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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Fristverlängerung für die rechtsufrige Zürichseebahn.

(.Vom 20. September 1890.)

Tit.

Durch Beschluß vom 27. Juni 1888 (E. A. S. X, 57) haben Sie den T e r m i n für die V o l l e n d u ng und E r ö f f n u n g der rechtsu f r i g e n Z ü r i c h s e e b a h n auf den 1. Juni 1892 festgesetzt.

Mit Eingabe vom 26. Mai 1890 sucht nun die Direktion der schweizerischen Nordostbahn um E rs t r e c k u n g dieser Frist bis zum 1. August 1893 nach. Zur Begründung ihres Gesuches führt sie im Wesentlichen Nachstehendes au : Nachdem bezüglich der technisch wichtigsten Abschnitte Stadelhofen-Tiefenbrunnen und Letten-Stadelhofen unterm 9. Januar und 8. Februar 1889 die allgemeinen Baupläne vorgelegt und für die Theilstreeke Stadelhofen-Tiefenbrunnen unterm 13. April genehmigt worden seien, habe zwar mit den Erdarbeiten nahezu rechtzeitig begonnen werden können. Der Umstand aber, daß die Genehmigung des Bauplanes für die Strecke Bahnhof Zürich-Stadelhofen sich infolge verschiedener, durch Behörden und Private veranlagter Weiterungen bis zum 12. Februar d. J. hinausgezogen, mache die Innehaltung der festgesetzten Baufrist unmöglich.

Die Stollenarbeiten auf der Südseite des Zürcher Tunnels, welche infolge der Verzögerung der Plangenehmigung hätten unterbrochen werden müssen, seien am 19. Februar d. J., also vier Tage nach Mittheilung des Genehmigungsbeschlusses, wieder aufgenommen worden. Auf der Nordseite dagegen werden die Tunnelarbeiten durch Expropriationsschwierigkeiten noch weiter verzögert werden.

270 Mit Rücksicht, hierauf müsse daher das Gesuch gestellt werden, es möchte die Frist für die Vollendung und Eröffnung der Linie, entsprechend der Unterbruchzeit in der Fortsetzung der Arbeiten an der Theilstrecke Bahnhof-Stadelhofen, bis zum 1. August 1893 verlängert werden. Die Nordostbahn glaubt um so eher auf Berücksichtigung ihres Gesuches hoffen zu dürfen, als die Plangenehmigung sich nicht durch ihre Schuld verzögert habe.

Die Regierung von St. Gallen erhebt in ihrer Vernehmlassung vom 2. Juli 1890 keine Einwendungen gegen die Fristerstreckung.

Diejenige von Zürich holte zunächst die Ausiohtsäußerung der interessirten Seegemeinden ein, welche die nachgesuchte Fristverlängerung überhaupt nicht, eventuell für die Strecke StadelhofenBahnhof nur für so lange gewähren wollen, als von Fachleuten als absolut nothwendig erachtet werde. Die Regierung selbst spricht sich mit Schreiben vom 26. Juni 1890 dahin aus, daß sie sich einer angemessenen Fristverlängerung für die Strecke Stadelhofeu-Bahnhot' nicht widersetze, da eine Fertigstellung des Zürcher Tunnels bis zum festgesetzten Termin auch dann kaum erfolgen würde, wenn die Frist nicht verlängert werde, um so weniger, als der Beginn resp.

der Fortschritt der Arbeiten am Nordende des Tunnels mehr oder weniger abhängig sein werde von der Erledigung der Anstände mit der Gemeinde Außersihl, deren bauliche Entwicklung von der endgültigen Gestaltung des Projektes in hohem Maße beeinflußt werde.

Was dagegen die Theilstrecke Stadelhofen-Rapperswyl betreffe, so wäre es möglich gewesen, den Vollendungstermiu einzuhalten; allein es scheine die Nordostbahn für diese Strecke, mit Rücksicht auf die Verzögerung beim /ürcher Tunnel, die Vorbereitungen für die Inangriffnahme des Baues sehr lax zu betreiben. Es sei deshalb dringend AU wünschen, daß die Nordostbahn zu energischer Förderung der Arbeiten auf der Strecke Stadelhofen-Rapperswyl verhalten werde, damit wo möglich die Eröffnung d i e s e r Strecke auf den festgesetzten Zeitpunkt erfolgen könne.

Schließlich verwahrt sieh die Regierung gegen einen allfälligen Vorwurf der Verschleppung der Plangenehmigung.

Die Direktion der Nordostbahn, welcher die Vernehmlassung der Zürcher Regierung abschriftlich zugestellt worden war, gelangt mit Eingabe vom .11. Juli nochmals an den Bundesrath mit dem dringenden
Gesuch, die gewünschte Fristerstreckung ohne Einschränkung gewähren zu wollen.

Einer weilern Begründung dafür, daß nach der eingetretenen Verzögerung der I'langenehmigung für die Strecke StadelhofenBahnhof die Belriebseröffnuns dieser letztem auf den festgesetzten

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Tennin unmöglich erfolgen könne und die nachgesuchte Fristverlängerung eine durchaus angemessene sei, bedürfe es wohl nicht.

Was dagegen das Begehren einer frühern Eröffnung der Strecke Stadelhofen-Rapperswyl anbelange, so erinnert die Nordostbahu vor Allem daran, daß nach dem am 5. Juni 1873 mit der Gesellschaft iür Begründung einer rechtsufrigen Zürichseebahn abgeschlossenen Vertrag die Nordostbahn sich nur zum e i n h e i t l i c h e n Bau und Betrieb der g a n z e n Linie Zürich-Rapperswyl verpflichtet habe, und hieran bei den seitherigen Fristbestimmungen stets festgehalten worden sei, indem dabüi jeweilen die für die Tunnel bauten in und bei Zürich «1s nöthig erachteten Fristen für die ganze Linie als maßgebend angenommen wurden. Die Nordostbahn glaubt, gegenüber dem Romite einen Rechtsanspruch darauf -MI haben, daß dieser Standpunkt auch jetzt gewahrt bleibe. Im Uebrigen sprechen auch sachliche Gründe gegen die Ansetzung eines frühem Vollendungstermius für Stadelhofen-Rapperswyl.

Wenn auch die Pläne für die Strecke Stadelhofen-Meilen in Bälde zur Vorlage bereit seien, so sei das nicht der Fall für den obern Theil der Linie. Wie es für die untere Strecke der Fall gewesen sei, so werden auch für die obere, infolge zahlreicher und größtenteils unvorher/usehender Anstände und Begehren, die erstaufgelegten Pläne vielfach wieder eingreifenden Aenderungen unterstellt werden müssen, so daß die definitiven Pläne kaum vor einem Jahr werden zur Vorlage gebracht werden können. Voraussichtlich werde alsdann deren Prüfung und Genehmigung seitens der Behörden abermals nicht unerhebliche Zeit beanspruchen. Wenn man dazu noch berücksichtige, daß für Erledigung der Expropriationen ebenfalls eine beträchtliche Zeit erforderlich sein werde, so werde man zugestehen müssen, daß die Bahnverwaltung die nachgesuchte Fristverlängerung auch für diese Strecke durchaus benöthige.

Sie müsse sich irn Uebrigen gegen den Vorwurf der Regierung von Zürich, daß dieVorarbeiten für Stadelhofen-Rapperswyl lax betrieben worden seien, verwahren. Nach den bisherigen Fristbestimmungen sei die Bahngesellschaft veranlaßt gewesen, in erster Linie die Bearbeitung der Pläne der Tunnelbaustrecken, als des die längste Bauzeit beanspruchenden Stückes der Linie zu betreiben. Sobald es ohne Beeinträchtigung dieses Theiles der Bauarbeitern
möglich gewesen sei, habe man mit aller Energie die Pliinantertiguug findie offene Linie an Hund genommen und nach Kräften gefördert.

Wollte man aber auch, führt die Direktion der Nordostbahn weiter aus, die Möglichkeit einer früheren Fertigstellung der Strecke Stadelhofen-Rapperswy] zugeben, so ließe sich doch c.ine Betriebs eröffnung derselben vor Fertigstellung des Schlußstücke.s Stadelhofen-

272 Bahnhof nicht rechtfertigen. Erstens würde dieselbe ganz unverhältnißmäßige Ausgaben für provisorische Einrichtungen in Stadelhofen und Tiefenbrunnen erheischen, welche, wenn der Verkehr nicht bis und ab Bahnhof Zürich durchgeführt werde, eine Reihe Installationen erhalten müßten, die nach Vollendung der ganzen Bahn wieder überflüssig würden (mehr Zugsgeleise, Platz für Reservematerial, Drehscheibe etc.). Derartige außerordentliche Bauausgaben der Nordostbahn zuzumuthen, sei um so weniger zu rechtfertigen, als die Zeit, während welcher Stadelhofen-Rapperswyl früher in Betrieb käme, unter allen Umständen nur kurz wäre und das rechte Seeufer während derselben durch die bestehenden Dampfboot- und Trajekteinrichtungen bereits sehr gut bedient sei. Zu alledem käme noch eine sehr wesentliche Erschwerung der Tunnelbauten, für deren geordneten und raschen Fortgang die Inanspruchnahme des Areals der Stationen Stadelhofen und Tiefenbruunen unentbehrlich sei. Es sei nicht einzusehen, wie sich die daherigen Anforderungen des Baues mit dem Bahnbetriebe vereinigen ließen, zumal die Station Stadelhofen ohnehin räumlich beschränkt sei.

Der über die Notwendigkeit einer Fristverlängerung, sowie über die Thunlichkeit einer eventuellen Trennung der beiden Sektionen mit Bezu»ö auf die BetriebseröffnunaO1 ,Ï d. h. einer frühern Inbetriebsetzung der Strecke Stadelhofeu - Rapperswyl erstattete Bericht unseres Eisenbahndepartements kommt zu dem Schluß: 1. Es erscheine die Bewilligung der nachgesuchten Fristverlängerung für die Vollendung und Inbetriebsetzung der rechtsufrigen Zürichseebahn bis 1. August 1893 gerechtfertigt.

2. Es sei nicht rathsam, die beiden Sektionen Stadelhofen-Bahnhof und Stadelhofen-Rapperswyl bezüglich der Vollendungsfristen zu trennen, d. h. letztere Strecke früher dem Betriebe zu übergeben.

Die Gründe, welche die technischen Organe des Departements zu diesem Schlüsse führen und die wir theilen , sind im Wesentlichen folgende: 1. Während für die Strecke Riesbach-Stadelhofen die Pläne schon am 8. April 1889 genehmigt wurden, so daß der Riesbacher Tunnel am 17. April des laufenden Jahres durchgeschlagen war und demnächst vollendet sein wird, wurde die Genehmigung einer weitern Strecke Stadelhofen - Polytechnikum im Hinblick auf die Vernehmlassung der Zürcher Regierung bis zur gleichzeitigen
Festsetzung des Tracés für die Einmündung in den ßahnhof Zürich verschoben. Die Verhandlungen in Betreff des für die Beurtheilung der Frage nach der Vollendung der rechtsufrigen Zürichsee-

273 bahn als Ganzes maßgebenden Theilstückes Stadelhofen-Zürich, mit dem Zürcher Tunnel, zogen sich in die Länge, so daß die Genehmigung erst am 12. Februar 1890 erfolgen konnte. Die Arbeiten am Zürcher Tunnel, Seite Stadelhof'en, wurden dann .sofort an die Hand genommen, während auf der Seite von Unterstraß im Juli erst Zufahrtsrollbahn und ein Eröffnungsschlitz in Arbeit waren.

Der Baubeginn für das wichtigste Objekt der ganzen Linie ist somit in der That um mehr als ein Jahr verzögert worden. Rückt man den ursprünglich angenommenen Vollendungstermin, 1. Juni 1892, um den entsprechenden Zeitraum hinaus, so gelangt man etwa zum Juli 1893.

Sieht man aber von der frühern Fristansetzung ab und berechnet man für die Strecke Stadelhofen-Bahnhof die muthmaßlieh noch nothwendige Bauzeit, so fällt dabei in erster Linie der Zürcher Tunnel in Betracht, an welchem Ende Juli noch 1950 m. zu durchbohren und 2030 m. auszumauern waren. Nimmt man die täglichen Fortschritte beim Riesbacher Tunnel zum Maßstab, so könnte der Zürcher Tunnel etwa bis Ende Januar 1893 vollendet sein, wobei .aber nicht außer Acht gelassen werden darf, daß derselbe in sehr ungünstigem Terrain gebaut werden muß, so daß die Beobachtung aller Vorsicht geboten ist. Die Bauzeit ließe sich allerdings durch Anlage eines Schachtes etwa in der Mitte, welcher zwei weitere Angriffspunkte ergäbe, abkürzen. Es ist aber fraglich, ob eine solche, infolge erschwerter Material-Zu- und Abfuhr mit bedeutenden Mehrkosten verbundene Abkürzung der Bauzeit wirklich der frühern Eröffnung der Bahn zu gut käme. Denn es darf nicht übersehen werden, daß für die ganz bedeutenden Arbeiten der Strecke vom Tunnelausgang bis in den Bahnhof Zürich, wie die Ueberbrückung der Limmat, die Verlegung der Winterthurer Linie etc., die Ausführungsprojekte noch gar nicht festgestellt sind und sodann die Entscheidung darüber nicht getroffen ist, ob die zu verlegende Winterthurer Linie und die an dieselbe sich anschmiegende rechtsufrige Bahn auf einem Damm oder, nach dem von der Regierung von Zürich unterstützten Begehren der Gemeinde Außersihl, auf einem Viadukt in den Bahnhof eingeführt werden sollen.

Bis zu welchem Zeitpunkt eine Einigung über diesen Punkt erzielt oder die Unterhandlungen so weit gediehen sein werden, daß hierorts ein Entscheid getroffen werden kann, läßt
sich zur Zeit nicht bestimmen; zweifellos ist n u r , daß die durch Beschluß vom 27. Juni 1888 festgesetzte Vollendungsfrist für die Strecke Stadelhofen-Zürich unter den vorliegenden Verhältnissen nicht eingehalten werden kann. Im Uebrigen widersetzt sich auch die Re-

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gierung von Zürich einer angemessenen Fristerstreckung für dieses Theilstück nicht.

2. Betreffend die Trennung der beiden Sektionen StadelhofeuBahnhof und Stadelhofen-Rapperswyl ist zu bemerken, daß /war die Vollendung der letztem Strecke innert der festgesetzten Frist nicht fraglich sein sollte. Gleichwohl erscheint es nicht angezeigt, die Betriebseröffnung für die obere Strecke früher, d. h.

getrennt von der untern, anzusetzen. Die Station Stadelhoi'en eignet sich nicht als Endstation, indem der dortige Raum für die nöthigen provisorischen Einrichtungen, wie Geleise, Remisen, Wasserstation, Drehscheibe etc., durchaus unzureichend ist. Auch ist richtig, daß die Erstellung dieser bald nutzlos werdenden Einrichtungen mit sehr bedeutenden Kosten verbunden wäre. Im Weitem würde der Bau de? Zürcher Tunnels außerordentlich gehindert, falls die Station Stadelhofen vor dessen Vollendung dem Betrieb übergeben werden müßte, da sich für die nöthigen Depots von Holz, Steinen, Baugeräthen etc. in der Nähe sonst nirgends mehr Platz findet.

Gestützt auf diese Auseinandersetzungen sind wir im Falle, Ihnen zu empfehlen, dem Gesuch der Direktion der schweizerischen Nordostbahn durch Genehmigung des nachstehenden Beschußentwurfes zu entsprechen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 20. September

1890.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e u t :

L. Ruchonnet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Ringier.

275 (Entwurf.)

ßundesbesclüuß betreffend

Fristverlängerung für die rechtsufrige Zürichseebahn.

Die Bundesversammlung der s c h w e i z e r i s c h e n E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Einsicht 1) eines Gesuches der Direktion der schweizerischen Nordostbahn, vom 26. Mai 1890; 2) einer Botschaft des Bundesrathes vom 20. September 1890, beschließt: 1. Der durch Beschluß vom 27. Juni 1888 für die Vollendung und Inbetriebsetzung der rechtsufrigen Zürichseebahii festgesetzte Termin wird bis zum 1. August 1893 verlängert.

2. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Fristverlängerung für die rechtsufrige Zürichseebahn. (Vom 20. September 1890.)

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27.09.1890

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