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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zu den zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Polen abgeschlossenen Abkommen betreifend den Warenaustausch und den Zahlungsverkehr sowie die Entschädigung der schweizerischen Interessen in Polen (Vom 7. Oktober 1949)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Am 25. Juni 1949 sind ein Abkommen zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Polen betreffend den Warenaustausch und den Zahlungsverkehr und ein Abkommen zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft und der Eepublik Polen betreffend die Entschädigung der schweizerischen Interessen in Polen unter Eatifikationsvorbehalt unterzeichnet worden. Wir beehren uns, Ihnen diese Abkommen mit folgenden Erläuterungen aur Genehmigung zu unterbreiten.

Die Verhandlungen, die zum Abschluss der erwähnten Abkommen führten, hatten zum Zweck, alle zwischen der Schweiz und Polen ungelösten wirtschaftlichen und finanziellen Probleme, vor allem aber die Frage der Entschädigung der von den polnischen Nationalisierungsmassnahmen betroffenen schweizerischen Interessen zu regeln. Die getroffene Lösung lässt sich besser würdigen, wenn sie im Zusammenhang mit der Entwicklung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern betrachtet wird, weshalb wir einen entsprechenden Überblick voranstellen.

I. Die Vorkriegszeit Die wirtschaftliehen Beziehungen zwischen der Schweiz und Polen zeigten vor dem Krieg ein ähnliches Bild wie diejenigen zu den andern Staaten Ostund Südosteuropas. Der Warenverkehr wurde sofort nach dem ersten Weltkrieg mit dem wiedererstandenen Polen aufgenommen. Er entwickelte sich

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rasch, wie sich aus der Handelsstatistik ergibt. Schon im Jahre 1920 waren Ausfuhren im Wert von 24,3 Millionen Franken möglich. 1924 erhöhte sieh der Export auf 80,5 Millionen Franken, um dann 1927 83,3, 1928 48,8 und 1929 48,3 Millionen Franken zu erreichen. Diese Zahlen stellen im Hinblick auf die damaligen Warenpreise erhebliche Werte dar. Der Export im Jahre 1928 entsprach einem Anteil von 2,8 % an der gesamten schweizerischen Ausfuhr. Das Interesse der beiden Staaten an einem intensiven gegenseitigen Warenverkehr fand im Abschluss verschiedener Vereinbarungen seinen Ausdruck.

Arn 26. Juni 1922 wurde eine Handelsübereinkunft unterzeichnet. Ihr folgten am 3. Februar 1934 die ersten Vereinbarungen über Zollbindungen.

Zu Beginn der dreissiger Jahre trat eine Wendung ein. Polen führte im Zusammenhang mit der Weltwirtschaftskrise die Devisenbewirtschaftung ein, was schweizerische Gegenmassnahmen hervorrief und den Abschluss verschiedener Abkommen über den Waren- und Finanzzahlungsverkehr erforderlich inachte. Der Warenverkehr ging stark zurück. Der Export sank 1932 auf 12,5 Millionen Franken, um sich erst später, im Jahre 1937 auf 15,6 und 1988 auf 22,5 Millionen Franken zu erholen. Immerhin behauptete Polen auch in den Krisenjahren einen verhältnismässig erheblichen Anteil an der gesamten schweizerischen Ausfuhr; er betrug im Durchschnitt 1,5 %.

Die Bedeutung der schweizerisch-polnischen Wirtschaftsbeziehungen lässt sich aber aus den Zahlen der Handelsstatistik allein nicht ersehen, weil sie die erheblichen finanziellen Beiträge, die schweizerischerseits zur Entwicklung der polnischen Wirtschaft geleistet wurden, nicht zum Ausdruck bringen können.

Privatgläubiger zeichneten namhafte Beträge öffentlicher Anleihen. Verschiedene schweizerische Unternehmungen gründeten eigene Betriebe in Polen oder trugen durch grosse finanzielle Beteiligungen zur Errichtung solcher neuer Unternehmungen bei. Schweizerisches Kapital war vor allem in der Maschinenindustrie, der Lebensmittelindustrie, der chemischen Industrie, der Textilund Ausrüstungsindustrie und in grossem Umfang in der Elektrizitätsindustrie beteiligt. In zahlreichen Fällen handelte es sich um den Ausbau von Investitionen, die schon in der Zeit vor dem ersten. Weltkrieg, vor allem in den Gebieten, die damals zu Bussland gehörten, erfolgt waren.
Durch den Ausbruch des Krieges im Herbst 1989 wurden die wirtschaftlichen Beziehungen mit Polen vollständig unterbrochen. Sie konnten erst zu Beginn des Jahres 1946 wieder hergestellt werden. Wenn es sich dabei auch rechtlich nur um die Wiederaufnahme eines zeitweilig unterbrochenen wirtschaftlichen Verkehrs handelte, da die politischen Beziehungen zwischen der Schweiz und Polen nie abgebrochen worden waren und auch alle vor dem Krieg abgeschlossenen Vereinbarungen, insbesondere die Handelsübereinkunft vom 26. Juni 1922 weiter in Kraft blieben, so ist doch nicht zu übersehen, dass praktisch Beziehungen mit einem Staat aufgenommen wurden, der sich vom Vorkriegspolen, namentlich in wirtschaftlicher Hinsicht wesentlich unterscheidet. Das Gebiet Polens hat sich vom Osten nach Westen verschoben.

Diese Grenzveränderung brachte eine Steigerung der wirtschaftlichen Möglich-

619 keiten Polens mit sich, weil die im Westen neu hinzugekommenen Gebiete industriell stark entwickelt sind. Weite Gebiete des heutigen Polens haben aber durch den Krieg ausserordentlich gelitten; die Bevölkerung ist von 35 auf 24 Millionen gesunken. Es waren aber nicht nur die grossen Gebietsveränderungen und die starken Zerstörungen durch den Krieg, die aus Polen ein verändertes wirtschaftliches Gebilde machten, sondern auch die Urnstellung auf eine straffe Planwirtschaft mit vorherrschendem staatlichen Einfluss.

Der Reichtum Polens besteht hauptsächlich in seinen grossen Kohlenvorkommen, die es ihm ermöglicht haben, der bedeutendste Kohlenexporteur Europas zu werden. Daneben sind die Schwerindustrie und die Textilindustrie von Bedeutung, ohne die Landwirtschaft ausser acht zu lassen, die von jeher leistungsfähig war und einen wichtigen Zweig des polnischen Exportes bildete.

u. Die Handelsbeziehungen in den vergangenen Jahren Die ersten Verhandlungen nach dem Krieg fanden zu Beginn des Jahres 1946 statt. Polen hoffte dabei bedeutende finanzielle Hilfe für seinen Wieder^ aufbau zu erhalten. Als Gegenleistung konnte Polen Kohlen anbieten, für die es gleichzeitig sichere Absatzgebiete suchte. Die Schweiz war damals auf Kohlenlieferungen angewiesen.

Das am 4. März 1946 abgeschlossene Abkommen räumte Polen die Möglichkeit ein, in den folgenden 5 Jahren Kohlen im Umfange eines Viertels des schweizerischen Bedarfs zu liefern. Für eine Million Tonnen wurde sofort ein fester Kaufvertrag abgeschlossen und Polen ermöglicht, für den Gegenwert von rund 40 Millionen Franken unverzüglich Bestellungen in der Schweiz zu vergeben. Die schweizerischen Exporteure mussten mit erheblichen Wartefristen für die Auszahlung der Fälligkeiten dieser Bestellungen rechnen. Sie waren aber bereit, diese in Verbindung mit der zugesicherten Exportrisikogarantie auf sich zu nehmen. Mit diesem System wollte die Schweiz dem polnischen Bedürfnis um Vorleistungen entgegenkommen, ohne dass der Bund finanziell direkt belastet wurde. Zur Erleichterung des übrigen Verkehrs gewährte die Schweiz einen Clearingvorschuss von 5 Millionen Franken. Ausserdem wurde eine gewisse Quote an freien Devisen zugestanden.

Der Verkehr nahm nach anfänglichen Schwierigkeiten einen erfreulichen Verlauf. Die Kohlen konnten zwar wegen des Mangels an
Eisenbahnwagen nicht ganz fristgemäss geliefert werden. Polen rückte aber, nicht zuletzt auch infolge der ganz besonderen Lage auf dem Kohlenmarkt, vorübergehend doch bald an die zweite Stelle der Kohlenlieferanten der Schweiz. Der übrige Warenverkehr entwickelte sich langsam. Das vereinbarte besondere Vorleistungssystem konnte sich dagegen nicht richtig auswirken, weil Polen mit der Ausnutzung des eingeräumten Bestellungsvolumens von 40 Millionen Franken zu lange zögerte und später seine Bestellungen auf Waren mit besonders langen Lieferfristen konzentrierte. Die Clearingmittel reichten deshalb aus, um alle Fähigkeiten sofort zu begleichen, so dass die als schweizerische Konzession

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gedachten Wartefristen gar nicht eintraten. Es liefen sogar im Clearing Mittel auf, die nicht sofort verwendbar waren.

In den Verhandlungen vom Mai/Juni 1947 wurde Polen eine neue Tranche zur Bestellung von Investitionsgütern im Umfang von 60 Millionen Franken eingeräumt und in einem gewissen Umfang die Bezahlung ausländischer Waren über den Clearing vorgesehen. Damit sollte die Blockierung von Mitteln verhindert werden. Die Schweiz erklärte sich ferner bereit, jedes Halbjahr die den Betrag von einer Million Franken übersteigende Summe auf dem Konto B, das für den Finanztransfer geschaffen worden war, provisorisch auf das Konto für den Warenzahlungsverkehr übertragen zu lassen, soweit die Mittel nicht für die vorgesehenen Zahlungen verwendet werden konnton.

Trotz diesen Erleichterungen, die zu einem befriedigenden Funktionieren des Abkommens hätten führen können, wonn von seiten Polens nicht weiterhin mit der Vergebung von Bestellungen in der Schweiz gezögert worden wäre, wollten die polnischen Behörden nach kurzer Zeit das vereinbarte System wieder ändern. Schon im JSTovember des gleichen Jahres verlangten sie neue Verhandlungen, in denen dann auf polnisches Begehren das besondere Vorleistungssystem fallengelassen wurde. Polen wünschte über die Clearingmittel freier verfügen zu können. Als dies im Hinblick darauf, dass Polen seinen Verpflichtungen in bezug auf den Finanztransfer und die Entschädigung für die Nationalisierungsmassnahmen noch nicht nachgekommen war, abgelehnt wurde, machte Polen weitere Kohlenlieferungen, auf die die Schweiz damals noch angewiesen war, von der Einräumung einer viel grösseren Devisenspitze abhängig. Die Schweiz musste unter den gegebenen Umständen diesem polnischen Begehren entgegenkommen. Diese im Dezember 1947 getroffenen Vereinbarungen, die eine günstige Regelung für Polen bildeten, wirkten sich wieder nicht im erwarteten Sinne aus, da sich im Frühjahr 1948, früher als vorausgesehen, die Lage auf dem schweizerischen Kohlenmarkt entscheidend änderte. Die polnischen Kohlen wurden zu den angebotenen Bedingungen nicht mehr übernommen, weil die Verbraucher wieder Kohlen anderer Herkunft in den gewünschten Qualitäten zu günstigeren Preisen erhielten. Die Einfuhr polnischer Kohlen ging stark zurück, was zur Folge hatte, dass Polen von dem eingeräumten weitgehenden
Eecht zum Bezug freier Devisen fast keinen Gebrauch machen konnte. Die Clearingmittel inussten beinahe restlos zur Erfüllung der polnischen Verpflichtungen gegenüber schweizerischen Lieferanten verwendet werden. Die Polnische Nationalbank war zeitweise sogar gezwungen, zur Deckung solcher Verpflichtungen freie Devisen in das Clearing einzuschiessen.

Der Verkehr mit Polen war, wie diese Ausführungen zeigten, durch das Auftreten ständig neuer Schwierigkeiten gekennzeichnet. Trotzdem kann das bisherige Ergebnis -- wenn auf den Warenverkehr allein abgestellt wird -- als erfreulich bezeichnet werden. Die Schweiz erhielt in der schwierigsten Zeit nicht nur namhafte Kohlenlieferungen, die zur Besserung der Versorgung entscheidend beitrugen, sondern Polen hat auch in den vergangenen Jahren in

621 der Schweiz für nahezu 200 Millionen Franken Käufe getätigt und Bestellungen vergeben und die sich daraus ergebenden finanziellen Verpflichtungen erfüllt.

Zu Beginn der Verhandlungen, welche zum Abschlags der Ihnen jetzt zur Genehmigung unterbreiteten Vereinbarungen führten, war im Warenverkehr eigentlich der Zustand erreicht, den beide Länder in den Verhandlungen der letzten Jahre anstrebten. Im Clearing lagen keine Mittel brach, und Polen hatte unter Berücksichtigung seiner Lieferfähigkeit im höchstmöglichen Umfang Bestellungen in der Schweiz vergeben können. Die polnischen Bestellungen betrafen allerdings zum grossen Teil nur Waren, die für die wirtschaftliche Wiederaufrichtung des Landes notwendig waren, was in Anbetracht der grossen Zerstörungen begreiflich war und von der Schweiz im Sinne eines Beitrages an den Wiederaufbau Polens zugestanden wurde. Eine bessere Verteilung der polnischen Bestellungen auf die verschiedenen in Frage kommenden Warenkategorien bildete unter diesen Umständen in den neuesten Verhandlungen das dringendste schweizerische Postulat im Warenverkehr.

Besondere Aufmerksamkeit erheischt zur Zeit der Absatz der polnischen Kohlen in der Schweiz. Die Kohlenlieferungen, die in den vergangenen Jahren wertmässig mehr als zwei Drittel des polnischen Exportes nach der Schweiz ausmachten, bilden die Grundlage des Warenaustausches zwischen den beiden Ländern. Die rückläufige Bewegung in der letzten Zeit ist deshalb für den zukünftigen Warenverkehr von schwerwiegender Bedeutung.

in. Die früheren Besprechungen über das Nationalisierangsproblem und die andern Fragen der Vergangenheit.

In allen mit den polnischen Delegationen in den vergangenen Jahren geführten Verhandlungen wurde immer wieder auf die Bedeutung der andern Probleme hingewiesen, d. h. auf die Frage der Entschädigung für die polnischen Nationalisierungsmassnahmen, für die Munizipalisierung der Grundstücke in Warschau, für die Agrarreform und die von Rückwanderern verlassenen Güter, sowie auf die Wiederaufnahme des Zinsendienstes für die polnischen Staatsschulden und die Kegelung der gegenseitigen rückständigen Verpflichtungen aus dem Waren- und Zahlungsverkehr der Vorkriegszeit.

Gewisse Zusicherungen konnten erreicht werden. Eine abschliessende Regelung war aber nicht möglich, im wesentlichen deshalb, weil sich
die Verhältnisse in Polen in dieser Beziehung im Laufe der Zeit im Sinne einer Verschärfung der Massnahmen änderten und erst in letzter Zeit eine gewisse Klärung eingetreten ist.

Schon im Laufe der ersten Verhandlungen im Frühjahr 1946 wurden die für die schweizerischen Betriebe zu gewärtigenden Auswirkungen des polnischen Nationalisierungsgesetzes vom 80. Januar 1946 besprochen. Die polnische Begierung sicherte damals die Meistbegünstigung zu und räumte den schweizerischen Interessenten das Eecht ein, ihre Betriebe in Polen zu besichtigen, alle notwendigen Auskünfte zu verlangen und den zuständigen polnischen Bundesblatt. 101. Jahrg. Bd. II.

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Stellen Vorschläge und Eingaben zu unterbreiten. In besondern, ausschliesslich dem Nationalisierungsproblem gewidmeten Verhandlungen im Herbst 1946, die am 18. Oktober 1946 zur Unterzeichnung eines ersten Protokolls führten, wurden diese Zusicherungen bestätigt und den schweizerischen Interessenten die Möglichkeit eröffnet, direkt mit den massgebenden polnischen Behörden Verhandlungen zur Herbeiführung von tragbaren Lösungen in Einzelfällen zu führen. Bald zeigte sich aber, dass diese Verhandlungen zwischen den einzelnen schweizerischen Betroffenen und den polnischen Behörden auf unüberwindbare Schwierigkeiten stiessen. Anlässlich der Verhandlungen vom Mai/Juni 1947 wurden zwar nochmals solche Verständigungen für Einzelfälle von beiden Seiten in Aussicht genommen und in einem zweiten Protokoll vom 10. Juni 1947 entsprechende Bestimmungen vereinbart. Es hat sich aber in der Folge erwiesen, dass Lösungen in Form weiterer wirtschaftlicher Betätigung von schweizerischen Interessenten in Polen nicht möglich waren und dass auch direkte Verhandlungen der schweizerischen Betroffenen mit den polnischen Behörden über die zu leistende Entschädigung zu keinem Ergebnis führten.

Polnischerseits wurde eine Begelung in Form einer Globalentschädigung angestrebt. Nach den vergeblichen Bemühungen zum Abschluss individueller Abmachungen kamen die schweizerischen Interessenten zur Überzeugung, dass tatsächlich nur auf diesem Wege mit Polen eine Lösung in absehbarer Zeit und mit einigermassen tragbarem Ergebnis herbeigeführt werden konnte.

Die Ausgangslage für solche zwischenstaatliche Verhandlungen war allerdings ungünstig, weil Polen sich auf sehr vorteilhafte Verträge mit andern Staaten berufen konnte. Diese Verträge sahen als Gegenleistung für die zu gewährenden Nationalisierungsentschädigungen Kredite vor una gaben Polen die Möglichkeit, seine Verpflichtungen durch zusätzliche Kohlenlieferungen, die erst 1951 einsetzen mussten, zu erfüllen. Die polnischen Behörden gingen davon aus, dass init der Schweiz ein Abkommen ähnlicher Art abgeschlossen werden sollte.

Ausser dem begründeten Eechtsanspruch auf angemessene Entschädigung der betroffenen schweizerischen Interessenten konnte sich die Schweiz in den Verhandlungen nur auf das offensichtliche Interesse Polens an der Aufrechterhaltung eines erspriesslichon
Warenverkehrs mit der Schweiz stützen. Es war unter diesen Umständen gegeben, diese beiden Probleme -- die Nationalisierungsentschädigung und die Begelung des künftigen Warenverkehrs -- miteinander zu verknüpfen. Die schweizerische Delegation brachte deshalb schon zu Beginn der Verhandlungen im Dezember des letzten Jahres zum Ausdruck, dass Vereinbarungen über den zukünftigen Warenverkehr nur möglich seien, wenn gleichzeitig das Nationalisierungsproblem und die andern Fragen der Vergangenheit geregelt würden.

IV. Der Inhalt der neuen Vereinbarungen Die Verhandlungen, die sieb, allerdings mit mehreren längeren Unterbrüchen, über ein halbes Jahr hinzogen, führten schliesshch zu folgendem Ergebnis:

623 Die polnische Begierung verpflichtete sich zur Zahlung einer Globalentschädigung von 58,5 Millionen Franken, die bis Ende 1963 zu bezahlen ist.

Dieser Globalbetrag wurde im Abkommen in zwei Posten aufgeteilt: eine Million Franken ist für die Entschädigung der sogenannten «verlassenen Güter» bestimmt, aus den verbleibenden 52,5 Millionen Franken sind alle übrigen schweizerischen Ansprüche abzugelten.

Aus dem für die verlassenen Güter bestimmten Betrag von einer Million Franken werden nur diejenigen schweizerischen Interessenten entschädigt, die ihre Eigentumsrechte effektiv nicht mehr ausüben können. Dort, wo den schweizerischen Eigentümern der selbständige oder unselbständige Besitz nicht verloren gegangen ist, soll an dem gegenwärtigen Zustand nichts geändert werden. Es betrifft dies vor allem, mit Ausnahme von Warschau, die Wohnhäuser und die Baugrundstücke, Bei den übrigen Fällen, die unter diese Kategorie der verlassenen Güter fallen, d, h. bei den Molkereien, Käsereien, gewerblichen und industriellen Betrieben und den landwirtschaftlichen Betrieben ist durch namentliche Aufzählung festgehalten worden, wo diese Voraussetzung des selbständigen oder unselbständigen Besitzes noch besteht. Die polnische Regierung hat Zusicherungen dafür gegeben, dass den schweizerischen Interessenten in diesen Fällen die Ausübung ihrer Eechte und der Transfer der anfallenden Miet- und Pachtzinse ermöglicht wird. Sie können mit der Wahrung ihrer Interessen einen Vertreter, und zwar auch eine schweizerische Konsularhehörde beauftragen. Wenn sie ihren Besitz liquidieren können, ist der Transfer des Erlöses möglich. Die zuständigen polnischen Behörden werden Einreisegesuche solcher Interessenten, die zur Liquidation ihrer Güter nach Polen reisen wollen, mit Wohlwollen prüfen.

Die Bezahlung der Globalentschädigung von 58,5 Millionen Franken wird durch Abspaltungen auf den bei der Schweizerischen Nationalbank erfolgenden Einzahlungen für alle in die Schweiz gelieferten polnischen Waren und andere polnische Leistungen erfolgen, wobei bei den Einzahlungen für die Kohlenimporte die Abspaltung progressiv im Verhältnis zu den gelieferten Mengen ansteigt. Wenn die Einzahlungen im Laufe eines Vertragsjahres 62,5 Millionen Franken betragen und 825 000 Tonnen Kohlen geliefert werden, ergeben dies Abspaltungen rund 4
Millionen Franken.

Die Verteilung der Entschädigung ist Sache der schweizerischen Begierung.

Nach vollständiger Bezahlung der vereinbarten Globalentschädigung gehen die Bechte der schweizerischen Interessenten unter; sie können schon nach Inkrafttreten des Abkommens nicht mehr geltend gemacht werden. Dies ergibt sich zwangsläufig aus dem Wesen der Globalentschädigung.

Diese Begelung konnte nur auf Grund folgender schweizerischer Konzessionen erreicht werden. Der Polen schon im ersten Abkommen vom März 1946 zugestandene Clearingvorschuss von 5 Millionen Franken wurde auf 7,5 Millionen Franken erhöht. Er soll beansprucht werden, wenn im Clearing nicht genügend Mittel zur Erfüllung aller polnischer Verpflichtungen vorhanden sind. Der Vorschuss ist zu verzinsen. Er muss nach Aufbebung des Abkommens

624 über den Waren- und Zahlungsverkehr innerhalb eines Jahres zurückbezahlt werden. Die Höhe dieser Clearingmarge ist dem Umfang der schweizerischen Einfuhr aus Polen, die in den letzten Jahren zwischen 60 bis 80 Millionen Franken schwankte, angemessen.

Zur Erleichterung der Vergebung von neuen interessanten Bestellungen für langfristig lieferbare Waren im Umfang von vorläufig 50 Millionen Franken wurde ferner ein Kredit von 12,5 Millionen Franken gewährt. Dieser Kredit ist ebenfalls zu verzinsen und muss nach Ablauf des 4, Vertragsjahres auf die Hälfte und auf Ende des 5. Vertragsjahres vollständig abgetragen werden.

Der laufende Warenverkehr wird im nächsten Jahr durch die Vergebung dieser neuen Investitionsbestellungen nicht beeinträchtigt, weil die Anzahlungen für die langfristigen Geschäfte aus diesem Kredit geleistet werden können.

Für alle sich aus diesen finanziellen Erleichterungen ergebenden Verpflichtungen der Polnischen Nationalbank hat die polnische Eegierung die Garantie übernommen. Sie steht ferner für die Bezahlung der erwähnten Investitionsbestellungen im Umfang von 50 Millionen Franken gut.

Im übrigen bringt das neue Abkommen über den Warenaustausch und den Zahlungsverkehr gegenüber dem bisherigen Zustand nichts neues. Der Zahlungsverkehr wird grundsätzlich in gleicher Weise fortgeführt. Das Abkommen ist auf die Dauer von 5 Jahren abgeschlossen worden und kann später auf 6 Monate gekündigt werden. Pohiischerseits wurde auf den Abschhiss einer langfristigen Vereinbarung grosser Wert gelegt. Da sich im Hinblick auf die Verpflichtungen, die sich für Polen aus dem Nationahsierungsabkommen ergeben, eine langfristige Eegelung des Waren- und Zahlungsverkehrs aufdrängte, konnte diesem polnischen Begehren entsprochen werden. Schwierigkeiten werden sich aus der langen Gültigkeitsdauer kaum ergeben, da die Warenlisten immer nur für die Dauer eines Jahres abgeschlossen werden. Die ersten Listen sind bis 30. Juni 1950 gültig. Die Liste der vorgesehenen Importe polnischer Waren enthält keine Kontingente, die sich für die schweizerische Wirtschaft störend auswirken könnten. In der Liste der schweizerischen Exporte konnte eine bessere Berücksichtigung aller in Frage kommenden Exportzweige erreicht werden. Die für die Schweiz wünschbare Gliederung weist sie allerdings noch nicht auf. Die
Bemühungen in dieser Beziehung müssen in den nächsten Jahren fortgesetzt werden.

Die abgeschlossenen Abkommen werden nur dann befriedigend funktionieren können, wenn es gelingt, jährlich im Durchschnitt etwas über 300 000 Tonnen polnische Kohlen in der Schweiz; abzusetzen. Die Lieferung der Kohlen in einem solchen Umfang stellt für Polen mengenmässig kein Problem dar.

Fraglich ist nur, ob sich die polnischen Kohlen gegenüber der sehr starken Konkurrenz aus andern Ländern preislich und qualitativ durchsetzen können.

Da die Kohlenlieferungen bei Polen wie bei keinem andern Land von ganz ausschlaggebender Bedeutung sind, ist auch in die neuen Vereinbarungen die schon im Abkommen vom 4. März 1946 gewährte Zusicherung für die Erteilung von Einfuhrbewilligungen in etwas abgeänderter Form übernommen worden.

625 Die Schweiz ist verpflichtet, Einfuhrbewilligungen für polnische Kohlen bis zu einem Viertel der schweizerischen Einfuhr in den Sorten, die die polnische Industrie exportieren kann, zu erteilen. Das in der ersten Importliste enthaltene Kontingent von 825 000 Tonnen entspricht der Menge, die der Berechnung über die Leistung der Nationalisierungsentschädigung in einem Zeitraum von 13 Jahren zugrunde liegt. Wenn in Betracht gezogen wird, dass im Jahre 1947 566 000 Tonnen und im Jahre 1948 377 000 Tonnen Kohlen aus Polen eingeführt worden sind, scheint eine jährliche Einfuhr von 325 000 Tonnen im Laufe der nächsten Jahre erreichbar. Die Verhältnisse haben sich immerhin geändert. Der Kohlenbedarf ist in der letzten Zeit ganz allgemein zurückgegangen, und die Konkurrenz anderer Länder, die sich 1947 noch nicht fühlbar machte, hat stark eingesetzt. Polen wird deshalb dafür sorgen müssen, dass seine Kohlen auf dem Schweizermarkt konkurrenzfähig sind. Es hat nicht nur ein Interesse an einem möglichst grossen Kohlenabsatz in der Schweiz, um damit seine Verpflichtungen aus dem Nationalisierungsabkommen erfüllen zu können, sondern vor allem auch deshalb, weil die Mittel zur Bezahlung der umfangreichen Investitionsbestellungen, die für den Wiederaufbau Polens wichtig sind, nur beschafft werden können, wenn genügende Einzahlungen in das Clearing erfolgen.

Die Vereinbarungen, von denen wie üblich nur die Hauptabkommen veröffentlicht worden sind, regeln noch eine Eeihe weiterer Probleme von geringerer Bedeutung. Die wichtigeren seien hier kurz erwähnt: In einem Liquidationsprotokoll sind die aus der Vorkriegszeit stammenden Vereinbarungen über den Warenzahlungsverkehr und den Finanzzahlungsverkehr aufgehoben worden. Gleichzeitig wurden die technischen Voraussetzungen für die Liquidation der noch offenen rückständigen Forderungen geschaffen. Es handelt sich dabei nicht um grosse Summen.

Aus dem alten Abkommen sind die Bestimmungen über den Transfer von Bückwandererguthaben ziemlich unverändert übernommen worden. Für die Behandlung der Kriegsschäden hat die polnische Regierung den Schweizerbürgern die Meistbegünstigung zugesichert.

Die Ihnen zur Genehmigung unterbreiteten Abkommen sollen am 15. Tag nach Austausch der Eatifikationsurkunden definitiv in Kraft treten. Es war unumgänglich, sie vom 1. Juli 1949
an provisorisch anzuwenden, weil sonst der Warenverkehr, der schon unter der langen Dauer der Verhandlungen und der Ungewissheit über deren Ausgang gelitten hat, weiter zurückgegangen wäre. Es ist aber durch gewisse Übergangsbestimmungen dafür gesorgt worden, dass vor der Genehmigung keine schwerwiegenden, nicht mehr rückgängig zu machenden Tatsachen geschaffen werden. Der Kredit von 12,5 Millionen Franken ist vor dem endgültigen Inkrafttreten nur bis zu 7,5 Millionen Franken ausnützbar, und das neue Bestellungsprogramm von vorläufig 50 Millionen Franken kann bis zum 1. Dezember 1949 nur bis zu 30 Millionen Franken ausgenützt werden.

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T. Die Würdigung des erzielten Ergebnisses Die getroffenen Vereinbarungen stellen einen Kompromiss dar.

Polen hat zwar von Anfang an anerkannt, dass es zur Entschädigung der von den Nationalisierungsmassnahmen und ähnlichen Eingriffen betroffenen schweizerischen Interessen verpflichtet sei. Zu Beginn der Verhandlungen wurden aber diese Verpflichtungen mit verschiedenen einschränkenden Voraussetzungen verknüpft. Es sollten nur Investitionen entschädigt werden, die nach Auffassung der heutigen polnischen Behörden tatsächlich der polnischen Volkswirtschaft zugute gekommen sind. Ausserdem verlangte die polnische Delegation einen Abstrich von 40 % auf dem ermittelten Wert des betroffenen schweizerischen Eigentums, entsprechend der durch den Krieg eingetretenen Verminderung des polnischen Volksvermögens. Die Zahlung sollte erst vom 1. Januar 1951 an erfolgen, weil Polen vorher dazu nicht in der Lage sei. Als Zahlungsmittel wurde eine bestimmte Menge von Kohlen angeboten mit der Begründung, dass dies der für Polen einzig mögliche Weg zur Abtragung solcher Verpflichtungen bilde. Dabei wurde erst noch die Bedingung aufgestellt, dass diese Lieferungen zusätzlich sein müssten und also erst nach den normalen Kohlenheferungen, die zur Alimentierung des laufenden Warenverkehrs dienen sollten, einsetzen könnten. Ferner wurden Kredite in der gleichen Höhe wie die Nationalisierungsentschädigung verlangt, weil es natürlich sei, dass einem ohne sein Verschulden in Schwierigkeiten geratenen Schuldner durch seine Gläubiger geholfen werde, damit er später wieder seine Verpflichtungen erfüllen könne.

Für die Schweiz waren solche Bedingungen unannehmbar. Auf Grund der anerkannten völkerrechtlichen Grundsätze wurde vollständige Entschädigung der betroffenen schweizerischen Interessen verlangt. Die Entschädigung war nach schweizerischer Auffassung sofort nach Ergreifung der betreffenden Massnahmen zu leisten, und zwar durch Zahlung von Schweizerfranken in der Schweiz. Da eine Zahlung in konvertibler Währung von vorneherein als unmöglich betrachtet werden musste, war schweizerischerseits von Anfang an die Bereitschaft zur Entgegennahme der Entschädigung in Form von Abspaltungen auf den Clearingeinzahlungen gegeben. Nach schweizerischer Auffassung hätte aber die Abspaltung so bemessen werden müssen, dass die Abtragung der
vereinbarten Entschädigung in spätestens 10 Jahren hätte erfolgen können.

Zu Beginn der Verhandlungen gingen somit die Auffassungen sehr stark auseinander. Aber nicht nur die Überbrückung dieser Gegensätze erforderte langwierige Besprechungen. Im Verlaufe der Verhandlungen zeigte sich zudem, dass die grössten Schwierigkeiten bei der Bewertung des von den polnischen Massnahmen betroffenen schweizerischen Eigentums auftauchten. Polen hatte ein Interesse daran, diese Bewertung möglichst tief anzusetzen. Die Schwierigkeiten waren aber nicht nur auf dieses polnische Bestreben zurückzuführen.

Es war ausserordentlich schwierig, Kriterien zu finden, die eine objektive

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Schätzung der betroffenen Interessen ermöglichten, denn der Übergang der enteigneten Güter an den polnischen Staat fand nicht in einer -wirtschaftlich ruhigen Zeit statt, in der eine solche Schätzung leichter möglich gewesen wäre.

Durch die territorialen Veränderungen und durch die vollständige Umgestaltung der polnischen Wirtschaft sind die Werte aller Güter, und awar für die verschiedenen Objekte in ganz verschiedener Weise stark verändert worden.

Es konnte nicht ohne weiteres auf den Vorkriegswert abgestellt werden, und die Ermittlung des Wertes, den diese Objekte unter den heutigen Verhältnissen für den polnischen Staat haben, war ausserordentlich schwierig. In einem Lande, in dem die Kosten eines Unternehmens durch verbindliche Festsetzung der Löhne und Eohstoffpreise weitgehend durch den Staat bestimmt werden, wo die Geschäftstätigkeit entscheidend durch staatliche Vorschriften beeinflusst wird und der Geschäftsgewinn durch die Festsetzung der Verkaufspreise und andere noch eingreifendere Massnahmen auf die vom Staat gewünschte Höhe gebracht werden kann, sind die in der Schweiz zur Ermittlung des Wertes eines Unternehmens gültigen Regeln nur beschränkt anwendbar. Die Uberbrückung der Bewertungsdifferenzen war am Schluss nur durch Aufteilung des umstrittenen Betrages möglich.

Die endgültig festgesetzte Globalentschädigung entspricht nicht dem vollen Wert der betroffenen schweizerischen Interessen, Wie hoch die in Kauf genommenen Einbussen zu bewerten sind, ist schwer abzuschätzen, zumal die Gesamtsumme der ursprünglich von den schweizerischen Interessenten geltend gemachten Ansprüche viel zu hoch war, weil sie das Ausmass der Kriegsschäden nicht genau kannten und auch die übrigen Einwirkungen auf den Wert der Unternehmungen von Anfang an nicht ohne weiteres erkennbar waren. Die schweizerische Delegation ist während den Verhandlungen immer mit den wichtigsten schweizerischen Interessenten in Verbindung geblieben. Diese gaben sich Eechenschaft darüber, dass sie in Anbetracht der Verhältnisse in Einzelverhändlungen zweifellos nicht das jetzt erreichte Ergebnis hätten erzielen können. Unter diesen Umständen nahm die schweizerische Delegation die schliesslich vereinbarte Globalentschädigung an. Die in Kauf genommenen Verluste sind gross. Es muss aber berücksichtigt werden, dass sie direkt oder
indirekt doch Folge des Krieges sind, der Polen wie kaum ein zweites Land heimgesucht hat. Die betroffenen schweizerischen Interessenten sind sich bewusst, dass die Vereinbarungen nur deshalb zustande gekommen sind, weil die Schweiz in anderer Beziehung erhebliche Konzessionen gemacht hat, die vor allem in der Gewährung der erwähnten Kredite ihren Ausdruck finden.

Erfreulich an den Vereinbarungen ist die Tatsache, dass damit ein Weg gefunden worden ist, um alle zwischen der Schweiz und Polen noch unge lösten wirtschaftlichen Probleme zu regem. Die neuen Vereinbarungen bilden die Grundlage für eine erspriessliche Entwicklung der künftigen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Schweiz und Polen, die trotz der verschiedenen wirtschaftlichen Struktur der beiden Staaten möglich scheint.

628 VI. Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen der Abkommen 1. Abkommen betreffend

den Warenaustausch und den Zahlungsverkehr

Die ersten drei Artikel regeln in üblicher Weise das Verfahren für den Warenaustausch, Die Warenlisten sollen jeweils für die Dauer eines Jahres erstellt werden. Die Bestimmungen über die Erteilung der Ein- und Ausfuhrbewilligungen entsprechen der normalen Regelung.

Artikel 4 enthält den Katalog für die über das Clearing zulässigen Zahlungen. Er weist die auch mit andern Staaten geltende Gliederung auf.

Aus den Artikeln 5 und 6 geht hervor, dass das Clearing wie bisher nur in Schweizerfranken geführt wird.

Im Eahmen des in Artikel 7 erwähnten Kontos A wird für die Abwicklung der neuen Investitionsbestellungen im Umfange von 50 Millionen Pranken ein Unterkonto P geschaffen, auf das auch der erwähnte Investitionskredit von 12,5 Millionen Franken im Bedarfsfalle eingeschossen wird.

Artikel 8 ergänzt die in den Artikeln 5 und 6 enthaltenen Bestimmungen über das Funktionieren des Clearings.

Die unter Ziffer III in den Artikeln 10 bis 13 zusammengefassten verschiedenen Bestimmungen bedürfen keiner Erläuterungen. Das Abkommen ist gestützt auf den Zollunionsvertrag vom 29. März 1928 auch auf das Fürstentum Liechtenstein anwendbar.

2. Abicommen über die Entschädigung der schweizerischen Interessen in Polen Die Technik der getroffenen Eegelung entspricht in grossen Zügen dem System des Nationalisierungsabkommens zwischen der Schweiz und Jugoslawien vom 27. September 1948. Wir gestatten uns deshalb, für das Wesen der Globalentschädigung und die rechtlichen Voraussetzungen und Konsequenzen der getroffenen Eegelung auf die ausführlichen Erläuterungen unter Ziffer IV der Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 29. Oktober 1948 betreffend einen Handelsvertrag,, ein Abkommen über den Warenaustausch und den Zahlungsverkehr und ein Nationahsierungsabkommen zwischen der Schweiz und Jugoslawien zu verweisen. Zu den einzelnen Artikeln des Nationalisierungsabkommens mit Polen geben wir folgende Erläuterungen: Artikel l definiert die schweizerischen Interessen, die unter die Globalentschädigung von 52,5 Millionen Franken fallen. In einem nicht veröffentlichten Protokoll ist festgehalten worden, dass sich die polnische Eegierung in Ergänzung zu Ziffer l verpflichtet, den polnischen öffentlichen Unternehmungen den Gebrauch von Patenten, Fabrik- und Handelsmarken und Firmennamen schweizerischer
Unternehmungen ohne deren Einverständnis nicht zu gestattem Unter die Globalentschädigung fallen auch die Schweizern gehörenden Grundstücke in Warschau, die munizipalisiert worden sind. Die schweizerischen Ansprüche gegen Banken, die nicht nationalisiert wurden, können gemäss der im Liquidationsprotokoll vorgesehenen Eegelung geltend gemacht werden.

629 Artikel 2 stellt fest, dass nach vollständiger Bezahlung der Entschädigung die damit abgegoltenen Eechte untergehen und dass diese Ansprüche schon nach Inkrafttreten des Abkommens nicht mehr geltend gemacht werden können.

Die erfassten Ansprüche sind in einer nicht veröffentlichten Zusammenstellung umschrieben worden, ohne dass diese namentliche Aufzählung abschliessenden Charakter hätte. Allfällige Ansprüche des polnischen Staates gegen die entschädigten schweizerischen Interessenten gehen ebenfalls unter, weil die vereinbarte Summe als Nettoentschädigung zu betrachten ist.

Artikel 3 nennt die für die sogenannten verlassenen" Güter festgesetzte Globalentschädigung von einer Million Franken und definiert, was unter diese Globalentschädigung fällt und welche Objekte davon ausgenommen sind.

Durch namentliche Ausscheidung sind die nicht erfassten schweizerischen Betriebe genau umschrieben worden.

Artikel 4 gibt den schweizerischen Eigentümern, die nicht in Polen wohnen, das Eecht, die Verwaltung ihrer Güter einem Vertreter zu übertragen. Als Vertreter können auch schweizerische Konsularbehörden in Polen tätig sein.

Artikel 5 enthält die Zusicherung für den Transfer des Erlöses von später liquidierten Gütern, Artikel 6 stellt in gleicher Weise wie Artikel 2 fest, dass nach vollständiger Bezahlung der Globalentschädigung die abgegoltenen Eechte untergehen und dass diese schon nach Inkrafttreten des Abkommens nicht mehr geltend gemacht werden können.

Artikel 7 enthält den Grundsatz, dass die Globalentschädigung bis Ende 1968 bezahlt werden soll. Da die Bezahlung aber in Form der erwähnten Abspaltung von den Clearingeinzahlungen geschieht, hängt die Dauer der Abzahlung der Globalentschädigung vom Umfang des Warenverkehrs ab.

Gemäss Artikel 8 hat die Verteilung der Globalentschädigung ausschliesslich durch die schweizerische Regierung zu erfolgen. Für die erlittenen Verluste können die schweizerische und die polnische Regierung nicht verantwortlich gemacht werden. Es liegt dies im Wesen der getroffenen Regelung.

Artikel 9 umschreibt in Anlehnung au die Eegeln des Völkerrechts die Eigenschaften, die ein Anspruchsberechtigter aufweisen muss.

Artikel 10 stellt fest, dass die ehemaligen schweizerischen Eigentümer von den Verpflichtungen, die auf den von den polnischen Massnahmen betroffenen Objekten
lasteten, befreit werden, da diese Lasten bei der Bewertung der Objekte berücksichtigt worden sind.

Gemäss Artikel 11 ist die polnische Regierung zur Rechtshilfe für die Abklärungen, die bei der Verteilung der Globalentschädigung vorgenommen werden müssen, verpflichtet, Artikel 12 über die Erleichterung von Erbschaftsliquidationeu ist vor allem für die sogenannten verlassenen Güter von Bedeutung.

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Artikel 13 erwähnt den Grundsatz, dass polnische Massnahmen, die nach der Unterzeichnung dieses Abkommens ergriffen werden, nicht von seinen Bestimmungen erfasst werden können.

Nach Artikel 14 gilt das Nationalisierungsabkommen auch für das Fürstentum Liechtenstein. Es ergibt sich dies sinngemäss aus dem Zollunionsvertrag vom 29. März 1923.

Gestützt auf diese Ausführungen beantragen wir Ihnen, die mit Polen abgeschlossenen Abkommen zu genehmigen. Die beiden Vereinbarungen bilden, wie aus unsern Ausführungen hervorgeht, ein Ganzes, so dass sie gesamthaft genehmigt oder abgelehnt werden sollten.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 7.Oktober 1949.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates,

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Der Vizepräsident: Max Petitpierre Der Bundeskanzler: Leimgruber

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zu den zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Polen abgeschlossenen Abkommen betreffend den Warenaustausch und den Zahlungsverkehr sowie die Entschädigung der schweizerischen...

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Bundesblatt

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Feuille fédérale

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Foglio federale

Jahr

1949

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

41

Cahier Numero Geschäftsnummer

5697

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

13.10.1949

Date Data Seite

617-630

Page Pagina Ref. No

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