Anhang 2

Evaluation zum Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern unter dem Personenfreizügigkeitsabkommen Bericht der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle zuhanden der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 6. November 2013

2014-1844

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Das Wichtigste in Kürze Das Abkommen über die Personenfreizügigkeit (FZA) zwischen der Schweiz und der EU ist mittlerweile seit gut 10 Jahren in Kraft. In dieser Zeit hat die Zuwanderung aus dem EU/EFTA-Raum stark zugenommen, und parallel dazu wird zunehmend auch diskutiert, welche Auswirkungen die Personenfreizügigkeit mit sich bringt und wie die Behörden die Zuwanderung steuern können.

Die Geschäftsprüfungskommissionen der Eidgenössischen Räte (GPK) haben die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) am 27. Januar 2012 mit einer Evaluation zum Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern unter dem FZA beauftragt. Am 18. Juni 2012 hat die für die Evaluation zuständige Subkommission EJPD/BK der GPK des Nationalrates (GPK-N) entschieden, dass die Evaluation sowohl die Auswirkungen des FZA als auch die Rolle des Bundes in der Umsetzung des FZA untersuchen soll.

Die folgenden Ergebnisse stützen sich einerseits auf eine qualitative Analyse der Rechtsgrundlagen und des Vollzugs auf Stufe des Bundes. Andrerseits basieren sie auf einer umfangreichen Datenanalyse, für die erstmals Datensätze verschiedener Behörden miteinander verknüpft wurden, um die Aufenthalts- und Erwerbsverläufe der Zugewanderten abbilden und analysieren zu können.

Die FZA-Zuwanderung ist primär eine Arbeitsmigration Bei den Personen, die unter dem FZA in die Schweiz zugewandert sind, handelt es sich primär um Erwerbstätige mit einem grossen Anteil an jungen, gut qualifizierten Personen. Drei Viertel aller FZA-Zuwanderer sind erwerbstätig (57 % sind konstant erwerbstätig, 17 % mit Unterbrüchen). Die Migration weist eine hohe Dynamik auf: Viele der knapp 1 000 000 Personen, die zwischen Mitte 2002 und Ende 2011 unter dem FZA in die Schweiz gekommen sind, haben die Schweiz wieder verlassen. Die Nettozuwanderung unter dem FZA betrug per Ende 2011 rund 600 000 Personen.

Modellrechnungen zeigen, dass die Zuwanderung auf die konjunkturell bedingte Nachfrage und auf Engpässe des Arbeitsmarkts reagiert, indem sie der Schweiz sowohl hoch qualifizierte Fachkräfte als auch weniger qualifizierte, kurzfristig bzw.

saisonal nötige Arbeitskräfte bringt.

Die Sozialleistungsbezugsquoten der Zugewanderten steigen mit zunehmender Aufenthaltsdauer und sollten daher aufmerksam beobachtet werden In den ersten Jahren nach Inkrafttreten des FZA waren
die Sozialleistungsquoten (Arbeitslosenentschädigung, Sozialhilfe, IV-Renten) der Zugewanderten tiefer als jene der Schweizer/innen oder jene der Personen, die vor dem FZA zugewandert sind. Mit zunehmender Aufenthaltsdauer steigen die Bezugsquoten der FZA-Zugewanderten sowohl bei der Arbeitslosentschädigung (ALE) als auch bei der Sozialhilfe an. Die durchschnittliche Sozialhilfebezugsquote aller FZA-Zugewanderten steigt stetig an, liegt aber bisher unter jener der Schweizer/innen. Die ALEBezugsquote der FZA-Zugewanderten ist dagegen schon in den letzten beiden untersuchten Jahren (2009/2010) deutlich höher als jene der Schweizer/innen. Auffallend

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ist, dass sich die Quoten und deren Entwicklung je nach Herkunftsland der zugewanderten Personen deutlich unterscheiden. So liegen sowohl die ALE- als auch die Sozialhilfequote von Zugewanderten aus den EU-17/EFTA-Nord-Ländern auch 2010 noch deutlich unter der Schweizer Quote, während die Zugewanderten aus den südlichen EU-17-Staaten seit 2006 eine höhere ALE- und 2010 auch eine höhere Sozialhilfequote als Schweizer/innen haben. Dies dürfte damit zusammenhängen, dass Personen aus diesen Ländern überdurchschnittlich häufig in Branchen mit tiefen Löhnen und unsicheren Arbeitsverhältnissen arbeiten.

0,5 % aller FZA-Zugwanderten sind «Working Poor», d. h. sie sind erwerbstätig und bezogen gleichzeitig Sozialhilfe. Die Working-Poor-Quote stieg wie die Sozialhilfebezugsquote stetig an. 2010 waren 60 % der FZA-Zugewanderten, die Sozialhilfe bezogen, gleichzeitig erwerbstätig.

Diese Entwicklungen dürften sich in den nächsten Jahren aufgrund der steigenden Aufenthaltsdauer und der somit zunehmenden Berechtigung für einen Leistungsbezug fortsetzen. Sie wird möglicherweise noch verstärkt durch die Zunahme der Zuwanderung von Personen aus Süd- und Osteuropa, die häufig in Branchen mit unsicheren Beschäftigungsverhältnissen tätig sind. Will man diese Entwicklung zeitgerecht und in angemessener Differenzierung verfolgen, erscheint eine Ergänzung des bestehenden Monitorings (Observatorium) bzw. eine Ergänzung der bisherigen Auswertungen durch eine Analyse der verfügbaren, verknüpften Administrativund Statistikdaten angezeigt.

Die Aussagen der Bundesbehörden zu den Auswirkungen des FZA werden durch diese Untersuchung weitgehend bestätigt; auf die beschränkten Steuerungsmöglichkeiten wurde hingegen lange Zeit kaum hingewiesen Die Aussagen der Bundesbehörden zu den Auswirkungen der Zuwanderung unter dem FZA werden von den Ergebnissen dieser Untersuchung weitgehend bestätigt.

Allerdings haben die Behörden gegenüber der Öffentlichkeit lange Zeit nicht klar dargestellt, dass die Schweiz nur wenige Möglichkeiten hat, um die Zuwanderung aus EU- und EFTA-Ländern zu steuern. So wurde beispielsweise nicht transparent kommuniziert, dass das Aufenthaltsrecht der Zuwanderer auch im Falle eines Sozialleistungsbezugs nur unter ganz bestimmten und relativ engen Voraussetzungen beschränkt werden kann.

Die Bundesbehörden haben
für den Vollzug notwendige rechtliche Grundlagen erst spät geschaffen Um eine Überprüfung der im FZA vorgesehenen Aufenthaltsvoraussetzungen überhaupt erst zu ermöglichen, sind gesetzliche Grundlagen für Meldepflichten oder den Informationsaustausch unter Behördenstellen nötig. Diese wurden erst spät oder noch gar nicht geschaffen: Die rechtlichen Grundlagen für einen Informationsaustausch zwischen den Migrationsbehörden und den für die ALE und Sozialhilfe zuständigen Behörden gibt es erst seit Kurzem, die gesetzlichen Grundlagen im Hinblick auf den Bezug von Ergänzungsleistungen fehlen bis heute.

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Das Bundesamt für Migration (BFM) übt seine Aufsicht über den Vollzug des FZA sehr zurückhaltend aus und verfügt nur über ungenügende Informationen zum kantonalen Vollzug Die Evaluation hat gezeigt, dass das BFM seine Aufsicht über den kantonalen Vollzug insgesamt sehr zurückhaltend wahrnimmt. Die rechtlichen Grundlagen liessen eine weitergehende Aufsicht des BFM zu, welche auch zweckmässig wäre.

Allerdings verfügt das Amt heute nicht über die Informationsgrundlagen, um die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben durch die Kantone zu überprüfen. Mit dem Zentralen Migrationsinformationssystem (ZEMIS) stünde ihm zwar grundsätzlich ein geeignetes Aufsichtsinstrument zur Verfügung, dieses hat aber konzeptionelle Mängel und wird vom BFM nicht zu Aufsichtszwecken genutzt.

Relevante Fragen zum kantonalen Vollzug bleiben offen Die Datenanalyse ergab grosse Diskrepanzen zwischen dem deklarierten Aufenthaltszweck der Erwerbstätigkeit und der tatsächlichen Erwerbstätigkeit. Rund 8 % der Personen, die als Aufenthaltszweck die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit angeben (dabei handelt es sich in 99 % der Fälle um eine unselbständige Erwerbstätigkeit), bleiben länger als ein Jahr in der Schweiz, ohne in dieser Zeit erwerbstätig zu sein.

Erklärungsbedürftig sind auch die grossen kantonalen Unterschiede in der Bewilligungspraxis, namentlich bei der Verlängerung von B-Bewilligungen. Je nach Kanton erhalten zwischen 15 % und 65 % der Personen im Anschluss an die erste B-Bewilligung direkt eine Niederlassungsbewilligung C. Grosse kantonale Unterschiede gibt es zudem auch bei der Nachführung von Schlüsselinformationen im ZEMIS.

Um die Tragweite dieser Problemhinweise und mögliche Erklärungen für die festgestellten Diskrepanzen zu eruieren, sind zusätzliche Abklärungen bei den Kantonen nötig.

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Inhaltsverzeichnis Das Wichtigste in Kürze

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1

Einleitung 1.1 Ausgangslage und Auftrag 1.2 Vorgehen 1.2.1 Quantitative Analyse 1.2.2 Qualitative Analysen 1.2.3 Grenzen der Untersuchung 1.2.4 Umgang mit sensiblen Personendaten 1.3 Aufbau des Berichts

8227 8227 8228 8228 8231 8231 8232 8232

2

Die rechtliche Regelung des Aufenthalts unter dem FZA 2.1 Das Freizügigkeitsabkommen im Überblick 2.2 Regelung des Aufenthalts

8233 8233 8233

3

Die Auswirkungen des FZA 3.1 Eckdaten der Zuwanderung 3.2 Aufenthalts- und Erwerbsverläufe 3.2.1 Beobachtete Aufenthalts- und Erwerbsverläufe 3.2.2 Erwerbsverläufe von Personen, die im Familiennachzug zugewandert sind 3.2.3 Erwerbsverläufe von Grenzgänger/innen 3.2.4 Einfluss soziodemografischer Merkmale auf die Aufenthalts- und Erwerbsverläufe 3.2.5 Konjunkturabhängigkeit der Aufenthalts- und Erwerbsverläufe 8242 3.3 Sozialleistungsbezüge der Zugewanderten 3.3.1 Bezug von Arbeitslosenentschädigung 3.3.2 Bezug von Sozialhilfe 3.3.3 Bezüge aus der IV 3.3.4 Kosten der Sozialleistungsbezüge 3.4 Das Monitoring der Bundesbehörden über die Auswirkungen des FZA 3.4.1 Monitor Zuwanderung des BFM 3.4.2 Observatoriumsbericht von SECO, BFM, BFS und BSV

8235 8236 8238 8239

4

Die Aufsicht der Bundesbehörden 4.1 Rechtliche Umsetzung des FZA durch die Bundesbehörden 4.1.1 Überführung der Bestimmungen des FZA ins nationale Recht 4.1.2 Erläuterung der rechtlichen Bestimmungen zuhanden der Vollzugsorgane 4.1.3 Erläuterung der rechtlichen Bestimmungen zuhanden der Öffentlichkeit

8240 8241 8241

8242 8244 8245 8247 8247 8248 8248 8249 8251 8251 8251 8252 8253

8225

4.2

4.3

4.4 5

Schaffung der gesetzlichen Voraussetzung für den Vollzug 4.2.1 Meldepflichten der Zugewanderten 4.2.2 Informationsrechte der Migrationsbehörden im Verhältnis zu anderen Behörden Die Aufsicht über den Vollzug 4.3.1 Ungenügende Informationsgrundlage 4.3.2 Information des BFM über die kantonale Bewilligungspraxis 8257 Ressourceneinsatz des BFM

8253 8254 8254 8255 8256

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Der kantonale Vollzug der Aufenthaltsregelungen 5.1 Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen im Allgemeinen 5.1.1 Diskrepanzen zwischen deklarierter und tatsächlicher Erwerbstätigkeit 5.1.2 Gewährung von Niederlassungsbewilligungen C 5.1.3 Hinweise auf mangelnde Qualität der Registrierung im ZEMIS 5.1.4 Weitere Hinweise auf mögliche Vollzugsprobleme 5.2 Aufenthalt bei Arbeitslosigkeit 5.2.1 Rechtliche Voraussetzungen für Aufenthaltsbeschränkungen aufgrund von Arbeitslosigkeit 5.2.2 Häufigkeit der aufenthaltsrelevanten Konstellationen von Arbeitslosigkeit 5.2.3 Umsetzung aufenthaltsbeschränkender Massnahmen aufgrund von Arbeitslosigkeit 5.3 Aufenthalt beim Bezug von Sozialhilfe 5.3.1 Rechtliche Voraussetzungen für Aufenthaltsbeschränkungen aufgrund des Bezugs von Sozialhilfe 5.3.2 Häufigkeit der aufenthaltsrelevanten Konstellationen von Sozialhilfebezug 5.3.3 Umsetzung aufenthaltsbeschränkender Massnahmen bei Sozialhilfebezug

8258 8259

Schlussfolgerungen

8268

Abkürzungsverzeichnis

8271

Literatur und Dokumentenverzeichnis

8273

Verzeichnis der Interviewpartnerinnen und -partner

8274

Impressum

8275

6

8226

8259 8260 8261 8261 8262 8262 8264 8265 8266 8266 8267 8267

Bericht Der vorliegende Bericht enthält die wesentlichen Ergebnisse der Evaluation. Eine ausführliche Beschreibung der Analysen und Bewertungsgrundlagen findet sich in den Materialien.1

1

Einleitung

1.1

Ausgangslage und Auftrag

Das Abkommen über die Personenfreizügigkeit (FZA) zwischen der Schweiz und der EU ist mittlerweile seit gut 10 Jahren in Kraft. In dieser Zeit hat die Zuwanderung aus dem EU/EFTA-Raum stark zugenommen. Seit einigen Jahren wird daher intensiv über Kosten und Nutzen der Personenfreizügigkeit sowie über die Möglichkeiten der Behörden, die Zuwanderung zu steuern, diskutiert.

Die Geschäftsprüfungskommissionen der Eidgenössischen Räte (GPK) haben die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) am 27. Januar 2012 mit einer Evaluation zum Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern unter dem FZA beauftragt. Am 18. Juni 2012 hat die für die Evaluation zuständige Subkommission EJPD/BK der GPK des Nationalrates (GPK-N) entschieden, dass die Evaluation folgende Fragen zu den Auswirkungen des FZA sowie zur Rolle des Bundes in der Umsetzung des FZA untersuchen soll: Auswirkungen des FZA (Kap. 3) ­

Wie sehen typische Aufenthalts- und Erwerbsverläufe von Personen aus, die unter dem FZA in die Schweiz eingewandert sind?

­

Wie bedeutend sind der Bezug von Arbeitslosenentschädigung, Sozialhilfe und IV-Renten unter den FZA-Zuwanderern?

­

Welche Hinweise zu den Auswirkungen des FZA auf Staat und Wirtschaft ergeben sich aus den typischen Aufenthalts- und Erwerbsverläufen und aus den Feststellungen bezüglich Arbeitslosigkeit und Sozialhilfebezug?

Rolle des Bundes (Kap. 4)

1

­

Hat der Bund die Bestimmungen des FZA angemessen konkretisiert?

­

Wie ist die Aufsicht des Bundes über die kantonale Umsetzung der Aufenthaltsbestimmungen zu beurteilen?

­

Haben die Bundesbehörden angemessen über die nach FZA möglichen aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen von Arbeitslosigkeit oder Sozialhilfebezug informiert?

Evaluation zum Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern unter dem Personenfreizügigkeitsabkommen, Materialien zum Bericht der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle zuhanden der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 6. November 2013. Die Materialien finden sich in der deutschen Originalsprache unter: www.parlament.ch > Organe und Mitglieder > Kommissionen > Parlamentarische Verwaltungskontrolle> Veröffentlichungen.

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Vollzug durch die Kantone (Kap. 5) ­

Ist die Bewilligungspraxis der kantonalen Behörden zweckmässig?

­

Inwiefern werden aufgrund von Arbeitslosigkeit oder Sozialhilfebezug die Aufenthaltsrechte von EU/EFTA-Angehörigen eingeschränkt?

1.2

Vorgehen

Die Evaluation stützt sich auf eine umfangreiche Datenanalyse sowie auf eine qualitative Analyse der Rechtsgrundlagen und des Vollzugs auf Stufe des Bundes.

1.2.1

Quantitative Analyse

Zur Beantwortung der Fragestellungen zu den Auswirkungen des FZA wurde eine quantitative Analyse umfangreicher administrativer und statistischer Daten durchgeführt. Diese lieferte auch Erkenntnisse zum kantonalen Vollzug und zur Aufsicht der Bundesbehörden. Die quantitative Datenanalyse wurde nach einer Ausschreibung als Mandat an die Arbeitsgemeinschaft Berner Fachhochschule, Soziale Arbeit, und an die Interface GmbH, Luzern, vergeben.

Die quantitative Analyse fokussierte auf die Untersuchung von Aufenthalts- und Erwerbsverläufen der Zugewanderten (Längsschnittbetrachtung). Damit unterscheidet sie sich von bisher vorliegenden Studien, die nur Momentaufnahmen liefern (Querschnittbetrachtung). Die Untersuchung rekonstruiert für jede zugewanderte Person die Ein- und Ausreisen und die Perioden, in denen sie erwerbstätig bzw.

nicht erwerbstätig war, ebenso wie die in der jeweiligen Periode gültigen Aufenthaltsbewilligungen, die dafür geltend gemachten Aufenthaltszwecke oder die Perioden mit Leistungsbezügen aus der ALV und der Sozialhilfe. Diese Rekonstruktion erfolgt auf der Grundlage von Administrativdaten, die zum Teil eigens für die vorliegende Studie auf individueller Ebene verknüpft wurden. Die Tabelle 1 gibt einen Überblick über die wichtigsten verwendeten Daten.

8228

Tabelle 1 Überblick über die verwendeten Datensätze Datensatz

Beschreibung

Periode

Anzahl Datensätze

ZEMIS

Zentrales-Migrations-Informations-System Personen aus EU-27/EFTA, beim Familiennachzug von EU-27/ EFTA-Bürgern auch aus Drittstaaten eingereiste Personen

2002­2011

2 414 876

AHV-IK

AHV-Einkommensdaten der individuellen Konten AHV-Beiträge von Personen aus EU-27, EFTA, FZA-Eingewanderte aus Drittstaaten (im Familiennachzug Eingereiste) Stichprobe von 18- bis 64-jährigen Schweizer/innen

2002­2010

pro Jahr zwischen 709 000 und 1 123 000

2002­2010

pro Jahr 50 000

Vom BSV verknüpfte Datensätze der Sozialhilfe (SH), IV (Renten) und ALV ALE-Bezüge IV-Renten Sozialhilfebezüge

2002­2010 2005­2010 2005­2010

pro Jahr zwischen 651 267 und 663 583

AVAM

RAV-Eingeschriebene ohne ALE

2002­2010

SAKE/ SESAM2

18- bis 64-jährige Personen aus EU-27/EFTA (Aufenthalt mindestens 12 Monate)

2001­2009

SHIVALV1

1

2

46 892

Für die Untersuchung stand der SHIVALV-Datensatz der Jahre 2005­2010 zur Verfügung.

Das BSV hat zudem die AVAM/ASAL-Daten der Jahre 2002­2004 in den SHIVALVDatensatz integriert. Damit können ALE-Beziehende bereits ab 2002 identifiziert werden.

Für die Untersuchung wurde ein bereinigter Datensatz erstellt, ausgehend von SESAMJahresdaten 2001­2011.

Zentraler Untersuchungsgegenstand sind die Aufenthalts- und Erwerbsverläufe der unter dem FZA zugewanderten Personen. Als FZA-Zugewanderte werden jene Personen behandelt, die nach Inkrafttreten des FZA eingereist sind und zum Zeitpunkt der Einreise mindestens 18 Jahre alt, d. h. im erwerbsfähigen Alter, waren.2 Das Inkrafttreten des FZA fällt je nach Herkunftsland der Zugewanderten auf ein anderes Jahr, wie Abbildung 1 verdeutlicht. Sie zeigt auch, welche Ländergruppen bei der Analyse der Aufenthalts- und Erwerbsverläufe der FZA-Zugewanderten unterschieden werden.

2

Nur bei einzelnen speziellen Auswertungen werden auch die Kinder berücksichtigt. Bei Vergleichen mit der Schweizer Vergleichsgruppe werden nur Personen berücksichtigt, die im Einreisejahr zwischen 18 und 65 Jahre alt waren, da die Stichprobe der Vergleichsgruppe auf diese Altersgruppe beschränkt ist.

8229

Abbildung 1 Staaten im Freizügigkeitsabkommen

Weil im Rahmen der vorliegenden Evaluation die Aufenthaltsverläufe aller FZAZugewanderten im erwerbsfähigen Alter interessierten (unabhängig davon, ob diese tatsächlich erwerbstätig sind oder nicht), wurden diese mit der Schweizer Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter insgesamt verglichen.3 Die Verläufe der FZA-Zugewanderten werden den folgenden beiden Vergleichsgruppen gegenübergestellt: ­

3

Die Vergleichsgruppe der Vor-FZA-Zugewanderten umfasst Personen aus EU/EFTA-Ländern, die vor dem Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens eingewandert sind. Je nach Nationalitätengruppe sind unterschiedliche Zeitpunkte massgebend (vgl. dazu Abbildung 1).

Damit hat diese Evaluation eine andere Optik und basiert auf einer anderen Datengrundlage als die Statistiken des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO), welches bei seinen Berechnungen zu Fragen des Arbeitsmarkts und Arbeitslosenquoten nicht die Schweizer Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter als Grundgesamtheit nimmt, sondern die Erwerbsbevölkerung (Personen, die tatsächlich als Erwerbstätige am Arbeitsmarkt teilnehmen oder teilnehmen wollen). Daraus ergeben sich zwar unterschiedlich hohe Arbeitslosenquoten, aber weil die Erwerbsquoten der Schweizer/innen und der FZA-Zugewanderten fast gleich sind (Schweizer/innen: 82,9 %, Quelle: BFS; FZA-Zugewanderte: 81,5 %, Berechnungen der BFH für die ständige und nichtständige Wohnbevölkerung), ergeben sich bei einem Vergleich der Arbeitslosenquoten beider Gruppen keine Verzerrungen.

8230

­

Die Vergleichsgruppe der Schweizer/innen wird repräsentiert durch eine Zufallsstichprobe, welche pro Kalenderjahr 50 000 Schweizer und Schweizerinnen im Alter von 18­65 Jahren umfasst und aus den AHV-IK-Daten gezogen wurde.

Auf einen Vergleich der FZA-Zuwanderer mit Zuwanderern aus Drittstaaten wurde im Rahmen dieser Studie aufgrund beschränkter Ressourcen und Datengrundlagen verzichtet. Ein solcher Vergleich wäre angezeigt, um genauere Aussagen über den Einfluss der Zuwanderung auf die Sozialleistungsbezugsquoten der Gesamtbevölkerung (inkl. Personen aus Drittstaaten) zu erhalten.

Für spezifische Untersuchungsaspekte, namentlich die Frage nach der Konjunkturabhängigkeit der FZA-Migration und die Frage nach den Bestimmungsfaktoren für verschiedenartige Aufenthalts- und Erwerbsverläufe sowie den Bezug von Arbeitslosenentschädigung wird in Ergänzung zur deskriptiven Analyse auf Modellrechnungen zurückgegriffen.

1.2.2

Qualitative Analysen

Die qualitativen Analysen basieren auf Dokumentenanalysen sowie Interviews mit den Verantwortlichen des Bundes und Fachexperten (vgl. Liste der Gesprächspartner im Anhang). Sie bilden die Grundlage für die Beantwortung der Fragestellungen zum Recht und zur Aufsicht der Bundesbehörden und ergaben zusätzliche Erkenntnisse zum Wirkungsmonitoring. Verzichtet hat die PVK, gemäss Beschluss der zuständigen Subkommission der GPK-N, auf Gespräche mit Vertretern der kantonalen Vollzugsbehörden zur Abklärung von Fragen im Hinblick auf die Zweckmässigkeit des kantonalen Vollzugs. Die Dokumentenanalysen und Interviews führte die PVK selber durch.

1.2.3

Grenzen der Untersuchung

Bei den quantitativen Analysen ergibt sich eine Einschränkung der Aussagekraft einerseits aus der begrenzten Verlässlichkeit der vorhandenen Daten (vgl. dazu Kap. 4.3) und andererseits aus dem durch die Daten abgedeckten Zeitraum. Die Daten zur Sozialhilfe sind erst ab 2005 verfügbar, während die Angaben zu Erwerbstätigkeit, Arbeitslosigkeit und Sozialhilfeabhängigkeit nur für den Zeitraum bis Ende 2010 vorliegen. Die Einschränkungen in Bezug auf den Zeitraum sind umso gewichtiger, als es in der vorliegenden Evaluation nicht um Momentaufnahmen geht (z. B. Situation im Jahr 2010), sondern um Verläufe. Für bestimmte Nationalitätengruppen ist das FZA erst im April 2006 (EU-8) bzw. im Juni 2009 (EU-2) in Kraft getreten. Aus diesen Ländern sind daher erst wenige Personen in die Schweiz eingewandert, und deren Verläufe konnten nur über eine kurze Zeit beobachtet werden. Dies ist im Hinblick auf die Auswirkungen der FZA-Zuwanderung von Bedeutung, weil Aussagen zur Inanspruchnahme von Arbeitslosenentschädigungen und insbesondere Sozialhilfe für diese Gruppen aufgrund der kurzen Perioden nur beschränkt möglich sind. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Zugewanderten steigt, je länger das FZA in Kraft ist, und dass damit auch die Wahrscheinlichkeit eines Leistungsbezugs zunimmt.

Denn ein Leistungsbezug ist für viele FZA-Zugewanderte erst nach einem längeren 8231

Aufenthalt in der Schweiz möglich, da in den ersten Jahren nach der Zuwanderung die Berechtigung für den Bezug von Sozialleistungen teilweise eingeschränkt ist.

Hinzu kommt, dass sich die Zusammensetzung der FZA-Zuwanderung seit 2010 verändert hat (Abnahme der Zuwanderung aus den Nachbarländern, insbesondere aus Deutschland, Zunahme der Zuwanderung von Personen aus südeuropäischen Ländern). Diese Verschiebungen müssen bei der Interpretation der Ergebnisse unbedingt berücksichtigt werden. Insgesamt haben die quantitativen Analysen aber trotzdem aussagekräftige Ergebnisse gebracht. Wenn einzelne Resultate aufgrund der genannten Einschränkungen mit Vorsicht interpretiert werden müssen, wird jeweils darauf hingewiesen.

Wegen des Verzichts auf Gespräche mit den Kantonen fehlt im qualitativen Teil der Untersuchung die Perspektive der kantonalen Vollzugsorgane. Dies führt dazu, dass in Bezug auf den kantonalen Vollzug, aber auch in Bezug auf die Aufsicht des Bundes eine Reihe von Fragen offen bleibt.

1.2.4

Umgang mit sensiblen Personendaten

Im Rahmen der quantitativen Analyse wurde auf schützenswerte Personendaten zugegriffen. Zudem wurden solche Daten aus verschiedenen Quellen miteinander verknüpft und ausgewertet. Die Verwendung und Verknüpfung dieser Daten stützte sich auf die Informationsrechte der GPK, welche diese zur Bearbeitung ihrer Aufträge an die PVK und beauftragte Experten übertragen kann.4 Um die Verhältnismässigkeit der Verwendung schützenswerter Personendaten sicherzustellen, wurde in Absprache mit den zuständigen Ämtern und dem Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten ein aufwendiges Verfahren definiert, mit welchem die zur Beantwortung der Fragen erforderlichen Daten geliefert und verknüpft, aber dabei die Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte möglichst gering gehalten werden konnten.

Insbesondere wurden die Daten weitestgehend anonymisiert und aus den Datenbeständen nur jene Informationen herausgezogen, welche für die Beantwortung der Untersuchungsfragen notwendig waren.

1.3

Aufbau des Berichts

Nach einer Übersicht über die grundlegenden Bestimmungen des FZA (Kap. 2) analysiert der Bericht die Auswirkungen des FZA (Kap. 3). Ausgehend von einigen Eckdaten zum Umfang und soziodemografischen Profil der bisherigen Zuwanderung unter dem FZA (Kap. 3.1) werden die Aufenthalts- und Erwerbsverläufe der Zugewanderten detaillierter analysiert (Kap. 3.2), ebenso wie der Bezug von Sozialleistungen, insbesondere aus der ALV und der Sozialhilfe (Kap. 3.3). Der letzte Abschnitt im dritten Kapitel behandelt das Monitoring der Bundesbehörden über die Auswirkungen des FZA (Kap. 3.4). Im vierten Kapitel behandelt der Bericht die Rolle des Bundes, sowohl bei der Umsetzung des FZA ins nationale Recht als auch bei der Aufsicht über den kantonalen Vollzug. Kapitel 5 geht auf den kantonalen Vollzug ein, bevor in Kapitel 6 die Schlussfolgerungen gezogen werden.

4

Art. 10 Parlamentsverordnung (ParlVV, SR 171.115) i.V. m. Art. 67 und Art. 153 Parlamentsgesetz (ParlG, SR 171.19).

8232

2

Die rechtliche Regelung des Aufenthalts unter dem FZA

2.1

Das Freizügigkeitsabkommen im Überblick

Das FZA wurde als eines von sieben sektoriellen Abkommen («Bilaterale I») zwischen der Schweiz und der EU nach langen Verhandlungen am 21. Juni 1999 unterzeichnet und ist am 1. Juni 2002 in Kraft getreten. Dieselben Regelungen zum freien Personenverkehr wie im FZA gelten auch für Angehörige der EFTA-Staaten (Norwegen, Island und Fürstentum Liechtenstein).

Seither gilt im Schweizer Ausländerrecht ein duales System: Für EU/EFTA-Staatsangehörige5 gilt das FZA, während Drittstaatsangehörige nach wie vor dem restriktiveren Ausländergesetz (AuG)6 unterstellt sind. Für EU/EFTA-Staatsangehörige gilt das AuG nur, wenn das FZA keine einschlägigen Regelungen enthält oder wenn die Bestimmungen des AuG günstiger sind (Art. 12 FZA, Art. 2 Abs. 2 und 3 AuG).

Das FZA besteht aus dem eigentlichen Abkommen sowie drei Anhängen. Es wird ergänzt durch zwei Zusatzprotokolle, welche den Beitritt der neuen EU-Mitgliedstaaten zum FZA regeln (Zusatzprotokolle von 2004 und 2009).7 Das Abkommen und seine Anhänge können zum grössten Teil direkt angewendet werden. Die Verordnung über die Einführung des freien Personenverkehrs (VEP)8 und die zugehörigen Weisungen des Bundesamtes für Migration (BFM) enthalten konkretisierende Bestimmungen.9 Das FZA soll die Mobilität von Personen, insbesondere von Arbeitnehmenden, im EU/EFTA-Raum fördern. Die Staatsangehörigen einer Vertragspartei, die sich rechtmässig im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei aufhalten, dürfen folgerichtig bei der Anwendung des Abkommens nicht auf Grund ihrer Staatsangehörigkeit diskriminiert werden (Art. 2 FZA).

2.2

Regelung des Aufenthalts

Das FZA unterscheidet verschiedene Personenkategorien nach Aufenthaltszwecken und legt jeweils spezifische Aufenthaltsvoraussetzungen fest. Erfüllt eine Person die jeweiligen Voraussetzungen, so hat sie ein Recht auf Aufenthalt (kein Ermessen der Behörden).

Die Bewilligungen für Personen, die unter dem FZA in die Schweiz kommen oder in der Schweiz arbeiten, richten sich nach dem allgemeinen schweizerischen Ausländerrecht:10 ­

5 6 7 8 9 10

Die Kurzaufenthaltsbewilligung L gilt für befristete Aufenthalte von bis zu einem Jahr, Als Familienangehörige von EU/EFTA-Staatsangehörigen können sich Drittstaatsangehörige ebenfalls auf das FZA berufen.

SR 142.20 Ein weiteres Zusatzprotokoll zur Ausdehnung des FZA auf Kroatien ist paraphiert und wird vom Parlament voraussichtlich im Frühling 2014 behandelt.

SR 142.203 Die VEP regelt primär die Verfahren.

Art. 32, 33 und 35 AuG, SR 142.20.

8233

­

die Aufenthaltsbewilligung B gibt es für Aufenthalte von mehr als einem Jahr,

­

und die befristete Grenzgängerbewilligung G erlaubt Personen mit Wohnsitz im Ausland die Ausübung einer Erwerbstätigkeit in der Schweiz.11

Aufenthalte von weniger als drei Monaten sind für Angehörige der FZA-Vertragsstaaten nicht bewilligungspflichtig; Aufenthalte von weniger als drei Monaten mit Erwerbstätigkeit müssen den Behörden aber gemeldet werden. Personen, die sich länger als drei Monate in der Schweiz aufhalten, brauchen eine L- oder eine B-Bewilligung. Die Voraussetzungen, die sie erfüllen müssen, um Anrecht auf eine Bewilligung zu haben, sind im FZA selber geregelt und unterscheiden sich je nach Aufenthaltszweck. Die wichtigsten Aufenthaltszwecke und dazugehörigen Aufenthaltsvoraussetzungen sind die folgenden:

11

12 13 14 15 16

17

­

Arbeitnehmende: Personen, die als Aufenthaltszweck die Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit angeben, müssen einen Arbeitsvertrag mit einem Schweizer Arbeitgeber vorlegen. Sofern die Vertragsdauer länger als ein Jahr oder unbefristet ist, erhalten sie eine B-Bewilligung für 5 Jahre. Bei befristeten Arbeitsverhältnissen von weniger als einem Jahr erhalten sie eine L-Bewilligung für dieselbe Dauer wie der Arbeitsvertrag.12

­

Selbständig Erwerbstätige: EU/EFTA-Staatsangehörige, die in der Schweiz selbständig erwerbstätig sein wollen, müssen nachweisen, dass sie über die notwendigen beruflichen Qualifikationen und Diplome verfügen und dass ihre Tätigkeit existenzsichernd ist. Falls sie diese Voraussetzungen erfüllen, erhalten sie eine B-Bewilligung für 5 Jahre.13

­

Stellensuchende: EU/EFTA-Staatsangehörige können zum Zweck der Stellensuche in die Schweiz einreisen. Für eine Stellensuche von bis zu drei Monaten brauchen sie keine Bewilligung. Für eine längere Stellensuche müssen die Zugewanderten eine L-Bewilligung für sechs Monate beantragen.14 Diese kann noch einmal um maximal sechs Monate verlängert werden, falls gute Erfolgsaussichten für die Stellensuche bestehen.15

­

Übrige Nichterwerbstätige: Personen, die in der Schweiz nicht erwerbstätig sein wollen, müssen nachweisen, dass sie über genügende finanzielle Mittel verfügen.16 Zudem müssen sie eine Krankenversicherung haben.17 ­ Sofern Rentnerinnen und Rentner die oben genannten Voraussetzungen erfüllen, erhalten sie eine B-Bewilligung für 5 Jahre.

Während bestimmter Übergangsfristen wurden diese Bewilligungen nur an Personen vergeben, die in der Grenzzone eines Nachbarstaates der Schweiz wohnen und in einer Schweizer Grenzzone arbeiten. Für die EU-17 ist die Frist am 31. Mai 2007, für die EU-8 am 30. April 2011 abgelaufen. Für die EU-2 gilt die Beschränkung bis am 31. Mai 2016.

Art. 6 Anhang I FZA.

Art. 12 Anhang I FZA.

Ob sie dafür nachweisen müssen, dass sie über genügende finanzielle Mittel verfügen, ist in den Weisungen des BFM nicht klar geregelt (siehe Kap. 4.1).

Art. 2 Anhang I FZA.

Zweifeln die Behörden daran, dass die finanziellen Mittel ausreichen, können sie eine Erneuerung der Aufenthaltserlaubnis nach zwei Jahren verlangen. Art. 24 Abs. 1 Anhang I FZA.

Art. 24 Abs. 1 Anhang I FZA.

8234

­



Personen in Ausbildung müssen zusätzlich die Zulassung zu einer anerkannten Lehranstalt vorweisen. Sie erhalten eine L-Bewilligung für die Dauer der Ausbildung bzw. für zwölf Monate, falls die Ausbildung länger dauert, oder eine auf ein Jahr befristete B-Bewilligung.

Familiennachzug: Personen, die aufgrund der oben genannten Voraussetzungen ein Aufenthaltsrecht haben, dürfen ihre Familienangehörigen nachziehen (Ehegatten; Kinder oder Enkelkinder unter 21 Jahren; Kinder oder Enkelkinder über 21 Jahren sowie Eltern oder Grosseltern, sofern diesen Unterhalt gewährt wird).18 Diese erhalten dieselbe Aufenthaltsbewilligung wie die nachziehende Person.19

EU/EFTA-Staatsangehörige, die als Grenzgänger in der Schweiz arbeiten, sich aber nicht dauernd hier aufhalten wollen, müssen dieselben Nachweise wie unselbständig oder selbständig Erwerbstätige erbringen (Arbeitsvertrag mit Schweizer Arbeitgeber oder Nachweis von Qualifikation/Diplomen und Existenzsicherung der Tätigkeit).

Zudem müssen sie mindestens einmal wöchentlich an den ausländischen Wohnsitz zurückkehren, um eine G-Bewilligung zu erhalten. Diese wird für fünf Jahre oder für die Dauer des Arbeitsverhältnisses ausgestellt, falls dieses weniger als zwölf Monate beträgt.

Wie bereits erwähnt, haben Staatsangehörige der FZA-Vertragsstaaten ein Recht auf Aufenthalt und auf eine entsprechende Bewilligung, wenn sie die Voraussetzungen erfüllen. Allerdings kann der Aufenthalt eingeschränkt werden, wenn die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gefährdet sind20 oder wenn sich EU/EFTAAngehörige länger im Ausland aufhalten21. Zudem gelten für bestimmte Ländergruppen Übergangsfristen, während denen die Schweiz verschiedene Möglichkeiten hat, um die Zuwanderung einzuschränken, insbesondere durch eine Kontingentierung der Bewilligungen.

Ausserdem kann auch der Bezug von Sozialleistungen unter ganz bestimmten Umständen zu einer Beschränkung des Aufenthaltsrechts führen (vgl. Kap. 5.2 und 5.3).

3

Die Auswirkungen des FZA

In den bisher vorliegenden Untersuchungen wurde die Einwanderung von Personen unter dem FZA jeweils nur auf der Basis von aggregierten Ein- und Ausreisedaten geschätzt. Mit dem in dieser Studie verwendeten Datensatz können nun erstmals Aussagen darüber gemacht werden, wie viele und welche Personen tatsächlich in die Schweiz zugewandert sind, welche Personen mehrfach zugewandert und wieder ausgewandert sind und welchen Verlauf ihr Aufenthalt hat.

18

19 20 21

Gemäss FZA muss ein Arbeitnehmer nachweisen, dass er über eine angemessene Wohnung für seine Familie verfügt; allerdings darf diese Bestimmung nicht zu einer Diskriminierung von ausländischen Arbeitnehmenden führen.

Art. 3 Anhang I FZA.

Art. 5 Anhang I FZA.

Art. 6 Abs. 5 Anhang I FZA, Art. 12 Abs. 5 Anhang I FZA, Art. 24 Abs. 6 Anhang I FZA.

8235

3.1

Eckdaten der Zuwanderung

Seit Inkrafttreten des FZA am 1. Juni 2002 bis Ende 2011 sind im Rahmen des FZA 986 544 Personen in die Schweiz zugewandert (Bruttozuwanderung), davon rund 80 % im erwerbsfähigen Alter. Zwei Fünftel der Personen, vorwiegend solche im erwerbsfähigen Alter, wanderten wieder aus, d. h. netto betrug die Zuwanderung unter dem FZA 580 976 Personen. Die Differenz zwischen der Brutto- und Nettozuwanderung und der Fakt, dass viele Zugewanderte mehrere Aufenthaltsperioden aufweisen, zeigen die erhebliche Dynamik der Zuwanderung unter dem FZA. Weitere 400 000 Personen arbeiteten seit Inkrafttreten des FZA bis Ende 2010 als Grenzgänger in der Schweiz.

Abbildung 2 Brutto- und Netto-Zuwanderung in die Schweiz unter dem FZA

Herkunftsländer 92,2 % der FZA-Zugewanderten (ohne Grenzgänger), die sich Ende 2011 in der Schweiz aufhielten, stammen aus Ländern der EU-17/EFTA (rund zwei Drittel aus den umliegenden Staaten und etwa ein Fünftel aus der EU-17-Süd). Weitere 5 % kamen aus den Ländern der EU-8, 1 % aus Ländern der EU-2 und 1,7 % aus Drittstaaten (Familiennachzug von FZA-Zugewanderten).

In den letzten Jahren gab es eine deutliche Verschiebung nach Herkunftsregionen, die sich auch in den Zahlen für das Jahr 2012 bestätigt: Während sich insbesondere die Zuwanderung aus Deutschland seit 2008 verringerte, nahm die Zuwanderung aus den südlichen und östlichen EU-Mitgliedstaaten deutlich zu.22 Aufenthaltszweck und Familiennachzug Von den rund 800 000 erwachsenen Personen, die zwischen Juni 2002 und Ende 2011 unter dem FZA zugewandert sind, kamen die meisten, um in der Schweiz zu arbeiten: ­ 22

78 % sind mit dem Zweck einer Erwerbstätigkeit eingereist (77,2 % unselbständige, 0,8 % selbständige Erwerbstätigkeit); Vgl. Pressemitteilung des SECO vom 11.6.2013: Personenfreizügigkeit ­ Aufnahmefähiger Schweizer Arbeitsmarkt, sowie: SECO, BFM, BFS und BSV: Auswirkungen der Personenfreizügigkeit auf den Schweizer Arbeitsmarkt, 9. Bericht des Observatoriums zum Freizügigkeitsabkommen Schweiz, Bern, 11. Juni 2013.

8236

­

13 % kamen als Nichterwerbstätige, am häufigsten für die Ausbildung (7,6 %), aber auch als Stellensuchende (1,6 %) oder als Rentner (1 %);

­

Rund 9 % der Über-18-Jährigen sind über den Familiennachzug eingereist, vorwiegend als Ehegatten.23

Art der Bewilligung Von den rund 650 000 Personen über 18 Jahren, die nicht im Familiennachzug einreisten, erhielten 62 % bei ihrer ersten Einreise eine Kurzaufenthaltsbewilligung L, 38 % eine Aufenthaltsbewilligung B.

Bildung Vergleicht man die FZA-Zugewanderten im erwerbsfähigen Alter, die sich länger als ein Jahr in der Schweiz aufhielten, mit Erwerbstätigen, die vor dem FZA zugewandert sind, und mit Schweizerinnen und Schweizern im erwerbsfähigen Alter, so fällt Folgendes auf: ­

Von den FZA-Zugewanderten haben 58,8 % einen Hochschulabschluss. Bei Schweizer/innen und bei Vor-FZA-Zugewanderten ist dieser Anteil nur halb so hoch (28 bzw. 26,8 %).

­

Von den Personen, die vor dem FZA in die Schweiz zugewandert sind, haben 30 % nur die obligatorische Schule besucht. Bei den Schweizerinnen und Schweizern liegt dieser Anteil bei 20,1 % und bei den FZA-Zuwanderern nur bei 9,1 %.

Wie die folgende Tabelle zeigt, gibt es unter den FZA-Zugewanderten allerdings grosse Unterschiede bezüglich Bildung und Herkunftsstaaten.24 Tabelle 2 FZA-Zugewanderte nach Nationalitätengruppen und Bildung Herkunftsländer

Sekundarstufe I

Sekundarstufe II

Tertiärstufe

59,5 %

EU-17 Umliegende Staaten

5,0 %

35,5 %

EU-17/EFTA Nord

3,3 %

16,2 %

80,5 %

50,6 %

23,6 %

25,8 %

EU-17 Süd

Quelle: BFS SESAM, ZEMIS, Berechnungen BFH Soziale Arbeit, gewichtete Daten.

Berufliche Stellung Die FZA-Zugewanderten lassen sich hinsichtlich ihrer beruflichen Stellung wie folgt charakterisieren: ­

23 24

Sie sind seltener selbständig erwerbstätig (6,8 %) als Schweizer/innen (17,5 %) und auch als Vor-FZA-Zugewanderte (11,5 %).

Zählt man die Kinder mit, sind 17 % aller FZA-Zugewanderten über den Familiennachzug eingereist.

Zum Bildungsniveau von Personen aus der EU-8 und EU-2 sind aufgrund geringer Fallzahlen keine Aussagen möglich.

8237

­

Die unter dem FZA zugewanderten Personen im erwerbsfähigen Alter, die sich länger als ein Jahr in der Schweiz aufhielten, sind deutlich häufiger als Führungskräfte und in einem akademischen Beruf tätig (14,1 % und 30,4 %) als Schweizerinnen und Schweizer (7,4 % und 23,9 %) und auch als VorFZA-Zugewanderte (8,0 % und 17,2 %).

­

Sie arbeiten viel seltener in Dienstleistungs- und Verkaufsberufen (FZAZugewanderte: 10,3 %; Schweizer/innen: 15,1 %; Vor-FZA-Zugewanderte: 15,5 %) oder in Handwerksberufen (FZA-Zugewanderte: 9,8 %; Schweizer/innen: 12,7 %; Vor-FZA-Zugewanderte: 17,4 %).

Alter, Geschlecht und Zivilstand Der typische FZA-Zuwanderer im erwerbsfähigen Alter, der länger als ein Jahr in der Schweiz bleibt, ist männlich, relativ jung, ledig und wohnt alleine oder in einem Paarhaushalt, aber ohne Kinder.

­

60 % der unter dem FZA zugewanderten Personen sind Männer.

­

37 % der unter dem FZA zugewanderten Personen im erwerbsfähigen Alter sind 26- bis 35-jährig (Schweizer/innen: 19 %) und nur 2,6 % sind älter als 56 Jahre (Schweizer/innen: 19 %).

­

65,2 % der unter dem FZA zugewanderten Personen sind ledig, 30,2 % sind verheiratet oder leben in einer eingetragenen Partnerschaft, die übrigen sind verwitwet (0,4 %) oder geschieden (4,4 %). Schweizer/innen sind demgegenüber deutlich häufiger verheiratet (51,3 %), ebenso wie Vor-FZA-Zugewanderte (60,3 %).

­

Die meisten Personen im erwerbfähigen Alter, die unter dem FZA zugewandert sind, wohnen in einem Paarhaushalt ohne Kinder (30,1 %) oder in einem Einzelhaushalt (30,8 %). Schweizerinnen und Schweizer wohnen demgegenüber häufiger alleine (37 %) und seltener in einem Paarhaushalt ohne Kinder (28 %). Die Vor-FZA-Zugewanderten wohnen meistens in einem Paarhaushalt mit Kindern (43 %) und deutlich seltener alleine (21 %).

Verteilung auf die Sprachregionen Die lateinischen Sprachregionen absorbieren verglichen mit ihrem Bevölkerungsanteil einen überproportionalen Anteil der Zuwanderung aus dem EU/EFTA-Raum, doch ist dieser Anteil im Vergleich zur Zeit vor dem FZA gesunken.

3.2

Aufenthalts- und Erwerbsverläufe

Im Folgenden stellen wir zuerst die beobachteten Verläufe dar, wobei wir nach Herkunft der Zugewanderten unterscheiden und den Familiennachzug sowie Grenzgänger/innen speziell betrachten. Anschliessend gehen wir darauf ein, welchen Einfluss bestimmte soziodemografische Merkmale der Zugewanderten sowie die Konjunktur auf die Aufenthalts- und Erwerbsverläufe haben. Dabei stützen wir uns auf Modellrechnungen.

Im Zentrum steht die Betrachtung von Erwerbsverläufen, d. h. es wird beobachtet, wie sich die Erwerbstätigkeit der zugewanderten Personen in der Vierjahresperiode nach der Einreise entwickelt hat. Zudem werden die Erwerbsverläufe mit jenen von 8238

zufällig ausgewählten Schweizer/innen im erwerbsfähigen Alter verglichen. Dies ist eine andere Betrachtungsweise als der Vergleich von Erwerbsquoten, wie sie das SECO bei seinen Publikationen zum Arbeitsmarkt verwendet. Im Ergebnis ist der Unterschied aber klein, da die Unterschiede der Erwerbsverläufe von Schweizern und FZA-Zugewanderten eher gering sind, geringer jedenfalls als die Unterschiede zwischen den verschiedenen Gruppen von FZA-Zugewanderten.25

3.2.1

Beobachtete Aufenthalts- und Erwerbsverläufe

Die meisten Personen im erwerbsfähigen Alter, die unter dem FZA in die Schweiz kommen, sind tatsächlich erwerbstätig. Etwa 57 % der Zugewanderten sind während der ersten vier Jahre ihres Aufenthalts konstant erwerbstätig, weitere 17 % sind mit Unterbrüchen erwerbstätig.26 Gut ein Viertel der Zugewanderten ist in den ersten vier Jahren ihres Aufenthalts nie erwerbstätig, wobei vier Fünftel davon innerhalb dieses Zeitraums wieder ausreisen.

Die Erwerbsverläufe zeigen dabei je nach Herkunft der Zugewanderten und im Vergleich mit Erwerbsverläufen der Schweizer/innen recht deutliche Unterschiede:27

25 26

27

­

In der bei weitem grössten Gruppe der Zugewanderten aus den EU-17/ EFTA-Ländern ist der Anteil der konstant Erwerbstätigen seit 2003 auf jenen der Schweizer/innen gestiegen, während der Anteil der Nichterwerbstätigen von einem erhöhten Niveau sogar unter jenes der Einheimischen gesunken ist. Der Anteil der Personen, die mit Unterbrüchen erwerbstätig sind, ist verglichen mit Schweizer/innen durchwegs leicht höher. Zwischen den verschiedenen Ländern dieser Gruppe gibt es deutliche Unterschiede: ­ Die Zugewanderten aus den Schweizer Nachbarstaaten (rund 70 % der Zugewanderten) entsprechen dem eben beschriebenen «Durchschnittstyp» der EU-17/EFTA-Länder.

­ Zugewanderte aus den Nord-Ländern sind häufiger nicht erwerbstätig.

­ Zugewanderte aus den Süd-Ländern sind häufiger erwerbstätig als der Durchschnitt. Sie weisen aber auch häufiger mehrmalige Einreisen und Erwerbsunterbrüche aus. Eine vertiefte Analyse aufgrund von Modellrechnungen gibt starke Hinweise darauf, dass für dieses Muster weniger die Herkunft verantwortlich ist, sondern eher die Branchen, in denen die Zugewanderten aus den Süd-Ländern tätig sind (Branchen mit eher tiefen Löhnen und unsicheren oder saisonalen Arbeitsverhältnissen).

­

Bei den Zugewanderten aus den EU-8-Staaten liegt der Anteil der konstant Erwerbstätigen leicht unter dem Niveau der Zugewanderten aus den EU-17/ EFTA-Staaten. Der Anteil der Nichterwerbstätigen ist über die Zeit aber ebenfalls unter das Niveau der Schweizer/innen gesunken und entspricht Vgl. auch Fussnote 3.

Betrachtet man nur die Zugewanderten, die länger als zwölf Monate in der Schweiz bleiben, steigt der Anteil der konstant erwerbstätigen Personen sogar auf 72 %, während die Anteile der Erwerbstätigen mit Unterbrüchen und der Nichterwerbstätigen auf je 14 % sinken.

Für den Vergleich wurden aus methodischen Gründen nur Personen berücksichtigt, die ein individuelles Konto der AHV besitzen. Obwohl hierbei der Anteil der Nichterwerbstätigen unterschätzt wird, lassen sich auf dieser Grundlage aussagekräftige Quervergleiche ziehen.

8239

dem Durchschnitt der FZA-Zugewanderten. Der Anteil von Personen mit Erwerbsunterbrüchen ist etwas höher als beim Durchschnitt der Zugewanderten und höher als bei Schweizer/innen. Insgesamt sind die Personen aus EU-8-Ländern während ihrem Aufenthalt weniger lang erwerbstätig als Personen aus EU-17/EFTA-Ländern, und sie weisen auch häufiger mehrere Einreisen und Aufenthalte mit Ausreisen auf. Zudem sind deutlich mehr kurze Aufenthalte von bis zu sechs Monaten und Aufenthalte mit einer Dauer von sieben bis zwölf Monaten feststellbar (fast ausschliesslich Aufenthalte mit einer L-Bewilligung).28 ­

Für die EU-2-Staaten ist das FZA erst seit 1. Juni 2009 in Kraft. Deshalb basieren die Ergebnisse für diese Gruppe auf einer relativ kleinen Zahl von Personen in einem kurzen Beobachtungszeitraum (13 Monate) und sind daher mit gewissen Unsicherheiten behaftet. Zugewanderte aus EU-2-Ländern sind bislang in der Tendenz weniger häufig konstant und häufiger mit Unterbrüchen erwerbstätig als FZA-Zugewanderte aus den EU-8- und den EU17/EFTA-Staaten und als Vor-FZA-Zugewanderte. Der Anteil der Nichterwerbstätigen ist zwar kleiner als bei den Vor-FZA-Zugewanderten, aber höher als bei den Zugewanderten aus den EU-8- und den EU-17/EFTAStaaten. Schliesslich ist der Anteil der Monate mit Erwerbstätigkeit am gesamten Aufenthalt deutlich geringer als bei Zugewanderten aus den EU-8und den EU-17/EFTA-Staaten.

3.2.2

Erwerbsverläufe von Personen, die im Familiennachzug zugewandert sind

Bei den rund 9 % aller Zugewanderten im erwerbsfähigen Alter, die im Familiennachzug in die Schweiz gekommen sind, handelt es sich vorwiegend um Ehegatten.

Dies entspricht dem Zweck des Familiennachzugs, das Zusammenleben der Familien zu ermöglichen. Dem Zweck entsprechend ist das Aufenthaltsrecht der nachziehenden Personen unabhängig von deren Erwerbstätigkeit. Trotzdem ist die Erwerbstätigkeit der nachgezogenen Personen beträchtlich.

Zwar reisen die meisten Familienangehörigen als «Nichterwerbstätige» ein, aber über 60 % von ihnen nehmen danach in den ersten vier Jahren ihres Aufenthalts eine Erwerbstätigkeit auf, 10 % sind von Beginn an erwerbstätig. Auch wenn Personen im Familiennachzug nach wie vor überdurchschnittlich häufig nicht erwerbstätig sind, ist der Anteil der Personen, die im Familiennachzug einreisen und dann eine Erwerbstätigkeit aufnehmen, über die Zeit bei allen Nationalitätengruppen gestiegen. Das Erwerbsverhalten des Familiennachzugs gleicht sich somit demjenigen der übrigen Personen an. Allerdings weisen Personen im Familiennachzug, die erwerbstätig werden, etwas häufiger Erwerbsunterbrüche auf als die übrigen Zugewanderten. Auffällig ist zudem, dass die im Familiennachzug zugewanderten Personen eher in der Schweiz verbleiben, dass sie also weniger flexible Verläufe aufweisen. Dies gilt sowohl für Erwerbstätige als auch besonders für Nichterwerbstätige.

28

Diese Resultate geben gewisse, statistisch nicht gesicherte Hinweise darauf, dass Zugewanderte aus den EU-8-Staaten solche aus den EU-17/EFTA-Staaten in Branchen mit tiefen Löhnen und unsicheren Beschäftigungsverhältnissen abgelöst haben.

8240

3.2.3

Erwerbsverläufe von Grenzgänger/innen

Die gut 400 000 Grenzgängerinnen und Grenzgänger, die seit Inkrafttreten des FZA bis Ende 2010 in der Schweiz arbeiteten, stammen fast ausschliesslich aus der EU17/EFTA. Mehr als die Hälfte von ihnen weist mehrere Erwerbsepisoden mit mehr als dreimonatigen Unterbrüchen auf. Diese Feststellung sowie der zeitliche Verlauf der erteilten G-Bewilligungen weisen darauf hin, dass die Grenzgängerbeschäftigung flexibel auf die Konjunktur reagiert. Nur 7 % der Grenzgänger wechseln zu einem dauerhaften Aufenthalt in der Schweiz.

3.2.4

Einfluss soziodemografischer Merkmale auf die Aufenthalts- und Erwerbsverläufe

Der Einfluss von soziodemografischen Merkmalen wie der Ausbildung, der beruflichen Stellung, der Branchenzugehörigkeit oder der Haushaltsstruktur auf die Aufenthalts- und Erwerbsverläufe wurde mit Hilfe von Modellrechnungen ermittelt.29 Die wichtigsten Ergebnisse daraus sind:

29

­

Der erhöhte Anteil von Erwerbsunterbrüchen bei Zugewanderten aus den EU-Süd-Ländern ist nicht auf deren Herkunft, sondern vielmehr darauf zurückzuführen, dass diese häufiger in Branchen mit unsichereren Beschäftigungsverhältnissen arbeiten und häufiger über keine Berufsausbildung verfügen.

­

FZA-Zugewanderte zeigen im Vergleich zu den Vor-FZA-Zugewanderten bei gleichen soziodemografischen Merkmalen ein vermindertes Risiko für einen Erwerbsverlauf mit Unterbrüchen, gleichzeitig aber auch eine grössere Wahrscheinlichkeit für einen Verlauf ohne Erwerbstätigkeit.

­

Zugewanderte aus EU-8-Staaten und aus Drittstaaten, Personen im Familiennachzug, Alleinerziehende und über 55-Jährige haben ein erhöhtes Risiko für Erwerbsverläufe mit Unterbrüchen. Dasselbe gilt für Personen, die in bestimmten Branchen, z. B. im Bau- und Gastgewerbe, tätig sind.

­

Für einen Verlauf ohne Erwerbstätigkeit spielt das Bildungsniveau keine bedeutende Rolle. Dieser Befund deutet darauf hin, dass ein Teil der Zugewanderten mit einem hohen Bildungsabschluss nicht erwerbstätig ist, z. B.

aufgrund von Betreuungspflichten. Personen mit einem Hochschulabschluss oder höheren Berufsbildungsabschluss haben aber ein geringeres Risiko für einen Erwerbsverlauf mit Unterbrüchen als Personen mit einem obligatorischen Schulabschluss, einem Abschluss einer allgemeinbildenden Mittelschule oder einem Berufslehrabschluss.

­

Einen Verlauf ohne Erwerbstätigkeit weisen insbesondere Frauen, Personen im Familiennachzug und über 45-Jährige auf, die in einem Haushalt mit Kindern leben.

Weil die Administrativdaten hierzu keine Informationen liefern, wurde als Datenbasis die Schweizerische Arbeitskräfteerhebung des BFS (SAKE/SESAM der Jahre 2002­2011) verwendet. Für diese Auswertung waren nur Daten für Zugewanderte mit einem Aufenthalt von mindestens zwölf Monaten verfügbar.

8241

3.2.5

Konjunkturabhängigkeit der Aufenthalts- und Erwerbsverläufe

Mit Hilfe einer weiteren Modellrechnung wurde ermittelt, inwiefern sich die konjunkturelle Situation in der Schweiz und in den Herkunftsländern auf die Zuwanderung im Rahmen des FZA auswirkt.30 Dabei ergaben sich folgende Ergebnisse: ­

Die Zuwanderung in die Schweiz nimmt zu, wenn sich die durchschnittliche Erwerbslosigkeit in den Herkunftsländern erhöht.

­

Eine schlechte Konjunkturlage in der Schweiz, d. h. eine hohe Schweizer Arbeitslosenquote, geht einher mit einer gebremsten Zuwanderung, aber auch mit einer in geringerem Masse gebremsten Rückwanderung. Umgekehrt nehmen bei guter Konjunktur in der Schweiz (tiefe Arbeitslosenquote) sowohl die Zuwanderung als auch die Rückwanderung zu, wobei die Rückwanderung weniger stark von der Konjunktur geprägt ist. Gemäss diesem Modell bleiben die Zugewanderten bei einer sich verschlechternden Arbeitsmarktlage in der Schweiz vermehrt hier und wandern bei besserer Schweizer Konjunktur eher zurück.31

3.3

Sozialleistungsbezüge der Zugewanderten

In den ersten Jahren nach Inkrafttreten des FZA haben die FZA-Zugewanderten deutlich seltener Sozialleistungen (Arbeitslosentschädigung [ALE], Sozialhilfe und IV-Renten) bezogen als Vor-FZA-Zugewanderte und als Schweizer/innen. Auffallend ist aber, dass Zugewanderte aus den südlichen EU-17-Staaten im Vergleich zu den anderen Nationalitätengruppen deutlich häufiger Sozialleistungen beziehen.

Dies dürfte mit den spezifischen Merkmalen dieser Zuwanderergruppe zusammenhängen (überdurchschnittlicher Anteil von Personen mit tiefen Qualifikationen und Beschäftigung in Branchen mit tiefen Löhnen und unsicheren Anstellungsbedingungen). In den ersten Jahren nach Inkrafttreten des FZA führte die FZA-Zuwanderung nicht zu einer Belastung für die Sozialwerke. Allerdings ist mit der zunehmenden Aufenthaltsdauer der Personen auch ein kontinuierlicher Anstieg der Sozialleistungs-Bezugsquote verbunden, der vor allem bei den FZA-Zugewanderten aus den südlichen EU-17-Staaten ausgeprägt ist.

30

31

Das Modell berücksichtigte u.a. die folgenden Faktoren: die Schweizer Arbeitslosenquote, den Anteil der bereits in der Schweiz ansässigen Bevölkerung aus EU/EFTALändern, die Differenz des BIP zwischen dem Herkunftsland und der Schweiz, die Arbeitslosenquoten in den Herkunftsländern (Mittelwert) oder den Entwicklungsstand im Herkunftsland.

Gemäss Cueni und Sheldon (2011: 30) kann dieser Befund damit erklärt werden, dass sich Menschen auf dem Arbeitsmarkt ähnlich wie auf den Finanzmärkten verhalten, d. h.

dass sie in einer unsicheren Umwelt risikoscheuer und weniger beweglich werden.

(Cueni, Dominique & Sheldon, Georg (2011), Arbeitsmarktintegration von EU/EFTA Bürgerinnen und Bürgern in der Schweiz: Studie im Auftrag des Bundesamtes für Migration, Mai 2011).

8242

Von den gut 150 000 über 18-jährigen Personen, die in den Jahren 2005 und 2006 unter dem FZA zugewandert sind,32 haben 91 % in den ersten vier Jahren nach der Zuwanderung weder ALE noch Sozialhilfe bezogen. 6 % der Zugewanderten erhielten während einer kurzen Periode, d. h. während weniger als zwölf Monaten, Arbeitslosenunterstützung, 1,7 % bezogen länger als zwölf Monate ALE. 0,5 % der Zuwanderer erhielten Sozialhilfe, und noch einmal gleich viele bezogen ALE und Sozialhilfe.

Mit Ausnahme der Gruppe der EU-17-Süd-Länder gilt für alle Nationalitätengruppen, dass Verläufe ohne Leistungsbezug bei den FZA-Zugewanderten im Vergleich zu Personen, die vor dem FZA eingewandert sind und im Vergleich zu Schweizer/innen häufiger sind.33 Bei Personen aus den EU-17-Süd-Staaten sind Verläufe mit Bezug von ALE und/oder Sozialhilfe dagegen häufiger als bei den übrigen Nationalitätengruppen und auch häufiger als bei Vor-FZA-Zugewanderten und bei Schweizer/innen. Dieses Ergebnis ist allerdings weniger auf die Herkunft der Personen zurückzuführen, sondern vielmehr darauf, dass diese häufig keine Berufsausbildung haben und in Branchen mit unsichereren Beschäftigungsverhältnissen arbeiten.

Die Leistungsverläufe für die FZA-Zugewanderten aus den EU-2-Staaten konnten nur während 13 Monaten beobachtet werden. Während dieser Zeit gab es wenige Leistungsbezüge (0,5 %). Allerdings sind Leistungsbezüge von FZA-Zugewanderten im ersten Jahr nach der Einreise bei allen Nationalitätengruppen sehr selten; die Wahrscheinlichkeit eines Leistungsbezugs steigt aber mit zunehmender Aufenthaltsdauer.

Bezüglich Leistungsbezug gibt es kaum Unterschiede zwischen den Geschlechtern, wohl aber zwischen Altersgruppen: Die Analyse zeigt, dass Personen zwischen 36 und 55 Jahren häufiger Sozialleistungen (vor allem ALE) beziehen als der Durchschnitt der Zugewanderten. Personen unter 35 Jahren beziehen dagegen seltener Leistungen als der Durchschnitt und auch als Schweizer/innen im gleichen Alter.

Auch Zugewanderte, die älter als 55 Jahre sind, weisen im Vergleich mit der entsprechenden Schweizer Altersgruppe seltener einen Leistungsbezug auf.

32

33

Dabei handelt es sich um Personen aus den EU-15/EFTA-Staaten sowie um Personen aus den EU-8-Staaten, Zypern und Malta, die zwischen April und Dezember 2006 nach Inkrafttreten des entsprechenden Zusatzprotokolls zum FZA zugewandert sind.

Die Wahrscheinlichkeit, Sozialleistungen zu beziehen, hängt davon ab, wie lange sich eine Person schon in der Schweiz aufhält. Daher ist die Wahrscheinlichkeit eines Sozialleistungsbezugs bei Personen aus den Vergleichsgruppen (Vor-FZA-Zugewanderte sowie Schweizer/innen), die sich schon vor Beginn des Beobachtungszeitraums in der Schweiz aufhalten, entsprechend höher.

8243

3.3.1

Bezug von Arbeitslosenentschädigung

Die Quote der Personen, die im Jahr 2010 eine Periode mit ALE-Bezug aufwiesen,34 beträgt bei den FZA-Zugewanderten aus den EU-17/EFTA-Staaten 6,9 %, bei denjenigen aus den EU-8-Staaten 3,1 % und bei Zugewanderten aus den EU-2-Staaten 0,3 %. Die Quote der Schweizer Vergleichsgruppe liegt bei 4,9 %.35 Betrachtet man die Entwicklung der ALE-Bezugsquoten der Zugewanderten über die Zeit, zeigen sich steigende Quoten, die sich denjenigen der Vor-FZA-Zugewanderten und der Schweizer/innen angleichen bzw. diese übertreffen. Seit 2008 ist die ALE-Bezugsquote der FZA-Zugewanderten höher als jene der Schweizer/innen, 2009/2010 sogar deutlich höher. Auffallend sind auch hier die Unterschiede zwischen den Zugewanderten aus verschiedenen Ländergruppen: So liegt die ALEQuote der EU-17-Süd-Länder bereits ab 2006 über der Schweizer Quote, während jene der EU-17/EFTA-Nord auch 2010 noch deutlich darunter liegt.

Abbildung 3 Bezug von Arbeitslosenentschädigung

34

35

Diese Quoten lassen sich aus zwei Gründen nicht mit den Arbeitslosendaten der offiziellen Statistik vergleichen: 1) In den vorliegenden Auswertungen werden nur die ALEBeziehenden für die Quotenberechnung verwendet. Für die Berechnung der offiziellen Arbeitslosenstatistik werden alle registrierten Arbeitslosen berücksichtigt ­ unabhängig davon, ob die Personen ALE beziehen oder nicht. 2) Die offiziellen Arbeitslosenquoten beziehen sich auf einen Monat (Anzahl registrierte Arbeitslose Ende Monat [Stichtag] im Verhältnis zu den Erwerbspersonen). In der vorliegenden Untersuchung wurden dagegen alle Personen gezählt, die im Laufe des Jahres eine ALE-Bezugsperiode aufweisen. Die ALE-Bezugsquoten werden aus der Anzahl ALE-Beziehenden im Verhältnis zur erwerbsfähigen Bevölkerung (18- bis 65-Jährige) berechnet. Hierbei werden neben den Erwerbspersonen auch Nichterwerbspersonen im erwerbsfähigen Alter (Schüler/innen, Studierende, Hausfrauen/Hausmänner und Rentner/innen usw.) dazugezählt.

Hier ist wiederum die kürzere Aufenthaltsdauer von Zugewanderten aus den EU-8- und EU-2-Staaten zu berücksichtigen, aufgrund der häufig kein Anspruch auf ALE besteht.

8244

Von den Zugewanderten, die 2005 bzw. 2006 in die Schweiz gekommen sind, haben 8,0 % bzw. 8,5 % in den ersten vier Jahren nach ihrer Einreise mindestens einmal ALE bezogen. FZA-Zugewanderte, welche 2006 erstmals eingereist sind, waren im Schnitt mehr als zwei Jahre (32,6 Monate) erwerbstätig, bevor sie zum ersten Mal ALE bezogen. Der Bezug dauerte dann durchschnittlich 9,2 Monate, und es konnten 1,3 bis 1,6 ALE-Bezugsperioden identifiziert werden (während den ersten vier Aufenthaltsjahren). Ein Teil der Zugewanderten ist somit von einer länger dauernden und teilweise wiederholten Arbeitslosigkeit betroffen. Die Dauer und die Anzahl Bezugsperioden unterscheiden sich jedoch nicht von den Werten der Schweizer/innen und die Dauer des ALE-Bezugs ist kürzer als bei den Vor-FZA-Zugewanderten.

Personen, die unter dem FZA in die Schweiz gekommen sind und arbeitslos werden, wandern nur in Ausnahmefällen wieder aus: Nur bei 6,5 % der Personen folgt direkt auf den ALE-Bezug die Ausreise. Gut zwei Drittel sind nach der Phase mit ALEBezug direkt wieder erwerbstätig.

Im Rahmen einer Modellrechnung wurde der Einfluss verschiedener Faktoren auf die Wahrscheinlichkeit eines ALE-Bezugs bei FZA-Zugewanderten der Jahre 2002­ 2010 geschätzt. Dabei zeigt sich, dass das Risiko eines ALE-Bezugs bei Alleinerziehenden, Personen ohne nachobligatorischen Bildungsabschluss sowie Beschäftigten im Gastgewerbe stark erhöht ist. Ein deutlich höheres Risiko ist auch für Zugewanderte aus den EU-17-Süd-Staaten und Drittstaatsangehörige, für Personen mit Abschluss einer allgemeinbildenden Mittelschule oder Berufslehrabschluss, für Beschäftigte im Baugewerbe oder Verkehrsbereich, für Alleinlebende und für FZAZugewanderte mit Wohnsitz im Tessin feststellbar. Im Gegensatz dazu haben Personen aus den EU-17/EFTA-Nord-Staaten, über 45-Jährige, Paare mit Kindern, Personen mit Hochschulabschluss sowie Personen, die in der öffentlichen Verwaltung, im Gesundheits- und Sozialwesen oder im Finanz- und Versicherungssektor arbeiten, ein verringertes Risiko eines ALE-Bezugs, ebenso wie Beschäftigte in der Landwirtschaft.

3.3.2

Bezug von Sozialhilfe

FZA-Zuwanderer beziehen seltener Sozialhilfe als Schweizer/innen und als Personen, die vor dem FZA zugewandert sind. Allerdings zeigen die Quoten der FZA-Zugewanderten eine steigende Tendenz. Sie erreichen oder übertreffen für bestimmte Gruppen die Quoten der Schweizer Vergleichsgruppe, während sie für andere Gruppen noch immer deutlich darunter liegen. Die Analyse zeigt aber auch, dass die Zahl der Personen, die schon sehr kurze Zeit nach ihrer Einreise in die Schweiz Sozialhilfe oder IV beziehen, sehr klein ist.

Ein Sozialhilfebezug ist unter den FZA-Zugewanderten relativ selten. 2010 betrug die Sozialhilfebezugsquote der FZA-Zugewanderten 0,9 %. Diese Quote ist tiefer als jene der Schweizer/innen (1,8 %) und erheblich tiefer als jene der Vor-FZAZugewanderten (2,1 %). Der Unterschied kann damit erklärt werden, dass ein grosser Teil der FZA-Zugewanderten sich erst wenige Jahre in der Schweiz aufhält und die Zugewanderten als Bedingung für ihren Aufenthalt nachweisen mussten, dass sie über eine Erwerbstätigkeit verfügen oder ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln bestreiten können. Daher ist zu erwarten, dass FZA-Zugewanderte ­ wenn überhaupt ­ erst nach einigen Jahren Aufenthalt in die Situation kommen, Sozialhilfe in An8245

spruch nehmen zu müssen, und dies auch erst, nachdem sie keinen Anspruch mehr auf ALE haben und ihr Vermögen aufgebraucht ist.

Die Sozialhilfebezugsquote der Zugewanderten stieg seit 2005 ­ im Unterschied zu jener der Vergleichsgruppen (Schweizer/innen und Vor-FZA-Zugewanderte) ­ stetig an, was mit der ebenfalls kontinuierlich zunehmenden Aufenthaltsdauer zusammenhängt. Am stärksten steigt die Quote der Gruppe der EU-17-Süd. Sie ist bereits 2010 höher als die der Schweizer/innen.

Abbildung 4 Bezug von Sozialhilfe

Das Risiko, innerhalb von vier Jahren nach der Zuwanderung Sozialhilfe zu beziehen, beträgt für die 2005 und 2006 unter dem FZA Zugewanderten 0,9 % bzw.

1,1 %. Auch hier weisen Personen aus den EU-17-Süd-Ländern ein deutlich erhöhtes Risiko auf. Im Durchschnitt dauert der Sozialhilfebezug etwa ein Jahr, etwa ein Drittel der Betroffenen bezieht länger als ein Jahr Sozialhilfe.

Rund 0,5 % aller FZA-Zugewanderten gehören zu den «Working Poor»: Sie sind zwar erwerbstätig, aber erzielen damit kein existenzsicherndes Einkommen und beziehen daher Leistungen der Sozialhilfe.36 Dabei steigt die Working-Poor-Quote wie die Sozialhilfebezugsquote kontinuierlich an. So waren 2010 rund 60 % der Personen aus EU-17/EFTA-Ländern, die Sozialhilfe bezogen, gleichzeitig erwerbstätig.

Nur wenige Personen reisen nach einem Sozialhilfebezug aus (2,2 % im ersten Quartal nach dem Beginn des Sozialhilfebezugs, 5,4 % nach Beendigung bzw.

während des Sozialhilfebezugs).37 Dies dürfte auch mit der erwähnten Working36

37

Darin eingeschlossen sind auch Personen, die im Familiennachzug in die Schweiz gekommen sind. Die genaue Zahl der Personen, die im Familiennachzug in die Schweiz gekommen sind und Sozialhilfe beziehen, lässt sich nicht bestimmten, da aufgrund der Daten nur die antragstellende Person identifiziert werden kann.

Der Anteil der Personen, die vor einem möglichen Sozialhilfebezug ausgereist sind, lässt sich auf der Basis der vorliegenden Daten nicht bestimmen.

8246

Poor-Problematik zusammenhängen: Die Mehrheit der Sozialhilfebezüger ist erwerbstätig und ihr Aufenthaltsrecht kann daher nicht eingeschränkt werden.

3.3.3

Bezüge aus der IV

Der Anteil der FZA-Eingewanderten mit einer IV-Rente ist sehr viel tiefer (0,1 %) als bei den Vor-FZA-Zugewanderten und bei Schweizer/innen (je rund 6 %). Bisher gibt es 678 Personen, die unter dem FZA zugewandert sind und die eine IV-Rente erhalten. Die IV-Bezugsquote bei Personen aus der Gruppe der Länder der EU-17Süd ist deutlich höher als der Durchschnitt der aus den EU-17/EFTA-Staaten Zugewanderten; sie ist aber immer noch rund zehnmal tiefer als jene der Schweizer/innen und der Vor-FZA-Zugewanderten.

Die IV-Fälle der EU-8 lassen sich an einer Hand abzählen und zur EU-2 gab es in der betrachteten Periode bis Ende 2010 noch überhaupt keine Fälle. Diese tiefen IV-Quoten lassen sich auch dadurch erklären, dass es ein längerer Prozess ist, bis jemand eine IV-Rente zugesprochen erhält.

Wie bei allen Personen steigt die Wahrscheinlichkeit eines IV-Rentenbezugs auch bei den FZA-Zugewanderten mit zunehmendem Alter.

Deutlich am höchsten (aber mit 0,56 % immer noch tief), ist der Anteil der IVBezüger unter jenen Personen, die in den ersten vier Jahren nach ihrer Einreise Erwerbsunterbrüche aufweisen. Rund 15 % der FZA-IV-Rentner haben vorher Sozialhilfe bezogen, während es bei der Gesamtheit der IV-Rentner ein Drittel ist.38 Dieser Unterschied dürfte unter anderem an der beschränkten Beobachtungsdauer der FZA-Zugewanderten liegen. Die sehr wenigen Zugewanderten, die bereits jetzt eine IV-Rente haben, sind wohl vorwiegend solche, die ohne vorgängigen ALEoder Sozialhilfebezug in dieses System kommen.

3.3.4

Kosten der Sozialleistungsbezüge

Kosten der Arbeitslosenentschädigung Die Kosten für die Arbeitslosenentschädigungen aller FZA-Zugewanderten machten 2010 rund 17 % der ALE der Schweizer/innen aus. Die Kosten pro Person über 18 Jahren mit Aufenthalt in der Schweiz sind für Personen aus EU-17/EFTALändern 1.6 Mal höher als für Schweizer/innen. Auffällig sind die vergleichsweise hohen Kosten pro zugewanderte Person aus den EU-Süd-Ländern, diese sind rund doppelt so hoch wie bei Schweizer/innen (Faktor 2.1) und FZA-Zuwanderern aus EU-17/EFTA-Nord-Staaten (Faktor 2.0). Sie liegen auch deutlich höher als die Kosten pro Person bei den Vor-FZA-Zugewanderten aus den EU-17-Süd-Ländern (Faktor 1.3).

Betrachtet man die durchschnittlichen Kosten für die ALE pro leistungsbeziehende Person, zeigen sich keine grossen Unterschiede zwischen den FZA-Zugewanderten aus den EU-17/EFTA-Ländern, den EU-8-Ländern und den Schweizer/innen. Inner38

Vgl. Fluder et al.: Verläufe, Risikoprofile ein Einflussfaktoren für die berufliche Integration von neuen ALV-Beziehenden. Schlussbericht zuhanden des SECO. Bern: BFH, 2013, S. 18.

8247

halb der EU-17/EFTA sind die Kosten pro Person mit ALE-Bezug aus den EU-17/EFTA-Nord-Staaten deutlich höher, und jene für Personen aus den EU-17Süd-Staaten deutlich tiefer als der Durchschnitt. Dies hängt mit dem unterschiedlichen Qualifikations- und Lohnniveau der Zugewanderten aus diesen beiden Nationalitätengruppen zusammen: Zugewanderte aus den EU-17/EFTA-Nord-Staaten verfügen häufig über vergleichsweise hohe berufliche Qualifikationen und Löhne (und erhalten daher hohe Entschädigungen), während Personen aus den EU-17-SüdStaaten häufig in Tieflohnbranchen arbeiten.

Um die Auswirkungen, welche die FZA-Zuwanderung auf die Arbeitslosenversicherung hat, umfassend analysieren zu können, müssten zusätzlich zu den Kosten der ALE pro Nationalitätengruppe auch die Beitragszahlungen dieser Personengruppen berücksichtigt werden (Fiskalbilanz). Dazu liegen bisher allerdings keine genügend differenzierten Studien vor.39 Kosten der Sozialhilfebezüge Bei den Kosten für die Sozialhilfe zeigt sich ein anderes Bild als bei den Kosten für die ALE. Hier sind die Kosten pro Fall und besonders die Kosten pro Person der jeweiligen Nationalitätengruppe bei den FZA-Zugewanderten der Gruppe EU-17/ EFTA und EU-8 deutlich tiefer als bei der Schweizer Vergleichsgruppe.40 Zu beachten ist hierbei wiederum, dass FZA-Zugewanderte ­ wenn überhaupt ­ erst nach einigen Jahren Aufenthalt in die Situation kommen, Sozialhilfe in Anspruch nehmen zu müssen, und dies auch erst, nachdem sie keinen Anspruch mehr auf ALE haben und ihr Vermögen aufgebraucht ist. Längerfristig muss deshalb mit einer Erhöhung der Sozialhilfekosten pro Einwohner bei den FZA-Zugewanderten gerechnet werden. Dafür spricht auch die Beobachtung, dass die Sozialhilfekosten für die VorFZA-Zugewanderten höher sind als bei der Schweizer Vergleichsgruppe.

3.4

Das Monitoring der Bundesbehörden über die Auswirkungen des FZA

Das Monitoring der Bundesbehörden zu den Auswirkungen des FZA stützt sich im Wesentlichen auf zwei Instrumente: den Monitor Zuwanderung sowie den Observatoriumsbericht.

3.4.1

Monitor Zuwanderung des BFM

Der Monitor wird vom BFM seit 2010 monatlich herausgegeben. Er enthält Zahlen zum Ausländerbestand, zu den Wanderungsbewegungen (Einwanderung, Auswanderung, Wanderungsbilanz), zu den erteilten Bewilligungen, zu Einbürgerungen 39

40

Eine Fiskalbilanz wird gemäss Observatoriumsbericht 2012 derzeit erarbeitet. Es liegen immerhin Zahlen nach Herkunftsländern vor, die allerdings nicht zwischen FZA- und anderer Zuwanderung unterscheiden. Stellt man die Anteile der Einnahmen aus der ALV den Ausgaben für ALE nach Nationalitätengruppen für das Jahr 2010 gegenüber, zeigt sich, dass die Schweizer/innen 72 % der Beiträge beisteuern und 59 % erhalten, bei den EU-27/EFTA-Ländern ist das Verhältnis bei 23 % zu 23 % und bei den aus Drittstaaten bei 6 % zu 18 % (Observatoriumsbericht 2012, S. 82).

Für eine Aussage zu den Werten für Zugewanderte aus EU-2-Staaten fällt der Beobachtungszeitraum zu kurz aus.

8248

sowie Arbeitslosenquoten. Dem Ziel eines Monitorings entsprechend sind so Vergleiche über die Zeit und zwischen verschiedenen Gruppen möglich. Positiv ist zudem, dass die Zahlen des Monitors in der Regel innert nützlicher Frist, d. h. nach ein bis zwei Monaten (z. B. Zahlen für Monat April im Juni) zur Verfügung stehen.

Die Aufbereitung der Zahlen führt jedoch zu Unklarheiten, weil nicht immer klar ist, auf welche Grundgesamtheiten sie sich beziehen (nur EU/EFTA-Staatsangehörige oder alle Ausländer) und die Bedeutung verschiedener Zahlen nicht klar definiert ist.41 Die Aussagekraft der Zahlen des Monitors ist insgesamt sehr beschränkt, ohne dass in der Berichterstattung darauf hingewiesen wird: ­

Die Zahlen zum Ausländerbestand sowie zu den Wanderungsbewegungen werden der Dynamik der Zuwanderung unter dem FZA nicht gerecht, weil sie sich ausschliesslich auf die ständige Wohnbevölkerung beziehen und Personen mit einem Aufenthalt von weniger als zwölf Monaten nicht berücksichtigt werden.42

­

Die ausgewiesene Wanderungsbilanz entspricht nicht der Differenz zwischen Ein- und Auswanderung. Die Abweichung wird damit erklärt, dass auch der «übrige Zuwachs und Abgang (registertechnisch bedingte Korrekturen der Bewegungen der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung)» mitgezählt werde. Damit sind die Zahlen schwer zu interpretieren.

­

Der Monitor weist die «ausgestellten» Bewilligungen (synonym: die «erteilten» Bewilligungen) an Erwerbstätige aus. Diese Zahlen sind wenig aussagekräftig, weil dabei auch Einreiseentscheide gezählt werden, obwohl die Personen später möglicherweise gar nicht einwandern. Zudem basiert die Identifikation der «Erwerbstätigen» auf dem angegebenen Aufenthaltszweck. Wie die statistische Analyse jedoch gezeigt hat, gibt es zwischen dem angegebenen Aufenthaltszweck und der tatsächlichen Erwerbstätigkeit der Personen gewichtige Differenzen.

Der Monitor wurde gemäss Interviewaussage durch die Direktion des BFM als Entscheidgrundlage für das Ergreifen von Massnahmen (z. B. Aktivierung der Ventilklausel) genutzt.43 Aufgrund der genannten Einschränkungen ist jedoch fraglich, inwieweit der Monitor als Entscheidungsgrundlage taugt.

3.4.2

Observatoriumsbericht von SECO, BFM, BFS und BSV

Seit 2005 erstellt das so genannte Observatorium zum Freizügigkeitsabkommen Schweiz-EU unter der Leitung des SECO jährlich einen Bericht zu den Auswirkungen der Personenfreizügigkeit auf den Schweizer Arbeitsmarkt.44 Die Bundesbehör41

42 43

44

Zum Beispiel fehlt bei der Definition der Einwanderung der Hinweis, dass sie sich nur auf die ständige Wohnbevölkerung bezieht, d. h. nur Personen mit einer Aufenthaltsbewilligung von mindestens zwölf Monaten umfasst.

Gemäss BFM wird der Monitor Zuwanderung zurzeit überarbeitet; künftig soll auch die nicht ständige Wohnbevölkerung aufgeführt sein.

Genutzt wurde der Monitor gemäss Interviewaussagen auch, um zu beurteilen, ob die Zuwanderung aus südeuropäischen Staaten im Zuge der Eurokrise zugenommen hat. Diese Frage lässt sich allerdings anhand der Angaben im Monitor nicht beantworten.

Bei der Analyse berücksichtigt wurden die Berichte bis und mit 2012.

8249

den nutzen den Observatoriumsbericht als Grundlage für die jährliche öffentlich kommunizierte Bilanz zur Personenfreizügigkeit.

Die Berichte des Observatoriums behandeln standardmässig den Einfluss des FZA auf die Migrationsbewegungen sowie den Bestand der ausländischen Wohnbevölkerung, die Auswirkungen des FZA auf den Schweizer Arbeitsmarkt sowie seit 2010 auch die Auswirkungen des FZA auf die Sozialversicherungen. In zusätzlichen Kapiteln wurde in gewissen Jahren vertieft auf bestimmte Themen eingegangen, beispielsweise auf den freien Personenverkehr mit der EU-10 (EU-8 sowie Zypern und Malta) im Bericht 2009 oder auf die Bedeutung der Grenzgängerbeschäftigung im Bericht 2011.

Der Observatoriumsbericht stützt sich auf geeignetere Datengrundlagen als der Monitor des BFM. Er rezipiert die Ergebnisse von Auftragsstudien der Bundesämter und stützt sich auf eigene Auswertungen von Administrativdaten, wobei jeweils die besten verfügbaren Administrativdaten genutzt werden. Eine gewichtige konzeptionell bedingte Einschränkung ergibt sich allerdings daraus, dass der Bericht keine Verknüpfung der Ausländerdaten mit anderen Datenquellen vornimmt und dass er daher nur beschränkt Aussagen über die Auswirkungen des FZA machen kann. Die fehlende Verknüpfung bewirkt etwa, dass Auswertungen vor allem nach Nationalität der Personen gemacht werden, und dass eine Differenzierung nach dem Einreisezeitpunkt (vor bzw. nach Inkrafttreten des FZA), wie diese in der quantitativen Analyse im Rahmen der vorliegenden Evaluation gemacht wurde, nur sehr beschränkt möglich sind. Ebenso ist es kaum möglich, präzise Aussagen über Aufenthalts- und Erwerbsverläufe zu machen, wie zum Beispiel darüber, wie lange Zugewanderte in der Schweiz leben, bevor sie allenfalls Sozialleistungen beziehen.

Zudem ist das Instrumentarium im Hinblick auf die Auswirkungen der jüngeren Zuwanderung wenig sensitiv.45 Bestimmte Stellen in der Bundesverwaltung, insbesondere das SECO, sehen in der Verknüpfung von Ausländerdaten mit anderen Datenquellen ein Analysepotenzial, das sie künftig vermehrt nutzen wollen. Solche Auswertungen sind zwar nur mit einer gewissen Zeitverzögerung möglich, aber sie würden eine wertvolle Ergänzung zum Observatoriumsbericht mit seinen jeweils sehr aktuellen Daten bilden.

Der Observatoriumsbericht ist die wichtigste
Grundlage für die öffentliche Kommunikation der Bundesbehörden über die Vor- und Nachteile des FZA, und trotz der methodischen Einschränkungen werden seine Ergebnisse durch die vorliegende Untersuchung weitgehend bestätigt. Wie oben erwähnt, stellt sich allerdings die Frage, ob das gegenwärtige Instrumentarium auch in der Lage ist, die Entwicklungen beim Bezug von Sozialleistungen rechtzeitig und in angemessener Differenzierung zu erfassen.

45

So fallen allenfalls Veränderungen in Bezug auf die Sozialleistungsbezüge der zuletzt zugewanderten Gruppen nicht oder erst spät auf, weil die Datenbasis fast nur Auswertungen nach grösseren Gruppen zulässt (Differenzierung nach Herkunftsländern, unabhängig vom Einreisedatum).

8250

4

Die Aufsicht der Bundesbehörden

Der Bundesrat muss die Vorgaben des FZA soweit nötig in das nationale Recht umsetzen und sie (zuhanden der Vollzugsbehörden und der Öffentlichkeit) erläutern.

Er hat gemäss Artikel 124 Absatz 1 AuG die Aufsicht über den Vollzug der ausländerrechtlichen Bestimmungen.

Die Umsetzung des FZA durch die Bundesbehörden ist insgesamt als angemessen zu beurteilen, auch wenn die Erläuterungen zu den rechtlichen Vorgaben teilweise unklar oder ungenügend sind (Kap. 4.1). Kritischer zu beurteilen ist, dass für den Vollzug nötige gesetzliche Grundlagen für den Informationsaustausch zwischen verschiedenen Behördenstellen teilweise erst spät geschaffen wurden (Kap. 4.2). Als problematisch erachtet die PVK zudem, dass der Bund seine Aufsichtspflicht über die Bewilligungspraxis der Kantone sehr eng definiert hat und diese aufgrund fehlender Informationen auch nur beschränkt wahrnehmen kann (Kap. 4.3).

4.1

Rechtliche Umsetzung des FZA durch die Bundesbehörden

Die Umsetzung des FZA ins nationale Recht ist insgesamt angemessen, wenn auch etwas unübersichtlich, da die relevanten Bestimmungen in mehreren Erlassen verstreut sind. Die Weisungen des BFM, welche die Rechtserlasse erläutern, schaffen zwar mehr Übersicht, sie sind aber nicht immer klar genug. Zudem lässt die Kommunikation der Bundesbehörden zu den rechtlichen Folgen des FZA und zu den aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen von Arbeitslosigkeit und Sozialhilfebezug zu wünschen übrig.

4.1.1

Überführung der Bestimmungen des FZA ins nationale Recht

Die Regelungen des FZA sind in der Schweiz zum grössten Teil direkt anwendbar.

Die Verordnung vom 22. Mai 200246 über die Einführung des freien Personenverkehrs (VEP) konkretisiert einzelne Bestimmungen und regelt den Vollzug des FZA im Rahmen der schweizerischen Rechtsordnung. Diese verweist an verschiedenen Stellen auf andere Rechtsgrundlagen, namentlich auf das AuG und auf die Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE)47. Damit sind die Regelungen, welche für die FZA-Zuwanderung gelten, im nationalen Recht verstreut, was die Übersichtlichkeit beeinträchtigt. Bezüglich Inhalt und Rechtsbegriffen ist die Einführungsverordnung (VEP) allerdings klar und insgesamt angemessen.

46 47

SR 142.203 SR 142.201

8251

4.1.2

Erläuterung der rechtlichen Bestimmungen zuhanden der Vollzugsorgane

Um die rechtlichen Bestimmungen zu erläutern und einen einheitlichen Vollzug durch die Kantone zu unterstützen, haben die Bundesbehörden Weisungen zur Einführung der Personenfreizügigkeit publiziert. Zudem erläutern sie die Anwendung spezifischer rechtlicher Bestimmungen in Rundschreiben für die Vollzugsstellen.

Die Weisungen des BFM sorgen insgesamt für klare Vorgaben und sind verständlich geschrieben. Sie bündeln die in verschiedenen Rechtsakten verstreuten Vorgaben und erfüllen damit eine wichtige Überblicksfunktion. Der Nachvollziehbarkeit abträglich ist jedoch, dass relevante Abkommens- und Gesetzesbestimmungen sowie die Gerichtsentscheide, auf denen sie gründen, nur spärlich zitiert werden.

In den Weisungen des BFM gibt es aber auch einige Punkte, die unklar oder rechtlich fragwürdig sind:

48 49

­

In den Weisungen ist nicht geklärt, wann eine Arbeitslosigkeit als «freiwillig» gemäss dem FZA eingestuft werden muss und wann sie im Gegensatz dazu «unfreiwillig» ist (Abschnitt 4.6). Dies ist problematisch, weil diese Unterscheidung massgebend dafür ist, ob das Aufenthaltsrecht bei Arbeitslosigkeit beschränkt werden kann, und weil das Schweizer Recht diese Differenzierung nicht kennt. Im schweizerischen Recht ist stattdessen für die Leistungspflicht der Arbeitslosenversicherung entscheidend, ob die Arbeitslosigkeit «selbstverschuldet» oder «unverschuldet» ist. Eine freiwillige und eine selbstverschuldete Arbeitslosigkeit sind in vielen Fällen deckungsgleich, aber es gibt auch Ausnahmen. So ist beispielsweise die Arbeitslosigkeit aufgrund einer Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten durch den Arbeitnehmer (Art. 44 Abs. 1 Bst. a AVIV) selbstverschuldet, sie kann aber unfreiwillig eintreten.48

­

Unklar sind die Weisungen auch hinsichtlich Stellensuchenden: Gemäss Abschnitt 8.2.1 müssen alle Nichterwerbstätigen (mit Ausnahme von Schüler/innen und Studierenden) nachweisen, dass sie ausreichende finanzielle Mittel haben ­ also auch Stellensuchende. Später wird erläutert, dass Stellensuchenden bei Sozialhilfebezug die Bewilligung entzogen werden kann (Abschnitt 8.2.5), ein anfänglicher Nachweis finanzieller Mittel wäre dagegen nicht nötig.49

­

Gemäss BFM-Weisung (Abschnitt 4.3.2) müssen selbständig Erwerbstätige ein existenzsicherndes Einkommen erzielen und dürfen nicht von der Sozialhilfe abhängig sein. Dies ist im FZA aber nicht eindeutig als Aufenthalts-

In Kap. 5.2 wird erläutert, wie die Begriffe in der vorliegenden Studie definiert werden.

Gemäss Rückmeldung des BFM zu einem Entwurf dieses Berichts müssen Stellensuchende keinen Nachweis für genügende finanzielle Mittel erbringen.

8252

voraussetzung verankert, und das BFM konnte gegenüber der PVK für diese Bestimmung keine rechtliche Grundlage angeben.50 Weiter werden die vom BFM zur Erläuterung der rechtlichen Vorgaben erstellten Rundschreiben von den Kantonen zuweilen als problematisch beurteilt. Die Vereinigung der Kantonalen Migrationsbehörden (VKM) erachtet beispielsweise die im Rundschreiben vom 24. Februar 2010 beschriebene Möglichkeit, einen EU/EFTAStaatsangehörigen bei Langzeitarbeitslosigkeit oder Sozialhilfeabhängigkeit wegzuweisen, aufgrund des Gleichbehandlungsgebots als rechtlich fragwürdig.51

4.1.3

Erläuterung der rechtlichen Bestimmungen zuhanden der Öffentlichkeit

Die Kommunikation der Bundesbehörden zu den rechtlichen Folgen des FZA ist eher selektiv. Gegenüber der Öffentlichkeit fehlten lange Zeit transparente und klare Informationen zu den aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen von Arbeitslosigkeit und Sozialhilfeabhängigkeit.52 Ebenso wurden die Leistungsansprüche der Zugewanderten gegenüber den schweizerischen Sozialversicherungen nicht klar benannt.

4.2

Schaffung der gesetzlichen Voraussetzung für den Vollzug

Damit die Migrationsbehörden den Vollzug des FZA sicherstellen und die Rechtmässigkeit des Aufenthalts der Zugewanderten überprüfen können, benötigen sie bestimmte Informationen über die Zugewanderten. Diese erhalten sie, indem sie die Zuwanderten selbst verpflichten, bestimmte Änderungen ihrer Daten zu melden, oder indem sie von anderen Behördenstellen Informationen verlangen können. Weil es dabei um sensible Personendaten geht und wichtige Rechte der Betroffenen tangiert werden, bedürfen diese Meldepflichten und Informationsrechte formeller gesetzlicher Grundlagen.53 Diese wurden jedoch erst mehrere Jahre nach Inkrafttreten des FZA bzw. teilweise noch gar nicht geschaffen.

50

51 52

53

Zudem sind die Weisungen in der deutschen Fassung in Bezug auf diesen Punkt auch widersprüchlich: Einerseits halten sie fest, dass Selbständige ihr Aufenthaltsrecht verlieren können, wenn sie Sozialhilfe beziehen (Abschnitt 4.3.2) ­ unabhängig davon, ob sie ihre Erwerbstätigkeit aufgeben oder ob sie damit kein existenzsicherndes Einkommen erzielen. Andererseits sehen sie einen Entzug des Aufenthaltsrechts explizit nur bei sozialhilfeabhängigen Selbständigen vor, die ihre Erwerbstätigkeit ganz aufgeben (Abschnitt 12.2.3.2), woraus folgt, dass ein Entzug der Aufenthaltsbewilligung bei Selbständigen, die ihre Tätigkeit ausüben, aber damit kein existenzsicherndes Einkommen erzielen, nicht vorgesehen ist. In den französischen Weisungen ist dagegen in beiden Textstellen festgehalten, dass selbständig Erwerbstätige ihr Aufenthaltsrecht verlieren, wenn sie Sozialhilfe beantragen (unabhängig davon, ob sie noch erwerbstätig sind oder ihre Erwerbstätigkeit ganz aufgegeben haben).

Brief der VKM an das BFM, Massnahmenpaket FZA, Rückmeldung der VKM vom 29. Juni 2012.

Im neusten Bericht des Bundesrates über die Personenfreizügigkeit und die Zuwanderung vom 4. Juli 2012 werden die Steuerungsmöglichkeiten diskutiert. Der Bericht wurde aufgrund von parlamentarischen Vorstössen erarbeitet (Po. 09.4301 Girod, Po. 09.4311 Bischof, Mo. 10.3721 Brändli).

Art. 17, Bundesgesetz über den Datenschutz, SR 235.1

8253

4.2.1

Meldepflichten der Zugewanderten

Für Personen, die unter dem FZA in die Schweiz zuwandern, betreffen die rechtlich explizit festgehaltenen Meldepflichten die Anmeldung zu Beginn des Aufenthalts (inkl. Angabe des Aufenthaltszwecks) sowie die Meldung eines späteren Wechsels des Aufenthaltsorts (Gemeinde- oder Kantonswechsel).54 Eine Meldepflicht beim Bezug von Sozialleistungen oder bei einer Änderung des Aufenthaltszwecks besteht nicht55 und ist auch nicht zulässig, da FZA-Zugewanderte gegenüber Schweizer/ innen nicht diskriminiert werden dürfen.

Die Konsequenz daraus ist, dass die Migrationsbehörden nicht erfahren, wenn eine Person ihren Aufenthaltszweck ändert und eine Erwerbstätigkeit aufnimmt oder aufgibt. Sie kann daher nicht prüfen, ob eine Person, die ihre Erwerbstätigkeit aufgibt und damit möglicherweise ihr Aufenthaltsrecht verliert, über ausreichende finanzielle Mittel für eine Aufenthaltsbewilligung als Nichterwerbstätige verfügt.

Umgekehrt kann die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch eine Person, die eine Bewilligung für Nichterwerbstätige hat, ohne Information der Behörden dazu führen, dass die festgelegten Kontingente für Erwerbstätige umgangen werden.

4.2.2

Informationsrechte der Migrationsbehörden im Verhältnis zu anderen Behörden

Im Hinblick auf die Gewährung eines Aufenthaltsrechts kann insbesondere relevant sein, ob die betroffenen Personen Arbeitslosenentschädigung, Sozialhilfe oder Ergänzungsleistungen beziehen.56 Artikel 97 Absatz 2 AuG hält zwar generell fest, dass die Behörden des Bundes, der Kantone und der Gemeinden verpflichtet sind, «die für den Vollzug dieses Gesetzes notwendigen Daten und Informationen auf Verlangen» den Migrationsbehörden bekannt zu geben. Laut Botschaft betrifft dies aber nur den «begründeten Einzelfall».57 Seit dem 1. Januar 2008 explizit meldepflichtig sind die Sozialhilfebehörden: Sie müssen gemäss Artikel 97 Absatz 3 Buchstabe d AuG i. V. m. Artikel 82 Absatz 5 VZAE den Migrationsämtern den Bezug von Sozialhilfe durch Ausländerinnen und 54 55 56

57

Für bewilligungspflichtige Aufenthalte gelten gemäss Art. 9 Abs. 1 VEP die Vorgaben aus Art. 10­15 AuG und Art. 9, 10, 12, 13, 15 und 16 VZAE.

Für Drittstaatsangehörige gilt Art. 54 VZAE, der eine Bewilligungspflicht bei einer Änderung des Aufenthaltszwecks vorsieht.

Die Auswirkungen von Arbeitslosigkeit und Sozialhilfebezug auf das Aufenthaltsrecht werden in den Kapiteln 5.2 bzw. 5.3 erläutert.

Bei Rentnerinnen und Rentnern aus EU/EFTA-Staaten kann auch der Bezug von Ergänzungsleistungen aufenthaltsrelevant sein, sofern sie erst nach der Pensionierung in die Schweiz einreisen oder sich vor der Pensionierung zu wenig lange in der Schweiz aufgehalten haben. Sie müssen nach Art. 16 Abs. 2 VEP als Aufenthaltsvoraussetzung nachweisen, dass ihre finanziellen Mittel höher sind als der Betrag, der zum Bezug von Ergänzungsleistungen berechtigt (gemäss Art. 2 ff. des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung, SR 831.30). Nehmen sie trotzdem Ergänzungsleistungen in Anspruch, kann ihnen das Aufenthaltsrecht abgesprochen werden.

Vgl. Botschaft vom 8. März 2002 zum AuG, BB1 2002 3823. Gemäss Spescha et al.

(2012, S. 259) ist die Bestimmung demnach restriktiv auszulegen. Die Migrationsbehörden müssten ihr Informationsbedürfnis begründen und die zur Auskunft verpflichtete Behörde habe nur klar erforderliche Informationen zu liefern.

8254

Ausländer unaufgefordert melden, ausser die betroffene Person besitzt eine Niederlassungsbewilligung und hält sich seit mehr als 15 Jahren in der Schweiz auf. 58 Beim Bezug von Arbeitslosenentschädigung muss eine ausländische Person gemäss Artikel 20 Absatz 1 Buchstabe b AVIV der dafür zuständigen Amtsstelle (Wohngemeinde oder RAV) den Ausländerausweis vorlegen. Die Amtsstelle ist aber nicht verpflichtet, eine Meldung ans kantonale Migrationsamt zu machen. Seit April 2011 ist eine explizite Bestimmung im AVIG59 in Kraft, gemäss der die Arbeitslosenkassen und RAV im Einzelfall und auf begründetes Gesuch hin gegenüber den Migrationsbehörden auskunftspflichtig sind. Zudem hat das Parlament am 14. Dezember 2012 im Rahmen einer Asylgesetzrevision die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen, dass die Vollzugsorgane der ALV den Ausländerbehörden Daten bekanntgeben dürfen.60 Die geänderten Bestimmungen sind noch nicht in Kraft getreten; es liegt in der Kompetenz des Bundesrates, die Einzelheiten auf Verordnungsstufe zu regeln.

Noch ist unklar, ob die Bekanntgabe wie bei der Sozialhilfebehörde unaufgefordert erfolgen soll oder ob eine Anfrage der Migrationsbehörden vorausgesetzt wird.

Obwohl auch der Bezug von Ergänzungsleistungen zu einer Einschränkung des Aufenthaltsrechts (vgl. Fussnote 56) führen kann, wurde bisher noch keine gesetzliche Grundlage für entsprechende Informationsrechte geschaffen. Allerdings war die potentielle betroffene Personengruppe bisher klein (insgesamt sind im Jahr 2011 knapp 700 Personen als Rentner/innen in die Schweiz eingewandert).

Insgesamt hat das BFM im Hinblick auf die Schaffung von gesetzlichen Grundlagen, die Voraussetzung für einen wirksamen kantonalen Vollzug sind, wenig vorausschauend gehandelt. Die gesetzlichen Grundlagen für einen Informationsaustausch zwischen den Sozialhilfebehörden und den Migrationsbehörden wurden erst 2008 geschaffen­ sechs Jahre nach Inkrafttreten des FZA. Warum damals nicht auch eine gesetzliche Grundlage für den Informationsaustausch zwischen den Arbeitslosenkassen und den Migrationsbehörden geschaffen wurde, obwohl Arbeitslosigkeit einer der wenigen Gründe darstellt, um das Aufenthaltsrecht zu beschränken, ist schwer verständlich. Ebenso erscheint problematisch, dass beim Bezug von Ergänzungsleistungen trotz Erkennung des Problems bis heute keine Regelung erarbeitet wurde.

4.3

Die Aufsicht über den Vollzug

Der Bundesrat hat seine Aufsichtspflicht an das BFM übertragen (Art. 33 VEP), ohne deren Umfang im Hinblick auf die Kontrolle der kantonalen Bewilligungspraxis zu klären. Das BFM nimmt die Aufsicht über die Bewilligungspraxis der Kantone in der Praxis sehr zurückhaltend wahr. Es prüft lediglich die von den Kantonen

58 59 60

Im früheren Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG) war keine entsprechende Meldepflicht vorhanden.

Art. 97a Abs. 1 Bst. f Ziff. 7 AVIG, SR 837.0.

Änderung Art. 97 Abs. 3 Bst. e AuG und Art. 97a Abs. 1 Bst. bter AVIG.

8255

«aus wichtigen Gründen» gemäss Artikel 20 VEP erteilten Bewilligungen.61 Es übt aber keine weitergehenden Kontrollen zum kantonalen Vollzug aus.62 Wie die vorliegende Untersuchung gezeigt hat, verfügt das Amt auch gar nicht über die Informationsgrundlagen, um die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben durch die Kantone zu überprüfen. Mit dem Zentralen Migrations-Informations-System (ZEMIS) hätte es zwar grundsätzlich ein geeignetes Aufsichtsinstrument zur Verfügung. Dieses hat aber konzeptionelle Mängel und wird vom BFM nicht zu Aufsichtszwecken genutzt, obwohl dies aufgrund seines Zwecks (Art. 3 des Bundesgesetzes über das Informationssystem für den Ausländer- und den Asylbereich, [BGIAA]63) durchaus angemessen wäre.

4.3.1

Ungenügende Informationsgrundlage

Das BFM und andere Bundesstellen sowie die kantonalen Migrationsbehörden bewirtschaften gemeinsam das ZEMIS.64 Weil die Konzeption von ZEMIS nicht genügt und auch bezüglich Datenqualität Mängel bestehen, verfügt der Bund aber nicht über die notwendigen Informationsgrundlagen: ­

61

62

63 64

ZEMIS wurde zwar erst vor wenigen Jahren eingeführt, baut aber auf historisch gewachsenen Datenbeständen auf und ist entsprechend komplex. Trotz der Verknüpfungen mit zahlreichen anderen Systemen fehlen im ZEMIS rechtlich relevante Angaben.

­ So wird beispielsweise bei Personen, die im Familiennachzug in die Schweiz kommen, nicht erfasst, wer die nachziehende Person ist. Ändert sich die Bewilligung der nachziehenden Person, können daher die Bewilligungen der Familienangehörigen nicht gleichzeitig geändert werden.

­ Kritisch ist aber vor allem, dass jegliche Informationen zum Erwerbsverhalten fehlen, obwohl die Erwerbstätigkeit für das Aufenthaltsrecht unter dem FZA massgebend ist. Selbst wenn Bewilligungen aufgrund von Arbeitslosigkeit oder Sozialhilfeabhängigkeit widerrufen werden, ist dies im ZEMIS nicht ersichtlich. Zwar ist der Status «Widerruf» in der Datenbank vorhanden, doch wird er nur in ganz bestimmten Fällen (Straffälligkeit) gesetzt und bei einer späteren Statusänderung unwiderruflich überschrieben. Aufgrund der konzeptionellen Schwächen kann Die Weisungen des BFM halten fest, dass die Zulassung von Nichterwerbstätigen «aus wichtigen Gründen» nur noch in wenigen Fällen denkbar ist, namentlich dann, wenn die notwendigen finanziellen Mittel fehlen oder in Härtefällen verwandte Personen nachgezogen werden, die sich nicht auf die Bestimmungen über den Familiennachzug berufen können (z. B. Geschwister, Onkel, Neffe, Tante oder Nichte).

Die eher reaktive Haltung des BFM zeigt sich auch daran, dass es erst unter dem Druck der Rezession, die Ende 2008 einsetzte, tätig wurde und ein Massnahmenpaket für einen verbesserten Vollzug in den Kantonen erarbeitete (Massnahmenpaket des Bundesrates zum Vollzug des Freizügigkeitsabkommens vom 24. Februar 2010).

SR 142.51 ZEMIS ist die aktuelle Verwaltungssoftware für Ausländer/innen, Asylsuchende und Flüchtlinge. Die kantonalen Migrationsbehörden sind gemäss Art. 5 der ZEMIS-Verordnung (SR 142.513) verpflichtet, bestimmte Daten im ZEMIS zu erfassen, namentlich Personenangaben sowie die relevanten Ereignisse von der Einreise über den Aufenthalt bis zur Ausreise.

8256

das BFM anhand von ZEMIS also beispielsweise nicht feststellen, ob die kantonalen Behörden seine Weisungen in Bezug auf die Beschränkung des Aufenthaltsrechts von Arbeitslosen umsetzen.

­

Die Daten zum Aufenthaltszweck können nur beschränkt für die Aufsicht über den Vollzug genutzt werden, da sie oft nicht der Realität entsprechen.

­ Der registrierte Aufenthaltszweck dürfte insbesondere bei Familienangehörigen (Familiennachzug) oft nicht der tatsächlichen Erwerbssituation entsprechen. 90 % der Personen im Familiennachzug haben bei ihrer Einreise den Zweck «übrige Nichterwerbstätige» und nur 30 % wechseln später den Aufenthaltszweck, obwohl fast zwei Drittel von ihnen in den ersten vier Jahren nach ihrer Einreise konstant (40 %) oder mit Unterbrüchen (23 %) erwerbstätig sind.

­ Nur etwa 10 % der im ZEMIS registrierten Personen weisen einen Wechsel des Aufenthaltszwecks aus. In Wirklichkeit dürften Änderungen weit häufiger sein, aber diese müssen nicht gemeldet werden.

­

Zusätzlich erschwert wird die Nutzung von ZEMIS als Aufsichtsinstrument dadurch, dass es deutliche Hinweise auf die unterschiedliche Praxis bei der Datenerfassung durch die Kantone gibt (vgl. Kap. 5).

4.3.2

Information des BFM über die kantonale Bewilligungspraxis

Das BFM nutzt weder ZEMIS noch andere Instrumente, um sich einen systematischen Überblick über die kantonale Bewilligungspraxis zu machen. Das BFM ist nach eigener Aussage denn auch nicht umfassend über den Vollzug des FZA durch die kantonalen Behörden informiert und hat mit Verweis auf die fehlende «operative Verantwortung» auch keinen solchen Anspruch.65 Zwar ist der Umfang der Aufsichtspflicht in den rechtlichen Grundlagen nicht klar festgelegt, er liesse sich aus Sicht der PVK aber auch umfassender verstehen, als dies das BFM tut: ­

65

66

In den gesetzlichen Grundlagen ist vorgesehen, dass das BFM über die Prüfung von «Bewilligungen aus wichtigen Gründen» hinaus im Sinne der Einheitlichkeit eine Kontrolle des kantonalen Vollzugs vornimmt und im Einzelfall auch sein Vetorecht gegen kantonale Entscheide nutzt.66 Dies ist

Dazu in Widerspruch steht allerdings, dass das BFM gemäss eigenen Angaben ein Rundschreiben zur Problematik der Stellensuchenden erarbeitet hat und darin Massnahmen vorschlug, die bewusst an der Grenze des Zulässigen waren, um so die vorhandenen Vollzugsspielräume auszuschöpfen. Das Papier musste wegen vielen offenen Fragen wieder zurückgezogen werden und wird jetzt zusammen mit den kantonalen Behörden überarbeitet.

Die Kontrolle der Bewilligungen ist in Art. 28 VEP geregelt, der diesbezüglich auf Art. 99 AuG und Art. 83 und 85 VZAE (SR 142.201) verweist. Gemäss Art. 85 Abs. 1 VZAE ist das BFM namentlich zuständig, wenn es ein Zustimmungsverfahren zur Koordination der Praxis im Rahmen des Gesetzesvollzugs für bestimmte Personen- und Gesuchskategorien als notwendig erachtet (Bst. a) oder wenn es die Unterbreitung zur Zustimmung in einem Einzelfall verlangt (Bst. b).

8257

bisher aber nur selten passiert (gemäss BFM in acht Fällen seit Einführung des FZA).67 ­

Gemäss Artikel 3 BGIAA besteht der Zweck von ZEMIS unter anderem darin, das BFM bei der «Kontrolle der Einreise- und Aufenthaltsvoraussetzungen» von Personen unter dem FZA zu unterstützen. Dennoch hat die zuständige Sektion Personenfreizügigkeit des BFM eine Nutzung von ZEMIS zur Überprüfung der kantonalen Vollzugspraxis nie in Betracht gezogen.

Es ist weiter fraglich, inwiefern das BFM Vollzugsprobleme rechtzeitig bemerkt und anpackt, denn häufig erfährt es nur von Vollzugsproblemen, wenn sie an das Amt herangetragen werden. Auch bei vorhersehbaren Problemen hat das BFM in der Vergangenheit erst spät reagiert. Sein wenig vorausschauendes Handeln zeigt sich insbesondere bei der späten Schaffung von gesetzlichen Grundlagen, die Voraussetzung für einen wirksamen kantonalen Vollzug sind (vgl. Kap. 4.2).

4.4

Ressourceneinsatz des BFM

Die Sektion Personenfreizügigkeit des BFM, die für den Erlass der Weisungen, die Beantwortung von Anfragen zum FZA, die Vorbereitung von Bundesratsentscheiden zum FZA (z. B. Aktivierung der Ventilklausel) und die Vollzugsunterstützung zuständig ist, erachtet die oben beschriebenen Schwächen nicht zuletzt als Folge von fehlenden Ressourcen. Die Sektion verfügt insgesamt über 7,6 Vollzeitstellen. Dies sei zu wenig, um systematisch die Kontakte zu den Vollzugsbehörden zu pflegen.

Zudem liege der Schwerpunkt der Arbeit der Sektion auf den politischen Geschäften, konkret etwa auf der Weiterentwicklung des FZA sowie der Vertretung der Schweiz im Gemischten Ausschuss. Ob die vorhandenen Ressourcen wirkungsvoll eingesetzt werden, kann die vorliegende Evaluation nicht bewerten. Auch kann nicht beurteilt werden, inwiefern der Anstieg der Zuwanderung aus dem EU/EFTA-Raum sowie die politisch steigende Bedeutung des Themas Personenfreizügigkeit bei der Ressourcenverteilung im BFM berücksichtigt wurde. Es gibt nun aber gemäss Aussagen des BFM amtsinterne Bemühungen, in beschränktem Rahmen mehr Ressourcen für die Erfüllung der Aufgaben im Bereich FZA einzusetzen.

5

Der kantonale Vollzug der Aufenthaltsregelungen

Zuständig für den Vollzug der Aufenthaltsregelungen gemäss FZA sind die Kantone. Diese sind frei, wie sie den Vollzug organisieren, sie müssen dem Bund lediglich die zuständigen kantonalen Migrationsbehörden melden. Zudem müssen die Kantone bestimmte Schlüsseldaten im ZEMIS erfassen.68 67

68

Im Mai 2013 hat das BFM beispielsweise publik gemacht, dass es den Fall einer Portugiesin ans Bundesgericht weiterzieht, die vor mehr als drei Jahren in die Schweiz einreiste und nach einem Monat Vollzeit- sowie weiteren acht Monaten Teilzeit-Erwerbstätigkeit arbeitslos wurde und seitdem ALE und Sozialhilfe bezieht. Die Aufenthaltsbewilligung der Frau war wegen Sozialhilfebezugs widerrufen worden. DieBeschwerde, die diese dagegen einreichte, wurde vom zuständigen kantonalen Verwaltungsgericht gutgeheissen.

Mit dem Weiterzug ans Bundesgericht will das BFM eine Klärung der Bestimmungen erreichen.

Art. 5 ZEMIS-Verordnung, SR 142.513

8258

Die analysierten Daten geben gewisse Hinweise zur Praxis der kantonalen Migrationsbehörden bei der Umsetzung des FZA. Diese betreffen sowohl die Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen im Allgemeinen wie auch die Bedeutung aufenthaltsbeschränkender Massnahmen aufgrund des Bezugs von Arbeitslosenentschädigung oder Sozialhilfe. Die Datenanalyse weist auf eine kantonal unterschiedliche Behördenpraxis hin und wirft die Frage auf, inwieweit die Vollzugspraxis den im FZA verankerten Zielsetzungen, Rechten und Schranken entspricht. Fundiertere Aussagen dazu wären aber nur nach einer vertieften Analyse des kantonalen Vollzugs möglich.

5.1

Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen im Allgemeinen

Die Datenanalyse weist darauf hin, dass zwischen der gemäss Aufenthaltszweck deklarierten und der tatsächlichen Erwerbstätigkeit erhebliche Diskrepanzen existieren (Kap. 5.1.1). Weiter macht sie sichtbar, dass zwischen den Kantonen erhebliche Unterschiede in der Bewilligungspraxis bestehen, insbesondere bei der Verlängerung von B-Bewilligungen (Kap. 5.1.2). Zudem zeigt sich, dass die Nachführung von Schlüsselinformationen im ZEMIS nicht in allen Kantonen gleich schnell erfolgt (Kap. 5.1.3). Schliesslich ergeben sich weitere Einzelbefunde, die vor dem Hintergrund der geltenden rechtlichen Bestimmungen Fragen aufwerfen (Kap. 5.1.4).

5.1.1

Diskrepanzen zwischen deklarierter und tatsächlicher Erwerbstätigkeit

Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ist der bei weitem häufigste Aufenthaltszweck, unter dem sich FZA-Zugewanderte registrieren, wobei 99 % dieser Personen als Zweck die Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit angeben.69 Allerdings sind fast 20 % dieser Personen in den vier Jahren nach ihrer Einreise nie erwerbstätig, obwohl sie über einen Arbeitsvertrag verfügen müssten. Zwei Fünftel davon reisen nach spätestens sechs Monaten wieder aus, ein weiteres Fünftel verlässt die Schweiz in der Zeit zwischen sechs und zwölf Monaten.70 Die restlichen zwei Fünftel von ihnen sind aber länger als ein Jahr in der Schweiz. Umgerechnet auf die gesamte Zahl der Zuwanderer, die mit Aufenthaltszweck «(unselbständige) Erwerbstätigkeit» einreisen, bedeutet dies, dass rund 8 % danach trotzdem gar nie erwerbstätig sind und dennoch länger als ein Jahr in der Schweiz bleiben. Weitere 13 % der Personen, die zum Zweck einer Erwerbstätigkeit in die Schweiz kommen, sind zudem zu Beginn ihres Aufenthalts mindestens zwei Monate nicht erwerbstätig.

Angesichts der Tatsache, dass der Aufenthaltszweck «unselbstständige Erwerbstätigkeit» gemäss FZA ein Aufenthaltsrecht und den diskriminierungsfreien Zugang zu Sozialleistungen (namentlich zur Sozialhilfe) begründet, ruft dieser Befund 69

70

Weil damit fast alle Personen als unselbständig Erwerbstätige in die Schweiz kommen, wird im Folgenden nur noch von Personen mit Aufenthaltszweck «unselbständige Erwerbstätigkeit» gesprochen, obwohl sich die Berechnungen streng genommen auf alle Personen mit Aufenthaltszweck «Erwerbstätigkeit» (also auch selbständige Erwerbstätigkeit) beziehen.

Bei diesen Personen kann es sich allenfalls um Personen handeln, die zur Stellensuche in die Schweiz kommen, die aber fälschlicherweise als Erwerbstätige registriert werden.

8259

Fragen auf. Eine mögliche Erklärung für die hohe Zahl Personen, die gemäss ZEMIS unselbständig erwerbstätig ist, aber faktisch nie arbeitet, könnte sein, dass Stellensuchende fälschlicherweise als unselbständig Erwerbstätige registriert werden. Unter Umständen könnten auch weitergehende Kontrolldefizite hinter diesen Befunden stehen. Gewissheit könnte hier allenfalls eine vertiefte Analyse des kantonalen Vollzugs bringen.

Auch die umgekehrte Situation ­ d. h. Erwerbstätigkeit von Personen ohne Aufenthaltszweck Erwerbstätigkeit ­ ist recht häufig, aber im Durchschnitt von eher kurzer Dauer (1,9 Monate). Zu den Personen, die als Nichterwerbstätige in die Schweiz kommen, und dann eine Erwerbstätigkeit aufnehmen, dürften vor allem Personen gehören, die im Familiennachzug oder zu Ausbildungszwecken in die Schweiz kommen. Daraus ergibt sich wohl auch eine mögliche Erklärung für die kantonalen Unterschiede: Denn mit Ausnahme des Kantons Jura sind alle Kantone mit überdurchschnittlichen Werten Universitätskantone oder Kantone mit grossen Zentren.

Bei ersteren können die hohen Werte durch die Studierenden erklärt werden, die neben der Ausbildung zu einem gewissen Ausmass einer Erwerbstätigkeit nachgehen dürfen. Und in Kantonen mit grossen Zentren ist die Zahl der Zuwanderer höher und damit auch die Zahl der Personen, die im Familiennachzug kommen. Zudem kann die Anzahl der zugewanderten Personen pro Kanton und die davon abhängige Belastung der kantonalen Migrationsbehörden auch zu Kontrolldefiziten führen.

5.1.2

Gewährung von Niederlassungsbewilligungen C

Deutliche Unterschiede zwischen den kantonalen Vollzugspraktiken zeigen sich vor allem bei der Gewährung von Niederlassungsbewilligungen C.71 Dabei ist unklar, inwieweit die kantonalen Unterschiede beim Anteil der Zugewanderten mit C-Bewilligung Ausdruck einer unterschiedlichen Behördenpraxis sind oder vielmehr das unterschiedliche Profil der Zugewanderten widerspiegeln.

­

71

Wenn FZA-Zugewanderte nach ihrer ersten B-Bewilligung ihre Aufenthaltsbewilligung erneuern, erhalten rund 61 % erneut eine B-Bewilligung und rund 34 % eine (unbeschränkte) Niederlassungsbewilligung C. Dabei variiert der Anteil der Personen mit einer anschliessenden Bewilligung C je nach Kanton zwischen 15 % und 65 %. Die Kantone AR, AG und SZ gewähren mehr als der Hälfte der Personen im Anschluss an die erste B-Bewilligung eine Niederlassungsbewilligung C, während die Kantone GR, UR, VS, OW, TI, VD, ZH, TG und AI weniger als 30 % der Personen eine C-Bewilligung erteilen. Konkret bedeutet dies, dass FZA-Zugewanderte, die mit einer B-Bewilligung einreisen und anschliessend eine weitere Bewilligungsperiode aufweisen, im Kanton Graubünden fünfmal häufiger erneut eine B-Bewilligung statt einer C-Bewilligung erhalten, während sie im Kanton Appenzell A. Rh. doppelt so häufig eine C-Bewilligung als eine B-Bewilligung erhalten.

Die Erteilung von Niederlassungsbewilligungen ist nicht im FZA geregelt, sondern im AuG und in diversen bilateralen Niederlassungsvereinbarungen. Weil im Rahmen dieser Evaluation aber die Aufenthaltsverläufe beobachtet wurden, wurde auch untersucht, welche Bewilligungen die FZA-Zuwanderer bei einer Verlängerung ihrer Bewilligung erhalten.

8260

­

Auch die Anteile der FZA-Zugewanderten, die bei ihrer Ersteinreise eine C-Bewilligung erhalten, schwanken je nach Kanton zwischen 3 % und 17 % (Mittelwert: 10 %).

5.1.3

Hinweise auf mangelnde Qualität der Registrierung im ZEMIS

Es gibt klare Hinweise darauf, dass die Daten im ZEMIS nicht aktuell sind und sich die Nachführung der ZEMIS-Daten von Kanton zu Kanton erheblich unterscheidet: ­

So ist zu beobachten, dass gewisse Daten trotz An- und Abmeldepflicht nicht in aktualisierter Form vorliegen. Dies betrifft v. a. die Ausreise: Von allen registrierten Ausreisen werden rund 40 % der Ausreisen nach einer bestimmten Zeit automatisch durch den Computer gesetzt. Dabei sind grosse Unterschiede zwischen den Kantonen festzustellen: AI 17,4 %, SH, 56,1 %.72

­

In einigen Kantonen werden Zu- und Wegzüge relativ rasch registriert, während es in anderen Kantonen relativ lange dauert. So beträgt im Extremfall eines Kantons die Differenz zwischen dem Datum des Wegzugs und dessen Registrierung im ZEMIS im Durchschnitt fast ein halbes Jahr.

5.1.4

Weitere Hinweise auf mögliche Vollzugsprobleme

Aus der Analyse ergeben sich schliesslich weitere Befunde, welche auf mögliche Abweichungen von den rechtlichen Vorgaben bei der Erteilung von FZA-Aufenthaltsbewilligungen hinweisen könnten:

72

­

Von den Personen mit dem deklarierten Aufenthaltszweck «Stellensuche» haben über 4 % eine B-Bewilligung, obwohl der Aufenthalt zum Zweck der Stellensuche auf maximal zwölf Monate beschränkt ist. Die Gründe für diesen Befund sind nicht bekannt.

­

Rund 2,5 % der unter dem FZA eingereisten Personen haben keine Bewilligung, sind jedoch sowohl im ZEMIS als auch bei der AHV registriert. Ob es sich dabei um Personen mit einem melde-, aber nicht bewilligungspflichtigen Aufenthalt handelt, müsste näher abgeklärt werden.

Obwohl eine Nichteinhaltung der Meldepflichten gemäss Art. 32a VEP mit einer Busse bis zu 5000 Franken geahndet werden kann, werden solche gemäss BFM selten bis nie ausgesprochen. Eine Sanktion sei wirkungslos, da die Personen «weg» und im Ausland häufig nicht auffindbar seien. Angesichts der Tatsache, dass viele Personen mehrmals in die Schweiz einreisen (siehe Kap. 3.2) ist diese Argumentation aber nur zum Teil nachvollziehbar.

8261

5.2

Aufenthalt bei Arbeitslosigkeit

Im Folgenden stellen wir dar, in welchen Fällen das Recht eine Beschränkung des Aufenthaltsrechts aufgrund von Arbeitslosigkeit überhaupt zulässt (Kap. 5.2.1). Auf der Basis der quantitativen Datenanalyse kann anschliessend geschätzt werden73, wie viele der Zugewanderten sich in einer Situation befanden, in der eine Beschränkung des Aufenthaltsrechts möglich gewesen wäre und wie oft die kantonalen Behörden diese Möglichkeit tatsächlich wahrgenommen haben. Grundsätzlich war das Potential zur Beschränkung des Aufenthalts aufgrund von Arbeitslosigkeit bisher eher gering. Es betraf maximal 4,7 % der zwischen 2002 und Ende 2010 Zugewanderten. Der Anteil der Personen, bei denen alle rechtlichen Voraussetzungen für eine Aufenthaltsbeschränkungen gegeben gewesen wären, liegt wahrscheinlich noch deutlich tiefer. Denn ein erheblicher Teil der Betroffenen dürfte aufgrund genügender finanzieller Mittel zur Existenzsicherung oder anderer einzelfallspezifischer Gegebenheiten ein Recht auf Aufenthalt geltend machen können.

Die Datenanalyse zeigt weiter, dass die Behörden in geschätzten 20­40 % der Fälle, in denen Aufenthaltsbeschränkungen infolge von Arbeitslosigkeit allenfalls möglich gewesen wären, tatsächlich solche ergriffen haben. Weshalb in den restlichen 60­80 % der Fälle keine Aufenthaltsbeschränkungen umgesetzt wurden, liesse sich nur im Rahmen einer vertieften Analyse des kantonalen Vollzugs klären.

5.2.1

Rechtliche Voraussetzungen für Aufenthaltsbeschränkungen aufgrund von Arbeitslosigkeit

Aus rechtlicher Sicht ergeben sich aus der Arbeitslosigkeit nur aufenthaltsrechtliche Konsequenzen für EU/EFTA-Staatsangehörige, deren Bewilligung an die unselbständige Erwerbstätigkeit gebunden ist.74 Die genauen Bedingungen und Konstellationen, unter denen ein Entzug des Aufenthaltsrechts aufgrund von Arbeitslosigkeit möglich ist, hat das BFM nie genau definiert und geklärt.75 Für die vorliegende Untersuchung und insbesondere für die quantitative Datenanalyse hat die PVK zusammen mit externen Experten basierend auf den rechtlichen Vorgaben, Lehre und Rechtsprechung eine solche Definition vorgenommen.76 A) Bei Personen, deren Aufenthaltsrecht von einer unselbständigen Erwerbstätigkeit abhängt, ist wesentlich, ob deren Arbeitslosigkeit bei einem RAV oder der Wohngemeinde gemeldet (und damit ordnungsgemäss bestätigt) ist oder nicht. Wird die Arbeitslosigkeit ordnungsgemäss bestätigt, hängen die

73 74

75 76

Da in den analysierten Administrativdaten nicht alle im Einzelfall rechtlich relevanten Informationen vorliegen, ist lediglich eine Schätzung möglich.

Dies ist einerseits bei Personen mit einer Bewilligung als Arbeitnehmende der Fall, andererseits bei solchen mit einer Bewilligung als Selbständige, die in die unselbständige Erwerbstätigkeit gewechselt haben und somit faktisch ebenfalls Arbeitnehmende sind.

Bei allen übrigen Personenkategorien hängt das Aufenthaltsrecht nicht von einer unselbständigen Erwerbstätigkeit ab, und die Arbeitslosigkeit kann folglich auch kein Grund für einen Bewilligungswiderruf darstellen.

Eine Klärung wäre aber wichtig, weil sich die im FZA verwendeten Begrifflichkeiten und Definitionen nicht mit denen des Schweizer Rechts decken.

Siehe dazu auch Materialien, Teil III, Kap. 2.1.2.

8262

möglichen aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen vom Bewilligungstyp und der Art der Arbeitslosigkeit ab: ­ Personen mit einer Kurzaufenthaltsbewilligung L können sich sechs weitere Monate als Stellensuchende in der Schweiz aufhalten. Ihr Aufenthaltsrecht kann maximal weitere sechs Monate verlängert werden, wenn begründete Aussichten auf Erfolg bestehen (Konstellation A1).

­ Dasselbe gilt für ordnungsgemäss gemeldete freiwillig arbeitslos gewordene Personen mit einer B-Bewilligung sowie für registrierte unfreiwillig arbeitslos gewordene Personen mit B-Bewilligung, die im ersten Jahr ihrer Erwerbstätigkeit in der Schweiz die Stelle verlieren (Konstellation A2).

­ Bei den übrigen ordnungsgemäss gemeldeten Arbeitslosen mit B-Bewilligung kann das Recht auf Aufenthalt eingeschränkt werden, wenn die Arbeitslosigkeit zum Zeitpunkt der ersten Bewilligungserneuerung bereits ein Jahr andauert. In diesem Fall erhält die Person eine befristete Aufenthaltsverlängerung von mindestens zwölf Monaten. Ist sie danach noch arbeitslos, kann ihr Aufenthalt beendet werden (Konstellation A3).

In allen anderen Konstellationen, in denen die Arbeitslosigkeit ordnungsgemäss gemeldet ist, können die Behörden Bewilligungen nicht wegen Arbeitslosigkeit widerrufen.

B) Ist die Arbeitslosigkeit nicht ordnungsgemäss bestätigt, d. h. nicht bei der zuständigen Stelle gemeldet, können die betreffenden Personen ihre Arbeitnehmereigenschaft verlieren (da sie zwar erwerbslos, aber offiziell nicht auf Stellensuche sind). Deshalb kann ihre Bewilligung als unselbständig Erwerbstätige widerrufen werden, es sei denn, die Person kann sich auf ein anderes Aufenthaltsrecht (z. B. als stellensuchende oder nichterwerbstätige Person) stützen.

Ein Bewilligungswiderruf in den aufgeführten Konstellationen ist dabei nicht zwingend. Vielmehr verfügen die Behörden immer über ein Ermessen, das sie im Einzelfall ausüben müssen. Ein Widerruf, die Verweigerung einer Bewilligungsverlängerung oder auch eine Befristung der Verlängerung77 müssen immer verhältnismässig sein.78 Ausserdem steht es den Betroffenen offen, um eine Aufenthaltserlaubnis als Nichterwerbstätige zu ersuchen, wenn sie über genügend finanzielle Mittel zur Existenzsicherung verfügen.79

77

78 79

Eine solche muss gemäss Spescha et al. (2012, 636) «im Lichte der gesamten Dauer der Erwerbslosigkeit im Zeitraum von fünf Aufenthaltsjahren sowie in Berücksichtigung einer allfälligen familiären Verwurzelung in der Schweiz verhältnismässig sein».

Zudem muss in allen Fällen von Arbeitslosigkeit bei einem Entzug geprüft werden, ob sich die Person auf ein anderes Verbleiberecht berufen kann (Merz, 2009, S. 296).

Gemäss Art. 24 Abs. 3 Anhang I FZA sind allfällige Arbeitslosenentschädigungen, die eine Person erhält, bei der Berechnung der notwendigen finanziellen Mittel zu berücksichtigen. Eine Nichterwerbstätigen-Bewilligung wird für die voraussichtliche Dauer des Entschädigungsbezugs, maximal bis zum Datum der Aussteuer der Arbeitslosen, erteilt (Weisungen BFM, 01.05.2011, Kap. 8.2.5.2, S. 96).

8263

5.2.2

Häufigkeit der aufenthaltsrelevanten Konstellationen von Arbeitslosigkeit

Auf der Basis der quantitativen Datenanalyse konnte geschätzt werden80, wie häufig die oben aufgeführten Konstellationen in der Realität vorkamen bzw. in wie vielen Fällen eine Beschränkung des Aufenthaltsrechts aufgrund von Arbeitslosigkeit grundsätzlich möglich gewesen wäre.81 A) Insgesamt waren rund 3,5 % der zwischen Juni 2002 und Ende 2010 Zugewanderten von einer oder mehreren der weiter oben unter A) beschriebenen Konstellationen betroffen. Im Einzelnen ergibt sich dabei folgendes Bild: ­ Rund 13 000 Kurzaufenthalter suchten während mehr als sechs Monaten erfolglos eine Stelle. Im Durchschnitt befanden sich diese Personen während rund sieben Monaten in einer Situation, in der ihnen die Behörden aufgrund von Arbeitslosigkeit die Aufenthaltsbewilligung hätten entziehen können (Konstellation A1).

­ Rund 12 000 Personen mit einer B-Bewilligung wurden im ersten Aufenthaltsjahr arbeitslos und suchten danach während mehr als sechs Monaten erfolglos eine Stelle. Im Durchschnitt waren die Personen 15 Monate arbeitslos. Weil das FZA einen Aufenthalt zur Stellensuche von sechs Monaten garantiert, hätten ihnen die Behörden danach während durchschnittlich neun Monaten die Aufenthaltsbewilligung aufgrund von Arbeitslosigkeit entziehen können (Konstellation A2).

­ Personen mit einer B-Bewilligung, die zum Zeitpunkt der ersten Bewilligungserneuerung bereits seit einem Jahr arbeitslos sind, kann eine befristete Aufenthaltsverlängerung zur Stellensuche erteilt werden. Ist die Suche erfolglos, kann ihr Aufenthalt beendet werden (Konstellation A3). Eine solche Konstellation gab es relativ selten (rund 2700 Fälle) und sie war im Durchschnitt von kurzer Dauer (2,2 Monate).

B) Personen, deren Arbeitslosigkeit nicht ordnungsgemäss bestätigt ist, verlieren ihre Arbeitnehmereigenschaft, weshalb ihre Bewilligung als unselbständig Erwerbstätige grundsätzlich sofort widerrufen werden kann. Konkret handelt es sich dabei um Personen, die mit dem Aufenthaltszweck «unselbständige Erwerbstätigkeit» eingereist waren, die aber weder erwerbstätig noch beim RAV als Stellensuchende registriert waren (und auch keine ALE bezogen). Zwischen Juni 2002 und Ende 2010 traf dies auf rund 43 500 Personen zu. Geht man von der plausiblen Annahme aus, dass diese Personen für eine gewisse Zeit über genügende Mittel zur Existenzsicherung
verfügten und deshalb ein Aufenthaltsrecht als Nichterwerbstätige hätten geltend machen können, kamen aufenthaltsbeschränkende Massnahmen primär für jene Personen in Betracht, welche sich über längere Zeit in dieser Situation be-

80 81

Da in den analysierten Administrativdaten nicht alle im Einzelfall rechtlich relevanten Informationen vorliegen, ist lediglich eine Schätzung möglich.

Eine Person kann sich dabei im Laufe des Aufenthalts nacheinander in beiden genannten Konstellationen A und B befinden.

8264

fanden.82 Setzt man die Schwelle bei neun Monaten an, waren noch 8800 Personen (1,2 % der insgesamt Zugewanderten) betroffen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Potential zur Beschränkung des Aufenthalts aufgrund von Arbeitslosigkeit bisher gering war. Es betraf maximal 4,7 % der zwischen 2002 und Ende 2010 Zugewanderten. Der Anteil der Personen, bei denen Aufenthaltsbeschränkungen tatsächlich möglich gewesen wären, dürfte in der Realität noch deutlich tiefer gewesen sein. Denn ein erheblicher Teil der Betroffenen hätte vermutlich dank genügender finanzieller Mittel oder aufgrund anderer einzelfallspezifischer Besonderheiten ein Aufenthaltsrecht geltend machen können.

5.2.3

Umsetzung aufenthaltsbeschränkender Massnahmen aufgrund von Arbeitslosigkeit

Aufenthaltsbeschränkende Massnahmen werden im ZEMIS nicht erfasst. Deshalb lassen sich keine präzisen Angaben zum Umfang der von den kantonalen Behörden erlassenen Aufenthaltsbeschränkungen aufgrund von Arbeitslosigkeit machen.

Gewisse Hinweise ergeben sich aber aus der Zahl der nicht erneuerten Bewilligungen oder den verkürzt erteilten B-Bewilligungen.

82

­

Bei etwa einem Viertel (26,4 %) der rund 25 000 als arbeitslos gemeldeten Personen, bei denen eine Beschränkung des Aufenthaltsrechts in Frage kam, wurde die bestehende Bewilligung nach ihrem Auslaufen nicht erneuert. Allerdings lässt sich nicht quantifizieren, wie viele dieser Fälle tatsächlich auf aufenthaltsbeschränkende Massnahmen der Behörden zurückzuführen sind und in wie vielen Fällen die betroffenen Personen gar keine neue Bewilligung verlangten. Fest steht nur, dass die Behörden in allerhöchstens einem Viertel der Fälle, in denen eine Beschränkung des Aufenthaltsrechts aufgrund der Arbeitslosigkeit allenfalls in Frage gekommen wäre, eine Bewilligung nicht erneuert haben. Dabei zeigten sich grössere kantonale Unterschiede: Der Anteil von Personen, die nach einer aufenthaltsrelevanten Arbeitslosigkeit keine neue Bewilligung erhalten, liegt zwischen 13,6 % (VS) und 43,3 % (BS). Inwieweit dieser Befund auf eine unterschiedliche kantonale Behördenpraxis zurückgeführt werden kann, ist unklar.

­

Die Frage, wie viele verkürzt erteilte B-Bewilligungen es gab, kann aufgrund der Datenlage nur für Personen beantwortet werden, die zwischen Juni 2002 und Dezember 2005 zugewandert sind. In dieser Zeit gab es 4712 Personen, bei denen eine Aufenthaltsbeschränkung aufgrund von Arbeitslosigkeit allenfalls möglich gewesen wäre ­ und jeder Fünfte davon (933 Personen) erhielt auch tatsächlich eine verkürzte B-Bewilligung. Auch hier gibt es kantonale Unterschiede und damit Hinweise auf eine unterschiedliche Behördenpraxis: Im Kanton Waadt wurde nur in 13 % der Fälle eine verkürzte Bewilligung ausgestellt, in Bern in 24 %.

Dafür sprechen Verhältnismässigkeitsüberlegungen und auch der für eine Überprüfung und einen allfälligen Entzug des Aufenthaltsrechts nötige Zeitbedarf und administrative Aufwand. Die meisten der insgesamt 43 500 Personen blieben zudem nicht sehr lange in der angesprochenen Situation (43 % weniger als sechs Monate, 80 % weniger als neun Monate), weil sie wieder erwerbstätig wurden, sich bei einem RAV als Stellensuchende anmeldeten oder ausreisten.

8265

Insgesamt zeigt sich, dass die Behörden nur in schätzungsweise 20­40 % der Fälle, in denen Aufenthaltsbeschränkungen infolge von Arbeitslosigkeit allenfalls möglich gewesen wären, tatsächlich solche ergriffen haben. Möglich wäre etwa, dass die betroffenen Personen auch ohne Erwerbstätigkeit über genügend finanzielle Mittel verfügten und deshalb eine Aufenthaltsbeschränkung obsolet war oder dass den kantonalen Behörden die Beschränkung des Aufenthaltsrechts aufgrund der besonderen Umstände eines Falls nicht verhältnismässig erschien. Möglich wäre aber auch, dass die Behörden einen Teil der aufgeführten Fälle gar nicht prüfte, weil sie aufgrund der bisher fehlenden behördeninternen Informationspflichten (siehe Kap. 4.2) gar nichts von der aufenthaltsrelevanten Arbeitslosigkeit wussten. Die genauen Hintergründe dafür und auch die Frage, inwieweit die festgestellten, recht erheblichen Unterschiede zwischen den Kantonen auf eine unterschiedliche Behördenpraxis oder auf Unterschiede in der Struktur der Zuwanderung zurückzuführen sind, liessen sich allenfalls im Rahmen einer vertiefen Analyse des kantonalen Vollzugs klären.

5.3

Aufenthalt beim Bezug von Sozialhilfe

Die Zahl der FZA-Zugewanderten, deren Aufenthaltsrecht aufgrund eines Sozialhilfebezugs allenfalls hätte eingeschränkt werden können, ist sehr gering. In den wenigen Fällen, in denen dies möglich gewesen wäre, haben die Behörden bisher kaum Aufenthaltsbeschränkungen angewendet.

5.3.1

Rechtliche Voraussetzungen für Aufenthaltsbeschränkungen aufgrund des Bezugs von Sozialhilfe

Aus dem FZA selber ergibt sich lediglich, dass Nichterwerbstätige kein Recht auf eine Aufenthaltsbewilligung haben, wenn sie nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügen und daher Sozialhilfe in Anspruch nehmen. Unselbständig Erwerbstätige sowie deren nachgezogenen Angehörigen können dagegen Sozialhilfe beanspruchen, ohne dass ihr Aufenthaltsrecht dadurch tangiert ist.83 Das BFM hält in seinen Weisungen fest, dass bei allen Kategorien von Nichterwerbstätigen (insbesondere auch bei Stellensuchenden)84 sowie bei Personen, welche von diesen nachgezogen wurden und die keiner eigenen Erwerbstätigkeit nachgehen, beim Bezug von Sozialhilfe der Anspruch auf ein Aufenthaltsrecht erlischt.

Weiter führt es aus, dass auch selbständig Erwerbstätige (bzw. zumindest jene 83

84

Es gibt lediglich sehr spezifische Ausnahmen von diesem Grundsatz: Unselbständig erwerbstätigen Personen kann das Aufenthaltsrecht entzogen werden, wenn sie ihre Arbeitnehmereigenschaft dauerhaft verlieren. Krankheit oder vorübergehende Arbeitsunfähigkeit führen dagegen nicht zu einem Verlust der Arbeitnehmereigenschaft.

BGE 130 II 388 E 3.1: Die Bestimmung, dass Stellensuchende während ihrem Aufenthalt von der Sozialhilfe ausgeschlossen werden können, führt dazu, dass Stellensuchende ohne genügende finanzielle Mittel kein Recht auf eine Aufenthaltsbewilligung haben, falls sie kein Recht auf Sozialhilfe haben («les chercheurs d'emploi (...) peuvent être exclus de l'aide sociale pendant la durée (de leur) séjour», cette disposition implique en effet que ceux qui sont sans ressources ne sont pas autorisés à séjourner en Suisse, à moins que l'aide sociale leur soit accordée.)

8266

selbständig Erwerbstätigen, die ihre Erwerbstätigkeit ganz aufgeben), die Sozialhilfe beanspruchen, das Recht auf Aufenthalt verlieren können (siehe Kap. 4.1).85 Ein Sozialhilfebezug führt jedoch in keinem Fall automatisch zum Entzug der Aufenthaltsbewilligung. Vielmehr ist «in sämtlichen Fällen das behördliche Ermessen in Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes auszuüben. Danach erscheint eine Weg- oder Ausweisung unzulässig, wenn sich die betroffene Person mehrere Jahre klaglos in unserem Lande aufgehalten hat. Dies gilt umso mehr, wenn familiäre Bindungen in der Schweiz hinzukommen.»86 Die Aus- und Wegweisungspraxis gegenüber Drittstaatsangehörigen nach Artikel 62 Buchstabe e AuG gilt dabei als Richtschnur, zumal EU/EFTA-Staatsangehörige diesen gegenüber gemäss Artikel 12 FZA nicht benachteiligt werden dürfen. Demgemäss wird das Aufenthaltsrecht vor allem dann widerrufen, wenn es sich um eine erhebliche und dauerhafte Abhängigkeit von der Sozialhilfe handelt.87

5.3.2

Häufigkeit der aufenthaltsrelevanten Konstellationen von Sozialhilfebezug

Nur 3.5 Promille der zwischen Juni 2002 und Ende 2010 unter dem FZA-Zugewanderten wiesen einen Sozialhilfebezug aus, der unter Umständen eine Beschränkung des Aufenthaltsrechts zugelassen hätte (rund 2500 Personen).88 Am häufigsten kommen solche aufenthaltsrelevante Sozialhilfebezüge während der Stellensuche vor und sind relativ kurz (durchschnittlich vier Monate). Bei gut der Hälfte der Fälle dauert der aufenthaltsrelevante Sozialhilfebezug weniger als drei Monate; bei 9 % (140 Personen) dauert er länger als ein Jahr. Das Potenzial zur Einschränkung des Aufenthaltsrechts aufgrund eines Sozialhilfebezugs ist somit sehr eingeschränkt.

Angesichts der sehr geringen Quote gilt diese Feststellung selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass im Haushalt der ausgewiesenen Sozialhilfebeziehenden weitere unter dem FZA zugewanderte Personen leben können, die hier nicht mitgezählt sind.

5.3.3

Umsetzung aufenthaltsbeschränkender Massnahmen bei Sozialhilfebezug

Da aufenthaltsbeschränkende Massnahmen im ZEMIS nicht erfasst werden, kann nicht genau beziffert werden, inwieweit die Behörden entsprechende Massnahmen ergriffen haben. Fest steht aufgrund der Analyse aber immerhin, dass die Behörden bei mindestens drei Vierteln der insgesamt rund 2500 Personen mit möglicherweise aufenthaltsrelevanten Sozialhilfebezügen keine aufenthaltsbeschränkenden Mass-

85 86 87 88

Hier ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Sozialhilfe kantonal geregelt ist und das Aufenthaltsrecht damit von der konkreten kantonalen Regelung abhängen kann.

Spescha et al., 2012, S. 634.

Spescha et. al., 2012, S. 175.

Um den maximalen Umfang allenfalls möglicher Aufenthaltsbeschränkungen abzuschätzen, wurde eruiert, wie viele selbständig Erwerbstätige, Stellensuchende (ohne ALEBezug) sowie Nichterwerbstätige Sozialhilfe bezogen.

8267

nahmen ergreifen.89 Dies könnte daran liegen, dass die Behörden in vielen Fällen ihr Ermessen in Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes ausüben (vgl.

oben). Die geringe Anzahl der Beschränkungen könnte auch darauf zurückzuführen sein, dass die Behörden die relevanten Fälle gar nicht erkannt haben, weil die gesetzlichen Grundlagen für den Informationsaustausch unter den zuständigen Behördenstellen erst im Jahr 2008 geschaffen wurden (vgl. Kap. 4.2) und/oder der entsprechende Aufwand aufgrund der sehr geringen Fallzahlen unverhältnismässig erschien. Klarheit in dieser Frage könnte allenfalls eine vertiefte Analyse des kantonalen Vollzugs schaffen.

6

Schlussfolgerungen

Die FZA-Zuwanderung ist primär eine Arbeitsmigration Die vorliegende Evaluation zeigt, dass es sich bei der Zuwanderung unter dem FZA primär um eine Arbeitsmigration mit einem grossen Anteil an jungen, gut qualifizierten Personen handelt. Drei Viertel der über 18-jährigen Personen, die unter dem FZA in die Schweiz kommen, sind erwerbstätig. Rund 57 % dieser Zugewanderten sind während ihrem Aufenthalt konstant erwerbstätig und weitere 17 % sind mit Unterbrüchen erwerbstätig. Die Migration weist eine hohe Dynamik auf: Von den knapp 1 000 000 Personen, die zwischen Mitte 2002 und Ende 2011 unter dem FZA in die Schweiz gekommen sind, haben rund 400 000 die Schweiz wieder verlassen.

Ende 2011 waren deshalb rund 600 000 Personen mit einem Aufenthaltsrecht in der Schweiz, das sie unter dem FZA erhalten haben (Nettomigration).

Modellrechnungen zeigen auch, dass die Zuwanderung auf die konjunkturell bedingte Nachfrage des Arbeitsmarktes reagiert. Dank der Zuwanderung kann die Wirtschaft Engpässe am Arbeitsmarkt abbauen, und zwar sowohl bei den hoch qualifizierten Fachkräften als auch im Bereich der weniger qualifizierten, kurzfristigen bzw. saisonalen Beschäftigung.

Die Sozialleistungsbezugsquoten der Zugewanderten steigen mit zunehmender Aufenthaltsdauer an und sollten daher aufmerksam beobachtet werden In den ersten Jahren nach Inkrafttreten des FZA lagen die Sozialleistungsquoten (ALE, Sozialhilfe, IV-Renten) der Zugewanderten unter jenen der Schweizer/innen.

Mit der steigenden Aufenthaltsdauer steigen die Bezugsquoten der FZA-Zugewanderten aber an, sowohl bei der ALE als auch bei der Sozialhilfe.

89

­

Die ALE-Bezugsquote aller FZA-Zugewanderten ist in den beiden letzten Jahren der Untersuchung (2009/2010) auf das Niveau der Vor-FZA-Zugewanderten gestiegen und liegt damit deutlich über jenem der Schweizer/innen.

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Die Sozialhilfebezugsquote liegt zwar nach wie vor unter jener der VorFZA-Zugewanderten und der Schweizer/innen, allerdings ist auch hier ein kontinuierlicher Anstieg zu beobachten.

Die Personen des restlichen Viertels hatten keine neue Aufenthaltsbewilligung. Dabei ist offen, ob ihnen die Behörden die Bewilligung verweigerten, weil sie in der vorhergehenden Periode einen aufenthaltsrelevanten Sozialhilfebezug aufwiesen, oder ob die Betroffenen gar keine neue Bewilligung beantragten.

8268

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Die Quoten und deren Anstieg unterscheiden sich nach Herkunft der Zuwanderer. So liegt die ALE-Quote von Zugewanderten aus den nördlichen EU-17/EFTA-Staaten im Beobachtungszeitraum bis 2010 immer unter jener der Schweizer/innen, während jene der EU-17-Süd-Länder schon seit 2006 deutlich darüber liegt. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch bei den SozialhilfeQuoten: Die Quote der Zuwanderer aus den EU-17/EFTA-Nord-Staaten ist 2010 nach wie vor tiefer als die Schweizer Quote, während die EU-17-SüdQuote 2010 erstmals höher als die Bezugsquote der Schweizer/innen war.

Die hohen Quoten der Zuwanderer aus den südlichen EU-17-Ländern dürften damit zusammenhängen, dass Personen aus diesen Ländern überdurchschnittlich häufig in Branchen mit tiefen Löhnen und unsicheren Arbeitsverhältnissen arbeiten.

Auffallend ist zudem, dass daneben auch die Quote der Personen zunimmt, die erwerbstätig sind und gleichzeitig Sozialhilfe beziehen. 2010 gehörten 0,5 % aller FZA-Zugwanderten zu dieser Gruppe der «Working Poor». Von den Personen, die 2010 Sozialhilfe bezogen, waren rund 60 % gleichzeitig erwerbstätig. Die Erwerbstätigkeit gibt ihnen und ihren Angehörigen einen Rechtsanspruch auf Aufenthalt und Sozialhilfe.

Mit der zunehmenden Aufenthaltsdauer und der damit zunehmenden Berechtigung für einen Leistungsbezug dürften die Bezüge von Sozialleistungen durch Zugewanderte weiter wachsen. Die Entwicklung wird möglicherweise durch die Zunahme der Zuwanderung von Personen aus Ländern Süd- und Osteuropas, die bisher häufig in Branchen mit unsicheren Beschäftigungsverhältnissen tätig waren, noch beschleunigt. Will man diese Entwicklung zeitgerecht und in angemessener Differenzierung verfolgen, könnte sich eine Ergänzung des bestehenden Monitorings (Observatorium) bzw. eine wenigstens teilweise Verknüpfung der verfügbaren Administrativdaten aufdrängen.

Aufmerksam zu beobachten ist auch die Konjunkturabhängigkeit der Zu- und Rückwanderung. Gemäss den Modellrechnungen geht eine schlechte Konjunkturlage in der Schweiz, d. h. eine hohe Schweizer Arbeitslosenquote, einher mit einer gebremsten Zuwanderung, aber auch mit einer in geringerem Masse gebremsten Rückwanderung. Umgekehrt nehmen bei guter Konjunktur in der Schweiz (tiefe Arbeitslosenquote) sowohl die Zuwanderung als auch die Rückwanderung zu, wobei die Rückwanderung weniger stark von der Konjunktur geprägt ist. Das bedeutet, dass die Zugewanderten bei einer sich verschlechternden Arbeitsmarktlage vermehrt in der Schweiz bleiben und bei besserer Konjunktur vermehrt zurückwandern.

Die Aussagen der Bundesbehörden zu den Auswirkungen des FZA werden durch diese Untersuchung weitgehend bestätigt; auf die beschränkten Steuerungsmöglichkeiten wurde hingegen lange Zeit kaum hingewiesen Auf der Grundlage der Observatoriumsberichte kommunizieren die Bundesbehörden regelmässig über die Auswirkungen des FZA. Die dabei gemachten Aussagen der Bundesbehörden wurden von den Ergebnissen dieser Untersuchung weitgehend bestätigt.

Umgekehrt zeigt die vorliegende Untersuchung aber auch, dass das FZA den Behörden nur wenige Möglichkeiten bietet, um die Zuwanderung aus EU-
und EFTALändern zu steuern. So können die kantonalen Behörden das Aufenthaltsrecht auch im Falle eines Sozialleistungsbezugs nur unter ganz bestimmten und relativ engen 8269

Voraussetzungen beschränken. Diese Fakten wurden gegenüber der Öffentlichkeit lange Zeit nicht klar dargestellt.

Die Bundesbehörden haben für den Vollzug notwendige rechtliche Grundlagen erst spät geschaffen Die Bundesbehörden haben gesetzliche Grundlagen für den Informationsaustausch unter Behördenstellen, die eine Überprüfung der im FZA vorgesehenen Aufenthaltsvoraussetzungen überhaupt erst ermöglichen, spät oder noch gar nicht geschaffen.

So bestehen die rechtlichen Grundlagen für einen zweckmässigen Informationsaustausch zwischen den Migrationsbehörden und den für die ALE und Sozialhilfe zuständigen Behörden erst seit kurzem, und eine gesetzliche Grundlage im Hinblick auf den Bezug von Ergänzungsleistungen fehlt bis heute.

Das Bundesamt für Migration (BFM) übt seine Aufsicht über den Vollzug des FZA sehr zurückhaltend aus und verfügt nur über ungenügende Informationen zum kantonalen Vollzug Die Evaluation hat gezeigt, dass das BFM seine Aufsicht über den kantonalen Vollzug insgesamt sehr zurückhaltend wahrnimmt. Die rechtlichen Grundlagen liessen eine weitergehende Aufsicht des BFM zu, welche auch zweckmässig wäre.

Allerdings verfügt das Amt heute nicht über die Informationsgrundlagen, um die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben durch die Kantone zu überprüfen. Mit ZEMIS stünde ihm zwar grundsätzlich ein geeignetes Aufsichtsinstrument zur Verfügung, dieses hat aber konzeptionelle Mängel und wird vom BFM nicht zu Aufsichtszwecken genutzt. Von Vollzugsproblemen erfährt das BFM nur, wenn sie an das Amt herangetragen werden.

Relevante Fragen zum kantonalen Vollzug bleiben offen Obwohl der kantonale Vollzug nicht vertieft analysiert wurde, ergab die Untersuchung Hinweise auf Probleme und erklärungsbedürfte Unterschiede beim Vollzug des FZA durch die Kantone.

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Am auffälligsten sind die Diskrepanzen zwischen dem deklarierten Aufenthaltszweck der Erwerbstätigkeit und der tatsächlichen Erwerbstätigkeit. Rund 8 % der Personen, die als Aufenthaltszweck die Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit angeben, bleiben länger als ein Jahr in der Schweiz, ohne in dieser Zeit erwerbstätig zu sein. Weitere 12 % der Personen, die offiziell zum Zweck einer unselbständigen Erwerbstätigkeit einreisen, sind de facto nie erwerbstätig, reisen aber innerhalb eines Jahres wieder aus.

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Erklärungsbedürftig sind auch die grossen kantonalen Unterschiede in der Bewilligungspraxis, namentlich bei der Verlängerung von B-Bewilligungen.

Welche Bewilligung eine Person im Anschluss an die erste B-Bewilligung erhält, hängt offenbar von ihrem Wohnsitzkanton ab: Der Anteil der Personen mit einer anschliessenden Bewilligung C variiert je nach Kanton zwischen 15 % und 65 %.

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Kantonal sehr unterschiedlich und zum Teil ungenügend ist zudem auch die Nachführung von Schlüsselinformationen im ZEMIS.

Um die Tragweite dieser Problemhinweise und mögliche Erklärungen für die festgestellten Diskrepanzen zu eruieren, sind zusätzliche Abklärungen bei den Kantonen nötig.

8270

Abkürzungsverzeichnis Abs.

Absatz

AHV-IK

Alters- und Hinterlassenenversicherung ­ Individuelles Konto

ALE

Arbeitslosenentschädigung

Art.

Artikel

ASAL

Auszahlungssystem der Arbeitslosenkassen

AuG

Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (Ausländergesetz, SR 142.20)

AVAM

Informationssystem für die Arbeitsvermittlung und Arbeitsmarktstatistik

BFM

Bundesamt für Migration

BFS

Bundesamt für Statistik

BGE

Bundesgerichtsentscheid

BGIAA

Bundesgesetz über das Informationssystem für den Ausländer- und den Asylbereich (SR 142.51)

BK

Bundeskanzlei

Bst.

Buchstabe

BSV

Bundesamt für Sozialversicherungen

BV

Bundesverfassung (SR 101)

E.

Erwägung

EFK

Eidgenössische Finanzkontrolle

EFTA

Europäische Freihandelszone (European Free Trade Association)

EG

Europäische Gemeinschaft

EJPD

Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement

EU

Europäische Union

EU-15

15 Staaten, die 1999 bei Abschluss des FZA der EU angehörten (Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden, Spanien, Vereinigtes Königreich). Das FZA ist für diese Länder am 1. Juni 2002 in Kraft getreten.

EU-17

EU-15 plus Zypern und Malta, die der EU am 1. Mai 2004 beigetreten sind. Für Zypern und Malta ist das FZA am 1. April 2006 mit den für die EU-15 geltenden Übergangsfristen in Kraft getreten.

EU-2

Rumänien und Bulgarien, die am 1. Januar 2007 der EU beigetreten sind. Das FZA ist für diese Länder am 1. Juni 2009 in Kraft getreten.

EU-8

Acht osteuropäische Staaten (Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien), die am 1. Mai 2004 der EU beigetreten sind. Das FZA ist für diese Länder am 1. April 2006 in Kraft getreten.

8271

EuGH

Europäischer Gerichtshof

FZA

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen, SR 0.142.112.681)

GPK-N

Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates

GPKs

Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte

i. V. m.

in Verbindung mit

ParlG

Bundesgesetz vom 13.12.2002 über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz; SR 171.10)

ParlVV

Verordnung der Bundesversammlung vom 3.10.2003 zum Parlamentsgesetz und über die Parlamentsverwaltung (Parlamentsverwaltungsverordnung; SR 171.115)

PVK

Parlamentarische Verwaltungskontrolle

RAV

Regionale Arbeitsvermittlungszentren

SECO

Staatssekretariat für Wirtschaft

SESAM

Soziale Sicherheit und Arbeitsmarkt

SHIVALV

Wechselwirkungen zwischen den Systemen der sozialen Sicherheit: Sozialhilfe, Invalidenversicherung und Arbeitslosenversicherung

SKOS

Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe

SR

Systematische Rechtssammlung

VEP

Verordnung vom 22. Mai 2002 über die schrittweise Einführung des freien Personenverkehrs zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Union und deren Mitgliedstaaten sowie unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation (Verordnung über die Einführung des freien Personenverkehrs, SR 142.203)

vgl.

vergleiche

VKM

Vereinigung der Kantonalen Migrationsbehörden

VSAA

Verband Schweizerischer Arbeitsmarktbehörden

VZAE

Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (SR 142.201)

ZAS

Zentrale Ausgleichsstelle

ZEMIS

Zentrales Migrationsinformationssystem

8272

Literatur und Dokumentenverzeichnis Die Literatur, die verwendeten Dokumente und die Online-Datenquellen sind in Teil II und III der Materialien aufgeführt (Evaluation zum Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern unter dem Personenfreizügigkeitsabkommen. Materialien zum Bericht der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle zuhanden der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 6. November 2013).

8273

Verzeichnis der Interviewpartnerinnen und -partner Explorative Interviews Argast, Gabriele Gasser, Peter Egger, Hans-Peter Hirsbrunner, Martin Koch, Stephanie Kolly, Michel Malär, Doris Moser, Michael Scyboz, Christian Weber, Bernhard Wyss, Marcel

BFM, Chef Support Zentrales Migrationsinformationssystem SECO, Leiter des Bereichs Personenfreizügigkeit und Arbeitsbeziehungen, Direktion für Arbeit, Umsetzung FZA SECO, Ressortleiter Rechtsvollzug, Direktion für Arbeit, Arbeitsmarkt/ALV, Politik und Vollzug BFM, Chef Sektion Personenfreizügigkeit und Auswanderung, Direktionsbereich Zuwanderung und Integration BSV, Geschäftsfeld Internationale Angelegenheiten BSV; AHV-Einkommensstatistik, Bereich Statistik BSV, Stv. Leiterin Bereich Abkommen, Geschäftsfeld Internationale Angelegenheiten BFM, Statistikdienst Ausländer BFM, Sektion Personenfreizügigkeit und Auswanderung, Direktionsbereich Zuwanderung und Integration SECO, Stv. Ressortleiter Arbeitsmarktanalyse und Sozialpolitik (DPAS), Direktion für Wirtschaftspolitik SECO, Ressortleiter ASAL-Applikationen und ALK, Direktion für Arbeit, Arbeitsmarkt/ALV

Expertenkonsultation Recht Bucher, Silvia Caroni, Martina Merz, Laurent Spescha, Marc

Spezialistin für europäisches Sozialversicherungsrecht, damals: Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften Professorin, Migrationsrechtsspezialistin, Universität Luzern (Leitfadeninterview) Richter, Cour des assurances sociales, Kanton Waadt, ehemaliger Gerichtsschreiber beim Bundesgericht.

Rechtsanwalt, Migrationsrechtsspezialist (Leitfadeninterview)

Validierungsinterviews Gattiker, Mario Hirsbrunner, Martin

8274

BFM, Direktor BFM, Chef Sektion Personenfreizügigkeit und Auswanderung, Direktionsbereich Zuwanderung und Integration

Impressum Durchführung der Untersuchung Dr. Simone Ledermann, PVK (Projektleitung bis am 1.8.2013) Céline Andereggen, PVK (Projektleitung ab dem 1.8.2013) Christoph Bättig, PVK (Projektleitung ab dem 1.8.2013) Externer Expertenbericht Prof. Dr. Robert Fluder, Berner Fachhochschule (Projektleitung) Renate Salzgeber, Berner Fachhochschule (wissenschaftliche Mitarbeit) Tobias Fritschi, Berner Fachhochschule (wissenschaftliche Mitarbeit) Luzius von Gunten, Berner Fachhochschule (wissenschaftliche Mitarbeit) Franziska Müller, Interface GmbH (wissenschaftliche Mitarbeit) Urs Germann, UGC Urs Germann Consulting Roger Pfiffner, Berner Fachhochschule (wissenschaftliche Mitarbeit) Herbert Ruckstuhl, ASP Inteco AG Kilian Koch, Berner Fachhochschule (studentische Mitarbeit) Dank Die PVK dankt dem BFM, dem BSV, dem BFS, dem SECO und der ZAS für die prompte Bereitstellung der Daten und die Hilfestellungen bei der Interpretation.

Laurent Merz danken wir für die wertvollen Kommentare zu den rechtlichen Grundlagen. Unser Dank geht zudem an alle Personen innerhalb und ausserhalb der Bundesverwaltung, die sich für Interviews und Auskünfte zur Verfügung gestellt haben.

Kontakt Parlamentarische Verwaltungskontrolle Parlamentsdienste CH-3003 Bern Tel. +41 58 322 97 99 Fax +41 58 322 96 63 E-Mail: pvk.cpa@parl.admin.ch www.parlament.ch > Organe und Mitglieder > Kommissionen > Parlamentarische Verwaltungskontrolle

Originalsprache des Berichts: Deutsch 8275

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