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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Konzession einer Straßenbahn von Neuenburg nach St-Blaise.

(Vom 2. Oktober 1890.)

Tit.

Mit Eingabe vom 14. Februar 1890 suchen die Herren G u y o t , Notar in Neuenburg, und H u g, Großrath in St-Blaise, handelnd im Namen eines Initiativkomites, um die Konzession nach für eine S t r a ß e n b a h n v o n N e u e n b u r g nach S t - B l a i s e .

Zur Begründung ihres Gesuchs verweisen die Konzessionsbewerber darauf, daß die Ortschaft St-Blaise ein sehr beliebter, von vielen Familien aus der Stadt Neuenburg, zum Theil das ganze Jahr, bewohnter Landaufenthalt geworden sei, infolge dessen zwischen beiden Orten ein sehr lebhafter Verkehr bestehe und das Bedürfniß einer direkten und oftmaligen Verbindung dieser Orte sich sehr fühlbar mache. Denn der Bahnhof Neuenburg liege über einen Kilometer vom Mittelpunkte der Stadt entfernt und über 50 Meter höher als diese, wie auch den Bahnhof St-Blaise eine Entfernung von 500 Meter und ein Höhenunterschied von 30 Meter von der Ortschaft trenne. Die zahlreiche, an der Straße von Neuenburg nach St-Blaise wohnende Bevölkerung ziehe daher aus der bestehenden Bahnverbindung keinerlei Nutzen, auch nicht einmal aus der, zwar in letzter Zeit verbesserten Verbindung mit Postwagen, von deren vier Plätzen selten einmal einer verfügbar sei.

Die projektirte Linie soll vom Marktplatz in Neuenburg, südlich des Hauses Montmollin, ausgehen, über die Place Pury, durch die Rue des Epancheurs und St-Honoré sich ziehen, alsdann dem

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Hafenquai und der Avenue du Crêt folgen, um von hier die Kantonsstraße bis zum Eingang in das Dorf St-Blaise zu benutzen. Die ganze Länge der projektirten Linie beträgt 5320 Meter. Die Spurweite ist zu l Meter und der kleinste Kurvenhalbmesser zu 20 Meter vorgesehen. Auf zwei kur/en Strecken kommen Steigungen von 20 und 45 %o vor, während im Uebrigen das Längenprofil ein günstiges ist. Die Schienen sind Rillenschienen, welche behufs Ermöglichung freier Zirkulation der gewöhnlichen Fuhrwerke in den Straßenkörper versenkt werden. Zum Zwecke der Kreuzung der Straßenbahnwagen wird bei Monruz auf eine Länge von 50 Meter ein Doppelgeleise erstellt.

Es ist Die Wagen, in der Art nach System

zunächst Betrieb mit Pferden in Aussicht genommen.

welche 30 Personen aufnehmen können, werden aber eingerichtet, daß sie eventuell später für den Betrieb Mekarski (Tramway Bern) abgeändert werden können.

Zum Schütze der Reisenden und der Wagen sollen an den Endstationen einfache Schutzdächer erstellt werden, während für Unterbringung der Pferde in St-Blaise wie in Neuenburg Stallungen gemiethet werden.

Die Anlagekosten sind wie folgt veranschlagt: 1) Projektstudien, Gründungskosten und Bauleitung Fr.

8,000 2) Erdarbeiten und eiserner Oberbau . . . . ,, 162,000 3) Betriebsmaterial (inkl. Pferde) ,, 20,000 4) Unvorhergesehenes ,, 10,000 Zusammen

Fr. 200,000

In Bezug auf Rentabilität sehen Petenten (bei 100,000 Reisenden) eine jährliche Einnahme von Fr. 30,000 und dem gegenüber Ausgaben im Betrage von Fr. 21,000 vor, so daß sich ein Ueberschuß von Fr. 9000 ergibt, der nach Speisung eines Reservefonds die Verzinsung des Anlagekapitals zu circa 4 % erlauben wilrde.

Der nach gesetzlicher Vorschrift zur Vernehmlassung eingeladene Staatsrath von Neuen bürg erhebt keine Einwendungen gegen das Konzessionsgesuch ; derselbe macht bloß einige Vorbehalte, so betreffend den Kosten Voranschlag, welcher um eine gewisse Summe behufs Ausführung allfällig sich als nothwendig erzeigender Straßenkorrektionen erhöht werden sollte, für welche die Kosten einzig der Gesellschaft zur Last fallen, sowie ferner in Bezug auf die Beschaffung eines Reservewagens über die von den Gesuchstellern in Aussicht genommene Anzahl von 2 Wagen hinaus.

413 In Betreff der Straßenbenutzung verständigten sich Petenten 'mit den kompetenten Behörden und legten die bezüglichen Vereinbarungen mit dem Staatsrath und der Gemeinde Neuenburg, datirt vom 28. Juli und 3. September 1890, vor.

Die im Eisenbahngesetz vorgeschriebenen konferenziellen Verhandlungen fanden am 27. September statt; dieselben ergaben die allseitige Zustimmung zu dem nachstehenden Beschlussesentwurf.

Derselbe enthält keine von den für ähnliche Unternehmungen üblichen abweichenden Bedingungen und schließt sich speziell dei1 Konzession für die Straßenbahn in der Stadt Bern an (E. A. S. X, 123 ff.}. Wir glauben deßhalb von weitern Erörterungen Umgang nehmen zu können und bemerken bloß noch, daß die von den Petenten beantragte Taxe als mäßig bezeichnet werden kann.

Indem wir Ihnen die Ertheilung der nachgesuchten Konzession durch Genehmigung des nachstehenden Beschlusses empfehlen, benutzen wir den Anlaß, Sie, Tit., neuerdings unserer vorzüglichen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 2. Oktober

1890.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

L. Buchonuet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

Bnndesblatt. 42. Jahrg. Bd. IV.

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414 (Entwurf.)

Bundesbeschluß betreffend

Konzession einer Straßenbahn von Neuenburg nach St-Blaise.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1) einer Eingabe der Herren G u y o t , Notar in Neuenburg, und H u g, Großrath in St-Blaise, vom 14. Februar 1890; 2) einer Botschaft des Bundesrathes vom '2. Oktober 1890, beschließt: Den Herren G u y o t , Notar in Neuenburg, und H u g, Großrath in St-Blaise, handelnd im Namen eines Initiativkomites, za Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft, wird die Konzession für den Bau und Betrieb einer Straßenbahn von N e u e n b u r g nach S t - B l a i s e unter den in den nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bedingungen ertheilt : Art. 1. Es aollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung rinden.

Art. 2. Die Konzession wird auf die Dauer von 80 Jahren, vom Datum des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, ertheilt.

Art. 3.

Der Sitz der Gesellschaft ist in Neuenburg.

Art. 4. Die Mehrheit der Direktion und des Verwaltungsrathes oder weitern Ausschusses soll aus Schweizerbürgern, welche ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, bestehen.

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Art. .5. Binnen einer Frist von 12 Monaten, vom Datum des Konzessionsaktes an gerechnet, sind dem Bundesrathe die vorschriftsmäßigen . technischen und finanziellen Vorlagen nebst den Statuten der Gesellschaft einzureichen.

Innert 6 Monaten nach stattgefundener Plangenehmigung ist der Anfang mit den Erdarbeiten für die Erstellung der Bahn zu machen.

Art. 6. Binnen einem Jahr, vom Beginn der Erdarbeiten an gerechnet, ist die ganze konzessionirte Linie zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.

Art. 7. Der Bundesrath ist berechtigt, auch nach Genehmigung der Pläne eine Abänderung derselben zu verlangen, wenn eine solche durch Fürsorge für die Sicherheit oder die Bedürfnisse des Betriebes geboten ist.J Art. 8. Die Bahn wird mit Spurweite von l Meter und eingeleisig erstellt.

Art. 9. Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welche durch die Bauarbeiten zu Tage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen u. s. w., sind Eigenthum des Kautons Neuenburg und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

Art. 10. Den Bundesbeamten, welchen die Ueberwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebes obliegt, hat die Bahn Verwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Theilen der Bahn, der Stationen und des Materials zu gestatten, und das zur Untersuchung nöthige Personal und Material zur Verfügung zu stellen.

Art. 11. Der Bundesrath kann verlangen, daß Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten.Klagen Anlaß geben und gegen welche die Gesellschaft nicht von .sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft .oder nöthigenfalls entlassen werden.

Art 12. Die Gesellschaft ist in erster Linie zum Transport der Reisenden und ihres Handgepäcks verpflichtet. Dem Bundesrathe ist vorbehalten, die Gesellschaft auch zum Transport von Gepäck und Waaren anzuhalten, wenn sich dazu das Bedürfniß zeigt und soweit die Konstruktion der Wagen es gestattet.

Art. 13. Es sollen täglich in jeder Richtung und über die ganze Linie wenigstens zehn Züge verkehren. Die Geschwindigkeit derselben wird durch den Bundesrath bestimmt.

Art. 14. Es wird nur eine Wagenklasse eingeführt, deren Bauart durch den Bundesrath zu genehmigen ist.

416 Art. 15. Die Gesellschaft wird ermächtigt, für den Transport von Personen eine Taxe bis auf 6 Rappen per Kilometer zu beziehen.

Für Kinder unter 3 Jahren, sofern für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird, ist nichts, für solche zwischen dem dritten und dem zurückgelegten zehnten Altersjahre die Hälfte der Taxe zu zahlen.

Für Hin- und Rückfahrt sind die Personentaxen mindestens 20 % niedriger anzusetzen, als für einfache und einmalige Fahrten.

Für Abonnemeatsbillets wird die Gesellschaft einen weitern Rabatt bewilligen.

Das Handgepäck der Reisenden ist frei, sofern es ohne Belästigung der Mitreisenden im Personenwagen untergebracht werden kann. Wenn dieses Gepäck einen besondern Platz beansprucht, ist dafür, je nach dem eingenommenen Räume, die Personentaxe zu entrichten.

Bei Einführung des Gepäck- und Gütertransportes wird der Bundesrath dafür die Taxen festsetzen.

Art. 16. Für die Einzelheiten des Transportdienstes sind besondere Réglemente und Tarife aufzustellen.

Art. 17. Die sämmtlichen Réglemente und Tarife sind mindestens sechs Wochen, ehe die Straßenbahn dem Verkehr übergeben wird, dem Bundesrathe zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 18. Wenn die Bahnunternehmung drei Jahre nach einander einen sechs Prozent übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist das nach gegenwärtiger Konzession zuläßige Maximum der Transporttaxen verhältnißmäßig herabzusetzen oder die Zahl der täglich auszuführenden Züge entsprechend zu vermehren. Kann diesfalls eine Verständigung zwischen dem Bundesratlie und der Gesellschaft nicht erzielt werden, so entscheidet darüber die Bundesversammlung.

Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, einschließlich die Verzinsung des Obligationenkapitals, zu decken, so kann der Bundesrath eine angemessene Erhöhung obiger Tarifansätze gestatten. Solche Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 19. Die Gesellschaft ist verpflichtet, für Aeuffnung eines genügenden Erneuerungs- und Reservefonds zu sorgen und ihr Personal bei einer Anstalt zu versichern. Die hierüber aufzustellenden besondern Vorschriften unterliegen der Genehmigung des Bundesrathes.

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Art. 20. In Bezug auf die Benutzung der öffentlichen Straßen für die Anlage der Bahn ist die Gesellschaft den Bestimmungen der zwischen ihr und dem Staatsrathe des Kantons Neuenburg unterm 28. Juli 1890, und mit der Gemeinde Neuenburg unterm 3. September 1890 abgeschlossenen Uèbereinkünfte unterworfen, soweit diese Bestimmungen nicht der gegenwärtigen Konzession und den gesetzlichen Vorschriften zuwiderlaufen.

Art. 21. Für die Geltendmachung des Rückkaufsrechtes des Bundes, oder, wenn er davon keinen Gebrauch machen sollte, des Kantons Neuenburg, gelten folgende Bestimmungen: a. Der Rückkauf kann frühestens auf 1. Mai 1915 und von da an jederzeit erfolgen. Vom Entschluß des Rückkaufes ist der Gesellschaft drei Jahre vor dem wirklichen Eintritte desselben Kenntniß zu geben.

b. Durch den Rückkauf wird der Ruckkäufer Eigenthümer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial und allen übrigen Zugehören.

Immerhin bleiben dieDrittmannsrechte hinsichtlich desPensionsund Unterstützungsfonds vorbehalten. Zu welchem Zeitpunkte auch der Rückkauf erfolgen mag, ist die Bahn sammt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zustande abzutreten. Sollte dieser Verpflichtung kein Genüge gethan werden, und sollte auch die Verwendung der Erneuerungs- und Reservefonds dazu nicht ausreichen, so ist ein verhältnißmäßiger Betrag von der Rückkaufssumme in Abzug zu bringen.

c. Die Entschädigung für den Rückkauf beträgt, sofern letzterer bis 1. Mai 1930 rechtskräftig wird, den 25fachen Werth des durchschnittlichen Reinertrages, derjenigen zehn Jahre, die dem Zeitpunkte, in weichern der Rückkauf der Gesellschaft notifizirt wird, unmittelbar vorangehen; -- sofern der Rückkauf zwischen dem 1. Mai 1930 und 1. Mai 1945 erfolgt, den 22 x /2fachen Werth; -- wenn dev Rückkauf zwischen dem 1. Mai 1945 und dem Ablauf der Konzession sich vollzieht, den 20fachen Werth des oben beschriebenen Reinertrages; -- unter Abzug des Erneuerungs- und Reservefonds.

Bei Ermittlung des Reinertrages darf lediglich die durch diesen Akt konzedirte Straßenbahnunternehmung mit Ausschluß aller anderen etwa damit verbundenen Geschäftszweige io Betracht und Berechnung gezogen werden.

d. Der Reinertrag wird gebildet aus dem gesammten Ueberschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch letztern auch diejenigen Summen zu rechnen sind, weche auf Abschreibungsrechnung getragen oder einem Reservefonds einverleibt wurden.

418 e. Im Falle des Rückkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der Konzession ist nach der Wahl des Rückkäufers entweder der Betrag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche Abschätzung zu bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

f Streitigkeiten, die über den Rückkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen möchten, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichtes.

Art. 22. Hat der Kauton Neuenburg den Rückkauf der Straßenbahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein daherigea Recht, wie es im Art. 21 deflnirt worden, jederzeit auszuüben, und der Kanton hat unter den gleichen Rechten und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie Letzterer dies von der konzessionirten Gesellschaft zu fordern berechtigt gewesen wäre.

Art. 23. Der Bundesrath ist mit dem Vollzüge der Vorschriften dieser Konzession, welche mit dem Tage ihrer Promulgation in Kraft tritt, beauftragt.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Konzession einer Straßenbahn von Neuenburg nach St-Blaise. (Vom 2. Oktober 1890.)

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