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Schweizerisches Bundesblatt.

42. Jahrgang. IY.

Nr. 39.

20. September 1890.

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Druck und Expedition der Stämpfli'schen Buchdruckerei in Bern.

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Bundesrathsbeschluß im Nachtrag

zum Beschlüsse vom 8. Januar 1890, betreffend die Rekurse von Freiburger Bürgern hinsichtlich der Anwendung des Wirthschaftsgesetzes im Kanton Freiburg (Handelsund Gewerbefreiheit).

(Vom 29. Juli 1890.)

Der schweizerische Bundesrath, in Erledigung der durch den Beschluß vom 8. Januar, betreffend Anwendung des freiburgischen Wirthschaftsgesetzes, noch nicht entschiedenen Rekurse Nr. 31, 38, 40, 41, 42, 43, 44 und 45, sowie der neuen Rekurse Nr. 46, 47, 48, 20bis, 28 bis und 36bis; auf den Bericht seines Justiz- und Polizeidepartements und nach Prüfung der Akten, aus welchen Folgendes hervorgeht:

I. Sachverhalt und allgemeine Erwägungen.

(Siehe oberwähnten Beschluß vom 8. Januar 1890.)

Bundesblatt. 42. Jahrg. Bd. IV.

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II. Spezielle Erwägungen. -- Entscheide.

31. Rekurs von Herrn Fridolin Cotting, Wirtschaft zum Schneider, in Pahuet, Gemeinde Praroman.

A.

In einer ersten summarischen Eingabs vom 2. Juli 1889 führte der Rekurrent an, daß seine Wirthschaft seit 14 Jahren bestehe und in der Mitte zwischen den drei Gemeinden Praroman, Monteeu und Bonnefontaine liege, welche über 800 Einwohner und keine Schankstelle besäßen.

B.

Die Regierung ließ sich mit Zuschrift vorn 25. Januar 1890 wie folgt vernehmen : Die Wirthschaft des Rekurrenten ist abgelegen, mehr als 2 km.

von der Ortschaft Praroman entfernt und von keinem Nutzen für die schon mit dem großen Gasthof in Mouret versehene Gegend.

Laut Gutachten des Gemeinderathes von Praroman hat die Wirthschaft überhaupt nie eine Existenzberechtigung besessen; sie ist vielmehr nur von Schaden für die moralischen und materiellen Interessen der Umgegend. DieWirthschaft wurde unterm 30. Juni 1889 geschlossen ; es wäre kaum angezeigt, ein Etablissement wieder erstehen zu lassen, welches gegenwärtig zur vollsten Genugthuung der Bevölkerung geschlossen ist.

C.

Unterm 9, Juni 1890 reichte der Advokat des Herrn Cotting beim Bundesrath eine ausführlichere Eingabe ein, in welcher im Wesentlichen Folgendes ausgeführt wird: Der Rekurrent ist ein durchaus unbescholtener Mann, was auch durch das vorgelegte, von der Gemeinde ausgestellte Zeugniß bestätigt wird ; er ist von schwächlicher Gesundheit und Vater vou neun kleinen Kindern. Den ausschließlichen Unterhalt seiner Familie bildete der Ertrag der Wirthschaft. Während vierzehnjährigen Betriebes derselben ist weder eine Geldstrafe über ihn verhängt worden, noch irgend eine Klage gefallen, und zwar nicht einmal wegen Ueberwirthung.

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Die einzige Beschwerde, welche gegen die Wirthschaft geltend gemacht wird, besteht darin, daß sie von der Straße abseits liege und deshalb schwer zu überwachen sei. Dies wird aber in nächster Zukunft nicht mehr der Fall sein. Aus Anlaß des Baues der neuen Brücke von St. Sylvestre über die Gérine, welche das rechte Saaneufer mit dem Sensebezirk verbindet, ist die Erstellung einer neuen Straße beschlossen, welche unmittelbar vor dem Hause Cotling vorbeiführen wird.

Die Wirthschaft Cotting erfüllt alle von dem Gesetze vorgesehenen Bedingungen. Sie entspricht einem wirklich vorhandenen Bedürfnisse. Die wichtige Pfarrgemeinde Praroman, mit einer Bevölkerung von 1223 Seelen und einem Umkreis von mehreren Quadratstunden, besitzt als einziges Schenklokal den Gasthof in Mouret, an der Landstraße Freiburg-ßulle, und die Wirthschaft in Montevraz, welch letztere IVz Stunden von derjenigen des Herrn Cotting entfernt liegt und deren Weiterbestehen durch den Bundesrathsbeschluß vom 8. Januar 1890 gestattet wurde. Die Gemeinden Praroman, Bonnefontaine, Oberried und Zénauva, mit mehr als 900 Einwohnern, besitzen gar keine Wirthschaft. Alle Erwägungen, welche zur Beibehaltung der Wirthschaft ,,des Montuguards" in Montevraz führten, sprechen also ebenso gut zu Gunsten der Wirthschaft Cotting. Durch deren Unterdrückung würde man einer ganzen Bevölkerung jede Möglichkeit rauben, an einem andern Orte über öffentliche Interessen sich aussprechen zu können, als in dem bekannten Gasthof in Mouret, der in der Mitte von 17 Gemeinden liegt, wovon 14 keinen Ausschank mehr besitzen. Und dies einzig und allein, damit die Regierungsnotabilitäten, in deren Besitz bic.h der Gasthof in Mouret befindet, einen um so großem Nutzen aus demselben ziehen könnten.

Die Eingabe des Rekurrenten wird durch eine Petition von 120 Bürgern befürwortet.

D.

Unterm 17. Juli 1890 reichte Herr Advokat Jules Broye, ais Vertreter des Herrn Kolly, Amnianns vou Praroman, und ini Nutnuìi von 70 Mitunterzeichnern, beim Bundesratli eine auf Bestätigung der Aufhebung der Wirthschaft Cotting dringende Eingabe ein.

Die Eingabe stellt in Abrede, daß der Betrieb der Wirthschaft die einzige" Hülfsquelle des Rekurrenten bilde, da derselbe den Beruf eines Sehneiders ausgeübt habe und auch seine Frau eine Schneiderin sei. Dagegen behauptet sie, daß die in ziemlich großer Entfernung vom Dorfe Praroman liegende Wirthschaft infolge ihrer

72 Abgeschiedenheit und der daraus resultirenden Schwierigkeit der Beaufsichtigung eine Gefahr für die öffentliche Moral bilde. Die vom Rekurrenten angeführte Straße sei noch nicht beschlossen, hingegen sei heute schon sicher, daß sie nicht durch Pahuet führen würde.

Eine Zuschrift der Polizeidirektion des Kantons Freiburg an das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement bestätigt die Eingabe des Herrn Broye, namentlich, was das zukünftige Tracé der projektirten Straße betrifft. Dieses Tracé werde nicht über Pahuet, sondern über Nesslera und Russille führen. Sobald es einmal festgesetzt sei, werde man zweifelsohne ein Konzessionsgesuch für eineWirthschaft auftauchen sehen, die zu gleicher Zeit die Ortschaft Praroman und die neue Straße bedienen könnte. Pahuet werde sich mehr als je abwegs befinden, da es zwischen zwei wichtigen Ortschaften, Bonnefontaine und Praroman, liege, ohne mit einer iu Verbindung zu stehen.

Der Bundesrath, in Erwägung: daß das Gebiet der Pfarrei Praroman, bei einer Bevölkerung von 1223 Seelen, nur zwei Schankstellen enthält (diejenige in Mouret und diejenige in Montévraz), was eine bedeutend geringere Verhältnißzahl darstellt, als die durchschnittlich von der Freiburger Regierung angenommene; daß speziell Praroman und Bonnefontaine mit ihren 676 Einwohnern, zwischen welchen beiden Ortschaften sich die Wirthschaft des Rekurrenten befindet, keine andere Schankstelle besitzen, während doch ihre Bevölkerungszahl das Bestehen eines solchen Etablissementes mehr als genügend rechtfertigt; daß das Mitte Wegs zwischen Praroman und Bonnefontaiue gelegene Etablissement des Rekurrenten offenkundig in günstiger Lage sich befindet, um beide Ortschaften zugleich bedienen zu können ; daß, wenn in der Folge etwa diese Lage durch den Bau einer projektirten neuen Straße ungünstiger werden sollte, dieß einzig und allein von der Wahl des Tracés abhängt, welches ja noch nicht endgültig festgesetzt, sondern zwischen mehreren Varianten schwebend ist; daß unter diesen Umständen die Unterdrückung dieses Etablissemeutes für den Augenblick als ganz ungerechtfertigt erscheinen muß, um so mehr, als bisher weder gegen den Rekurrenten

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noch gegen seine Wirtschaft irgendwelche Klage geltend gemacht worden ist, beschließt: Der Rekurs wird begründet erklärt.

38. Rekurs der Herren Gaschoud und Konsorten : Cercle agricole in Treyvaux.

Das freiburgische Wirthschaftsgesetz vom 28. September 1888 enthält in Art. 2, litt, f, die Bestimmung, daß eine Gesellschaft, welche ihren Mitgliedern Speisen und Getränke verabfolgen will (Cercle), zu diesem Zwecke ein Wirthschaftspatent einholen müsse.

Art. 12 desselben Gesetzes setzt fest, daß dieses Patent jeder Gesellschaft ausgestellt werden kann, die mindestens 20 in dem Friedensrichterkreis ihres Gesellschaftssitzes niedergelassene Aktivbürger zählt und deren Statuten die Ratifikation des Slaatsrathes erhalten haben.

Art. 7 des Vollziehungsbeschlusses vom 29. Mai 1881) verlauft, daß zwei Lokale den Gesellschaftsmitgliedern zur Verfügung zu stehen haben; Art. 27 besagt, daß diese Cercles nach ihren Statuten geleitet werden, und beschränkt sich im Uebrigen davsuif, übet- den Besuch derselben von Seiten solcher Personen Bestimmungen aufzustellen, welche nicht ständige Mitglieder sind, ferner die Zahl der Zeitungen festzusetzen, auf -welche die Gesellschaften abonnirt sein müssen.

Die Rekurrenten führen aw.s: Die Zahl der Cercles war anfänglich in unserem Kanton sehr beschränkt, es bestanden solche nur in den Städten. Seit einigen Jahren aber haben die Leiter der Regierungspartei sie auch auf dem Lande eingeführt, um daraus Centren für die politische Propaganda zu schaffen. Ein solcher Cercle besteht unter andern auch in Marly.

Nun beschlossen eine Anzahl Bürger dieses Kreises, denen die politische Schattirung dieses Cercle nicht ganz behagte, ihrerseits ebenfalls ein solches Vereinigungscentrum ins Leben zu rufen : 56 Bürger von Treyvaux und Nachbargemeinden erklärten, in Treyvaux einen Cercle agricole gründen zu wollen, und kamen, indem sie ihre Statuten der Regierung vorlegten, um die in Art. 2, litt, f, des Gesetzes vorgesehene Konzession ein. Das Lokal sollte

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von Herrn Xavier Pury in Treyvaux geliefert werden, und zwar in einem Hause, welches sämmtliche gesetzlichen Anforderungen erfüllt; den Betrieb hätte Herr Pu'ry selbst Übernommen, dessen Ruf nichts zu wünschen übrig läßt. Trotzdem verweigerte der Staatsrath die Ertheilung der verlangten Konzession.

Die Kekurrenten behalten sich vor, später, zu gegebener Zeit und an gegebenem Ort, zu untersuchen, ob diese Weigerung nicht einen Eingriff in das Recht der freien Vereinigung bilde. Für den Augenblick beschränken sie sich darauf, geltend zu machen, daß es der Freiburger Regierung nicht zustehe, ihnen die Bewilligung zur Gründung eines Cercle zu verweigern, da sie ja die gesetzlichen Vorschriften erfüllt hätten ; und daß, wenn sie dies that, die Freiburger Regierung den Art. 31 der Bundesverfassung verletzt habe.

Es steht der Regierung nicht zu, die Zahl der Vereine festzusetzen oder zu vermindern. Das öffentliche schweizerische Recht kennt keine Begrenzung der Zahl, es setzt nur die allgemeinen rechtlichen und moralischen Bedingungen fest, deren Beobachtung genügt, um einen Verein gründen zu können. -- Diese allgemeine, auf alle Vereinigungen anwendbare Kegel muß es um so mehr sein in Bezug auf die Cercles, weil diese politische Vereinigungen sind.

Sonst müßte man ja befürchten, daß eine Regierung, wie es im gegenwärtigen Falle versucht wird, einfach nur diejenigen Cercles duldete, welche ihr günstig sind, diejenigen der Opposition hingegen, dem Gesetz zum Trotz, unterdrückte oder nicht gestattete.

Das Gesetz hat in Wirklichkeit die Bedingungen festgesetzt, welche von einem Cercle zu erfüllen sind, und es spricht nichts von einer Begrenzung ihrer Zahl. Art. 12 besagt freilich: ,,die Konzession k a n n einer jeden Gesellschaft bewilligt werden, welche etc.a ; aber das will nicht heißen, daß die Regierung die Konzession nach ihrem freien Belieben bewilligen oder verweigern könne ; dies wäre verfassungswidrig; das heißt bloß: Die Regierung untersucht, ob der Verein die im Gesetze ausgedruckten Bedingungen erfülle, und dann bewilligt oder verweigert sie die Konzession, je nach dem Brgebniß dieser Untersuchung.

Nun erfüllte der Cercle agricole von Treyvaux im Momente seines Gesuches alle vorgeschriebenen Bedingungen und erklärt sich auch bereit, allen denjenigen sich anzupassen, welche seither aufgestellt
worden wären.

Wenn die Gemeindebehörden einen ungünstigen Vorbericht abgegeben haben, so geschah dies deshalb, weil die Gemeinde, als Besitzerin des Gasthofes von Treyvaux, natürlicherweise alle Konkurrenz aus dem Wege zu räumen sucht. Nun hat aber die Revision von 1885 nicht den Zweck g 'habt, die Konkurrenz aufzuheben oder

75 Monopole zu Gunsten der bestehenden Wirthschaften zu schaffen.

Ueberdies sind die Gemeindevorsteher, wie auch mehrere höhere Beamte, Mitbesitzer des mitten im Kreise gelegenen Gasthofes in Mouret, und es gewinnt beinahe den Anschein, wie man wenigstens aus der gegen die Wirthshäuser dieser Gegend ausgeführten Razzia schließen möchte, als hätte man sich bemüht, eine Oede zu schaffen rings um den Gasthof in Mouret herum, in der Absicht, damit den Zufluß gegen das Centrum zu vergrößern.

Wenn der Staatsrath behauptet, ein einziges Etablissement würde für die Bevölkerung der Ortschaft genügen, so ist dagegen einzuwenden, daß der Cercle nicht ausschließlich für die Ortschaft Treyvaux bestimmt ist, und daß übrigens, nach Freiburg, dieses Dorf mit seinen 971 Einwohnern bei Weitem die bevölkertste Gemeinde des Bezirks ist. In Marly duldet man bei 398 Einwohnern einen Cercle neben dem Gasthof.

Die Regierung behauptet ferner, der projektirte Cercle würde nichts Anderes sein, als eine verkappte Wirthschaft. Die Rekurrenten erheben förmlichen Protest gegen diese Angabe; es ist nicht zu befürchten, daß sie Leute aufnehmen, welche nicht dem Cercle angehören; denn dieser wird von den Gemeindebehörden schärfstens überwacht werden. Die Perspektive auf allfällige Ueberschreitungen bildet übrigens keinen plausiblen Grund, um die Bildung des Cercle zu verhindern, um so weniger, als dieser -- namentlich was die Höhe der Beiträge betrifft -- bloß die Statuten des Cercle von Marly abgeschrieben hat, welch letzterer sich des Vertrauens, ja sogar der Protektion der Regierung erfreuen darf.

In Wirklichkeit hat die Regierung, als sie die Konzession verweigerte, Erwägungen Gehör geschenkt, die nicht sowohl dem allgemeinen öffentlichen, als viel mehr politischem Interesse entsprangen.

Der fünfte Saanekreis enthält ziemlich kräftige oppositionelle Elemente; man hat dort einen regierungsfreundlichen Cercle geschaffen und will nun um jeden Preis verhindern, daß ihm eine Konkurrenz entgegengestellt werde. Nun aber kann vom Augenblick an, wo die Schöpfung eines gouvernementalen Cercle nicht als dem öffentlichen Wohl zuwiderlaufend betrachtet wird, die Gründung eines Cercle durch die Gegner der Regierung in demselben Kreise es ebenso wenig sein. Es liegt hier eine Frage der Billigkeit, der Gerechtigkeit, ja sogar eine Frage
des Anstandes und politischer Loyalität im Spiel.

Antwort der Regierung: Das Vereinsrecht kann hier nicht in Frage kommen. Niemand bestreitet den Rekurrenten das Recht, eine Gesellschaft zu gründen.

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Uebrigens wäre nicht der Bimdesrath, sondern das Bundesgericht kompetent, über einen Rekurs zu entscheiden, der sich auf eine angebliche Verletzung der Verfassungsbestimmungen über das Vereinsrecht stützen würde.

Was anderseits den von den Rekurrenten angerufenen Art. 31 der .Bundesverfassung betrifft, so bemerkt die Regierung, daß das freiburgische Gesetz mit voller Berechtigung von Bestimmungen betreffend die Cercles überhaupt hätte Umgang nehmen können.

Wenn es deren speziell Erwähnung that, so geshah dies einzig und allein mit Rücksicht auf den Detail verkauf der Getränke unter die Mitglieder des Cercle.

Nun aber liegt es gerade im Wesen eines Cercle, nur für seine Mitglieder und nicht für das Publikum zugänglich zu sein. Es handelt sich also hier nicht um das Gedeihen einer Gegend, die Wohlfahrt einer ganzen Bevölkerung, sondern nur um ein Privileg, das einige Bürger sich erwerben wollen und das darin besteht, daß sie, und zwar sie ausschließlich, von einer durch sie selbst gegründeten Gesellschaft sich geistige Getränke en détail verschaffen können.

Aus allen diesen Gründen ist die Regierung der Ansicht, daß hier das öffentliche Wohl überhaupt nicht in Frage komme, und sie spricht ihre Meinung dahin aus, dali der Bundesrath sich inkompetent erklären müsse, über den Rekurs der Herren Gaschoud und Konsorten zu entscheiden.

Der Bundesrath, in Erwägung : Wie die Freiburger Regierung mit Recht sich hat vernehmen lassen, ist der Bundesvath nicht kompetent, zu untersuchen, ob das Recht der freien Vereinigung, so wie es in der Bundesverfassung und in der frei burgischen Verfassung formulirt ist, auch das Recht einschließt oder nicht, den Mitgliedern des Vereins alkoholische Getränke zu verabfolgen.

Der Bundesrath, dessen Kompetenz durch Art. 59 des Gesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege bestimmt ist, hat wirklich den Rekurs nur von dem Gesichtspunkt des Art. 31 der Bundesverfassung aus zu prüfen.

Dieser Artikel ermächtigt die Kantone, die Wirthschaften ,,den durch das öffentliche Wohl geforderten Beschränkungen zu unterwerfen". Mit andern Worten, nur solche Erwägungen, welche sich auf die Gesarnmtinteressen der Bevölkerung stützen, können EinschränkuDgsmaßregeln gegen die Wirthe rechtfertigen.

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Im vorliegenden Falle nun -- wo es sich, nach den Worten der Regierung, nur um ein von mehreren Bürgern beanspruchtes Privileg handelt, ,,das darin beslünde, daß diese Bürger, und zwar sie ausschließlich, von einer djurch sie selbst gegründeten Gesellschaft sich geistige Getränke en détail verschaffen könnten 11 -- behauptet die Regierung von Freiburg ausdrücklich, daß ,,das öffentliche Wohl nicht in Frage komme"1.

Bei dieser Sachlage ist, da die Rekurrenten im Uebrigen alle durch das Gesetz vorgesehenen Bedingungen erfüllt haben, kein verfassungsmäßiger Grund vorhanden, ihnen die Wohlthat der Handels- und Gewerbefreiheit abzusprechen, beschließt: Der Rekurs wird begründet erklärt.

40. Rekurs des Herrn Jakob Günther, Wirtschaft zum ,,Wilhelm Teil" in Murten.

Der Rekurrent führt «i/s: Die auf 5 Jahre ausgestellte Konzession des liekiirrentcn liei mit Ende 1889 ab. Die Regierung verweigerte deren Erneuerung-, hauptsächlich mit der Begründung, daß das Etablissement alsSchnapspiate bezeichnet worden sei. Nun bezeugen ein von ungefähr öl) Stammgästen unterzeichneter Protest und eine Erklärung des Gemeinderathes gerade das Gegentheil und lassen dem Etablissement rückhaltlos alles Lob zukommen.

Die Regierung hegte anfänglich die Absicht, in Murten, kraft des neuen Gesetzes, zwölf Wirtschaften aufzuheben; schließlich wurden deren nur drei unterdrückt und zwar diese aus speziellen Gründen, da die eine zu nahe bei der Kirche lag, eine andere koinè Abtritte besaß, die dritte endlich außerhalb der Stadt gelegen und schwer zu überwachen war. Alle übrigen, mit Ausnahme derjenigen des Rekurrenten, erhielten Konzessionen, obgleich nur /,\voi derselben die vorgeschriebene Höhe von 270 cm. hatten. Das Lokal des Rekurrenten ist um 5 cm. zu niedrig, aber Herr Günther lint sich anerboten, diesem einzigen Mangel abzuhelfen ; andere Wirthschaften sind konzessionirt worden, obsehon ihre betreffenden Lokale um 10 bis -40 cm. zu niedrig waren. Abgesehen hievon, erfüllt die Wirthschaft alle vom Gesetze vorgeschriebenen Bedingungen: sie ist eine der ältesten der Stadt und wird in tadelloser Weise geführt.

'78 Der Rekurrent nimmt an, daß das Vertrauen der Regierung ·durch illoyale und eigennützige Berichte getäuscht worden sei. Er versichert, daß die Schließung seines Etablissements eine Verletzung der Gleichheit der Bürger hedeuten und vom Stadt- und Landpublikum sehr ungern gesehen würde.

Antwort der Regierung: 1

Der ,,Teil" ist eine alte Wirthschaft, die schon im Jahre 1865 neu bewilligt wurde. Die Wiederbewilligung der Konzession wurde aus dem Grunde verweigert, weil es in Murten viel zu viel Wirthschaften gibt. Diese Stadt zählte beim Inkrafttreten des Gesetzes 6 Gasthöfe und 22 Finten, also im Ganzen 28 öffentliche Lokale auf 2337 Seelen, oder jo eines auf 83 Einwohner. Nach Unterdrückung von 6 Wirtschaften gelangle die Regierung zu einer Zahl von 22 Etablissementen, also von je einem auf 106 Einwohner.

Der Bundesrath, in Erwägung: daß die Regierung für die Verweigerung der Konzession kein anderes Motiv angibt, als dasjenige, die Zahl der bestehenden Etablissemente herabzusetzen, daß dieser Zweck, so lobenswerth er an und für sich ist, im vorliegenden Fall nicht auf eine mit der Billigkeit und dem G-leichheitsgedanken im Einklang stehende Weise realisirt worden ist, indem man andere, jüngere und weniger gut eingerichtete Etablissemente hat weiterbestehen lassen, ohne daß dieser Vorzug in der Behandlungsweise durch irgendwelche Erwägungen gerechtfertigt gewesen wäre, beschließt: Der Rekurs vom 3. Dezember 1889

wird begründet erklärt

41. Rekurs des Herrn Joseph KUenlin-Baur, Wirthschaft ,,zur Post" in Marly.

Der Rekurrent führt aus : Das in Frage stehende Etablissement existirt seit ungefähr 15 Jahren, ist sehr gut gelegen und entspricht einem Bedürfnisse.

Es hat niemals zur geringsten Klage Anlaß gegeben.

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la andern benachbarten Gemeinden von geringerer Bedeutung, z. B. in Flamatt, Belfaux, Prez-vers-Noréaz, hat die Regierung mehr Wirthschaften beibehalten als in Marly, einer Pfarrgemeinde von 850 Einwohnern, die daneben noch ein stark besuchter Ausflugsund Aufenthaltsort für Fremde ist. Man hat hier trotzdem nur einen einzigen Gasthof bestehen lassen; es ist dies eine stoßende Ungleichheit, welche sich nur durch die Begünstigung erklären läßt.

Herr Küenlin hat nämlich nicht das Glück, der Regierungspartei anzugehören, während die Besitzer der Wirthschaften von Belfaux und Noréaz Anhänger der Regierung sind.

Dem Rekurs ist eine Petition von 215 Einwohnern von Marly beigegeben, die die Beibehaltung der Wirthschaft verlangen.

Antwort der Regierung: Die Gemeinde Marly, mit 388 Einwohnern, besitzt bereits ein sehr gutes Gasthaus, das flWeiße Kreuz", einige Schritte von der Wirthschaft entfernt und ebenfalls Eigenthum der Erben Küenlin.

Ein einziges Zimmer der Wirthschaft steht zur Verfügung des Publikums. Die Wirthschaftspolizei wird sehr schlecht innegehalten und die Aufhebung ist im Interesse der öffentlichen Wohlfahrt und Ordnung dringend geboten. Die angestellten V ergi eich u n gen mit den Pfarrgemeinden Belfaux und Prez sind nicht zutreffend. Die Pfarrgemeinde Belfaux umfaßt 9 Gemeinden; diejenige von Prez besteht aus den Gemeinden Prez, Noréaz und Corserey. Nun sind aber die Konzessionen der Wirthschaften von Noréaz und Corserey nur für ein Jahr und bloß provisorisch erneuert worden, bis zur Entscheidung der Rekurse, welche damals noch vor dem Bundesrath anhängig waren.

Der Bundesrath, in Erwägung : daß die Beibehaltung einer einzigen Wirthschaft (Gasthof /.um ,,Weißen Kreuz a ) in einer Ortschaft von 388 Seelen der von der Freiburger Regierung angenommenen Durchschnittszahl entspricht; daß folglich die von der Regierung gegebenen Erklärungen zutreffend erscheinen, beschließt: Der Rekurs wird als unbegründet abgewiesen.

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12. Rekurs des Herrn Luden Guisolan, Wirthschaft zum ,,Sternen" in Onnens.

Der Rekurrent führt aus : Die Regierung ist mit Willkür und Parteilichkeit vorgegangen.

So hat sie in Flamatt, einem Dorfe, das kleiner ist als Onnens, alle Konzessionen, d. h. 4 Wirtschaften, bewilligt, in Onnens hingegen will sie nur eine einzige bestehen lassen und diejenige des Rekurrenten unterdrücken, obschon dieselbe allen Bedingungen entspricht und an vorzüglicher Stelle, an der Straße, welche Onnens mit den benachbarten Dörfern und dem Bahnhof von Rosé verbindet, gelegen ist. Ebenso hat man in Prez-vevs-Noreaz, einer an Onnens anstoßenden Gemeinde, außer den beiden Gasthäusern die Wirthschaft von Noréaz, welche einem bekannten Libertard, Herrn Piller, gehört, bestehen lassen.

Der Rekurs wird durch eine Petition^von 54 Bürgern unterstützt.

Antwort der Regierung : Die Gemeinde Onnens zählt 221 Seelen, sie liegt abseits von jedem Verkehr und es existirt daselbst schon ein gut besuchtes Gasthaus. Die Nachbarschaft des Bahnhofes von Rosé, weit entfernt, ein Motiv zu Gunsten des Rekurrecten zu^ bilden, erscheint vielmehr als ein Grund zur Verweigerung der Konzession, da ja das Büffet von Rosé sich keine 20 Minuten von Onnens entfernt befindet.

Die Regierung ließ sich einzig und allein von der Rücksicht auf das öffentliche Wohl leiten, da ja der Rekurrent der konservativen Partei angehört. "Was die Wirthschaft in Norenz betrifft, so ist sie bloß in provisorischer Weise beibehalten worden, und z\var aus Anlaß der damals noch beim Bundesrath anhängigen Rekurse.

DO Der Bundesrath, die von der freiburgischen Regierung gegebenen Erklärungen als zutreffend erachtend, besehließt: Der Rekurs wird als unbegründet abgewiesen.

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13. Rekurs des Herrn Henri Dörtzbacher, Wirtschaft zum ,,Wilhelm Tell", Rue de la Samaritaine, Freiburg.

Der Rekurrent führt aus : Es handelt sich um eine Wirthschaft, die schon vor 1874 bestand, deren Berechtigung und Nutzen gemäß den damals geltenden Prinzipien die Verwaltung also ganz anerkannt hatte. Dank der Thätigkeit des Rekurrenten ist der ,,Wilhelm Tella zum ersten Restaurant des Quartiers geworden, in welchem die Moralität und die polizeilichen Vorschriften am besten respektirt werden. Er erweist der Bevölkerung gute Dienste, indem er zu billigem Preise gesunde Speisen liefert. Das Lokal genügt allen Vorschriften des Gesetzes. Ein wohlverstandenes öffentliches Interesse müßte vielmehr die Erhaltung dieser Wirthschaft fordern, und wenn überhaupt in der Auge Wirtschaften aufgehoben werden sollen, jede andere eher, als gerade diese, hiezu bestimmen. In dem Quartier de l'Auge existiren 11 Wirthschaften. Eine davon, diejenige des Rekurrenten, wird geschlossen, was natürlich durchaus keinen Einfluß auf die Wohlfahrt und die Moralität der Bevölkerung ausüben kann.

Wenigstens sollte man denn doch den Anfang mit denjenigen Wirthschaften machen, welche schon zu wiederholten Malen ein Einschreiten der Polizei nothwendig gemacht haben, mit solchen, die ungenügende Lokale besitzen etc. Während nun über den Besitzer des ,,Wilhelm Teil"- seit 13 Jahren niemals die geringste Strafe oder Geldbuße verhängt worden ist, gibt es unter den 10 übrigen Wirthsehafteu keine einzige, die sich während dieses Zeitraumes deren nicht zahlreiche zugezogen hätte. Ja noch mehr, wenigstens fünf derselben sind für längere oder kürzere Zeit geschlossen gewesen, weil sie die Prostitution begünstigt hatten.

Mehrere dieser verrufenen Wirthschaften sind allerdings mit perpetuellen Ehehafteu versehen; aber der Art. 9 des Gesetzes erlaubt ihre Expropriation, und wenn die Verwaltung wirklich nur von Rücksichten auf das öffentliche Wohl und die Moralität sich leiten, läßt, so darf sie nicht zögern, zu diesem Mittel Zuflucht zu nehmen und das Unkraut auszurotten, um gutem Samen Platz zu machen.

Bis und so lange die Verwaltung dies nicht thut, gibt sie dadurch schon zu, daß die Zahl der Wirthschaften nicht zu bedeutend ist, und daß sie folglich im gegebeneu Fall durchaus keinen gesetzmäßigen Grund hat, den ,,Wilhelm Teil"1 zu unterdrücken und so den verfassungsmäßigen Rechten dt'b Besitzers Abbruch zu thun.

82 Antwort der Regierung: Die Patenterneuerung wurde verweigert wegen der zu großen Anzahl öffentlicher Etablissemente (6 Gasthäuser und 2 Wirtschaften), welche im Quartier bestehen. Was nun die vom Rekurrenten empfohlene Maßregel betrifft, die auf unbegrenzte Dauer bewilligten Ehehafte zurückzukaufen, so wird die Regierung nicht verfehlen, zu derselben Zuflucht zu nehmen, sobald die in Art. 51 vorgesehene Gelegenheit sich bieten wird ; vorläufig aber hält sie es für angezeigter, die Ertheilnng von Konzessionen denjenigen Etablissementen zu verweigern, deren Notwendigkeit nicht dargethan ist.

Der Bundesrath, in Erwägung : daß die Regierung der Behauptung des Rekurrenten, dnß nämlich seine Wirthschaft von allen, welche im Quartier de l'Auge bestehen, die am besten geführte und iu allen Beziehungen ernpfehlenswertheste sei, nicht widersprochen hat ; daß diese Behauptung übrigens auch durch anderweitige Informationen bestätigt wird, aus welchen hervorgeht, daß der Rekurreut sogar geneigt war, aus eigenen Mitteln eine perpétuelle Ehehafte zurückzukaufen, um die Zahl der Gasthäuser des Quartiers zu vermindern ; daß, wenn die Regierung beabsichtigte, die Zahl der Wirthschaften des Quartiers herabzusetzen, dieser Weg den Anforderungen des öffentlichen Wohles besser mitsprechen hätte, als der jetzt eingeschlagene, welcher darauf hinausgeht, das Quartier seines besten Etablissementes, das überdies als billiges Restaurant noch besondere Dienste leistet, zu berauben, beschließt: Der Rekurs wird begründet erklärt.

44. Rekurs des Herrn Etienne Mettraux, Wirthschaft zur Post in Neyruz.

Der Rekurrent führt aus : Das Lokal des Itukurrenteu besitzt allerdiügs nicht die verlaugto Höhe von '2 M. 70, allein der Rekurrent macht sich erbötig, dasselbe uuch einem Plane umzuändern, den er hat ausarbeiten lassen.

83 Nachdem er sein Geschäft 15 Jahve hindurch geführt hatte, ohne sich eine einzige Buße zuzuziehen, machte er sich im Laufe des Jahres 1889 zwei Mal einer Uebertretung schuldig, d*s erste Mal, weil er während einer Versteigerung Wein ausschenken ließ (Art. 33 des Wirthschaftssesetzes), das andere Mal, weil er betrunkenen Personen noch Getränke verabfolgte (Art. 23 leg. cit.).

Diese beiden vereinzelten Fälle ohne großen Belang dürften aber kauni eine Konzessionsverweigerung rechtfertigen. Gibt es doch kaum einen Wirth, der nicht das einte oder andere Mal sich einer Uebertretuug schuldig gemacht hätte. Und wenn das öffentliche Interesse verlangt, daß eine Person in diesem Falle keinen Ausschauk von alkoholischen Getränken mehr führen dürfe, dann mülke man sich sofort an eine allgemeine Razzia machen.

Die Aufhebung der Wirthschaft des Rekurrenten läßt sich schließlich auch nicht durch die Thatsache rechtfertigen, daß int gleichen Dorfe noch ein der Gemeinde gehöriger Gasthof besteht, denn die Wirthschaft, in nächster Nähe des Bahnhofs, am Kreuzungspunkt mehrerer Straßen gelegen, ist viel besser plazirt als der Gasthof, und während letzterer alt, kalt und düster ist, ist die Wirlhschaft neu erbaut, sonnig und besitzt Luft und Licht.

Das Nebeneinanderbestehen der Wirthschaft und des Gasthauses verstößt übrigens gegen keine bestimmte, von der Verwaltung aufgestellte Vorschrift. In vielen andern Ortschaften, wie in Marly.

Belfaux und Posieux, ist ein solches Verhältniß dem Staatsratli gar nicht als anormal erschienen. Und doch besitzt Neyruz eine Bevölkerung von 498 Seeleu, während Posieux nur 331, Bell'aux 411 und Marly 379 zählt.

Antwort der Regierung: Der Gasthof und die Wirthschaft des Rekurreulen liegeil 100 Meter von einander eutfurnt au der Kautousstraße, durchaus nicht in der Nähe des Bahnhofs. Die benachbarten Ortschaften besitzen ebenfalls Wirtschaften. Die Wirthschaft ist also überflüssig. J)ie Lokale haben nicht genügende Dimensionen, und die Regierung wollte dem KekuiTuuteii keine Umbaukosten bereiten, da sie überhaupt, im Interesse des öffentlichen Wohles, es als besser erachtete^ dieses Etablissement aufzuheben.

Was nun die dem Rekurrenten zur Last gelegten Uebertretuugeu betrifft, so will die Regierung deren verhältnismäßige Erheblichkeit durch einen Rapport des Präfekten des Saanebezirks und durch den Text der Urtheile vom 29. Juni und 18. Mai 1889 darthuu.

.«4 Der Bundesrath, in Erwägung : daß nach den Akten des Dossiers die beiden dem Rekurrenten zur Last fallenden Llebertretungen für sich allein die gegen ihn getroffene Maßregel nicht rechtfertigen könnten ; daß hingegen die Beibehaltung einer einzigen Wirthschaft in einer Ortschaft von 498 Seelen der von der Regierung angenommenen Durchschnittszahl entspricht, und daß -- wenn die Regierung bei der Vornahme der in Frage stehenden Reduktion dem Gasthause den Vorzug gegeben hat vor der Wirthschaft, welche jüngeres Datum und geringere als die vom Gesetz geforderte Höhe aufwies -- diese Wahl als berechtigt gelten darf und übrigens auch den in andern analogen Fällen gefaßten Entscheiden zu entsprechen scheint, b e s c h l.i e ß t :

Der Rekurs wird als unbegründet abgewiesen.

45. Rekurs der Frau Wittwe Blanchard, geb. Krebs, Café zum Bahnhof, Rue de Romont, Freiburg.

Die Rekurrentin führt aus : Der Staatsrath hat die iu Frage stehende, seit 15 Jahren betriebene Wivthschaft aufgehoben, indem er dieselbe als überflüssigerklärte. Diese Ansicht ist aber nicht gerechtfertigt. Die Rue de Romont besitzt nämlich in ihrem untern Theil acht öffentliche Wirthschaften, während im obern Theil, welcher dem Bahnhof näher liegt, nur eine einzige, diejenige der Rekurrentin, existirt, da das Cafe du Gibloux, das etwas weiter unten lag, aufgehoben wurde.

Wenn die Zahl von acht Schankstellen für den untern Theil nicht übertrieben groß ist, so wäre es eine gewagte Behauptung, zu sagen, eine einzige Schankstelle sei zu viel für den obern Theil ; dies um so mehr, als das Café de la Gare neben dem Quartier du Criblet, gegenüber der Camionnageunternehmung, in der Nähe des neuen Quartiers St-Pierre und zahlreicher Zimmerplätze, an der Straße und einige hundert Schritte vom Barmhof liegt. Es wird übrigens besonders von Eisenbahnangestellten und Arbeitern frequeutirt.

Was das Lokal betrifft, so ist allerdings dessen Höhe einige Centimeter unter der von dem Vollziehungsbeschluß verlangten; die Rekurrentin macht sich aber anheischig, dasselbe nach den Anforderungen der Behörde umzubauen.

85 Die Regierung kann auch die beiden Uebertretuagen, welche sich die Rekurrentin durch zu spätes Schließen der Wirthschaft hat zu Schulden kommen lassen, nicht gegen dieselbe geltend machen, denn das freiburgische Wirthschaftsgesetz bestimmt, daß die Konzession zurückgezogen werden kann, wenn der Besitzer d r e i M a l in 12 Monaten wegen Uebertreten dieses Gesetzes verurtheilt worden ist.

Antwort der Regierung : Das Café zum Bahnhof liegt nicht in der Nähe des Bahnhofes, sondern vielmehr in der Rue de Romont, wo sich schon 8 andere Wirtschaften befinden. Es ist nicht allein überflüssig, sondern es erfüllt auch die gesetzlichen Bedingungen nicht, da seine Höhe statt 2,70 m. nur 2,38 m. beträgt; die Anlage des Hauses würde kaum eine Vergrößerung gestatten, außer wenn man bei dem Umbau tiefer als das Straßenniveau gehen wollte. Die Wirthschaft besitzt nur ein Gastzimmer und die Abtritte befinden sieh im ersten Stock. Die Ordnung läßt zu wünschen übrig und Frau Blanchard ist unterm 7. März und 22. Juli wegen Uebertretungen bestraft worden, unter Anderm, weil sie Betrunkenen noch zu trinken verabfolgte.

Die Rekurrentin hat übrigens Freiburg bereits verlassen und sich in Vevey niedergelassen. Nach ihrer Abreise richtete sie unterm 25. Februar 1890 an die Regierung das Gesuch, sie möchte ihrem Sohn Eduard Blanchard die Führung des Café gestatten.

Da das Café geschlossen werden soll, der junge Mann übrigens an der am 6. März 1889 angezeigten Uebertretung mitbetheiligt war, so hielt die Regierung es nicht für angezeigt, diesem Gesuche zu willfahren.

Der Bundesrath, die Erklärungen der freiburgischen Regierung als zutreffend erachtend, beschließt: Der Rekurs wird als unbegründet abgewiesen.

±6. Rekurs der Wittwe Mélanie Bays, Bahnhofbuffet in Siviriez.

A.

Die Rekurrentin führt aus : Die Regierung von Freiburg verweigerte der Rekurrentin eine Konzession, welche sie unter dem Schild ,,Bahnhofbuffet a in dem Bundesblatt. 42. Jahrg. Bd. IV.

7

86

ihr gehörigen Gebäude neben dem Bahnhof Siviriez auszuüben gedachte.

Der Gemeinderath von Siviriez hatte allerdings einen ungünstigen Vorbericht abgegeben. Bedenkt man aber, daß die Gemeinde Siviriez durch einen Schankwirth den ihr gehörenden Gasthof ,,Zum goldenen Löwen" daselbst betreiben läßt, so ist leicht einzusehen, daß der Gemeinderath die Eröffnung einer nur llz Stunde von seinem Gasthaus entfernten Konkurrenzwirthschaft scheelen Auges betrachten muß. Uebrigens hat diejenige Behörde, welche am ersten dazu berufen ist, den Nutzen der verlangten Konzession zu beurtheilen, die Eisenbahngesellschaft S. 0. S., der Frau Bays das Recht bewilligt, das fragliche Büffet wieder zu eröffnen. Dasselbe existirte nämlich schon seit der Eröffnung der Linie, wurde während 23 Jahren von Herrn Bays betrieben und später nur geschlossen, weil im Dorfe Siviriez neue Wirthschaften entstanden.

Da aber seither diese zwei Wirthschaften wieder geschlossen worden sind, ist Frau Bays der Meinung, die ihrige könne wirklich gute Dienste leisten. Der Bahnhof von Siviriez besitzt, trotz seiner relativen Wichtigkeit, nur einen sehr kleinen Wartsaal; er Hegt ungefähr eine halbe Stunde von der Ortschaft entfernt, und wenn eine nur irgendwie größere Anzahl von Personen dort auf den Zug warten miissen, so ist das Publikum gezwungen, im Freien zu bleiben. Der Wartsaal erweist sich denn auch an den Markttagen von Romont, Freiburg, Bulle, Lausanne und Moudon als absolut ungenügend.

Ueberdies würde das Büffet auch den ziemlich zahlreichen Eisenbahnangestellten in Siviriez gute Dienste leisten; dieselben wären froh darüber, einen Ort zu haben, wo sie sieh im Winter erwärmen, im Sommer erfrischen könnten.

Der Entscheid der Regierung verstößt übrigens direkt gegen Art. 9, Alinea l des Wirthschaftsgesetzes, welches verlangt, daß auf die Nähe eines Bahnhofes Rücksicht genommen werden solle.

Die Gemeinde Siviriez mit ihren 409 Einwohnern besitzt gegenwärtig nur einen einzigen Gasthof, während früher ein Gasthof, zwei Wirthschaften und das Bahnhofbufiet bestanden.

Das in Frage stehende Lokal erfüllt alle von dem Vollziehungsbeschlusse vorgesehenen Bedingungen.

Die Rekurrentin besitzt einen guten Leumund.

Dem Rekurs ist beigefügt eine Petition mit 168 Unterschriften und günstige Gutachten des Gemeinderathes von Chavannes-les-forts und der waadtländischen Gemeinden Brenles und Sarzens.

87 B.

Antwort der Regierung: Die Regierung ist der Ansicht, daß der Nutzen dieser neueu Wirthschaft nicht erwiesen und daß es nicht angezeigt sei, die Errichtung neuer öffentlicher Schankstellen zu gestatten, während mau auf so große Schwierigkeiten stoße, um die heute bestehenden auf eine den Bedürfnissen des Publikums entsprechende Zahl herabzusetzen.

Der Bahnhof von Siviriez, der ganz in der Nähe des Bahiihofes von Komont liegt, hat seit dem Jahre 1883 ein Büffet ganz gut entbehren können. Er befindet sich in derselben Lage, wie die Bahnhöfe von Cheyres, Cugy, Belfaux, Matran, Cottens, Neyruz, Vuisternens, Sales, Dompierre, Fräsehels und Domdidier. Die Gasthäuser dieser Ortschaften, welche, wie dasjenige von Siviriez, fünf oder y.ehn Minuten vom Bahnhof entfernt liegen, entsprechen weitaus den Bedürfnissen des Publikums. Sollte sich die Notwendigkeit einer Wirthschaft fühlbar machen, so würden die Betheiligten jedenfalls nicht eine Pinte, sondern ein Gasthaus verlangen. Die Gemeinde Siviriez hat schon unterm 6. Januar 1869 erklärt, daß sie den Bau eines Gasthofes mit Stallungen beim Bahnhof übernehmen würde, sobald sieh dies als nothwendig erweisen sollte. Sie befindet sich heute noch in demselben Falle. Man soll ihr also Zeit lassen, ihren Plan zu verwirklichen, wenn das öffentliche Wohl dies verlangt, was zwar trotz dem Briefe des Direktors der S. O. S. keineswegs erwiesen ist.

Dieser Antwort beigegeben war eine ungünstige Meinungsäußerung des Gemeinderatb.es von Prez-vers-Siviriez.

C.

Die Direktion der 8. 0. S. hatte schon mit Brief vom 16. Dezember 1889 bei der freiburgischen Regierung das Konzessionsgesuch der Frau Bays unterstützt, indem sie die Versicherung abgab, ,,dfili die Leute der angrenzenden Ortschaften, welche an der Station mit dem Verladen und Ausladen von Waaren beschäftigt sind, mit Vergnügen die Möglichkeit vor sich sehen werden, speziell im Winter, sich dort erquicken zu können".

Die Direktion der J. S. hat sich in gleichem Sinne ausgesprochen in einem an das eidgenössische Justiz- und Polizoideuarl«ment gerichteten Schreiben vom 11. Juli 1890, in welchem «iu erklärt, daß nach ihrer Ansicht, ,,im Hinblick auf den Güter- und Keisenciendienst, speziell im Winter, es sehr wünschenswerth hei, daß auf der Station Siviriöz ei u Büffet unterhalten werde".

88 Der Bundesrath, in Erwägung: daß die Nützlichkeit eines Büffets auf der Station Siviriez, sowohl für das Eisenbahnpersonal als für das Publikum, durch die Erklärungen der Gesellschaft genügend dargethan erscheint und übrigens auch durch die Thatsache erhärtet wird, daß auf den meisten Bahnhöfen solche Etablissemente bestehen; daß für die speziellen Anforderungen, denen dieses Büffet entsprechen soll, ein einfaches Schenkzimmer genügt, und daß kein Bedürfniß nach einem eigentlichen Gasthaus vorhanden ist, dessen Bau übrigens durch eine mehr als 20 Jahre hindurch unausgeführt gebliebene Verpflichtung kaum gesichert erscheint; daß, im Hinblick auf ihren besondern Zweck und .ihre topographische Lage, in einer großen Entfernung vom Dorfe, die fragliche Wirthschaft mit Rücksicht auf das öffentliche Wohl jedenfalls nicht die schlimmen Folgen haben kann, welche vielleicht eine inmitten der Wohnungen gelegene und von der seßhaften Bevölkerung regelmäßig besuchte Schankstelle hervorrufen würde, beschließt: Der Rekurs vom 24. Januar 1890 wird begründet erklärt.

47. Rekurs der Wittwe Louise Savary zum ,,Bundesschlüssel" in

Bulle.

A.

Unterm 29. Juni 1889 hatte der Staatsrath von Freiburg auf ihr Gesuch der Frau Savary eine Bewilligung zur Ausübung ihres Wirthschaftsrechtes bis zum 30. April 1890 bewilligt, auf welchen Zeitpunkt dann die Wirthschaft ohne weiteren Aufschub geschlossen werden sollte.

B.

Mit Eingabe .vom 31. März 1890 kam dann Frau Savary bei der Regierung um eine neue Konzession für die Dauer von fünf Jahren ein. Zur Unterstützung ihres Gesuches brachte sie noch folgende Erwägungen vor : Die Rekurrentin und ihr Sohn, welch letzterer die Wirthschaft führt, erfüllen persönlich alle von dem Gesetze verlangten Be-

89 dingungen. Der Gemeinderath von Bulle hat einen günstigen Vorbericht abgegeben mit der Erklärung: ,,Die sozusagen auf dem Marktplatz für Großvieh gelegene Wirthschaft ist nicht bloß nützlich, sondern sogar nothwendig.11 Die Lokale erfüllen alle gesetzlichen Bedingungen oder werden sie wenigstens erfüllen, sobald die Konzession bewilligt sein wird. Die Wirthschaft wurde schon im Jahre 1848 dem Gatten der Rekurrentin konzessionirt, und die Konzession seither beständig von der Familie Savaiy ausgeübt, ohne daß jemals irgendwelche Strafe gegen sie hätte ausgesprochen werden müssen; die Wirthschaft ist also, neben denjenigen mit perpetuellen Ehehaften, die älteste der ganzen Stadt Bulle und vielleicht des ganzen Greyerzerlandes. Nun bestand aber das von der Präfektur von Grèvera angenommene Prinzip darin, alle Konzessionen, die vor 1874 zurückgingen, weiter zu ertheilen, und nur diejenigen Wirthschaften aufzuheben, welche nach dem Inkrafttreten der neuen Bundesverfassung eröffnet worden waren. Der Miethzins der Wirthschaft beträgt Fr. 1000 per Jahr.

Endlich besitzt die bald siebenzigjährige und beinahe erblindete Rekurrentin keine andern Hülfsquellen, als den Ertrag des ,,Bundesschlüssels"; ihr Sohn, der Wirth, ist ebenfalls kränklich und nicht im Stande, sein Leben auf andere Weise zu gewinnen, als durch Ansübung seines Wirthschaftsrechtes.

C.

Der Staatsrath hat durch Entscheid vom 11. April 1890 das Gesuch der Wittvve Savary abschlägig beantwortet. Er ließ sich dabei von folgenden Beweggründen leiten:

1) Die Rekurrentin hatte sich in ihrem vorhergegangenen Gesuch um Verlängerung der Konzession verpflichtet, ihre Wirthschaft den 30. April 1890 ohne weitern Aufschub zu schließen ; 2) in der "Wirthschaft war durch ein Mädchen von sehk-chtcin Lebenswandel ein Diebstahl verübt worden.

D.

In ihrem Rekurs an den lìundebrath bezieht sich Frau Savary auf die Eingabe, welche sie an den Staatsrath gerichtet hat; sie fügt im Wesentlichen Folgendes bei:

Die Verpflichtung, welche im Namen der Rekurrentin übernommen wurde, keine Verlängerung mehr nachsuchen zu wollen, kann die Rechte der Familie Savary nicht präjudiziren.

90

Was den von der Regierung angeführten Diebstahl betrifft, so erhellt aus dem mit den Akten eingereichten Urtheil, daß die Familie dabei in keiner Weise betheiligt war. Wenn die Thatsache, daß in einer Wirthschaft ein Diebstahl begangen wurde, genügte, um deren Aufhebung zu rechtfertigen, so müßte man alle großen Hôtels zu ach ließen anfangen.

E.

In ihrer Vernehmlassung vom 7. Mai 1890 reproduzirt die Regierung von Freiburg, um die Aufhebung der in Frage stehenden Wirthschaft zu begründen, wörtlich die vom Präfekten des Greyerzerbezirkes angeführten Erwägungen :

,,Der ,,Bundesschlüssel" ist schlecht geleitet: er ist eine Schnapspinte. Die Moralität läßt zu wünschen übrig und die Wirthschaft steht in schlechtem Ruf. Im Jahre 1888 beklagte sich eine Frau bei mir, daß man daselbst Rendez-vous zwischen ihrem Mann und einer andern, verheirateten Frau begünstige. Die gegen C. M. von Vuadens geführte Untersuchung hat ergeben, daß diese ledige Weibsperson, Mutter von zwei außerehelichen Kindern und schon vorbestraft wegen Prostitution, den jungen H. M. dorthin gelockt hatte, und daß sie am 21. Dezember 1887 in ein Privatzimmer des Wirthes eingelassen worden waren. An diesem Rendez-vous-Ort, wo man ihnen zu essen und trinken servirle, entwendete sie dem M. den Geldbeutel mit einem Inhalt von Fr. 35."

Damals schon hätte die Regierung eine Untersuchung gegen Savary anordnen und die Aufhebung der Wirthschaft aussprechen können ; sie that dies nur aus dem Grunde nicht, weil das Inkrafttreten eines neuen Wirthschaftsgesetzes unmittelbar bevorstand, welches dann eine Verminderung "o der Zahl der Wirthschaften gestatten würde.

p.

In einer nachträglichen Eingabe bringt die Rekurrentiu, in Antwort auf den hauptsächlich von der Regierung geltend gemachten Beweggrund, in Erinnerung, daß während 42 Jahren die Regierung nur eine (ungünstige) Thatsache hat in Erfahrung bringen können, daß nämlich in fraglicher Wirthschaft eine strafbare Handlung begangen wurde, und zwar nicht durch eine zur Familie gehörige, sondern durch eine fremde Person. Von dem Vergehen hatte die Familie keine Kenntniß, konnte dasselbe auch nicht voraussehen oder verhindern. Das gegen die Schuldige verhängte Urtheil hat der

91 Rekurrentin nicht einmal Erwähnung gethan, was einen sprechenden Beweis dafür bildet, daß das Gericht dieselbe als der strafbaren Handlung vollständig fernstehend betrachtete.

Die Rekurrentin legt überdies den Akten ein der Familie Savary vom Gemeinderath von Bulle ausgestelltes Zeugniß über gute Aufführung und Moralität bei.

Der Bundesrath, in Erwägung: daß es sich hier gar nicht darum handeln kann, zu untersuchen, ob die Rekurrentin wirklich die Verpflichtung übernommen habe, nicht mehr um eine Konzession nachzusuchen, da ja eine solche Verpflichtung rein privatrechtlicher Natur die vom Bundesrath zu entscheidende öffentlichrechtliche Frage in keiner Weise zu beeinflussen vermag ; daß die freiburgische Regierung zugeben muß, in Bezug auf die Rekurrentin von ihrer in sämmtlichen übrigen Fällen beobachteten Regel, alle diejenigen Wirthschaften, die schon vor der Bundesverfassung von 1874 bestanden, weiter zu bewilligen, abgewichen zu sein; daß diese ausnahmsweise Behandlung durch Beschwerden besonderer Natur begründet wird, deren Tragweite erst durch eine neue Untersuchung festgestellt werden könnte, welche genau die eventuelle Verantwortlichkeit der Rekurrentin und ihrer Familie bei den vom Herrn Präfekten des Greyerzerbezirkes angezeigten und Gegenstand des Strafurtheils vom 31. Januar 1888 bildenden Vorgängen festsetzen müßte; beschließt: 1. Die Regierung des Kantons Freiburg wird eingeladen, eine Untersuchung über die in Frage stehenden Thatsachen zu veranstalten und deren Resultate zu gegebener Zeit dem Bundesrath mitzutheilen.

2. Der Entscheid über die Hauptsache wird bis nach Empfang des Berichtes über diese Untersuchung aufgeschoben.

92 48. Rekurs des Herrn Nicolas Rossier, Wirtschaft ,,Bellevue" in Lovens.

A.

Der Rekurrent führt in einer Eingabe vom 18. April 1890 aus: Das Dorf Lovens bildet eine besondere, ungefähr ak Stunden von andern entfernte Gemeinde, liegt auf der Höhe und wird weder von der Eisenbahn, noch von der Kantousstraße direkt berührt, sondern besitzt nur ziemlich schwierige und bergige Vicinalwege.

Man unterdrückt die einzige Wirthschaft daselbst, während eine große Zahl anderer Gemeinden gleicher Bedeutung, die auch nur ungefähr 200 Einwohner zählen, eine, sogar zwei Schankstellen erhalten haben oder ein Gasthaus besitzen. So Corserey, Portalban, Ponthaux, Posieux, Vesin, Billens, Courlepin, Miséry, Cormérod (zwei Wirthschaften, wovon eine durch den Ammann geführt), Flamatt (vier bis fünf Wirthschaften), Noréaz (zwei), Belfaux (drei).

Der Staatsrath hat allerdings behauptet, der Ausschank des Herrn Rossier sei schlecht geführt; dies ist aber nicht richtig; der günstige Vorbericht des Gemeinderathes bezeugt das Gegentheil.

Dem Rekurs ist beigegeben eine Petition von 92 Bürgern, welche die Beibehaltung der Wirthschaft verlangen.

B.

Antwort der Regierung :

Das Dorf Lovens ist eine kleine Gemeinde von 180 Einwohnern, bildet einen Theil der Schul- und Pfarrgemeinde Onnens und liegt 10 Minuten, nicht sk Stunden, wie der Rekurs behauptet, von letzterem Dorfe entfernt. Es liegt ebenso 10 Minuten von Prez, 20 Minuten von Lentigny und 20 Minuten von Corserey entfernt, in welchen Ortschaften überall Wirthschaften bestehen. Lovens befindet sich abseits jedes Kommunikationsweges; es kommen fast niemals Fremde dorthin, und die Regierung kann sich auf keinen Fall mit der neuen Theorie einverstanden erklären, daß jede, auch noch so kleine Gemeinde ihre Wirthschaft haben müsse. Es gibt eine große Zahl Ortschaften von viel größerer Bedeutung, die keine Wirthschaft besitzen: Givisier, Corminboeiif, La Corbaz, Arconeiel, Ependes, Morlon, Petit-Farvagny etc. 'Der Rekurs hat mit den zitirten zwei Wirthschafteu in Noréaz, Corserey, Posieux, Cormérod unglückliche Beispiele gewählt, da je die eine der beiden Wirthschaften in jeder dieser Ortschaften schon von ihrer Schließung auf

9a den 31. Dezember 1889 in Kenntniß gesetzt und dieser Beschluß nur deshalb verschoben worden war, weil der Staatsrath das Resultat der Rekurse abwarten mußte, welche dann der Bundesrath am 8. Januar 1890 entschied.

Der Bundesrath, die Erklärungen der Freiburger Regierung als erachtend, beschließt:

zutreffend

Der Rekurs wird als unbegründet abgewiesen.

20bi8. Neuer Rekurs des Herrn Timothée Dunand, Wirtschaft zum ,,Moléson" in Vaulruz.

A.

Sein erster Rekurs vom 10. Mai 1889 (Nr. 20 der ersten Serie) wurde vom Bundesrath am 8. Januar 1890 abgewiesen, iu Billigung der von der freiburgischen Regierung abgegebenen Erklärungen, welche wesentlich Folgendes besagten : ,,Die Wirthschaft Dunand ist überflüssig, da sie sich in der Nähe von zwei großen Gasthäusern befindet. Vaulruz (716 Seelen) besaß fünf Wirthschafteu, wovon drei Ehehaften und zwei Pinien (eine radikale, eine konservative). Die beiden letztern wurden auf Dringen der Gemeindebehörden aufgehoben."· B.

Unterm 10. März 1890 ließ der Rekurrent dem Buiidesratli eine neue Eingabe zugehen, in welcher er folgende neue Gründi» geltend machte: Die Wirthschaft des Rekurrenten erfüllt alle Vorschriften des Gesetzes über die Gasthäuser und Wirthschaften vom 28. September 1888 und des Vollziehungsbeschlusses vom 29. Mal 1889.

Das Hauptgastzimmer weist die gesetzlichen Dimensionen aui und Herr Dunand hat, um dem Gesetze zu genügen, mehrere Tausend Franken ausgegeben. Die Wirthschaft ist von der Kirche und der Schule entfernt gelegen.

94 Das Gebäude ist leicht zugänglich und kann ohne Schwierigkeit überwacht werden.

Der Platz ist zweifellos der günstigste der ganzen Gemeinde, an der großen Kantonslandstraße Bern-Bulle-Vevey und am Kreuzungspunkt mit der Straße Bulle-Romont, welche zum Oberdorf, zur Kirche, zum Bahnhof und zum Gemeindehaus führt.

Sie ist die einzige liberale "Wirthschaft des ganzen Friedensrichteramtes Vaulruz (3136 Einwohner), in politischen Zeiten der einzige Versammlungs- und Besprechungsort für mehr als 270 Wähler.

Herr Dunand ist seit 36 Jahren Wirth in Vaulruz ; er genießt eines ausgezeichneten Rufes und schenkt unbestreitbar in der Gegend den besten Wein aus.

Die Beibehaltung der Wirthschaft wird von der ganzen Gegend lebhaft gewünscht; Beweis dafür die dem Rekurs beigegebenen Belege : eine Petition von mehr als 700 Unterzeichnern und Erklärungen der Gremeinderäthe von Vaulruz, Vuadens und Grattavaehe, sowie der Herren Brémond und Queunec, Besitzer der Glashütten von Semsales, deren sechsspännige Fuhrwerke jeden Tag bei der Wirthschaft Dunand anhalten.

Der Ammann von Vaulruz hat allerdings seine aus eigenem Antriebe gegebene Unterschrift seither wieder zurückgezogen ; allein diese Zurücknahme war nur die Folge administrativen Druckes und beweist, welche vorherrschende Rolle die politische Leidenschaft in dieser ganzen Angelegenheit spielt.

Allerdings befindet sich, wie der Staatsrath dies bemerkt hat, die Wirthschaft des Rekurrenten in der Nähe von zwei großen Gasthäusern; aber warum hat denn der Staatsrath die Wirthschaft von Broc (461 Einwohner) neben drei, diejenige von Belfaux (411 Einwohner) neben zwei Gasthäusern weiter geduldet? Aus dem einzigen Grunde, weil sie von konservativen Wirthen geführt werden, also weil politische Interessen im Spiel liegen.

Ueberdies ist Vaulruz eine Gemeinde von 716 Seelen und liegt zwischen den zwei wichtigen Ortschaften Vuadens (1200 Einwohner) und Semsales (800 Einwohner), Mitte Weges zwischen Bulle und Romont. Nimmt man Rücksicht auf den regen Handels- und G-ewerbeverkehr, die Glashütten, den Handel in Holz und Vieh, die Alpwirthschaft u. s. w., so kann gewiß nicht die Bedeutung des Ortes an und für sich maßgebend sein. Die Wirthschaft liegt zudem noch am Wege nach dem Moleson und den Bädern von Colombettes.

Der Rekurrent bestreitet die Richtigkeit der Behauptung der Regierung, wonach letztere die konservative Wirthsehaft gleicher-



95 weise aufgehoben hätte. Diese Wirthachaft wurde nicht aufgehoben; ihr Besitzer, Herr Roullin, hat dieselbe vielmehr freiwillig aus Gesundheitsrücksichten aufgegeben (siehe dessen Erklärung bei den Akten).

Aus allen diesen Gründen ist Herr Dunand der Meinung, sein Rekurs solle begründet erklärt und demgemäß die Regieruog angehalten werden, ihm nur gesetzlichen Frist und unter den gesetzlichen Bedingungen eine auf bestimmte Zeit lautende Konzession auszufolgen.

C.

Antwort der Regierung vom 25. April 1890: Die im Jahre 1889 vorhandenen Beweggründe zur Abweisung des Rekurses bestehen auch heute noch.

Es ist möglich, daß Dunand das Wirthschaftsgewerbe seit 36 Jahren ausübt; die Wirthschaft zum Moléson hingegen besteht erst seit 1878. Nun hat sich der Präfekt von Greyerz in seinen Vorberichten an eine feste Richtschnur gehalten, die darin bestand, alle nach der Verfassung von 1874 entstandenen Wirthschaften als überflüssig zu unterdrücken. Damit fällt auch sofort der ganz ohne Grund gegen die freiburgische Regierung erhobene Vorwurf dahin, bei dieser Gelegenheit mit politischer Parteilichkeit vorgegangen zu sein. Nicht Timotheus Dunand wollte mau treffen mit dem Entzug der Bewilligung, sondern die Wirthschaft zum Moléson.

Das eigentliche Dorf Vaulruz zählte bis jetzt 3 Gasthäuser und 2 Wirthschaften, nämlich: den Gemeindegasthof beim Bahnhofe; diesem gegenüber die heute geschlossene Wirthschaft Roullirr. Im Unterdorf an der Straße von Bulle nach Chatel-St-Deuis den ,, Kranich tt und das ,,Grüne Kreuz" und neben letzterem die ,,Wirthschaft zum Moléson11. Es ist hervorzuheben, daß das Grüne Kreuz und nicht das Haus Duuand an der Kreuzung des Zufahrtsweges vom ßahnhof und vom Oberdorf liegt. Es bestanden also bis jetzt 5 Wirtschaften auf eine Bevölkerung von 715 Seelen, d. h. je eine auf 143 Bewohner. Zieht mau aber noch in Betracht, daß das Dorf selbst kaum 300 Seelen zählt, so sinkt die Proportion auf l zu 60. In den Nachbardörfern von Vaulruz gibt es 4 Wirthschaften in Vuadens und l in Sales. Die drei Gasïhofe mit Ehehaften in Vaulruz sind also weitaus genügend.

Die Wirthschaft des Rekurrenten besitzt nur ein einziges für das Publikum bestimmtes Lokal. Allerdings macht er sich jetzt nachträglich anheischig, ein Schlafzimmer in ein Gastzimmer um-

96 zubauen, urn dem Art. 4 des Vollziehungsbeschlusses betreffend die Gasthäuser und Wirthschal'ten, vom 29. Mai 1889, gerecht zu werden.

Es hat kein Gemeinderath als Behörde seine Meinung über die Notwendigkeit der Beibehaltung einer Wirthschaft in Vaulruz ausgesprochen. Die in diesem Sinne abgegebenen Erklärungen tragen nur die Unterschriften von einzelnen Mitgliedern der betreffenden Behörde; der Ammann ßertherin, dessen Unterschrift auf der Erklärung von Vaulruz erseheint, hat dieselbe schon am verflossenen 13. Februar zurückgezogen und hält diese Rücknahme durch Brief vom verwichenen 19. März aufrecht. Administrativer Druck war hiebei durchaus nicht im Spiel. Was nun die zahlreichen Gefälligkeitsunterschriften betrifft, so erklären sie sich genügend aus dem politischen Charakter, den man dem Rekurs aufzudrücken bestrebt war.

Die Antwort der Regierung war von folgenden 2 Aktenstücken begleitet: 1. Vorbericht des Gemeinderathes von Vaulruz, vom 19. April 1890, worin die Versicherung abgegeben und bekräftigt wird, ,,daß es zu viele Wirthschaften in Vaulruz gibt", und ferner ,,einstimmig und in offizieller Weise die endgültige und unwiderrufliche Schliessung der Wirthschaft zum Moleson" in Antrag gebracht wird.

2. Petition von 92 Bürgern von Vaulruz mit der Erklärung, ,,daß die Wirthschaft zum Moléson für die Gemeindebewohner und in noch höherem Maße für die Bewohner der ganzen Gegend absolut von keinem Nutzen sei1' etc.

D.

In einer nachträglichen Eingabe vom 5. Mai 1890 macht der Advokat des Rekurventen noch Folgendes geltend : Die Frage des öffentlichen Wohles kann gegen Dunand nicht in's Feld geführt werden; im Gegentheil verlangt das öffentliche Wohl, daß die beste, in den Händen des ehrenhaftesten und achtungswerthesten Bürgers befindliche Wirthschaft der Gegend ihrer zahlreichen Kundschaft, welche diese Beibehaltung mit solcher Dringlichkeit fordert, erhalten bleibe.

Der Rekurrent erklärt die Behauptung des Präfekten von Greyerz, laut welcher dieser sich zur Regel gemacht hätte, alle nach 1874 entstandenen "Wirthschaften aufzuheben, als falsch. Er konstatirt im Gegentheil, daß der Präfekt rein nach seinem Belieben vorgegangen ist. Er schloß in Bulle die seit 1848 bestehende

97

,,Clé fédérale", ließ aber ebenfalls in Bulle die lange nach 1874 eröffnete Wirthschaft du Nord, sowie das ihm gehörige, im Jahre 1874 gegründete ,,Café Duvillard a bestehen. In Broc ist der Mißbrauch noch mehr in die Augen fallend; auf eine Bevölkerung von 450 Einwohnern, mit 3 Ehehaften, hat die Präfektur trotz der entrüsteten Protestationen des Gemeinderathes und des Atnmanns eine nach 1874 errichtete Wirthschaft beibehalten. Die Regierung selbst gab hie«u das Beispiel in Belfaux und Gletterens, wo sie in direkter Gesetzesverletzung Wirthschaften weiter duldete. Freilich befanden sich diese Wirthschaften in konservativen Händen; Dunand aber ist radikal, er mußte fallen.

Die Wirthschaft Dunand kann zu ihren Gunsten die wichtigen Glashütten von Semsales, die Touristenwelt und den regen Handelsverkehr zwischen Bulle, Chatel-St-Denis und Vevey anführen. Unter diesen Verhältnissen kann nicht die Zahl der Ortsbevölkerung maßgebend sein, ebensowenig als sie es in Belfaux, Cugy, Domdidier, Saulgy, Montévraz etc. gewesen ist.

Daß ein administrativer Druck ausgeübt wurde, läßt sich nicht abstreiten. Aus den Erklärungen des Präfekten selbst geht hervor, daß der Ammann Bertherin seine Unterschrift in dessen eigenem Café und in dessen Gegenwart zurückgenommen hat. Zwei Mitglieder des Gemeinderathes, welche ihre Unterschrift nicht zurückziehen wollten, haben seither ihren Unabhängigkeitssinn mit dem Verluste ihrer Sitze gebüßt und sind nicht wieder gewählt worden.

Gegenüber den 90 vom Gemeinderath vorgebrachten Unterschriften ist zu bemerken, daß ungefähr 15 davon auch auf der für Dunant günstigen Petition standen und daß 70 Bürger (Vaulruz zählt 160 Wähler) sich geweigert haben, bei diesem ,,Regierungsmanöver'' mitzuhelfen.

Was nun das Gutachten des Gemeinderathes betrifft, so wird es durch sich selbst gerichtet. Wenn eine Unterbehörde zu behaupten wagt, daß die Beibehaltung einer seit 12 Jahren ohne schlimme Folgen betriebenen Wirthschaft ,,der ganzen Gegend und den Behörden, welche sie aussprechen, großen Nachtheil bringen, daß dies eine Herausforderung und Verachtung des ganzen Landes darstellen würde", so gibt sie damit ein deutliches Maß von Mangel an Intelligenz und von politischer Leidenschaftlichkeit zu erkennen.

Der Bundesrath, in Erwägung : daß die von dem Rekurrenten vorgebrachten, neuen Aufschlüsse folgende, von der freiburgischen Regierung nicht bestrittene Thatsachen dargethan haben:

98 1. die Wirthschaft des Rekurrenten bildet den einzigen Versammlungsort einer wichtigen politischen Partei für das ganze Friedensrichteramt Vaulruz ; 2. der Rekurrent schenkt ohne Widerspruch den besten Wein aus in der Gegend ; 3. der Grundsatz, nach welchem die Wirthschaft aufgehoben wurde, ist in mehreren ähnlichen Fällen zu Gunsten von Etablissementen, die weniger verdienten beibehalten zu werden, nicht beobachtet worden, so namentlich in Gletterens und in Broc; daß "man unter diesen Umständen billigerweise dem Rekurrenten die Konzession nicht verweigern kann; daß es im Besondern angezeigt ist, die gleichen Erwägungen zu seinen Gunsten sprechen zu lassen, welche in dem ähnlichen Falle des H. Félicien Oberson in Romont als entscheidend betrachtet wurden, beschließt: Auf den Entscheid vom 8. Januar 1890 wird zurückgekommen und der Rekurs begründet erklärt.

28bis. Neuer Rekurs des Herrn Pierre Böschung, Restaurant des Alpes in Plaffeyen.

A.

Ein erster Rekurs des Herrn P. Böschung (Nr. 28 der ersten Serie) vom 25. Juni 1889, verfaßt von Herrn Advokat Uldry in Freiburg, wurde unter dem 8. Januar 1890 abgewiesen, in Erwägung : ,,daß die vom Rekurrenten vorgebrachten Thatsachen nicht ,,genügen, um die von der Regierung hervorgehobenen Bedenken, ,,betreffend das öffentliche Wohl, zu entkräften". (Bundesbl. 1890, I, 390.)

B.

Unterm 27. Februar 1890 reichte Herr Advokat Bommali in Bern, als Vertreter des Herrn Böschung, be'm Bundesrath eine Eingabe ein, in welcher er wesentlich Folgendes ausführte: Herr Böschung betreibt das Wirthschaftsgewerbe ia Pîafïuveii seit dem Jahre 1880, zu welcher Zeit er, nach dem Brande seines

99 alten Hauses, das heute von ihm bewohnte erbauen ließ. Dasselbe wurde ganz speziell derart eingerichtet, um als Wirthschaft zu dienen, mit Façade gegen die neue Straße von Plaffeyen nach dem Schwarzsee, die damals schon projektirt war und seither, im Jahre 1882, auch gebaut wurde. Das Gebäude enthält geräumige, mehr als 2 m. 40 hohe Lokale, einen großen Tanzsaal, Kegelbahn, Stallung für 8 bis 10 Pferde u. s. f.

Zur Zeit des Baues der Straße trat Böschung dem Staate unentgeltlich den auf dem Tracé derselben liegenden Theil seines Gartens ab und lieferte überdies viel Erde für die Aufführung der Böschungen, all1 dies im Vertrauen auf die Zusicherungen, welche ihm Mitglieder der freiburgischen Regierung betreffend Beibehaltung seiner Wirthschaft gaben.

Die Lokale der Wirthschaft haben keinen Tadel hervorgerufen und Böschung ließ sich nie eine Uebertretung der polizeilichen Vorschriften zu Schulden kommen. ,,Wir stehen nicht an, anzuerkennen, a schrieb die Regierung, ,,daß die Wirthschaft des Rekurrenten gut geführt wurde.a Nun besitzt Plaffeyen (Dorf von 1057, Pfarrgemeinde von 2250 Einwohnern) im Dorfe selbst nur drei Schanklokale: die beiden Gasthäuser ,,zum Hirschen" und ,,zum Kreuz" und die Wirthschaft ,,des Alpes" des Herrn Böschung. Die andern Wirthschaften sind zu weit vom Dorfe entfernt (Wirthschaft ,,du Midi" l Stunde, Wirthschaft ,,zur Gipserei" und Gasthof ,,zum Schwarzseea 2 Stunden), um hier in Betracht fallen zu können. Der Gasthof ,,zum Kreuz11 befindet sich ganz abgelegen im Unterdorf. Einzig der Gasthof ,,zum Hirschen" und die Wirthschaft Böschung sind an der Kantonsstraße gelegen, welche, namentlich zur Zeit der Märkte, stark begangen ist. Der Gasthof ,,zum Hirschen"1 allein k a n n den Bedürfnissen nicht genügen, die Wirthschaft Böschung ist also unumgänglich nothwendig und das Publikum der Umgegend verlangt deren Beibehaltung, "wie die bei den Akten liegenden Petitionen bezeugen. Und trotzdem wurde gerade die Wirthschaft Böschung, und zwar diese allein, aufgehoben, denn von den drei andern, die vom Staatsrath als aufgehoben angegeben wurden, sind zwei freiwillig geschlossen worden und die dritte, die Wirthschaft ,,du Midi11, erhielt, nachdem sie anfänglich geschlossen gewesen war, nachträglich noch eine Konzession, obschon der Staatsrath vorher erklärt hatte, ,,daß leider
diese Wirtschaft sehr schlecht geführt wurde und daß infolge ihrer Abgelegenheit die polizeiliche Ueberwachuug gleich Null war."

Die Aufhebung traf also einzig und allein die Wirthschd't des Rekurrenten, und zwar, wie es scheint, auf das Drängen des

100

Gemeinderathes von Plaffeyen. Das Urtheil dieser Behörde kann aber nicht als unparteiisch bezeichnet werden, da die Gemeinde in ihrer Eigenschaft als Besitzerin des Gasthofes ,,zum Hirschen", einer zum Preise von Fr. 3600 jährlich verpachteten Konkurrenz·wirthschaft, selbst dabei betheiligte Person ist. In Bezug auf seine Person, die Lage seiner Wirthschaft und die Einrichtung der Lokalitäten erfüllt Böschung die verlangten Bedingungen ebenso gut als die weiter bewilligten Wirthschaften, ja sogar besser als die meisten derselben. Die zugestandenermaßen schlecht geführte Wirthschaft ,,du Midi14 und die Wirthschaft ,,zur Gipsereia sind jungem Datums, als das Restaurant ,,des Alpes a .

Aus allen diesen Gründen ersucht der Rekurrent den Bundesrath, auf seinen Entscheid vom 8. Januar 1890 zurückzukommen .und den Rekurs begründet zu erklären.

C.

Antwort der Regierung vom 11. April 1890: Weit davon entfernt, mit der unentgeltlichen Abtretung eines kleinen Terraindreiecks und der Materialien zum Bau der Straße von Plaffeyen zum Schwarzsee irgend ein Opfer gebracht zu habeu, hat Böschung vielmehr durch die beträchtliche Höherwerthung seines Hauses, zu welchem Zweck auch letzteres bestimmt sein mag, einen Vortheil davon getragen.

Im Dürfe Plaffeyen (1057 Einwohner) hat die Regierung die beiden Gasthöfe ,,zum Hirschen" und ,,zum goldenen Kreuz a beibehalten, weil dieselben sich im Genüsse von Wirthschaftsrechten auf unbestimmte Zeit befinden.

Dagegen verlangte die Gemeinde die Aufhebung der bloß auf bestimmte Zeit bewilligten Wirthschaftsrechte. Was die 8k Stunden von der Ortschaft entfernte Wirthschaft ,,du Midi" betrifft, deren Schließung ebenfalls entschieden worden war, so wurde dieselbe auf das dringende Ansuchen von zahlreichen Alpbesitzern weiter geduldet, weil sie am Ausgange des großen Thaies der kalten Sense Jiegt und so von wirklichem Nutzen für das Publikum ist. In gleicher Weise erneuerte man die Konzession der Gipserei am Nordrande des Schvvarzsees in der Nähe des Kaisereggweges. Die Gemeinde Plaffeyen ist also gegenwärtig mit fünf Wirthschaften versehen, wovon zwei im Dorfe, eine bei der Abzweigung der Thäler der kalten und der warmen Sense, endlich zwei im Hintergrund des Thaies: die Gripserei und das Schwarzseebad. Es trifft .also eine Wirthschaft auf je 211 Seelen der Bevölkerung.

101 Niemand kann besser in der Lage sein, die wahren Interessen einer Gegend zu beurtheilen, als die Gemeinde- und die kantonalen Behörden. Der Getneinderath von Plaffeyen versichert, daß sein Gasthof um den Preis von Fr. 3100 und nicht Fr. 3600 verpachtet sei. Sein Urtheil kann nicht durch einige Gefälligkeitsunterschriften entkräftet werden, von denen nur 11 der Gemeinde Plaffeyen entstammen.

Die drei Viehmärkte, welche in Plaffeyen abgehalten werden, sind- von geringer Bedeutung; fremde Käufer kommen beinahe keine dahin.

Der Bundesrath, in Erwägung: daß der Beschluß vom 8. Januar 1890 in Berücksichtigung der von der Regierung angeführten Thatsache gefaßt wurde, daß in Plaffeyen vier Wirtschaften unterdrückt und vier weiter bewilligt worden seien; daß aber die neue, ausführlichere Eingabe des Rekurrenten folgende, übrigens durch die Antwort des Staatsrathes erhärtete Thatsachen ans Licht gebracht hat: 1. In Wirklichkeit wurde nur eine Wirthschaft, diejenige des Rekurrenten, aufgehoben; zwei andere (das ,,Bädli" und der ,,St. Joseph)11 haben aus freien Stücken den Betrieb eingestellt, und die vierte, die Wirthschaft ,,du Midi", ist schließlich beibehalten worden, trotzdem sie von der Regierung selbst als schlecht eeführt und schwierig zu beaufsichtigen bezeichnet wurde; 2. anderseits können drei von den fünf auf dem Gebiet von Plaffeyen beibehaltenen Wirthschaften -- der Schwarzseegasthof, die Gipserei -»ad dv8~W4rthschaft ,,du Midia -- nicht in Betracht kommen: die beiden erstem liegen im Gebirge, zwei Stunden vom Dorfe Plaffeyen entfernt, die dritte am Zusammenfluß der beiden Sensen ; alle drei sind nicht ständig von den Einwohnern des Dorfes oder von dort durchreisenden Fremden besucht, sondern nur für die Leute bestimmt, welche sich in's Gebirge begeben; 3. es bleiben also in Wirklichkeit im Dorfe Plaffeyeu nur zwei Wirthschaften, was bei 1057 Einwohnern und bei der Bedeutung des örtlichen Handelsverkehrs als unter dem Durchschnitt stehend zu betrachten ist; O

BundesMatt. 42. Jalirg. Bd. IV.

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102 4. wenn die Gemeindebehörden von Plaffeyen trotzdem die Unterdrückung der Wivthschait des Rekurrenten verlangten, so gewinnt es den Anschein, sie hätten sich dabei von -- dem öffentlichen Wohl fernstehenden -- Beweggründen ausschließlich finanzieller Natur leiten lassen, da die Gemeinde als Eigenthümerin des Gasthofes zum ,,Hirschen", von welchem sie einen beträchtlichen Pachtzins bezieht, natürlicherweise ihren Vortheil darin erblicken muß, eine Konkurrenzwirthschaft verschwinden zu sehen ; 5. die Regierung ihrerseits, dem Drängen der Gemeindebehörden nachgebend, hat ausdrücklich anerkannt, daß die Wirthschaft des Rekurrenten dea Anforderungen .entspricht und gut geführt ist, und daß, wenn sie diese eher geopfert hat, als den ,,Hirschen11 oder das ,,Goldene Kreuz", dies aus dem Grunde geschah, weil die beiden letztern Gasthäuser sich im Genüsse von Wirthsehaftsrechten auf unbestimmte Zeit befinden; 6. dieser den Wirtschaften mit perpetuellen Rechten eingeräumte Vorzug, der gerechtfertigt wäre, wenn, bei sonst gleichen Verhältnissen, die Zahl der bestehenden Wirthschaften beträchtlich höher wäre, als die von der Regierung angenommene Normalzahl (l : 300), erscheint nun aber im vorliegenden Falle, bei der ausgezeichneten topographischen Lage der Wirthschaft des Rekurreuten und ihrer guten Führung, bei der Einwohnerzahl und der Bedeutung des Dorfes Plaffeyen, nicht mehr billig, zumal wenn die weniger empfehlenswerthe Wirthschaft ,,du Midi" weiter gestattet wird; beschließt: Auf den Beschluß vom 8. Januar 1890 wird zurückgekommen und der Rekurs begründet erklärt.

36bls. Rekurs des Herrn Ferdinand Carrara zum ,,Rendez-vous des vignerons" in Châtillon.

A.

Ein erster Rekurs des Herrn Carrard vom 10. Mai 1889 wurde vom Bundesrath unterm 8. Januar 1890 abgewiesen, in Anbetracht dessen, daß der Rekurrent keine besonderen Thatsachen hatte vorbringen können und die Regierung geltend gemacht hatte, daß Châtillon ein sehr armes, außerhalb jeden Verkehrs liegendes Dorf

103 von 186 Seelen ist und daß die Wirthschaft Carrard eine wahre Schnapspinte, dazu noch schlecht gelegen, versteckt und schwer zu überwachen war und ihre Aufhebung dringend gefordert wurde.

B.

In einem neuen Rekurs vom 17. Juni 1890 bringt Hr. Carrard folgende Erwägungen vor: Als der Rekurrent bei der Regierung von Freiburg um ein neues Wirthschaftspatent einkam, hatte er seinem Gesuch drei wichtige Aktenstücke beigelegt: 1. eine von ungefähr 130 Weinbauern von Font, diables, Chàtillon und Lully unterzeichnete Petition für Beibehaltung der Wirthschaft, als des einzigen Ausschanklokals des Landesgewächses ; 2. einen von sämmtlichen Abgeordneten von Estavayer unterzeichneten Empfehlungsbrief, der die Wiedererrichtung der Wirthschaft als nützlich verlangte; 3. ein Gesuch des Gemeinderathes von Châtillon, das besagte, daß die Wirthschaft den örtlichen Bedürfnissen entspreche.

Nun hatte Rekurrent Grund, anzunehmen, daß diese Aktenstücke von der Fveiburger Staatskanzlei an.die Bundesbehörde übermittelt worden seien, was in Wirklichkeit nicht der Fall gewesen ist.

Zur Widerlegung der von der Freiburger Regierung vorgeführten Beweggründe macht der Rekurrent auf Folgendes aufmerksam : Bei andern Anlässen ist die Armuth des Dorfes nicht geltend gemacht worden; die Gemeinde hat in den Jahren 1888/89 einen Einnahmenüberschuß von Fr. 1700 realisirt. Diese Armuth würde übrigens zur nothwendigen Folge haben, daß die Einwohner, ausschließlich Weinbauern, für ihren Wein Absatz finden müßten.

Wenn Châtillon nur 186 Seelen zählt, so ist dagegen zu bemerken, daß das Dorf infolge seiner geographischen Lage sich mitten zwischen Lully (69 Seelen) und Châbles (306 Seelen) befindet, welche beiden Ortschaften auch keine Wirthschaft besitzen.

Nur einen Kilometer entfernt liegt noch Font (221 Seelen), welches* aber einen Gasthof besitzt.

Die Wirthschaft in Châtillon ist nie eine Sehnapspinte gewesen.

Man hat dort Schnaps verkauft während des Baues des durch Font gehenden Querweges; aber bei der Aufhebung der Wirthschaft

104

waren es zwei Jahre, seitdem dieselbe keinen Schnaps mehr ausgeschenkt hatte.

Die Wirthschaft ist nicht ^schwierig zu überwachen", da ja seit undenklichen Zeiten beinahe jeden Tag dort ein Landjäger vorbeigeht. Sie war übrigens errichtet worden, um die zahlreichen geheimen Schankstellen zu vermindern, welche in Châtillon vorhanden waren, weil die Weinbauern ihren Wein nicht absetzen konnten.

Die bei den Akten befindliche Petition, das Gutachten des Gemeinderathes etc. beweisen, daß die Aufhebung nicht ,,dringend gefordert wurde11. Im Gegentheil. Dort kamen die Weinbauern der vier oberwähnten Ortschaften zusammen, um ihre Interessen zu besprechen. Die Wirthschaft war überhaupt eher ein Cercle als eine Wirthschaft.

C.

Antwort der Regierung vom 19. Juli 1890: Châtillon liegt in einer Gegend mit kleinem Weinbau, und die Wirthschaft Carrard kauft den Wein der Weinbauern an, um ihn dann den Einwohnern wieder zu verkaufen, welche ihn ebenso gut zu Hause trinken oder in Estavayer oder dem zehn Minuten von Châtillon entfernten Gasthause von Font verkaufen könnten.

Die Empfehlung der Abgeordneten von Estavayer ist ein Gefälligkeitszeugniß ohne Bedeutung. Das Gutachten des Gemeinderathes wurde mit 17 gegen 5 Stimmen genehmigt, und zwar namentlich infolge des Geschenkes von Fr. 50, welches der Wirth der Gemeinde jährlich macht.

Die Regierung konstatirt mit Vergnügen, daß in der Wirthschaft von Châtillon kein Schnaps mehr genossen wird; aber der Situationsplan beweist, daß die Wirthschaft abseits jedes Verkehrsweges liegt und daß sie für die Ueberwachung durch die Polizei schlecht zugänglich ist; das einzige Gastzimmer besitzt nicht die erforderliche Höhe; die Abtritte und das Pflaster vor dem Hause befinden sich in einem sehr schlechten Zustande. Der Rekurrent macht sich zwar erbötig, die uoth\vendigcn baulichen Aenderungen vornehmen zu lassen.

Im Ganzen bleibt die Regierung der Ansicht, daß diese Wirthschaft in einer so armen Ortschaft den Bewohnern der Gegend eher schädlich als nützlich ist.

105

Der Bundesrath, die von der Freiburger Regierung abgegebenen Erklärungen als zutreffend erachtend, beschließt: Der Entscheid vom 8. Januar 1890 wird bestätigt und der Rekurs als unbegründet abgewiesen.

Kenntnißgabe von allen oberwähnten Entscheiden an die Regierung von Freiburg, sowie an die betreffenden Rekurrenten.

B e r n , den 29. Juli 1890.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident: L. Ruchonnet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesrathsbeschluß im Nachtrag zum Beschlüsse vom 8. Januar 1890, betreffend die Rekurse von Freiburger Bürgern hinsichtlich der Anwendung des Wirthschaftsgesetzes im Kanton Freiburg (Handels- und Gewerbefreiheit). (Vom 29. Juli 1890.)

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20.09.1890

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