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Gutachten über die

Eingaben der landwirtschaftlichen Vereine betreffend Revision des Zolltarifs, erstattet vom

Schweiz. Landwirthschaftsdepartement an das

Zolldepartement.

(Veröffentlicht auf Verlangen der Zolltarifkommisson.)

Tit.

Die Vorschläge der landwirtschaftlichen Vereine betreffend Aenderung des Generaltarifes finden sich auf beiliegender Tabelle zusammengestellt.

Die höchsten Zollansätze schlägt die Gesellschaft schweizerischer Landwirthe vor, und sie begründet dieselben eingehend in ihrer Eingabe, welche gedruckt auch den Mitgliedern der Bundesversammlung ausgetheilt worden sein soll.

In dieser Eingabe ist der leitende Gedanke aller landwirthschaftlichen Vereine, und somit wahrscheinlich auch des größten Theiles der landwirtschaftlichen Bevölkerung, unserer Ansicht nach am schärfsten und am zutreffendsten ausgedrückt, nämlich : Aufstellung eines Zolltarifes, welcher dem Bundesrathe eine kräftige Waffe in die Hand gibt, um bei den Vertragsverhandlungen von den ändern Staaten Konzessionen zu Gunsten unseres Exportes zu erzielen.

812 Die Erfahrungen mit dem mäßig erhöhten GeneralzolHarif von 1887 haben die Richtigkeit dieser Ansicht und die Notwendigkeit eines Tarifes mit gut gewählten und entsprechend hohen Kampfpositionen ausreichend dargelegt. Man darf deßhalb die landwirtschaftlichen Vereine weder des Schutzzöllner- noch des Agrariertbums bezichtigen. Kampfzollpositionen sind für unser Land eben nur Gegenstände des Lebensbedarfes, welche wir theilweise oder vollständig selbst zu erzeugen im Falle sind. Die Rohstoffe, welche unsere Industrie und unsere Gewerbe bedürfen und welche unser Land nicht hervorbringt, werden wir doch nicht durch Zölle belasten wollen.

Die Vertragsverhandlungen im Jahr 1888 haben gezeigt, welchen hohen Werth die Zölle auf Lebensmittel gerade für die Industrie haben. So -- um nur e i n Beispiel anzuführen -- kam der erhöhte Zolltarif von 1887 nicht den Landwirtheo zu Gute, für welche derselbe aufgestellt schien, sondern gerade der' Uhrenindustrie, deren Vertreter in der Bundesversammlung ihn mit aller Macht bekämpften.

Wollen wir für die Vertragsverhaudlungen auf das Jahr 1892 gerüstet sein und den Freihandel, dem wir grundsätzlich Alle zugethan sind, alsdann möglichst zur Geltung bringen, so können wir dies nicht durch einen nutzlosen Prinzipienstreit erreichen, sondern nur durch Verwerthung unseres einzigen, aber gewaltigen Machtmittels, nämlich unserer großen Verbrauchsfähigkeit.

Ein Blick in unsere Statistik des Waarenverkehrs mit dem Auslande zeigt, daß die von den landwirtschaftlichen Vereinen hervorgehobenen Positionen meist richtig gewählt sind, indem dieselben Artikel betreffen, von denen wir für ungefähr 160 Millionen Franken jährlich mehr ein- als ausführen.

Die richtige H ö h e d e r Z ö l l e zu begutachten oder vorzuschlagen, ist dagegen viel schwieriger. Dieselben müssen so hoch sein, daß sie für die Vertragsverhandlungen eine wirksame Waffe bieten, d . h . daß'Konzessionen mit denselben erzielt und auf denselben gemacht werden können, und andererseits doch nicht so hoch, daß beim allfälligen Mißlingen der betreffenden Verhandlungen unser Volk ungebührlich belastet und bei einem entstehenden Zollkriege wirthschaftlich den Kürzern ziehen würde.

Die Frage läge sehr einfach, wenn es möglich wäre, dem Ansinnen der Gesellschaft schweizerischer Landwirthe zu entsprechen, die Meistbegünstigungsklausel fallen zu lassen und mit den einzelnen Ländern nur mehr Tarifverträge ohne diese Klausel abzuschließen.

813 Io diesem Falle könnte ein sehr hoher Generaltarif aufgestellt werden, ohne daß dadurch unser Konsum wesentlich belastet würde, weil sich letzterer in allen wichtigem Artikeln von mehr als nur einem Lande her decken läßt. Auch in Frankreich werden Stimmen laut (M. Gatellier à Meaux), welche Abschaffung der Meistbegünstigungsklausel und Weglassung des Getreides und des Viehes aus den Verträgen verlangen.

Wir fürchten indeß, daß es nicht möglich sein werde, derartige Verträge abzuschließen, und daß es vielleicht nicht einmal für uns vortheilhaft sein dürfte, wenn dies geschehen könnte, abgesehen von den zolltechnischen Schwierigkeiten, welche für ein Land entstehen müßten, welches, wie die Schweiz, eigentlich nur aus einer mehr oder weniger breiten Grenzzone besteht, die 4heils unkultivirbares, theils wenig fruchtbares Gebiet umschließt.

Wenn auch Art. 11 des Frankfurter Vertrages nicht wäre, welcher unsere beiden mächtigsten Nachbaren auf unabsehbare Zeit verpflichtet, sich auf dem Fuße der Meistbegünstigung zu behandeln, so müßte das wirthschaftliche Interesse jeden Staat zwingen, an einer ähnlichen Vertragsbestimmung festzuhalten, und es ist nicht einzusehen, welchen Vortheil die Schweiz hätte, von einigen Staaten ungünstiger behandelt zu werden, als von den ändern.

Ob es möglich wäre, von unsern vier großen Nachbaren auf dem Wege diplomatischer Unterhandlungen und mit Rücksicht auf unsere internationalen Verpflichtungen, welche eine wirthschaftlich möglichst kräftige Schweiz zur Voraussetzung haben, ausnahmsweise günstigere Verträge zu erzielen, wagen wir nicht zu beurtheilen.

Als Utopie kann dieser Gedanke kaum behandelt werden, wenn man bedenkt, daß unser kleines Land wirthschaftlich die großen Reiche kaum sehr st«rk beeinflussen, aber zur Erhaltung des Friedens unter ihnen doch wesentlich beitragen kann, wenn es im Stande ist, seine Neutralität mit kräftigem Arm zu wahren. Wird unsere landwii-thschaftliche und industrielle Produktion durch die Schutzzöllnerei seitens unserer Exportländer lahm gelegt, so mindert sich entsprechend unsere Fähigkeit, allfälligen Angriffen zu begegnen und auch unsere Verbrauchsfähigkeit für die Erzeugnisse, welche wir bis jetzt einführen konnten.

Indem wir diese Idèe der Beachtung empfehlen, wollen wir nicht länger bei derselben verweilen, sondern die Zollfrage auf dem praktischen Boden der bisherigen Meistbegütistigungsvei träge zu behandeln suchen.

814 Wenn die Frage gestellt wird: Wie hoch dürfen wir mit den Zöllen gehen, ohne uns selbst zu benachteiligen für den Fall, daß Vertragsabschlüsse nicht zu Stande kämen, so stoßen wir auf die ebenso schwer zu beantwortende, wie oft behandelte zweite Frage: Wer bezahlt die Zölle?

Der Eine will damit ausschließlich den inländischen Konsumenten belastet wissen, während der Andere nicht minder tendenziös den ausländischen Produzenten den ganzen Zoll tragen läßt. An Hand eigener Erfahrungen .ist diese Kontroverse nicht in absolut befriedigender Weise zu lösen. Die Abschaffung des Ohmgeldes, welche auf einen Schlag die Preise des Obstbranntweins um 50 °/o erhöhte, war verbunden mit der Einführung des Alkoholmonopols. Man kann deßhalb nicht unwiderleglich behaupten, der Produzent habe das Ohmgeld allein getragen.

Der Zolltarif von 1887 wirkte im Jahr 1888 nur während acht Monaten, und obgleich der Viehirnport sich innert dieser Zeit um nahezu die Hälfte verminderte, ohne daß die Fleischpreise sich erhöhten, kann man die Viehzölle nicht dem Ausland ausschließlich zur Last legen, weil innert der gleichen Zeit ein ausnahmsweise!Futtermangel ungewöhnlich viel Vieh zur Schlachtbank lieferte.

Wenn man den außerordentlichen Aufschwung der Uhrenindustrie während des letzten Jahres in Betracht zieht, so darf man annehmen, daß dies der Zollermäßigung auf Uhren durch die neuen Handelsverträge zu verdanken sei, und daß somit der ausländische Uhrenzoll auf der inländischen Uhrenindustrie und weniger auf dem Konsumenten gelastet habe, obwohl zugegeben werden muß, daß noch andere Momente eine günstige Bewegung mit veranlaßt haben konnten. Daß der schweizerische Einfuhrzoll nicht ausschließlich auf unseren Konsumenten lastet, ist auch aus den Bemühungen ersichtlich, welche das Ausland im Jahr 1888 sich gab, um dioae Zölle herabzusetzen.

Wenn wir in's Ausland gehen, um dort Artikel zu erwerben, welche bei uns nicht oder nicht in genügender Quantität zu Markte gebracht werden, so treten wir auf dem ausländischen Markt als Mitbewerber auf; wir vermehren dort die Nachfrage und erhöhen damit entsprechend die Preise der betreffenden Waare. Nicht nur das; wenn wir über die Grenze zurückkommen, so müssen wir unsern Ankauf noch verzollen. In diesem Falle kann kein Zweifel obwalten: Wir, d. h. die inländischen Konsumenten,
bezahlten ausschließlich den Zoll, und der ausländische Produzent trägt daran nicht nur nichts bei, sondern wurde durch die von uns bewirkte Vermehrung der Nachfrage noch begünstigt.

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Das Umgekehrte findet statt, wenn wir mit Waaren, für welche wir im Inlande flicht genügend Abnehmer finden, den ausländischen Markt besuchen, den ausländischen Einfuhrzoll aus unserer Tasche bezahlen und dort durch Vermehrung des Angebots den Preis drücken helfen zu Gunsten der dortigen Konsumenten. Oder wenn der ausländische Produzent und der Konsument unseru Markt aufsuchen muß, der erstere, um das in seinem Lande überflüssige Erzeugniß zu verwerthen, der andere, um Bedürfnisse zu befriedigen, die ihm sein Land nicht oder nicht in genügender Menge oder Qualität bietet.

Der Zoll scheint somit ziemlich regelmäßig von dem getragen zu werden, sei er Produzent oder Konsument, welcher ihn an der Grenze bezahlen muß, d. h. von demjenigen, welcher einen Artikel im ändern Land anbietet oder denselben dort kauft.

Der Agrikulturstaat Oesterreich liefert uns das Vieh, für welches er sonst nirgendswo Absatz findet, in's Land ; folglich bezahlt der österreichische Viehmäster unsern Zoll und trägt ihn auch. Unser Zucht- und Nutzvieh, welches exportirt wird, kauft man uns mit wenigen Ausnahmen im Lande selbst ab, folglich drücken die ausländischen Einfuhrzölle auf Vieh nur insofern, als durch dieselben die Nachfrage vermindert wird. Unsere Käshändler müssen umgekehrt den Ernmenthaler im Ausland anbieten, deßwegen belastet der Zoll so bedenklich unsern Käse und damit auch unsere gesammte Milchproduktion, deren Preis durch das verhältnißmäßig geringe Quantum Exportkäse (zirka 20% der gesammten Milchproduktion) bestimmt wird. Westeuropa wird von den östlichen und überseeischen Ländern derart mit Getreide überschwemmt, welches sich nicht auf längere Zeit aufbewahren, noch in erheblichem Quantum mehr als gewöhnlich konsumiren läßt, daß selbst Getreidezölle von 30 °/o des Werthes die Brodpreise nicht wesentlich zu beeinflussen vermochten._ Eine Preiserhöhung der Lebensmittel muß auch deßhalb nicht immer einer Zollerhöhung folgen, weil letztere bewirken soll und auch bewirkt, daß die inländische Produktion sich mehr und intensiver dem geschützten Gegenstand zuwendet und das dadurch entstehende Mohrangebot die Preise daruiederhält, während dem Produzenten dennoch eine Einnahme erwächst, welche sonst dem Auslande zu Gute gekommen wäre.

Während bei uns der Getreidebau in beschleunigtem Tempo zurückgeht, weil er sich
in Folge der Konkurrenz auf dem Getreidemarkt nicht mehr lohnt, hat sich in Deutschland in Folge der Getreidezölle eine umgekehrte Bewegung gezeigt, indem seit 1880 die mit Getreide angebaute Fläche von 1,815,230 ha. sich

816 jährlich regelmäßig vermehrt hat bis auf 1,919,682 ha. im Jahrol887.

Interessant dabei ist die für unsere Anschauung klar genug sprechende Thatsache, daß ionert diesem Zeiträume von 9 Jahren die Einfuhr an Getreide sich nicht wesentlich vermindert hat, sie betrug nämlich durchschnittlich per Jahr 489,543 t.. dagegen fielen die Einfuhrwerthe von 207 Mk. im Jahre 1880 und 209 Mk. im Jahre 1882 successive auf. 197, 184,5 und 151 Mark per Tonne, und als im Jahre 1885 der Getreidezoll von l auf 3 Mk. erhöht wurde, fiel der Einfuhrwert!! auf 135 Mk. und in den Jahren 1886 und 1887 betrug er 146 Mk. per Tonne, um im Jahre 1888 bei einem Zolle von 5 Mk. auf 144 Mk. per Tonne zu sinken, ein Beweis, daß die Konsumenten mindestens nicht den ganzen Zoll zu tragen hatten. Die oppositionelle Presse Deutschlands bezieht die Belege dafür, daß der Zoll von 5 Mk. auf Getreide eine Vertheuerung des Brodes zur Folge habe, fast ausnahmslos aus dem deutsch-österreichischen Grenzgebiet an der sächsischen Grenze.

Dort sind allerdings gegen früher die Brodpreise in die Höhe gegangen, aber nicht in Folge der Zollerhöhungen, sondern wegen der Erschwerung, bezw. Aufhebung des Grenzverkehrs in Brod, der für die Bewohner des Grenzbezirks frei war. Die Preisbildung wird übrigens durch so viele Momente beeinflußt, daß es nur in äußerst seltenen Fällen gelingen wird, die Zollwirkung dabei auf nette, klare Weise zur Darstellung zu bringen. Namentlich ist hervorzuheben, daß die Preise der Rohstoffe und der Halbfabrikale gegenwärtig einen viel zu geringen Einfluß auf den Preis der fertigen Lebensbedürfnisse ausüben. Es ist schon oft und überzeugend nachgewiesen worden, daß z. B. die Preise der allcrnothwendigsten Lebensrnittel, Brod und Fleisch, den sinkenden Vichund Getreidepreisen nur langsam und von ferne folgen, und daß mit dem Verluste des Produzenten selten oder nie ein entsprechender Gewinn des Konsumenten verbunden ist. Der Zwischenvurkelir nimmt eben einen stets steigenden Theil des Preises der fertigen Lebensbedürfnisse für sich in Anspruch, trotz den verbesserten Verkehrsmitteln und trotz den neuen kosteusparenden Erfindungen und Fabrikationseinrichtungen. In den Milchsiedereien und Käsereien wird z. B. die Milch mit ca. 12 Ct. per kg. bezahlt, während der Konsument in der Stadt Bern für den Liter (1033 gr.) 20 Cr.
bezahlen muß. Der einfache Transport vom Produzenten zum Konsumenten vertheuert somit ein absolut nothwendiges Lebensrnittel um 65 bis 70 °/o. Ein Milchaufschlag der Siedereien und Käsereien von Va bis 3/4 Ct. per Liter hatte einen solchen von 2 Ct., also den 3 bis 4fachen seitens der Zwischenhändler zur Folge. *) *) Vorstehendes wurde im Januar 1890 gesohriebeu.

817 Nach diesen kurzen und demnach die Frage nur berührenden Erörterungen kommen wir zur Besprechung der von den landwirthschaftlichen Vereinen vorgeschlagenen Tariferhöhungen.

Wir begegnen da fast ausschließlich Positionen, die Waaren betreffen, welche wir nicht im Auslande suchen müssen, sondern die auf unsern Markt geworfen werden, von denen folglich das Ausland den Einfuhrzoll in unser Land bezahlt und denselben auch -- wenigstens zum größten Theile -- endgültig trägt.

Müssen wir bei den Vertragsunterhandluugen uns von diesen Zöllen abmarkten lassen, so dürfen wir für das damit dem Ausland gemachte Geschenk eine entsprechende Gegenleistung zu Gunsten unseres Exportes verlangen.

Scheitern die Verhandlungen, so würde dadurch keine oder keine wesentliche Preiserhöhung der betreffenden Artikel erfolgen, und der vorgeschlagene Tarif darf um so eher erträglich genannt werden, als die dann nicht unbedeutend geschützte inländische Produktion sich besser entfalten und daraus ein kräftigerer Konsument für die Erzeugnisse der inländischen Industrie und Gewerbe erwachsen würde.

Viele der von den Vereinen vorgeschlagenen Positionen betreffen Luxusartikel, zu denen wir auch den Wein und die Ochsen rechnen. Unsere Lohnarbeiter, der Handwerker und der Bauer trinken in der Regel keinen Wein ; selbst der Weinbauer begnügt sich mit Tresterwein. Ochsenfleisch kommt ebenfalls nicht regelmäßig auf den Tisch des sogenannten ,,gemeinen Mannes"; ja sogar die besten Stücke Kuhfleiseh werden ausgeführt oder dem gewöhnlichen bürgerlichen Konsum entzogen.

Die Rücksichten auf die Fremdenindustrie, welche die einheimischen Erzeugnisse -auch nicht gerade bevorzugt, können bei der Zollgesetzgebung nicht ausschlaggebend sein; denn man lebt in unsern nur wenige Monate geöffneten Berghotels immer noch besser und billiger, als in den ausländischen Hotels gleichen Ranges, welche doch bedeutend günstigere Existenzbedingungen haben und welche das ganze Jahr im Betriebe sind.

Das Gedeihen oder Nichtgedeihen unserer Hotel-Industrie wird von jedem ändern Moment, namentlich aber von der gegenseitigen Konkurrenz, in unendlich höherem Grade beeinflußt, als durch den Zolltarif.

Andere Positionen, für welche die landwirtschaftlichen Vereine erhöhte Zölle verlangen, betreffen Artikel, welche in unreelle Konkurrenz zu unsern eigenen
Erzeugnissen treten, wie z. B.

Kunstwein, getrocknete Weinbeeren zur Kunstweinfabrikation, fremde Fette mit unrichtiger Bezeichnung und von ekelerregender Herkunft.

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Endlich finden wir Artikel, denen der Kampfzoll an die Stime geschrieben ist, wie z. B. die feinen Speiseöle. Uebrigens wäre es wirthschaftlich zu rechtfertigen,- wenn durch einen entsprechenden Zoll die Fabrikation von Oel aus überseeischen Samen und Nüssen in die Schweiz verlegt werden könnte, deren Landwirthschaft die Oelkuchen nicht mehr entbehren kann.

Auch der Vergleich mit den Tarifen unserer Nachbarländer ergibt die Berechtigung der von unsern Vereinen vorgeschlagenen Ansätze, namentlich wenn man die stetig fortschreitende schutzzöllnerische Tendenz dieser Staaten in Betracht zieht, welche wahrscheinlich für das Jahr 1892 zu neuen Zollerhöhungen führen wird.

Wenn man den Anträgen der landvrivthschaftlichen Vereine und namentlich denjenigen der Gesellschaft schweizerischer Landwirthe im allgemeinen Anerkennung zollen und dieselben unterstützen muß, so darf man sich andererseits doch nicht verhehlen, daß ein etwas einseitiger Interessenstandpunkt dabei eingehalten wurde, wie dies eigentlich natürlich ist.

Ein Kampfmittel ersten Ranges wird nur vom schweizerischen landwirtschaftlichen Vereine berührt: ,,das G e t r e i d e " ; von dem nicht unwichtigen Kampfmittel und Luxusartikel ,, W e r m u t h t t ist nirgends die Rede. S c h a f e und Z i e g e n werden beim alten Zoll von 0,50 Fr. belassen, obwohl für nahezu zwei Millionen Franken Schafe jährlich importirt werden.

Das Schaf ist ein Erzeugniß extensiver Wirthschaft ; es paßt deßhalb je länger je weniger in deo landwirtschaftlichen Betrieb unseres Landes. Es kann sich folglich nicht um den Schutz unserer inländischen Schafzucht oder unserer eigenen Wollproduktiou handeln. Importirtes Schaffleisch ist ein Nahrungsmittel, dessen sich der größere Tfaeil unserer Bevölkerung enthalten muß und ohne Nachtheil enthalten kann; man darf es deßhalb mindestens auf die gleiche Linie stellen, wie die übrige Fleischeinfuhr. Dies geschieht bei einem Zoll von Fr. 2 bis 3 per Stück. Ziegen produziren wir genug im eigenen Lande; es ist deßhalb nicht nöthig, diese gefährlichen Seuchen-Ein- und -Verschlepper günstiger zu behandeln als die Schafe.

Oben ist darauf hingewiesen worden, daß Getreidezölle unter den heutigen Verkehrsverhältnissen den Brodpreis nicht wesentlich beeinflussen können. Wenn auch unsere Einfuhr einen größern Prozentsatz unseres Bedarfes
an Weizen bildet, als in allen uns umgebenden Staaten, so ist gerade durch die hohen Zölle dieser letztern dafür gesorgt, daß dieses weltwirtschaftliche Produkt uns

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819 auch in erhöhtem Maße zufließt. Ein Zoll von 10 bis 20% des Werthes würde unsere Stellung im Kampfe stärken, unsere Einnahmen wesentlich und s i c h e r vermehren, ohne daß hiedurch für unsere Konsumenten ein wesentlicher Schaden erwachsen dürfte.

Durch Bundesrathsbeschluß soll dieser Zoll vervielfacht werden können gegenüber allen jenen Staaten, welche mit uns keine Verträge abschließen wollen. Weizen wird immer in größern Sendungen von mindestens Waggonladungen eingeführt, deren Provenienz in jedem einzelnen Falle durch Fachleute unschwer nachgewiesen werden kann. In zolltechnischer Beziehung können folglich aus einem derartigen Beschlüsse kaum Schwierigkeiten entstehen.

Es ist anzunehmen, die übrigen landwirtschaftlichen Vereine haben deßwegen auf den Artikel Getreide so geringes Gewicht gelegt, weil sie eingesehen haben, daß mit einem Zoll unserem Getreidebau doch nicht geholfen werden kann.

Wir halten diese Ansicht für durchaus richtig, so nöthig es wäre, wenn man hier helfen könnte, denn es ist wahrhaft beängstigend, wenn man zusehen muß, wie die schweizerische Landwirthschaft daran ist, ihre ganze Produktion an ein.en e i n z i g e n Ast, den Futterbau, zu hängen und letztern hauptsächlich auf Milch auszubeuten, wie dies auch alle westeuropäischen Staaten zu thun gezwungen sind.

Allein, wenn mit Zöllen allein dem inländischen Körnerbau oder vielmehr der S t r o h P r o d u k t i o n nicht aufgeholfen werden kann, so wäre es nach unserer Ansicht doch unverantwortlich, wenn wir diese Waffe in unserer Nothlage nicht mindestens als Kampfmittel benutzten. Da ein wirksamer Schutz unserer einheimischen Getreideproduktion durch den vorgeschlagenen Zoll nicht zu erwarten ist, so würde das Landwirthschaftsdepartement seinen Antrag entweder fallen lassen oder den Zollansatz auf Getreide herabsetzen, wenn befürchtet werden könnte, dieser Zoll werde den Brodpreis erhöhen, denn eine solche Erhöhung würde die ganze Bevölkerung, die landwirtschaftliche miteingeschlossen, belasten und sie wäre deßhalb nur aus fiskalischen Gründen zu rechtfertigen.*) Es erübrigt uns noch ein Wort über die V i e h z ö l l e . Oft, und auch in der Eingabe des Verbandes schweizerischer Metzger*) Seither wurde der Vorschlag auf Erhöhung des Getreidezolles fallen gelassen, weil seine Brauchbarkeit als Kampfzoll bestritten und ein Einfluß auf die Brodpreise befürchtet wird.

820 meister, wird behauptet, die Schweiz sei nie im Stande, den Fleischbedarf mit eigenem Vieh zu decken. Bekanntlich ist dieser Bedarf in neuerer Zeit ganz enorm gestiegen, und zwar nicht nur im Verhällniß zu der sich mehrenden Bevölkerung, sondern auch absolut, per Kopf. Dies ist schon ersichtlich ans den bis in die entlegensten Ortschaften sich vervielfältigenden Metzgereigeschäften, aus der Statistik der Schlachthäuser und aus den Beobachtungen über die Lebensführung des Volkes. Herr Professor Dr. K r ä m e r hat nun im Jahr 1887 in einer im landwirtschaftlichen Zentralblatt veröffentlichten Arbeit, gestützt auf die an einem durch Futternoth dezimirten Viehstand vorgenommene letzte eidgenössische Viehzählung, überzeugend nachgewiesen, daß unsere Landwirthschaft, abgesehen von dem Export von Zucht- und Nutzvieh, im Stande sei, 75,5 °/o des eigenen Fleischbedarfes zu befriedigen und daß ihr Antheil an der Fleischversorgung des Landes seit der Viehzählung von 1876 erheblich gewachsen sei.*) Wäre die letzte *) Herr Prof. K r ä m e r schätzt dea Fleischverbrauch der Schweiz in ausführlicher, wohlbegründeter Rechnung wie folgt : I. Aus dem I n l a n d e : 1. Rindvieh (222,750 Stück Kälber à 40 kg., 203,782 Stück Großvieh (Stiere, Ochsen, Kühe und Rinder) à 200 bezw. 215 und 280 kg., abzüglich 663,700 kg. Fleischausfuhr 524,518 Kilozentner 2. Schweine, 12,676 ältere Zuchtschweine à 125 kg.

und 228,776 Schlachtschweine à 100 kg. . . . 242,538 ,, 3. Schafe, 68,326 Stück à 20 kg. = 13,665 Kilozentner 4. Ziegen,59,417 ,, 115 ,, = 8,912 ,, Zusammen 22,577 Kilozentner davon ab die Ausfuhr 7671 Stück à 20 kg. . . . 1,534 ,, 21,043 Summa 788,099 Kilozentner II. Aus dem A u s l a n d e : 1.

2.

3.

4.

Rindvieh Schweine, 76,674 Stück à 60 kg Schweineschmalz Schafe und Ziegen, 52,895 Stück à 25 kg.

161,403 Kilozentner 46,004 ,, 37,174 ,, . . 13,224

Summa 257,805 Kilozentner Hienach berechnet sich die inländische Fleischkonsnmtion auf im Ganzen 1,045,904 ,, oder auf rund 37,7 kg. Fleisch per Kopf der Bevölkerung, und der Fleischbezug aus dem Inlande auf 75,5 °/o, derjenige aus dem Auslande auf 24,5 %.

In den 70er Jahren ermittelte Herr Krämer dieses Verhältniß auf 70 : 30.

821 Viehzählung unter normale Futterverhältnisse gefallen, so würde sich dieser Antheil noch bedeutend höher werthen lassen.

Ferner ist zu bemerken, daß wir an Käse- und Milchprodukten jährlich für mehr als 45 Millionen Franken mehr aus- als einführen, während die Einfuhr an Schlachtrindvieh höchstens auf 16 Millionen Franken bewerthet werden kann. Nichts ist. aber leichter, als die Futterverwerthuug a_uf Milch um den erwähnten Betrag der Vieheinfuhr zu vermindern und dafür Fleisch zu produziren. Es würde zwar einige Jahre dauern, bis wir das Bedürfniß nach O c h s e n fleisch durch vermehrte Aufzucht von Ochsen zu befriedigen im Staude wären. Die gleiche Fleischqualität liefern aber junge Kühe und Rinder; es braucht deßhalb nur einen etwas raschern Umsatz des Viehstandes und der Ausfall unserer Fleischproduktion, ist gedeckt. Nehmen wir an, daß die Kühe bei uns durchschnittlich im Alter von 7 Jahren und mit einem Werlh von Fr. 330 per Stück zur Schlachtbank gelten, so würde der Ausfall von 16 Millionen Franken in der Erzeugung von Sohlachtrindvieh schon vollständig gedeckt sein, wenn der Absatz der Kühe im Durchschnittsalter von 6 Jahren erfolgen würde. Um das zu erreichen, braucht es nur etwas günstigere Konjunkturen für die Futterverwerthung auf Fleisch, welche durch die proponirten Zölle herbeigeführt werden können.

Es ist kaum möglich, daß eine Erhöhung des Viehzolles in dem vorgeschlagenen Umfange auch eine Erhöhung der Fleischpreise zur Folge haben werde; denn der Werth eines Ochsen oder einer schweren Kuh kann durch den tüchtigsten Fachmann und selbst auf Grund des Lebendgewichtes nie so genau geschätzt werden, daß nicht nach dem Aussehlachten und in den meisten Fällen Irrthümer in der Schätzung sich zeigen, welche die vorgesehene Zollerhöhung übersteigen. Aber auch in dem unmöglichen Falle, daß der Zoll eine Erhöhung der Fleischpreise i n s e i n e m v o l l e n B e t r a g e herbeiführen könnte, wären wir noch nicht im Stande, darin eine Belastung des Konsumenten zu erblicken; denn es ist ein alter und bekannter Erfahrungssatz, daß höhere Fleischpreise auch eine bedeutend höhere Qualität des Fleisches zur Folge haben. Dies trifft in besonders auffälligem Maße beim Kuhfleisch, dem Lebensmittel der Arbeiter, ein. Je lohnender die Preise des Kuhfleisches sind, desto größeres Interesse hat
der Landwirth, jüngere und fette, statt alte und abgemolkene · Thiere auf die Schlachtbank zu liefern. Der Konsument erhält somit um sein Geld ein jüngeres fetteres, somit nahrhafteres und leichter verdauliches Fleisch, statt Knochen, Knorpeln und schwer verdauliche alte Fleischfaser.

Bandesblatt. 42. Jahrg. Bd. II.

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822 Auch der Konsument von Ochsenfleisch hat gewissermaßen ein Interesse am Zollschutz. Ist Letzterer auch unvermögend, einen Preisaufschlag zu bewirken, so genügt er doch, die Metzger zu veranlassen , dem inländischen Brzeugniß mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Es ist aber unbestrittene und unbestreitbare Thatsache, daß das Fleisch der einheimischen Ochsen b e i d e r Rassen von besserer Qualität ist als dasjenige der aus Oesterreich importirten Thiere. Noch größer ist der Unterschied in der Qualität hinsichtlich der aus Italien eingeführten Ochsen.

Immerhin betrachten wir den Zoll auf Ochsen als einen K a m p f zoll, auf dem im Nothfalle bis auf einen gewissen Grad Konzessionen gemacht werden dürfen, wenn dafür entsprechende Gegenleistungen erhältlich sind.

Für das zuchtfähige Rindvieh ist dagegen ein f e s t e r Schutzzoll dringend wünschbar.

Seit Jahren bemühen sieh Bund und Kantone mit erheblichen Opfern, die Rindviehzucht zu heben und durch eine gute Seuchenpolizei den einheimischen Viehstand vor Verlusten zu bewahren.

Alle diese Bemühungen werden theilweise, in einigen Gegenden vollständig, lahm gelegt durch die Einfuhr von minderwerthigen Kühen und geringem Jungvieh, welche überallhin vertrieben werden, unsern Viehschlag verbastardiren, die Lungen-, Maul- und Klauenseuche und auch die Tuberkulosis im Lande verschleppen.*) Die eingeführten Ochsen wandern in der Regel direkt zur Schlachtbank, namentlich dann, wena ein einigermaßen entsprechender Zoll die Einfuhr auf den nothwendigen Bedarf beschränken hilft. Die Kühe und das Jungvieh dagegen werden überall herumgetrieben, infiziren Märkte, Ställe und Straßen und bewirken, daß in den Gegenden, wo die viehseuchenpolizeilichen Vorschriften nicht mit aller Strenge gehandhabt werden, die Krankheit erst erlischt, wenn ein großer Theil des Viehstandes durchseucht ist.

° Abgesehen vom direkten Schaden, welchen die Landwirtschaft durch diese Krankheiten erleidet und der sich im Jahre 1889 wieder *) Mit Ausnahme der beiden Städtekantone Basel und Genf wird in keinem Kanton so wenig Vieh aufgezogen wie in Appenzell a/Rh., nämlich jährlich nur 13 Kälber anf 100 Kühe, während in der Schweiz durchschnittlich 38 Kälber auf 100 Kühe zur Aufzucht gelangen. Nach den Angaben der Grenzthierärzte führt Appenzell a/Rh. verhältnißmäßig ani meisten Nutzvieh aus
Oesterreich ein. Laut den von Prof. Dr. Oskar Wyß in Zürich in der ,,Zeitschrift für schweizerische Statistik" 1889, III. Quartalheft, veröffentlichten Angaben wurden von 9954 Kühen, welche 1886, 1887 und im 1. Semester 1888 im Kanton Appenzell a/Rh. geschlachtet wurden, 328 oder 3,3 °/o tuberkulös befunden.

823 auf eine ganz enorme Höhe beläuft, muß namentlich darauf aufmerksam gemacht werden, daß unsere Ausfuhr an Zucht- und Nutzvieh stets gefährdet ist und daß die Verkehrsbeschränkungen im Innern durch die Seuchenpolizei auch auf den Konsum drückend riickwirken müssen.

Unsere 663,000 Kühe liefern jährlich circa 250,000 Kuhkälber,*) somit eine genügende Remonte. Unsere Aufzucht genügt allen Bedürfnissen, den höchstgespannten Anforderungen, wie auch dem bescheidenen Geldbeutel. Unser Land ist so klein und es besitzt so gute Verkehrswege und Verkehrsmittel, daß auch für die Grenzgegenden absolut kein Bedürfniß besteht, minderwerthige und seucheiiverdächtige Waare aus dem Auslarid zu holen und damit unsere Landwirthschaft und unsere Viehzucht direkt und indirekt zu schädigen.

Das Gleiche, was vom Rindvieh gesagt worden ist, bezieht sich auch auf die S c h w e i n e .

Das Schweinefleisch ist zum größten Theil ein Nebenprodukt der Milchwirthschaft. Die von den deutschschweizerischen landwirthsehaf l liehen Vereinen vorgeschlagene Zollerhöhung auf Schweine ist deßhalb eine wesentliche Unterstützung unserer Käsereien, deren Abfälle nur durch die Schweine verwerthet werden können.

Immerhin ist das Schweinefleisch ein nothwendiges Nahrungsmittel für alle Bevölkerungsklassen.

Die Schweinemast ist abhängig von der Kartoffelernte und theihveise auch von den Getreidepreisen. Nach Fehljahren ist die Einfuhr gemästeter Schweine im Interesse der Konsumenten wünschbar. Wie bei den Ochsen, so kann deßhalb auch bei den Schweinen der vorgeschlagene Zoll als K a m p f z o l l betrachtet werden. Dagegen ist kein Grund einzusehen, warum Schweine unter 25 kg. Gewicht günstiger behandelt werden sollen, wie die für die Schlachtbank bestimmten Thiere.

Diese Läuferschweine werden von Markt zu Markt und trotz des Verbotes im Hausirhandel von Hof zu Hof getrieben, und da dieser Verkehr sehr schwer zu kontroliren ist, sind es diese Thiere, welche ebenfalls die Maul- und Klauenseuche und den Rothlauf im Lande und namentlich auf den Alpen verschleppen. Die Schweinezucht kann ausschließlich mit Abfällen der Milchwirthschaft und des Futterbaues betrieben werden, und sie ist bei der 'großen Fruchtbarkeit der Sauen geeignet, in a l l e r k ü r z e s t e r Z e i t j e d e m B e d a r f e zu g e n ü g e n . Es liegt deßhalb im größten Interesse *) Dazu kommen jährlich noch mehr als 90,000 Kälber von den 186,983 üher l Jahr alten Rindern.

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unserer Milchwirlhschaft und unserer Viehseuchenpolizei, die Einfuhr von Faselschweinen zu verhindern. Dies geschieht, wenn wir im Zolltarif keinen Unterschied zu deren Gunsten gewähren.

Unser A n t r a g geht somit dahin: Es seien die von dem schweizerischen landwirtschaftlichen Vereine, von der Gesellschaft schweizerischer Landwirthe und vom schweizerischen Gartenbauvereine vorgeschlagenen höhern Tarifansätze anzunehmen mit folgenden Aenderungen : Nr. 215 W e i z e n , Zoll pro q. Fr. 2 Kampfzoll.*) Nr. 256 W e r m u t h , Zoll pro q. brutto Fr. 100 Kampfzoll.

Nr. 373 O c h s e n [nur eine Position), Fr. 35 Kampfzoll.

Nr. 374 Z u c h t s t i e r e , K ü h e und R i n d e r (nur eine Position), Fr. 30 fester Schutzzoll.**) Nr. 375 K ä l b e r über 60 kg. Gewicht, männliche gemästete, Fr. 12.

Nr. 375"= K ä l b e r unter 60 kg. Gewicht Fr. 6.

Nr. 376 S c h w e i n e (nur eine Position), Fr. 12.

Nr. 378 S c h a f e und Z i e g e n per Stück Fr. 2 fester Schutzzoll.

Diese Ansätze stimmen allerdings nicht mit der schon oben berührten Eingabe des Vorstandes des Verbandes schweizerischer Metzgermeister überein, welche übrigens von ganz irrigen Voraussetzungen ausgeht und in der Behauptung gipfelt, ,,daß nicht die kleinste Ursache der Mißerfolge unserer Agrarier in der Plan- und Systemlosigkeit (speziell bei der Viehzucht und Viehmast) begründet liegt, mit welcher bei uns die Landwirtschaft betrieben wirda.

Wenn von Plan- und Systemlosigkeit gesprochen werden soll, so wäre sie doch eher bei unserm Metzgergowerbe zu suchen, welches es noch nicht dazu gebracht hat, das Fleisch nach Qualität zu verkaufen, wie das in ändern Ländern zu Gunsten des Fleischkonsutnes und namentlich des kleinen Mannes schon längst geschieht, und welches sich je länger je mehr das Schlachtvieh durch fremde Händler zutreiben läßt, statt die bessere Qualität des eigenen Landes zu bevorzugen.

*) Siehe Anmerkung auf Seite 819.

**) Seither hat der Bnndesrath beschlossen, für Stiere, Kühe und Binder, welche direkt an ein Schlachthaus abgeliefert -werden, den /oll auf Fr. 20 zu ermäßigen, in dem Sinne, daß der volle Zoll an der Grenze erlegt werden muß und eine Rückvergütung erst dann stattfindet, wenn die Schlachtung bescheinigt worden ist.

825 Zölle auf die Vieheinfuhr sind schon deßwegen nothwendig, um die Metzger wieder mehr auf das vernachläßigte Landesprodukt zu verweisen.

47,6 % aller Haushaltungen der Schweiz sind mit Viehbesitz verbunden. Also fast die Hälfte sämmtlicher Haushaltungen haben ein Interesse an der Förderung der Viehproduktion. Pie beste Förderung sind lohnende Preise. Dadurch wächst die Kaufkraft dieser Haushaltungen und das Sinken der Güterpreise wird aufgehalten. Den Gewinn davon haben somit auch die Gewerbetreibenden, die Industriellen und der Kapitalist, d. h. das ganze Volk. Wird die Landwirthschuft der rücksichtslosen weltwirtschaftlichen Konkurrenz preisgegeben, so ist für das Sinken der Bodcnpreise kein Ende abzusehen ; es müssen noch ungezählte Millionen gegenwärtig zinstragenden Kapitales zu Grunde gehen, die Kaufkraft der landwirtschaftlichen Bevölkerung (40,5 %) und der Kapitalisten schwindet auf ein Minimum. Was hat dann Industrie und Gewerbe davon?!

Wir haben angedeutet, daß auf den Kampfzöllen Konzessionen gemacht werden dürfen, wenn Gegenleistungen dafür erzielt werden können. In erster Linie sind dabei die wenigen landwirtschaftlichen Exportartikel zu berücksichtigen, nämlich: Käse, frische Butter, kondensirte Milch, Nutz- und Zuchtvieh.

Das Hauptgewicht legen wir auf den Käse, weil es sich dabei nicht um den verhältnißmäßig geringen Theil handelt, welcher exportirt wird, sondern weil der Preis unserer gesarnmten Milchproduktion sich nauh dem Preis des Exportkäses richtet, und weil die Milchproduktion neben der damit nothwendig verbundenen Erzeugung von Fleisch den hauptsächlichsten, in großen Gebieten den einzigen Erwerb unserer Landwirthschaft bildet.

Die Konsumenten haben einen Milchaufschlag nicht zu fürchten; denn die Milch wird stets das billigste Nahrungsmittel bleiben, und die Erfahrung beweist ausnahmslos, daß hohe Milchpreise immer mit steigendem allgemeinern Wohlstand verbunden waren.

Mit dieser Vernehmlassung übersenden wir Ihnen die betreffenden Eingaben der Vereine und versichern Sie, Tit., unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 25. Januar 1890.

Schweizerisches Landwirthschaftsdepartement : Deucher.

826

Beilage.

A. n s z u g aus den

Bezeichnung der Waare.

-.20 Holz (leere Fässer) . . . . 15.-- Holzwaaren (hölzerne Brut35.-- 70 Korbflechterwaaren von ungeschälten Ruthen . . . . 4.-- 75 Abgeschnittene Blumen . . .

78 Holländische Blumenzwiebeln 50.81 Lebende Pflanzen, ohne Kübel u n d Wurzelhallen . . . .

110 Ackergeräthe 6 % *) --.30 115 Blei in Barren 124 Eisenblech, verzinnt . . . . 3.-- 3.-- 187 8.-- 188 Butter, frisch 188
198 Frisch geschlachtetes Fleisch . 4.-- 199 Fleisch, gesalzen, geräuchert, 4.-- eingekocht etc 6.-- 200 Geflügel, lebendes 201 Geflügel, getödtetes, zahmes- . 12.-- 12 201»'» Geflügel, getödtetes, Wildpret 201« Wurstwaaren . . . .

20! -- 203 Obst, Beeren, frisch . . . .

204 Tafeltrauben, frisch . . . . 4.-- 206 Obst, gedörrtes oder getrocknetes .

. . .

.

1.50 208 Weinbeeren (getrocknete Tafeltrauben) 12.-- 208 Rosinen (Korinthen) . . . . 25.-- Kartoffeln . . .

. . .

211 Andere Gemüse, frisch . . .

212 Gemüse, eingesalzen oder ge4 trocknet . . . .

213 Gemüse, konservirt, in Gefäßen über 5 Kilo 7.-- 214 Gemüse, konservirt, in Gefäßen von 5 Kilo oder weniger . 20.-- *) Ad valorem.

Neuer Zollansatz.

1,=

11J

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Gesellschaft schweizer, Landwirthe.

Taril Nr.

Bisheriger Zollansatz.

Eingaben der landwirtschaftlichen Vereine betreffend den Zolltarif.

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35.-- 4.--

6>*) -.20 2

50.-- 25.-- 1.--

10.-- 10.-- 8.-- 10.-- 10.-- 20.-- 25.-- 10.--

40.-- 2.-- 2.50 12.-- 12.-- ^ 4.--

15.-- 8.-- 20.-- 20.30.--

4.--

15.1 ^ ~^~ Xv.

6.--

20.-- 12.-- 30.-- 12.-- 30.--

10.-- 15.--

6.--

12.-- 12.-- 20.-- 20.-- 12.-- 30.-- 45.-- 30.-

10.-- 12.-- 32.-- 40.--

W

»

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Schweizer!

Gartenbauverein.

1* =

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J «5 V3

Fédération romande.

Neuer Zollansatz.

Gesellschaft schweizer.

Landwirthe.

Bezeichnung der Waare.

Bisheriger Zollansatz.

Tarif Nr.

215

Getreide, Mais, Reis, Hülsenf'rüchte, nicht geschroten u n d nicht geschält . . . . --.30 1.50 --.30 216 Mühlenfabiikate 2.50 5.-- 5. -- 3.-- 220 15.-- 25.-- 15.-- 225a 6.-- 6.-- 2256 "Weichkäse 6.-- 8.-- 7 228 Kondensirte Milch . . . .

7.-- 231 --.'30 --.20 237 Tabak i n Blättern . . . . 25.-- BÖ.-- 247 Bier in Fässern 5.-- 10.-- 251 Trauben, frisch, zur Wein4.-- 7.-- 12.-- 4.-- bereitunf 10bis20 12*.252 Naturwein in Fässern , . . 6.-- a. Bis 7 »/o Alkohol . . . . 6.-- 6.-- je nach b. Mit 7-10 »/o Alkohol . . 6.-- 10.-- Alkoholc. Mit 10-- 15°/o Alkohol . 6.-- 12.-- gehalt, ( Droit

252a Kuustwein

6 -- 30.- 30.- iprohibi1 tif.

253 Flaschenweine, Naturwein . .

253a Flaschenweine, Schaumwein .

256 257 Olivenöl in Fässern (neu: denaturirt) 257a Olivenöl (Speiseöl) in Fässern 258 Oel (Speiseöl), Olivenöl ausgenommen, in Flaschen oder Blpchgefäßen 258o Olivenöl, in Flaschen oder 324 370 373 373"1' 374 375 376 377 378 379 381 382

20.-- 25.-- 30.-- 30.-- 20.-- 40.-- 40.-- 30.-- 40.-- 1.-- 1

20.--

2.-- 40.--

40.-- 40.--

40.-- 20.-- --.30 Wolle, roh Pferde und Maulthiere . . . 3.-- Ochsen und Stiere, geschaufelt 25.-- 35.-- 35.-- Kühe und Binder, geschaufelt 20.-- 30.-- 30.-- Jungvieh, ungeschaufelt . . Fj 15.-- Kälber bis auf 6 Wochen oder nicht über 60 Kilo Gewicht 6.-- Schweine mit oder über 25 Kilo 8.-- 12.-- 12.-- Schweine unter 25 Kilo Ge3. -- 6.-- 5.-- wicht Schafe u n d Ziegen . . . . -.50 Bienenstöcke, gefüllt . . . . --.20 Häute und Felle, roh . . . --.60 Häute und Felle, gegerbt, zugerichtet, mit Haaren . . 8.--

40.-- -.30 3.-- 30.-- 20.-- 5.-- 3.-- 6.-- 3.-- --.50 --.20 --.60 8.--

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Gutachten über die Eingaben der landwirtschaftlichen Vereine betreffend Revision des Zolltarifs, erstattet vom schweiz. Landwirthschaftsdepartement an das Zolldepartement.

(Veröffentlicht auf Verlangen der Zolltarifkommisson.)

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Jahr

1890

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2

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22

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24.05.1890

Date Data Seite

811-827

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