Der Gesetzesentwurf stellt die Kodifikation einer etablierten Praxis dar. Die Aktivitäten der Schweiz in diesem Bereich erfolgten bisher in Anwendung des RuVG, welches gestützt auf Artikel 54 Absatz 1 BV erlassen wurde, oder gestützt auf die in Artikel 184 BV verankerte Zuständigkeit des Bundesrats auf dem Gebiet der Aussenpolitik. Artikel 54 stellt somit auch die verfassungsmässige Grundlage für den Gesetzesentwurf dar.

Artikel 26 BV gewährleistet die Eigentumsgarantie. Diese Bestimmung gewährt die konkreten Eigentumsrechte des Einzelnen und schützt sie juristisch vor dem Zugriff staatlicher Akteure. In grundrechtlicher Hinsicht stellt die Sperrung und Einziehung zwecks Rückerstattung der Vermögenswerte einer Person an einen ausländischen Staat einen Eingriff in die Eigentumsgarantie gemäss Artikel 26 BV dar.

Demzufolge müssen die Anforderungen von Artikel 36 BV erfüllt sein, wonach Einschränkungen von Grundrechten dann zulässig sind, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse erfolgen und verhältnismässig sind. Diesem Prinzip zufolge muss die Massnahme nicht nur geeignet sein, den verfolgten Zweck herbeizuführen, sondern sie muss auch erforderlich sein. Sie hat zu unterbleiben, wenn eine gleich geeignete, aber mildere Massnahme für den angestrebten Erfolg ausreichen würde.

Im vorliegenden Fall besteht das öffentliche Interesse darin, den Erwerb von Vermögenswerten verbrecherischer Herkunft durch ausländische PEP sowie ihnen nahestehender Personen zu ahnden und die Vermögenswerte dem Herkunftsstaat bzw. dessen Bevölkerung zurückzuerstatten.

Die vorsorgliche Sperrung von vermutlich unrechtmässig erworbenen Vermögenswerten soll verhindern, dass diese vom Schweizer Finanzplatz abgezogen und an einen unbekannten Ort verbracht werden. Eine derartige Massnahme ist zweifellos geeignet und notwendig, um eine
juristische Klärung der Herkunft der Vermögenswerte zu erleichtern und gestohlene Gelder an den Herkunftsstaat zu erstatten. Die Sperrung ist eine rein verwaltungsrechtliche, zeitlich befristete Sicherungsmassnahme. In Ausnahmefällen ist unter den im Erlassentwurf vorgesehenen Voraussetzungen eine Freigabe der gesperrten Vermögenswerte möglich. Die Sperrung genügt somit den verfassungsmässigen Anforderungen bezüglich Verhältnismässigkeit.

5348

Die Einziehung ist auf Fälle beschränkt, in denen das internationale Rechtshilfeverfahren in Strafsachen aufgrund des Versagens staatlicher Strukturen im ersuchenden Staat nicht zum Erfolg führt oder in denen sich eine Rechtshilfezusammenarbeit aufgrund ungenügender verfahrensrechtlicher Standards im Herkunftsland als ausgeschlossen erweist. Da sich die im Gesetzesentwurf geregelten Einziehungsmöglichkeiten auf Vermögenswerte unrechtmässiger Herkunft beziehen, handelt es sich um eine verhältnismässige Massnahme, denn der unrechtmässige Erwerb kann unter diesen Voraussetzungen mit keiner anderen Massnahme korrigiert werden.

Der Gesetzesentwurf sieht zudem vor, dass die Unrechtmässigkeit in Bezug auf die Herkunft der Vermögenswerte unter gewissen Bedingungen zu vermuten ist (Art. 15). Eine solche Vermutung stellt keinen unzulässigen Eingriff in die Eigentumsgarantie dar, verfügen die Betroffenen doch weiterhin über die Möglichkeit, die rechtmässige Herkunft der Vermögenswerte nachzuweisen. Sie verleiht dem Eingriff jedoch zusätzliches Gewicht, da sie die Anordnung einer Einziehung erheblich erleichtert: Bei Verdacht auf unrechtmässige Herkunft können Vermögenswerte, deren rechtmässige Herkunft nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen wird, eingezogen werden. Auch hier ist somit das Prinzip der Verhältnismässigkeit zu wahren.

Die in Artikel 15 Absatz 1 genannten Bedingungen für die Vermutung der Unrechtmässigkeit der Vermögenswerte beschränken den Geltungsbereich dieser Bestimmung auf Fälle, in denen ein unrechtmässiger Erwerb als sehr wahrscheinlich erscheint: Voraussetzung ist einerseits ein ausserordentlich starker Vermögenszuwachs der betreffenden Person, der durch die Amtsausübung ermöglicht wurde, und andererseits ein anerkanntermassen hoher Korruptionsgrad. Die Person, deren Verfügungsmacht die Vermögenswerte unterliegen, kann jedoch vor dem Bundesverwaltungsgericht alle sachdienlichen Beweismittel geltend machen, um diese Vermutung umzustossen103. Der Begriff der Beweismittel ist im verfahrensrechtlichen Sinn zu verstehen104, d. h. ungeachtet des angesetzten Beweismassstabs. Da im Übrigen auch das Bundesverwaltungsgericht gehalten ist, im Klageverfahren den Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen105, erscheint der Eingriff in die Eigentumsgarantie verhältnismässig. Die
Rechtsprechung kam kürzlich zum Schluss, dass die Vermutung der Unrechtmässigkeit von Vermögenswerten vereinbar ist mit den Verfahrensgarantien der Bundesverfassung, der EMRK und des UNO-Pakts II, insbesondere mit der Unschuldsvermutung (vgl. Anmerkungen zu Art. 15 sowie Ziff. 5.2).

Schliesslich wird die Rechtsweggarantie gemäss Artikel 29a BV durch die Rechtsschutzbestimmungen in Abschnitt 6 gewahrt (vgl. Anmerkungen zu Art. 20 und 21).

103

Im Rahmen von Einziehungsverfahren ist eine Umkehr der Beweislast unter Umständen zulässig, wenn die Rechte der betroffenen Person gewahrt werden; im Fall Phillips/ Vereinigtes Königreich vom 5. Juli 2001 (EMRK 2001-VII, § 28 ff.) hat der EGMR die Vermutung der Unrechtmässigkeit im Einziehungsverfahren als zulässig erachtet, da für den Betroffenen die Möglichkeit bestand, die rechtmässige Herkunft der Vermögenswerte glaubhaft zu machen.

104 Vgl. Art. 36 ff. BZP 105 Art. 44 Abs. 2 VGG

5349

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Europäische Menschenrechtskonvention Generell steht die Frage der Sperrung und Einziehung von Vermögenswerten unrechtmässiger Herkunft von politisch exponierten Personen in einem Spannungsverhältnis zu den durch die EMRK und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) garantierten Grundrechten. Das ist allerdings nicht neu: Das Spannungsverhältnis zeigte sich schon bei verschiedenen Sperrungen, die der Bundesrat in den letzten zwanzig Jahren durch Verordnung oder Verfügung ausgesprochen hat. Diesem Spannungsverhältnis wurde in den letzten Jahren auch in der Lehre mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Die Verlängerung der Sperrung der Duvalier-Gelder sowie die Verabschiedung des RuVG 2010, das 2011 in Kraft trat, waren Anlass für zahlreiche Diskussionen über die Vereinbarkeit der ergriffenen Massnahmen mit rechtsstaatlichen Prinzipien und der Garantie der Individualrechte in der EMRK. Dabei stellte sich die Frage am häufigsten unter dem Gesichtspunkt des Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 6 Abs. 1 EMRK), insbesondere im Hinblick auf die Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK).

Artikel 15 des Erlassentwurfs stellt die Vermutung auf, dass Vermögenswerte, welche Gegenstand eines Einziehungsverfahrens sind, unrechtmässig erworben wurden. Das Argument, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Umkehr der Beweislast nicht mit der Unschuldsvermutung vereinbar ist (Art. 6 Abs. 2 EMRK), findet in der Lehre eine gewisse Unterstützung und verdient einige Erläuterungen.

Der Grundsatz der Unschuldsvermutung ist Teil des Begriffs des fairen Verfahrens.

Aufgrund dieses Grundsatzes darf eine Person nur bestraft werden, wenn ihre Schuld nachgewiesen ist. Eine Person gilt solange als unschuldig, bis sie rechtskräftig verurteilt worden ist106. Damit sich die Frage der Unschuldsvermutung stellt, muss das streitige Verfahren eine strafrechtliche Anklage betreffen oder in Ausnahmefällen einen offenkundigen Zusammenhang mit einer strafrechtlichen Anklage aufweisen107. Der Begriff «strafrechtliche Anklage», um den es in Artikel 6 EMRK geht, ist autonomer Natur. Gemäss der Rechtsprechung des EGMR wird er aufgrund von drei Kriterien definiert: massgeblich ist erstens die Qualifikation der betroffenen Regelung im nationalen Recht (relative Bedeutung), zweitens die Art der vorgeworfenen Handlung
und deren Folgen und drittens der Schweregrad der verhängten Sanktion108.

Da sich die in der Vorlage vorgesehene Einziehung stark an der Einziehung gemäss Artikel 6 RuVG orientiert, ist deren rechtlicher Charakter derselbe. Der Charakter der Einziehung im Sinne des RuVG wurde zwar in der Lehre kontrovers diskutiert, die Frage wurde aber in der Rechtsprechung klar entschieden: Für das Bundesverwaltungsgericht, dessen Entscheid zu dieser Frage inzwischen rechtskräftig ist, bildet die Einziehung gemäss RuVG keine Massnahme mit vorwiegend strafrechtlichem Charakter und kann deshalb nicht mit einer «strafrechtlichen Anklage» gleichgesetzt werden. Es können also keine spezifischen strafrechtlichen Garantien

106

Urteil des EGMR A.L. gegen Deutschland vom 28. April 2005, § 31; BGE 129 I 49 E. 4; Andreas Auer/Giorgio Malinverni/Michel Hottelier, Droit constitutionnel suisse, Bd. II, Les droits fondamentaux, 3. Aufl., Bern 2013, S. 621 f. Nr. 1363.

107 Urteil des EGMR Y. gegen Norwegen vom 11. Februar 2003, § 43.

108 BGE 134 I 140 E. 4.2 mit Hinweisen.

5350

geltend gemacht werden.109 Auch wenn man die Einziehung gemäss RuVG dem strafrechtlichen Bereich der EMRK zuordnen würde, müsste man davon ausgehen, dass die Vermutung der Unrechtmässigkeit der Vermögenswerte und die Art der Anwendung dieser Vermutung nicht gegen die Grundregeln für ein faires Verfahren im Sinne von Artikel 6 EMRK verstossen würden110. Diese Rechtsprechung kann mutatis mutandis auf das Einziehungsverfahren in dieser Vorlage angewandt werden, sodass die Vermutung der Unrechtmässigkeit gemäss Artikel 15 mit der Bundesverfassung und der EMRK vereinbar ist. Der Bundesrat hat zudem immer den Standpunkt vertreten, dass die Umkehr der Beweislast, innerhalb gewisser Grenzen, mit den Anforderungen des übergeordneten Rechts vereinbar ist. Diese Sichtweise wurde nun auch von der Rechtsprechung anerkannt. Aus diesem Grund wurde Artikel 15 nicht aus der Vorlage gestrichen. Umgekehrt wurde die Vermutung der Unrechtmässigkeit aber auch nicht ausgeweitet, wie dies teilweise verlangt wurde.

Einerseits hat die bestehende Lösung im Fall der Duvalier-Gelder ihre Wirksamkeit bewiesen. Andererseits müssen PEP, deren Vermögenswerte Gegenstand des Einziehungsverfahrens sind, weiterhin die Möglichkeit haben, die Vermutung zu widerlegen.

Aufgrund der dynamischen Rechtsprechung des Gerichtshofs ist aber nicht ausgeschlossen, dass die im Gesetzesentwurf vorgesehene Einziehung in Zukunft in einem konkreten Anwendungsfall als strafrechtlich im Sinne von Artikel 6 EMRK zu qualifizieren wäre. Allerdings würde die in Artikel 15 des Erlassentwurfs vorgesehene Vermutung der Unrechtmässigkeit auch bei Anerkennung des strafrechtlichen Charakters der Einziehung im Einzelfall den Anforderungen von Artikel 6 EMRK genügen. In einem Grundsatzentscheid hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nämlich festgehalten, dass in Strafgesetzen enthaltene Vermutungen tatsächlicher oder rechtlicher Art mit dem in Artikel 6 Absatz 2 EMRK niedergelegten Grundsatz der Unschuldsvermutung nicht grundsätzlich unvereinbar sind. Artikel 6 Absatz 2 EMRK gebietet jedoch den Staaten, derartige Vermutungen angemessen einzugrenzen, wobei ein angemessener Ausgleich zwischen dem Gewicht der Sache und dem Recht auf Verteidigung hergestellt werden und der Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu beachten ist111. Die in Artikel 15 vorgesehene
Regelung genügt den Anforderungen des Europäischen Gerichtshofs: Ihr Geltungsbereich ist auf Vermögenswerte von PEP und ihnen nahestehender Personen beschränkt und bietet den Betroffenen die Möglichkeit, die Vermutung zu widerlegen. Die Vermutung wird umgestossen, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden kann, dass die Vermögenswerte rechtmässig erworben wurden. Sie lässt den Gerichten Freiheit in der Beweiswürdigung. Das Gericht prüft bei der Anordnung der Einziehung sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Sachverhaltselemente; nur wenn das Gericht aufgrund dieser umfassenden Beweiswürdigung zur Überzeugung gelangt, dass die Vermögenswerte tatsächlich aus strafbaren Handlungen stammen, ist eine Einziehung zulässig.

Schliesslich ist der Bundesrat der Auffassung, dass das Recht auf wirksame Beschwerde (Art. 13 EMRK) und die Garantien, die sich aus dem Recht auf ein

109 110 111

Urteil des BVGer C-2528/2011 vom 24. September 2013, E. 6.5.

Gleiches Urteil, E. 6.6 und 6.7.

Urteile Salabiaku/Frankreich vom 7. Oktober 1988, Serie A, Bd. 141, Nr. 28, und im gleichen Sinn: Pham Hoang/Frankreich vom 25. September 1992, Serie A, Bd. 243, Nr. 32 sowie Janosevic/Schweden vom 23. Juli 2002.

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faires Verfahren ergeben (Art. 6 EMRK), insbesondere die Rechtsweggarantie, in der Vorlage erfüllt sind (vgl. Anmerkungen zu Art. 21).

Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption Das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption (UNCAC) enthält weltweite Standards zur Verhütung und Bekämpfung der Korruption. Sie trat am 14. Dezember 2005 in Kraft. Die Schweiz hat die UNCAC am 10. Dezember 2003 ohne Vorbehalte unterzeichnet und sie am 24. September 2009 ratifiziert. Nebst Bestimmungen zur Korruptionsprävention enthält sie Regelungen zur internationalen Zusammenarbeit und zur technischen Unterstützung von Entwicklungs- und Schwellenländern. Zum ersten Mal legt eine Konvention zudem fest, dass unrechtmässig erworbene Vermögenswerte unter bestimmten Voraussetzungen zurückerstattet werden müssen und enthält somit überhaupt Regelungen zur Vermögensrückführung. An der vierten Vertragsstaatenkonferenz in Marrakesch im Oktober 2011 wurde die UNCAC durch weitere Resolutionen erweitert, so auch bezüglich Rückführung illegal erworbener Vermögenswerte.

Die UNCAC widmet der Wiedererlangung illegal erworbener Vermögenswerte ein ganzes Kapitel (V). Artikel 51 sieht vor, dass die Rückgabe von Vermögenswerten einen wesentlichen Grundsatz der Konvention darstellt und dass die Vertragsstaaten sich in dieser Hinsicht grösstmögliche Zusammenarbeit und Unterstützung gewähren. Der Artikel offenbart den Willen der Vertragsstaaten, alles zu unternehmen, damit das Übereinkommen gegenüber früheren Rechtstexten entscheidende Verbesserungen mit sich bringt112. Artikel 57 Absatz 2 verpflichtet alle Vertragsstaaten, die erforderlichen gesetzgeberischen Massnahmen zu treffen, damit die zuständigen Behörden eingezogene Vermögenswerte zurückgeben können. Das schweizerische Recht entspricht den Anforderungen der UNCAC bereits vollumfänglich. Die vorliegende Gesetzesgrundlage (wie schon das RuVG) hat im Bereich der Restitution von Vermögenswerten dieselbe Stossrichtung und geht sogar darüber hinaus. Sie bezweckt eine Verbesserung des innerstaatlichen Rechtsrahmens, um die Rückgabe von illegalen Vermögenswerten auch in jenen Fällen zu ermöglichen, in denen die Rechtshilfe wegen des Versagens der staatlichen Strukturen im ersuchenden Staat zu keinem Ergebnis führt, und erweitert die Konfiskationsmöglichkeit zusätzlich
auf Fälle, in denen sich die Rechtshilfe aufgrund mangelhaften Menschenrechtslage als ausgeschlossen erweist. Damit wird das Grundprinzip des Übereinkommens vollumfänglich gewahrt und sogar noch weitergeführt.

Wie bereits das RuVG sieht auch der Gesetzesentwurf in Übereinstimmung mit der UNCAC vor, dass die Staaten zur rascheren Rückführung der im Ausland eingezogenen Vermögenswerte Ad-hoc-Lösungen vereinbaren können, um nicht den Abschluss langer und komplexer Gerichtsverfahren abwarten zu müssen. Dies bedarf allerdings einer beiderseitigen Vereinbarung, da es sich hier nicht um eine automatische, obligatorische Rückgabe handelt. Der ersuchte Staat erhält damit Mitsprachemöglichkeiten, namentlich was die Bestimmung der zurückgeführten Vermögenswerte anbelangt, die möglichst zugunsten der Bevölkerung und der Korruptionsopfer einzusetzen sind. Genau diese Grundsätze bezüglich der Restitution beschlagnahmter Vermögenswerte sind auch im Gesetzesentwurf verankert.

112

Botschaft vom 21. September 2007 zum UNO-Übereinkommen gegen Korruption, BBl 2007 7349, hier 7404

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Aufgrund eines im November 2009 verabschiedeten Umsetzungsmechanismus113 wurde die UNCAC gestärkt. Die Schweiz hat sich im Jahre 2012 mit Erfolg einer ersten Länderüberprüfung unterzogen114.

5.3

Erlassform

Der Gesetzesentwurf beinhaltet wichtige rechtsetzende Bestimmungen, die nach Artikel 164 Absatz 1 Buchstaben b und g BV in Form des Bundesgesetzes zu erlassen sind.

5.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Der Gesetzesentwurf führt nicht zu Ausgaben, die der Ausgabenbremse unterstehen (Art. 159 Abs. 3 Bst. b BV).

5.5

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Der Bundesrat kann gemäss Artikel 7a Absatz 1 RVOG völkerrechtliche Verträge selbstständig abschliessen, soweit er durch ein Bundesgesetz oder einen von der Bundesversammlung genehmigten völkerrechtlichen Vertrag dazu ermächtigt ist.

Mit dem Gesetzesentwurf wird in Artikel 18 Absatz 2 eine Grundlage dafür geschaffen. Demnach soll der Bundesrat zur Regelung der Rückerstattung von Vermögenswerten an den Herkunftsstaat Abkommen abschliessen können. Ein solches Abkommen hat insbesondere die Rückführungsmodalitäten zum Gegenstand. Es ist daher wichtig, dass der Bundesrat diese Kompetenz erhält, damit die Rückführung der Vermögenswerte schnell und effizient in die Wege geleitet werden kann.

5.6

Datenschutz

Die Umsetzung des Gesetzesentwurfs erfordert die Bearbeitung von Personendaten durch die mit dem Vollzug betrauten Bundesbehörden, insbesondere das EDA, das EJPD und das EFD. Dafür ist eine gesetzliche Grundlage erforderlich, die mit Artikel 23 geschaffen wurde (vgl. Ziff. 2). Zudem ermächtigt der Gesetzesentwurf die Bundesbehörden in Artikel 5 ausdrücklich, Personendaten, darunter besonders schützenswerte Daten, im Rahmen der Veröffentlichung der Listen in der SR und der AS und deren allfälliger Anpassung zu bearbeiten und zu veröffentlichen.

113

Dieser überprüft in Form von Länderexamen (sog. Peer Reviews) die Vertragsstaaten hinsichtlich ihrer Umsetzung (und Anwendung) der Konvention ins Landesrecht.

114 Überprüft wurden Kapitel III (Kriminalisierung der Strafverfolgung) und IV (Internationale Kooperation) der UNCAC.

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