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Bundesblatt 101. Jahrgang

Bern, den.31. März 1949

Band I

Erscheint wöchentlich. Preis SS Franken im Jahr, 15 Franken im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr 50 Rappen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko an Stämpfli & Cie. in Bern

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung des Artikels 2bis der Verfassung des Kantons Graubünden (Ableitung von Wasser zur Energiegewinnung in andere Kantone) (Vom 28. März 1949) Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Gewährleistung des Artikels 2bis der Verfassung des Kantons Graubünden zu unterbreiten.

L In der Abstimmung vom 23. Januar 1949 nahm das Volk des Kantons Graubünden mit 18 965 gegen 18 264 Stimmen folgende neue Bestimmung als Artikel 2bis in die Kantonsverfassung auf: «Der Zustimmung durch das Volk bedürfen Wasserrechtsverleihungen und interkantonale Verträge, nach welchen zum Zwecke der Energiegewinnung Wasser in andere Kantone abgeleitet oder Stauraum für ausserkantonale Werke zur Verfügung gestellt werden soll.

Der Grosse Bat hat solche Verleihungen und Verträge zuhanden der Volksabstimmung zu begutachten.» Diese Bestimmung beruhte auf einem am 29. September 1948 eingereichten, von 12008 Unterschriften unterstützten Volksbegehren «für Sicherung und Ausbau der Wasserkräfte des Kantons Graubünden». Dieses enthält ausser dem hier wiedergegebenen Text noch einen dritten Absatz, der dem neuen Artikel auf den 1. Januar 1948 rückwirkende Kraft verleihen sollte.

Da Artikel 54 der Kantonsverfassung für das Zustandekommen einer Initiative 5000 gültige Unterschriften verlangt, stellte der Kleine Bat mit Bundesblatt

101.Jahrg. Bd. I.

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Beschluss vom 15. Oktober 1948 ihr Zustandekommen fest. In seiner Botschaft an den Grossen Eat vom 12. November 1948 empfahl er die Ablehnung der Verfassungsinitiative. Neben andern Gründen machte er geltend, dass die Eückwirkungsklausel unstatthaft sei. Hierauf erklärte das Initiativkomitee in einem an das Bureau des Grossen Eates gerichteten Schreiben vom 25. November 1948, dass es die Bückwirkungsklausel fallen lasse. Der Grosse Eat behandelte die so gekürzte Initiative am 2. und S. Dezember 1948 und beschloss mit 55 gegen 40 Stimmen, sie dem Volk zur Annahme zu empfehlen. Nach der Volksabstimmung vom 23. Januar 1949 erklärte der Kleine Eat den Artikel 2We der Kantousverfassung als angenommen (Amtsblatt des Kantons Graubünden vom 28. Januar 1949). Mit Schreiben vom 4. Februar 1949 sucht er auf Grund der Artikel 5. 6 und 85, Ziffer 7, der Bundesverfassung um Gewährleistung der neuen Bestimmung der Kantonsverfassung nach.

II.

Gemäss Artikel 6, Absatz 2, BV übernimmt der Bund die Gewährleistimg von Kantonsverfassungen insofern a. sie nichts den Vorschriften der Bundesverfassung Zuwiderlaufendes enthalten; b. sie die Ausübung der politischen Rechte nach republikanischen (repräsentativen oder demokratischen) Formen sichern; c. sie vom Volke angenommen worden sind und revidiert werden können, wenn die absolute Mehrheit der Bürger es verlangt.

Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, muss die Gewährleistung erteilt, andernfalls muss sie verweigert werden.

Nach geltendem kantonalem Becht sind die öffentlichen Gewässer Eigentum der Gemeinden, auf deren Gebiet sie sich befinden (Art. l KWEG und Art. 149 ff. EG zum ZGB) ; für die Erstellung einer Wasserwerkanlage ist daher die Konzession der Territorialgemeinde erforderlich ; diese bedarf aber zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung des Kleinen Eates (Art. 4, Abs. l und 3, KWEG).

Nach der neuen Vorschrift hingegen bedürfen Wasserrechtsverleihungen und interkantonale Verträge, nach welchen zum Zwecke der Energieerzeugung Wasser in andere Kantone abgeleitet oder Stauraum für ausserkantonalé Werke zur Verfügung gestellt werden soll, der Zustimmung durch das Volk.

In dieser Begelung hegt zweifellos eine Erweiterung der dem Volk vorbehaltenen Befugnisse. Von einer G e f ä h r d u n g der Ausübung politischer Volksrechte nach republikanischen und demokratischen Formen (im Sinne von Art. 6, Abs. 2, ht, &, BV) kann deshalb nicht die Eede sein.

Auch die in der Bundesverfassung (Art. 6, Abs. 2, lit. c) aufgestellten Erfordernisse der Annahme durch das Volk und der E e v i d i e r b a r k e i t sind erfüllt.

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III.

Dagegen fragt es sich, ob die neue Vorschrift etwas der Bundesverfassung Zuwiderlaufendes im Sinne von Artikel 6, Absatz 2, lit. a, BV enthalte. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung könnte man zur Annahme geneigt sein, die Gewährleistung dürfe nur versagt werden, wenn die kantonale Vorschrift unmittelbar gegen die Bundesverfassung verstösst. Man ist aber in der Praxis und in der Theorie einig darin, dass sie auch dann nicht erteilt werden darf, wenn jene Vorschrift nur einem Bundesgesetz zuwiderläuft (Burckhardt, Kommentar S. 64). Auch darin liegt -- obschon nur mittelbar -- eine Verletzung der Bundesverfassung. Verletzt ist in einem solchen Fall Artikel 2 der Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung, aus welchem sich ergibt, dass kantonale Verfassungen und Gesetze schon dann ungültig sind, wenn sie mit einem in der Verfassung in Aussicht genommenen Bundesgesetz im Widerspruch stehen. Der Grundsatz «Bundesrecht bricht kantonales Eecht» ist hier ganz allgemein festgelegt. Die Gewährleistung hängt also auch davon ab, ob ein Verstoss gegen eine Vorschrift eines Bundesgesetzes vorliegt.

In Betracht fallen in erster Linie der erste Satz von Absatz 4 des Artikels 24l>te BV und die Artikel 6 und 8g E.WEG. Die erstgenannte Vorschrift bestimmt: «Wenn jedoch eine Gewässerstrecke, die für die Gewinnung einer Wasserkraft in Anspruch genommen wird, unter der Hoheit mehrerer Kantono steht und sich diese nicht über eine gemeinsame Konzession verständigen können, so ist die Erteilung Sache des Bundes.» Zuständig für die Erteilung der Konzession ist nach Artikel 6 und 88 E WEG der Bundesrat. Dieser kann, wenn die Kantone sich nicht einigen können, die Konzession auch gegen den Willen eines beteiligten Kantons erteilen. Nur in den Ausnahmefällen des Artikels 6, Absatz 3, EWEG ist die Verleihung bloss mit Zustimmung des Kantons möglich, nämlich wenn die geplante Wasserwerkanlage durch Veränderung des Wasserlaufes oder durch Inanspruchnahme von Grund und Boden die Ansiedelung oder die Erwerbsverhältnisse der Bevölkerung des Kantons erheblich und unverhältnismässig beeinträchtigen würde.

Im vorhegenden Falle verstösst aber die neue Vorschrift nicht gegen die genannten Bestimmungen des Bundesrechts, Denn nach diesen ist die Kompetenz des Bundesrates erst gegeben, wenn feststeht, dass die Kantone sich nicht
einigen können, d. h. wenn ein Kanton die Konzession erteilt, der andere sie vorweigert. Dabei macht es bundesrechtlich keinen Unterschied, ob im Kanton Graubünden die Genehmigung einer von der zuständigen Gemeinde erteilten Konzession vom Volksentscheid oder, wie bisher, vom Entscheid des Kleinen Bates abhängig ist. Nötig ist nur, dass der Bundesrat, gestützt auf die Artikel 6 und 38, eingreifen kann, sobald feststeht, dass eine Einigung nicht möglich ist. Er muss dann die Möglichkeit haben, trotz eines ablehnenden Volksentscheides die Konzession zu erteilen. Wenn die neue Bestimmung der Kantonsverfassung dem widersprechen sollte, würde.sie allerdings dem Bundes-

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recht zuwiderlaufen. Dem ist aber wohl nicht so. Jedenfalls lässt der Wortlaut ohne Zwang eine Auslegung zu. die eine Verletzung der erwähnten Vorschriften des Bundesrechts vermeidet.

Ferner ist das Verhältnis zu Artikel 4, Absatz l, EWBG zu prüfen.

Dieser sagt folgendes: «Steht die Verfügung über die Wasserkraft Bezirken, Gemeinden oder Körperschaften zu, so bedarf die Einräumung des Nutzungsrechts an Dritte und die Benutzung durch die Verfügungsberechtigten selbst jeweilen der Genehmigung der kantonalen Behörde.» Im vorliegenden Falle wird das Genehmigungsrecht dem Volk vorbehalten, das zwar nach dem al!7 gemeinen Sprachgebrauch nicht als Behörde bezeichnet wird. Der Widerspruch ist indessen nur scheinbar. Gemeint ist damit diejenige kantonale Instanz, die nach kantonalem Hecht zuständig ist. Diese Bestimmung will also nicht verhindern, dass die Genehmigung dem Entscheid des Volkes überlassen wird.

Endlich fragt es sich, ob die:neue Vorschrift auch mit Artikel 11 EWBGvereinbar sei. Es kann nicht etwa gesagt werden, eine Kollision könne hier nicht eintreten, weil die neue Vorschrift sich lediglich auf interkantonale Fälle beziehe; für diese seien aber die Artikel 6 und 38 EWBG massgebend. Das wäre deswegen unzutreffend, weil diese beiden Bestimmungen die Anwendung des Artikels 11 nicht ausschliessen. Denn das Verfahren nach den Artikeln 6 und 38 kann -- wie bereits ausgeführt ·-- erst Platz greifen, wenn feststeht, dass die beteiligten Kantone sich nicht einigen können. Das ist aber nicht schon dann der Fall, wenn eine verfügungsberechtigte Gemeinde in Graubünden die Konzession verweigert, während der beteiligte Nachbarkanton sie erteilen will.

In einem solchen Falle kann der Kleine Bat sich auf Artikel 11 EWBG berufen und die Konzession erteilen. Diese Bestimmung kommt dann also vor den Artikeln 6 und 38 nur Anwendung.

Artikel 11 hat folgenden Wortlaut: «Wenn verfügungsberechtigte Bezirke, Gemeinden oder Körperschaften ein Gewässer trotz angemessener Angebote während langer Zeit ohne wichtigen Grund weder selbst nutzbar machen, noch durch andere benutzen lassen, so kann die kantonale Begierung in deren Namen das Nutzungsrecht erteilen.

Gegen die Entscheidung der kantonalen Begierung können die Beteiligten innert 30 Tagen*) an den Bundesrat rekurrieren. » Hier wird also ausdrücklich die
Zuständigkeit der kantonalen Begierung für die Erteilung der Konzession festgesetzt, während die neue Vorschrift der Kantonsverfassung die Erteilung für gewisse Fälle von der Zustimmung des Volkes abhängig macht. Diese von Artikel 11 abweichende Begelung bezieht sich aber nur auf einen Teil der Fälle des Artikels 11. Wenn weder eine Wasser*) Diese Beriet betrug ursprünglich 60 Tage. Sie wurde aber durch Art. 27 des Bundesgesetzes vom 11. Juni 1928 über die eidgenössische Verwaltungs- und Disziplinarrechtspflege auf 30 Tage herabgesetzt. Heute gilt die dreissigtägige Frist auf Grund von Art. 180 des Organisationsgesetzes vom 16. Dezember 1948.

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ableitung in andere Kantone noch die Überlassung von Stauraum für aüsserkantonale Werke in Frage kommt, gilt die bisherige Regelung unverändert.

In den andern Fällen ist nicht ganz klar, ob die Kantonsregierung künftig ganz .ausgeschaltet werden soll oder ob sie zuerst Stellung nehmen und die Volksabstimmung nur dann anordnen muss, wenn sie eine Konzession erteilt.

Die erstere Auffassung dürfte abzulehnen sein, da die neue Bestimmung nur erreichen will, dass keine Wasserableitung und keine Überlassung von Stauraum interkantonal ohne Zustimmung des Volkes bewilligt werde. Andererseits kann wohl nicht gesagt werden, dass die neue Vorschrift nach ihrem Wortlaut auf die Fälle des Artikels 11 überhaupt nicht Anwendung finden wolle.

Demnach kommt eine Volksabstimmung in diesen Fällen in Frage, allerdings nur dann, wenn die Kantonsregierung eine Wasserableitung oder eine Überlassung von Stauraum interkantonal bewilligt hat oder bewilligen will.

Folgt man dieser Auslegung des Artikels 2Ws KV, so wird am bisherigen Rechtszustand wiederum nichts geändert, falls die Eegierung auf Grund von Artikel 11 die Erteilung einer Konzession verweigert. Denn in diesem Falle findet -- wie bisher --- keine Volksabstimmung statt. Erteilt die Regierung aber eine Bewilligung mit interkantonaler Wasserableitung oder Überlassung yon Stauraum, so hat das Volk zu entscheiden. Wenn nun die neue Verfassungsbestimmung den Sinn hätte, dass dieser Entscheid endgültig, ein Rekurs also ausgeschlossen sein soll, so würde das dem Bundesrecht (Art. 11, Abs. 2, EWKG) zuwiderlaufen. Aus dem Wortlaut des Artikels 2bis ergibt sich aber -- wie schon festgestellt wurde -- nicht, dass der Rekurs ausgeschlossen sein sollDemnach besteht die Änderung am bisherigen Zustand lediglich darin, dass zwischen der Kantonsregierung und dem Bundesrat das Volk als neue Instanz eingeschaltet wird. Formell widerspricht das zweifellos dem Artikel 11, Absatz 2, der unmittelbar gegen die Entscheidung der Kantonsregierung den Rekurs an den Bundesrat zulässt. Trotzdem wird man etwas dem Bundesrecht (gemäss Art. 6, Abs. 2, lit. a, BV) Zuwiderlaufendes nur annehmen dürfen, falls Artikel 11 EWRG- nach seinem Sinne die Einschaltung einer weiteren Instanz; verbieten will. Hiezu ist folgendes zu berücksichtigen. Wenn der Bundesrät auf Grund von Artikel 11, Absatz 2,
EWRG entscheiden muss, kann er den Entscheid der Kantonsregierung nicht nur aufheben, sondern auch bestätigen. Er hat also die Möglichkeit, eine von der Kantonsregierung erteilte Konzession rechtswirksam zu erklären. Könnte er das künftig auch dann, wenn vorher die Konzession durch einen Volksentscheid abgelehnt worden ist ?

Das hängt davon ab, ob nach Absatz 2 ein Rekurs an den Bundesrat nur gegen eine Erteilung der Konzession ergriffen werden kann oder auch gegen eine Abtobnung derselben. Im ersteren Falle wäre gegen einen ablehnenden Volksentscheid kein Rekurs an den Bundesrat möglich. Somit könnte der Bundesrat durch den Volksentscheid daran gehindert werden, eine von der Kantonsregiemng erteilte Konzession zu bestätigen. Das würde dem Bundesrecht widersprechen. Mit Recht lässt aber die herrschende Auffassung einen Rekurs »uoh. dann zu, wenn die Kantonsregierung die Konzession verweigert. Insoweit

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liegt also keine Verletzung von Bundesrecht vor. Dagegen fragt es sich, ob eine solche nicht- darin zu erblicken sei, dass die Erteilung einer Konzession in tatsächlicher Hinsicht erschwert wird. Das musa wohl bejaht werden. Eine Erschwerung der Konzessionserteilung wäre gegeben nicht nur mit Bücksicht auf die psychologischen Auswirkungen, sondern namentlich wegen der Schwerfälligkeit des Verfahrens, die mit Zeitverlust und andern Nachteilen verbunden sein kann. Dadurch kann in einem gegebenen Fall geradezu die Ausnutzung der Wasserkraft verunmöglicht werden. Das läuft aber dem Zweck des Artikels 11, der auf die Förderung dieser Ausnutzung gerichtet ist, zuwider. Das gleiche trifft zu, wenn man von der andern Auffassung ausgeht, dass die kantonale Regierung überhaupt ausgeschaltet werden soll, sobald eine interkantonale Wasserableitung oder Gewährung von Stauraum in Frage steht.

Aus dem Gesagten ergibt sich, dass der neue Artikel 2bls der Kantonsverfassung, wenn man ihn nach seinem Wortlaut anwendet, mit dem Bundesrecht in Widersprach geraten kann. Das ist freilich nur in einem engen Anwendungsbereich der Fall, während die Bestimmung im übrigen ohne Verletzung von Bundesrecht angewendet werden kann. Ist die Gewährleistung unter diesen Umständen zu verweigern?

Nach Artikel 6 BV rnuss einer Verfassungsvorschrift die Genehmigung schon dann verweigert werden, wenn sie nur bei einem Teil ihres Anwendungsgebietes zum Bundesrecht im Widersprach steht. Denn das Gewährleistung^ erfordernis soll verhindern, dass in eine kantonale Verfassung eine Bestimmung aufgenommen wird, die in ihrer Anwendung mit dem Bundesrecht in Widerspruch geraten kann. Eine Genehmigung mit einem Vorbehalt genügt diesem Zweck in der Eegel nicht, weil die Vorschrift trotz dem Vorbehalt mit unverändertem Text in die Verfassung aufgenommen und formell als geltendes Eecht erscheinen würde. Anders verhält es sich freilieh dann, wenn der Wortlaut der neuen Vorschrift als solcher dem Bundesreeht nicht notwendigerweise zuwiderläuft, sondern auch eine Auslegung zulässt, die dem Bundesrecht entspricht. Unzulässig erscheint hier nicht der Text, sondern eine bestimmte Auslegung desselben. In solchen Fällen kann nach der bisherigen Praxis die Genehmigung mit einem Vorbehalt erteilt werden (Burckhardt, Kommentar, S. 66; vgl. dazu die kritische
Bemerkung Fleiners, Bundesstaatsreeht 58, N. 16). So hat die Bundesversammlung im Jahre 1907 einer Verfassungsbestimmung des Kantons Wallis, wonach die römisch-katholische Kirche als Staatsreligion bezeichnet wurde, die Gewährleistung mit dem Vorbehalt erteilt, dass die bezügliche Bestimmung nur im Sinne der Artikel 49, 50 und 53 BV ausgelegt und angewendet werden dürfe (Burckhardt, Bundesrecht, Nr. 236 I). Schon vorher hatte sie eine Änderung der Verfassung des Kantons Genf betreffend Einbürgerung und Wiedereinbürgcrung zwar gewährleistet, jedoch unter Vorbehalt des Artikels 44 BV und des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1908 betreffend die Erteilung des Schweizerbürgerrechts und den Verzicht auf dasselbe (Burckhardt, Bundosrecht, Nr. 288 IV).

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Ein Fall dieser Art ist bei Absatz l des neuen Artikels 2bis der KantonsVerfassung gegeben, während Absatz 2 keine selbständige Bedeutung hat und daher d a s Schicksal des ersten Absatzes teilt. D e r Wortlaut d e r neuen E WEG. Daher muss man wohl annehmen, das Bündnervolk sei bei der Abstimmung der. Auffassung gewesen, die neue Vorschrift schliesse künftig die Anwendung jenes Artikels 11 aus. Der Text lässt aber auch die gegenteilige Auslegung zu, wonach die Vorschrift nur Geltung beansprucht, soweit das Bundesrecht (d. h. Art. 11 E WEG) dem nicht entgegensteht (vgl. einen ähnlichen Fall bei Burckhardt, Bundesrecht, Nr. 286 I). Dass diese Auslegung gewollt sei, darf jedoch nicht als selbstverständlich angenommen werden. Ein Vorbehalt ist. deshalb notwendig. Er dürfte aber auch genügend sein, da er bei der Auslegung der neuen Verfassungsvorschrift berücksichtigt werden muss.

Auf diese Weise dürfte genügend Gewähr dafür gegeben sein, dass eine Kollision mit dem Bundesrecht in den Fällen des Artikels 11 E WEG vermieden wird.

Wir beantragen Ihnen daher, dem neuen Artikel 2bis der Verfassung des Kantons Graubünden die Gewährleistung zu erteilen, jedoch mit dem Vorbehalt, dass er auf die Fälle des Artikels 11 EWRG nicht Anwendung finden kann.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 28. März 1949.

Im tarnen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : E. Nohs Der Bundeskanzler: Leimgruber

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Bundesbeschluss über

die Gewährleistung des Artikels 2bis der Verfassung des Kantons Graubünden

Die Bundesversammlung der schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 28. März 1949, in Anwendung des Artikels 6 der Bundesverfassung, beschliesst : Art. l

Dem in der Volksabstimmung vom 23. Januar 1949 angenommeneu Artikel 2bis der Verfassung des Kantons Graubünden wird die Gewährleistung des Bundes mit dem Vorbehalt erteilt, dass diese Vorschrift in den Fällen, auf welche Artikel 11 des Bundesgesetzes vom 22. Dezember 1916 über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte zur Anwendung gelangt, nicht angewendet werden darf.

Art. 2 Der Bundesrat wird mit dem Vollzug dieses Beschlusses beauftragt.

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1949

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

31.03.1949

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