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Bundesblatt

101. Jahrgang

Bern, den 23. Juni 1949

Band I

Erscheint wöchentlich. Preis 28 franken im Jahr, 15 Franken im Saltjahr anzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr: - 6 0 Rappen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über eine Teilrevision des Schweizerischen Strafgesetzbuches (Vom 20. Juni 1949) Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Am 1. Januar 1942 ist das schweizerische Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1987 (AS 54, 757) in Kraft getreten. Nach Vorbereitungsarbeiten, die Jahrzehnte in Anspruch nahmen, nach ausserordentlich eingehenden Beratungen in den eidgenössischen Eäten und einem lebhaften Referendumskampf stimmte das Schweizervolk am .3. Juli 1938 mehrheitlich der Vereinheitlichung des Strafrechts zu. Nach den wenigen Jahren seiner praktischen Anwendung ein endgültiges Urteil über die Qualitäten des Gesetzes fällen zu wollen, wäre verfrüht. Immerhin wird niemand bestreiten, dass es durch Ersetzung des vielfach veralteten kantonalen Strafrechts und Beseitigung der störenden Rechtszersplitterung einen grossen Fortschritt brachte. Im ganzen gesehen darf man wohl schon heute feststellen, dass das Gesetz sich bewährt und nicht mehr wegzudenken wäre.

Wenn nach verhältnismässig kurzer Zeit der Bundesrat sich genötigt sieht, den eidgenössischen Räten eine Teilrevision vorzuschlagen, so hat dies seine besondern Ursachen. Eine Reihe von Bestimmungen des Gesetzes bedürfen der Abänderung und Ausgestaltung. Vor allem gilt dies, zufolge der Entwicklung der politischen Verhältnisse in der letzten Zeit, vom strafrechtlichen Staatsschutz, der verstärkt werden muss. Diese Aufgabe ist dringend nicht nur angesichts der Ereignisse in der Weltpolitik, sondern auch im Hinblick auf die hierüber noch aus der Kriegszeit in Kraft stehenden oder neuerdings getroffenen, auf den ausserordentlichen Vollmachten beruhenden Erlasse des Bundesrates. Das Vollmachtenrecht soll möglichst bald abgebaut oder, soweit es nicht mehr entbehrt werden kann, in ordentliches Recht übergeführt werden ; dies trifft auch für den Staatsschutz zu, und hierauf ist bei der Neuordnung Eücksicht zu nehmen.

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1250 AuBserdem hat sich erwiesen, dass manche andere Artikel des Strafgesetzbuches nicht glücklich gefasst sind und dass ihre Anwendung zu unbefriedigenden Ergebnissen führt. Da nun für die Verbesserung des Staatsschutzes eine Teilrevision vorgelegt werden muss, erschien es natürlich, in sie auch weitere Bestimmungen einzubeziehen, bei denen Mängel zutage getreten waren. Eine besondere Stellung nimmt, unter diesen weitern revisionsbedürftigen Bestimmungen Artikel 173 ein; seine Anwendung insbesondere auf Ausserungen in der Presse hat zu Schwierigkeiten geführt, die es wünschbar erscheinen lassen, den Tatbestand und die strafrechtliche Ahndung der üblen Nachrede neu zu umschreiben. Daneben tauchten viele Wünsche auf Abänderung von Bestimmungen namentlich des allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches über Verbrechen, Vergehen und Übertretungen auf. Es war ohne Zweifel gegeben, sie zu prüfen, obwohl ihre wachsende Zahl zur Vorsicht mahnte, wollte man nicht Gefahr laufen, in eine allgemeine Revision des Gesetzes zu geraten, für welche sicherlich kein Grund vorliegt. Unser Bestreben ging denn auch von Anfang an dahin, den Umfang der Revision möglichst einzuschränken. Sie verfolgt das Ziel, vereinzelte Korrekturen am Gesetzestext vorzunehmen, die sich heute ani drängen und von denen zu erwarten ist, dass sie sich ohne erhebliche Widerstände und ohne allzu grossen Zeitaufwand durchführen lassen. Kritiken am Gesetz dagegen, deren Berechtigung fraglich erscheint, und Vorschläge, die voraussichtlich wieder zu langen Diskussionen führen, wurden für einmal zurückgestellt; ihre Einbeziehung hätte den Rahmen einer auf das ersichtlich Notwendige begrenzten Revision überschritten. Der Entscheidung in späterer Zeit mag es vorbehalten bleiben, ob das noch sehr junge Strafgesetzbuch umfassenderen Änderungen unterworfen werden soll; das wird sich auch erst dann sicherer beurteilen lassen, wenn das Gesetz die Probe einer längeren Erfahrung bestanden haben wird.

Als die Notwendigkeit einer Revision zutage trat, bildete unser Justizund Polizeidepartement eine Expertenkommission, in die es neben Vertretern der Strafrechtswissenschaft solche des Bundesgerichts und der kantonalen Gerichte, ferner Staatsanwälte, Praktiker des Strafvollzuges und Parlamentarier berief. In vier Sessionen während der Jahre 1947, 1948 und 1949
hat diese Kommission in eingehenden Beratungen die einzelnen Revisionspunkte, behandelt, und ihre Beschlüsse haben im allgemeinen als Grundlage für die den eidgenössischen Räten nunmehr vorgeschlagenen Änderungen des Gesetzestextes gedient. Ausser den im Entwurf enthaltenen Bestimmungen hat die Kommission verschiedene Vorschläge diskutiert, bei welchen sie zur Ablehnung einer Änderung des Gesetzes gelangte ; es war dem Justiz- und Pohzeidepartoment erwünscht, die Experten auch über ihre Auffassungen hinsichtlich des Uinfanges der Eevision zu konsultieren. Für die Beratungen der Expertenkommission sei auf ihre Protokolle verwiesen. Schliesslieh wurde im Verlaufe der Arbeiten auch den Kantonen Gelegenheit gegeben, zu den Revisionsvorschlägen Stellung zu nehmen.

1251 Mit Beschluss vom 20. November 1941 (AS 57, 1328) hat der Bundesrat einige Fehler im Text des Strafgesetzbuches berichtigt; es handelt sich um offenbare Versehen, die bei der Schhissredaktion unbemerkt blieben. Da trotz dieser Feststellung dem Bundesrat streng genommen die Kompetenz fehlt, den Text eines Gesetzes zu ändern, möchten wir die Gelegenheit benutzen, um jene wenigen Artikel in der verbesserten Fassung von den eidgenössischen Katen beschliessen zu lassen, und haben sie deshalb in die Vorlage aufgenommen. Die Korrekturen erstrecken sich im deutschen, im französischen und im italienischen Text nur zum Teil auf dieselben Artikel. Im deutschen Text werden davon betroffen Artikel 27, Ziff. 7 (die aber ohnehin infolge Ergänzung der Bestimmungen über den Staatsschutz geändert werden muss), Artikel 41, Ziff. l, Absatz 3, und Artikel 346; im französischen Text sind es die Artikel 27, 88, 80, 110, 174, 269 und 346, im italienischen die Artikel 27, 38, 269 und 346.

Wir unterbreiten Ihnen demgemäss mit dieser Botschaft den Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend Abänderung des schweizerischen Strafgesetzbuches. Um die Gründe der Eevision im einzelnen besser hervortreten zu lassen und die Übersicht zu erleichtern, teilen wir die Botschaft in drei Teile ein: Der erste behandelt den Staatsschutz, der zweite den Artikel 173 und der dritte alle übrigen in die Eevision einbezogenen Bestimmungen. Im Gesetzesentwurf selbst haben wir dagegen die abgeänderten sowie die wenigen neu beigefügten Bestimmungen in der Folge der Artikelzahlen angeordnet.

Erster Teü Die Revision der Staatsschutzbestinunungen I. Allgemeine Bemerkungen 1. Die Teilrevision des Strafgesetzbuches auf dem Gebiete des Staatsschutzes beschränkt sich auf die Ergänzung einiger Bestimmungen im IS.Titel: «Verbrechen und Vergehen gegen den Staat und die Landesverteidigung» (Art. 266, 266tts, 272, 275, 275bls, 275ter), im 15. Titel: «Strafbare Handlangen gegen die öffentliche Gewalt» (Art. 285 und 286) und im 16. Titel: «Störung der Beziehungen zum Ausland» (Art. 296, 297, 802) sowie auf die Neufassung des Artikels 841, lit. 6 (Zuständigkeit der Bundesassisen). Wir übernehmen die in der öffentlichen Diskussion üblich gewordene Bezeichnung dieser Vorschriften als « Staatsschutzbestimmungen», obschon es sich nicht bei allen um Verbrechen oder
Vergehen gegen den Staat handelt.

Die Eevision dieser Bestimmungen geht auf das vom Ständerat am 1. Oktober 1946 bei der Genehmigung des Berichtes des Bundesrates über die antidemokratischen Umtriebe während der Kriegszeit beschlossene Postulat zurück, wonach der Bundesrat eingeladen wurde, «zu prüf en und darüber Bericht zu erstatten, ob nicht das ordentliche Strafrecht im Sinne eines wirksamem Staatsschutzes auszubauen sei und namentlich gewisse Bestimmungen des Bundesratsbeschlus-

1252 ses vom 27. Februar 1945 in die ordentliche Gesetzgebung übergeführt werden sollten» (StenB 1946 StE 247 f.). Dabei wurde die Meinung, vertreten, dass sich die neuen Bestimmungen auf ordentliche und ausserordentliche Zeiten beziehen sollen. Die Frage, ob der Staatsschutz mit einer Bevision des Strafgesetzbuches oder in einem Sondergesetz zu verstärken sei, wurde dem Bundesrat zur Prüfung überlassen. Nach dem Umsturz in der Tschechoslowakei vom Februar 1948 forderte die Öffentlichkeit eine rasche Verstärkung des Staatsschatzes in der ordentlichen Gesetzgebung. Am 4. März 1948 ersuchte die Vollmachtenkommission des Nationalrates in einem Postulat den Bundesrat, die Überführung der nötigen Staatsschutzbestimnumgen in die ordentliche Gesetzgebung vorzubereiten und über den Stand der Arbeiten der Vollmachtenkommission in der nächsten Sitzung Bericht und Antrag zu stellen. In der Sitzung des Nationalrates vorn 11. März wurde der Bundesrat im Hinblick auf die Haltung der Partei der Arbeit gegenüber den Ereignissen in der Tschechoslowakei ersucht, die bestehenden Bestimmungen zum Schutze der verfassungsmässigen Ordnung und gegen staatsfeindliche Umtriebe nicht zu lockern, sondern die Frage einer Ergänzung zu prüfen (StenB NE 1948, 68/69). Eine unverzügliche Anpassting des ordentlichen Bechts an die heutigen Gefährdungen der Staatssicherheit wurde in den eidgenössischen Bäten nochmals verlangt bei den Verhandlungen über die Zustimmung zum Eundesratsbeschluss vom 29.. Oktober 1948 betreffend Verstärkung des Staatsschutzes (StenB NB 1948, 728 f.; StB 1949, 4 f.), bei Behandlung der Interpellationen Gressot und Züst betreffend die Unterstützung der Erklärung des französischen Kommunistenführers Thorez durch L.Nicole (Sitzungen des Nationalrates vom'25. März 1949, StenB 401 ff., und des Ständerates vom 30. März 1949) sowie bei der Genehmigung des Berichtes des Bundesrates über die Verfahren gegen nationalsozialistische Schweizer, im Nationalrat in der Frühjahrssession (StenB NB 1949, 382 ff.).

2. Das Justiz- und Pohzeidepartement und die Expertenkommission vertraten von Anfang an die Auffassung, dass die verlangte Verstärkung des Staatsschutzes nicht in der Form eines besondern Staatsschützgesetzes, sondern als Ergänzung der in Betracht fallenden Bestimmungen des S t r a f g e s e t z buches vorzunehmen
sei, und dass sich diese Ergänzung auf das Allernotwendigste zu beschränken habe. Ein besonderes, für ordentliche und für Krisenzeiten bestimmtes Staatsschutzgesetz hätte zwar den Vorteil gehabt, dass darin sämtliche strafrechtlichen und administrativen Bestimmungen des Notrechts und noch weitere, für den Schutz der innern und äussern Sicherheit dienliche Vorschriften hätten aufgenommen werden können. Nach den mit verschiedenen Staatsschutzvorlagen der Vorkriegszeit gemachten Erfahrungen, namentlich nach der dabei zutage getretenen Abneigung unseres Volkes gegen den Erlass von Staatsschutzgesetzen in ordentlichen Zeiten, konnte aber diese Form, der Gesetzgebung nicht empfohlen werden ; übrigens hätten nicht alle in einer künftigen Krisenzeit möglichen Gefahren vorausgesehen werden können. Es haben sich namentlich auch die den eidgenössischen Bäten ange-

1253 hörenden Mitglieder der Expertenkommission gegen ein Sondergesetz ausgesprochen und dringend geraten, alles zu vermeiden, was don Eindruck eines Ausnahme- oder .Gelegenheitsgesetzes erwecken könnte (vgl. Protokolle dieser Kommission I, 17, 22; II, 10, 15, 16; III, 2). Diesem Vorgehen wurde in den Konferenzen der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren von 1947 und 1948 zugestimmt. Auch in Berichten des Justiz- und Polizeidepartements an die Vollmachtenkommissionen und in den Geschäftsberichten des Bundesrates für die Jahre 1947 und 1948 wurde mitgeteilt, dass für die Verstärkung des Staatsschutzes die Revision des Strafgesetzbuches in Aussicht genommen sei.

Nur in der Januar/Februar-Session 1949 wurde im Ständerat bei Anlass der Diskussion über die Zustimmung zum vollmachtenrechtlichen Staatsschutzerlass vom 29. Oktober 1948 von zwei Eednern der Weg der Sondergesetzgebung empfohlen (StenB StE 1949, 9, 11, 13).

Der Bundesrat hat dieser Frage alle Aufmerksamkeit geschenkt, gelangt aber mit dem Justiz- und Polizeidepartement und der Expertenkommission zur Ansicht, dass der Weg einer Eevision des Strafgesetzbuches zu wählen ist.

Strafbestimmungen, die nur während eines Notstandes des Staates gelten sollen, gehören weder in das Strafgesetzbuch noch in ein Staatsschutzgesetz.

Typisches Notrecht, das bloss vorübergehenden Staatsschutzbedürfnissen entspricht, soll auch in Zukunft Notrecht bleiben. Wohl aber sehen wir vor, dass solche zusätzliche, für eine künftige Krisenzeit bestimmte Staatsschutzbestimmungen schon jetzt vorbereitet werden. Die im vorliegenden Entwurf beantragten Ergänzungen stehen übrigens mit den bestehenden Bestimmungen in einem so engen Zusammenhang, dass sie nur mit diesen zusammen, also im Strafgesetzbuch selbst geregelt werden können. Es dürfte im Volk kaum verstanden werden, wenn neben der Teilrevision des Strafgesetzbuches noch ein besonderes Gesetz mit wirksamem Staatsschutzbestimmungen vorgelegt würde.

8. Das schweizerische Strafgesetzbuch gewährt einen viel stärkern Staatsschutz als das frühere Bundesstrafrecht vom 4. Februar 1858. Es seien hier einzig hervorgehoben: die Umschreibung des Tatbestandes des Hochverrates in Artikel 265, wonach alle Handlungen, die auf eine gewaltsame Änderung der staatlichen Einrichtungen abzielen, strafbar sind, mit Einschluss solcher
Vorbereitungshandlungen, aus denen die Eichtung auf gewaltsamen Umsturz deutlich erkennbar ist, wie Verschwörung, Waffensammeln und Aufreizung; die weitgefasste, in den vergangenen Prozessen gegen nationalsozialistische Schweizer oftmals zur Anwendung gelangte Strafbestimmung des Artikels 266 gegen Landesverrat, wonach Angriffe auf die Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft, und zwar sowohl auf die äussere Stellung als auch auf die innere Selbständigkeit des Landes, in viel grösserem Umfang erfasst werden können als im frühern Eecht; die Strafbestimmung des Artikels 275 gegen rechtswidrige Vereinigungen; die Bestimmungen betreffend Verbrechen und Vergehen gegen den öffentlichen Frieden (Art. 258: Schreckung der Bevölkerung, Art. 259: Öffentliche Aufforderung zu Verbrechen, Art. 260: Landfriedensbruch); die

1254 Bestimmungen gegen den unerlaubten Nachrichtendienst (Art. 272--274, 301) (Vgl. hierüber insbesondere Hafter, Lehrbuch des schweizerischen Strafrechts besonderer Teil, 2 620 f.)

Unser Strafgesetzbuch ist aber in ruhigen Zeiten entstanden. Es ist auch auf dem Gebiete des Staatsschutzes ein Kompromisswerk; bestrittene Bestimmungen der verworfenen Staatsschutzerlasse fanden darin keine Aufnahme.

Zusammen mit dem Militärstrafgesetz vermochte es den Schutzbedürfnissen des Staates in ordentlichen Zeiten zu genügen. Es bildete dagegen keinen genügenden Schutz gegen die Gefahren, die unserrn freiheitlich-demokratischen Staate durch die einige Jahre vor dem letzten Kriege einsetzenden Umtriebe der Links- und der Eeehtsextremisten drohten, so dass es durch notrechtliche Erlasse ergänzt werden musate, insbesondere durch die sogenannten Demokratieschutzverordnungen: Bundesratsbeschluss vom 5. Dezember 1938 betreffend Massnahmen gegen staatsgefährliche Umtriebe und zum Schutze der Demokratie (eine gestützt auf Art. 102, Ziff. 9 und 10 der Bundesverfassung erlassene Rechtsverordnung des Bundesrates, AS 54, 856), Bimdesratsbeschluss vom 27. Februar 1945 betreffend Massnahmen zum Schutze der verfassungsmässigen Ordnung und die Aufhebung der Parteiverbote (AS 61, 117), Bundesratsbeschluss vom 7. März 1947 betreffend den Abbau von Bestimmungen zum Schutze der verfassungsmässigen Ordnung (AS 68, 139), Bundesratsbeschluss vom 29. Oktober 1948 betreffend Verstärkung des Staatsschutzes (AS 1948, 1075) sowie durch den Bundesratsbeschluss vom 4. August 1942 über Straf und Verfahrensbestimmungen zum Schutze der Landesverteidigung und der Sicherheit der. Eidgenossenschaf t (AS 58, 741).

Die äussere Sicherheit und die verfassungsmässige Ordnung sind auch .heute noch den grossten Gefahren ausgesetzt. Die ideologischen Gefahrenmomente, von denen der Bericht des Bundesrates über die antidemokratischen Umtriebe spricht (Bericht III, 59; BEI 1946, II, 270) und von denen wiederum im Nationalrat in der Märzsession 1948 (StenB NE 1948, 68), in den Verhandlungen beider Eäte über die Genehmigung des Bundesratsbeschlusses vom 29. Oktober 1948 (StenB NE 1948, 728 f., 742, 747; StE 1949, 4, 8, 9, 11, 12) und bei Behandlung der Interpellationen Gressot und Züst die Eede war, bestehen unvermindert weiter. Zurzeit geht die Bedrohung
der Staatssicherheit hauptsächlich von den Linksextremisten aus, aber auch nationalsozialistische Kreise sind wieder aktiv geworden. Wie wir im erwähnten Bericht ausführten, hat die Erfahrung mit rechtsextremistischen Bewegungen gezeigt, dass das Zusammenwirken zwischen ideologisch gleichgesinnten Bewegungen des Inund des Auslandes von der Infiltration des antidemokratischen Gedankengutes über die Entgegennahme von Weisungen ausländischer Stellen bis zur Organisation einer fünften Kolonne führt, die im Konfliktsfalle die ausländische Armee mit Nachrichtendienst, Sabotage, usw^ zu unterstützen hat. Es mag auch daran erinnert werden, dass das Bundesgericht (staatsrechtliche Abteilung) die kommunistische Partei der Schweiz als staatsgefährlichen Verein im Sinne des Artikels 56 der Bundesverfassung erklärt hat, weil sie den gewaltsamen

1255 Umsturz der gesellschaftlichen Ordnung bezweckt, von der Kommunistischen Internationalen abhängig und verpflichtet ist, die Sowjetunion im Frieden und im Kriege zu unterstützen (BGE 61 * 264; 631 281; der erwähnte Bericht des Bundesrates, III. Teil, 2, 10). Die Partei der Arbeit hat in letzter Zeit eine bedenkliche Hörigkeit gegenüber dem internationalen Kommunismus gezeigt. Es sei bloss auf ihre Kundgebungen zu den revolutionären Ereignissen in der Tschechoslowakei, insbesondere an das Telegramm Nicoles an Gottwald, und an die Zustimmung Nicoles zu den Erklärungen des Generalsekretärs der kommunistischen Partei Frankreichs hingewiesen. Die Partei, der Arbeit hat damit bewiesen, dass sie bereit ist, die demokratischen Grundlagen der Schweiz -mit, den in der Tschechoslowakei angewandten Methoden zu beseitigen und bei uns die sogenannte Volksdemokratie einzuführen, dass sie einer ausländischen Organisation und einer fremden Macht die Befugnis einräumen würde, sich in die inneren Angelegenheiten unseres Staates einzumischen, und dass sie gewillt ist, bei einem allfälligen Einmarsch von Armeen ihr ideologisch nahestehender Staaten unsere eigene Landesverteidigung zu sabotieren.

Hierüber können auch die letzten Parteierklärungen, die sich für die Landesverteidigung aussprechen und sich von den Aussagen Nicoles scheinbar distanzieren, nicht hinwegtäuschen. Die heutigen Umtriebe der Kommunisten gefährden die Sicherheit unseres Landes im gleichen Masse, wie seinerzeit die Bereitwilligkeit der schweizerischen Nationalsozialisten, mit deutschen Stellen über ein neues Europa und eine nationalsozialistische Schweiz zu verhandeln.

Die bei der Februarrevolution in Prag allgemein bekanntgewordenen neuen Umsturzmethoden (Konspiration, kalte Eevolution) haben bei den schweizerischen Kommunisten grösste Aufmerksamkeit gefunden. Eine moderne Eevolution wird nicht mehr durch einen Barrikadenkampf und die gewaltsame Vertreibung der Eegierung oder des Parlaments eingeleitet, sondern nach einem sorgfältig ausgearbeiteten Plan, wenn nötig unter ausländischer Leitung, vorbereitet, insbesondere durch Unterbringung kommunistischer oder nationalsozialistischer Gesinnungsgenossen in die wirtschaftlichen und politischen Schlüsselstellungen, durch Zersetzung des Staates mittels Angriffen auf Eegierung, Polizei oder Militär,
Propaganda, Schulung von Eliten, Schaffung von Betriebsausschüssen, Aktionskomitees, Bewaffnung einzelner Gruppen.

Das schweizerische Strafgesetzbuch konnte die heutigen Spannungen auf weltpolitischem Gebiet -- die letzten Endes auf die Dynamik ausländischer totalitärer Staaten zurückzuführen sind -- und die hieraus für die Sicherheit unseres Staates entstandenen Gefahren nicht voraussehen. Es muss deshalb den neuen Schutzbedürfnissen des Staates angepasst werden. Die Strafbestimmungen unseres Entwurfes wollen ein frühzeitiges Eingreifen gegen staatsgefährliche Umtriebe ermöglichen. Die Strafverfolgungsbehörden sollen handeln können, bevor wiederum ein gleicher Gefabrenzustand eintritt, der zur Verurteilung zahlreicher Landesverräter geführt hat. Dabei ist der Entwurf bestrebt, eine scharfe Grenzlinie zwischen dem Eecht der Gedanken- und Gewissensfreiheit und einer auf Einführung totalitärer Staatseinrichtungen

1256 und auf Unterstützung ausländischer, gegen die Schweiz gerichteter Bewegungen abzielenden Propaganda zu ziehen. Er bestraft nicht blosse Meinungen, sondern staatsgefährliche Handlungen. Der Bundesrat ist sich bewusst, dass Strafbestimmungen nicht das einzige Mittel zum Schutze der Staatssicherheit bilden. Stete Wachsamkeit von Volk und Behörden, Aufklärung der Öffentlichkeit über die drohenden Gefahren und geistiger Kampf gegen die Feinde unserer Demokratie und die Auslandhörigen sind in erster Linie für die Stärkung unseres Abwehrwillens vonnöten. Armee, Behörden und Volk müssen zusammenstehen, um zu verhindern, dass. national unzuverlässige Elemente an verantwortungsvolle Posten gelangen. Wir verweisen auf die Ausführungen des Vertreters des Bundesrates in den eidgenössischen Bäten bei der Genehmigung des bestehenden Staatsschutzerlasses (StenB NB 1948, 750; StB 1949, 11) und bei der Beantwortung der Interpellationen Gressot und Züst.

Wir sind deshalb bei der Aufnahme neuer Strafbestimmungen mit äusserster Zurückhaltung vorgegangen. Die Bevision stellt auf die schweizerischen Verhältnisse ab und kann, die in verschiedenen Ländern gegen die Kommunisten erlassenen oder in Vorbereitung stehenden Sondergesetze, wie auch die eingehenden Vorschriften ihrer Strafgesetze über Zersetzung des Staates usw. · nicht berücksichtigen. Es wurden auch nicht bestrittene Bestimmungen der verworfenen oder nicht zustande gekommenen Staatsschutzerlasse aufgenommen. Selbst die noch geltenden vollmachtenrechtlichen Staatsschutzbestimmungen konnten nicht einfach übernommen werden. Der liberale Charakter unseres Strafgesetzbuches soll erhalten bleiben.

4. Eine Übersicht über die Staatsschutzbestimmungen des Entwurfs zeigt folgendes System: Artikel 266MB ergänzt den Tatbestand des Landesverrates (Art. 266: Angriffe auf die Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft), die Artikel 275 (neue Fassung) und 275bls, die mit Artikel 275teT in einem neuen Abschnitt «Gefährdung der verfassungsmässigen Ordnung» zusammengefasst werden, denjenigen des Hochverrates (Art. 265). Die Zusätze zu den Artikeln 266, Ziffer 2, und Artikel 274, Ziffer l, bringen eine Verschärfung der Strafandrohungen, die Neufassung des Artikels 272, Ziffer l, eine Erweiterung des Tatbestandes des politischen Nachrichtendienstes. Neben diesen Ergänzungen auf
dem Gebiete des eigentlichen Staatsschutzes enthält der Entwurf folgende Änderungen bestehender Bestimmungen: Durch die Neufassung der Artikel 285 und 286 werden diese Bestimmungen verdeutlicht; die Artikel 296 und 297 berücksichtigen den Neuaufbau der zwischenstaatlichen Organisationen; mit der Änderung des Artikels 802, Absatz 2, wird auf das Erfordernis des Gegenrechts verzichtet; die Neuredaktion des Artikels 841; lit. b, steht mit der Verdeutlichung in Artikel 285 in Verbindung.

Aus dem Bundesratsbeschluss vom 29. Oktober 1948 betreffend Verstärkung des Staatsschutzes sind übernommen worden: die Artikel l (-- neuer Abs. 2 des Art. 266), 2 (= Art. 266^6), 8 (= revidierter Art. 272, Ziff. 1), 4 (= neuer Abs. 4 des Art. 274, Ziff.l), 5 (= Art. 275 neu), 6 (= Art. 275TM"),

1257 7 (=. Art. 275ter). Die Bestimmung des Artikels 10 über die Auslandstat ist in den revidierten Artikel 4 übergegangen. Die besondere Vorschrift des Artikels 12 über die Gerichtsbarkeit ist bereits in den Artikeln 340 und 342 StGB und 18 und 105 des Bundesstrafprozesses enthalten.

Dagegen werden die Artikel 8, 9, 11 und 13 nicht in das Strafgesetzbuch ü b e r n o m m e n . Sie werden mit dem Inkrafttreten des revidierten Strafgesetzbuches dahinfallen. Im einzelnen ist hiezu zu bemerken: Auf die Übernahme der Bestimmung des Artikels 8 gegen das Verächtlichmachen unserer politischen Einrichtungen konnte verzichtet werden, weil eine solche Herabwürdigung durch Links- oder Eechtsextremisten in ordentlichen Zeiten wirkungslos bleibt und im geistigen Kampfe zurückgewiesen werden kann. Eine ähnlich lautende Bestimmung in Artikel 18 des nicht zustandegekommenen Bundesbeschlusses vom 7. Dezember 1986 über den Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ist schon in der Beratung des Ständerates abgelehnt worden. Das Weglassen des Artikels 8 entspricht einem im Ständerat bei der Diskussion über den Bundesratsbeschluss vom 29. Oktober 1948 geäusserten Wunsche (StenB StB 1949, 8,13), sowie der Auffassung der Expertenkommission (Prot II, 28 f., 43 f.) und der Literatur (vgl. Comtesse, Der strafrechtliche Staatsschutz gegen hochverräterische Umtriebe im schweizerischen Bundesrecht, 65; Stämpfli, Ausserordentücher Staatsschutz, Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht, 61^161).

Die Sondervorschrift des Artikels 9 betreffend Widerhandlungen gegen die von Bundesbehörden über ausländische Vereinigungen aufgestellten Weisungen eignet sich nicht für eine Übernahme ins ordentliche Eecht; Artikel 292 sowie die administrative Ausweisung sollten genügen. Artikel 9 ist übrigens selten angewendet worden, In der Expertenkommission ist die Frage eingehend erörtert worden, ob die in Artikel 11 -- im Anschluss an Artikel 29, Absatz 2, MStG -- aufgenommene Erweiterung der Gründe für die Einstellung in der bürgerlichen Ehronfähigkeit in das ordentliche Eecht übergeführt werden solle. Die Kommission vertrat einstimmig die Auffassung, dass eine solche Ausdehnung der . "Einstellungsgründe nur- während eines Notstandes des Staates gerechtfertigt sei. Sie konnte sich auch dem in der Presse gemachten Vorschlag, bei den schweren
Verbrechen gegen den Staat die Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit obligatorisch zu erklären, nicht anschliessen, sondern hielt dafür, dass diese Nebenstrafe in ordentlichen Zeiten gemäss der Praxis des Bundesstrafgerichtes nur mit Zurückhaltung angewendet werden dürfe (Prot I, 23 ; II, 30). Der Bundesrat schliesst sich dieser Auffassung an.

Wie der Vorsteher des Justiz- und Polizeidepartemehtes schon am 20. Dezember 1948 im Nationalrat ausgeführt hat (StenB NB 1948, 748), kommt die Übernahme des Artikels 13 nicht in Frage. Beim Verbot von staatsgefährlichen Vereinigungen handelt es sich um administrative Massnahmen, die in einem Strafgesetz keinen Platz haben. Sollte sich nach Aufhebung des vollmachtenrechtlichen Staatsschutzerlasses die dringende Notwendigkeit eines.

1258 solchen Verbotes ergeben, so könnte es von den eidgenössischen Bäten gestützt auf Artikel 85, Ziffern 6 und 7, der Bundesverfassung oder vom Bundesrat gestützt auf Artikel 102, Ziffern 9 und 10, der Bundesverfassung erlassen werden.

u. Die einzelnen Bestimmungen 1. A r t i k e l 4 ist in der Weise ergänzt worden, dass auch die neuen Bestimmungen des Entwurfes aufgenommen wurden, bei denen die Auslandstat bestraft werden soll (Art.266blB, 275, 275bls,275ter). In Artikel 27, Z i f f e r 7, wurden bei der Ausnahme von der Anonymität der Presse (Ziff. 3, Abs. 2) und bei der Nichtgeltung der kurzen Verjährungsfrist (Ziff. 6) noch die Artikel ·266Ws, 275 neu und 275bls angeführt.

2. Der neue Absatz 2 zu Artikel 266, Ziffer 2, sieht vor, dass in schweren Fällen des Landesverrates gemäss Ziffer 2 (Verbindungnahme mit einer fremden Begierung zur Herbeiführung eines Krieges) lebenslängliches Z u c h t h a u s ausgesprochen werden kann. Mit der Expertenkommission (Prot II, 31 ; III, 9) halten wir dafür, dass die Androhimg von lebenslänglichem Zuchthaus für die Fälle der Ziffer l nicht notwendig sei, wie es in der Öffentlichkeit verlangt worden ist. Aus der Androhung dieser Höchststrafe ist hier keine vermehrte Abschreckung zu erwarten. Die ebenfalls in der Öffentlichkeit vorgeschlagene Einführung der Todesstrafe kommt schon mit Bücksicht auf die Vorschrift des Artikels 65 der Bundesverfassung nicht in Frage, wonach wegen politischer Vergehen kein Todesurteil ausgefällt werden darf. Die Aufnahme der Todesstrafe -würde auch den Grundsätzen des Strafgesetzbuches über den Zweck der Strafe widersprechen.

8. A r t i k e l 266Ws stellt die U n t e r s t ü t z u n g der gegen die Sicherheit der Schweiz gerichteten ausländischen Unternehmungen und Bestrebungen unter Strafe. Er uinfasst zwei Tatbestände: einmal das auf eine solche Unterstützung abzielende Inverbindungtreten mit der Begierung eines fremden Staates, mit ausländischen Parteien oder mit andern im Auslande tätigen Organisationen oder mit ihren Agenten, und sodann das den gleichen Zweck befolgende Aufstellen oder Verbreiten unwahrer oder entstellender Behauptungen. Die neue Vorschrift will den unter Ziffer I hievor geschilderten Gefahren entgegentreten, die sich aus dem Zusammenwirken schweizerischer Extremisten mit ideologisch gleichgesinnten
Vertretern ausländischer Begierungen oder Parteien oder anderer gleichartiger Organisationen im Ausland ergeben können. Die bei der Abwehr der nationalsozialistischen Umtriebe gemachten Erfahrungen haben die Notwendigkeit einer Strafbestimmung ergeben, die ein Einschreiten gegen eine derartige Unterstützung ausländischer Interessen ermöglicht, bevor der schwerere Tatbestand des Landesverrates (Art. 266) erfüllt ist. Als eine solche Gefährdung unserer Sicherheit erscheinen heute insbesondere die vielen Auslandsreisen von Linksextremisten, die Anpassung an die von den Zentralen des internationalen Kommunismus ausgehenden Bichtlinien und die systematische Verbreitung unwahrer Behaup-

1259 tungen der kommunistischen Presse über politische Zustände in der Schweiz, die geeignet sind, im Ausland eine feindselige Einstellung gegenüber der Schweiz hervorzurufen. Bei solchen Umtrieben ist «von einem systematischen Zuträgerdienst und einem unaufhörlichen Anschwärzen der Schweiz im Ausland bis zur Gefährdung der Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft im Sinne des Artikels 266 StGB nur ein kleiner Schritt» (vgl. den Bericht des Bundesrates über die antidemokratische Tätigkeit, III, 59). Wie wir oben unter Ziffer I, 4 und im Bericht über die Verfahren gegen nationalsozialistische Schweizer ·wegen Angriffs auf die Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft vom 80. November 1948 (71 f.) ausgeführt haben, gewährt zwar Artikel 266 einen weitgehenden Schutz unserer Unabhängigkeit. Nach der Eechtsprechung des Bundesstrafgerichts sind nicht nur Handlungen strafbar, die auf eine Eingliederung in einen fremden Staat hinzielen, sondern auch solche, die die Einmischung einer fremden Behörde, Partei oder ähnlichen Organisation anstreben, sofern sie geeignet ist, die freie Bestimmung des Staates über seine innern Angelegenheiten zu beeinträchtigen, z. B. eine Änderung der Verfassung gegen den Willen des Landes herbeizuführen; ferner fällt nicht bloss die Verletzung, sondern schon die Gefährdung der Unabhängigkeit unter die Strafandrohung, sofern es sich um eine nahe Gefahr handelt ; auch Vorbereitungshandlungen sind unter dieser Voraussetzung strafbar (BGE 70 * 140; 73 4 100). Liegt aber keine solche nahe Gefahr vor oder richten sich die Abmachungen nachweisbar nicht gegen die Unabhängigkeit, d. h. gegen die äussere Stellung oder die innere Selbständigkeit, sondern allgemein gegen die innere oder äussere Sicherheit des Landes, so trifft Artikel 266 nicht zu; er ist insbesondere gegen das Anschwärzen nicht anwendbar, es sei denn, dass es darauf gerichtet wäre, das Ausland zu einer unserer Unabhängigkeit abträglichen Massnahme zu veranlassen. Artikel 266 soll deshalb durch Artikel 266bls ergänzt werden. Die neue Bestimmung ist indessen selbständiger Natur und kommt erst zur Anwendung, wenn die Voraussetzungen der Strafvorschrift gegen den Landesverrat nicht vorliegen; sie will keinesfalls diese Vorschrift abschwächen.

Wie der Vorsteher des Justiz- und Polizeidepartements bei der Diskussion des Nationalrates
über den Bundesratsbeschluss vom 29. Oktober 1948 ausführte (StenB NE 1948, 749), handelt es sich darum, Vorbereitungen zu Angriffen des Auslandes auf unsere staatliche Existenz schon in einem möglichst frühen Stadium zu treffen. Die Expertenkommission und die Vollmachtenkommissionen -- bei der konsultativen Beratung des Artikels 2 des Vollmachtenerlasses -- haben sich bemüht, für die neue Bestimmung eine Fassung zu finden, die es ausschliesst, dass auch ein rechtmässiges Zusammenarbeiten mit dem Ausland getroffen würde. In beiden Bäten ist hervorgehoben worden, dass das blosse Sympathisieren mit dem fremden Staat oder mit ausländischen Parteien oder andern Organisationen wie auch die Zustimmung zu einer Kritik des Auslandes an schweizerischen Verhältnissen nicht unter die Strafbestimmung falle. In der Fassung des Entwurfes sind die ,im Nationalrat gegen Artikel 2 vorgebrachten Bedenken weitgehend berücksichtigt worden (vgl. Prot der

1260 Expertenkommission II, 11, 16--21, 37--42: III, 10--12, 84--36; IV, 5, 6, 48; StenB NE 1948, 787, 738, 746: StE 1949, 5).

Zum ersten Absatz ist insbesondere za bemerken: Der rechtswidrige Zweck der in den beiden folgenden Absätzen umschriebenen Handlungen ist gegenüber der Passung des Artikels 2 des Vollmachtenerlasses dahin abgeändert worden, dass sich die ausländischen Unternehmungen und Bestrebungen nicht allgemein gegen die politischen Interessen, sondern gegen die Sicherheit der Schweiz richten müssen, worunter sowohl die innere als auch die äussere Sicherheit zu .verstehen ist. Unter die gegen die äussere Sicherheit der Schweiz gerichteten Unternehmungen oder Bestrebungen fallen auch Gefährdungen der Unabhängigkeit, die nicht bereits durch Artikel 266' getroffen werden.

Zum Begriff der innern und äussern Sicherheit vgl. Burckhardt, Kommentar zur Bundesverfassung, 630.

Beim zweiten Absatz ist hervorzuheben: Nach, den mit den schweizerischen nationalsozialistischen Vereinigungen in Deutschland gemachten Erfahrungen schien es angezeigt, statt von «andern Organisationen des Auslandes» von «andern Organisationen im Ausland» au sprechen, womit der im Nationalrat erhobenen Kritik Bechnung getragen ist (StenB NE 1948, 738, 746, 750), Unter den Begriff der Parteien oder Organisationen fallen auch internationale Vereinigungen.

Die im d r i t t e n A b s a t z enthaltene Strafbesthranung gegen die sogenannte staatsgefährliche Gcrüchtemacherei geht auf die Artikel 2, Absatz l,' der Demokratieschutzverordnungen vom 27. Februar 1945 und 7. März 1947 zurück, wo sie lautete : «Wer öffentlich eine unwahre oder entstellende Behauptung tatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet, die darauf gerichtet ist, die innere oder äussere Sicherheit der Eidgenossenschaft zu gefährden, insbesondere die Interessen des Auslandes zum Nachteil der Schweiz zu unterstützen...» In der Kommission des Nationalrates für die Behandlung des Berichtes des Bundesrates über die schweizerische Pressepolitik im Zusammenhang mit dem Kriegsgeschehen ist der Wunsch ausgesprochen worden, dass im künftigen Presserecht eine Bestimmung gegen bewusste Gerüchtemacher ei aufgenommen werde (S. 48 des Kommissionsprotokolls). Der Bundesrat erachtete die Aufnahme einer Bestimmung gegen die Gerüchtemacherei als solche in das Strafgesetzbuch
nicht als notwendig, da die unwahren und entstellenden Behauptungen in friedlichen Zeiten keine grosse Wirkung ausüben. Dagegen muss die Falschbehauptung auch in ordentlichen. Zeiten unter Strafe gestellt werden, wenn und soweit sie gegenüber dem Ausland geäussert wird. Ein solches Anschwärzen führt letzten Endes zu einer Gefährdung der Landessicherheit. In einem ersten Vorentwurf war vorgesehen, diese Art der Falschbehauptung zu einem selbständigen Tatbestand innerhalb des Artikels 266blB auszugestalten. Die Expertenkommission zog es vor, im ersten Absatz die für. das Inverbindungtreten und die Falschbehauptung erforderliche Absicht genieinsam zu umschreiben.

Der Nachweis einer solchen Absicht dürfte gerade bei der Falschbehauptung oft schwer zu erbringen sein. Andererseits erschien bei dieser Umschreibung

1261 der Absicht eine Beschränkimg der Strafbestimmung auf die öffentliche Falschbehauptung und auf Behauptungen tatsächlicher Art nicht mehr angezeigt (Protll, 11, 14, 16--22, 87--42; III, 10--12, 34--36; IV, 5, 6, 48, 49).

4. Mit der Neufassung des Artikels 272, A b s a t z l, wird der Tatbestand des politischen N a c h r i c h t e n d i e n s t e s erweitert. Es hat sich in der Praxis gezeigt, dass der heutige Wortlaut («Nachrichtendienst über die politische Tätigkeit von Personen oder politischen Verbänden») zu eng ist. Es bestand namentlich Unsicherheit darüber, ob auch Nachrichten über die politische Einstellung oder" Eassenzugehörigkeit einer Person oder über die Tätigkeit von Behörden oder Beamten oder Meldungen über die politische Stimmung der Bevölkerung oder die politische Gesinnung bestimmter Bevölkerungskreise darunter fallen. Die Expertenkommission (Prot II, 82, 38; III, 12--15; IV, 6) befürwortet eine Erweiterung, die wir mit Bücksicht auf die Zunahme der Agententätigkeit als unbedingt notwendig erachten. Es wird nunmehr jeder Nachrichtendienst zugunsten eines fremden Staates oder einer ausländischen Partei oder andern Organisation des Auslandes gegen die Schweiz, ihre Angehörigen .oder Einwohner oder Organisationen unter Strafe gestellt. Auch ein Nachrichtendienst für eine internationale Organisation ist strafbar. Untere Gerichte haben aus der Bezeichnung «zum Nachteil» geschlossen, dass durch den Nachrichtendienst ein Nachteil eingetreten oder doch sehr wahrscheinlich sein müsse. Mit diesem Ausdruck wird aber einzig die Zielrichtung des Nachrichtendienstes (gegen die Schweiz usw.) im Gegensatz zum Nachrichtendienst gegen fremde Staaten nach Artikel 301 .umschrieben. Da die obern kantonalen Gerichte die Bestimmung bereits in diesem Sinne auslegen, darf von einer Änderung des Gesetzestextes Umgang genommen werden.

5. Durch den Zusatz zu Artikel 274 wird die Möglichkeit geschaffen, in schweren Fällen des militärischen Nachrichtendienstes auch auf Zuchthaus zu erkennen, wie es durch Artikel l, letzter Absatz, des Bundesratsbeschlusses vom 4. August 1942 über Straf- und Verfahrensvorschriften zum Schutze der Landesverteidigung und der Sicherheit der Eidgenossenschaft für die Zeit des aktiven Dienstes eingeführt wurde und in den Artikeln 272, Ziffer 2, und 273, Absatz 3, auch für den
politischen und wirtschaftlichen Nachrichtendienst vorgesehen ist. Es gibt schwere Fälle von Militärspionage, die nicht eine Verletzung militärischer Geheimnisse bilden und deshalb nicht mit der schweren Strafe des Artikels 86 MStG geahndet werden können. Die Straf Verschärfung geht auf Wünsche zurück, die in der Öffentlichkeit und in der Eingabe des Staatsrates des Kantons \Vaadt geäussert worden sind (Prot ExpKI, 14; III, 16).

6. Der d r i t t e Abschnitt des 13. Titels (Verbrechen und Vergehen gegen den Staat und die Landesverteidigung) enthält heute einzig die Bestimmung gegen die rechtswidrige Vereinigung (Art. 275). Der Entwurf nimmt, m diesen, als «Gefährdung der verfassungsmässigen Ordnung» bezeichneten Abschnitt drei Strafvorschriften auf : Artikel 275 neu (Angriffe auf die verfassungs-

1262 massige Ordnung), Artikel 275bls (staatsgefährliche Propaganda) und Artikel 275ter (rechtswidrige Vereinigung).

Der neue Artikel 275 übernimmt wörtlich den Artikel 5 des Bundesratsbeschlusses vom 29. Oktoher 1948, der seinerseits auf die Artikel l, Absatz l, der Demokratieschutzverordnungen vom 27. Februar 1945 und 7. März 1947 zurückgeht, welche Bestimmungen lauteten: «Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist, die verfassungsmässige Ordnung der Eidgenossenschaft oder der Kantone in rechtswidriger Weise zu ändern oder zu gefährden.» Wir glaubten zuerst, von der Übernahme der vollmachtenrechtlichen Bestimmung absehen und sie einem künftigen Notrecht vorbehalten zu dürfen, wie es auch in der zweiten Session der Expertenkommission (Prot II, 22---27) und in der Literatur vertreten worden ist. Die in der tschechoslowakischen Februarrevolution zutage getretenen Umsturzmethoden und deren Aufnahme in schweizerischen linksextremistischen Kreisen veranlassten uns jedoch, die Bestimmungen des vollmachtenrechtlichen Staatsschutzerlasses gegen Angriffe auf die verfassungsmässige Ordnung (Art. 5) und gegen die staatsgefährliche Propaganda (Art. 6) auch in das Strafgesetzbuch aufzunehmen. Der Entwurf berücksichtigt damit die im Volk und im Parlament geäusserten Wünsche nach Verstärkung des Staatsschutzes, mit gleichzeitiger Aufhebung des Notrechtes.

Die Expertenkommission ist in ihrer dritten Tagung auf den frühern Beschluss zurückgekommen und hat den Artikel 275 des vorliegenden Entwurfes einstimmig angenommen (Prot III, 17--19).

Für die Abwehr der neuzeitlichen Unternehmungen zum Umsturz und der Vorbereitungen hiezu genügen die bisherigen Artikel 265 und 275 nicht.

Es erweist sich namentlich als Mangel, dass nur gewaltmässige Angriffe auf die verfassungsmässige Ordnung und die Vorbereituiigshandlungen zu einem hochverräterischen Unternehmen nur in beschränktem Umfang verfolgt werden können. Bei der Fassung der neuen Bestimmung musste indessen mit grösster Zurückhaltung vorgegangen werden. Unser Volk hat, auch wenn es.

eine Stärkung des Staatsschutzes wünscht, eine starke Abneigung gegen Strafbestimmungen, die nach seiner Auffassung geeignet sein können, die Freiheitsrechte einzuschränken. Wie die Praxis zu Artikel 5 des Bundesratsbeschlusses vom 29. Oktober 1948 zeigt, werden durch den
neuen Artikel 275 keine schützenswerten Interessen gefährdet. Es ist insbesondere kein Meinungsdelikt geschaffen worden. Der neue Artikel 275 bildet einen selbständigen Gefährdungstatbestand und nicht eine Erweiterung des Hochverratstatbestandes nach Artikel 265. Dahingehende Anträge sind schon bei der Beratung des Strafgesetzbuches im Nationalrat abgelehnt worden. Als Schutzobjekt ist die verfassungsmässige Ordnung genannt, worunter die politischen Staatseinrichtungen, die freiheitlich-demokratische Gründordnung des Staates und das ordnungsgemasse Funktionieren dieser Einrichtungen zu verstehen ist. Als Angriffshandlungen sind das rechtswidrige Stören und das rechtswidrige Ändern aufgeführt. Das in den Demokratieschutzverordnungen von 1945 und 1947 noch enthaltene Gefährden ist nicht beibehalten worden. Es muss sich also um einen

126ä auf ungesetzlichem Wege oder mit ungesetzlichen Mitteln unternommenen Angriff handeln. Auch Vorbereitungshandlungen hiezu sind strafbar, wobei es gleichgültig ist, ob der Angriff in einer nahen oder entfernten Zeit und ob' er mit oder ohne Gewalt durchgeführt werden soll. Mit einer solchen Vorschrift können die gefährlichsten Fälle der sogenannten kalten Eevolution getroffen, werden. Es ist namentlich zu denken an Ausbildung und Betätigung revolutionärer Aktionskomitees, Ausarbeiten von Plänen für einen Umsturz, Erteilen von Weisungen, Bereitstellen von Geld, Waffen oder anderer Hilfsmittel,.

Unterdrucksetzen der Staatsbehörden durch ungesetzliche Mittel wie Sabotage, wilde Streiks. Im Gegensatz zu verschiedenen Kriegsnoterlassen und zu ausländischen Gesetzen wird nicht schon die Betätigung politisch extremer Vereinigungen als solche unter Strafe gestellt. Die Abwehr solcher Gefährdungen darf in ordentlichen Zeiten dem geistigen Kampfe der Bürger überlassen bleiben.

Im Nationalrat wurden gegen die allgemeine Fassung des Tatbestandes Bedenken geäussert (StenB NB 1948, 738). Bei einer Aufzählung einzelnerAngriffshandlungen müsste aber immer eine Lücke bleiben, da die extremistischen Erneuerungsbewegungen immer neue Wege zur Aushöhlung des demokratischen Staates finden werden.

Nach der Bedeutung, die heutzutage der auf eine Staatsumwälzung hinzielenden Propaganda zukommt, erscheint es angezeigt, in Artikel 2751"18 die Bestimmung des Artikels 6 dea geltenden Staatsschutzerlasses gegen die staatsgefährliche Propaganda aufzunehmen, was auch die Expertenkommission empfiehlt (Prot II, 27---80, 42--45). Zu beachten ist, dass nur eine solche Propaganda mit Strafe bedroht wird, die auf eine rechtswidrige Störung oder Abänderung unserer verfassungsmässigen Ordnung gerichtet ist.

Von besonderer Bedeutung ist die im zweiten Absatz erfasste Unterstützung der ausländischen Propaganda dieser Art. Weitergehende administrative Vorschriften gegen staatsgefährliche Propagandaliteratur bleiben vorbehalten (vgl. den Bundesratsbeschluss vom 29. Dezember 1948 betreffend staatsgefährliches Propagandamaterial. Über den Begriff der Propaganda vgl...

BGE 68 4 145).

Artikel 27öter entspricht dem bisherigen Artikel 275, mit der Ergänzung, dass auch solche Vereinigungen als rechtswidrig bezeichnet werden, die die
Vornahme der in den Artikeln 266bls, 275 neu und 275Ws unter Strafe gestellten Handlungen bezwecken.

7. In den Artikeln 285 und 286 nennt der Entwurf neben den Behörden und Beamten noch ausdrücklich die Mitglieder der Behörden. Damit steht die Streichung des bisher in Artikel 341, lit. b enthaltenen Hinweises auf Artikel 285 in Zusammenhang. Mit diesen Änderungen soll eine Streitfrage gelöst werden, die sich in der Praxis in bezug auf die Zuständigkeit der Bundesassisen für die Beurteilung von tätlichen Angriffen auf Mitglieder einer Bundesbehörde ergeben hat. Mit der Erwähnung der Mitglieder von Bundesbehörden in Artikel 285 wird zum Ausdruck gebracht, dass sich die Zuständigkeit der Bundesassisen zur Beurteilung von Aufruhr und Gewalttat gegen Bundes--

1264 behörden gemäss dem Wortlaut des Artikels 341, lit. b, einzig auf Angriffe gegen die Behörde selbst bezieht. Das Bundesstrafgericht hat im Falle Steinen bereits festgestellt, dass Gewalt und Drohung gegen Bundesbeamte nicht in die Zuständigkeit der Bundesassisen, sondern des Bundesstrafgerichtes fallen (BGE 70 * 213 f.). Gleich ist es in Zukunft mit Angriffen auf einzelne Mitglieder von Bundesbehörden zu halten. Die Streichung des Hinweises auf Artikel 285 schafft im weitern die Möglichkeit, dass die Behörden im Einzelfall frei entscheiden können, ob eine Gewalttat im Sinne der Verfassungsbestimmung vorliege, ohne an die Umschreibung der Angriffshandlungen in Artikel 285 gebunden zu sein. Leichte Fälle, wie Bealinjurien, brauchen demnach nicht an die Bundesassisen überwiesen zu werden. Mit den beiden Neuerungen kann vermieden werden, dass dieser kostspielige und schwerfällige Apparat in Bewegung gesetzt werden muss. A r t i k e l 286 wurde der Neufassung des Artikels 285 angepasst.

8. Die Strafvorschrift des Artikels 297 StGB gegen die Beleidigung von Delegierten und Organen des Völkerbundes ist mit der Auflösung dieser Organisation gegenstandslos geworden. Sie kann aber nicht einfach aufgehoben werden, sondern muss mit Bücksicht darauf, dass die Schweiz immer mehr zum Sitz von zwischenstaatlichen Organisationen oder zum Tagungsort solcher Organisationen oder diplomatischer Konferenzen auserwählt wird, durch eine den neuen Verhältnissen entsprechende Vorschrift ersetzt werden. Es liegt im Interesse unseres Landes selbst, dass unsere Beziehungen zu andern Staaten oder zu · zwischenstaatlichen Organisationen nicht durch Beleidigung (Verleumdung, üble Nachrede oder Beschimpfung) ihrer Vertreter gestört werden.

Durch die r e v i d i e r t e n Artikel 296 und 297 sollen solche, von schweizerischem Gebiet ausgehende Angriffe verhütet, auf alle Fälle aber von Amtes wegen verfolgt und mit schwereren Strafen bestraft werden, als die Vergehen gegen die Ehre von Privatpersonen. Wir brauchen dabei nicht auf Artikel 105 der Satzungen (Charta) der Vereinigten Nationen -- denen die Schweiz nicht angehört -- abzustellen, der gleich wie Artikel 7 des Völkerbundspaktes bestimmt, dass die Organisation und ihre Beamten, sowie die Vertreter der Mitglieder die Vorteile und Eechte der Unverletzlichkeit gemessen,
wozu auch ein erhöhter Strafschutz gehört (vgl. Urteil der Bundesassisen i. S. Justh vom 25. Januar 1927, Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht 40, 179, und die Beratungen des Nationalrates zu Art. 296, StenB NE 1929, Sep.-Ausg. 489).

Die Artikel 296 und 297 schützen nicht nur die Organisationen der Vereinigten Nationen, sondern allgemein die Delegierten der Staaten bei zwischenstaatlichen Organisationen und diplomatischen Konferenzen, sowie die Vertreter jener Organisationen. Der erhöhte Strafschutz wird aber nur gewährt, wenn die zwischenstaatlichen Organisationen oder deren Abteilungen ihren Sitz in der Schweiz haben oder wenn sie oder die genannten Konferenzen in der Schweiz tagen. Befindet sich der Sitz oder der Tagungsort nicht in der Schweiz oder handelt es sich um eine Konferenz ohne diplomatischen Charakter, so soll es beim ordentlichen Strafschutz sein Bewenden haben.

1265 In Artikel 296 wird der den Vertretern fremder Staaten nach bisherigem Recht gewährte erhöhte Strafschutz ausgedehnt auf die offiziellen Delegierten der Staaten an einer in der Schweiz tagenden diplomatischen Konferenz und auf ihre offiziellen Vertreter bei einer in der Schweiz niedergelassenen oder tagenden zwischenstaatlichen Organisation oder Abteilung einer solchen.

Unter diesen Abteilungen sind insbesondere die Zweigniederlassungen zu verstehen, die verschiedene zwischenstaatliche Organisationen mit Sitz im Ausland in der Schweiz errichtet haben. Den besondern Schutz des Artikels 296 gemessen aber nur die offiziellen, d. h, dio mit repräsentativem Charakter ausgestatteten Delegierten und Vertreter.

In Artikel 297 wird neu aufgenommen die Beleidigung der zwischenstaatlichen Organisation selbst durch Angriffe auf ihre offiziellen Vertreter.

Voraussetzung der Strafbarkeit ist auch hier, dass die Organisation oder eine ihrer Abteilungen ihren Sitz in der Schweiz hat oder hier tagt. Unter diese Strafbestimmung fällt auch ein Angriff auf die Ehre des offiziellen Vertreters einer im Ausland niedergelassenen Organisation, der vorübergehend in der Schweiz eine amtliche Tätigkeit ausübt.

In der Expertenkommission ist die Neufassung der Artikel 296 und 297 eingehend besprochen worden (Prot II, 34--37, 45--47;'III, 23--26, 37; IV, 11, 18, 48---50). Ein Meinungsaustausch fand auch zwischen dem Justiz- und Polizeidepartement und dem Politischen Departement statt, das in einigen Punkten weiter gehen wollte als der Entwurf.

Im Anschluss an die Eevision der Artikel 296 und 297 sind die in Artikel 802 enthaltenen Voraussetzungen für die Strafverfolgung überprüft worden. Gemäss der Empfehlung der Expertenkommission (Prot III, 82--84) wurde auf die Zusicherung des Gegenrechtes verzichtet. Da die Strafverfolgung im Interesse unseres Landes liegt, ist es besser, sie nicht vom Inhalt einer ausländischen Gesetzgebung abhängig zu machen. Der Nachweis einer unserm Strafgesetz entsprechenden Bestimmung des ausländischen Rechtes ¥ war immer mit Schwierigkeiten verbunden (vgl. das erwähnte Urteil i. S. Justh).

Eine dem revidierten Artikel 297 entsprechende Bestimmung zum Schutze einer zwischenstaatlichen Organisation dürfte wohl selten, als Gegenrecht angerufen werden können. In Übereinstimmung mit der grossen
Mehrheit der Expertenkommission (Prot III, 83, 34; IV, 15, 16) wurde dagegen das Erfordernis des Ersuchens beibehalten. Ein Strafverfahren wegen Beleidigung eines fremden Staates soll nur in seinem Einverständnis durchgeführt werden; er hat deshalb ein solches Ersuchen zu stellen. Bei der Beleidigung einer zwischenstaatlichen Organisation ist das Ersuchen von einem ihrer Organe zu stellen, was im revidierten Artikel 802, Absatz 2, besonders gesagt ist.

Die Expertenkommission hat noch geprüft, ob im 16. Titel eine Bestimmung gegen die Begünstigung fremder K r i e g f ü h r u n g aufzunehmen sei, um damit der Resolution des im Juli 1947 in Genf abgehaltenen Kongresses der internationalen Vereinigung für Strafrecht Rechnung zu tragen, die u. a.

Bundesblatt. 101. Jahrg. Bd. I.

87

1266 wünschte, der strafrechtliche Schutz der innerstaatlichen Gesetzgebung solle sich auch auf eine" Unterdrückung der Propaganda für Angriffskriege und auf die Begünstigung des von der zuständigen internationalen Instanz als Angreifer bezeichneten Staates erstrecken. Die Kommission entschloss sich aber in ihrer letzten Tagung, von einer solchen Bestimmung abzusehen, da die Artikel -800 StG-B und 92 MStG genügen und die ergänzenden Bestimmungen der Neutralitätsverordnung und eine Vorschrift im Sinne jener Eesolution nicht im Interesse der neutralen Stellung der Schweiz liege und die Pressefreiheit gefährden könne (Prot' III, 27--30; IV, 13--15). Der Bundesrat teilt diese Bedenken.

9. Über die Neufassung des Artikels 341, lit. b, wurde im Zusammenhang mit der Änderung in Artikel 285 berichtet (oben Ziff. 7). .

Zweiter Teil Vergehen gegen die Ehre Wie einleitend bemerkt wurde, erwies es sich als notwendig, zwei Bestimmungen aus dem Gebiete der Ehrverletzungen in die Teilrevision einzubeziehen.

1. Während sich die Bestimmungen über die Verleumdung (Art. 174) und die Beschirnpfung (Art. 177) in der Praxis bewährten, gab die Vorschrift über die üble N a c h r e d e (Art. 173) Anlass zu heftiger Kritik.

a. Der Entwurf vom 28. Juli 1918 hatte in Artikel 151 für die üble Nachrede die Leichtfertigkeit der Behauptung oder Verbreitung und die Unwahrheit der Beschuldigung oder Verdächtigung als Tatbestandsmerkmale vorgesehen.

Ziffer l enthielt eine Strafbestimmung gegen denjenigen, der jemanden bei einem andern leichtfertig und nicht der Wahrheit gemäss ehrenrührig beschuldigt oder verdächtigt oder eine solche Beschuldigung oder Verdächtigung leichtfertig weiterverbreitet. Ziffer 2 richtete sich gegen den Täter, der eine solche Beschuldigung zwar der Wahrheit gemäss, aber ohne begründete Veranlassung und nur um dem andern Übles vorzuwerfen, erhebt. In der Beratung» der eidgenössischen Bäte wurde diese Regelung aufgegeben, hauptsächlich mit Bücksicht auf den in Ziffer 2 des jetzigen Artikels 173 aufgenommenen Wahrheitsbeweis (vgl. StenB NB 1921, 117, 154, StB 1981, 177). Nach der aus der Beratung hervorgegangenen Fassung des Artikels 178 bilden weder die Leichtfertigkeit noch die Unwahrheit Tatbestandsmerkmale. Der Täter ist also strafbar, wenn er die ehrverletzende Äusserung vorsätzlich ausgesprochen
oder verbreitet hat. Er kann sich aber nach Ziffer 2 von der Strafe befreien, wenn er beweist, dass die Äusserungen der Wahrheit entsprechen. Der Beschuldigte wird jedoch zum Wahrheitsbeweis nicht zugelassen, wenn ein solcher Beweis nicht im öffentlichen Interesse hegt und sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben des Verletzten beziehen und vorwiegend in der Absicht erfolgt sind, jemandem Übles vorzuwerfen. Das geltende Gesetz nimmt keine Rücksicht darauf, ob die ehrverletzende Äusserung leichtfertig.oder in.

1267 guten Treuen erhoben wurde. Die im Entwurf auseinandergehaltenen zwei Fälle sind nicht mehr besonders erwähnt.

Die in der Beratung der eidgenössischen Bäte beschlossenen Neuerungen haben sich in der Praxis nicht als glücklich erwiesen. Es wurde als eine harte und unsern Verhältnissen nicht entsprechende Regelung empfunden, dass auch der Täter bestraft werden muss, der nicht leichtfertig gehandelt und die ehrverletzende Äusserung in guten Treuen für wahr gehalten hat. Im weitern führte die Einschränkung des Wahrheitsbeweises oft zu Unbilligkeiten.

Im bekannten Entscheid i. S. Pfändler gegen Weber und Mitbeteiligte, vom 3. März 1944 (BGE 70 4 24 ff.) stellte der Kassationshof des Bundesgerichts fest, dass die durch das Mittel der Presse begangene üble Nachrede ausschliesslich nach Artikel 178 StGB zu beurteilen sei, und dass die bisherige, auf Artikel 55 der Bundesverfassung gestützte Rechtsprechung nicht mehr aufrechterhalten werden könne, wonach Beschuldigungen, für die entweder der Wahrheitsbeweis erbracht wurde oder die der Verfasser auf Grund einer ernsthaften Prüfung in guten Treuen für wahr halten durfte, straflos blieben. Das Gericht ging davon aus, dass Artikel 178 im Gegensatz zu Artikel 151 des Entwurfes und zu frühem kantonalen Rechten das Tatbestandsmerkmal der Unbesonnenheit oder Leichtfertigkeit der Behauptung oder Verbreitung nicht mehr enthält, so dass jeder strafbar sei, der vorsätzlich oine ehrenrührige Tatsache behauptet oder verbreitet. Es nahm im weitern an, dass nur derjenige sich auf den Rechtfertigungsgrund dor Wahrung berechtigter Interessen berufen könne, der sich zur Verfolgung eines richtigen Zieles zweckmässiger Mittel bediene.

Die Verbreitung wahrheitswidriger, rufschädigender Tatsachen sei aber nicht als das richtige Mittel zur Erfüllung der Aufgabe der Presse zu betrachten, und zwar auch dann nicht, wenn diese Verbreitung in gutgläubiger Weise erfolge. Die schrankenlose Anerkennung der Wahrnehmung berechtigter Interessen zugunsten der Presse hätte zur Folge, ckiss das fallengelassene Moment der Leichtfertigkeit auf einem Umwege für die Presse in weitem Rahmen wieder eingeführt würde. Ausdrücklich erklärte der Kassationshof in diesem und in spätem Entscheiden, dass die Bestimmung des Artikels 55 der Bundesverfassung über die Pressefreiheit für die Presse kein
Ausnahmerecht schaffe (BGE 70 4 151; 73 4 33).

Gegen die neue Rechtsprechung wurden in weiten Kreisen, insbesondere der Presse, schwere Bedenken geäussert. Die Presse befürchtete, dass sie in der Erfüllung ihrer in der Demokratie besonders wichtigen öffentlichen Kontrollfunktion gehemmt werde; sie werde nun gezwungen sein, den Wahrheitsbeweis vorsorglich sicherzustellen, was ihr praktisch nicht immer möglich sein werde. Namhafte Juristen der Praxis und der Wissenschaft, prüften die durch die Änderung der Praxis entstandene Lage, wiesen auf die Nachteile der heutigen Fassung des Artikels 173 hin und machten Vorschläge für eine Bevision (vgl. Farbstein, Pressefreiheit und üble Nachrede, 1944; Bundesrichter Logoz, A propos des délits contre l'honneur, in der Schweizerischen Zeitschrift für Strafrecht, 61 88 ff, (Pestgabe zum 70. Geburtstag von Prof. Hafter); Hafter,

1268 Üble Nachrede, in der Schweizerischen Juristenzeitung, 43. Jahrgang, 265 ff.).

An seiner Jahresversammlung in Solothurn vom 4.--6. September 1948 behandelte der Schweizerische Juristenverein die Eeform des schweizerischen Presserechtes. Natioualrat M. Feldmann und Eedaktor G. J a c c o t t e t untersuchten in umfassenden Eeferaten sämtliche Fragen der Pressereform, insbesondere die Eevision des Artikels 55 der Bundesverfassung und die Neufassung des Artikels 173 StGB, wofür sie Vorschläge unterbreiteten (vgl.

Zeitschrift für schweizerisches Eecht 1948, l a ff. und 123 a ff., und die Verhandlungen des Schweizerischen Juristenvereins in der gleichen Zeitschrift 569 a ff.). Die Vorschläge in der Literatur und in den beiden Eeferaten gehen hauptsächlich auf Beseitigung der Einschränkungen des Wahrheitsbeweises, auf Schaffung eines Entlastungsbeweises für den Beschuldigten, dass er nicht leichtfertig, sondern in guten Treuen gehandelt hat, und auf eine bessere Wahrung der Interessen des Verletzten. An der Jahresversammlung des Schweizerischen Juristenvereins gingen die Auffassungen über die Eevision des Artikels 55 der Bundesverfassung auseinander, den Vorschlägen der Eeferenten für die Neufassung des Artikels 173 StGB wurde dagegen grundsätzlich zugestimmt. Man war sich einig, dass die Lockerung der als zu starr erkannten heutigen Begelung nicht auf dem Wege der Praxis, sondern nur durch eine Eevision des Artikels 173 herbeigeführt werden könne, und dass die neue Bestimmung allgemeine Gültigkeit haben und nicht eine Privilegierung der Presse bilden solle.

Am 10. Dezember 1948 reichte die Gemischte pressepolitische Kommission des Schweizerischen Zeitungsverlegerverbandes und des Vereins der Sçhweiz'erpresse dem eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement gestützt auf die erwähnten Eeferate und Verhandlungen des Juristenvereins einen Antrag zur Neufassung des Artikels 173 StGB ein, dem der Zentralvorstand des Vereins der Schweizerpresse zustimmte. Die Expertenkommission des Departementes überprüfte diesen Vorschlag in der Tagung vom 2T./28. Januar 1949 und nahm ihn mit wenigen Abänderungen an (Prot IV, 17--23, 25--27), b. Der vorliegende Entwurf befasst sich einzig mit der Eevision des Artikels 173 S t G B . Die andern Probleme des Presserechts, namentlich die Eevision des Artikels 55 der
Bundesverfassung und die Wahrheitspflicht der Presse (Berichtigungszwang), werden im Berieht des Bundesrates zu dem von der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz eingereichten Volksbegehren «für die Wahrung der Pressefreiheit» behandelt werden. Die Gemischte pressepolitische Kommission und die Expertenkommission sind der Auffassung, dass die Frage des Berichtigungszwanges nicht Gegenstand der Eevision des Strafgesetzbuches bilden sollte.

.

Die neue Fassung des Artikels 173 stellt auf den von der Expertenkommission bereinigten Vorschlag der Gemischten pressepolitischen Kommission des Schweizerischen Zeitungsverlegerverbandes und des Vereins der Schweizerpresse ab. Sie übernimmt nicht den Artikel 151 des Entwurfes, sondern begnügt sich damit, in der geltenden Bestimmung die als notwendig erkannten Verbesserungen vorzunehmen.

1269 Z i f f e r l wurde unverändert vom geltenden Recht übernommen. Im Anschluss an die Auffassung von Logoz und Jaccottet wurde davon abgesehen, die Unwahrheit und die Leichtfertigkeit der rufschädigenden Äusserungen als Tatbestandemerkmale aufzuführen. Es entspricht den Verhältnissen besser, wenn nicht dem Kläger oder Ankläger der Nachweis für das Vorliegen dieser Merkmale aufgebürdet, sondern dein Beschuldigten ausdrücklich das Eecht des Entlastungsbeweises eingeräumt wird (Ziffer 2). Mit dieser Eegelung wird die Frage der Beweislast eindeutig gelöst.

Die wichtigsten Neuerungen sind in Z i f f e r 2 enthalten. Im ersten Absatz wird dem Beschuldigten sowohl der Wahrheitsbeweis als auch die Befugnis zum Nachweis eines nicht leichtfertigen Verhaltens eingeräumt. In Übereinstimmung mit den in der Literatur und in den Referaten geäusserten Meinungen wird die in Ziffer 2 des geltenden Artikels 178 enthaltene Einschränkung des Wahrheitsbeweises fallen gelassen ; eine Einschränkung ist nur noch vorgesehen für den Fall der boshaften üblen Nachrede (Ziff. 4). Der bisherige Ausschluss von der Führung des Wahrheitsbeweises in bezug auf das Privat- und Familienleben brachte ausserordentliche Schwierigkeiten für den Vorentscheid des Richters über die Zulässigkeit des Beweises mit sich. Es zeigte sich ferner, dass ein solcher Ausschluss auch für den Verletzten nachteilig sein kann, der oft ein Interesse an der Feststellung der Unwahrheit der rufgefährdendeii Äusserungen hat.

Mit der Einführung des Entlastungsbeweises des Beschuldigten, dass er ernsthafte Gründe hatte, die Äusserungen in guten Treuen für wahr zu halten, wird auch den besondern Bedürfnissen der Presse Rechnung getragen. Eine Verurteilung ist in Zukunft ausgeschlossen, wenn der presserechtlich Verantwortliche nachweisen kann, dass er seiner Sorgfaltspflicht, nachgekommen ist.

Die zentralen Organe der Pressevereinigungen haben sich denn auch mit dieser Lösung einverstanden erklärt.

Im zweiten Absatz werden die Interessen des Verletzten gewahrt.

Zeigt sich in den Fällen, wo der Beschuldigte einzig wegen seines guten Glaubens freigesprochen oder die Untersuchung aus diesem Grunde eingestellt wird, dass die Äusserung unwahr oder der Wahrheitsbeweis nicht erbracht ist, so darf der Verletzte nicht weiter unter den Folgen der falschen Behauptung
leiden. Das Gesetz verschafft ihm dadurch Genugtuung, dass ini Urteil oder in einer besondern Urkunde festgestellt werden muss, dass die Beschuldigung oder Verdächtigung unwahr oder nicht bewiesen ist. Als eine solche Urkunde gilt auch eine gleichlautende Erklärung des Täters in einetn Vergleich.

In Z i f f e r 3 wird die bisherige Bestimmung über die Wirkung des Rückzuges einer rufschädigenden Äusserung (Art. 173, Ziff. S) dahin erweitert, dass nicht nur der Rückzug vor dein Richter zur Strafmilderung oder Strafbefreiung führen kann, sondern auch ein Bückzug, der sofort nach erhaltener Aufklärung erfolgt. Es soll damit erreicht werden, dass durch eine frühzeitige Richtigstellung der Verletzte vor weiterer Schädigung bewahrt wird.

1270 Z i f f e r 4 sieht gemäss den Vorschlägen der Pressepolitischen Kommission und der Expertenkommission eine Einschränkung des Wahrheitsbeweises bei der boshaften üblen Nachrede vor. Es soll dem Täter, der aus Schmähsucht, ohne begründete Veranlassung ehrverletzende Behauptungen aufstellt oder verbreitet, grundsätzlich nicht gestattet sein, einen Wahrheitsbeweis zu führen und den Angegriffenen durch Heranziehung persönlicher Angelegenheiten weiter zu schädigen. Er wird zum Wahrheitsbeweis nur zugelassen, wenn der Verletzte sich damit einverstanden erklärt. Im Unterschied zum geltenden Bocht wird für den Ausschluss nicht mehr verlangt, dass der Wahrheitsbeweis nicht im öffentlichen Interesse liegt. Es wird auch nicht vorausgesetzt, dass sich die Äusserung auf das Privat- oder Familienleben beziehen muss.

In der Expertenkommission hat Bundesrichter Leuch, in Anlehnung an die Vorschläge Logoz, Hafter und Jaccottet, den Antrag gestellt, die Ziffer 2 des Artikels 151 des Entwurfes wieder aufzunehmen und eine besondere Strafbestiimnung gegen denjenigen aufzustellen, der die ehrenrührige Beschuldigung oder Verdächtigung zwar der Wahrheit gemäss, aber ohne begründete Veranlassung und nur in der Absicht, jemandem Übles vorzuwerfen, erhebt oder weiterverbreitet. Dieser Antrag, dem unser Justiz- und Polizeidepartement hätte zustimmen können, wurde aber mit grosser Mehrheit abgelehnt.

2. Der neu vorgeschlagene Artikel 177Ms löst eine Streitfrage der Praxis über die Beleidigungsfähigkeit von Behörden und Personenverbänden. Der Kassationshof des Bundesgerichts hat angenommen, dass nach dem schweizerischen Strafgesetzbuch ausser den natürlichen Personen auch eine juristische Person beleidigt werden könne; dagegen lehnte er mit Bücksicht auf den Wortlaut und die Entstehungsgeschichte des Gesetzes die Beleidigungsfähigkeit von Behörden ab (BGE 69* 82 ff.; 7l 4 86 ff.; Logoz, a. a. 0. 84 ff,). Die weitere Frage, ob neben den juristischen Personen auch Personenverbände, d. h. eine organisierte Mehrheit von Personen (Körperschaften), in der Ehre angegriffen werden und somit Straf antrag stellen können, hat die ^Rechtsprechung bis jetzt nicht entschieden. Nach der Praxis muss demnach bei einem ehrverletzenden Angriff auf eine Behörde jedes einzelne Mitglied wie ein Privater Straf antrag stellen und je nach der
kantonalen Prozessordnung als Antragsteller oder Privatstrafkläger auftreten oder in den Formen des Zivilprozesses klagen. Der Angriff richtet sich aber oft gegen die Behörde als solche und nicht gegen die Person eines Mitgliedes, namentlich wenn er darauf abzielt, das Vertrauen des Volkes zu den Behörden zu erschüttern.

Mit der vorgeschlagenen Neuerung soll lediglich den Behörden, den juristischen Personen und den organisierten Personenverbänden die Möglichkeit gegeben werden, als solche zu klagen, wenn sie sich entschliessen, die Ehrverletzung gerichtlich verfolgen und beurteilen zu lassen. Diese Neuerung entspricht den Ergebnissen der juristischen Literatur (vgl. u. a. Hafter, Lehrbuch des schweizerischen Strafrechte, Bd. 2, 1. Teil, 185 ff.; Thormann-v. Overbeck, Kommentar, Vorbemerkung l zu den Art. 178 ff.; Gerwig, EhrverleUung

1271 gegenüber juristischen Personen im schweizerischen Strafgesetzbuch). Hervorzuheben ist, dass mit Artikel 177bls keine besondere Straibestiniinung gegen Amtsehrverletzung aufgestellt wird, wie sie in verschiedenen kantonalen Hechten und in Artikel 2 des Bundesratsbeschlusses vom 27. Februar 1945 betreffend Massnahmen zum Schutze der verfassungsmässigen Ordnung und die Aufhebung der Parteiverbote enthalten war und auch von einer Minderheit der Expertenkommission und von einer kantonalen Begieruiig vorgeschlagen wurde (vgl. Stampili, Außerordentlicher Staatsschutz, Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht 61, 152--154, 162, 163). Der Bundesrat will den bei der Beratung des Strafgesetzbuches und in der Öffentlichkeit bei verschiedenen Staatsschutzerlassen geäussertea Bedenken gegen eine besondere Strafvorschrift wegen Anitsehrverletsäung Rechnung tragen.

3, Der vorliegende Entwurf nimmt auch von einer Bestimmung Umgang, wonach die gegen eine Behörde, ein Behördemitglied oder einen Beamten gerichtete Ehrverletzung von Amtes wegen oder auf vorangegangene Ermächtigung hin von Amtes wegen zu verfolgen wäre (vgl. Art, 365, Abs. l, StGB und BGE 69 4 91 ff.). Dagegen erachten wir es als angezeigt, den Artikel 8 des Bundesgesetzes vom 26. März 1934 über die politischen und polizeilichen Garantien, der Eidgenossenschaft in dem Sinne zu ergänzen, dass Angriffe auf die Ehre von Behörden des Bundes und ihre Mitglieder sowie auf die Ehre der dort genannten Funktionäre (Bundeskanzler, Bundesanwalt, eidgenössische Untersuchungsrichter und ihre Vertreter, eidgenössische Eepräsentanten und Kommissäre) auf besondere Ermächtigung hin von Amtes wegen verfolgt werden, sofern sich die rufgefährdende Äusserung auf die Amtsführung bezieht. Die angeführte Bestimmung des Garantiegesetzes sieht für die Beurteilung dieser Vergehen die Bundesgerichtsbarkeit vor und ging von der Voraussetzung aus, dass sie gemäss Artikel 59 des Bandesstrafrechts auf Antrag hin von Amtes wegen verfolgt werden. Seit der Aufhebung dieser Bestimmung durch das StGB ist ein solches Verfahren nicht mehr möglich, was sich als nachteilig erwiesen hat. Die hier in Frage stehenden Ehrverletzungen berühren das öffentliche Interesse; es geht deshalb nicht an, die angegriffenen Behörden, Behordemitglioder und Funktionäre im Verfahren den privaten Klägern
gleichzustellen (vgl. Ziff. II des Gesetzesentwurfes).

Dritter Teil Die übrigen in die Revision einbezogenen Artikel des Strafgesetzbuches In diesem dritten Teil behandeln wir die Vorschläge für die Abänderung von Artikeln, die weder den Staatsschutz noch die üble Nachrede zum Gegen?

stand haben. Sie stehen zum grössten Teil im ersten Buch des Strafgesetzbuches, beziehen sich also auf die allgemeinen Bestimmungen des Gesetzes über Verbrechen, Vergehen und Übertretungen. In der Tat sind Eevisionswünsche vornehmlich in bezug auf die allgemeinen Normen aufgetaucht. Die Umschrei-

1272 bimg der einzelnen Deliktstatbestände im zweiten Buch wurde davon (abgesehen vom Staatsschutz) nur in wenigen Artikeln berührt; schon die Expertenkommission zeigte sich in diesem besondern Teil sehr zurückhaltend mit Abänderungsvorschlägen.

Aus Kreisen von Stralrichtern und Staatsanwälton wie auch von wissenschaftlicher Seite ist an einzelnen Straf Sanktionen des Gesetzes Kritik geübt worden : gewisse Strafandrohungen wurden entweder an und für sich oder im Verhältnis zur Strafandrohung anderer Tatbestände als unangemessen bezeichnet. "Wir erwähnen insbesondere Artikel 184 (Entführung einer willenlosen oder wehrlosen Frau), der im qualifizierten Fall des Absatzes 2 Zuchthaus bis zu 10 Jahren androht, also milder ist als der qualifizierte Fall des allgemeinen Entführungstatbestandes nach Artikel 183, Absatz 8 (Zuchthaus schlechthin), während das Verhältnis eher umgekehrt sein sollte. Andererseits werden vielfach die Strafandrohungen in Artikel 191, Ziffer l (Unzucht mit Kindern) als zu streng empfunden (insbesondere die Minimalstrafe von 8 Jahren Zuchthaus in Abs. 2). Wir sahen uns deshalb vor die Frage gestellt, ob die Revision sich überhaupt auf die Korrektur bestimmter, im Gesetz angedrohter Strafen ertrecken solle. Unsererseits schlagen wir in dieser Hinsicht keine Änderungen vor. Es wird übrigens stets sehr schwierig sein, in den Strafsanktionen des besondern Teils ein vollkommenes Gleichgewicht herzustellen, und die Auffassungen darüber können im einzelnen sehr auseinandergehen. Wir möchten abwarten, ob in den eidgenössischen Bäten oder ihren Kommissionen Anträge dieser Art gestellt werden.

In der Erörterung der einzelnen Eevisionspunkte halten wir uns im allgemeinen, jedoch nicht ausschliesslich an die zahlenmässige Folge der Artikel ; zuweilen legt der innere Zusammenhang verschiedener Bestimmungen eine andere Gruppierung nahe.

Verwahrung und Versorgung Art. 17 Unzurechnungsfähige und vermindert zurechnungsfähige Delinquenten sind unter den Voraussetzungen der Artikel 14 und 15 StGB in einer Heiloder Pt'legeanstalt zu verwahren o<5.er zu versorgen; der Vollzug einer Strafe kommt bei gänzlich Unzurechnungsfähigen nicht in Frage, bei vermindert Zurechnungsfähigen wird er einstweilen sistiert. Nach Artikel 17 ist die Verwahrung, Behandlung oder Versorgung durch die kantonale Verwaltungsbehörde
zu vollziehen (Ziff. 1). Sie ist aufzuheben, wenn ihr Grund weggefallen ist, und bei vermindert Zurechnungsfähigen hat dann der Richter zu entscheiden, ob und inwieweit die ausgesprochene Strafe noch zu vollstrecken sei (Ziff. 2).

In der Praxis hat sich nun hinsichtlich der Beendigung der Verwahrung oder Versorgung und des Übergangs zur Freilassung das Bedürfnis nach einer beweglicheren Lösung herausgestellt. Der Schweizerische Verein für Straf-, Gefängniswesen und Schutzaufsicht schlug vor, die Möglichkeit zu schaffen,

1273 die Verwahrung oder Versorgung versuchsweise und unter Auferlegung gewisser Bedingungen zu mildern. Heute schon wird gelegentlich mit gutem Erfolg so vorgegangen, dass der Verwahrte oder Versorgte zunächst aus der Anstalt in ein Heim und später in eine Arbeitsstelle versetzt wird, worauf erst die endgültige Entlassung folgt. Wir nahen dem Gedanken in Anlehnung an die Ordnung der bedingten Entlassung bei Freiheitsstrafen gemäss Artikel 88, Ziffern 3 und 4. Eechnung getragen, so dass insbesondere die Schutzaufsicht angeordnet und Weisungen erteilt werden können. Die Expertenkommission hat dem in diesem Sinne ergänzten Antrag einhellig zugestimmt (Prot IV, 88).

Es ergibt sich daraus in Artikel 17 die Erweiterung der Ziffer 2 durch einen neuen Absatz. Hinsichtlich der vermindert Zurechnungsfähigen bleibt die Vorschrift bestehen, dass der Eichter schliesslich zu entscheiden hat, ob und wieweit die Strafe noch zu vollstrecken sei (Ziff. 3 der neuen Fassung), v

Bedingte Entlassung Art. 88, 54 und 55 1. Zur Ordnung der bedingten Entlassung aus der Zuchthaus- oder Gefängnisstrafe sind eine Eeihe von Anträgen eingereicht worden. In erster Linie beziehen sie sich auf die allgemeine Voraussetzung der Entlassung nach Zifferì. Der Verurteilte muss zwei Drittel der Strafe verbüsst haben; das ist unbestritten. Zudem schreibt aber das Gesetz vor, dass bei Gefängnisstrafen mindestens drei M o n a t e verbüsst sein müssen. Dieses Minimum wird als ungenügend angefochten, namentlich von den Praktikern dos Strafvollzuges, die geltend machen, dass der erzieherische Wert der Freiheitsstrafe in bloss drei Monaten nicht erreicht werden könne. Ziemlich übereinstimmend ist die Erhöhung der Minimaldauer auf sechs Monate postuliert worden. In der Expertenkommission haben sich allerdings auch .Stimmen gegen die Erhöhung des Minimums erhoben (Prot IV, 40). Nicht ohne Grund wird auf einen Nachteil hingewiesen: Übersteigt die ausgesprochene Gefängnisstrafe selbst nicht sechs Monate, so wird die bedingte Entlassung unmöglich, und es entfällt damit auch die sehr wertvolle Möglichkeit, den Entlassenen für eine die Strafdauer weit übersteigende Zeit unter Schutzaufsicht zu stellen. Diese Folge liesse sich nur dann vermeiden, wenn die Möglichkeit eingeführt würde, auch bei endgültiger Entlassung die Schutzaufsicht anzuordnen; ein dahingehender Antrag ist jedoch abgelehnt worden (vgl. unter Art. 47). Die Expertenkommission hat sich (allerdings nur mit 7:5 Stimmen) für die Erhöhung auf sechs Monate ausgesprochen, und wir schlagen unsererseits diese Änderung vor.

Nicht unerwähnt sei ein Antrag des Justizdepartements Basel-Stadt, die Ziffer l des Artikels 38 dahin zu ergänzen, dass der Verurteilte von der auf 6 Monate erweiterten Minimalzeit 4 oder 5 Monate in der Strafhaft verbracht haben müsae. Dieser Antrag knüpft an die Frage an, ob bei der Berechnung der Minimalfrist eine gemäss Artikel 69 auf die Freiheitsstrafe angerechnete Untersuchungshaft einzurechnen sei. Dies ist vom Bundesrat grundsätzlich

1274 bejaht worden (Entscheide vom 29. Februar 1944 i. S. Arrigoni und vom 18. Dezember 1944 i. S. Keller, Eechtsprechung in Strafsachen 1944 Nr. 142, 1945 Nr. 8; ebenso Genf, Commission de libération conditionnelle, vgl. Semaine jud. 1944 S. 192). Obwohl damit die der bedingten Entlassung vorausgehende, in der Strafanstalt verbrachte Zeit entsprechend verkürzt wird, lässt Artikel 88 in Verbindimg mit Artikel 69 StGB die gegenteilige Auffassung schwerlich zu.

2. Wenn der bedingt Entlassene sich während der Probezeit nicht bewährt, muss er nach der Ziffer 4 des Artikels 38 in die Strafanstalt zurückversetzt werden. Diese Vorschrift ist in der Praxis als zu starr empfunden worden; es gibt Fälle, in denen die Bückversetzung zu hart erscheint und eine blosse Verwarnung oder die Auferlegung; weiterer Bedingungen oder die blosse Verlängerung der Probezeit doch noch Erfolg verspricht. Diese Möglichkeit möchten wir durch Beifügung eines zweiten Absatzes zu Ziffer 4 schaffen, der von der Expertenkommission einstimmig gutgeheissen worden ist.

S. Prof. Hafter hat, von verschiedenen Seiten unterstützt, vorgeschlagen, dem Artikel 38 eine Ziffer 6 des Inhalts beizufügen, dass die Anstaltsleitung von Amtes wegen zu prüfen und der zuständigen Behörde zu berichten habe, ob die bedingte Entlassung zu verfügen sei. Der Antrag steht wieder im Zusammenhang mit der Auferlegung der Schutzaufsicht. Der Zuchthausoder Gefängnissträfling wird es unter Umständen vorziehen, auf die bedingte Entlassung zu verzichten, um dann nach vollständig verbüsster Strafe endgültig entlassen zu werden und der Schutzaufsicht zu entgehen. Es fragt sich also, ob man ihm die bedingte Entlassung gegen seinen Willen aufzwingen kann. Öfters scheint sie denn auch gerade mit Bücksicht auf die Schutzaufsicht verfügt zu werden. Von diesem Gesichtspunkt kann es sich rechtfertigen, die bedingte Entlassung nicht vom Begehren des Sträflings abhängig zu machen.

Dennoch würden wir Bedenken gegen die vorgeschlagene Ergänzung tragen, vor allem, weil uns zweifelhaft erscheint, ob der Bund damit nicht seine Kompetenz überschreiten würde. Es handelt sich um eine Einzelheit des Strafvollzuges, die von den Kantonen zu ordnen ist und ihnen überlassen werden kann. Nach den Erfahrungen in der Praxis lässt sich übrigens wohl nicht mit Fug behaupten, der gegenwärtige
Bechtszustand befriedige nicht.

Ausnahmslos wird in den Strafanstalten darüber Buch geführt, wann für jeden Insassen der Termin eintritt, von dem an die bedingte Entlassung möglich ist.

Stellt der Sträfling in diesem Zeitpunkt das förmliche Gesuch um Entlassung, so muss darüber entschieden werden. Aber auch bei passivem Verhalten des Sträflings wird die Behörde die bedingte Entlassung anordnen können, wenn sie die Voraussetzungen dafür als erfüllt betrachtet. Es lässt sich jedenfalls nicht sagen, ein derartiges Verfahren stehe mit dem Bundesrecht nicht in Einklang; eine Ergänzung des Gesetzes erübrigt sich. Auch die Expertenkommission hat mit starkem Mehr dagegen Stellung genommen (Prot IV, 42).

4. Schliesslich sind in diesem Zusammenhang noch zwei Bestimmungen zu ergänzen, die sich mit der Wirkung der bedingten Entlassung auf N e b e n s t r a f e n befassen.

1275 Artikel 54 ordnet das B e r u f s - und G e w e r b e v e r b o t . Nach Absatz 2 tritt es im Falle bedingter Entlassung nur in Kraft, wenn der Entlassene die Probefrist nicht bestanden hat, und zwar nach Verbüssung des Bestes der Freiheitsstrafe. Die Erfahrung hat gezeigt, dass diese Begelung nicht immer befriedigt und dass sie etwas elastischer gestaltet werden sollte. Wir schlagen eine Ergänzung vor, die einem von der Expertenkommission ohne Widerspruch angenommenen Antrag Eugster entspricht (Prot IV, 46). Vor allem soll die zuständige Behörde entscheiden, ob und unter welchen Bedingungen der bedingt Entlassene den Beruf, das Gewerbe oder Handelsgeschäft probeweise wieder ausüben dürfe. Wird ihm dies gestattet, und bewährt er sich während der ganzen Probezeit, so soll das Verbot dahinfallen. Wird die Weiterführung nicht gestattet, so ist die Dauer des Verbotes vom Tage der bedingten Entlassung an zu berechnen. 'Diese Neuerung hat eine andere Anordnung des Artikels 54 zur Folge.

· Ähnlich verhält es sich mit den Folgen der bedingten Entlassung für die Landesverweisung nach Artikel 55; die geltende Begelung ist auch hier zu knapp. Nach Absatz 2 kann der Eichter die Landesverweisung aufheben, wenn der bedingt entlassene Ausländer sich während der Probezeit bewährt.

Diese Bestimmung lässt nicht eindeutig erkennen, ob sie von der Annahme ausgeht, bei bedingter Entlassung werde auch die Landesverweisung aufgeschoben, oder ob auch an eine nachträgliche Aufhebung der bereits vollzogenen Verweisung gedacht ist. Das Gesetz sollte deutlich ausdrücken, dass mit der bedingten Entlassung zugleich zu entscheiden ist, ob und unter welchen Bedingungen auch die Landesverweisung probeweise aufgeschoben wird. Trifft dies zu und bewährt sich der bedingt Entlassene während der Probezeit, so soll auch die Verweisung nicht mehr vollzogen werden.

Krankheiten während des Strafvollzuges Art. 40 Das Gesetz legt Gewicht auf einen ununterbrochenen Vollzug der Freiheitsstrafen (Art. 40, Abs. 1). Auch eine Erkrankung des Sträflings während des Vollzuges soll im allgemeinen nicht zur Unterbrechung führen. Nach Absatz 2 des Artikels 40 ist ihm, sofern nicht arglistiges Verhalten vorliegt, der Aufenthalt in einer Heil- oder Pflegeanstalt, in die er verbracht werden muss, auf die Strafe anzurechnen. Dieser an sich gewiss
richtige und billige Grundsatz kann immerhin sehr weit führen und im Ergebnis die Aufhebung des grössten Teils der- Strafe zur Folge haben, wenn es sich um schwere und lang dauernde Krankheiten handelt. Der Bundesrat hatte sich schon in verschiedenen Beschwerdefällen mit der Frage zu befassen. Er gelangte dabei zu einer etwelcheu Milderung der angedeuteten Folgen, indem er die Anrechnung des Aufenthaltes in einem Spital oder Sanatorium dann und für solange verneinte, als der Erkrankte nicht «straferstehungsfähig» ist, d. h. sich in einem Zustand befindet, angesichts dessen der Gesichtspunkt des Strafvollzuges gänzlich der Notwendigkeit der Pflege und Heilung weichen muss.

1276 Besonders hat man aber an der Vorschrift des Artikels 40, Absatz 2, dann Anstoss genommen, wenn die Überführung in eine Heilanstalt durch eine Krankheit verursacht wird, die der Verurteilte bereits in die Strafanstalt mitgebracht hat. Einem Antrag Kellerhals, diese Fälle von der Anrechnung auszunehmen, stimmte die Expertenkommission einstimmig zu (Prot IV, 61). Wir haben im Entwurf den Absatz 2 des Artikels 40 entsprechend ergänzt, im Be~ wusstsein allerdings, dass diese Lösung sich ihrerseits als zu starr erweisen könnte, wenn eine in die Anstalt mitgebrachte und nicht verheimlichte Krankheit sich in der Anstalt verschlimmert; es wäre auch denkbar, die Nichtanrechnung mitgebrachter Krankheiten im Gesetz bloss fakultativ zu gestalten.

Zu beachten bleibt bei alledem, dass entsprechend dem Prinzip des Absatzes l von Artikel 40 der Strafvollzug auch an kranken Personen nach Möglichkeit durchgeführt werden sollte. In dem Masse, als dies geschehen kann, verringert sich die Tragweite der in Absatz 2 vorgesehenen Ordnung. Doch ist es nicht leicht, bei ernsteren Erkrankungen die richtige Pflege mit den Anforderungen, des Strafvollzuges in Einklang zu bringen; es wäre zu begrüssen, wenn beim.

Ausbau bestehender und bei der Planung neuer Anstalten sowie im Betrieb derselben auch auf erkrankte Sträflinge vermehrte Rücksicht genommen werden könnte.

Bedingter Strafvollzug für Bossen Art. 41, Äff. l, Abs. l 1. Mit der Möglichkeit, den Vollzug einer S t r a f e unter bestimmten Bedingungen aufzuschieben, hat das Strafgesetzbuch einen Gedanken des modernen Strafrechts übernommen, der;schon seit den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in manchen Kantonen Eingang gefunden hatte. Dass der Bundesgesetzgeber bei der Vereinheitlichung des Strafrechts diesen Schritt tun musste, konnte nicht zweifelhaft sein; das Prinzip war unangefochten imd seine Übernahme sogar so dringlich geworden, dass dafür nicht die Vollendung des StGB abgewartet wurde: Im Jahre 1927 verwirklichte das Militärstrafgesetz (Art. 82) den bedingten Vollzug, und der Bundesstrafprozess von 1984 (Art. 335--338) führte ihn, dein StGB vorausgehend und im Sinne einer Übergangslösung, auch im bürgerlichen Strafrecht ein. Entsprechend der Formulierung seiner Voraussetzungen in Artikel 41, Ziffer l, wird er nun von den Gerichten sehr häufig angewendet.
Dass die Frage dennoch heute wieder aufgegriffen werden muss, hat seinen Grund in der engen Begrenzung der S t r a f a r t e n , für die der bedingte "Vollzug gewährt werden kann. Das StGB lässt ihn im allgemeinen nur zu-für Gefängnisstrafen von nicht mehr als einem Jahr und für Haftstrafen, nicht aber für Bussen ; auch im Vollstreckungsstadium der letztern kann der bedingte Aufschub nur eingreifen, wenn die Busse gemäss Artikel 49, Ziffer S, in Haft umgewandelt wird. Anders verhält es sich im Jugendstrafrecht, wo Artikel 96 auch den bedingten Vollzug einer gegen einen Jugendlichen ausgesprochenen Busse gestattet.

.

1277 2. Es rechtfertigt sich, einen Blick auf die Entwicklung des Bechtsinstitutsin der Schweiz zu werfen (vgl. Hafter, Lehrbuch des schweizerischen Strafrechts, allgemeiner Teil, 2. Aufl. S. 321). Vor der Vereinheitlichung des Strafrechts kannten die Kantone Zürich, St. Gallen, Tessin, Waadt, Neuenburg und Genf den bedingten Erlass der Busse schlechthin, Bern, Glarus und Solothurn wenigstens bei Umwandlung in Gefängnis wegen Armut und Basel-Stadt überhaupt für Bussen, die der Eichter für den Fall der Nichtentrichtung in Gefängnis umgewandelt hatte.

Über die Gewährung des bedingten Vollzuges für Bussen entbrannte in den eidgenössischen Bäten und ihren Kommissionen ein langer Kampf. Die Gegner verneinten ein Bedürfnis vornehmlich unter Hinweis auf die vom Gesetz (nun Art. 48, Ziff. 2) dem Bichter erteilte Weisung, die Busse nicht nur nach dem Verschulden des Täters, sondern auch nach seinen persönlichen Verhältnissen (Einkommen, Vermögen, Familienstand und Fainilienpflichten, Beruf und Erwerb, Alter, Gesundheit) zu bemessen. Der Nationalrat entschied (mit 70:54 Stimmen) zugunsten der Ausdehnung auf die Busse, der Ständerat leimte sie (mit 28:5 Stimmen) ab, und der Nationalrat stimmte schliesslich (mit 70:59) Stimmen dem Ständerat zu (StenB, Separatausgabe, NB 187 ff., 169; StE 92, 96 ff., 99; NB 624 ff., 685).

Allein die Frage kam nicht zur Buhe. Am 7. Dezember 1945 nahm der Nationalrat ein am 8. Juni 1944 von seinem Mitglied Düby und 29 Mitunterzeichnern eingereichtes Postulat an, das den Bundesrat einlud, zu prüfen und darüber zu berichten, ob nicht Artikel 41 StGB dahin zu ergänzen sei, dass der bedingte Vollzug auch bei Verurteilung zu einer Busse gewährt werden könne. Die Prüfung hat uns zu einem positiven Schluss geführt, und die vorliegende Bevision ist der Ort, das Postulat auszuführen. Auch in dieser Frage befinden wir uns in Übereinstimmung mit der entschiedenen Mehrheit der Expertenkommission (14:4 Stimmen, Prot III, 60 ff., 65).

3. Wenn auch nicht alle Gründe f ü r den bedingten A u f s c h u b einer Freiheitsstrafe bei der Geldstrafe zutreffen, so kann dennoch die gegensätzliche Einstellung des Gesetzgebers, die zum völligen Ausschluss der Busse von der Wohltat des Aufschubes geführt hat, nicht befriedigen. Das Bedürfnis nach der Möglichkeit der Behabilitation ist bei dieser Lösung
zu kurz gekommen.

Jede wegen eines Verbrechens oder Vergehens ausgesprochene Busse, ferner jede wegen einer Übertretung des Strafgesetzbuches selbst oder eines andern Bundesgesetzes ausgesprochene Busse von mindestens fünfzig Franken wird in das Strafregister eingetragen (Art. 860, ht. a und b StGB, Verordnung vom 14. November 1941 über das Strafregister, Art. 9, Ziff. l und 2). Der Täter gilt also, auch wegen einer vielleicht geringfügigen Übertretung, als vorbestraft.

In vielen Fällen wird er darunter in einem durch seine Verfehlung nicht gerechtfertigten Masse leiden, und das blosse Vorhandensein einer Vorstrafe, möge sie auch leicht sein, kann seinen Leumund und sein Fortkommen beeinträchtigen. Während eine bedingt aufgeschobene Gefängnis- oder Haftstrafe im Falle der Bewährung des Verurteilten nach Ablauf der Probezeit gelöscht wird

1278

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'

(Art. 41, Ziff. 4), bleibt die Busse im Strafregister stehen. Erst nach langer Zeit kann der Verurteilte gernäss Artikel 80 unter den dort umschriebenen Voraussetzungen beim Bichter die Löschung verlangen. Wohl schlagen wir vor, die für dieses Behabilitationsgesuch heute geltende Frist von 10 Jahren hinsichtlich der Bussen auf 5 Jahre zu verkürzen; allein auch wenn diese Änderung angenommen wird, vermag sie den geschilderten Nachteil und die Ungleichheit gegenüber der Freiheitsstrafe noch nicht zu kompensieren. Unter dem gegenwärtigen Bechtszustand soll es öfters vorkommen -- und das ist bezeichnend --, dass der Eichter auf Ersuchen des Täters selbst eine leichte Gefängnis- oder Haftstrafe ausspricht, wo er sich nach den Umständen und dem Verschulden' des Täters mit einer Busse begnügen könnte, gerade um den bedingten Aufschub gewähren zu können mit der Aussicht auf Bewährung und baldige Löschung der Strafe.

Auch abgesehen von diesen eine Unebenheit des Gesetzes verratenden Erscheinungen kann eine Busse sich dann ungerecht auswirken,, wenn nachträglich Urnstände eintreten, die es dem Verurteilten schwer machen, sie aufzubringen, wie Krankheit oder andere unvorhergesehene Verpflichtungen, Verluste, finanzielle Einbussen. Alsdann verschiebt sich die Grundlage, auf die der Bichter gemäss Artikel 48 sich stützte, möge er die Busse auch noch so'gerecht bemessen haben. Allenfalls steht der Weg der Begnadigung offen, allein er ist umständlich und unsicher und bedeutet stets einen ausserordentlichen Eingriff in den. Gang der Bechtspt'lege; jedenfalls wäre es bedauerlich, wenn wegen der Unmöglichkeit bedingten Erlasses die Begnadigungsgesuche in Bnssenfällen sich mehren würden.

Wir halten aus diesen Gründen dafür, dass der Gesetzgeber auf die get r o f f e n e Lösung zurückkommen sollte. Er darf es um so eher, als für diejenigen Kantone, die vor 1942 bereits die bedingte Busse kannten, das StGB einen Bückschritt gebracht hat, während es sonst im allgemeinen füglich beanspruchen darf, fortschrittlichen und humanen Gedanken im Straf recht zum Durchbruch verhelfen zu haben.

4. Mit der grundsätzlichen Befürwortung des bedingten Aufschubes ist aber die Frage noch nicht entschieden, ob ihm die Busse als Strafaft ganz allgemein oder nur inbeschränktem Unifang zugänglich gemacht werden soll. Die Expertenkommission
sprach sich zunächst im Prinzip für eine Beschränkung aus und diskutierte dann im einzelnen eine ganze Beihe von Vorschlägen (Brot III, 65; IV, 23--25, 30--84).

In der Tat lassen sich durchaus verschiedene, zum Teil gegensätzliche Argumente vertreten. Die einen stellen die Person des Täters in den Vordergrund und möchten eine Unterscheidung treffen, sei es nach der Schwere der Tat und des Verschuldens, sei es nach der Belastung, welche die Busse für den Verurteilten bedeutet. Von diesem Gesichtspunkt wären die schweren Fälle vom bedingten Aufschub auszuschliessen, analog wie bei Gefängnis und Haft.

Man hätte also jedenfalls die wegen eines Verbrechens, allfällig auch die wegen eines Vergehens ausgesprochenen Bussen auszuschliessen. Noch schematischer

1279 wäre die Unterscheidung nach der Höhe der Busse, die auf die grosso Schwierigkeit stösst, ohne Willkür den als Kriterium geeigneten Bussenbetrag zu bestimmen ; die Expertenkommission hatte schliesslich zu einem Antrag Stellung Xu nehmen, Bussen bis zu 1000 Pranken zuzulassen. Ein anderer Vorschlag wollte nur die im Strafregister einzutragenden Bussen erfassen, womit die kleinen Bussen bis zu 50 Franken ausgeschlossen, den vom Kegistereintrag befürchteten nachteiligen Wirkungen aber Bechnung getragen würde.

Eine andere Betrachtungsweise geht mehr Von objektiven, ausserhalb der Person des Täters liegenden Erwägungen aus. So werden namentlich Bedenken geäussert, ob die Einführung des bedingten Strafaufschubes für das ganze grosse Gebiet des Nebenstrafrechts nicht allzu weit gehen und durch eine im Ergebnis zu erwartende Abschwächung der Strafsanlttioneu die Durchführung mancher Verwaltungsgesetze des Bundes ernsthaft beeinträchtigen würde. Im nämlichen Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass ein grosser Teil der Bussen für solche Übertretungen im verwaltungsmassigen und summarischen sog. Strafmandatsverfahren gefällt und eröffnet wird, das seiner Natur nach kaum eine Prüfung ermöglicht, ob der Täter den bedingten Strafaufschub auch verdiene. Dazu kommt, dass bei Übertretungen fiskalischer Bundesgesetze, die zum weitaus überwiegenden Teil mit Busse geahndet werden, der bedingte Vollzug gemass Artikel 339 des Bundesstrafprozesses (der durch Art. 898, Abs. 2, lit. o StGB nicht aufgehoben wurde) ausgeschlossen ist.

In diesem Widerstreit der Meinungen, den die Verhandlungen der Expertenkommission deutlich widerspiegeln, mass diese schliesslich, unseres Erachtens mit Eecht, den zuletzt angeführten Erwägungen entscheidendes Gewicht bei.

Sie nahm, freilich nur mit geringem Mehr (7:6 Stimmen), einen Antrag Stämpfli an, der den bedingten Aufschub auf die nach dem StGB selbst verhängten Bussen beschränkt, diejenigen der Nebenstrafgesetzgebung also ausschliesst. Wir können dieser Lösung beipflichten. Sie wahrt am besten den Charakter des bedingten Vollzuges als einer Bechtswohltat dos Strafgesetzbuches selbst und beseitigt die heute hierin bestehende Ungleichheit zwischen den Strafarten. Zugleich vermeidet sie die von einer unbeschränkten Einführung des bedingten Vollzuges für die Handhabung der
Verwaltungsgesetze des Bundes zu gewärtigenden materiellen und verfahrensmässigen Schwierigkeiten.

5. Gesetzestechniseh lässt sich die Neuerung entweder in Artikel 41, Ziffer l, allein ausdrücken, indem hier die in Anwendung des StGB ausgesprochenen Bussen beigefügt werden, oder in der Weise, dass hier von Bussen schlechtweg gesprochen und in Artikel 333 hinsichtlich der Bussen der bedingte Vollzug ausgeschlossen wird. Wir ziehen die erste Methode als die einfachere vor.

Bedingter Strafvollzug bei Freiheitsstrafe Art. 41, Ziff. l, Abs. 3, Ziff. 8 und Ziff. 4 Auch abgesehen von der Frage der bedingten Busse ist Artikel 41 StGB in verschiedener Hinsicht revisionsbedürftig.

1280 1. Unter den Voraussetzungen des bedingten Vollzuges verlangt die Ziffer l im dritten Absatz, dass der Täter nicht rückfällig sein dürfe; insofern kann der bedingte Vollzug ihm zugebilligt werden, wenn er innerhalb der letzten fünf Jahre vor Verübung der Tat weder in der Schweiz noch im Auslande wegeneines vorsätzlichen Verbrechens oder Vergehens eine Freiheitsstrafe verbüsst hat. Die Gewährung der Eechtswohltat ist darnach nur ausgeschlossen bei tatsächlicher Verbüssung einer Freiheitsstrafe in den letzten fünf Jahren; wurde diese infolge bedingten Aufschubes oder aus andern Gründen nicht vollzogen, so hindert sie den neuen Aufschub nicht. Es erscheint diskutabel, ob damit der Gesetzgeber das Verhalten des Delinquenten nicht allzu nachsichtig einschätzt. Jedenfalls erklärte sich die Expertenkommission mit einem Antrag (des Vereins für Straf-, Gefängniswesen und Schutzaufsicht sowie von Prof. Hafter) einverstanden, schon die Tatsache einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe als Hindernis gelten zu lassen (Prot III,. 54--59). Dagegen wollte sie nicht so weit gehen, auch der Verurteilung zu einer Busse schon diese Wirkung beizumessen.

2. Neu zu ordnen ist ferner der Fall der Nichtbewährung während der Probezeit in Ziffer 8 des Artikels 41. Tritt eine der daselbst umschriebenen Voraussetzungen ein, so muss nach dem geltenden Text der Kichter den Vollzug der bedingt aufgeschobenen Strafe anordnen. Anders als die vorhin besprochene wird nun diese Vorschrift in der Praxis als zu hart empfunden. Die Begehung eines vorsätzlichen, aber vielleicht doch geringfügigen Vergehens, für das eine leichte Sanktion an sieh genügen würde, kann den Vollzug einer aufgeschobenen Gefängnisstrafe bis zu einem Jahr nach sich ziehen. Die Expertenkommission empfahl einstimmig, hierin eine Lockerung eintreten zu lassen (Prot III, 60).

Sie wurde, wie im analogen Fall der bedingten Entlassung nach Artikel 88, Ziffer 4, in der Beifügung eines zweiten Absatzes zu Ziffer 8 gefunden, wonach in besonders leichten Fällen an die Stelle des Vollzuges der frühern Strafe eine blosse .Verwarnung oder die Auferlegung weiterer Bedingungen oder eine Verlängerung der Bewährungsfrist treten kann. In einer erneuten Diskussion befürwortete die Expertenkommission zudem, freilich mit geringer Mehrheit, in Ziffer 8 den Vollzug der
aufgeschobenen Strafe überhaupt fakultativ zu gestalten (Prot IV, 34--86). Diese Lösung würde aber mit der Beifügung eines zweiten Absatzes für besonders leichte Fälle nicht .harmonieren; man hat zwischen der einen und der andern Lösung zu wählen. Wir geben der ersten, die am heute geltenden Grundsatz für die Eegel festhält, den Vorzug gegenüber seiner Abschwächung in eine fakultative Norm.

8. Der bedingte Vollzug äussert seine wohltätige Wirkung für den Verurteilten nicht nur darin, dass bei Bewährung die Strafe gar nicht vollzogen wird, sondern auch durch die verhältnismässig rasche Eehabilitation. Nach Artikel 41, Ziffer 4, verfügt der Eichter nach erfolgreichem Ablauf der Probezeit die Löschung des Urteils im Strafregister, ohne dass ein besonderes, an lange Fristen gebundenes Gesuch im Sinne des Artikels 80 gestellt werden muss. Damit aber die Eehabilitation eine vollständige sei, inuss das ganze

1281 Urteil mit Einschluss allfalliger Nebenstrafen gelöscht werden können. Hierauf hat Prof. Hafter in einem dahin lautenden Antrag hingewiesen. Die gänzliche Löschung setzt jedoch voraus, dass Nebenstrafen, die unbedingt ausgesprochen wurden, vollzogen worden sind. Das trifft gegebenenfalls namentlich für die Busse zu ; auch wenn die Möglichkeit des bedingten Vollzuges für sie eingeführt wird, ist es wohl denkbar, dass der Bichter im Einzelfall neben einer bedingten Freiheitsstrafe eine unbedingte Busse ausspricht. Die Expertenkommission hat deshalb die Ziffer 4 des Artikels 41 in dem Sinne ergänzt, dass die Löschung des Urteils im Bewährungsfalle erst möglich ist, wenn unbedingt ausgesprochene Bussen und Nebenstrafen vollzogen sind (Prot III, 60; IV, 34). Hinsichtlich des Schicksals bestimmter Nebenstrafen (Berufsverbot und Landesverweisung) bei bedingter Entlassung aus einer Freiheitsstrafe haben wir uns oben (unter Art. 38) ausgesprochen.

Verwahrung, Arbeitserziehung, Behandlung von Trinkern Art. 42, 43, 44 In den Bestimmungen über die sichernden Massn ahmen ergeben sich einige Verbesserungen teils redaktioneller Natur, teils im Sinne einer etwas beweglicheren Ordnung (Prot der Expertenkommission IV, 43--46).

1. Gegenüber vielfach rückfälligen Gewohnheitsverbrechern ist nach Artikel 42, Ziffer l, die neu ausgesprochene Strafe durch Verwahrung zu ersetzen. Handelt es sich um Ausländer, so kann der Richter an Stolle der Verwahrung auf Landesverweisung erkennen, in dem Sinne jedoch, dass der Verurteilte zunächst die Strafe zu verbüssen hat und hernach des Landes verwiesen wird. Der neu vorgeschlagene Text bringt dies deutlicher zum. Ausdruck als der geltende.

Die Verwahrung wird auf unbestimmte Zeit ausgesprochen, sie dauert aber nach Ziffer 5 des Artikels 42 mindestens drei Jahre. Ein Antrag, die Möglichkeit einer frühern Entlassung einzuführen, wurde von der Expertenkommission abgelehnt ; die Praktiker erachten, wenn schon einmal zur Sicherungsverwahrung geschritten werden muss, eine mindestens dreijährige Dauer als notwendig. Dagegen hat sich gezeigt, dass die in Ziffer 6 bei Nichtbewährung des bedingt Entlassenen vorgeschriebene Bückversetzung in die Verwahrungsanstalt auf mindestens fünf Jahre zu starr ist; diese Dauer soll zwar als Begel gelten, eine Bückversetzung auf kürzere Frist aber
zulässig sein.

2. Liederliche und arbeitsscheue Delinquenten werden nach Artikel 48 in eine A r b e i t s e r z i e h u n g s a n s t a l t eingewiesen. Ziffer 5 regelt die bedingte Entlassung, die auf ein Jahr angeordnet werden soll. Die Erfahrung lehrt indessen, dass diese Frist zu kurz ist, um beurteilen zu können, ob der Entlassene wieder als dauernd arbeitstüchtig und arbeitswillig betrachtet werden kann. Wir schlagen die Bemessung der Probezeit auf ein bis drei Jahre vor.

Die Absätze 2 und 3 der nämlichen Ziffer 5 befassen sich mit den Folgen der Nichtbewährung des bedingt Entlassenen während der Probezeit. Auch Bundesblatt. Jahrg. 101. Bd. I.

88

1282 in dieser Hinsicht beantragen "wir in Übereinstimmung mit der Expertenkommission eine gewisse Lockerung. Einmal soll die Begehung eines Delikts während der Probezeit nicht automatisch den Vollzug der erkannten Strafe zur Folge haben, vielmehr soll der Richter bestimmen, ob und wieweit die Strafe zu vollstrecken sei; diese Milderung entspricht wieder der in Artikel 38,-Ziffer 4T bei bedingter Entlassung aus dem Zuchthaus oder Gefängnis vorgeschlagenen.

Ähnlich soll, wenn der bedingt Entlassene während der Probezeit wieder liederlich wird, der Richter sieh mit dem bloss teilweisen Vollzug der Strafe begnügen können.

8. In Artikel 44, Ziffer 5, schlagen wir hinsichtlich der Gewohnheitstrinker die Streichung des zweiten Satzes vor, wonach bei Bewährung in der Probezeit die Strafe nicht mehr zu vollstrecken ist. Dieser Satz stimmt nicht mit Ziffer 3, Absatz 2, überein, demzufolge der Eichter schon vor der bedingten Entlassung aus der Anstalt zu entscheiden hat, ob die aufgeschobene Strafe zu vollziehen oder ganz oder teilweise zu erlassen sei.

Schutzaufsicht Art. 47 Bei der Erörterung der Voraussetzungen für die bedingte Entlassung (oben zu Art. 38) wurde bereits auf den Zusammenhang zwischen diesem Institut und der Schutzaufsicht hingewiesen und der besondere Wert der bedingten Entlassung betont, der eben in der Möglichkeit liegt, den Entlassenen unter Schutzaufsicht zu stellen; es wurde auch die etwas gekünstelt anmutende, aber öfters geübte Praxis -erwähnt, den Verurteilten mit Rücksicht auf diese Möglichkeit gegen seinen Willen kurz vor Ablauf der Strafdauer bedingt zu entlassen.

Diese Wahrnehmung veranlasste Direktor Kellerhals, in der Expertenkommission die Aufnahme einer neuen Bestimmung folgenden Inhalts zu beantragen, die dem Artikel 47 als zweiter Absatz beigefügt werden könnte (Prot IV, 42) : «Definitiv zu Entlassende, deren Führung in der Anstalt und deren Vorleben eine Aufsicht nach der Entlassung als wünschbar erscheinen lassen, können von der zuständigen Behörde für.ein bis zwei Jahre unter Schutzaufsicht gestellt werden. Entziehen sie sich derselben beharrlich, so regt die zuständige Behörde bei den zuständigen Behörden richterliche oder administrative Massnahmen an.» Die Möglichkeit eines solchen Vorgehens hätte, wie die Erfahrungen der Praxis zeigen, viel für sich. Auch der
endgültig aus der Strafanstalt Entlassene ist, wie ein Mitglied der Expertenkommission sich äusserte, «un convalescent qu'on doit suivre». Allem man kann sich den Bedenken, auf die der Antrag stösst, nicht verschliessen. Es fragt sich schon in grundsätzlicher Hinsicht, ob der Gesetzgeber mit Aufstellung einer solchen Bestimmung nicht den Boden des Strafrechts verlassen und auf das den Kantonen überlassene Gebiet des Verwaltungsrechts übergreifen würde. Darf der Entlassene, der durch restlose

1283 Verbüssung der Strafe seine Tat gesühnt hat, weiter einer Aufsicht unterworfen und mit Sanktionen bedroht werden? Dazu kommen praktische Schwierigkeiten. Wie wäre es mit den Verteidigungsrechten des Betroffenen bestellt?

Und was hätte zu geschehen, wenn er sich, ohne geradezu ein neues Delikt zu begehen, während der anberaumten Frist nicht bewährt?

Die Expertenkommission hat mit geringer Mehrheit den Antrag abgelehnt.

Dessen ungeachtet verdient er eine ernsthafte Prüfung.

Unterbrechung der Verjährung. Die Verjährung der Übertretungen Art. 72 und 109 Nach Artikel 109 StGB verjährt eine Ü b e r t r e t u n g in sechs Monaten, die Strafe einer Übertretung in einem Jahr. Die Kürze dieser Fristen war es, die den ersten Anstoss zur gegenwärtigen Gesetzesrevision gab. Sie wurde schon bald nach dem Inkrafttreten des Gesetzes als Mangel empfunden und kam auch in den eidgenössischen Bäten zur Sprache. Am 22. September 1948 nahm der Ständerat bei Beratung einer Vorlage über die Abänderung der Strafbestimmungen der Arbeiterschutzgesetze einstimmig ein Postulat seiner Kommission an, das den Bundesrat einlud, zu prüfen, ob nicht Artikel 109 StGB im Sinne einer allgemeinen Verlängerung der Verjährungsfrist für Übertretungen abgeändert werden sollte (StenB StB 1943 S. 223--226).

Sind diese Verjährungsfristen schon an und für sich sehr kurz, so kommt dazu noch die sog. absolute Verjährung, die ungeachtet aller Unterbrechungen eintritt, und zwar für die Verfolgung einer Übertretung gemäss Artikel 72, Ziffer 2, Absatz 2, nach einem Jahr, für die Vollstreckung gemäss Artikel 75, Absatz 2, nach anderthalb Jahren. Die Erfahrungen haben zur Genüge bewiesen, dass diese Fristen nicht genügen, vielmehr in vielen Fällen zum Erlöschen des Strafanspruchs oder zur Unmöglichkeit der Vollziehung der ausgesprochenen Strafe führen. Das gilt einmal im Bereich des Strafgesetzbuches selbst, und zwar für die Übertretungen der Artikel 323 bis 882 sowie für alle leichten Fälle von Vergehen im besondern Teil (Titel 1--18), die mit Haft oder Busse oder mit Busse allein bedroht sind und deshalb auch als Übertretungen gelten (Art. 101 StGB). Noch bedeutender aber ist die Wirkung auf die Nebenstrafgesetzgebung des Bundes, deren Tatbestände, soweit sie nicht mit Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten bedroht sind, zufolge Artikel
333, Absatz 8, StGB ebenfalls den Charakter von Übertretungen angenommen haben. Diese dem Schutz der Verwaltungsgesetze des Bundes dienenden Strafsanktionen sind sehr zahlreich, und es kann leicht geschehen, dass eine Übertretung erst nach Monaten entdeckt wird, wenn sie schon verjährt ist, oder dass die rechtzeitig erhobene Strafverfolgung fallen gelassen werden muss, weil noch vor der rechtskräftigen Beurteilung die absolute Verjährung eintritt.

Schliesshch bekommen selbst die Kantone für das ihnen nach Artikel 335 StGB verbliebene Übertretungsstrafrecht die Folgen zu spüren, denn manche

1284 von ihnen haben für die Übertretungen des kantonalen Rechts die allgemeinen, für Übertretungen geltenden Bestimmungen des StGB, somit auch Artikel 109 übernommen. Dieser Umstand verleiht der Frage eine um so grossiere Tragweite und begründet das Interesse auch der Kantone an einer Änderung.

Von verschiedenen, unserem Justiz- und Polizoidepartement zugegangenen Eingaben sei diejenige des Schweizerischen Bundes für Naturschutz erwähnt, die vornehmlich die Jagddelikte im Auge hat; gerade auf diesem Gebiet wurde es als besonders stossend empfunden, dass schwere Jagdfrevler öfters infolge Verjährung der Strafe entgingen.

Das Justizdepartement holte mehrere Gutachten ein und begrüsste zur Frage sowohl das Bundesgericht als die Kantone. Die Gutachten der Professoren Hafter und Thormann und von Bundesrichter Logoz sprachen sich alle für eine Verlängerung der Fristen aus. Das Bundesgericht befürwortete sie jedenfalls für das Nebenstrafrecht, während es hinsichtlich der Übertretungen des Strafgesetzbuches von einer Änderung eher absehen wollte; nach diesem Vorschlag könnte Artikel 109 unverändert gelassen werden, während in Artikel 888 eine besondere Vorschrift über die Verjährung einzufügen wäre. Ähnlich, also zugunsten einer Differenzierung, lautete die Mehrzahl der Antworten der Kantone.

Auch in der strafrechtlichen Literatur ist die Frage erörtert worden, mit verschiedenen Vorschlägen, jedoch stets im Sinne einer Verlängerung (vgl.

Zbinden, Zur Kritik an den Verjährungsbestimmungen nach Art. 109 und 70 ff.

StGB, Zeitschrift für schweizerisches Becht 64 293; derselbe, Die Verjährungsfristen in den geltenden kantonalen Polizeistrafgesetzgebungen, Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht 58 530; Schlatter, Die Verjährung, ebenda 63 301; Kurt, Auslegungsfragen zum schweizerischen Strafgesetzbuch, ebenda 57 202).

Was nun die Stellungnahme zur Frage betrifft, so kann die Notwendigkeit einer Verlängerung der Verjährungsfristen zum mindesten für die "Nebenstrafgesetzo des Bundes und folgerichtig für die kantonalen Übertretungen, soweit für sie die bundesrechtliche Ordnung übernommen wurde, nicht zweifelhaft sein. Es darf füglich festgestellt werden, dass man bei der Eedaktion des Artikels 333, Absatz 3, StGB die ungemein weitreichende Auswirkung des Artikels 109 hinsichtlich der Verjährung nicht
genügend vor Augen hatte; wenn irgendwo, so muss in dieser Hinsicht von einem der Vorbesserung dringend bedürftigen Versehen gesprochen werden. Weniger eindeutig ist die Antwort auf die Frage, ob zwischen den Übertretungen des StGB und denen der Nebengesetze unterschieden werden soll. Die Expertenkommission hat sich dagegen ausgesprochen (Prot I 26--28; II, 3---10, 51--52), und wir folgen ihr hierin, obwohl die gegenteilige Auffassung, wie wir soeben dargetan haben, auf verschiedenen Seiten vorherrschte. Auch für die Übertretungen des StGB und die als solche geltenden leichten Fälle von Vergehen sind die Verjährungsfristen von sechs Monaten und einem Jahr allzu kurz; zudem würde es wenig befriedigen, einen Unterschied darnach zu machen, ob ein Ubertretungstatbestand im StGB selbst oder in einem, andern Bundesgesetz aufgestellt ist. Einheitliche Verjährungsfristen stellen bei weitem die einfachste Lösung dar und sind zu verantworten,

1285 vorausgesetzt nur, dass sie nicht zu lang bemessen werden. Darin liegt die nach der andern Seite hin einzuhaltende Schranke; die strafrechtliche Ahndung und Erledigung geringfügiger Fälle soll sich nicht zu lange hinziehen.

Diese Erwägungen führen uns, in Übereinstimmung mit der Expertenkommission, dazu, die Korrektur mit allgemeiner Wirkung, also bei Artikel 109 und nicht bei Artikel 888, vorzunehmen, und die heute geltenden Fristen zu verdoppeln: Sie sollen für die Verfolgungsverjährung ein Jahr und für die Vollstreckungs verjährung zwei Jahre betragen. Bei Annahme dieses Vorschlages wird gemäss den Artikeln 72 und 75 die absolute Verjährung hinsichtlich der Strafverfolgung nach zwei und hinsichtlich der Strafvollstreckung nach drei Jahren eintreten.

Was die allgemeinen, für Verbrechen und Vergehen geltenden Vorschriften über die Verjährung (Art. 70 ff.) betrifft, stehen die Verjährungsfristen nicht in Diskussion; wohl aber wurden verschiedene Postulate in bezug auf das Kühen und die Unterbrechung der Verjährung (Art. 72, 74 und 75) gestellt. Die Expertenkommission hat sie eingehend diskutiert, ist aber nur bei Artikel 72 zu einer Änderung gelangt (Proti, 28--33; II, 52--55). Nach Ziffer 2, Absatz l, dieses Artikels wird die Verfolgungsverjährung unterbrochen ·«durch jede Vorladung des Beschuldigten vor ein schweizerisches Untersuchungsamt oder Gericht sowie durch jede Einvernahme des Beschuldigten im Untersuchungsverfahren». Diese Umschreibung ist in der Praxis schon oft als zu eng empfunden worden. Aber gerade die Beratungen der Expertenkommission haben gezeigt, dass mau in der Erweiterung der Unterbrechungsgründe vorsichtig sein muss, sollen nicht Wesen und Zweck der Verjährung ernstlich beeinträchtigt werden. Namentlich geht die Frage darum, ob nur Verfolgungshandlungen in Betracht fallen, die sich gegen eine bestimmte, bekannte Person als Täter richten, ob nur Massnahmen von Gerichts- oder Untersuchungsbehörden oder auch solche der Polizei unterbrechend wirken können, und schliesslich ob und in welcher Weise die Handlungen dem Verfolgten bekannt werden müssen. Mit Eecht hat sich die Expertenkommission grosse Zurückhaltung auferlegt. Sie ist schliesslich dazu gelangt, den im Gesetz genannten nur zwei weitere Unterbrechungsgründe beizufügen: einmal den Erläse eines H a f t b e f e h l
s , der diese Wirkung mindestens so sehr wie eine Vorladung haben muss; sodann die Weiterziehung eines Entscheides an eine obere Instanz sowie die Erhebung einer gesetzlich vorgesehenen Einsprache gegen einen Entscheid. Unter diese Bezeichnung fallen einerseits die Appellation an die obere kantonale Instanz und die Kassationsbeschwerde an das Bundesgericht, anderseits aber auch die Einsprache gegen einen im sog. Strafmandatsverfahren eröffneten Entscheid, welche die Übertragung des Falles an den ordentlichen Eichter zur Folge hat. In allen diesen Fällen wird durch Ergreifung eines Eechtsmittels die endgültige richterliche Entscheidung verzögert; es wäre stossend, wenn diese auf legitimen Gründen beruhende Verzögerung den Untergang des Strafanspruches zur Folge hätte. Die Grenze bildet indessen stets die gomäss Ziffer 2, Absatz 2, eintretende absolute Verjährung.

1286 Zur Ordnung der Vollstreckungs verjährung in Artikel 75 wurde erwogen, ob nicht auch ein Euhen der Vollstreckungsverjährung (ohne Unterbrechung und Neubeginnen derselben) vorzusehen sei, insbesondere während der Verbüssung einer andern Strafe. Die Expertenkommission lehnte den Gedanken ab, zumal in solchen Fällen durch eine Unterbrechung des Strafvollzuges im Sinne von Artikel 40 StGB geholfen werden könne.

Löschung im Strafregister

Art. 80 und 81 Wir haben schon oben bei Artikel 41, Ziffer 4, in anderem Zusammenhang die Löschung des Urteils im Strafregister nach bedingtem Strafvollzug behandelt. Auch zu den allgemeinen Bestimmungen des StGB über die Löschung, Artikel 80 und 81, haben wir Änderungen vorzuschlagen.

Artikel 80, Absatz 1. setzt die Miniraalfristen für die Löschung fest: bei Zuchthaus und Verwahrung fünfzehn, bei andern Strafen und Massnahmen zehn Jahre seit der Verbüssung. Man ist allgemein darüber einig, dass für Busse als Hauptstrafe die zehnjährige Frist zu lang ist; die Behabilitation sollte hier früher ermöglicht werden. Das Bedürfnis hiefür wird im Falle der Einführung der bedingten Busse wohl etwas vermindert, aber nicht aufgehoben. Mit der Expertenkommission (Prot III, 65 ; IV, 87) schlagen wir für die Busse eine Verkürzung der Frist auf f ü n f Jahre vor.

Sind neben der.Hauptstrafe unbedingte N e b e n s t r a f e n ausgesprochen worden, so darf die Löschung erst verfügt werden, wenn diese vollzogen sind.

Die für Artikel 41, Ziffer 4. beantragte Ergänzung ist demnach auch hier beizufügen. Dagegen hat die Expertenkommission einen Antrag abgelehnt, die.

zumutbare Ersetzung des durch die strafbare Handlung verursachten Schadens als fernere Voraussetzung für die Löschung auf die Untersuchungs- und Gerichtskosten auszudehnen: diese Bedingung würde die Rehabilitation in manchen Fällen zu sehr erschweren, abgesehen von der Frage, ob die Kosten nicht im Einzelfall verjährt sind.

Eine Lücke weist Artikel 80 insofern auf, als er keinen Aufschluss darüber gibt, ob und von welchem. Zeitpunkt an die Löschung verjährter S t r a f e n begehrt werden kann ; die nämliche Lücke ist auch im Militärstrafgeset-z (Art. 59) empfunden worden und wird auch dort ausgefüllt werden müssen. Es fragt sich, wie in diesen Fällen die Frist zur Stellung des Löschungsbegehrens geordnet werden soll. Man kann vom Zeitpunkt des Ablaufes der Vollstreckungsverjährung (Art. 73 StGB) ausgehen und, da die Fristen hiofür selbst schon lang bemessen sind, eine kürzere Frist für die Stellung des Gesuches hinzufügen (vgl. Prot der Expertenkommission III, 65). Bei diesem System bestellt aber angesichts der möglichen Unterbrechungen der Verjährung (Art. 75) möglicherweise Unsicherheit darüber, wann der Zeitpunkt für die Einreichung des Löschungsgesuches gekommen ist. Einfacher erscheint es daher, vom Tage der Rechtskraft des Urteils auszugehen, a,n dem gemäss Artikel 74 auch die

1287 Verjährung zu laufen beginnt, und alsdann eine .angemessene Minimalfrist für daK Löschungsgesuch festzusetzen. Einem Antrag Eugster folgend hat die Expertenkommission diesen Weg eingesehlagen und die Frist bei Zuchthausstrafe auf achtzehn, bei allen andern Strafen auf zwölf Jahre bemessen (Prot IV, 87). Die Vergleichung mit Artikel 78 ergibt, dass auf Grund dieser Lösung nur bei Zuchthausstrafen von wenigstens fünf Jahren die Minimalfrist überschritten wird, weil die Verjährung selbst länger dauert. Die Ergänzung hinsichtlich verjährter Strafen ist dem Artikel 80 als Absatz lbls einzufügen.

Schliesslich bedarf auch Artikel 81 eines Zusatzes in bezug auf den Fall bedingter Entlassung und der Bewährung des Entlassenen während der Probezeit. Absatz 2 ordnet die Frage nur für den Fall der Sicherungsverwahrung und bei endgültiger Entlassung. Abgesehen von dieser Sonderregel rechtfertigt es sich, die nach Artikel 80 zu bemessende Löschungsfrist am Tage der bedingten Entlassung als dem Zeitpunkt beginnen zu lassen, in welchem der wirkliche Vollzug beendigt ist. Wir schlagen vor, den Absatz 2 des Artikels 81 in diesem Sinne zu ergänzen.

Eine Änderung der Löschungsvorschrift im Jugendstrafrecht (Art. 99) wird sogleich im nächsten Abschnitt besprochen.

Jugendstraîrecht

Art. 94, 97 und 99 Zur Ordnung der Massnahmen und Strafen gegenüber Jugendlichen (Art. 89 ff. StGB) sind namentlich aus Kreisen der Beamten für Jugendstrafrechtspflege Anträge gestellt worden, denen die Expertenkommission im allgemeinen zugestimmt hat (Prot III, 44--58 ; IV, 52---54).

Sie betreffen zunächst Artikel 94, der die bedingte Entlassung des in die Erziehungsanstalt eingewiesenen Jugendlichen behandelt. Absatz 2 sieht die Auferlegung einer Bewährungsfrist vor, die mindestens ein Jahr dauern soll; es wird vorgeschlagen, diese Frist auch mit einem Maximum zu begrenzen, wie das Gesetz das in den übrigen Fällen tut. Darnach soll die Probezeit hierein bis drei Jahre betragen.

Einem Antrag Schatzmann entsprechend und in Übereinstimmung mit der Expertenkommission schlagen wir ferner vor, den Absatz 3 des Artikels 94 in dem Sinne zu mildern, dass die Nichtbewährung des bedingt Entlassenen nicht zwingend seine Eückversetzung in die Erziehungsanstalt zur Folge haben muss, sondern dass diese Sanktion neben andern zur Verfügung stehen soll.

Wird diese Milderung unserem Vorschlag entsprechend in Artikel 38 gegenüber den Erwachsenen eingeführt, so rechtfertigt sie sich in noch höherem Masse gegenüber den Jugendlichen.

Artikel 97 hat die Möglichkeit eingeführt, bei Unsicherheit in der Beurteilung des Jugendlichen den Entscheid über die Verhängung einer Strafe oder einer Massnahme a u f z u s c h i e b e n , unter Auferlegung einer Probezeit von sechs Monaten bis zu einem Jahr. In der Praxis hat sich die Wünschharkeit

1288 einer längeren Beobachtungszeit herausgestellt ; sie hat zum Vorschlag geführt, die Probezeit bis auf drei Jahre zu bemessen. Ferner hat die Expertenkommission einem Antrag Schatzmann zugestimmt, die Möglichkeit des Aufschubes des Entscheides an die Voraussetzung zu knüpfen, dass der Jugendliche sonst noch keine oder nur geringfügige strafbare Handlungen begangen hat ; andernfalls wird es doch geboten sein, bei neuer Verfehlung sofort eine Strafe oder eine Massnahme zu verhängen.

Artikel 99 ordnet die Löschung im Strafregister, entspricht also dem Artikel 80 des allgemeinen Strafrechts. Merkwürdigerweise spricht aber Artikel 99 nur von den gegen den Jugendlichen verhängten Massnahmen; es kann keinem Zweifel unterliegen, dasa auch für die Strafen (Busse und Einschliessung, Art. 95) die Möglichkeit der Löschung gegeben sein muss. Der Text ist in diesem Sinne zu ergänzen. Was sodann die Frist betrifft, nach ·welcher die Löschung begehrt werden kann, ist sie wie in Artikel 80 auf mindestens zehn Jahre festgesetzt. Noch mehr als bei den erwachsenen Delinquenten hat sich diese lange Frist bei den Jugendlichen als verhängnisvolle Belastung erwiesen, indem sie in manchen Fällen das Fortkommen des Betroffenen ausserordentlich erschwert. Auf diesen Mangel wurde schon im AbBtimmungskampf um das Strafgesetz hingewiesen, aber er konnte damals nicht mehr behoben werden. Um so mehr muss die gegenwärtige Bevision dazu benutzt werden. Mit der Mehrheit der Expertenkommission schlagen wir die 'Verkürzung der Frist auf drei Jahre vor; eine Minderheit wollte auf zwei Jahre hinuntergehen (Prot III, 58).

Minderjährige zwischen achtzehn und zwanzig Jahren

Art. 100 Für das Ubergangsalter zwischen achtzehn und zwanzig Jahren stellt Artikel 100 StGB einige besondere Bestimmungen im Sinne einer Milderung auf. Personen in diesem Alter gelten nicht mehr als Jugendliche; aber andererseits wäre es nicht angebracht und würde einen zu grossen Sprung bedeuten, solche Täter mit der unverminderten Strenge des Gesetzes zu strafen. Es ist aber fraglich geworden, ob die wenigen in Artikel 100 vorgesehenen Milderungen das Bichtige treffen und ob sie genügen. Insbesondere ist beanstandet worden, dass bei mildernden Umständen nach Ziffer l, Absatz 4, die Gefängnisstrafe nur durch Haft und nicht, wie bei der allgemeinen Milderung gemäss Artikel 65, durch Busse ersetzt werden kann.

Der Expertenkommission wurde daher (von Prof. Hafter) der Antrag gestellt, jedenfalls diese Ungleichheit auszumerzen. Es lag ihr aber ein weitergehender Antrag Schlatter vor, den Artikel 100 überhaupt in dem Sinne umzugestalten, dass für Täter in diesem Alter die Strafmilderungen dès Artikels 65 platzgreifen und die Verjährungsfristen auf die Hälfte herabgesetzt werden.

Ferner will der Antrag eine Lücke des Gesetzes ausfüllen, insofern dieses keine Vorschrift für den Fall gibt, dass der Täter als Jugendlicher delinquiert, zur

1289 Zeit des Urteils jedoch das zwanzigste Altersjahr überschritten hat; in diesem Palle will der Antrag die Strafmilderung nach freiem Ermessen gemäss Artikel 66 eintreten lassen (Prot IV, 54, 56).

Der Antrag wurde in der Expertenkommission im Grundsatz nicht bekämpft, immerhin die nähere Prüfung vorbehalten. Unsererseits pflichten wir dem Gedanken ebenfalls bei und schlagen demgemäss für Artikel 100 eine neue Passung vor, die für das Zwischenalter auf Artikel 65 verweist, die heute geltende Regelung also erweitert. Was die Verjährung betrifft, sollte indessen nicht weiter gegangen werden als in Artikel 98 für die Jugendlichen; nach Ablauf der halben Verjährungsfrist soll also die Tat nicht schlechthin verjährt sein, doch soll, der Bichter die Möglichkeit haben, alsdann von jeder Strafe oder Massnahme abzusehen.

Pur den Fall, wo die Altersgrenze zwischen der Tat und dem Urteile hegt, stellt Artikel 871 auch eine Verfahrensregel auf. In materieller Hinsicht scheint es uns indessen zu weit zu gehen, hier die noch freiere Milderung gemäss Artikel 66 eintreten zu lassen; die Anwendung des Artikels 65 drängt sich auch hier auf. Die intertemporale Vorschrift soll aber stets platzgreifen, wenn die Tat vor dem zwanzigsten (nicht nur vor dem achtzehnten) Jahr begangen wurde, während das Urteil erst nach Zurücklegung des zwanzigsten Jahres gefällt wird. Zur Ordnung dieser Fälle schlagen wir vor, dem Artikel 100 eine neue zweite Ziffer beizufügen.

Unzüchtige Veröffentlichungen Art. 204 Ziffer 2 dieses Artikels weist eine Differenz in den Texten auf: Die Strafdrohung lautet im französischen Text auf Gefängnis und Busse, im deutschen und italienischen dagegen auf Gefängnis oder Busse, wie in Ziffer 1. Letzteres ist richtig. Gemäss Artikel 50, Absatz 2, kann der Eichter ohnehin die beiden wahlweise angedrohten Strafen verbinden; er soll aber die Freiheit haben.

Demnach ist der französische Text zu berichtigen.

Vernachlässigung von Unterstützungspflichten Art. 217 Diese Bestimmung stellt die Vernachlässigung von Unterstützungspflichten unter Strafe, sofern sie aus bösem Willen, aus Arbeitsscheu oder aus Liederlichkeit geschieht. Der deutsche Text spricht in Absatz l von den familienrechtlichon Unterhalts- oder Unterstützungspflichten «gegenüber seinen Angehörigen», ebenso der französische von den aliments
ou subsides qu'il doit «à ses proches» en vertu du droit de famille. Im italienischen Text dagegen werden die Angehörigen nicht erwähnt ; es ist dort nur die Eede von den alimenti o sussidi «che gli sono imposti dal diritto di famiglia». Es ist streitig geworden, ob die Nichterfüllung der Unterhaltspflicht gegenüber dem geschiedenen Ehegatten auch unter die Bestimmung falle. Folgt man strikte der Legal-

1290 définition in Artikel 110, Ziffer 2, StGB, so ist das zu verneinen. Das Bundesgericht hat aber in zwei Urteilen anders entschieden und die weitere italienische Fassung als die massgebende bezeichnet (BGE 69 4 178: 7l 4 38). Diese Auslegung befriedigt sicherlich mehr als der Ausschluss des geschiedenen Ehegatten.

Gleicher Meinung war die Expertenkommission und befürwortete deshalb eine Verdeutlichung des Textes, wogegen sie einen Antrag, den Tatbestand des Artikels 217 zu einem Antragsdelikt za machen, ablehnte (Prot IV, 57).

. Eedaktionell könnte allfällig die Streichung des Wortes «Angehörige» («proches») in Angleichung an den italienischen Text genügen. Noch deutlicher und deshalb vorzuziehen ist aber die Belassung dieses Wortes mit ausdrücklicher Beifügung des geschiedenen Ehegatten.

Nachmachen und Nachahmen von Banknoten

Art. 327 Diese Bestimmung bedroht mit Busse das Nachmachen oder Nachahmen von Papiergeld, Banknoten oder amtlichen Wertzeichen des In- oder Auslandes ohne Fälschungsabsicht, aber in einer Weise, dass die Gefahr einer Verwechslung mit wirklichem Geld oder wirklichen Wertzeichen herbeigeführt wird.

In einer Eingabe vom 16. September 1948 wies das Direktorium der Nationalbank unser Justiz- und Polizeidepartement darauf hin, dass Artikel 327 sich in der Praxis in verschiedener Hinsicht als unzureichend herausgestellt habe. Es erinnerte in erster Linie an die Tatbestandsumschreibung in dem durch das Strafgesetzbuch aufgehobenen Artikel 70 des Nationalbankgesetzes vom 7. April 1921: «Wer den Banknoten ähnliche Drucksachen oder Abbildungen zu Ankündigungen, Eeklamen oder Scherzen anfertigt oder verbreitet», womit die Herstellung oder Verbreitung banknotenähnlicher Druckerzeugnisse ganz allgemein, ohne Eücksicht auf die Herbeiführung einer Verwechslungsgefahr bedroht wurde; auch die Strafdrohung war bedeutend schärfer: Gefängnis bis zu drei Monaten oder Geldbusse.

. .

Schon im Jahre 1937 verwendete sich die. Nationalbank für eine weitere Fassung .des Artikels 327 StGB, der den Artikel 70 des Nationalbankgesetzes ablösen sollte; allein die Beratung des Strafgesetzbuches war in jenem Zeitpunkt bereits zu weit vorgeschritten, als dass eine Änderung noch hätte vorgenommen werden können. Heute kommt die Nationalbank auf ihr Begehren zurück. Wie sie in ihrer Eingabe darlegt, haben ihre Befürchtungen sich als begründet erwiesen. In zunehmendem Masse wurden seit Inkrafttreten des Strafgesetzbuches Abbildungen von Banknoten zur Illustration von Inseraten, Prospekten und andern Eeklamedrucksachen verwendet; ein Beispiel dieser Art pflegt in der Eegel andere nach sich zu ziehen. Die strafrechtliche Verfolgung wird aber sehr erschwert durch das Kriterium der Verwechslungsgefahr, das keine scharfe Abgrenzung des strafbaren Tatbestandes erlaubt. Ob im einzelnen Fall eine solche Gefahr anzunehmen sei oder nicht, hängt von dem an das Unterscheidungsvermögen des Empfängers anzulegenden Maßstab ab.

1291 "Verwechslungen sind aber tatsächlich vorgekommen. Es hat sich insbesondere ereignet, dass nachgebildete Banknoten aus Zeitungsinseraten ausgeschnitten und in Umlauf gesetzt wurden und dass die Empfänger getäuscht wurden.

Der Bichter wird sich nicht leicht entschliessen, einen Angeschuldigten zu verurteilen, der in guten Treuen einwendet, er habe eine Verwechslungsgefahr als ausgeschlossen betrachtet, selbst wenn der Bichter hierüber anderer Meinung sein sollte. Artikel 827 vermag daher nur gegen krasse Übertretungen Schutz zu bieten, wird aber in Grenzfällen meist versagen. Dazu kommt, dass einerseits der Besitz von Druckplatten mit Banknotenbildern eine Versuchung zu krimineller Verwendung, d.h. zu eigentlichen Fälschungen bilden kann, während andererseits demjenigen, der solche Klischees in Fälschungsabsicht herstellt (Art. 247 StGB), die Ausrede erleichtert wird, sie seien nur zur Illustration von Beklamedrucksachen bestimmt gewesen.

In Würdigung dieser Mängel und Gefahren stimmte die Expertenkommission (Prot IV, 50) einer Erweiterung des Artikels 327 in dem Sinne zu, dass auf die Verwechslungsgefahr als Tatbestandsmerkmal verziehtet wird. Diese Änderung macht freilich die Beifügung eines Vorbehalts für besonders autorisierte Fälle notwendig; ein strafbarer Tatbestand liegt dann nicht vor, wenn Banknoten, Papiergeld oder Wertzeichen mit schriftlicher Zustimmung der zuständigen Ausgabestelle für amtliche oder wissenschaftliche Zwecke wiedergegeben werden. Man denke namentlich an Abbildungen in polizeilichen Publikationen zur Orientierung und Aufklärung über Falsifikate.

Die Strafdrohung haben wir durch Aufnahme der Haft erweitert; sie bleibt auch so noch bedeutend hinter derjenigen des frühern Artikels 70 des 'Nationalbankgesetzes zurück.

Strafregister Art. 861 und 368 Das Strafregister ist bereits oben bei den Artikeln 80--99 zur Sprache gekommen, soweit es sich um die Behabilitation durch Löschung einer Strafe oder Massnahme im Begister handelt. Zum allgemeinen Titel über das Strafregister (Art. 8S9 ff.) sind ebenfalls Abänderungsbegehren gestellt worden (Prot der Expertenkommission III, 44--58).

Artikel 861 schreibt vor, dass in das Strafregister auch die gegenüber Jugendlichen wegen eines Verbrechens oder eines Vergehens verhängten Massnahrnen und Strafen aufzunehmen sind. Die
Schweizerische Vereinigung der Beamten der Jugendrechtspflege beantragte, von der Eintragung wenig. stens den nach Artikel 95, Absatz l, erteilten Verweis auszunehmen. Die Auffassungen über den Unifang der Eintragungen in Hinsicht auf die Jugendlichen sind aber geteilt; während z. B. der Kanton Waadt nur die schweren Fälle des Artikels 91, Ziffer 3, aufnehmen will, sprach sich Luzern umgekehrt gegen jede Einschränkung aus. Auch die Expertenkommission war geteilt, neigte aber mit geringer Mehrheit der unveränderten Beibehaltung des Artikels 361

1292 zu. Wir stimmen dieser Lösung besonders mit Bücksicht auf den Zusammenhang mit Artikel 368 zu, indem wir dort eine Einschränkung hinsichtlich der Eegisterauszügc empfehlen. Dieser Weg ist in der Tat vorzuziehen, wenn man eine bessere Schonung der Jugendlichen erreichen will; dagegen ist es wichtig und liegt gerade im Zweck des Strafregisters, dass es, und zwar auch in Hinsicht auf die Jugendlichen, den Behörden erschöpfenden Aufschluss über frühere Verfehlungen einer wieder in Untersuchung" gezogenen Person gibt.

In diesem Sinne hat die Expertenkommission über eine Einschränkung des Artikels 868, A b s a t z 2, diskutiert. Diese Vorschrift verbietet die Abgabe von E e g i s t e r a u s z ü g e n an Privatpersonen, gibt aber jedermann das Eecht, Auszüge zu verlangen, die seine Person betreffen. So natürlich diese Begel erscheint, so fatal kann sie sich auswirken, besonders für junge Leute, die eine Anstellung suchen. Der Arbeitgeber hat es in der Hand, vom Bewerber selbst einen Auszug aus dem Strafregister über seine Person zu verlangen und bekommt so von früher verhängten Strafen, oder Massnahmen Kenntnis. Solche Fälle werden weniger häufig sein, wenn unserem Antrag entsprechend in Artikel 99 die Löschungsfrist auf drei Jahre verkürzt wird; ganz verschwinden werden sie nicht. Man hat deshalb vorgeschlagen, Artikel 363, Absatz 2, in dem Sinne abzuändern, dass die an den Betroffenen selbst abgegebenen Auszüge keine gemass Artikel 91 bis 97 oder gemäss Artikel 100 ausgesprochenen Strafen oder Massnahmen enthalten dürfen. Die Präge stellt sich aber auch für die Erwachsenen. Sie darf nicht einseitig nur vom Standpunkt des im Strafregister eingetragenen frühern Delinquenten beurteilt werden. Mit dem Bestreben nach möglichster Schonung desselben kollidiert das berechtigte Interesse, das auch Drittpersonen haben können, über allfällige Vorstrafen orientiert zu werden.

In der Expertenkommission waren die Meinungen geteilt. Verworfen wurde der Antrag, für die Fälle des Artikels 100 eine Ausnahme zu machen, während hinsichtlich der Massnahmen und Strafen nach Artikel 91 bis 97 die Kommission (mit 7:7 Stimmen) unentschieden blieb (Prot III, 51). Wir haben unter diesen umständen die Einschränkung einmal aufgenommen, um die Frage zur Diskussion und zum Entscheid in den eidgenössischen Eäten zu bringen.
Allgemeinen Anklang fand andererseits die Beifügung eines neuen Absatzes (2bie), der den Bundesrat ermächtigt, für Eegisterauszüge, die besondern Zwecken dienen, einschränkende Bestimmungen aufzustellen.

Damit kann besondern Verhältnissen Eechnung getragen werden. Gemeint sind insbesondere Auszüge, die ausländischen Behörden vorgelegt werden müssen (z. B. zur Erlangung eines Visums oder zur Auswanderung), bei welchen zuweilen Begehren, die vom schweizerischen Standpunkt durchaus berechtigt sind, an geringen Vorstrafen scheitern. Artikel 16 der Verordnung vom 14. November 1941 über das Strafregister gestattet übrigens bereits allgemeine Weisungen über die Mitteilungen an Behörden des Auslandes; diese Befugnis sollte erweitert und gesetzlich verankert werden.

1293 Begnadigung bei Urteilspublikation

Art. 396 Ale letzte der Bestimmungen des Strafgesetzbuches, die auch seit seinem Inkrafttreten in Diskussion gezogen worden sind, haben wir den Artikel 396 zu erwähnen, der den U m f a n g des Begnadigungsrechts umschreibt.

Darnach können durch Begnadigung alle durch rechtskräftiges Urteil auferlegten Strafen ganz oder teilweise erlassen oder in mildere Strafarten umgewandelt werden. Darunter fallen neben den Freiheitsstrafen und der Busse als Hauptstrafen auch die Nebenstrafen der Artikel 51 bis 56: Aintsontsetzung, Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit, Entziehung der elterlichen Gewalt und der Vormundschaft, Berufs- oder Gewerbeverbot, Landesverweisung und Wirtshausverbot. Dagegen sind nach dem System des Gesetzes der Begnadigung nicht zugänglich allo Massnahmen, also einmal die «sichernden Massnahmen» der Artikel 42 bis 45, d. h. die Sicherungsverwahrung, die Arbeitserziehung und die Behandlung von Gewohnheitstrinkern und Bauschgiftkranken, aber auch nicht die «andern Massnahmen» der Artikel 57 bis 61, nämlich tue Friedensbürgschaft, die Einziehung gefährlicher Gegenstände, der Verfall von Geschenken und andern Zuwendungen und die Veröffentlichung des Urteils.

Der Ausschluss der Urteilspublikation von der Begnadigung ist nun wiederholt angefochten worden. Schon im Juni 1948 kam die Frage in der Begnadigungskommission der eidgenössischen Bäte zur Sprache. In ihrem Auftrag erstattete das Justiz- und Polizeidepartement am 20. November 1943 einen Bericht, der angesichts des Wortlauts dos Gesetzes zum Schlüsse kam, der gnadenweise Erlass der Urteilspublikation sei nicht möglich. Im nämlichen Sinne wurde die Frage gutachtlich von den Professoren Thormann und Hafter beantwortet, und der Bundesrat nahm in seinem Bericht vom 17. Mai 1945 über Begnadigungsgesuche den gleichen Standpunkt ein (Fall Ludi, BB1 1945, I, 640).

Die Entstehungsgeschichte dos Artikels 396 zeigt, dass schon die zweite Expertenkommission sich eingehend mit der Frage befasste (Prot IX, 291 bis 806), Während der ihren Beratungen zugrundeliegende Entwurf von 1915 von «Strafen und Nebenstrafen» sprach, folgte die Expertenkommission einem Antrag Thormann, die Begnadigung in den Fällen von «Freiheitsentziehung» .zuzulassen, womit auch die sichernden Massnahmen eingeschlossen gewesen -wären. Dieser Ausdruck fand in den Entwurf
von 1916 Eingang. Erst die kleine Kommission, die den bundesrätlichen Entwurf von 1918 bereinigte, ersetzte den Ausdruck durch «Freiheitsstrafen». Die eidgenössischen Kate schhesshch kehrten wieder zum ursprünglichen Ausdruck «Strafen» zurück und schlössen damit alle Massnahmen aus.

Auf Grund des Wortlauts des Gesetzes und der Praxis der Bundesbehörden ·ergibt sich, dass der Erlass einer in Anwendung des Artikels 61 StGB verfügten U r t e i l s p u b l i k a t i o n heute als unzulässig gilt. Allerdings hat die Vereinigte

1294 Bundesversammlung am 14. Dezember 1944 im Falle Kunath bei einem kriegswirtschaftlichen Vergehen (vgl. Bericht des Bundesrates vom 17. November 1944, BEI 1338) die Begnadigung gewährt: allein die damals ausgesprochene ürteilspublikation stützte sich nicht auf Artikel 61 StGB, sondern auf Artikel 4 des Bundesratsbeschlusses vorn 1. September 1939 betreffend die Kosten der Lebenshaltung und den Schutz der regulären Marktversorgung, der die Urteilspublikation auf die gleiche Stufe stellt wie Freiheitsstrafe und Busse, so dass sie als Nebenstrafe gelten konnte. Jener Fall bildet um so weniger ein Präjudiz für die hier erörterte Frage, als der inzwischen in Kraft getretene Bundesratsbeschluss vom 17. Oktober 1944 über das kriegswirtschaftliche Strafrecht und die kriegswirtschaftliche Strafrechtspflege in Artikel 2 die allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches anwendbar erklärt und damit die Unterscheidung beseitigt hat.

, Ein gewisses Bedürfnis dafür, auch die Urteilspublikation auf dem Gnadenweg erlassen zu können, hat sich in der Praxis gezeigt, insbesondere aus dem Grunde, weil oft die Publikation als bedeutend schwerere Sanktion empfunden wird ale die Hauptstrafe ; sie stellt den Betroffenen in der öffentlichen Meinung viel mehr bloss als eine Busse oder sogar eine leichte Freiheitsstrafe. Die Einreihung der Veröffentlichung des Urteils unter die Massnahmen im Gesetz erscheint überhaupt diskutabel, obwohl zuzugeben ist, dass sie eher die Öffentlichkeit oder den Verletzten schützen, als den Verurteilten besonders treffen will. Die Expertenkommission zeigte sich der Einführung der Begnadigungsmöglichkeit für Massnahmen abgeneigt und gelangte auch hinsichtlich der Urteilspublikation mehrheitlich zur Ablehnung (Prot III, 39---43).

Unsererseits möchten wir sie dennoch empfehlen, freilich nur für die Urteilspublikation und nicht auch für andere Massnahmen. Die Erfahrungen der Praxis scheinen uns dies nahezulegen; es ist bezeichnend, dass die Frage wiederholt in den. eidgenössischen Bäten aufgegriffen worden ist. JDa auf dem Weg der Auslegung nicht zu helfen ist, ohne dass man dem Wortlaut des Gesetzes Zwang antut, soll die Frage jedenfalls bei Anlass der gegenwärtigen Bevision geprüft und entschieden werden. Wir beantragen demgemäss eine Ergänzung des Artikels 396; gesetzestechnisch wäre auch denkbar, der Ürteilspublikation irn Gesetz einen andern Platz anzuweisen und sie unter die Nebenstrafen zu versetzen..

Über die Ergänzung von Artikel 8 des Garantiegesetzes haben wir uns oben am Schluss des zweiten Teils dieser Botschaft im Zusammenhang mit den Vergehen gegen die Ehre ausgesprochen.

Die Aufbebung des Bundesratsbeschlusses vom 29. Oktober 1948 b e t r e f f e n d Verstärkung des Staatsschutzes schliesslich wird sich im Falle der Annahme der im ersten Teil dieser Botschaft vorgeschlagenen Er-

1295 gänzungen des Strafgesetzbuches als Folge ergeben; der Ausbau der Staatsschutzbestinrmungen im Strafgesetzbuch wird das hierüber noch bestehende Vollmachtenrecht entbehrlich machen.

Wir empfehlen Ihnen die Annahme des dieser Botschaft beigegebenen G-esetzesentwurfs betreffend die Abänderung des schweizerischen Strafgesetzbuches, in der Überzeugung, dasa damit dem Bedürfnis nach einer Eeihc von Verbesserungen des letztern, die möglichst bald durchgeführt werden sollten, Bechnung getragen wird.

Soweit die Bevision sich auf Bestimmungen des allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches bezieht, die sich auch im Militärstrafgesetzbuch vorfinden, sollen auch dort die entsprechenden Änderungen vorgenommen werden; hierüber werden wir Urnen in einer besondern Botschaft berichten.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 20. Juni 1949.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident : E. Nobs Der Bundeskanzler: Leimgruber

1296 (Entwurf)

Bundesgesetz betreffend

Abänderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 20. Juni 1949, beschliesst:

L Das Schweizerische Strafgesetzbuch vorn 21. Dezember 1937*) wird nach Massgabe der folgenden Bestimmungen abgeändert und ergänzt.

Die hiernach aufgeführten bisherigen Bestimmungen erhalten den angegebenen neuen Wortlaut.

Die neu bezeichneten Bestimmungen werden in das Gesetz eingefügt.

Art. 4 Absatz 1. Diesem Gesetz ist auch unterworfen, wer im Ausland ein Verbrechen oder "Vergehen gegen den Staat begeht (Art. 265, 266, 266bis 267, 268, 270, 271, 275, 275bis, 275ter), verboteneu Nachrichtendienst betreibt (Art. 272 bis 274) oder die militärische Sicherheit stört (Art. 276 und 277).

Art. 17 1. Die kantonale Verwaltungsbehörde vollzieht den Beschluss des Richters auf Verwahrung, Behandlung oder Versorgung des Unzurechnungsfähigen oder vermindert Zurechnungsfähigen.

2. Die zuständige Behörde hebt die Verwahrung, Behandlung oder Versorgung auf, sobald der Grund der Massnahme weggefallen ist.

Sie kann den Entlassenen unter Schutzaufsicht stellen und ihm Weisungen -über sein Verhalten erteilen (Art. 38, Ziff. 3). Handelt er ungeachtet förmlicher *) AS 54, 757.

Die Abänderungen des geltenden Textes sind kursiv gedruckt.

1297 Mahnung einer ihm erteilten Weisung zuwider oder entzieht er sich beharrlich der Schutzaufsicht, so kann die zuständige Behörde ihn in die Heil- oder Pflegeanstalt zurückversetzen. Die Schutzaufsicht und die Weisungen werden aufgehoben, sobald sie sieh nicht mehr als nötig erweisen.

3. Der Eichter entscheidet, ob und inwieweit die Strafe gegen den verurteilten vermindert Zurechnungsfähigen noch zu vollstrecken soi.

Art. 27 Ziffer 7. Die Bestimmungen der Ziffer 3, Absatz 2, und der Ziffer 6 finden teine Anwendung bei Hochverrat und Landesverrat (Art. 265 bis 267), bei Unterstützung von gegen die Sicherlieit der Schweiz gerichteten ausländischen Unternehmungen und Bestrebungen (Art. 26'6bis^, bei verbotenem Nachrichtendienst (Art. 272 bis 274), bei Angriffen auf die verfassungsmässige Ordnung (Art. 275), bei staatsgefährlicher Propaganda (Art. 27<5MsJ und bei Störung der militärischen Sicherheit (Art. 276 und 277).

Art. 38 Ziffer l, Absatz 1. Hat der zu Zuchthaus oder Gefängnis Verurteilte zwei Drittel der Strafe, bei Gefängnis mindestens sechs Monate, verbüsst, so kann ihn die zuständige Behörde bedingt entlassen: Ziffer 4, Absatz 2.(neu). In besonders leichten Fällen kann an die Stelle der Rückversetzung eine Verwarnung oder die Auferlegung weiterer Bedingungen oder eine Verlängerung der Bewährungsfrist treten.

Art. 40 Absatz 2. Muss der Verurteilte während des Vollzuges in eine Heil- oder Pflegeanstalt verbracht werden, so wird ihm der Aufenthalt, in dieser Anstalt auf die Strafe angerechnet. Die Anrechnung unterbleibt, wenn die Überführung durch Krankheiten oder andere Ursachen bedingt wurde, die bereits vor dem Strafantritt bestanden haben, ebenso wenn der Verurteilte die Verbringung arglistig veranlagst, oder soweit er die Verlängerung des Aufenthaltes in der Anstalt arglistig herbeigeführt hat.

Art. 41 Ziffer l, Absatz 1. Der Eichter kann den Vollzug einer Gefängnisstrafe von nicht mehr als einem Jahr, einer Haftstrafe oder einer in Anwendung dieses Gesetzes ausgesprochenen Busse aufschieben: Ziffer l, Absatz 3. Wenn der Verurteilte überdies innerhalb der letzten fünf Jahre vor Verübung der Tat weder in der Schweiz noch im Auslande wegen eines vorsätzlichen Verbrechens oder Vergehens zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, Ziffer 8, Absatz 2 (neu). In besonders kichten Fällen kann an die Steife der Anordnung des Strafvollzuges eine Verwarnung oder die Auferlegung weiterer Bedingungen oder eine Verlängerung der Bewährungsfrist treten.

Bundesblatt.

101 Jahrg.

Bd. I.

89

1298 Ziffer 4, Bewährt sich der Verurteilte bis zum Ablaufe der Probezeit und sind unbedingt ausgesprochene Bussen und Nebenstrafen vollzogen, so verfügt, der Richter die Löschung des Urteils im Strafregister.

Art. 42 Ziffer l, letzter Satz. Ist der Verurteilte ein Ausländer, so kann der Richter an Stelle der Verwahrung auf Landesverweisung erkennen, die nach Verbüssung der Strafe gemäss Artikel 55 zu, vollziehen ist.

Ziffer 6, Absatz l, letzter Satz. Begeht er binnen drei Jahren neuerdings, eine strafbare Handlung, oder handelt er trotz förmlicher Malmung der Schutzaufsichtsbehörde den erteilten Weisungen zuwider, oder entzieht er sich beharrlich der Schutzaufsicht, so kann ihn die zuständige Behörde neuerdings verwahren. Die Dauer der neuen Verwahrung beträgt in der Hegel mindestens, fünf Jahre.

Art. 43 Ziffer 5, Absatz l, erster Satz. Hat der Eingewiesene eine zwei Dritteln der Strafdauer entsprechende Zeit und wenigstens ein Jahr in der Arbeitserziehungsanstalt zugebracht, so kann ihn die zuständige Behörde für ein ins drei. Jahre bedingt entlassen, wenn sie annimmt, der zu Entlassende sei zur.

Arbeit tüchtig und willig.

Ziffer 5, Absatz 2. Begeht der bedingt Entlassene während der Probezeit vorsätzlich ein Verbrechen oder ein Vergehen, so bestimmt der Richter, ob und wieweit die Strafe zu, vollziehen sei.

Ziffer 5, Absatz 3. Wird der bedingt Entlassene während der Probezeit wieder liederlich oder arbeitsscheu, oder handelt er trotz förmlicher Mahnung der Schutzaufsichtsbehörde den erteilten Weisungen zuwider, oder entzieht er sich der Schutzaufsicht, so kann ihn die zuständige Behörde in die Anstalt zurückversetzen oder dem Eiohter den ganzen oder teilweisen Vollzug der erkannten Strafe beantragen.

Art. 44 Ziffer 5. Bewährt sich der auf Probe Gestellte bis zum Ablauf der Probezeit, so ist er endgültig entlassen.

Art. 54 Absatz 2. Das Verbot wird mit der Rechtskraft des Urteils wirksam. Wird der Verurteilte bedingt entlassen, so entscheidet die zuständige Behörde, ob und unter welchen Bedingungen der Beruf, das Gewerbe oder das Handelsgeschäft probeweise ausgeübt werden dürfe.

Absatz 3 (neu). Hat sich der bedingt Entlassene bis zum Ablauf der Probezeit bewährt, so wird im Falle, der probeweisen Gestaltung der Weiterführung des Berufes, Gewerbes oder Handelsgeschäftes die Nebenstraf e · nicht mehr vollzogen.

1299 Wurde die Weiterführung nicht gestattet, so berechnet sieh die Dauer des Verbotes vom Tage der bedingten Entlassung an.

. Absatz 4 (neu). Wurde eine bedingte Entlassung nicht gewährt oder hat der bedingt Entlassene die Probezeit nicht bestanden, so wird die Dauer des Verbots von dem Tag an gerechnet, an dem die Freiheitsstrafe oder deren Best verbüsst oder erlassen ist.

Art. 55 Der Richter kann den. Ausländer, der zu Zuchthaus oder Gefängnis verurteilt wird, für drei bis fünfzehn Jahre aus dem Gebiete der Schweiz verweisen.

Bei Rückfall kann Verweisung auf Lebenszeit ausgesprochen -werden.

Wird der Verurteilte bedingt entlassen, so entscheidet die zuständige Behörde, ob und unter welchen Bedingungen die Landesverweisung probeweise aufgeschoben . werden soll.

Hat sich ein bedingt Entlassener während der Probezeit bewährt, so wird im Fall des Aufschubes der Landesverweisung diese nicht mehr vollzogen. Wurde der Aufschub nicht gewährt, so berechnet sieh die Dauer von dem Tag hinweg, an welchem der bedingt Entlassene die Schweiz verlassen hat.

Wurde eine bedingte Entlassung nicht gewährt oder hat der bedingt Entlassene die Probezeit nicht bestanden, so wird die Verweisung an dem Tage wirksam, an dem die Freiheitsstrafe oder deren Rest verbüsst oder erlassen ist.

Art. 72 Ziffer 2. Absatz 1. Die Verjährung wird unterbrochen durch jede Vorladung des Beschuldigten vor ein schweizerisches Untersuchungsamt oder Gericht, durch den Erlass eines Haftbefehls, durch jede Einvernahme des Beschuldigten im Untersuchungsverfahren sowie durch jede Weilerziehung eines Entscheides an eine obere Instanz oder durch eine gesetzlich vorgesehene Einsprache gegen einen Entscheid.

Art. 80 Absatz 1. Ist der Täter zu einer Freiheitsstrafe oder zu einer Busse verurteilt worden und sind seit Vollzug des Urteils bei Zuchthausstrafe oder Einweisung in eine Verwahrungsanstalt mindestens fünfzehn Jahre, bei andern Freiheitsstrafen oder Massnahmen mindestens zehn Jahre, bei Busse als Hauptstrafe mindestens fünf Jahre verflossen, so kann der Richter auf Gesuch des Verurteilten die Löschung des Urteils im Strafregister verfügen, wenn das Verhalten des Verurteilten dies rechtfertigt, wenn er den gerichtlich oder durch Vergleich festgestelltun Schaden, soweit es ihm zuzumuten war, ersetzt hat und wenn das Urteil bezüglich der Nebenstrafen vollzogen ist, Absatz lbis Bei Verjährung der Strafe läuft die Frist zur Stellung des Löschungsgesuches vom Tage der Rechtskraft des Urteils an und, beträgt bei Zuchthausstrafen mindestens achtsehn, bei andern Strafen mindestens zwölf Jahre.

1300 Art. 81 Absatz 2. Wenn sich ein bedingt Entlassener bis zum Ablauf der Probezeit bewährt, so läuft die Frist zur Stellung des Löschungsgesuches vom Tage der bedingten Entlassung an. War der Verurteilte in die "Verwahrungsanstalt eingewiesen, so kann eine Réhabilitation nicht früher als fünf Jahre nach seiner endgültigen Entlassung erfolgen.

Art. 94 Absatz 2, zweiter Satz. Sie setzt eine Bewährungsfrist von einem bis drei Jahren 'fest und kann ihm für sein Verhalten bestimmte Weisungen erteilen, so die Weisung, einen Beruf zu erlernen, an einem bestimmten Orte sich aufzuhalten, sich geistiger Getränke zu enthalten.

Absatz 8. Handelt der Entlassene innerhalb der Bewährungsfrist den ihm erteilten "Weisungen zuwider oder missbraucht er in anderer Weise die Freiheit, so kann ihn die zuständige Behörde in die Anstalt, zurückversetzen. Andernfalls ist er endgültig entlassen.

Art. 97 Absatz 1. Kann nicht mit Sicherheit beurteilt werden, ob ein Jugendlicher zu den sittlich Verwahrlosten, Verdorbenen oder Gefährdeten oder zu den Pflegebedürftigen gehört, und hat er sonst noch keine oder nur geringfügige strafbare Handlungen begangen, so kann die zuständige Behörde, wenn auch die im vorausgehenden Artikel genannten Voraussetzungen erfüllt sind, den Entscheid über die Verhängung einer Strafe oder einer Massnahme aussetzen.

Der Jugendliche wird unter Schutzaufsicht gestellt. Es wird ihm eine Probezeit bis su, drei Jahren auferlegt.

Art. 99 Marginale: Löschung der Massnahmen und Strafen im Strafregistor.

Die zuständige Behörde kann auf Gesuch des Täters anordnen, dass die gegen ihn verhängten Massnahmen und Strafen im Strafregister gelöscht werden, wenn seit ihrem Vollzüge mindestens drei Jahre verflossen sind, das Verhalten des Täters die Löschung rechtfertigt, und wenn er den behördlich oder durch Vergleich festgestellten Schaden, soweit es ihm zuzumuten war, ersetzt hat.

Art. 100 Ziffer 1. Hat der Täter zur Zeit der Tat das achtzehnte, aber nicht das zwanzigste Jahr zurückgelegt, so kann der Richter die Strafe nach den Bestimmungen des Artikels 65 mildern. An aie Stelle der 'lebenslänglichen Zuchthausstrafe tritt Zuchthaus von mindestens fünf Jahren.

Der Richter kann von jeder Strafe oder Massnahme absehen, wenn seit der Tat die Hälfte der Verjährungsfrist abgelaufen ist.

Die Verurteilten sollen von mündigen Gefangenen in der Regel getrennt gehalten werden.

1301 Ziffer 2, Diese Bestimmungen sind auch anwendbar, wenn der Täter für eine vor Zurücklegung des zwanzigsten Jahres begangene Tat nach Überschreitung dieses Alters beurteilt wird.

Art. 109 Eine Übertretung -verjährt in einem Jahre, die Strafe einer Übertretung in zwei Jahren.

Art. 173 Ziffer 1. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt, wor eine solche Beschuldigung oder Verdächtigung weiterverbreitet, wird, auf Antrag, mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Busse bestraft.

Ziffer 2. Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar.

Ist die aus ernsthaften Gründen in guten Treuen für wahr gehaltene. Äusserung unwahr, oder hat der Täter den Wahrheitsbeweis nicht erbracht, so ist dies im Urteil oder durch Urkunde festzustellen.

Ziffer 8. Zieht der Täter sofort nach erhaltener Aufklärung oder vor dem Siebter seine Äusserung als unwahr zurück, so kann er milder bestraft oder ganz von Strafe befreit werden; der Rückzug ist im Urteil oder durch Urkunde festzustellen.

Ziffer 4. Für Äusserungen, die ohne begründete Veranlassung vorwiegend in der Absicht erfolgt sind, jemandem Übles vorzuwerfen, wird der Wahrheits beweis nur mit Zustimmung des Verletzten zugelassen.

Art. 17P** Marginale: Vergehen gegen die Ehre von Behörden und Personenverbänden.

Üble Nachrede, Verleumdung und Beschimpfung sind auch strafbar, wenn sie sich gegen eine Behörde oder einen Personenverband richten.

Art. 217 Absatz 1. Wer aus bösem Willen, aus Arbeitsscheu oder aus Liederlichkeit die familienreohtlichen Unterhalts- oder Unterstützungspflichten gegenüber seinen Angehörigen oder gegenüber dem geschiedenen Ehegatten nicht erfüllt, Art. 266 Ziffer 2, Absatz 2 (neu). In schweren Fällen kann auf lebenslängliches Zuchthaus erkannt werden.

1302 Ari. 266bis.

Marginale: Unterstützung der gegen die Sicherheit der Schweiz gerichteten ausländischen Unternehmungen und Bestrebungen.

Wer in der Absicht, ausländische, gegen die Sicherheit der Schweiz gerichtete Unternehmungen oder Bestrebungen zu unterstützen, mit einem fremden Staat oder mit ausländischen Parteien oder mit andern Organisationen im Ausland oder mit ihren Agenten in Verbindung tritt, unwahre oder entstellende Behauptungen aufstellt oder verbreitet, wird mit Gefängnis bis zu fünf Jahren bestraft.

In schweren Fällen kann auf Zuchthaus erkannt werden.

Art. 272

Ziffer 1. Wer im Interesse eines fremden Staates oder einer ausländischen Partei oder einer andern Organisation des Auslandes zum Nachteil der Schweiz oder ihrer Angehörigen, Einwohner oder Organisationen politischen Nachrichtendienst betreibt oder einen solchen Dienst einrichtet, wer für solche Dienste anwirbt oder ihnen Vorschub leistet, wird mit Gefängnis bestraft.

Art. 274

Ziffer l, Absatz 4 (neu). In schweren Fällen kann auf Zuchthaus erkannt werden.

.

Art. 275 Marginale: Angriffe auf die verfassungsmässige Ordnung.

.

Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist, die verfassungsmässige Ordnung der Eidgenossenschaft oder der Kantone rechtswidrig zu stören oder zu ändern, wird mit Gefängnis bis eu fünf Jahren bestraft.

Art. 275bis Marginale : Staatsgefährliche Propaganda.

Wer eine Propaganda betreibt, die darauf gerichtet ist, die verfassungsmässige Ordnung der Eidgenossenschaft oder der Kantone rechtswidrig zu stören oder zu ändern, wer einer solchen Propaganda, insbesondere des Auslandes, Vorschub leistet, wird m i t Gefängnis oder m i t Busse bestraft.

.

.

.

· .

,

.

Art. 275ter (bisher Art. 275)

Marginale: Rechtswidrige Vereinigung.

Wer eine Vereinigung gründet, die; bezweckt oder deren Tätigkeit darauf gerichtet ist, Handlungen vorzunehmen, die gemäss Artikel 265, 266, ; 266bis 271 bis 274, 275 und 275bis mit Strafe bedroht sind, .

1303 wer einer solchen Vereinigung beitritt oder sich an ihren Bestrebungen beteiligt, wer zur Bildung solcher Vereinigungen auffordert oder deren Weisungen befolgt, wird mit Gefängnis bestraft.

Art. 285 Ziffer 1. Wer eine Behörde, ein Mitglied einer Behörde oder einen Beamten durch Gewalt oder Drohung an einer Handlung, die innerhalb ihrer Amtsbefugnisse liegt, hindert, zu einer Amtshandlung nötigt oder während einer Amtshandlung tätlich angreift, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

Art. 286 Wer eine Behörde, ein Mitglied einer Behörde oder einen Beamten an einer Handlung hindert, die innerhalb ihrer Amtsbefugnisse liegt, wird mit Gefängnis bis zu einem Monat oder mit Busse bestraft.

Art. 296 Wer einen fremden Staat in der Person seines Oberhauptes, in seiner Eegierung oder in der Person seines diplomatischen Vertreters oder eines seiner offiziellen Delegierten an einer in der Schweiz tagenden diplomatischen Konferenz oder eines seiner offiziellen Vertreter bei einer in der Schweiz niedergelassenen oder tagenden zwischenstaatlichen Organisation oder Abteilung einer solchen öffentlich beleidigt, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

Art. 297 Marginale: Beleidigung zwischenstaatlicher Organisationen.

Wer eine in der Schweiz niedergelassene oder tagende zwischenstaatliche Organisation oder Abteilung einer solchen in der Person eines ihrer offiziellen Vertreter öffentlich beleidigt, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft, Art. 302 Absatz 2. Der Bundesrat ordnet die Verfolgung nur an, wenn in den Fällen des Artikels 296 die Regierung des fremden Staates und in den Fällen des Artikels 297 ein Organ der zwischenstaatlichen Organisation das Ersuchen auf Strafverfolgung stellt. In Zeiten aktiven Dienstes kann er die Verfolgung auch ohne ein solches Ersuclien anordnen.

Art, 327 Marginale: Nachmachen und Nachahmen von Papiergeld, Banknoten und amtlichen Wertzeichen ohne Fälschungsabsicht.

Ziffer 1. Wer, ohne die Absicht zu fälschen, insbesondere zum Scherz oder zur Beklaine, Papiergeld, Banknoten oder amtliche Wertzeichen des In- oder Auslandes nachmacht oder nachahmt,

1304 wer solche Gegenstände einführt,, feilhält oder in Verkehr bringt, wird mit Haft oder mit Busse bestraft.

Ziffer 2. Vorbehalten bleibt die Wiedergabe von Papiergeld, Banknoten und amtlichen Wertzeichen für amtliche oder wissenschaftliche Zwecke mit schriftlicher Zustimmung der zuständigen Ausgabestelle.

Ziffer 3. Die nachgemachten oder nachgeahmten Gegenstände werden eingezogen.

Art. 341 Lit. 6. Aufruhr und Gewalttat gegen die Bundesbehörden: Art. 363 Absatz 2. An Privatpersonen dürfen keine Auszüge aus dem Strafregister abgegeben werden. Jedermann hat jedoch das Eecht, Begisterauszüge, die seine Person betreffen, zu verlangen. Diese Auszüge dürfen keine Massnahmen und Strafen enthalten, die gemäss Artikel 91 bis 97 verhängt worden sind.

Absatz 2Ws. Der Bundesrat ist befugt, für Registerauszüge, die zu besondern Zwecken ausgestellt werden, einschränkende Bestimmungen aufzustellen.

Art. 396 Absatz 1. Durch Begnadigung können alle durch rechtskräftiges Urteil auferlegten Strafen sowie die Veröffentlichung des Urteils ganz oder teilweise erlassen oder die Strafen in mildere Straf arten umgewandelt werden.

II.

Artikel 8 des Bundesgesetzes vom 26. März 1934*) über die politischen und polizeilichen Garantien zugunsten der Eidgenossenschaft wird durch folgende Bestimmung ergänzt: Absatz 2Ws. Diese Straftaten werden von Amtes wegen verfolgt, sobald die angegriffene Person oder Behörde die Ermächtigung erteilt hat.

III.

Der Bundesratsbeschluss vom 29. Oktober 1948**) betreffend Verstärkung des Staatsschutzes wird aufgehoben.

Dieses Gesetz tritt am *) AS 50, 509.

**) AS 1948, 1075.

8579

.

IV.

1949 in Kraft.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über eine Teilrevision des Schweizerischen Strafgesetzbuches (Vom 20. Juni 1949)

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