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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Konzession einer Drahtseilbahn von Interlaken auf den Harder.

(Vom 8. Oktober 1890.)

Tit.

Am 4. September d. J. reichten die Herren Dr. M i c h e l , Fürsprecher in Interlaken, B. S t u d e r , Ingenieur in Thun, Joh.

F r u t i g e r , Baumeister in Oberhofen, und E. R u c h t i , Großrath in Interlaken, ein Konzessionsgesuch für eine D r a h t s e i l b a h n von I n t e r l a k e n auf den H a r d e r ein.

Die projektirte Bahn soll zur Belebung des Fremdenverkehrs in Interlaken dienen, indem sie die sog. Hardermatten auf dem nördlich Interlaken gelegenen Gebirgskamm, von welchen aus ein prachtvoller Ausblick auf das ganze Bödeli mit dem Thuner- und Brienzersee als Vordergrund und das gerade gegenüberliegende Jungfraumassiv mit den Vorbergen sich biete, einem weitern Publikum zugänglich macht. Es existire freilich seit Langem ein Fußweg auf die Höhen, der aber seiner Steilheit wegen nur wenig benutzt werde. Der in Bezug auf Aussicht seinesgleichen suchende Höhepunkt brauche durch die Bahn nur erst erschlossen zu sein, um bald der Lieblingsplatz der fremden Gäste zu werden, wie er übrigens mit so relativ geringem Zeit- und Geldaufwand sonst nirgends zu finden sei.

Die Bahn beginnt in Interlaken bei der obern Straßenbrücke über die Aare, gegenüber dem Hotel Beaurivage, auf Cote 570 m.

ü. M., zieht sich in nordwestlicher Richtung am Abhang empor, unter den obern Felsen des sog. Hardermannli durch, den obersten Felsvorsprung mittelst eines Tunnels durchbrechend, und endigt auf den Hardermatten, Cote 1200 m. ü. M. Der zu überwindende Höhenunterschied beträgt somit 630 m., die Gesammtlänge der Bahn rund 1450 m., so daß sich eine mittlere Steigung von 43,5 °/o

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ergäbe, die aber wegen Traceschwierigkeiten nicht eingehalten werden kann; vielmehr soll nach dem technischen Bericht (anders nach Längenprofil) die Steigung unten auf 960 m. 40 °/o und oben auf 475 m. 51 °/o betragen. Die Spurweite ist zu l m. angenommen.

Zwischen km. 0,?oo und l,ooo kommt die Bahn in eine Kurve von 665 m. Halbmesser zu liegen, während sie im Uebrigen gerade verläuft. Die Bahn soll für Drahtseilbetrieb (Seil ohne Ende), mit zwei Geleisen und zwei Zahnstangen erstellt werden. Als bewegende Kraft ist Elektrizität in Aussicht genommen, zu deren Erzeugung die auf dem Grundstück des einen Petenten vorhandenen Wasserkräfte dienen werden. Die Anlagekosten werden (im technischen Berieht) veranschlagt wie folgt: 1. Vorstudien, Bauleitung, Verwaltung . . . . Fr. 21,000 2. Finanzirung, Bauzinse ,, 82,500 3. Grunderwerb .

,, 30,000 4. Unterbau ,, 315,000 5. Oberbau ,, 180,000 6. Hochbau ,, 55,500 7. Mechanische Einrichtungen ,, 51,000 8. Abschluß, Signale ,, 3,000 9. Inventar ,, 3,000 10. Rollmaterial ,, 55,000 11. Dynamomaschinen etc ,, 132,000 12. Wasserkraft ,, 125,000 13. Unvorhergesehenes ,, 147,000 Total

Fr. 1,200,000

In der Rentabilitätsberechnung wird von einer Reisendenfrequenz des Bödeli von 100,000 Personen ausgegangen und die Benützung der Bahn durch 1ls oder 33,000 Personen angenommen, was bei einer Fahrtaxe von Fr. 4 (nach Gesuch) für Hin- und Rückfahrt an Einnahmen ergibt Fr. 132,000 denen gegenüber stehen : Betriebskosten Fr. 25,000 Bahnunterhalt ,, 3,000 Einlage in Reserve- und Erneuerungsfonds. .'

,, 5,500 Verzinsung eines Obligationenkapitals von Fr. 500,000 /u 4^2 °/o . . . ,, 22,500 zusammen Ausgaben ,, 56,000 bleiben Fr. 76,000 was für das Aktienkapital eine Dividende von ca. 10,8 °/o ergäbe.

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Die zur Vernehmlassung eingeladene Regierung des Kantons Bern erhebt gegen die Ertheilung der Konzession keine Einwendungen.

Die vorgeschriebenen konferenziellen Verhandlungen fanden am 7. d. M. statt.

Mit den im hienach folgenden Beschlußentwurf enthaltenen Bedingungen, welche wir Ihnen für die Konzessionsertheilung vorschlagen, erklärten sich bei der Konferenz sowohl der Regierungsvertreter als die Petenten einverstanden.

Dieselben sind die für solche Unternehmungen üblichen und geben daher zu keinen besondern Bemerkungen Anlaß. Nur was die Taxen im Art. 15 anbetrifft, so ist zu erwähnen, daß letztere im Einverständniß der Petenten gegenüber deren ursprünglichen Vorschlägen eine Herabsetzung auf die Ansätze der Beatenbergbahn erfahren haben, mit welcher die Barderbahn bezüglich Länge, zu ersteigender Höhe ete. auf gleiche Linie gestellt werden muß.

Genehmigen Sie, Tit., auch bei diesem Anlasse die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 8. Oktober

1890.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

L. Ruchonnet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluß betreffend

Konzession einer Drahtseilbahn von Interlaken auf den Harder.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1) einer Eingabe der Herren Dr. Michel, Fürsprecher, und Mithafte, vom 4. September 1890; 2) einer Botschaft des Bundesrathes, vom 8. Oktober 1890, beschließt: Den Herren Dr. M i c h e l , Fürsprecher, E. R u c h ti, Großrath, beide in Interlaken, Joli. F r u t i g e r , Baumeister in Oberhofen, und B. S t u d e r , Ingenieur in Thun, zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft, wird die Konzession für den Bau und Betrieb einer Drahtseilbahn von I n t e r l a k e n auf den H a r d e r unter den in den nachfolgenden Artikeln enthalteneu Bedingungen ertheilt : Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Art. 2. Die Konzession wird auf die Duner von 80 Jahren, vom Datum des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, ertheilt.

Art. 3. Der Sitz der Gesellschaft ist in Interlaken.

Art. 4. Die Mehrheit der Direktion und des Verwaltungsrathes oder weitern Ausschusses soll aus Schweizerbürgern, welche ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, bestehen.

Bundesblatt 42. Jahrg. Bd. IV.

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Art. 5. Binnen einer Frist von 18 Monaten, vom Datum des Konzessionsaktes an gerechnet, sind dem Bundesrathe die vorschriftsmäßigen technischen und finanziellen Vorlagen nebst den Statuten der Gesellschaft einzureichen.

Innert 6 Monaten nach stattgefundener Plangenehmigung ist der Anfang mit den Erdarbeiten für die Erstellung der Bahn zu machen.

Art. 6. Binnen 2 Jahren, vom Beginn der Erdarbeiten an gerechnet, ist die ganze konzessionirte Linie zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.

Art. 7. Die Ausführung des Bahnbaues, sowie der zum Betrieb der Bahn erforderlichen Einrichtungen, darf nur geschehen auf Grund von Ausführungsplänen, welche vorher dem Bundesrathe vorgelegt und von diesem genehmigt worden sind.

Der Bundesrath ist berechtigt, auch nach Genehmigung der Pläne eine Abänderung derselben zu verlangen, wenn eine solche durch Fürsorge für die Sicherheit oder die Bedürfnisse des Betriebes geboten ist.

Art. 8. Die Buhn wird als zweigeleisige Drahtseilbahn erstellt und mittelst Elektrizität betrieben.

Art. 9. Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welche durch die Bauarbeiten zu Tage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen u. s. w., sind Eigenthurn des Kantons Bern und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

Art. 10. Den Bundesbeamten, welchen die Ueberwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebes obliegt, hat die Bahnverwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Theilen der Bahn, der Stationen und des Materials zu gestatten und das zur Untersuchung nöthige Personal und Material zur Verfügung zu stellen.

Art. 11. Der Bundesrath kann verlangen, daß Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlaß geben und gegen welche die Gesellschaft nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nöthigenfalls entlassen werden.

Art. 12. Die Gesellschaft übernimmt in erster Linie die Beförderung von Personen und Gepäck; Güter werden nur befördert, wenn die vorhandenen Einrichtungen es gestatten.

Zum Viehtransport ist die Gesellschaft nicht verpflichtet.

519 Art. 13. Die Gesellschaft kann den Betrieb der Bahn auf die Touristensaison beschränken.

Im Allgemeinen ist der Gesellschaft anheimgestellt, die Zahl der täglichen Züge und deren Kurszeiten festzustellen.

Immerhin sind alle daherigen Projekts, welche sich auf fahrplanmäßige Züge beziehen, dem Eisenbahndepartement vorzulegen und dürfen vor ihrer Genehmigung nicht vollzogen werden.

Das Maximum der Fahrgeschwindigkeit wird vom Bundesrathe festgestellt.

Art. 14. Es wird nur eine Wagenklasse eingeführt, deren Typus durch den Bundesrath genehmigt werden muß.

Art. 15. Die Gesellschaft wird ermächtigt, folgende Taxen zu beziehen : a. Für den Transport von P e r s o n e n : für die Bergfahrt . . . . Fr. 2. 50, ,, ,, Thalfahrt . . . . ,, 1. --, ,, ,, Hin- und Rückfahrt ,, 3. --.

Für Kinder unter 3 Jahren, sofern für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird, ist nichts und für solche zwischen dem dritten und dem zurückgelegten zehnten Altersjahre die Hälfte der Taxe zu bezahleo.

Die Gesellschaft ist verpflichtet, nach mit dem Bundesrathe zu vereinbarenden Bestimmungen Abonnementsbillete auszugeben.

b. D a s ^ H a n d g e p ä c k d e r R e i s e n d e n bis zum Gresammtgewicht von|!5 Kilogramm wird taxfrei befördert, sofern es ohne Belästigung /der t Mitreisenden im Personenwagen untergebracht werden kann.

Für dasjö Kilogramm übersteigende übrige Gepäck der Reisenden und die zum Transport angenommenen Güter können per 10 Kilogramm 20;.;Rp. erhoben werden.

Das Gewicht wird nach Einheiten von je 10 Kilogramm berechnet, wobei jeder Bruchtheil von 10 Kilogramm für eine ganze Einheit gilt.

Art. 16.~Die Gesellschaft hat sich dem Transportreglement der schweizerischen Eisenbahnen zu unterziehen. Soweit sie Aeuderungen nöthig findet, können dieselben nur nach vorher eingeholter Genehmigung des Bundesrathes eingeführt werden.

Art. 17juFür die Einzelheiten des Trausportdienstes sind besondere Réglemente und Tarife aufzustellen.

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Art. 18. Die sämmtlichen Réglemente und Tarife sind mindestens sechs Wochen, ehe die Eisenbahn dem Verkehr übergeben wird, dem Bundesrathe zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 19. Wenn die Bahnunternehmung drei Jahre nach einander einen sechs Prozent übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist das nach gegenwärtiger Konzession zuläßige Maximum der Transporttaxen verhältnißmäßig herabzusetzen. Kann diesfalls eine Verständigung zwischen dem Bundesrathe und der Gesellschaft nicht erzielt werden, so entscheidet darüber die Bundesversammlung.

Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, einschließlich die Verzinsung des Obligationenkapitals, zu decken, so kann der Bundesrath eine angemessene Erhöhung obiger Tarifansätze gestatten. Solche Beschlüsse sind jedoch der BundesTersammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 20. Die Gesellschaft ist verpflichtet, für Aeuffnung eines genügenden Erneuerungs- und Reservefonds zu sorgen und für das Personal eine Kranken- und Untevstützungskasse einzurichten oder dasselbe bei einer Anstalt zu versichern. Die hierüber aufzustellenden besondern Vorschriften unterliegen der Genehmigung des Bundesrathes.

Art. 21. Für die Geltendmachung des Rückkaufsreclites des Bundes, oder, wenn er davon keinen Gebrauch machen sollte, des Kantons Bern, gelten folgende Bestimmungen : a. Der Rückkauf kann frühestens auf 1. Mai 1915 und von da an jederzeit erfolgen. Vom Entschluß des Rückkaufes ist der Gesellschaft drei Jahre vor dem wirklichen Eintritte desselben Kenntniß zu geben.

6. Durch den Rückkauf wird der Rückkäufer Eigenthümer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial uud allen übrigen Zugehöreu.

Immerhin bleiben die Drittmannsrechte hinsichtlich des Pensionsund Unterstützungsfonds vorbehalten. Zu welchem Zeitpunkte auch der Rückkauf erfolgen mag, ist die Bahn sammt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zustande abzutreten. Sollte dieser Verpflichtung kein Genüge gethan werden, und sollte auch die Verwendung der Erneueruugs- uud Reservefonds dazu nicht ausreichen, so ist ein verhältuißmäßiger Betrag von der Kückkaufssumme in Abzug zu bringen.

c. Die Entschädigung für den Rückkauf beträgt, sofern letzterer bis 1. Mai 1930 rechtskräftig wird, den 25fachen Werth des durchschnittlichen Keiuerirages derjenigen zehn Jahre, die dem Zeitpunkte, in welchem der Rückkauf der Gesellschaft

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notifizirt wird, unmittelbar vorangehen; -- sofern der Rückkauf zwischen dem \. Mai 1930 und 1. Mai 1945 erfolgt, deu 22 1 /afachen Werth ; -- wenn der Rückkauf zwischen dem 1. Mai 1945 und dem Ablauf der Konzession sich vollzieht, den 20fachen Werth des oben beschriebenen Reinertrages; -- unter Abzug des Erneuerungs- und Reservefonds.

Bei Ermittlung des Reinertrages darf lediglich die durch diesen Akt konzedirte Eisenbahnunternehmung mit Ausschluß aller anderen etwa damit verbundenen Geschäftszweige in Betracht und Berechnung gezogen werden.

d. Der Reinertrag wird gebildet aus dem gesammten Ueberschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch' letztern auch diejenigen Summen zu rechnen sind, welche auf Abschreibungsrechnung getragen oder einem Reservefonds einverleibt wurden.

e. Im Falle des Rückkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der Konzession ist nach der Wahl des Rückkäufers entweder der Betrag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche Abschätzung za bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

f. Streitigkeiten, die über den Rückkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen möchten, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichtes.

Art. 22. Hat der Kanton Bern den Rückkauf der Baiin bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein daheriges Recht, wie es im Art. 21 definirt worden, jederzeit auszuüben, und der Kanton hat unter den gleichen Rechten und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie Letzterer dies von der konzessionirten Gesellschaft zu fordern berechtigt gewesen wäre.

Art. 23. Der Bundesrath ist mit dem Vollzüge der Vorschriften dieser Konzession, welche mit dem Tage ihrer Promulgation in Kraft tritt, beauftragt.

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11.10.1890

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