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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Konzession einer schmalspurigen Eisenbahn von Vivis über Bulle nach Thun.

(Vom 21. Juni 1890.)

Tit.

Mit Begleitschreiben vom 18. März 1890 ist von Herrn G.

A n s e l m i e r , Ingenieur in Bern , Namens eines I n i t i a t i v k o m i t e s (Präsident Herr Gr. M o n t e t und Sekretär Herr Eug.

P a c h o u d in Vivis) ein Konzessionsgesuch für den Bau und Betrieb einer schmalspurigen Eisenbahn von V i v i s über B u l l e nach T h u n eingereicht worden.

In demselben wird zur Begründung dieses Bahnprojektes ausgeführt, daß seit der Erstellung der großen Eisenbahnen die Beziehungen von Vivis und seiner Umgebung mit dem nördlichen Theil des Kantons, sowie mit · dem Kanton Freiburg und der deutschen Schweiz ganz bedeutend abgenommen haben und dasselbe auch für das Simmenthal, Pays-d'Enhaut, Bulle und Thun gelte. Die Isolirung dieser Gegenden werde um so fühlbarer, je mehr sich die Schienenwege um dieselben entwickeln ; im Zeitalter der Eisenbahnen vermögen die großen Bergstraßen den Anforderungen des Reisenden- und Güterverkehrs nicht mehr zu genügen.

Mit der Linie Vivis-Bulle-Thun, für welche um die Konzession nachgesucht werde, sei bezweckt, die alten Verkehrswege zu verbessern und wieder herzustellen, und ferner die zunehmende Entwicklung vieler und thätiger, sowohl gewerblicher als landwirtschaftlicher Gegenden zu fördern. Die Idee einer Verbindung der Gestade des Genfersee's mit dem Thunersee und dem Berner Oberland sei übrigens keine neue, vielmehr bestehen schon verschiedene bezügliche Projekte.

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In strategischer Beziehung sei die Wichtigkeit der geplanten Linie schon von General Dufour und ändern Offizieren betont worden und betreffend die wirtschaftlichen Verhältnisse hebt der allgemeine Bericht hervor, daß der Verkehr in Bau- und Sageholz trotz der derzeitigen schwierigen Transportverhältnisse und der großen Entfernung der Stationen Bulle und Thun schon jetzt ein bedeutender sei. Der ausgedehnte Viehhandel auf den Märkten des Simmenthals, Pays-d'Enhaut und Bulle etc. sei männiglich bekannt und ziehe jährlich eine große Menge Käufer, zum Theil aus weiter Ferne, an. Auch der schon jetzt bedeutende Weinhandel des Waadtlandes mit dem Greyerzerland und Berner Oberland werde einen neuen Aufschwung nehmen, wenn ihm bequemere und billigere Transporteinrichtungen zu Gebote stehen.

Sodann seien auch die bereits bestehenden gewerblichen Anlagen zu berücksichtigen und im Weitern die reichen Wasserkräfte der interessirten Gegend in Betracht zu ziehen, welche für industrielle Etablissemente aller Art nutzbar gemacht werden könnten und es sehr wahrscheinlich auch werden, sobald günstigere Verkehrsverhältnisse geschaffen seien. Ein Blick auf die Karte belehre übrigens über die Bedeutung der am Zustandekommen der Bahn interessirten Bevölkerung.

O Sodann wird noch auf die schon jetzt nicht unbeträchtliche Frequenz von Fremden hingewiesen, welche alljährlich während der Sommermonate von den schönen Umgebungen der Städte Vi vis und Thun, dem Greyerzerlande und dem Pays-d'Enhaut angezogen werden und die Saison dort zubringen. Bequemere Verkehrsmittel werden die Zahl der Besucher wesentlich vermehren und damit die Hotel- bezw. Fremdenindustrie in den erwähnten Gegenden mächtig heben.

Die projektirte Linie nimmt ihren Anfang bei der Station Vivis der Jura-Simplon-Bahn, woselbst die Erstellung eines Aufnahmsgebäudes, einer Lokomotivremise mit Werkstätte, einer Wagenremise nebst Güterschuppen etc. vorgesehen ist. Von der Station Vivis wendet sich die Bahn zunächst westlich, umfährt das Dorf Corsier, zieht sich in nordöstlicher Richtung, dem rechtsseitigen Gehänge des Veveyse-Thales folgend, zur Station Châtel-St. Denis und in ziemlich unveränderter Richtung weiter nach Semsales, folgt dem linken Broyeufer bis ,,le petit Sauvage", der Wasserscheide des Rhone- und Aarebeckens, gelangt durch das Thal der Sionge
und dann der Trème zu den Stationen Vaulruz-Vuadens und BulleTour de Trême überschreitet die Trême, zieht sich der rechten Seite der Straße entlang bis zur Station Greyerz, welche bei dem Dorfe Epagny vorgesehen ist, und nach Eriney bei km.35.100.

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"Von hier folgt die Bahn dem Thaïe, zunächst bis nach Montbovon auf dem linken Ufer der Saane verbleibend, bis Saanen; auf dieser Strecke sind die Stationen Villars-sous-Mont, Albeuve, Montbovon, Rossinières, Château-d'OEx und Rougemont vorgesehen. Bei km.

47.070 wird die waadtländisch-freiburgische Grenze und dann die Straße und Saane vermittelst eines Viaduktes überschritten. Nach der letztern Station beginnt bald die Rampe zur Gewinnung der Höhe der Saanentnööser. Die Station Saanen ist der ungünstigen Terrainverhältnisse wegen bei Oei, km. 64.07, circa I.B km. von Saanen entfernt, in der Höhe der Straße, vorgesehen. Von dieser Station verläuft das Tracé parallel der Straße, bis zur Wasserscheide bei den ,.>Saaneumööserna, folgt dann der linken Seite des Simmenthales, bis Därstetten über der Straße bleibend, über Zweisimmen, Garstatt, Weißenbach, Eschi, Reidenbach, Boltigen, Wüstenbaeh, Oberwyl, Bäder von Weißenburg, Erlenbach, Latterbach, Brodhäusi, und gelangt über Reutigen, Glütsch, mittelst Tunnel unter dem Zwieselberg und der Strätligeuhöhe durch, weiter über Gwatt und Schoren nach Thun. Die Station Zweisimmen ist aus ähnlichen Gründen wie Saanen in einiger Entfernung von der Ortschaft projektirt. Ferner sind Stationen vorgesehen in Weißenbach, Boltigen, Weißenburg, Erlenbach, Latterbach, Brodhäusi (Wimmis), Reutigen und Gwatt.

Die in Thun auszuführenden Geleiseanlagen und die verschiedenen Hochbauten, als Aufnahmsgebäude, Lokomotiv- und Wagenremise, Güterschuppen etc. sollen parallel den bestehenden Anlagen des Bahnhofes der Centralbahn und in deren nächster Nähe erstellt werden.

Das hievor kurz angedeutete und im technischen Berichte näher beschriebene Tracé der Bahn ist kein definitives, vielmehr werden Aenderungen speziell in Bezug auf Stationen und Niveauübergänge ausdrücklich vorbehalten.

Die Länge der Linie zwischen den beiden Endstationen beträgt 116.570 km., von denen 67 % in Geraden und 33 °/o in Kurven zu liegen kommen. Der Minimalradius ist zu 200 m.

und die Spurweite zu l m. angenommen ; die Maximalsteigung, welche auf einer längern Strecke zur Anwendung kommen wird, beträgt 50 °/oo, doch hoffen Petentea, dieselbe bei Feststellung des definitiven Tracé etwas reduziren zu können. Im Allgemeinen weise das Tracé für den Betrieb günstige Verhältnisse auf und es werde die Bahn
als Adhasionsbahn mit gewöhnlichen Lokomotiven betrieben werden können.

Immerhin sei nicht ausgeschlossen, daß in Anbetracht der in den betreffenden Thälern vorhandenen Wasserkräfte ein Betrieb

524 mittelst komprimirter Luft oder Elektrizität zur Anwendung gebracht werde, worüber noch nähere Studien zu machen seien.

Die Petenten nehmen für den Winter 2, für Frühjahr und Herbst 3 und für den Sommer 4 tägliche durchgehende Zuge auf der ganzen Linie iu Aussicht ; eventuell soll auf einzelnen Strecken im Winter der Betrieb ganz eingestellt werden. Von Château d'Oex oder Zweisimmen nach Thun und von Château d'Oex odei- Bulle bis Vevej- und umgekehrt wird Morgens und Abends eine Lokalzugverbindung eingeführt werden.

Die Geschwindigkeit der Züge ist mit Rücksicht auf den Touristenverkehr größer angenommen, als bei Schmalspurbahnen von mehr lokalem Charakter und soll bei einer 'Zugsbelastung von 40 t. 45 km. und auf der Maximalsteigung von 50 °/oo 15 km.

per Stunde betragen. Es sollen dreiachsige Tenderlokomotiveu von 29 t. Gewicht zur Verwendung kommen.

Der Oberbau der Bahn soll aus Stahl-Schienen von 25 kg.

Gewicht per laufenden Meter bestehen, welche auf imprägnirtea Tannen- oder Eichenschwellen befestigt werden.

Mit Ausnahme von Vivis und Thun, für welche Stationen größere Installationen vorgesehen sind, sind je nach der Wichtigkeit und dem Umfange des zu erwartenden Verkehrs der einzelnen Gegenden Stationsanlagen 2. und 3. Ranges in Aussicht genommen. Es sind im Ganzen (incl. Vivis und Thun) 24 Staiionen vorgesehen, welche bei der Beschreibung der Linie hievor bereits erwähnt worden sind.

Als Personenwagen sind solche nach amerikanischem System vorgesehen, und zwar mit L, II. und III. Klasse für den direkten Verkehr, und solche mit II. und III. Klasse für den Lokalverkehr.

Sämmtliche Fahrzeuge sollen kontinuirliche, von der Maschine aus zu bedienende Bremsen erhalten.

Für Bewältigung des zu erwartenden Verkehrs ist die Beschaffung von 12 Maschinen, 12 Gepäckwagen, 40 Personenwagen und 100 verschiedenen Güterwagen in Aussicht genommen.

Die Kosten für betriebstüchtige Erstellung der Bahn und Beschaffung des Betriebsinaterials etc. werden auf rund Fr. 16,000,000 oder Fr. 137,200 per Kilometer veranschlagt und zwar vertheilea sich dieselben folgendermaßen :

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I. Organisations- und Verwaltungskosten, Verzinsung des Baukapitals Fr.

II. Expropriation ,, III. Erstellung der Linie : a. Unterhau und Kunstbauten ,, b. Oberbau ,, c. Hochbauten und mechanische Einrichtungen in den Stationen ,, d. Telegraph und Signaleinrichtungen . . ,, IV. Rollmaterial ,, V. Mobiliar- und Gerätschaften ,, VI. Unvorhergesehenes und Verschiedenes . . . ,, Im Ganzen per Kilometer

15,000 15,000 50,000 24,000 9,400 2,000 13,100 1,400 7,300

Fr. 137,200

Die Unternehmung rechnet auf einen ganz beträchtlichen Uebergangsverkehr von den Anschlußstationen Vivis, Thun und Bulle, sowohl an Reisenden (Touristen) und Gepäck, als auch an Waarentransporten. Ferner werde der Lokal verkehr der von der Bahn durchzogenen, Handel und Industrie treibenden und an Naturschönheiten reichen Gegenden ein bedeutender sein, so daß eine kilometrische Einnahme von Fr. 12,400 angenommen werden dürfe, was bei einer Ausgabe von 6,100 fl per Kilometer (incl. Dotirung des Reserve und Amortisationsfonds) einen kilometrischen Reinertrag ergäbe von Fr.

6,300 oder für die ganze Linie : Einnahmen Fr. 1,445,840 ,, ,, ,, ,, Ausgaben ,, 711,260 ,, ,, ,, Reinertrag Fr. 734,580 fl was eine Verzinsung des Fr. 16,000,000 betragenden Anlagekapitals zu 4;6 % erlauben würde.

Die Bahn sei also nicht nur für die industrielle und kommerzielle Entwicklung der Gegenden, welche sie durchziehen soll, von höchster Wichtigkeit, sondern verspreche auch noch eine gute Kapitalanlage zu werden.

Die zur Vernehmlassung eingeladenen Regierungen von Waadt, Freiburg und Bern haben sich in empfehlendem Sinne geäußert.

Der Staatsrath von Waadt wirft blos bezüglich Tracé und Anlage der Stationen einige Fragen auf, deren weitere Prüfung er wünscht, und Freiburg behält sich für später seine daherigen Begehren vor.

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Der Regierungsrath von Bern bemerkt, daß, nachdem der Kanton Bern schon im Jahre 1875 eine Staatsbetheiligung für eine Eisenbahn von Thun nach Bulle zugesichert habe, der Vortheil einer solchen Linie nicht weiter nachgewiesen zu werden brauche. Im Weitem behält sich die genannte Regierung bezüglich des definitiven Tracés und der Anlage der Stationen ihre bezüglichen Anbringen bei Vorlage des allgemeinen Bauprojektes vor. Ferner scheine es ihr, in Anbetracht, daß der Bau der Linie Thun-Därligen auf dem linken Thunerseeufer nahe bevorstehe, nothwendig, den Vorbehalt zu machen, daß die Bahnlinie Vivis-Thuu auf einem noch näher zu bestimmenden Punkt ihren Anschluß zu nehmen habe. Diese Frage könnte ihre beste Lösung durch ein Abkommen finden, welches die Konzessionäre der beiden Projekte Vivis-Tluin und Spiez-Erlenbach treffen würden, und zu dessen Herbeiführung die Regierung gerne bereit sei, ihre Mitwirkung eintreten zu lassen.

Um eventuell zu einer solchen Verständigung Gelegenheit zu geben und zur Klarstellung des gegenseitigen Verhältnisses veranstaltete unser Eisenbahndepartement mit der Kantonsregieruug und den Interessenten der beiden Linien eine gemeinschaftliche konferenzielle Verhandlung, die aber nicht zu dem gewünschten Ziele führte. Die beidseitigen Konzessionsbewerber erklärten sich zwar zu möglichstem Entgegenkommen bereit, hielten aber ihre resp.

Konzessionsbegehren aufrecht, ohne jedoch eine oppositionelle Stellung gegeneinander einzunehmen. Die Bewerber für die Linie VivisThun glaubten Thun als Endpunkt nicht aufgeben zu können, da es ihnen nicht bloß um Vermittlung des Touristenverkehrs, sondern auch um die Bedienung der einheimischen Bevölkerung und speziell des Güterverkehrs zu thun sei, welchen Interessen nicht gedient wäre, wenn mau in Erlenbach Halt machen würde, um von da auf einer normalspurigen Linie über Spiez nach Thun zu gelangen.

Anderseits betonten die Petenten für Spiez-Erlenbach die Notwendigkeit der Erstellung einer n o r m a l s p u r i g e n Verbindung mit Rücksicht speziell auf den bedeutenden Viehtransport und den bei Viehmärkten jeweilen außerordentlich großen Materialbedarf, erklärten sich dagegen eventuell zur spätem Abtretung ihrer Linie an diejenige Vivis-Thun, oder zur Gestattung der Einlegung einer dritten Schiene auf ihrem Bahnkörper (zur Befahrung
mit dem Material der Schmalspurbahn) bereit. Nachdem der Regierungsvertreter an dem Postulate des Anschlußes der Linie Vivis-Thun au die linksufrige Bahn nicht weiter festhielt, da ferner die Interessenten selbst der Ansicht sind, daß die eine Unternehmung die andere nicht ausschließe, und in der That nicht bloß der Ausgangs- resp. Endpunkt, sondern auch das Tracé der beiden Linien wesentlich verschieden sind, so liegt

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0

für den Bund, insbesondere bei den in allerneuester Zeit bezüglich Konzessionsertheilung befolgten Grundsätzen, keine Veranlassung vor, die Linien als sich ausschließende Konkurrenzprojekte zu behandeln , und beantragen wir daher die Konzessionsnirung beider Projekte. Der Regierung bleibt es unbenommen, bei Gewährung einer Subvention auf eine Verständigung neuerdings hinzuwirken, beziehungsweise die letztere zur Bedingung der Beitragsleistung zu machen.

Die Konzessionsbedingungen schlagen wir Ihnen vor, im]Sinne des unten folgenden Beschlußentwurfes zu normiren.

In Art. 12 sind als Regel drei tägliche Züge nach beiden Richtungen auf der ganzen Linie vorgeschrieben, während die Petenten anfänglich für den Winter bloß zwei, für Frühjahr und Herbst drei und für den Sommer vier Züge, sowie eventuell gänzliche Betriebseinstellung auf schwierigen Strecken während des Winters vorgesehen hatten. Wir könnten Ihnen, in Uebereinstimmung mit den Erklärungen der Regierungsvertreter bei der Konzessionskonferenz, nicht empfehlen, für eine Bahn, welche dem allgemeinen Verkehr dienen w i l l , ein Minimum von weniger als drei täglichen Zügen zuzugestehen. Dagegen dürfte es sich empfehlen, für den Fall, daß im Winter kein Bedürfniß vorhanden und der Betrieb mit außerordentlichen Schwierigkeiten verbunden sein sollte, wie die Potenten geltend machen, dem Bundesrathe die Befugniss zu ertheilen, auf der StreckeSaanen-Zweisimmeni während des Winters eine Reduktion der Zahl der täglichen Züge oder die gänzliche Einstellung des Betriebes zu bewilligen. Mit einer solchen Bestimmung haben sich denn auch die Regierungsvertreter sowohl als die Petenten einverstanden erklärt.

In Bezug auf die Taxen wünschten die Petenten, daß die durch die bedeutenden Steigungen der Linie gerechtfertigte Erhöhung gegenüber den Normaltaxen in der Konzession selbst ziffermässig angegeben oder wenigstens das Maximum bezeichnet werde, innerhalb dessen dem Bundesrathe die Festsetzung nach den wirklichen Verhältnissen vorbehalten bliebe. Mit Rücksicht aber auf die von den Petenten zugegebene dermalige Ungewißheit, wie sich die Steigungsverhältnisse bei Ausführung der Linie thatsächlich gestalten werden, erachten wir es für weit zweckmäßiger, die Normaltaxen in die Konzession einzusetzen, dagegen, wie dies schon öfters geschehen, in einem Art. 18
a den Bundesrath zu ermächtigen , eine Erhöhung im Sinne der bekannten .Botschaft vom 11. September 1873 eintreten zu lassen, wenn die wirklichen Steigungsverhältnisse bekannt sein werden.

528 Zu Art. 26, litt, c, wünschten die Gesuehsteller anläßlich der Konferenz Aufnahme der Bestimmung, daß die Entschädigungssumme in keinem Falle weniger als die nachgewiesenen ursprünglichen Anlagekosten betragen dürfte. Wir beantragen Ihnen, diesem Begehren nicht Folge zu geben und von der in den letzten Jahren konsequent festgehaltenen Fassung der fraglichen Bestimmung auch im vorliegenden Fall, in welchem eine Ausnahme sich durch nichts rechtfertigen würde, nicht abzugehen.

Im Uebrigen enthält der Entwurf die üblichen Bestimmungen, in Bezug auf welche wir nichts beizufügen haben.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 21. Juni

1890.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

L. Buchonnet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Rillgier.

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(Entwurf)

Bnndesbeschluß betretend

Konzession einer schmalspurigen Eisenbahn von Vivis über Bulle nach Thun.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1) einer Eingabe des Initiativkomites für eine Eisenbahn von Vivis über Bulle nach Thun, vom 18. März 1®0 ; 2) einer Botschaft des Bundesrathes vom 21. Juni 1890, beschließt: Den Herren Gr. M o n t e t, Präsident, und Eu g. P a s c h o u d , Sekretär, handelnd Namens eines I n i t i a t i v k o m i t e s , zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft, wird die Konzession für den Bau und Betrieb einer schmalspurigen Eisenbahn von Vi v i a über B u l l e nach T h u n unter den in den nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bedingungen ertheilt: LJQU

Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Art. 2. Die Konzession wird auf die Dauer von 80 Jahren, vom Datum des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, ertheilt.

Art. 3.

Der Sitz der Gesellschaft ist in Vivis.

Art. 4. Die Mehrheit der Direktion und des Verwaltungsrathes oder weitern Ausschusses soll aus Schweizerbürgern, welche ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, bestehen.

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Art. 5. Binnen einer Frist von 24 Monaten, vom Datum des Konzessionsaktes an gerechnet, sind dem Bundesrathe die vorschriftsmäßigen technischen und finanziellen Vorlagen nebst den Statuten der Gesellschaft einzureichen.

Innert 6 Monaten nach stattgefundener Plangenehmigung ist der Anfang mit den Erdarbeiten für die Erstellung der Bahn zu machen.

Art. 6. Binnen 3 Jahren, vom Beginn der Erdarbeiten an gerechnet, ist die ganze konzessionirte Linie zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.

Art. 7. Der Bundesrath ist berechtigt, auch uach Genehmigung der Plane eine Abänderung derselben zu verlangen, wenn eine solche durch Fürsorge für die Sicherheit des Betriebes geboten ist.

Art. 8. Die Bahn wird mit schmalspurigem Unterbau und eingeleisig '& erstellt.

Art. 9. Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welche durch die Bauarbeiten zu Tage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen u. s. w., sind Eigenthum desjenigen Kantons, auf dessen Gebiet sie gefunden werden, und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

Art. 10. Den Bundesbeamten, welchen die Ueberwachuog der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebes obliegt, hat die Bahnverwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder /eit Einsicht von allen Theilen der Bahn, der Stationen und des Materials zu gestatten, sowie das zur Untersuchung nöthige Personal und Material zur Verfügung zu stellen und die unentgeltliche Benutzung eines geeigneten Lokals zu gewähren.

Art. 11. Der Bundesrath kann verlangen, daß Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlaß geben und gegen welche die Gesellschaft nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nöthigenfalls entlassen werden.

Art. 12. Die Beförderung von Personen soll täglich mindestens dreimal nach beiden Richtungen, von einem Endpunkt der Bahn zum ändern und unter Anhalt bei allen Stationen erfolgen.

Auf der Strecke Saanen-Zweisimmen kann der Bundesrath während der Wiuterfahrplanperiode eine Reduktion der täglichen Züge oder die Betriebseinstellung gestatten.

531 Die Festsetzung der Fahrgeschwindigkeit bleibt dem Bundesrathe vorbehalten.

Art. 13. Die Gesellschaft hat sich dem Transportreglement der schweizerischen Eisenbahnen zu unterziehen. Soweit sie Aenderungen nöthig findet, können dieselben nur nach vorher eingeholter Genehmigung des Bundesrathes eingeführt werden.

Art. 14. Die Gesellschaft wird zur Personenbeförderung Wagen nach amerikanischem System mit drei Klassen aufstellen.

In der Regel sind allen Personenzügen Wagen aller Klassen beizugeben; Ausnahmen kann nur der Bundesrath gewähren. Die sogenannten gemischten Züge mögen ohne Wagen erster Klasse kursiren.

Die Gesellschaft hat stets ihr Möglichstes zu thun, damit alle auf einen Zug mit Personenbeförderung sich Anmeldenden durch denselben, und zwar auf Sitzplätzen, befördert werden können.

Auf Verlangen des Bundesrathes sind auch mit Waarenzügen Personen zu befördern.

Art. 15. Die Gesellschaft wird ermächtigt, für den Transport von Personen Taxen bis auf den Betrag folgender Ansätze zu beziehen : in der ersten Wagenklasse 10 Rappen, in der zweiten Wagenklasse 7 Rappen, in der dritten Wagenklasse 5 Rappen per Kilometer der Bahnlänge.

Die Taxen für die mit Waarenzügen beförderten Personeo sollen um mindestens 20 °/o niedriger gestellt werden.

Für Kinder unter 3 Jahren, sofern für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird, ist nichts, für solche zwischen dem dritten und dem zurückgelegten zehnten Altersjahre die Hälfte der Taxe in allen Wagenklassen zu zahlen.

10 Kilogramm des Reisendengepäcks sind frei, sofern es ohne Belästigung der Mitreisenden irn Personenwagen untergebracht werden kann.

Für das übrige Gepäck der Reisenden kann eine Taxe von höchstens 5 Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer bezogen werden.

Für Hin- und Rückfahrt sind die Personentaxen mindestens 20 % niedriger anzusetzen, als für einfache und einmalige Fahrten.

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Für Abonnementsbillets zu einer mindestens 12raaligen Benutzung der gleichen Bahnstrecke für Hin- und Rückfahrt während drei Monaten wird die Gesellschaft einen weitern Rabatt bewilligen.

Art. 16. Arme, welche als solche durch Zeugniß zuständiger Behörde sich für die Fahrt legitimiren , sind zur Hälfte der Personentaxe zu befördern. Auf Anordnung eidgenössischer oder kantonaler Polizeistellen sind auch Arrestanten mit der Eisenbahn zu spediren. Der Bundesrath wird hierüber die nähern Bestimmungen aufstellen.

Art. 17. Für den Transport von Vieh mit Waarenzügen dürfen Taxen bis auf 0 den Betrag folgender Ansätze bezogen werden : Per Stück und per Kilometer für: Pferde, Maulthiere und über ein Jahr alte Fohlen 16 Rp. ; Stiere, Ochsen, Kühe, Rinder, Esel und kleine Fohlen 8 Rp. ; Kälber, Schweine, Schafe, Ziegen und Hunde 3 Rp.

Für die Ladung ganzer Transportwagen sind die Taxen um mindestens 20 % zu ermäßigen.

Art. 18. Im Tarif für den Transport von Waaren sind Klassen aufzustellen, wovon die höchste nicht über 2 Rappen, die. niedrigste nicht über l Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer betragen soll.

Eine ganze Wagenladung (d. h. mindestens 5000 Kilogramm oder 5 Tonnen) hat gegenüber den Stücksenduugen Anspruch auf Rabatt.

Die der Landwirtschaft und Industrie hauptsächlich zudieneuden Rohstoffe, wie fossile Kohlen, Holz, Erze, Eisen, Salz, Steine, Düngungsmittel, u. s. w. in Wagenladungen sollen möglichst niedrig taxirt werden.

Für den Transport von baarem Gelde und von Kostbarkeiten mit deklarirtem Werthe soll die Taxe so berechnet werden, daß für 1000 Fr. per Kilometer höchstens l Rappen zu bezahlen ist.

Wenn Vieh und Waaren in Eilfracht transportât werden sollen, so darf die Taxe für Vieh um 40 % und diejenige für Waaren um 100 °/o des gewöhnlichen Ansatzes erhöht werden.

Traglasten mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen, welche in Begleitung der Träger, wenn auch in besondern Wagen, mit den

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Personenzügen transportirt und am Bestimmungsort sogleich wieder in Empfang genommen werden, sind, soweit sie das Gewicht von 25 Kilogramm nicht übersteigen, frachtfrei. Für das Mehrgewicht ist die Taxe für Waaren in gewöhnlicher Fracht zu bezahlen.

Die Gesellschaft ist berechtigt, für den Transport von Fahrzeugen aller Art und außergewöhnlichen Gegenständen besondere Taxen festzusetzen.

Das 'Minimum "der Transporttaxe eines einzelnen Stückes kann auf 40 Rappen festgesetzt werden.

Art. 18 a. Soweit Steigungen über 12°/oo eingeführt werden, ist der Bundesrath ermächtigt, eine Erhöhung obiger Taxen im Sinne der Botschaft betr. Taxerhöhung für Eisenbahnstrecken mit größern Steigungen, vom 11. September 1873, zu gestatten.

Art 19. Bei eintretenden Nothständen, insbesondere bei ungewöhnlicher Theuerung der Lebensmittel, ist die Gesellschaft verpflichtet, für den Transport von Getreide, Mehl, Hülsenfrüchten, Kartoffeln u. s. w. zeitweise einen niedrigem Spezialtarif einzuführen, dessen Bedingungen vom Bundesrathe nach Anhörung der Bahnverwaltung festgesetzt werden.

Art. 20. Bei Festsetzung der Taxen werden Bruchtheile eines Kilometers für einen ganzen Kilometer gerechnet. In Betreff des Gewichtes gelten Sendungen bis auf 20 Kilogramm für volle 20 Kilogramm. Das Mehrgewicht wird nach Einheiten von je 10 Kilogramm berechnet, wobei jeder Bruchtheil von 10 Kilogramm für eine ganze Einheit gilt. Bei Geld- und Werthsendungen repräsentiren Bruchtheile von Fr. 500 volle Fr. 500. Ist (die genaue Ziffer der so berechneten Taxe keine durch 5 ohne Rest theilbare Zahl, so darf eine Abrundung nach oben auf die nächstliegende ' Zahl, welche diese Eigenschaft besitzt, erfolgen.

Art. 21. Die in den Art. 15, 17 und 18 aufgestellten Taxbestimmungen beschlagen bloß den Transport von Station zu Station.

Die Waaren sind von den Aufgebern an die Stationsladeplätze abzuliefern und vom Adressaten auf der Bestimmungsstation abzuholen. Auf den Hauptstationen hat jedoch die Gesellschaft von sich aus die gehörigen Einrichtungen für das Abholen und die Ablieferung der Güter im Domizil des Aufgebers, beziehungsweise des Adressaten zu treffen. Das Auf- und Abladen der Waaren ist Sache der Gesellschaft, und es darf eine besondere Taxe dafür in der Regel nicht erhoben werden. Ausnahmen hievon sind nur unter Zustimmung des Bundesrathes
zuläßig für einzelne Klassen von Wagenladungsgütern, für lebeude Thiere und andere Gegenstände, deren Verladung mit besonderu Schwierigkeiten verbunden ist.

Buudesblatt. 42. Jahrg. Bd. III.

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Art. 22. Für die Einzelheiten des Transportdienstes sind besondere Réglemente und Tarife aufzustellen.

Art. 23. Die sämmtlichen Réglemente und Tarife sind mindestens sechs Wochen, ehe die Eisenbahn dem Verkehr übergeben wird, dem Bundesrathe zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 24. Wenn die Bahuuntemehmung drei Jahre nach einander einen sechs Prozent übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist das nach gegenwärtiger Konzession zuläßige Maximum der Trausporttnxen verhältnismäßig herabzuselzen. Kanu diesfalls eine Verständigung zwischen dem Bundesrathe und der Gesellschaft nicht erzielt werden, so entscheidet darüber die .Bundesversammlung.

Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, einschließlich die Verzinsung des Obligationenkapitals, zu decken, so kann der Bundesrath eine angemessene Erhöhung obiger Tarifansätze gestatten. Solche Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 25. Die Gesellschaft ist verpflichtet, für Aeuffnung eines genügenden Erneuerungs- und Reservefonds zu sorgen und für das Personal eine Kranken- und Unterstützungskasse einzurichten, oder dasselbe bei einer Anstalt zu versichern. Die hierüber aufzustellenden besondern Vorschriften unterliegen der Genehmigung des Bundesrathes.

Art. 26. Für die Geltend machung des Rückkaufsrechtes des Bundes, oder, wenn er davon keinen Gebrauch machen sollte, der Kantone Waadt, Freiburg und Bern, gelten folgende Bestimmungen: a. Der Rückkauf kann frühestens auf 1. Mai 1915 und von da an jederzeit erfolgen. Vom Entschluß des Rückkaufes ist der Gesellschaft drei Jahre vor dem wirklichen Eintritte desselben Kenntniß zu geben.

b. Durch den Rückkauf wird der Rückkäufer Eigenthümer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial und allen übrigen Zugehören.

Immerhin bleiben die Drittrnannsrechte hinsichtlich des Pensionsund Unterstützungsfonds vorbehalten. Zu welchem Zeitpunkte auch der Rückkauf erfolgen mag, ist die Bahn sammt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zustande abzutreten. Sollte dieser Verpflichtung kein Genüge gethan werden, und sollte auch die Verwendung der Erneuerungs- und Reservefonds dazu nicht ausreichen, so ist ein verhältnißmäßiger Betrag von der Rückkaufssumme in Abzug zu bringen.

535 e. Die Entschädigung für den Rückkauf beträgt, sofern letzterer bis 1. Mai 1930 rechtskräftig wird, den 25faehen Werth des durchschnittlichen Reinertrages derjenigen zehn Jahre, die dem Zeitpunkte, in welchem der Rückkauf der Gesellschaft notifizirt wird, unmittelbar vorangehen ; -- sofern der Rückkauf zwischen dem 1. Mai 1930 und 1. Mai 1945 erfolgt, den 22 1 /2fachen Werth; -- wenn der Rückkauf zwischen dem 1. Mai 1945 und dem Ablauf der Konzession sich vollzieht, den 20fachen Werth des oben beschriebenen Reinertrages; -- unter Abzug des Erneuerungs- und Reservefonds.

Bei Ermittlung des Reinertrages darf lediglich die durch diesen Akt konzedirte Eisenbahnunternehmung mit Ausschluß aller anderen etwa damit verbundenen Geschäftszweige in Betracht und Berechnung gezogen werden.

d. Der Reinertrag wird gebildet aus dem gesammten Ueberschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch' letztern auch diejenigen Summen zu rechnen sind, welche auf Abschreibungsrechnung getragen oder einem Reservefonds einverleibt wurden.

e. Im Falle des Rückkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der Konzession ist nach der Wahl des Rückkäufers entweder der Beirag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche Abschätzung zu bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

f. Streitigkeiten, die über den Rückkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen möchten, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichtes.

Art. 27. Haben die Kantone Waadt, Freiburg und Bern den Rückkauf der Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein daheriges Recht, wie es im Art. 26 definirt worden, jederzeit auszuüben, und die Kantone haben unter den gleichen Rechten und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie letzlerer dies von der konzessionirten Gesellschaft zu fordern berechtigt gewesen wäre.

Art. 28. Der Bundesrath ist mit dem Vollzuge der Vorschriften dieser Konzession, welche mit dem Tage ihrer Promulgation in Kraft tritt, beauftragt.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Konzession einer schmalspurigen Eisenbahn von Vivis über Bulle nach Thun. (Vom 21. Juni 1890.)

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