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Aus den Verhandlungen des Schweiz. Bundesrathes.

(Vom 5. April 1890.)

In Beantwortung einer Anfrage der k. und k. österreichischungarischen Gesandtschaft vom 10. März 1890 über das Auftreten der sog. ,,Nona"-Krankheit in der Schweiz und die erforderlichen Präventivmaßregeln wird nach Antrag des Departements des Innern erwidert, die bei den kantonalen Sanitätsbehörden und den Aerzten eingezogenen Erkundigungen haben ergeben, daß es sich in allen von den Zeitungen gemeldeten" Nonaerkrankungen und -Todesfällen um andere längst bekannte, mit Schlafsucht einhergehende Krankheiten gehandelt habe, welche durchaus vereinzelt aufgetreten seien und in der Mehrzahl mit Genesung geendet haben. Eine Krankheit des Namens ,,Nona" mit dem in der Note der Gesandtschaft angegebenen Symptomenbild sei in den fachwissenschaftlichen Kreisen der Schweiz überhaupt nicht bekannt.

(Vom 8. April 1890.)

Der schweizerische Bundesrath hat den Rekurs der Herren Gebrüder Landtwing, Kirschwasserfabrikanten in Schwyz, vom 20. Februar d. J., gegen ein Strafurtheil des Polizeirichters von Neuenstadt (Bern) vom 28. Januar 1890, wegen Uebertretung der kantonalen Verordnung betreffend den Handel mit Wein und gebrannten Wassern, vom Mai 1889, nach Einsichtnahme der Vernehmlassung der Regierung von Bern, auf den Antrag seines Departements des Innern, gestützt auf folgende Erwägungen als unbegründet erklärt: 1. Gestützt auf Art. 59 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege, vom 27. Juni 1874, muß der Bundesrath allerdings, wie es übrigens von beiden Parteien anerkannt ist, die Prüfung und Beurtheilung des vorliegenden Rekurses als ihm zukommend erachten.

* ' 2. Das Materielle des Streites anlangend, sind die gemäß Art. 8 des Bundesgesetzes über gebrannte Wasser den Kantonen zukommenden Kompetenzen gegenüber dem Kleinhandel mit der-

939 artigen Wassern nicht io Frage gestellt. Nur geht die Auffassung der Rekurrenten dahin, daß Bürger, die den Großhandel mit gebrannten Wassern als ihren regelmäßigen Erwerb betreiben, ausnahmsweise auch Geschäfte des Kleinhandels mit der nämlichen Sache abschließen dürfen, ohne den über letztem aufgestellten gesetzlichen Bestimmungen unterworfen werden zu können. Diese Ansicht muß als eine irrige verworfen werden. Der zitirte Art. 8 spricht nicht von Großhändlern und Kleinhändlern, sondern nur von Großhandel und Kleinhandel, d. h. von Geschäften mit gebrannten Wassern. Wer einen Verkauf gebrannten Wassers für ein Quantum absehließt, das sich innerhalb der vom Gesetze gezogenen Grenze des Kleinverkaufs hält, der hat sich den für letztern aufgestellten gesetzlichen Vorschriften zu unterwerfen, gleichgültig, was er nebstdern für Geschäfte treibe. Da die Herren Rekurrenten dieses nicht gethan haben, so kann ihre Beschwerde gegen die rechtlichen Folgen dieses ihres Verhaltens nicht berücksichtigt werden.

3. Auch die Behauptung der Herren Landtwing, daß sich das Strafurtheil des Polizeirichters von Neuenstadt als eine Verletzung der durch die Bundesverfassung garantirteli Gewerbefreiheit qualifizire, kann der Bundesrath nicht als richtig anerkennen. Denn vor Allem ist nicht außer Acht zu lassen, daß durch den dermalen in Kraft bestehenden Art. 31 der Bundesverfassung die Fabrikation und der Verkauf gebrannter Wasser von der Regel der absoluten Freiheit des Handels und der Gewerbe ausgenommen sind. Sodann ist durch Art. 8, Absatz 3 des Bundesgesetzes über gebrannte Wasser den Kantonen geradezu geboten, den Ausschank und den Kleinverkauf derartiger Wasser auf ihrem Gebiete einer Bewilligung zu unterwerfen und diese an eine der Größe und dem Werthe des Umsatzes entsprechende Verkaufssteuer zu knüpfen, die sie selbst festzustellen befugt sind, bis ein Bundesgesetz darüber erlassen sein wird. Wenn nun die Rekurrenten auf dem Gebiete des Kantons Bern Geschäfte des Kleinverkaufs mit gebrannten Wassern betreiben, so haben sie sieh in Betreff derselben unzweifelhaft den dort aufgestellten Beschränkungen des Kleinverkaufs zu unterwerfen.

Durch Beschluß vom 22. Januar abhin wurden die Departemente der Finanzen und der Eisenbahnen beauftragt, mit der Regierung des Kantons Bern über den Ankauf der in dessen Besitz befindlichen Prioritätsaktien der Jura-Simplon-Bahn unter Vorbehalt der Bnndesblatt. 42. Jahrg. Bd. I.

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Ratifikation des Bundesrathes und der Bundesversammlung in Unterhandlungen zu treten.

Nach Einsichtnahme der Berichte beider Departemente wird vom Bundesrathe beschlossen : 1. Es werden das Eisenbahn- und das Finanzdepartement zum Abschluß eines Kaufvertrages mit dem hohen Stand Bern Über 30,000 Prioritätsaktien der Jura-Simplon-Bahn ermächtigt unter folgenden Gedingen: a. Als Kaufpreis einer Prioritätsaktie wird der Betrag von Fr. 600. -- bestimmt, zahlbar in dreiprozentigen Rententiteln zum Kurs von 90 und für beide Theile mit Nutzensanfang vom 1. Januar 1890 an.

b. Die Eidgenossenschaft ist berechtigt, die Rententitel gegen zwölfmonatliche Kündigung ganz oder serienweise jeder Zeit al pari d. h. mit Fr. 100 per 3 Fr. Rente abzulösen.

c. Die Rententitel werden zu Fr. 30, 150 und 300 Rente resp.

zu Fr. 1000, 5000 und 10,000 Kapital ausgestellt und erhalten viermonatliche Coupons zu Fr. 10, 50 und 100. Die Rententitel zu Fr. 150 und 300 Reote können auf den Namen des Eigentümers gestellt und im Stammregister eingeschrieben werden.

d. Seitens des Bundes wird die Ratifikation des Bundesrathes und der Bundesversammlung und der eventuelle Volksentscheid vorbehalten.

e. Falls die Kantone Freiburg und Waadt ihre Prioritätsaktien der Jura-Simplon-Bahn verkaufen, so verpflichtet sich der Kanton Bern, den Restbesitz seiner Prioritätsaktien unter den jenen Kantonen eingeräumten Bedingungen ebenfalls noch abzutreten, in keinem Falle jedoch zu weniger günstigen Bedingungen, als hier oben bestimmt sind.

2. Das Finanzdepartement wird ermächtigt, mit dem h. Stand .Bern einen Kaufvertrag um das sog. eidg. Münzgebäude unter folgenden Gedingen abzuschließen : a. Der Kaufpreis wird auf Fr. 30,000 bestimmt, zahlbar nach ordnungsmäßiger Fertigung und Eintragung im Grundbuch.

b. Die Gültigkeit des abzuschließenden Kaufvertrages fällt dahin, falls der sub l genannte Aktienkauf nicht in Rechtskraft erwächst.

941 Die in Art. 5 der Konzession einer Eisenbahn von Mendrisio bis zur schweizerisch-italienischen Grenze bei Stabio, mit Abzweigung in südöstlicher Richtung bis zur Landesgrenze, vom 29. Juni 1886 (B. A. S. IX, 8) angesetzte Frist zur Einreichung der vorschriftsgemäßen technischen und finanziellen Vorlagen, sowie der Statuten, wird bis zum 31. Dezember 1890 verlängert.

Sollte während dieser Frist die Konzession für die gleichen Linien oder für ein Theilslück derselben von anderer Seite verlangt werden, welche bessere Garantien für die Ausführung zu bieten vermöchte, so bleibt der Bundesversammlung vorbehalten, die Konzession auch vor Ablauf obiger Frist ganz oder theilweise zurückzuziehen und dem neuen Bewerber zu übertragen, sofern die derrnaligen Konzessionäre innert einer dannzumal festzusetzenden Frist nicht die gleichen Garantien bieten.

Die Organisation des internationalen Kongresses für Gefängnißwesen in St. Petersburg ist weiter entwickelt, und festgestellt'worden, daß der Kongreß in drei Sektionen getheilt werden solle, welche die ihnen zugewiesenen Aufgaben unabhängig zu diskutiren haben. Diesen drei Sektionen sind als Verhandlungsgegenstände zugewiesen worden: I. Sektion: Strafgesetzgebung, II. Sektion: Gefängnißwesen, lu. Sektion : Präventivmaßregeln.

Es werden nun außer Herrn Dr. Guillaume, Direktor des statistischen Bureaus, welcher bereits am 23. August 1889 als schweizerischer Delegirter bezeichnet worden ist, als herwärtige Abgeordnete ernannt : Herr Prof. Dr. Karl S t o o ß in Bern und Herr Bernhard R i g g e n b a c h , Strafhauspfarrer in Basel.

An die auf 15. Mai angesetzte internationale Telegraphenkonferenz in Paris wird Herr Dr. T. R o t h e n , eidg. Telegraphendirektor, abgeordnet.

Dem Kanton Bern wird an die zu Fr. 37,400 veranschlagten Kosten der Verbauung des Hühnerbaches, Gemeinde Langnau, ein Bundesbeitrag von 40 °/o zugesichert. Im Fernern werden Projekte für Aufforstungen mit Verbauungen (Gesammtvoranschlag Franken 233,465. 14) genehmigt und Bundesbeiträge im Gesammtbetrage von Fr. 117,588. 68 bewilligt.

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Mit Petition vom 20. Februar hat das interkantonale Bureau der Damen der Fédération in Geuf dem ßuiidesrath die Wünsche vorgelegt, welche der im September 1889 in Genf versammelte internationale Kongreß der Fédération britannique, continentale et générale geltend macht.

Durch jesies Bureau stellt der Kongreß an den Bundesrath folgende Anfragen : 1) Ob er es nicht für augemessen erachte, bei Oesterreich und den Niederlanden die erforderlichen Schritte zu thun, um die Schweiz zum Anschluß an den Vertrag betreffend den Schutz junger Mädchen zu veranlassen, welchen diese beiden Länder am 26./30. No vember 1888 mit einander abgeschlossen haben; 2) ob er es nicht für wünschbar erachte, diesen Vertrag durch Ausdehnung desselben auf möglichst viele Staaten zu verallgemeinern ; 3) ob dieser Vertrag nicht dadurch verbessert werden könnte, daß die Bestrafung von Personen, welche Mädchenhandel treiben, in wirksamer Weise gesichert würde.

Der Bundesrath hat von obiger Petition Vormerk genommen, mit der Versicherung, daß er mit den Bestrebungen der Fédération in hohem Maße sympathisire und nicht ermangeln werde, der Angelegenheit alle Sorgfalt zu widmen und über das Ergebniß seiner Bemühungen weitere Mittheilungen zu machen.

Uebrigens hatte das eidg. Justiz- und Polizeidepartement schon früher den Gedanken in's Auge gefaßt, mit Oesterreich-Ungarn, mit Belgien, mit den Niederlanden ähnliche Verträge einzugehen, wie die von diesen Staaten bereits unter sich abgeschlossenen. Es fand aber, wie die Gesuchsteller selbst, diese Verträge sehr lückenhaft, so daß es in Erwägung zog, wie dieselben zweckentsprechend verbessert und erweitert werden könnten.

Dem Bundesrath gingen mit Note vom 13. Januar abhin von der belgischen Gesandtschaft drei Exemplare der Akten des internationalen Kongresses für Handelsrecht zu. Damit war die Anfrage verbunden, ob der Bundesrath geneigt wäre, den in Brüssel angenommenen wechselrechtlichen Grundsätzen beizutreten und seine Gesetzgebung darnach einzurichten.

Der Bundesrath hat hierauf der belgischen Gesandtschaft erwidert : Er habe diesfalls zunächst den schweizerischen Abgeordneten für die Konferenzen von Antwerpen und Brüssel konsultirt, sodann sich an diejenigen schweizerischen Gesellschaften gewendet, welche

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sich insbesondere mit den ,,Interessen des schweizerischen Handels und der Entwicklung der schweizerischen Gesetzgebung befassen, um ihre. Ansichten über die Brüsseler Anträge kennen zu lernen.

Er werde nicht ermangeln, die Gesandtschaft von den Ergebnissen dieser Untersuchung in Kenntniß zu setzen. Schon jetzt könne er erklären, daß er von den großen Vortheilen überzeugt sei, die damit verbunden wären, wenn die Vorschriften über den Wec-hsel, dieses so wesentlich internationale Institut, einer gleichförmigen Gesetzgebung unterworfen würden; und er sei sehr geneigt, die belgische Regierung hierin zu unterstützen. Immerhin scheine es dem Bundesrath, diesfällige Anregungen sollten eher von denjenigen Staaten ausgehen, welche in Bezug auf den Wechsel noch unter dem Code de commerce stehen, als von der Schweiz, deren sachbezügliches Gesetz noch neu sei und keine Klagen hervorgerufen habe. Es werde jedoch die aufgeworfene Frage gründlich studirt werden.

(Vom 1l. April 1890.)

Zu Stabssekretären werden ernannt: i. Als Lieutenant : Seiler, Eduard, in Interlaken, bisher lufanterielieutenant.

2. Als Adjutant-Unteroffiziere: Oeler, Albert, in Bern, bisher Fourier.

Schnell, Rudolf, in Burgdorf, bisher Fourier.

Huber, Jakob, in Erlen, bisher Wachtmeister.

Bräm, Rudolf, in Zürich, bisher Korporal.

Huber, Friedrich, in Zürich, bisher Korporal.

Baumann, Emil, in Außersihl, bisher Korporal.

Glogirner, Arthur, in Bern, bisher Korporal.

Reichen, Ernst, in Zürich, bisher Gefreiter.

Wild, Samuel, in Basel, bisher Soldat.

Klein, Karl Fr., in Luzern, bisher Soldat.

Gut, Anton, in Sursee, bisher Soldat.

Aubert, H. V., in Genf, bisher Soldat.

Decoppet, Maurice, in Lausanne, bisher Soldrit.

Jung, Gottliel), in Bern, bisher Soldat.

Cordey, Eugen, in Lausanne, bisher Soldat.

Savoye, Charles, in Bern, bisher Soldat.

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Der Bundesrath hat die Staatsrechnung pro 1889 genehmigt.

Diese erzeigt: a n Einnahmen . . . . F r . 65,571,699. 9 5 ,, Ausgaben ,, 64,435,604. 96 Ueberschuß

Fr.

1,136,094. 99

Mit Note vom 6. dies macht die deutsche Gesandtschaft die Mittheilung, daß die spanische Regierung für die Telegraphen Verwaltungen von Cuba, Porto-Rico und die Philippinen den Beitritt zum internationalem Telegraphenvertrage erklärt habe.

Die Anstellung des Herrn Fernand Du Martheray, Licentiaten der Rechte, von Rolle, als Attaché der schweizerischen Gesandtschaft in Wien wird genehmigt.

Dem Herrn Oberstlieutenant Testuz wird das Kommando über das Dragonerregiment Nr. l , Landwehr, dasjenige über das Dragonerregiment Nr. l , Auszug, dem Herrn Major Lecoultre in Avenches Übertragen.

Wahlen.

(Vom 8. April 1890.)

Zolleinnehmer in Mumpf: Postkommis in Bern:

Herr Eduard Kaufmann, von Mumpf.

,, Fritz Gerber, von Schangnau (Bern), Postbüreaudiener in Bern.

,, ,, ,, ,, Emil Jenny, von Iffwyl (Bern), * Postkommis in Basel.

Postkommis in Garouge: ,, Marc-ien Sckira, von Carouge, Postkommis in Genf.

Posthalter in Uetikon a/See: ,, Ludwig Wismer, von Fischingen (Thurgau), Postgehülfe in Uetikon a/See.

Telegraphist in Echallens : ,, Auguste Faure, von Goumoensla-Ville (Waadt), bisheriger Posthalter in Chexbres.

945 Telegraphist in Montbovon: ,, ,,

Herr Joseph Retorna«, von Broc (Freiburg), Posthalter in Montbovon.

,, Pfäfers : Rudolf Zulauf, von Schinznach, T Postablagehalter in Pfäfers.

^ Uetikon a/See : ,, Ludwig Wismer, von Fischingen (Thurgau), Postgehülfe in Uetikon a/See.

(Vom 11. April 1890.)

Adjunkt und Stellvertreter des eidg. Telegraphendirektors : Herr Job. Konrad Fehr, von Lustorf ·(Thurgau), Inspektor des 2. Telegraphenkreises.

Zweiter administrativer Sekretär (Regiatrator) der Tele,, Konrad Krapf, von Buchwylgraphendirektion : Neukirch (Thurgau), Seminarlehrer in Schiers.

Instruktor II. Klasse der Infanterie : ,, Hauptmann Alfred Kindler, von Bolligen, in Oerlikon.

Einnehmer der Nebenzollstätte St. Antonio (Val Marobbia) : ,, Augusto Bassetti, Postablagehalter daselbst.

Postkomrnis in Locle: ,, Ernst Mentha, von Cortaillod, Postaspirant, in Chaux-de-Fonds.

,, ,, Chaux-deFonds: fl Gustav Steinmann, von Trimbach (Solothurn), Postaspirant, in Chaux-de-Fonds.

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12.04.1890

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