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Bundesblatt 101. Jahrgang

Bern, den 10. November 1949

Band II

Erscheint wöchentlich Preis US Franken im Jahr, 15 Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- and Postbestellungsgebühr Einrükungsgebühr 50 Rappen die Petitzeile oder deren Raum -- Inserate franko an Stämpfli £ Cie in Bern

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Ermächtigung des Bundesrates zum Abschluss von Vereinbarungen über den gewerbsmässigen Luftverkehr (Vom 8. November 1949) Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

. Der Bundesbeschluss vom 18. Dezember 1946 betreffend Ratifikation des Abkommens vom 7. Dezember 1944 über die internationale Zivilluftfahrt durch die Schweiz (AS 63, 1375) ermächtigte den Bundesrat, den Beitritt zum erwähnten Abkommen zu vollziehen. Die Bechte und Pflichten aus dem Abkommen, im folgenden als «Abkommen von Chicago» bezeichnet, sind für die Schweiz am 4. April 1947 in Kraft getreten.

Artikel 6 des Abkommens bestimmt, dass der Betrieb regelmässiger internationaler Luftverkehrslinien über oder nach dem Gebiet eines Vertragsstaates nur unter der Voraussetzung zugelassen sei, dass eine besondere Bewilligung oder eine andere Ermächtigung jenes Staates vorliege und nur im Bahmen der durch die Bewilligung oder Ermächtigung festgelegten Bedingungen. Bei der Beratung des Abkommens von Chicago im Jahre 1944 war es nicht möglich, eine die vertragschliessenden Staaten allgemein befriedigende Form dieser Bewilligung oder Ermächtigung zu finden, und noch viel weniger war es damals schon möglich die zu stellenden Bedingungen auf einen gemeinsamen Nenner AU bringen. Die Regelung der regelmässigen internationalen Beförderung auf dem Luftwege sollte vielmehr einem besonderen mehrseitigen Abkommen vorbehalten bleiben. In der Folge fehlte es nicht an ernsthaften Versuchen, eine allen interessierten Staaten genehme Formel zu finden, die das Bewilligungsverfahren nach Artikel 6 des Abkommens von Chicago durch eine multilaterale Gründlage ersetzt hätte.

Einen wesentlichen Markstein in dieser Entwicklung bildete der Abschluss einer Lufttransportvereinbarung zwischen Grossbritannien und den Vereinigten Bundesblatt. 101. Jahrg. Bd. II.

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Staaten von Amerika vom 2. November 1946 als den beiden am internationalen Luftverkehr hauptbeteiligten Staaten. Dieser Vertrag, nach dem Orte seiner Unterzeichnung in der Regel als Vereinbarung von Bermuda bezeichnet, enthält zum erstenmal praktisch verwendbare, elastische Bestimmungen über die Begrenzung des Beförderungsangebotes. Damit leistete diese Vereinbarung einen wesentlichen Beitrag an die Überwindung der Hauptschwierigkeiten, die sich bei der Formulierung der Bedingungen zum Betriebe internationaler Luftverkehrslinien notwendigerweise immer wieder einstellen. Je nach der geographischen Lage eines Staates, seiner grundsätzlichen verkehrspolitischen Einstellung, seinen besonderen luftverkehrspolitischen Interessen und namentlich auch je nach dem Potential seiner zivilen Luftfahrt werden die Meinungen zweier Staaten bei der Begrenzung des Beförderungsangebotes kaum jemals völlig gleichgerichtet sein. Es ist das Verdienst der Vereinbarung von Bermuda, in dieser Frage eine Ordnung geschaffen zu haben, die in eine ganze Beihe späterer zweiseitiger Verträge über Lufttransporte sinngemäss Aufnahme fand.

Im weiteren hat der. argentinische Rechtsgelehrte Prof. A, Ferreira 1947 die Frage der Beschränkung des Beförderungsangebotes auf internationalen Luftverkehrslinien untersucht und seine Ergebnisse in einer Schrift veröffentlicht.

Die daraus entwickelte Lehre über die Beschränkung des Beförderungsangebotes fand ihren Niederschlag in einer Beihe von Lufttransportvereinbarungen, die Argentinien mit anderen Staaten abgeschlossen hat.

An erster Stelle aber standen schon von 1944 an die Bemühungen der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation selbst, den Betrieb regelmässiger internationaler Luftverkehrslinien durch Förderung zweiseitiger Verträge und Vorbereitung eines multilateralen Abkommens EU regeln.

Schon zur Zeit der Unterzeichnung des Abkommens von Chicago stellte die Internationale Zivilluftfahrtorganisation ein Schema für die zwischenstaatlichen Vereinbarungen über Eröffnung und Betrieb regelmässiger internationaler Luftverkehrslinien auf. Dieses Vertragsschema, ergänzt durch die Bestimmungen über die Beschränkung des Beförderungsangebotes aus der Vereinbarung von Bermuda, bildete auch die Vorlage für alle ab 1947 von der Schweiz mit dritten Staaten getroffenen Provisorischen Vereinbarungen
betreffend Luftverkehrslinien. Die Internationale Zivilluftfahrtorganisation verfolgte aber ein weiter gestecktes Ziel, als ihren Mitgliedstaaten ein Vertragsschema für den Abschluss zweiseitiger Lufttransportvereinbarungen zu empfehlen. Sie hatte sich zum Ziele gesetzt, ihre Bestrebungen zur Rechtsvereinheitlichung auf dem Gebiete der internationalen Zivilluftfahrt auch hier durchzusetzen und die Vorarbeiten zu einem internationalen Lufttransportabkommen an die Hand zu nehmen.

Einem ersten Versuch der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation durch Abschluss einer «Vereinbarung über internationale Lufttransporte» an der Luftfahrtkonferenz von Chicago (1. November bis T.Dezember 1944) war kein Erfolg beschieden. Nur 18 Staaten sind dieser Vereinbarung beigetreten, und von diesen haben mehrere ihre Mitgliedschaft in den folgenden Jahren wieder gelöst.

851 Auch die Schweiz hat sich dieser Vereinbarung nicht anschliessen können.

In seiner Botschaft betreffend Ratifikation des Abkommens von Chicago an die eidgenössischen Räte (BEI 1946, III, 617) führte der Bnndesrat am 27. September 1946 u. a. aus: «Wir halten dafür, dass wir in bezug auf diese Vereinbarung gewisse Vorsicht walten lassen müssen. Die von ihr eingeräumten Freiheiten sind solcher Natur, dass es heute, da der normale Betrieb der Luftlinien eingestellt ist, schwer hält, sich ein genaues Bild der Vor- und Nachteile zu machen, welche sie mit sich bringt.» Dagegen ist die Schweiz der Vereinbarung vom 7. Dezember 1944 über den Transit internationaler Luftverkehrslinien (AS 63, 1408) beigetreten, worin die Rechte und Pflichten der Mitgliedstaaten gegenüber internationalen Transitlinien niedergelegt sind.

Unentwegt arbeitete die Internationale Zivilluftfahrtorganisation an der Verwirklichung des gesetzten Zieles weiter. Nach umfassenden Vorarbeiten lag 1947 ein Entwurf zu einem «Abkommen über die kommerziellen Rechte im internationalen zivilen Lufttransport» vor, der nach aller Voraussicht die Grundlage zu der notwendigen universellen Rechtsvereinheitlichung hätte bilden können. Die Internationale Zivilluftfahrtorganisation berief zur Beratung des Entwurfes eine Konferenz der Mitgliedstaaten ein. Diese Konferenz tagte unter schweizerischem Vorsitz in der Zeit vom 3. bis 22. November 1947 in Genf. Es kam bei den Verhandlungen der Wille der an der internationalen Zivilluftfahrt massgebend beteiligten Staaten zum Ausdruck, eine Verständigungsformel zu finden, die in der Frage des Beförderungsangebotes auf internationalen Luftverkehrslinien den verschiedenartigen Interessen der Mitgliedstaaten gerecht werden sollte. Auch die schweizerische Vertretung trat für ein Zustandekommen der multilateralen Lösung ein. Leider wurden aber auch diesmal die Hoffnungen auf den Abschluss einer einheitlichen Rechtsgrundlage getäuscht. Die Genfer Konferenz vom November 1947 verlief ergebnislos.

Die Internationale Zivilluftfahrtorganisation setzt ihre Bemühungen zur Erreichung des gesteckten Zieles fort. Es ist zu hoffen, dass es doch noch eines Tages gelingen werde, die ungleichen Ansprüche und Wünsche der beteiligten Staaten in einem mehrseitigen -Abkommen zu regeln und damit die zum Aufbau der regelmässigen
internationalen Luftfahrt so notwendige einheitliche Rechtsauffassung zu schaffen. Wann aber dieser Zeitpunkt eintreten werde, lässt sich zurzeit nicht verbindlich voraussagen.

In neuerer Zeit macht, sich bei verschiedenen Staaten die Tendenz geltend, in den zweiseitigen Luftverkohrsvereinbarungen neben der Ordnung der regelmässigen Luftverkehrslinien auch gewisse Grundsätze über die Regelung des gewerbsmässigen, nichtregelmässigen Luftverkehrs aufzunehmen. Artikel 5, Absatz 2, des Abkommens von Chicago legt für diese Kategorie der gewerbsmässigen Luftfahrt u. a. fest: «Vorbehalten bleiben die Rechte des Staates, in welchem das Ein- oder Ausladen erfolgt, jene Vorschriften, Bedingungen oder Einschränkungen aufzustellen, welche er als nützlich erachtet.» Von diesem Recht, dem gewerbsmässigen, nichtregelmässigen Luftverkehr Einschrän-

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"klingen aufzuerlegen, .machten bisher mehrere Staaten in verschiedenem Umfange Gebrauch, z. B. durch Ausschluss bestimmter kommerzieller Beeilte oder durch Einführung eines Bewilligungsverfahrens für die einzelnen Flüge.

Es kann somit gegenüber bestimmten Staaten leicht der Fall eintreten, dass es im schweizerischen Interesse liegt, die erwähnten Vorschriften, Bedingungen oder Einschränkungen wenigstens in ihren Grundzügen vertraglich zu regeln.

Aus der geschilderten Lage ergibt sich für die Schweiz eine Bückwirkung staatsrechtlichen Charakters, die dem Bundesrat zu der vorliegenden Botschaft an die Bundesversammlung Anlass gibt. Wenn es sich vorläufig nicht als möglich erweist, die zu regelnden Rechtsfragen auf mehrseitiger Grundlage zu lösen, so bleibt den an der internationalen Luftfahrt beteiligten Staaten nichts anderes übrig, als sich die erforderlichen Rechte durch zweiseitige Verträge zu sichern. Auch die Schweiz kann sich dieser Verpflichtung nicht entziehen, sofern sie sich ihren Platz im Luftverkehr erhalten und sich am internationalen Luftverkehr auch in der Zukunft aktiv beteiligen will.

Wir beehren uns. Ihnen über die sich stellende staatsrechtliche Frage wie folgt zu berichten: .

1. Die Ausgangslage Wollte die Schweiz sich in der auf den zweiten Weltkrieg folgenden Zeit wieder nach und nach in den regelmässigen internationalen Zivilluftverkehr einschalten, so war es unerlässlich, mit einet Mehrzahl von Staaten, wo sich hiezü immer Gelegenheit bot, durch zweiseitige Vereinbarungen die in Artikel 6 des Abkommens von Chicago erwähnte Bewilligung und die damit verknüpften Bedingungen zu regeln. Es wurden in den Jahren 1945 bis 1949 von der Schweiz in Erwartung einer kommenden multilateralen Rechtsgrundlage folgende zehn Provisorische Vereinbarungen über die Errichtung und den Betrieb regelmässiger Luftverkehrslinien abgeschlossen: -- Vereinigte Staaten von Amerika am 8. August 1945 (AS 62, 633) und 18. Mai 1949 (noch nicht veröffentlicht)*) durch Austausch von Noten; -- Spanien am 17. Juli 1946 (AS 63, 261), -- Portugal am 9. Dezember 1946 (AS 63, 328).

-- Tschechoslowakei am 10. September 1947 (AS 1948, 419), -- Irland am 6. Mai 1948 (AS 1948, 809), -- Griechenland am 26. Mai 1948 (AS 1949, 521), -- Brasilien am 10. August 1948 (AS 1949, 1315), -- Türkei am 16. Februar 1949 (noch
nicht veröffentlicht)*), -- Niederlande am 7. März 1949 (AS 1949, 417), -- Indien am 24, Juni. 1949 (noch nicht veröffentlicht)*).

.*) Soweit eine Veröffentlichung in der Sammlung der eidgenössischen Gesetze noch nicht erfolgt ist, liegt der Grund darin, dass die Übersetzungen der Vertragstexte noch, nicht bereinigt sind.

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Wenn ein mehrseitiges Abkommen über internationale Luftverkehrslinien zustande gekommen wäre, so hätten dio abgeschlossenen Lufttransportvereinbarungen entweder wieder ausser Kraft gesetzt werden können oder aber es hätte sich bei der Behandlung des erwarteten neuen Abkommens durch die Bundesversammlung Gelegenheit geboten, diesen ProvisorischonVereinbarungen die verfassungsmässige Genehmigung zu erteilen. Im Hinblick auf den seit vier Jahren erwarteten Abschluss eines internationalen Abkommens über regelmässige Luftverkehrslinien sind die bisher abgeschlossenen Vereinbarungen auf schweizerischen Wunsch ausdrücklich als «provisorisch» bezeichnet worden und sind alle kurzfristig kündbar. Nachdem aber nicht vorauszusagen ist, wann einmal eine Eegelung auf multilateraler Grundlage möglich sein wird, halten wir es nicht mehr für angezeigt, weiterhin bloss «provisorische» zweiseitige Vereinbarungen zu treffen. Mehrere zurzeit noch im Verhandlungsstadium stehende Vereinbarungen werden vielmehr als ordentliche Staatsverträge abzuschliessen und die schon bestehenden Provisorischen Vereinbarungen, soweit erforderlich, ebenfalls in ordentliche Staatsverträge umzuwandeln sein.

Zu prüfen ist nun zunächst die Frage, ob die Zustimmung der beiden Bäte für die Vereinbarungen über den gewerbsmässigen internationalen Luftverkehr überhaupt nötig ist. Weiter stellt sich die Frage, ob eine Ermächtigung des Bundesrates auch für den künftigen Abschluss solcher Verträge zulässig und schliesslich, ob diese Ermächtigung nicht schon durch den Bundesbeschluss vom 18. Dezember 1946 betreffend ^Ratifikation des Abkommens von Chicago erteilt worden ist.

Z. Die Notwendigkeit der Zustimmung der beiden Bäte Nach Artikel 85, Kiffer 5, BV fallen Verträge mit dein Ausland in den Geschäftskreis beider Bäte. Anderseits bestimmt Artikel 102, Ziffer 8, B V, der Bundesrat wahre die Interessen der Eidgenossenschaft nach aussen, wie namentlich ihre völkerrechtlichen Beziehungen, und besorge die auswärtigen Angelegenheiten überhaupt. Wie sind auf Grund dieser Bestimmungen die Befugnisse des Bundesrates und diejenigen der beiden Bäte voneinander abzugrenzen? Nach allgemeiner Auffassung hat der Bundesrat die Eidgenossenschaft auch beim Abschluss von Verträgen zu vertreten. Er führt die Verhandlungen, vereinbart den Vertragswortlaut und gibt
die Ratifikationserklärung ab. Sache der beiden Räte ist es aber, die Staatsverträge zu genehmigen.

Unter Staatsvertrag versteht man im allgemeinen die übereinstimmende Willenserklärung zweier oder mehrerer Staaten, die einen oder mehreren oder allen Beteiligten Verpflichtungen auferlegt (Burckhardt, Kommentar S. 674).

Es ist jedoch allgemein anerkannt, dass Artikel 85, Ziffer 5, BV sich nur auf jene Verträge bezieht, die der Schweiz neue völkerrechtliche Verpflichtungen auferlegen. Die Genehmigung der Bäte ist also nicht nötig, wenn die Schweiz durch den Vertrag überhaupt keine oder keine völkerrechtlichen oder keine neuen Verpflichtungen übernimmt.

854 Alle von der Schweiz bisher eingegangenen Provisorischen Vereinbarungen betreffend Luftverkehrslinien und noch abzuschliessende Vereinbarungen über diesen Gegenstand sehen völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz vor.

Ob es sich dabei um neue Verpflichtungen handelt, hängt davon ab, ob die Schweiz; durch das Abkommen von Chicago verpflichtet ist, derartige Vereinbarungen abzuschliessen, wie das beim pactum de contrahendo der Fall ist (Burckhardt, Kommentar S. 675, Nr. 7). Das trifft indessen nicht zu. Die Lufttransportvereinbarungen sollen den regelmässigen internationalen Linienbetrieb ordnen. Artikel 6 des Abkommens von Chicago stellt aber lediglich ein Verbot auf, solche Linien ohne Zustimmung des betreffenden Staates zu betreiben. Die Vertragsstaaten sind also berechtigt, das Überfliegen ihres Gebietes oder das Einfliegen nach ihrem Gebiet von einer Bewilligung abhängig zu machen. Das Abkommen von Chicago begründet aber keine Verpflichtung zur Erteilung von Bewilligungen. Ebensowenig sind die Vertragsstaaten durch Artikel G verpflichtet, Vereinbarungen über regelmässige internationale Luftverkehrslinien abzuschliessen, oder aus Artikel 5, Absatz 2, gehalten, die Vorschriften, Bedingungen oder Einschränkungen für den gewerbsmässigen, nichtregelmässigen Luftverkehr vertraglich üu regeln. Auch aus keiner anderen Bestimmung des Abkommens von Chicago lasst sich eine Verpflichtung der Schweiz zum Abschluss derartiger Vereinbarungen herleiten. Die Vertragsstaaten bleiben rechtlich völlig frei, besondere Bedingungen oder andere Ermächtigungen zu erteilen oder zu verweigern oder die Vorschriften, Bedingungen oder Einschränkungen aufzustellen, die sie als nützlich erachten. Daraus ergibt sich, dass die Schweiz durch den Abschluss solcher Lufttransportvereinbarungen neue Verpflichtungen begründet.

In der Literatur decken sich die Auffassungen darüber nicht vollständig, ob vom Genehmigungserfordernis mit Rücksicht auf den Vertragsinhalt Ausnahmen zulässig erscheinen. Artikel 85, Ziffer 5, BV spricht von Verträgen ganz allgemein, ohne eine Ausnahme oder einen Vorbehalt zu machen. In Anlehnung an Burckhardt (Kommentar S. 676) und Meiner (Bundesstaatsrecht S. 754) neigen wir zur Auffassung, keine Ausnahmen zugunsten einer bundesrätlichen Vertragskornpetehz anzuerkennen. Soweit zwischenstaatliche
Vereinbarungen der Schweiz neue völkerrechtliche Verpflichtungen auferlegen, hat demnach der Bundesrat die Genehmigung der eidgenössischen Bäte einzuholen.

In der Praxis werden gelegentlich Vereinbarungen auf dem Wege des blossen Notenaustausches getroffen. So hat der Bundesrat ohne die Zustimmung der Bundesversammlung in Fällen zeitlicher Dringlichkeit provisorische Vereinbarungen, namentlich über handelspolitische Gegenstände, von begrenzter Dauer abgeschlossen (Burckhardt, Bundesrecht Nr. 627, 628 II, III, IV und Kommentar S. 677, Guggenheim, Lehrbuch des Völkerrechts S. 69). Im weiteren sei darauf verwiesen, dass auch unsere erste Provisorische Lufttransportvereinbarung der Nachkriegszeit, die Vereinbarung mit den Vereinigten Staaten von Amerika vom 8. August 1945 und ihre Ergänzung vom 18. Mai

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1949, auf einem blossen Notenaustausch beruht. Für die Frage, ob die Genehmigung der Bundesversammlung eingeholt werden müsse, spielt indessen die Form, in der die vertragliche Bindung eingegangen wurde, keine Rolle.

Es sei ßchliesslich noch die Frage untersucht, oh der Bundesrat im Bahmen seines Polizei-Verordnungsrechtes, auf Grund von Artikel 102, Ziffer 9, BV, selbständige Vereinbarungen abschliessen kann. Auch wenn man das, wie z. B. Guggenheim (a. a. 0. S. 68), bejahen würde, so fehlten in unserem Falle die nötigen Voraussetzungen. Bin solches Polizeiverordnungsrecht ist nur gegeben im Bahmen dessen, was zur Wahrung des öffentlichen Hechtes, der öffentlichen Sicherheit und der öffentlichen Ordnung vor unmittelbarer Gefährdung notwendig ist. Davon kann aber hier wohl nicht die Bede sein.

Aus diesen Überlegungen ergibt sich für unseren Fall der Schluss, dass der Bundesrat die voraussichtlich nun für eine längere Zeitdauer in Kraft bestehenden Lufttransportvereinbarungen den Bäten zur Genehmigung vorlegen muss.

3. Die Ermächtigung des Bundesrates durch die beiden Räte Nach allgemeiner Ansicht kann die Zustimmung der Bäte nicht nur nach Abschluss eines Vertrages erteilt werden, sondern auch vorher. Diese Ermächtigung kann eine besondere Bein, die für den einzelnen Fall erteilt ist, oder eine generelle, die für eine unbestimmte Zahl von Fällen gilt.. Beide Arten werden anerkannt (Burckhardt, Kommentar S. 676).

Durch die Ermächtigung werden Kompetenzen der Bundesversammlung auf den Bundesrat übertragen. Das ist unbedenklich, wenn der Vertragsinhalt in diesem Zeitpunkt schon im einzelnen genau bekannt ist, z. B. wenn es sich um den Beitritt zu einer Kollektivvereinbarung handelt. Anders verhält es sich, wenn der Vertragsinhalt noch nicht bekannt ist. Wie bei der Gesetzesdelegation würde auch hier eine unbeschränkte Abtretung von Befugnissen der Bundesversammlung eine nach Verfassung unzulässige Verschiebung der Kompetenzgrenze bedeuten. Eine Präzisierung ist daher notwendig. Zum mindesten muss der Inhalt der Vereinbarung in den wesentlichen Zügen umschrieben sein. So kann der Bundesrat z. B. ermächtigt werden, im Bahmen eines bestehenden Staatsvertrages, in unserem Fall des Abkommens von Chicago, und zu seiner Ausführung weitere Vereinbarungen zu schliessen (Verwaltungsentscheido 1932, Nr. 2).

Diese Ermächtigung des Bundesrates kann in einem Bundesgesetz oder in einem Bundeabeschluss erteilt werden. Es genügt daher auch, wenn sie in einem Staatsvertrag enthalten ist, der von der Bundesversammlung durch einen Bundesbeschluss genehmigt wurde (Burckhardt, Kommentar S. 677 und Bundesrecht Nr. 627). Eine solche Ermächtigung ist indessen in den Artikeln 6 und 5, Absatz 2, des Abkommens von Chicago nicht erteilt worden. Diese Bestimmungen behalten nur das Becht der Vertragsstaaten vor. den Betrieb regelmässiger internationaler Luftverkehrslinien von einer Bewilligung oder

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einer anderen Ermächtigung abhängig zu machen und für den gewerbsmässigen, niehtregelmässigen Luftverkehr besondere Vorschriften zu erlassen. Eine materielle Regelung dieser Fragen enthalten diese Bestimmungen nicht. Da eine internationale Rechtsvereinheitlichung auf diesem Gebiet bisher nicht möglich war, sagen diese Bestimmungen lediglich, dass am bestehenden Rechtszustand nichts geändert werden solle. Insbesondere ist in den beiden Artikeln vom Abschluss besonderer Vereinbarungen über den gewerbsmässigen internationalen Luftverkehr nicht die Eede. Der Bundesrat könnte sich nach Inkraftsetzen des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1948 über die Luftfahrt (BB11949,1,151) auch nicht auf dessen Artikel 109 stützen, der ihn ermächtigt, bis zur gesetzlichen Regelung diejenigen Massnahmen zu treffen, die nötig sind «zur Durchführung der durch die Bundesversammlung genehmigten zwischenstaatlichen Vereinbarungen auf dem Gebiete der Luftfahrt». Voraussetzung hiezu wäre, dass die in Aussicht genommenen Vereinbarungen der Durchführung des Abkommens von Chicago dienen. Nachdem die Regelung dieser Fragen vorläufig ganz den einzelnen Mitgliedstaaten überlassen ist, erscheint auch diese Voraussetzung nicht gegeben.

Es wird somit auch für künftig abzuschliessende Vereinbarungen über den gewerbsmässigen Luftverkehr notwendig sein, die Zustimmung beider Rate einzuholen. Fraglich bleibt bloss, ob diese Zustimmung zum voraus generell erteilt werden kann. Das hängt nach dem oben Gesagten lediglich davon ab, inwieweit der Inhalt zum voraus festgelegt ist.

Der allen Vertragsverhandlungen zugrunde gelegte Normaltext der Lufttransportvereinbarungen regelt folgende Punkte: a. Grundsatz, dass die Vertragsparteien sich in Friedenszeiten gegenseitig das Recht zu regelmässigem internationalem Luftverkehr einräumen.

T). Verpflichtung, den gegenseitig bezeichneten Luftverkehrsunternehmuugen unter bestimmten Bedingungen die erforderlichen Betriebsbewilligungen zu erteilen.

c. Bestimmungen über die Beschränkung des Beförderungsangebotes.

d. Grundsätze über die Tarifgestaltung, namentlich dass den Tarifempfehlungen des Internationalen Lufttransportverbandes Rechnung zu tragen sei.

e. Bestimmungen über die Zollbehandlung von Luftfahrzeugen, Ersatzteilen, Brennstoffen usw., über Flugplatzgebühren und andere Abgaben und Gebühren.
/. Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung der von der andern Vertragspartei ausgestellten Lufttüchtigkeitszeugnisse, Fähigkeitsausweise und Bewilligungen.

g. Vorbehalt der nationalen Bestimmungen über Flugvorschriften, Einund Ausreise, Grenz- und .Passkontrolle, Zollabfertigung usw.

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- li. Vorbehalt, dass die tatsächliche Kontrolle über die zum regelmäasigen Luftverkehr zugelassenen Unternehmungen in den .Händen von Staatsangehörigen einer der Vertragsparteien hegt.

i. Schiedsgerichtsbestimmungen.

k, Verpflichtung zur Hinterlegung der Vereinbarung bei der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation.

/. Verpflichtung zum gegenseitigen Austausch statistischer Unterlagen.

m. Bestimmungen über Inkrafttreten, Abänderung und Kündigung der Vereinbarung, n. Umschreibung der gegenseitig einzuräumenden Hechte (Überflugsrecht ohne Landung, Eecht zu nichtkommerziellen Landungen und, unter bestimmten einschränkenden Bedingungen, das Eecht zum Aufnehmen und zum Absetzen von Fluggästen, Post und Waren).

o. Beschreibung der gegenseitig vereinbarten Luftverkehrslinien.

IHe Grenzen der zwischenstaatlichen Vereinbarungen über den gewerbsmässigen Luftverkehr sind durch das Abkommen von Chicago und die Vereinbarung über den Transit internationaler Luftverkehrslinien festgelegt. Nur ·was das Abkommen freier Vereinbarung durch die Mitgliedstaaton überlässt, kann durch zweiseitigen Vertrag geregelt werden. Dabei ist es klar, dass das schweizerische Vertragsmuster in keinem Fall unverändert aus den Verhandlungen mit andern Staaten hervorgeht. Wesentlich formelle Abweichungen vom Vertragsmuster und auch gewisse materielle Änderungen werden auch künftig nie zu umgehen sein. Wenn z, B. ein Staat verlangt, dass die Vereinbarung auch einige grundsätzliche Bestimmungen über den gewerbsmässigen, nichtregehnässigen Luftverkehr enthalten solle, so wird sich die Schweiz einer solchen Regelung -im Eahmen von Artikel 5, Absatz 2, des Abkommens von Chicago nicht widersetzen können. Wir haben in der Einleitung darauf hingewiesen, dass einige Staaten, darunter z.B. Frankreich und Italien, die Auffassung vertreten, in ihren zweiseitigen Luftverkehrsvereinbarungen müsse auch der gewerbsmässige, nichtregehnässige Luftverkehr eine vertragliche Grundlage finden. In dieser Hinsicht werden unsere künftigen Luftverkehrsvereinbarungen zum Teil möglicherweise eine gewisse Erweiterung erfahren.

Für weitergehende völkerrechtliche Verpflichtungen bieten diese Vereinbarungen indessen keinen Saum. .

Müsste jede einzelne der künftig abzuschliessenden Vereinbarungen über den gewerbsmässigen Luftverkehr den Bäten zur Beschlussfassung
vorgelegt werden, so käme das einer unnötigen und vermeidbaren Erschwerung der parlamentarischen Arbeit gleich. Es erscheint daher ohne Bedenken als zulässig, dass die eidgenössischen Eäte den Bundesrat auch zum Abschluss künftiger Vereinbarungen über diesen Gegenstand in dem durch das Abkommen von Chicago vorgezeichneten Eahmen ermächtigen.

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Wir beehren uns, Ihnen den nachstehenden Beschlussesentwurf zur Annahme zu empfehlen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 8. November 1949.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: E. Nobs Der Bundeskanzler: Leimgruber

859 (Entwurf)

Bundesbeschluss über

die Ermächtigung des Bundesrates zum Abschluss von Vereinbarungen über den gewerbsmässigen Luftverkehr

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 8. November 1949, beschliesst: Einziger Artikel Der Bundesrat wird ermächtigt, im Rahmen des Abkommens vom 7. Dezember 1944 über die internationale Zivilluftfahrt Vereinbarungen über den gewerbsmässigen Luftverkehr abzuschliessen.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Ermächtigung des Bundesrates zum Abschluss von Vereinbarungen über den gewerbsmässigen Luftverkehr (Vom 8. November 1949)

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5701

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10.11.1949

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849-859

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