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Aus den Verhandlungen des Schweiz. Bundesrathes.

(Vom 4. Juli 1890.)

Das schweizerische Vizekonsulat in Hiogo-Osaka (Japan) wird aufgehoben.

Den 3. Juli hat zwischen ( den beidseitigen Bevollmächtigten die Auswechslung der Ratifikationsurkunden zu dem N i e d e r lassungsvertrage zwischen der Sch w ei z und D e u t s c h l a n d vom 31. Mai 1890*) stattgefunden. Laut Art. 12 dieses Vertrages tritt derselbe den 20. d. Mts. in Kraft.

Zur Erläuterung der Bestimmung in Ziffer 2 des Schlußprotokolls sind zwischen dem schweizerischen Departemente des Auswärtigen und dem Auswärtigen Amte des Deutschen Reiches durch Vermittlung der Gesandtschaft in Berlin folgende Noten ausgewechselt worden : I.

B e r n , den 28. Juni 1890.

Das schweizerische Departement des Auswärtigen an

die schweizerische Gesandtschaft in Berlin.

Herr Minister !

Der § 2 des Schlußprotokolls zu unserm neuen Niederlassungsvertrage mit dem Deutschen Reiche lautet wie folgt: ,,2. So lange die Schweiz vermöge ihrer Gesetzgebung nicht eine Bestimmung darüber trifft, daß für ihre Angehörigen, um die Rechte dieses Vertrages im Deutschen Reiche zu beanspruchen, *) Siehe Bundesblatt 1890, Bd.III., Seite 225 n. ff.

984 das in Artikel 2 erwähnte Zeugniß ausschließlich von ihrer Gesandtschaft und ihren Konsulaten in Deutschland ausgestellt werden muß, werden die deutschen Behörden einem von der betreffenden schweizerischen Gemeindebehörde ausgestellten Heimatschein und einem von dieser ertheilten Leumundszeugniß, sofern diese Urkunden von der zustandigen Behörde des Heimatkantons beglaubigt sind, dieselbe Bedeutung wie dem im Artikel 2 erwähnten gesandtschaftlichen Zeugniß beilegen."

Es erscheint zur Vermeidung von Mißverständnissen nothwendig, genau zu bestimmen, von welcher Gemeindebehörde in den verschiedenen Fällen das erforderliche L e u m u n d s z e u g n i ß herzurühren hat. Hiebei sind nach unserer Meinung folgende Eventualitäten in's Auge zu fassen : 1) Der nach Deutschland auswandernde Schweizer hat sein letztes Domizil in seiner Heimatgemeinde gehabt. In diesem Falle hat natürlicherweise die Heimatgemeinde das Leumundszeugniß auszustellen und die Behörde des Heimatkantons dasselbe zu beglaubigen.

2) Der nach Deutschland auswandernde Schweizer hat sein letztes Domizil in einer schweizerischen Gemeinde, aber nicht in seiner Heimatgemeinde gehabt. In diesem Falle wäre anzunehmen, daß das Zeugniß der Wohngemeinde dasjenige der Heimatgemeiude ersetzen kann. Das Leumundszeugniß wäre je\veilen durch die Kantonsbehörde, in deren Gebiet die dasselbe ausstellende Gemeinde liegt, zu legalisiren.

3) Der nach Deutschland auswandernde Schweizer hat sein letztes Domizil nicht in der Schweiz, sondern im Auslande gehabt.

In diesem Falle wäre demselben von der deutschen Behörde die uöthige Zeit zu belassen -- eine Frist ist schwer zu bestimmen -- um sich entweder von der letzten Wohngemeinde in der Schweiz oder von der Heimatgemeinde das erforderliche Leumundszeugniß zu verschaffen, falls man sich nicht mit ändern Ausweisen über den guten Leumund des Eingewanderten begnügen sollte.

Der Bundesrath, welcher bei den soeben zu einem glücklichen Abschlüsse gelangten "Unterhandlungen so viel Entgegenkommen seitens der. deutschen Regierung gefunden hat, ist auch überzeugt, daß die Bestimmungen des neuen Vertrages deutscherseits in der CDU lautesten und der Förderung- der bestehenden ausgezeichneten Verhältnisse-z wischen beiden Ländern entsprechendsten Form werden geharidhabt Werden. Wenn es ihm dennoch daran liegt, über die Anwendung der oben angeführten Bestimmungen des Schlußprotokolls bestimmte Zusicherungen zu erhalten, so ist es lediglich,

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wie eingangs erwähnt, um für alle Zukunft einen Anlaß zu Mißverständnissen zu beseitigen. Die beiden Kammern der Bundesversammlung haben übrigens dem nämlichen Wunsche Ausdruck verliehen.

Der Bundesrath würde es demnach mit ganz besonderm Dank erkennen, wenn Ihnen die deutsche Regierung auf die verschiedenen von uns angeregten Fragen eine befriedigende Antwort ertheilen wollte.

Sie wollen von dieser Depesche Herrn von Marschall Kenntniß geben und ihm eine Abschrift derselben überlassen.

(Schlußformel.)

(Gez.)

Droz.

II.

B e r l i n , den 1. Juli

1890.

Auswärtiges Amt.

Der Unterzeichnete beehrt sich, den Geschäftsträger der schweizerischen Eidgenossenschaft, Herrn Dr. Fininger, unter Bezugnahme auf die heutige Unterredung zu benachrichtigen, daß er den Ausführungen der in Abschrift hinterlassenen Note des schweizerischen Bundesraths vom 28. vorigen Monats, betreffend den § 2 des Schlußprotokolls zum Niederlassungsvertrage zwischen dem Deutschen Reich und der schweizerischen Eidgenossenschaft, allen Inhaltes beipflichtet. Der kaiserliche Gesandte in Bern ist telegraphisch mit ·entsprechender Weisung versehen worden.

(Schlußformel.)

(Gez.)

Hollstein.

(Vom 8. Juli 1890. J N. N. beschwert sich darüber;, j,daßj,yön den bernischen Behörden der Berechnung seiner- Militärsteuer ein Vermögen von Fr. 60,000 zu Grunde gelegt wordeu -sei, indem sie eine vom Rekurrenten zum Zwecke der Erstellung eines Neubaues um Fr. 60,000 angekaufte Besitzung zu diesem Ankaufspreis in. Anschlag gebracht -hätten. Diese Annahme sei aber eine unrichtige und gesetzwidrige.

Unrichtig, weil der Ankaufspreis eines zu einem Bauplatz bestimmten Gebäudes unter keinen Umständen als sein wirklicher Verkaufs-

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werth angenommen werden dürfe ; gesetzwidrig, weil bei der Festsetzung des militärsteuerpflichtigen Vermögens nur der Verkaufswerth in Berechnung zu ziehen sei (Art. 5, A. 1., des Gesetzes vom 28. Juni 1878). Nach dem Kreisschreiben des Bundesrathes an die eidgenössischen Stände vom 12. Dezember 1883 würden die öffentlichen Kontrolen (Gemeindesteuerkontrolen und die Hypotheken bûcher) als zuverläßige Grundlage für diejenigen Vermögensobjekte, die sie umfassen, anerkannt. Das Staatssteuerregister gebe den Werth des Grundbesitzes des Rekurrenten auf bloß Fr. 4,490 an; es sei aber dies seitens der Taxationskommission unberücksichtigt geblieben, während bei allen übrigen Ersatzpflichtigen die Feststellung des in Liegenschaften bestehenden Vermögens nach dem Staatssteuerregister vorgenommen worden sei. Die Einschätzung des Rekurrenten sei daher eine ausnahmsweise und willkürliche.

Der Bundesrath hat diesen Rekurs, gestützt auf folgende Erwägungen, als unbegründet abgewiesen.

1. Art. 12 des Bundesgesetzes vom 28. Juni 1878 schreibt vor: ,,Die alljährlich für alle Pflichtigen gleichzeitig vorzunehmende Ersatzanlage, sowie der Bezug des Ersatzes, liegt den kantonalen Behörden ob.tt 2. Art. 2 der Vollziehungsverordnung vom 1. Juli 1879 setzt als gleichzeitiges Datum der Ersatzanlage den 1. Mai fest und bestimmt im Weitern, daß nach diesem Tage sich die Berechnung der Steuerfaktoren (Vermögen und Einkommen) zu richten habe.

3. Hiebei sind für die Ersatzanlage in Bezug auf Einkommen und Vermögen die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 28. Juni 1878, insbesondere Art. 5 desselben, allein maßgebend, und es ist die gegentheilige Ansicht, welche Rekurrent zu haben scheint, daß für den Bezug des Militärpflichtersatzes jeweilen die Staats- und Gemeindesteuerregister des vorhergehenden Steuerjahres allein als maßgebend zu betrachten seien, eine irrige; überdies sieht die bernische Vollziehungsverordnung vom 27. Hornung 1886 in § 3 ausdrücklich auch nur die B e n ü t z u n g der fraglichen Register zur Ermittlung der Steuerfaktoren der Pflichtigen als Wegleitung vor und reservirt die Feststellung des Betreffnisses des Einzelnen der Taxationsbehörde.

4. Eine Gesetzwidrigkeit, deren sich die Taxationsbehörde gegenüber dem Rekurrenten schuldig gemacht hätte, liegt demnach nicht vor.

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Der einen Haftpflichtprozeß durchführende Zimmergeselle Andr.

Aigner aus Bayern beschwert sich darüber, daß ihm, dem Sinne und Geiste des Bundesgesetzes vom 26. April 1887 betreffend die Ausdehnung der Haftpflicht zuwider, vom Bezirksgericht Luzern die Bezahlung der Zeugenentschädigungen und, dem Wortlaut des zitirten Gesetzes entgegen, die vorschußweise Entrichtung der Hälfte der muthmaßlichen Kosten einer zum Beweise der Klage nöthig erachteten Expertise auferlegt worden seien, und stellt das Gesuch, der Bundesrath möchte in Vollziehung der bundesgesetzlichen Vorschriften dafür sorgen, daß die Regierung des Kantons Luzern zu Erlaß der dießfalls nothwendigen Verordnungen veranlaßt und die angefochtenen Verfügungen des Bezirksgerichts Luzern aufgehoben werden.

Der schweizerische Bundesrath hat dieses Kechtsbegehren aus folgenden Gründen gutgeheißen und der Regierung des Kantons Luzern entsprechende Weisungen ertheilt.

Was zunächst die Zeugengebühren betrifft, so muß allerdings zugegeben werden, daß Art. 6 des in Frage stehenden Gesetzes, der das Verfahren vor den kantonalen Gerichten behandelt, derselben keine ausdrückliche Erwähnung thut. Allein, daraus kann nicht gefolgert werden, daß die Entschädigung der Zeugen den im Armenrecht prozessirenden Arbeitern nicht habe abgenommen werdeu wollen. Es hätte in der That keinen rechten Sinn, dem Gesetzgeber zuzutrauen, er habe dem armen Manne die Verfolgung seines vermeintlichen guten Rechtes ermöglichen wollen, ihm aber im gleichen Athemzuge diese Möglichkeit dadurch wieder abgeschnitten, daß er ihn mit einer Ausgabe belastete, welche dieser in einer .Großzahl von Fällen nicht aufzubringen vermag, es wäre denn, daß die Großmuth seines beliebigt-n Dritten sich seiner annähme.

Das Stillschweigen des Gesetzgebers läßt sich auch anders erklären^ z. B. so, daß man annimmt, er habe die Zeugengebühren als unter die Gerichtsgebühren fallend betrachtet.

Uebrigens kann man, wenn hier eine Lücke existirt, nicht lange im .Zweifel sein, wie dieselbe auszufüllen sei. Art. 7 cit., welcher das Verfahren vor Bundesgericht behandelt, schreibt ausdrücklich vor, daß die Zeugengebühren aus der Gerichtskasse zu bestreiten seien. Diese Vorschrift ist analog auch auf das Verfahren vor den kantonalen Gerichten anzuwenden. Es liegt in der That kein innerer Grund vor, warum
in diesem letztern Verfahren andere Grundsätze Platz greifen sollten> als im Verfahren vor Bundesgericht. Fiskalische Erwägungen konnten dem Gesetzgeber nicht vorschweben. Es ist, wie der Rekurrent richtig ausführt, nicht einzusehen, warum man die Kantone zur Tragung der oft sehr bedeutenden Expertenkosten

-988 hätte verpflichteo, dagegen von den in der Regel minimen Zeugenentschädigungen hätte entlasten wollen, während auf der ändern Seite der Zeugenbeweis oft genug Voraussetzung und Grundlage des nachfolgenden Expertenbeweises bildet. Schließlich bleibt darauf hinzuweisen, daß eine Reihe von Kantonen die hier ausgesprochenen Ansichten theilt, so z. B. die Kantone Uri, Solothurn, Basel, Thurgau.

Was sodann die Expertenkosten betrifft, so spricht sich Art. 6 expressis verbis r> dahin aus, daß dieselben dem das Armenrecht 6 Genießenden zu erlassen seien, und das Bezirksgericht Luzem glaubt mit Unrecht, der Befolgung dieser unzweideutigen Gesetzesvorschrift infolge des Unistandes überhoben zu sein, daß eine kantonale Verordnung, welche jene Gesetzes Vorschrift in Vollzug setzte, z. Z.

noch nicht bestehe.

Das Bundesgesetz ist vollziehbar von dem Tage an, auf welchen es vom Bundesrathe kraft des ihm in AVt. 12 ertheilten Auftrages vollziehbar erklärt wurde ; und wenn Art. 11 auch der Kantons·regierung den Auftrag ertheilt, für die Vollziehung der bezüglichen Vorschriften besorgt zu sein, so geschah das nicht in der Meinung, daß diese Vorschriften durch Nichterlaß kantonaler Vollziehungsverordnungen einfach eludirt werden könnten, sondern lediglich zu dem Zweck, ihnen eine innerhalb der Grenzen des einzelnen Kantons möglichst gleichmäßige Ausführung zu sichern. Gerade auch für den Fall, daß eine Kantonsregierung den Erlaß einer förmlichen Vollziehungsverordnung unterließe, hat daher der Gesetz.geber dem Bundesrathe die Kontrole über die Vollziehung des Gesetzes übertragen.

Herr Dr. Johann P e r h e t , von Ormont-dessus, zur Zeit Mitglied der physikalisch-technischen Reichsanstalt in Berlin, wird .als Professor der Physik, vorzugsweise für Experimentalphysik, an das eidgenössische Polytechnikum berufen.

"Wahlen.

(Vom 8. Juli 1890.)

'Gehülfe des administrativen Inspektorates beim Eisenbahndepartement: Herr Friedrich Santachi, von Sigriswyl.

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