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Aus den Verhandlungen des Schweiz. Bundesrathes

(Vom 17. Januar 1890.)

Der vom Departement des Auswärtigen vorgelegte Entwurf eines revidirten Bundesgesetzes betreffend den Schutz der Fabrikund Handelsmarken wird durchberathen Mit Zustimmung der luzernischen Heimatgemeinde Dagmersellen wurde letzten Frühling die in Ottenbach wohnhafte und kranke Frau Boll heimtransportirt. Da der Zustand der Kranken den Transport mittelst der Bisenbahn nicht erlaubte, fand er mittelst Krankenwagen statt. Nun weigert sich die Gemeinde Dagmersellen, die Kosten des Heimtransports von Fr. 40 vollständig zu bezahlen, sondern erbietet sich nur zur Bezahlung von Fr. 20, indem sie sich dabei auf den Einwand stützt, Frau Boll hätte durch die Eisenbahn heimgeschafft werden können, und die Armenpflege von Ottenbach sucht um die Vermittlung des Bundesrathes nach, indem es sich im vorliegenden Falle um die Anwendung des Bundesgesetzes vom 22. Juni 1875 über die Kosten der Verpflegung erkrankter und der Beerdigung verstorbener armer Angehöriger anderer Kantone handle.

Nach vorläufiger Einvernahme der Gemeinde Dagmersellen wird an die Armenpflege von Ottenbach folgende Anwort erlassen: Es handle sich zwischen den beiden Gemeinden nicht sowohl um einen Streit über Verpflegungskosten erkrankter armer Angehöriger anderer Kantone nach Art. 48 der Bundesverfassung und dem Bundesgesetz vom 22. Juni 1875, als vielmehr um einen solchen über bloße Rücktransportkosten eines Angehörigen, d. h.

um eine Verpflichtung der Gemeinde Dagmersellen, die in der Heimatgenössigkeit der Frau Boll ihren Grund hat, und die von jener Gemeinde grundsätzlich nicht bestritten ist.

Streitigkeiten der ersteren Art nun gehören in die Kompetenz des Bundesgerichts, und in Betreff der Streitigkeiten der letzteren Art habe der Kläger nach Art. 59, Abs. l der Bundesverfassung vorzugehen.

Der Bundesrath könne sich demnach in keinem Falle mit · dieser Angelegenheit befassen.

168 Herr Daniel Rosenthal-Auevba eh, von Göppingen (Württemberg), in St. Gallen, Inhaber der Firma ,,Schweizerische CorsetManufak'tur u daselbst, hat sich im letzten März in St. Galleu verheirathet und bei diesem Anlaße aus seiner Heimat Aussteuergegeustände erhalten, für welche er unter Berufung auf Ziffer 4 der Anlage A des Handelsvertrages mit Deutschland vom 23. Mai 1881, lautend: ,,Von Eingangs- und Ausgangsabgaben bleiben bei dem Uebergange vom Gebiete des einen Theiles nach dem Gebiete des ändern Theils gegenseitig gänzlich befreit: 4 auch auf besondere Erlaubniß neue Kleidungsstücke, Wäsche und Effekten, insofern sie Ausstattungsgegenstände von Angehörigen der Staaten des einen Theils sind, welche sich aus Veranlaßung ihrer Verheirathung in dem Gebiete des ändern Theils niederlassen"1, Zollbefreiung nachgesucht hat. Aus den von der Zollbehörde gemachten Erhebungen hat sich jedoch ergehen, daß die Bedingung der gleichzeitigen Niederlassung in der Schweiz im vorliegenden Falle nicht erfüllt ist, indem Rosenthal laut amtlicher Bestätigung des Kontrolbüreaus der Stadt St. Gallen bereits seit dem Jahre 1880 daselbst n i e d e r g e l a s s e n ist, die Niederlassungsgebühren, sowie die Steuern bezahlt und ein bestimmtes Domizil im sogenannten Marmorhaus besessen hat. Gestützt hierauf hat die Zollbehörde das Verlangen des Rosenthal um zollfreie Zulassung seines Aussteuergutes, für welches der Zoll zirka Fr. 400 beträgt, abgewiesen.

Gegen diesen Entscheid beschwert sich Rosenthal, indem er geltend macht, daß er allerdings vom Jahre 1880 bis zum August 1887 in St. Gallen ansäßig gewesen sei, zu dieser Zeit aber sich in seine Heimat nach Göppingen begeben und dort bis zu seiner Verheirathung im März 1889 wirklich gewohnt und Steuern bezahlt habe. Die Niederlassung in St. Gallen vom August 1837 bis zur Verheirathung sei nur eine fiktive gewesen, und er habe, da er die Erwerbung des Schweizerbürgerrechts anstrebte, damit nur bezweckt, sich über den zu diesem Behufe geforderten zweijährigen Wohnsitz in der Schweiz ausweisen zu können. Er beruft sich sodann auf den Wortlaut des bundesräthlichen Kreisschreibens betreffend die Ertheilung des Schweizerbürgerrechtes vom 10. März 1884 (Bundesblatt 1884, I, S. 430), daß er von der eidgenössischen Behörde für die Zeit vor seiner Verheirathung nicht als in
St. Gallen wohnhaft gewesen betrachtet werden könne, da jenes Kreisschreiben als ,,ordentlichen Wohnsitz" im Sinne des Gesetzes betreffend die Ertheilung des Schweizerbürgerrechtes und den Verzicht auf dasselbe vom 3. Heumonat 1876 die wirkliche Wohnsitznahme in der

169 Schweiz verlange, und das Bürgerrechtsbegehren des Rosenthal von diesem Gesichtspunkte aus vom Departement des Auswärtigen auch abgewiesen worden sei.

Der Bundesrath hat die Beschwerde, gestützt auf folgende Erwägungen, abgewiesen : Aus den Akten erhellt mit aller nur wünschbaren Klarheit, daß Roseuthal sich nicht aus V e r a n l a ß u n g s e i u e r V e r h e i r a t h u n g in der Schweiz niedergelassen hat, sondern schon geraume Zeit vorher dort niedergelassen war, und es auch blieb, trotzdem er seinen Wohnsitz eine Zeit lang ins Ausland verlegte.

Die Berufung auf die Vorgänge anläßlich des von ihm gestellten Naturalisationsgesuches ist un behilflich, da für die Frage der Naturalisation ganz andere Kriterien maßgebend sind, als für die Frage der Zollbefreiung. Im erstem Falle entscheidet der ordentliche Wohnsitz, d. h. der thatsächliche, dauernde Aufenthalt an einem bestimmten Orte, im letztern die Niederlassung, welche, wie gerade auch das von ihm zitirte bundesräthliehe Kreisschreiben vom 10. März 1884 beweist, mit dem ordentlichen Wohnsitz keineswegs identisch ist.

(Vom 21. Januar 1890.)

Herr Bundespräsident Ruchonnet hat Namens des schweizerischen Bundesrathes am 19. dies S. M. Umberto L, Konig von Italien, beim Hinscheid s. k. H. des Herzogs von Aosta telegraphisch seine Theilnahme bezeugt. S. M. König Umberto hat am 20. dies dem Bundesrath hiefür seinen Dank ausgesprochen.

Die Ratifikationen des am 10. Juni 1887 abgeschlossenen schweizerisch-griechischen Handelsvertrages *) sind zwischen dem schweizerischen Gesandten in Berlin, Herrn Dr. A. R o t h , und dem außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister S. M.

des Königs von Griechenland am k. Deutschen Hofe, Herrn V l a c h o s , am 15. Januar 1890 in Berlin ausgewechselt worden.

Von einer Anzahl von Vertretern des Baugewerbes ist das Gesuch gestellt worden, die Zollansätze für Steinzeugfliesen und Röhren im Verhältniß des Werthes der Waare zu reduziren, bezw.

*) Siehe den Wortlaut des Vertrags im Bnndesblatt vom Jahre 1889, Band III, Seite 595.

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die durch den Bundesrathsbeschluß vom 29. Oktober v. J. geschaffene Tarifanwendung für dieses Material wieder abzuändern und die vor Erlaß dieses Bundesrathsbeschlusses bestandene Tarifanwetidung wieder herzustellen.

Hierauf ist erwidert worden, daß der Beschluß vom 29. Oktober 1889 lediglich die-genaue Anwendung der bezüglichen Bestimmungen des Zolltarifs in sich schließe. Es sei dabei nicht unbeachtet geblieben, daß die Zollbelastung für Steinzeugplatten sich sehr hoch stelle, und der Bundesrath glaube daher, es werde bei der bevorstehenden Tarifrevisiou auf eine den Verhältnissen angemessene Bereinigung dieser Tariffrage Bedacht genommen werden können.

Mit Eingabe vom 9. Dezember v. J. stellt Herr Fürsprech Hofmann in Biel an ' den Bundesrath das Gesuch, er möchte aut seinen unterm 4. November 1887 gefaßten Beschluß betreffend Nichtunterstellung der mechanischen Holzspalterei Hermann Bovet in Biel unter das Bundesgesetz betreffend die Arbeit in den Fabriken bezw. die Nichthaftpflichtigerklärung für den im genannten Etablissemente dem Jakob Bühler in Biel zugestoßenen Unfall auf Grund der beigelegten Akten und der im März 1889 vom Instruktionsiichter angeordneten Expertise von Sachverständigen zurückkommen, resp. die Angelegenheit in Wiedererwägung ziehen.

Wie aus der Berichterstattung des Regierungsrathes des Kantons Bern (d. d. 28. Dezember 1889) sowie aus den Mittheilungen des Fabrikinspektors des II. Kreises hervorgeht, ist die Gefährlichkeit des Betriebes der mechanischen Holzspalterei Bovet eine ganz außerordentliche und es berechtigt dieser Umstand allein schon zur Unterstellung dieses Geschäftes. Gemäß frühern Beschlüssen des Buudesrathes (vgl. dessen Kreisschreiben an die Kantonsregierungen vom 2. September 1886 betreffend den Betrieb kleiner Mühlen und den Rekursentscheid vom 24. September 1886 betreffend eine Kunstbaumwollreißerei mit Zwirnerei, Komm. pag. 31 und 32) hat derselbe den Grundsatz aufgestellt, daß, wenn auch die Zahl der Arbeiter eines Etablissements die in der Regel als Minimum angenommene Zahl von 6 nicht erreicht (die Holzspalterei Bovet beschäftigte bis anhin im Maximum nur 5 Arbeiter), ihm doch immer das Recht zustehe, ein solches Etablissement als Fabrik im Sinne des Gesetzes zu erklären, wenn es Leben und Gesundheit der Arbeiter in besonderer Weise gefährde. Da letzteres nun in dem beklagten Geschäfte thatsächlich der Fall ist, so hat der Bundesrath beschlossen :

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1) Der Bundesrathsbeschluß vom 4. November 1887 ist aufgehoben und die mechanische Holzspalterei Bovet iu Biel dem Bundesgesetze betreffend die Arbeit in den Fabriken unterstellt.

2) Gemäß Artikel 14 des Bundesgesetzes betreffend die Haftpflicht aus Fabrik betrieb wird dieses Gesetz auf den im Etablissement Bovet dem Jakob Bühler am 18. Mai 1887 begegneten Unfall anwendbar erklärt.

Die Pferderationsvergütung an die jahresrationsberechtigten Offiziere pro 1889 wird definitiv auf Fr. 1. 80 festgesetzt, wie dieselbe bereits provisorisch fixirt worden ist.

An die Stelle des zurückgetretenen Herrn Thierarzt Borei in Nyon wird als Grenzthierarzt für die Stationen Nyon Hafen und Grassier Herr Thierarzt Julius Widmer in Coppet gewählt.

Als Adjunkt des technischen Inspektors beim schweizerischen Eisenbahndepartement wird Herr Albert Huguenin von Locle und Genf, bisheriger Kontroiingenieur, gewählt.

Das allgemeine Bauprojekt für die normalspurige Nebenbahn Dielsdorf-Niederweningen ist unter gewissen Vorbehalten genehmigt worden.

Dem von der Präsidialverwaltung des schweizerischen Eisenbahnverbandes vorgelegten Entwurf zu einem neuen Reglement und Tarif für den Transport lebender Thiere wird unter gewissen Bedingungen die Genehmigung ertheilt. Derselbe soll auf 1. März 1890 in Kraft treten.

(Vom 22. Januar 1890.)j Der Bundesrath hat die beiden Departemente der Finanzen und der Eisenbahnen beauftragt, mit der Regierung des Kantons Bern über den Ankauf der in dessen Besitz befindlichen Prioritätsaktien der Jura-Simplon-Bahn, unter Vorbehalt der Ratifikation des Bundesrathes und der Bundesversammlung, in Unterhandlungen zu treten.

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Laut Mittheilung des schweizerischen Konsulats in Buenos-Ayres ist das argentinische Ehegesetz vom 12. November 1888 (siehe Bundesbl. 1889, III, 71) dahin modifizirt worden, daß das Aufgebot und die Vorlage einer Bescheinigung über ledigen Stand und eines Geburtsscheines nicht mehr nöthig sind. Erforderlich ist nur, daß die Identität der Brautleute und ihre Ehefähigkeit von zwei Personen bezeugt werde.

(Vom 24. Januar 1890.)

Die Verwaltungskommission des Arbeitstisches des Bundes am zoologischen Institut des Herrn Prof. D o h r n in Neapel wird für eine neue Amtsdauer bestellt aus den Herren : Professor Dr. C. V o g t in Genf, Präsident, ^ Dr. L. R ü t i m e y e r in Basel, ,, Dr. T h e o p h i l S t u d e r in Bern, ,, Dr. J. S c h n e t z l e r in Lausanne, v Dr. A r n o l d L a n g in Zürich.

IQ Berücksichtigung des von der Regierung des Kantons Tessin geäußerten Wunsches werden die Subventionsbewilligungen betreffend : 1) Korrektion des Gaggiolo bei Stabio (Bundesrathsbeschluß vom 20. Dezember 1884); 2) Korrektion des Cassarate auf Gebiet der Gemeinden Canobbio und Davesco (Bundesrathsbeschluß vom 8. September 1885), sowie 3) Ergänzungsarbeiten an der Sensentina bei Moote-Carasso (Bundesrathsbeschluß vom 8. September 1885), als erloschen erklärt.

Der Bundesrath hat das Militärschultableau für das Jahr 1890 festgesetzt. Das Militärdepartemeat ist wie in frühern Jahren ermächtigt worden, kleine Abänderungen an Schulen und Kursen, welche sich im Laufe des Jahres als nothwendig erweisen sollten, von sich aus vorzunehmen. -- Die Dienstzeit für die am diesjährigen Tmppenzusammenzug theilnehmende Laadwehrinfanterie (11. und 17. Regiment) ist mit Rücksicht auf diesen Felddienst etwas verlängert worden, und zwar für die Cadres um 4 und die Mannschaft um 5 Tage.

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Der Bundesrath hat gewählt: (arn 17. Januar 1890) als Kopist des Departements des Innern, Abtheilung Bauwesen: Hrn. Heinrich Wipf, von Zürich; (am 21. Januar 1890) als Kanzlist der Verwaltung des eidgenössischen Munitionsdepots io Thun: Hrn. Rudolf Studer, von und in Thun; (am 22. Januar 1890) zum Postkommis in Ölten : Hrn. Peter Zopfy, von Schwanden (Glarusj,Postkomrnis in Basel; (am 24. Januar 1890) als Postbüreauchef in Basel : Hrn. Hieronimus Rebsamen, von und in Basel.

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