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Bericht und Antrag der

Kommission des Nationalrathes über die aargauischer Indenfrage.

(Vom 27. Juli l863.)

Tit.!

Die Kommission, welche Sie mit der Begutachtung der Botschast des Bundesrathes über die aargauische Judenfrage beauftragten, hat die Ehre, Jhnen mit ihren. Berieht folgenden Antrag zu unterbreiten .

D i e B u n d e s v er s a m m l u ng d e r s eh w e i z e r i sche n E i d g e n o s s e n s eh a s t ,

nach Einsichtnahme der vom 2. und 3. Juli l863 datirteu Besehwerden aargauischer Jsraeliteu gegen die Vollziehung des Gesezes des Kautons Aargau vom 27. Juni l 863, betreffend ihre osfentlicheu Rechtsverhaltnisse .

nach Einsichtnahme der Botschaft des Bundesrathes vom l 7. Juli

1863;

nach Einsichtnahme, i.. Beziehung auf die politischen Rechte der aargauischen Jsraeliten, des Bundesbeschlusses vom 24. ..September ..856, und, bezüglich ihres Bürgerrechtes, des aargauischen Gesezes vom l 5. Mai 1862, der Artikel 43 und 56 der Bundesverfassung, so wie des Bundesgesezes vom 3. Dezember 1850 über die Heimathlostgkeit ,

b e s eh l i esst .

1. Der Bundesrath wird eingeladen, für die Vollziehung des Bm.desb...schlusses vom 24. September l 856 gegenüber den jüngsten Schlussnahmen des aargauischen Grossen Rathes, betreffend die Jsraeliten, zu forgen.

2. Der Bundesrath wird serner eingeladen, zn untersnehen, ob .nicht den aargauischen Jsraeliten durch das Gesez des Kautons Aargau vom l5. Mai 1862 das dortige Bürgerrecht in vollgültiger und unwiderrnslicher Weise zugesichert worden sei, und bejahendenfalls dafür zu sorgen, dass ihnen dieses ungeschmälert erhalten bleibe, verneineudenfalls aber die Frage ihrer Einbürgerung, gemäss Bnndesgesez vom 3. Dezember 1850 über die Heimathlosigkeit, im Auge zu behalten.

583 Diese Anträge weichen nur unbedeutend von den bundesräthlichen ab.

Gegenüber den Betitionen vom 2. und 3. Juli d. J., .^arganisehen Jsraeliten verlangen,

womit die

. l) als Bürger, gemäss dem aargauisehen Gesez von.. 15. Mai l 862, anerkannt; 2)

nothigenfalls aber dnreh neue Verfügungen in der einen oder andern Bürgergemeinde des Kantous Aargau eingebürgert, und

3) im Genüsse werden ,

der vom Bunde

gewährleisteten

Rechte gefehlt zu

hat Jhre Kommission, in Uebereiustimmung hierin mit den. Bundesrathe,.

in erster Linie sich sragen ^müssen, welches die Rechte und die Stellung.

der aargauisehen Jsraelit..n, abgesehen von den Kantonsgesezen von 1862 und 18li3, seien, und bis auf welchen Bunkt diese dem Bundesbeschluß vom 24. September l 856 entsprechen.

Dieser Beschluss lautet :

,, D i e B u n d e s v e r s a m m l u n g d e r s eh w e i ^ e r i sche n E i d g e n o s s e n scha s t , ,,naeh Einfichl einer Botschaft des Bundesrathes über die Rechtsverhaltuisse der schweizerischen Jsraeliten, vom 2.^. März l 856, ,,in Betrachtung : .,dass nach Art. 48 .^er Bundesverfassung die Kantone in der Gese^ gebung üb.^r die Verhältnisse der nicht kantonsangehorigen Jsraeliten un.^ abhängig sind, so weit dadurch nicht Rechte angetastet werden, die allen ..^eh.vei^ern ohne Unterschied der Konsession dnreh die Bundesverfassung gewährleistet sin^ .

,,dass hinsichtlieh ^er gegenwärtig bestehenden ^lusnahmsgeseze der Kan..

tone über die Jsraeliten die Art. 29 und 42 der Bundesverfassung anzuwenden sind, in dem ..^inne, dass den sehweizerif..hen Jsraeliten gleich wie andern ^.hwei.^erbürgern ^as Reeht des freien Kaufs der im Art. 2.)

bezeichneten Gegenstände Anstehe und dieselben .^ur Ausübung der politischen Rechte i^u Hein^aths-, be^iehnngswei^e im Riederlassun^skanto.. besagt seieu ,

b e s eh l i esst .

,,Der Bundesrath ist beauftragt, bei vorkommenden fallen der Bundesversassung im Sinne der vorangehenden Eru..ägm.ge.. Vollziehung ^u versehasfeu.^

Er räumt den schweizerischen Jsraeliten das Recht ein, im ganzen Umsange der Eidgenosseus.hast die im Art. 2.) der Bundesverfassung bezeichneten Gegenstände srei zu kaufen und ^.. verkaufen, ein Recht, welches

584 nicht mehr in Frage steht, und ferner gewahrt jener Besehluss ihnen die Ausübung der politischen Reehte in ihrem Heimath- und Niederlassungkanton.

Wenn die aargauisehen Jsraeliten also zur Ausübung der politischen Rechte im Aargau zugelassen sein sollen , so muss ihre Eigenlast als Schweizer und Angehörige des Kantons Aargan konstatirt sein, mit andern Worten . die aargauischen Jsraeliten müssen wirtlich aarganisehe Jsraeliten und somit Schweizer sein. Wir bedauern, weder in den Akten, noch in dem Berichte des Bundesrathes ganz genaue Angaben über diese Frage gesunden ^u haben, sür deren Losnng es nicht olme Jnteresse gewesen wäre, das Geschichtliche der Niederlassung der Juden in. Aargau und der rechtlichen Stellung, welche ihnen dort nach und nach verliehen worden sein muss. zu kennen. Darum haben wir uns uieht zu den. Antrage ver..

.aulasst gefunden, dem Bundesrathe so bestimmte Weisungen zu erteilen, wie er sie im ^. l seines Beschlussentwurses verlangt, und dadurch erklärt sieh die Verschiedenheit zwischen demselben und den. ^. t unserer Anträge.

Dagegeu erscheint uns der ^. 2 des bundesräthlichen Entwurfes ungenügend, und wir beantragen dessen Vervollständigung durch die EinLadung an den Bundesrath, zu untersuchen, ob das Bürgerrecht, welches das Ges.^ vom .l 5. Mai l 862 den aarganischen Jsraeliten verleibt, ihnen nicht in rechtsgültiger und unwiderruflicher Weise gegeben sei.

Uns scheint ausser ^weisel zu stehen, dass nach mehr als 200jähriger Niederlassung im Kanton Aargau und naehdem ihre Einbürgerung schon in. Jahr 1805 dnrch die Regierung vorgesehlagen worden, die aargaui.sehen Jsraeliten selbst bei der sür sie am wenigsten günstigen Anschauung als Heimathlose betrachtet werden müssen, welche naeh den Bestimmungen .oon l 85l) uber das .^eimathloseuweseu Ansprneh aus das aargauisehe Kantons^ und ^rtsbürgerreeht haben.

Wir gelten aber noch weiter und fragen, ob ihnen dieses Kantonsnnd Ortsburgerreeht nicht bereits in nnwiderruslieher Weise durch das

Gesez vom 15. Mai l 862 verliehen sei. Wir fragen, ob Angesichts des

Art. 43 der Bundesverfassung, nach welchem ,,kein Kanton einen Bürger .,,des Bürgerrechts verlustig erklären dars^, und ^es Art. 56, welcher bestimmt . ^die Ansnuttluug von Bürgerrechten fiir Heimathlose und die ,,Massregeln ^ur Verhinderung zur Entstehung neuer Heimatloser sind ,,Gegenstand der Buu.^esgesezgebung^. Wir fragen, ob Angesichts dieser beiden Artikel Aargau durch das Gesez vom 2^. Juni 1863 seine Jsraeliten des Bürgerrechts verlustig erklären konnte, das ihnen das Gese.. vom 15. Mai l 862 verliehen hatte. Ob Aargau durch die Aushebuug dieses ledern Gesezes Leute zu Heimathloseu machen durste, die ausgehort hatten, es zu sein.

Diese ^rage will ernstlich geprüft fein, mn so mehr, als, wie man uns vorführt, das Gese.. vom 15. Mai 1862 bereis seine Vollziehung ^ Gunsten der davon betrossenen Jsraeliten erhalten und leztere krast ^es angeführten Gesezes Bürgerrechtsbriefe erhalten haben sollen, die nach

585 unserer Ansicht nicht mehr zurükge^ogen werden konnten, gleichviel, weiche Bestimmungen ein späteres Gefez auszustellen beliebte. Rieht in Folge eines, die Voll^ielu.ng des vom Grossen Rathe beschlossenen Gesezes anshebenden Volksoeto's soll das G.^sez vom l 5. Mai in seinem Haupttheile ...geändert worden sein, wol aber in Folge einer Volksabstimmung, welche die Aushebung eines bereits in Kraft getretenen Gesezes verlangte, dnrch das schon unwiderrufliche Rechte erworben worden waren. ^.a diese Thatsacheu indessen nur ungenügend durch die der Kommission z...r Verfügung gestandenen Akten nachgewiesen sind, so ist es am Vlaze, den Bundesrath einzuladen, ste näher ^u untersuchen und nötigenfalls darüber ...n wachen, dass die den Jsraeliten gewordenen Rechte ihnen unverle^t er^ l.alte.. bleiben.

^alls ermittelt würde, dass das Kantons- unl.^ Ortsbürgerrecht, welches den aarganischen Jsraeliten das Gefr^ von 1862 verleiht, ^indem es zwei ^rtsbürgergemeinden aus den jüdischen Korporationen von Oberendingen und Lengnan bi^t. durch das Gesez vom 26. Juni 1863 in rechtsgültiger Weise aufgehoben sei, so w^.re der Bundesrath eingeladen, die Anwendung des Buu^esgesezes über das Heimathlosenwesen in Betracht zn ziehen. ..^.er Ursprung der Niederlassung der Jsraeliten im Aargau und die Gründe der ihnen daselbst gewordenen Duldung mogen sein, welche sie wollen, ...^hatsaehe ist^ dass sie daselbst geduldet worden sind, seitde^u der Aargau als s^hwei^eris^er Kanton besteht und als souveräner Staat st ..h selbst verwaltet. Wir konnten daher auch nicht begreifen, warum Dieser Kanton die folgen seiner eigenen Handlungen nicht eben so gnl tragen sollte, als di.^ übrigen Kantone, welche heimathlosen Leuten bei sieh das Bürgerrecht gewähren mussten, weil sie ihnen einen oft weit kürzern Aufenthalt, als ...en l.^ier in Rede stehenden gewährt hatten. Weder die ^nndesverfassnng, noch das Gesez wissen von einer Ausnahme zum Raehlh...il... l^er Jsraeiiten bezüglich .^er Ausnahme iu^s Kantons- und Gemeiudebürgerr.^^t, offenbar sind also die Bestimmungen der Buudesversassung wie des Gesezes auf .^ie judischen Heimathlosen eben so gut anwendbar, als auf ^ie übrigen Heimathlosen.

Bern, den 27. Juli l 863.

R a u. e n s d e r K o m m i s s i o n , ^er Berichterstatter :

^^^^ ^ote.

Allet.

^ie ^omnussion bestand au^ den ^erren .

A. .^tlet. . in Si^en.

^. ^ l o s c h , ln Bern.

J. Fa^, ln Gen^.

^. .^. D e l a r a g e a . ^ , in Lausanne.

Gio.^. ..^auch, in Bellinzona.

.^. ...l. ^ u b e r , in ^urich.

Joh. T h e i l e ^ , in ^uzern.

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Bericht und Antrag der Kommission des Nationalrathes über die aargauischer Judenfrage.

(Vom 27. Juli l863.)

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12.09.1863

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