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Bericht des

schweizerischen Generalkonsuls in Turin Hrn. U. Geisser von Altstätten) über das Jahr 1870).

(Vom 14. März 1871.)

An den hohen s.chmeiz. Bundesrath.

Moralischer Anstand Jtaliens.

Durch die Ereignisse dieses Jahres ist die Gestalt der Dinge in Europa eine andere geworden ; auch in Jtalien haben sie grosse VerÄnderungen herbeigeführt. Rom, welches im Jahre 1861 feierlieh zux Hauptstadt Jtaliens proklamixt worden , ist dies nun endlieh geworden.

Betrieben durch die politischen Ereignisse, durch die innern Zustände des Landes und das brennende Verlangen der ganzen Ration, ertheilte die .Regierung den Befehl zur Besezung der ewigen Stadt und, wie in den Zeiten seiner einstmaligen Herrlichkeit, sah sieh das romisehe Volk wieder in Wahlkomitien zusammenberufen und erklärte, nahezu mit Einstimmigkeit, seinen Anschluß an das Konigxeieh Jtalien.

binnen wenigen Monaten wird also der Siz der Regierung nach Rom verlegt sein und für Jtalien eine neue Aera beginnen. Jene Elemente der Unordnung, die so oft schon die parlementarischen VerSammlungen in Aufregung versezt, jene edle Ungeduld, welche so viele Geister von ernsten Beschäftigungen abgelenkt, sie werden nun verschwinden, und mit ihnen wird auch die Zentralisation, diese adminiftrative Wunde aller grossen Staaten, zu Ende gehen. Schon jezt wendet sieh die ossentliehe Meinung den Provinzialräthen zu, jenen Re-

^

607 p^.sentativkörpern, welche in ihrer Sphäre so grosse Dienste zu leisten vermögen und bis auf diesen Augenblik fast vollständig der Vergessenh.^.it Anheimgefallen schienen. Namentlich in Fragen der öffentlichen

Wohlfahrt und des öffentlichen Unterrichts hat sich ihr heilsamer Ein.^

fluss bewährt. So waren es z. B. mehrere Provinzialräthe im sudlichen Jtalien, welche, und zwar unte^ .Be.^ng auf ein ebenfalls wenig beobachtetes Gesez, nämlich auf dasjenige von 1865 über den öffentlichen Unterricht, die widerspenstigen Gemeinden zur Errichtung von Vximarschulen gezwungen haben. Es sei bei dieser Gelegenheit erwähnt, dass der obligatorische Unterricht pon Tag zu Tag mehr Anhänger gewinnt und dass diese schöne Einrichtung, welche Deutschland zu dem gemacht hat, was es jezt ist, in nicht zu serner ^eit auch unserm .Land..

zu Theil werden wird.

Betreffend den Unterricht lasse ich hier, ans die lezten peröffentlichten Ziffern gestüzt, einige Details folgen:

Der Unterricht wird ertheilt in 36,323 öffentlichen und Privatschulen. Anderthalb Million Binder und 250,000 Erwachsene nehmen daran Theil (d. h. 1 Schüler aus 14 Einwohner). Die Durchschnittsausgabe für jede öffentliche Schule belänst sich auf Fr. 575 und wird hauptsächlich von der Gemeinde, im Weitern von der Brovinz und endlich aus Dotationen bestritten. Es bestehen 91 Rormalschulen und 44 Konferenzen, behufs Heranbildung von .Lehrern.

Der Sekuudarunterrieht wird iu 466 Gymnasien, 123 .L.^een, 177 technischen Schulen und in mehreren Seminarien durch 924 Rektoren und 4596 Brosessore.n an 53,232 Studirende ertheilt.

Jn 59 technischen Anstalten werden 4331 .Zöglinge von 510 Lehxern unterrichtet.

Es gibt 16 Universitäten mit 6000 Studenten, darunter 12 staatliche und 4 freie , serner 81 wissenschaftliche Körper und Akademien für Wissenschaft, Litteratur. und schöne Künste, 10 astronomische Observatorien, 20 meteorologische, 13 Gesellschaften zu Erhaltung der Denkmäler des Alterthums, 12 Deputationen für Naturgeschichte, 20 Jnstitute für schöne Künste, 210 Bibliotheken, 723 Journale.

Unter dem religiösen Gesichtspunkt wird die Okkupation Roms Schwierigkeiten nach sich ziehen und der Regierung einige neue Feinde schassen. Richts desto weniger steht die Mehrheit der aufrichtigen italienischen Katholiken entschieden zum nationalen Programm und ist mit der Trennung des Geistlichen und Weltlichen vollkommen einverstanden.

Die dem Bapste eingeräumten Garantien und Rechte werden unzweisel^

hast alle .Billigdenkenden besriedigen, indem der heilige Stuhl auch fernerhin die geistliehe Macht über seine Getreuen ungehindert kann.

Bundesbla..... .Jahra.. XX1II. Bd. II.

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ausüben

608 Auch der Grundsaz der Trennung der Kirche vom Staate gewinnt immer mehr Anhänger. Richt lange mehr wird es währen und Jtalien wird dasjenige Land in Europa sein, das zuerst jenes Programm eines seiner grossen Söhne verwirklicht: ,,Die freie Kirche im freien Staate ^

Materielle Rustaude ^talien.^.

Hinsichtlich der Ernte ist das Jahr 1870 ein günstiges gewesen.

.Die Seide wurde zu hohen Breisen verkauft und die Züchter fanden fich reichlich belohnt. es gab viel Heu, von welchem Viemont grosse Quantitäten nach Frankreich ausgeführt hat, das Getreide lieferte eine gute Mittelernte. Aber durch den eben beendigten schrel.liehen Krieg sind auch manche hieländisehe Jnteressen in Mitleidenschaft gezogen worden. Der grosste Theil der den Züchtern zu sehr hohen preisen abgekauften Seidenernte befindet sich noeh immer unverkauft, in den Händen der Spinner und Kaufleute. Die italienischen Arbeiter, welche in einem Theile Frankreichs alle Bau- und Erdarbeiten ausführen, eine Masse von seit vielen Jahren in diesem unglüklichen Lande angefessenen Handwerkern sah sieh zur Rükkehr ins Vaterland genothigt.

Besreit von der franzosischen Konkurrenz haben dagegen einige Jndustrien einen neuen Aufschwung genommen. Jhre im eigenen Lande ungerechterweise vernachlässigten Erzeugnisse sind ans einmal Gegenstand der Nachfrage geworden, und dieses neue Verhältniss wird, zum grossen Vortheil der Varteien, den Friedensschluss überdauern.

Die Eröffnung der Landenge von Suez benuzend, hatte die Gesellschast Rubattino in Genua einen regelmässigen Dampferdienst nach ...^amba... eingerichtet. Leider wurde durch den Krieg eine Unterbrechung dieses Unternehmens herbeigeführt, und es ist bei nur 4 Reisen ge-

blieben. Die Schisse der Gesellschaft haben 514,506 Kilo an Waaren und 126 Vassagiere naeh Ale^.andrien und Jndien und von Bombay nach Jtalien 2,032,421 Kilo und 167 Bassagiere gebracht. nachdem jezt der Friede wieder hergestellt ist, wird dieser Dienst in regelmassigen fahrten wieder ausgenommen werden, zum grossen Vortheile unseres Handels , der die Produkte jener entfernten .Länder direkt beziehen und jeder kostspieligen Vermittlung enthoben sein wird. Auch

für die Ausfuhr der Brodukte der Schweiz dürfte sieh diese Linie als nüzlieh erweisen.

Mit der Landwirthschast geht es ebenfalls vorwärts. Mehrere Gesellsehasten, aneh die Regierung, bestreben sich, nüzliche Rahrungs- und Futterkräuter in Jtalien zu akklimatistren.

924,000 Geviertmeter wurden im Berichtsjahre dnreh Austroknnng des Sees von Agnano im Neapolitanischen für den Landbau gewonnen. ^aeh seehsundzwanzigjährigen Studien, Mühen nnd Arbeiten sind die stagnirenden Gewässer

^

609 dieses Sees am 28. Oktober mittelst eines grossartigen Kanals, der s.^ar Berge durchzieht, ins mittelländische Meer abgelaufen.

Ein Etablissement, welches dazu bestimmt ist, Jtaiien grosse Dienste zu leisten, wurde am 2. Januar in Mailand eröffnet. nämlich die ho-

here landwirthschastliche Schule, welche unter die tüchtige .Leitung des

Professors Gaetano Cantoni gestellt worden ist. Hoffen wir, dass die ^oglinge, welche aus dieser Anstalt hervorgehen werden, zur Verbreitung .gesunder, auf Studien und Beobachtung gegründeter Ansichten beitragen und dass die vielen Provinzen, in denen der Landbau noch so sehr zuxükgeblieben ist, ihrem Rathe Gehör schenken und ihr Beispiel befolgen werben.

Jm Monat August hat zu Bistoja die erste Versammlung der italienischen Landwirthe stattgesunden.

Die Regierung hat ein Komite ernannt und beauftragt, sich mit der Frage der romischen Campagna zu besehästigen, jenes ausgedehnten Landstriches, welcher, nach Blinius dem altern, sieh naeh dem Bedünken der Reisenden mit dem Areal der Stadt in Eins verschmolz und naeh dem ^eugniss der Gesehichtsehreiber mit stark bevölkerten Städten und Fleken übersäet war, jezt aber eine ungeheure und unfruchtbare Stoppe mit stagnirenden Gewässern und verpesteter Lust bildet, wohin nur wenige Viehhirten hinkommen, und sie, aus Furcht vor den hier beständig herrschenden Fiebern, fliehenden Fusses durcheilen.

Die römische Campagna besizt einen Flächeninhalt von 212,000 Hektaren, die einigen adeliehen Familien und 159 Korporationen angehören. Das einzige Kapitel von St. Beter ist Eigentümer von

19,000 Hektaren. Der Umstand, dass ein grosser ......heil des Bodens

sieh in todter Hand befindet, macht viele Schwierigkeiten unvermeidlich, und die Regierung wird ernste Massnahmen ergreisen müssen, wenn sie die vom össentlichen Wohle gebieterisch geforderten Verbesserungen ins Werk sezen will.

Da nun einmal von der .Landwirtschaft die Rede ist, so erlaube ich mir, Jhre Aufmerksamkeit ans eine Krankheit hinzulenken, die seit einigen Jahren im Mondamente Groglia, in meinem Konsularbezirke, die Kastanienbäume ergriffen hat. Diese Krankheit scheint stellenweise ebenso beunruhigende Broportionen anzunehmen, wie vormals diejenige des Weinstoks und des Maulbeerbanmes ; mit allem Recht hat sieh die Aufmerksamkeit der Regierung ihx zugewandt. Jm verflossenen September sandte sie den Ehevalier Eeli, Direktor der landwirtschaftlichen Station von Modena, an Ort und Stelle, um in Gemeinschaft mit den ^orstinspektoren die Ursachen des Uebels und die dagegen anzuwendenden Mittel zu untersuchen.

610 Hier ein kurzes Refume ihres an da^ Ministerium erstatteten Berichtes : .^Betrachtet man den .Baum von seiner Außenseite, so seheint die ,,Krankheit ihren Lauf im ^eitraume von drei Jahren zu vollenden.

.,Jm ersten Jahre werden die Blatter an den Endpunkten de.. Aeste, ,,besouders der obersten, kleiner. sie erhalten eine mattgrüne Farbe, .,ihre Ränder krümmen sich nach rükwärts. Die Menge der Früchte .^...mindert sich zwar nicht, diese werden aber kleiner und verlieren ihre ,,Farbe, sind schwieriger ^u kochen und ihr Genuss soll sogar, wie be..hauptet wird, der Gesundheit nachtheilig fein.

,,Jn. zweiten Jahre bleiben die Blätter an den Enden der Aeste .,we^, im Sommer dorren und fallen diese Enden ab, die Rinde spaltet .,sich und will abfallen, der Früchte ^ibt es nur noch wenige und diese ..,sind unreif.

,,Jm dritten Jahre bringt der Baum mit Mühe kaum einige

,,Blätter und Früchte hervor und stirbt plozlich im Angust ab. Aeste

.,und Stamm werden schwarz, das besondere Kennzeichen der an dieser ,,Krankheit abgestorbenen Kastanienbäume.

,, Beobachtet man indessen den Baum mit Ansmerksamkeit, so findet ,,man, dass die Krankheit erst die Wurzeln ergreift, bevor sie ausserlich ..^um Vorschein kommt. Ost ist die Rinde mit einer zähen und übel,,riechenden Feuchtigkeit angefüllt, oft aber auch bereits verfault und "gänzlich verdorben, so dass die Annahme, die Krankheit datire nnr seit .,drei Jahren, kaum gerechtfertigt sein dürfte.

,,Ueber die Symptome der Krankheit, die auch den Russbaum und sogar ,,die Eiche ergreifen zu wollen scheint, ist folgendes zu bemerken. Di...

..Verschiedenheit der Arten, das Alter, die Art und Weise der An.,pflanzung find ohne jeden Einfluss ans die Krankheit. Doch scheint .,ihre Verbreitung in tiefliegenden Gegenden stärker zu sein , als in ^hochgelegenen. Jm steinigen Boden tritt ste beinahe gar nicht auf.

^Gedüngtes und bewässertes Land ist für sie änsserst empfänglich: das ,,stehende Wasser ist den Wurzeln na.htheilig, beraubt sie ihres natür,,liehen Düngers, nämlich ihrer Blätter und der Hülsen ihrer Früchte, ,,e.rsehlasft den Organismus der Bflanze und benimmt ihm die Kraft, ,,der Krankheit Widerstand zn leisten. Auch die Rachbarschaft des ..Weinstoks seheint dem Kastanienbaum nieht zuträglich zu sein, denn ,,nur wenige der in solcher Weise gepflanzten Bäume flnd verschont ge^blieben, haben aber ein kränkelndes Aussehen behalten.

,,Moglieherweise liegt eine Krankheitsursache in dem plozlichen Tem^peraturwechset der lezten Jahre, in dem frühen Eintritt der Kälte im ,,Herbste und in den ^pätsrosten des daraussolgenden Frühlings, nach ^vorausgegangenen heissen Tagen und nachdem die Vegetation bereits ^grosse. Fortschritte gemacht. Eine Ursache der ^Weiterverbreitung des

611 ,,Uebels ist die Fäulniss, die sich rings um die Wurzeln bildet; M.^,,^i..den von pflanzlichen und thierischen Organismen nisten sich daselbst ,,ein und verpesten den Boden.

,,^ach den Erfahrungen, die wir gegenwärtig über die Krankheit ^befizen, sind folgende Bräventivmassregeln angezeigt : ...... Die Kastanien- und Wiesenkulturen müssen getrennt, für erster...

"hoch-, für ledere aber tiefgelegene Stellen gewählt werden.

,,b. Beim exsten Anzeichen der Krankheit sind die Bäume^ zu fällen ,,und die Stelle, wo sie gestanden, mit un^eloschtem Kalke zn ,,bedeken.

..c. Vor Eintritt des Winters ist, gleichwie diess hinsichtlich der ,,Olivenbäume geschieht, die Erde am Fusse der Stämme auszu,,haken und die verdorbene Exde durch eine Mischung von gesunder ,,Erde, Asche, Kalk und Schwefel zu ersezen.^ Die

E i s e n b a h n e n erhielten im Jahre 1870

einen Zuwach....

von 304 Kilometern. Jtalien besizt gegenwärtig 5867 Kilometer, die im Betriebe stehen. Sie vertheilen sieh untrer die verschiedenen Gesellschasten wie folgt: Oberitalienische .

.

Kilometer 2805

Romice . . .

Mittägliche . . .

Ealabro-^ieilianisehe .^ ^urin-Eirié . .

Mont-Eenis .

,,1178 ,,1307 ,, 529 , , 2 1 , , 2 7

Die Einnahmen vom 1. Januar bis 31. Dezember beliefen steh: für die oberitalienisehe .......ahn auf .

,, ,, .

,, ,, romisehe ,, ,, ,, ,,

^ ,, ,, ,,

mittägliehe

,,

,, .

ealabro^sieilianisehe Bahn auf Turin^ Eiri^ ,, Mont^Eenis ^

L. 63,486,314 13,..)13,007 13,648,738 2,214,711 241,472 475,197

zusammen L. 93,979,439 An neuen Linien sind im Jahre 1870 hinzugekommen: 160 Kilometer ^........^ in Sieilien, 4 Kilometer bei den mittäglichen Bahnen; ferner die .Linien Vigevano..Mailand (Kilometer 39), Ehiavari-Sestxi (7 Kilometer),

....lsti-Mortara (74 ^Kilometer) und ^lsti^astagnole (20 Kilometer). Leztexe.

zwei Linien, welche reiche, .^lkerbau treibende Brovinzen durchziehen, besizen eine e.rossere Bedeutung.

Ans dem Gebiete der Bauten ist jedoeh ohne Widerrede die Durchstechung des Mont^Eenis das bemerkenswerteste Ereigniss. Raeh vier-

612 zehnjähriger unausgesezter Arbeit ist am 25. Dezember die lezte Mine gesprungen, und zwei grosse Rationen berühren sieh nun im Mittelpunkte eines ..Gebirges, dessen Gipfel mit ewigem. Schnee bedekt ist. Ehre set der Ausdauer der Forderer des Werkes : den Eavour, Baleoeapa und Menabrea; Ehre den Jngenieuren Grandis, Sommeiller und Grattoni, welche das grossartige Unternehmen glüklich zu Ende geführt haben l Jn dem unheilvollen Jahre, das wir soeben zurükgelegt, während dessen wir alle menschliehe Jntelligenz nur aus Tod und Verheerung sich richten sahen, gereicht es zur Er.^ikung, den Blik auf einem solchen Friedenswerke, einer ungleich grossern Ruhmesthat, als sie die Schlachtfelder Mieten, ruhen zu lassen.

Die in den Tunnel des ^ont-Eenis einmündenden .Linien werden im .Laufe des Jahres vollendet sein, und dann wird eine neue Aera für Jtalien beginnen.

Aber auch nach Ueberwältignng des Mont-Eenis wird sich dieses .Land keiner trägen Ruhe hingeben. Die Arbeiten zwischen Savona und Mentone sind mit aller Energie wieder aufgenommen worden, der Gotthard zieht Aller Blike aus sich und ein Theil pon Biemont verlangt den Durchstich des Eol de Tenda. Der Brovinzialrath von Eoni und mehrere Munieipien haben ^r. 600,000, der Brovinzialrath von Turin

Fr. 20,000 votirt. von Ersterm ist an Minister Sella das Gesuch g^

richtet worden, seinem Versprechen gemäss dem nationalen Parlament jezt einen Gesezesentwurf vorzulegen, wodurch der von Seite der Regierung an dieses nüzliche Unternehmen zu leistende Beitrag festgesezt wird.

Was die Lombardei betrifft, so ist der Bau der Lin.e MantuaModena je^t beschlossene Sache. Auch ist die Rede von einer Eisenbahn von Gozzano nach Loearno, nach der Angabe der Journale hätte diese für unsere Miteidgenossen äusserst wichtige Linie alle Aussicht auf baldige Jnangrisf..ahme.

Strassen.

Jtalien besizt gegenwärtig: 6,392 Kilometer an Rationalstrassen, 19,797 ..

,, Brovinzialstrassen, 97,944 ., ,, Gemeindestrassen,

im Ganzen

124,133 Kilometer.

Diese ^trassen entsprechen dem ossentliehen Bedürsnisse nur ungenügend ; besonders in Unteritalien, in Sizilien und Sardinien wird der Mangel an Verkehrswegen schmerzlich empfunden. Mit der .Lombardei ist es hierin besser bestellt. überdies wird sie von mehreren Kanälen durchzogen, die für den Verkehr ausserordentlich forderlich sind.

Von diesen Strassen entfallen :

l^

613 a u f Biemont

.

.

.

.

,, die Lombardei

.,

,, ,, ,, ,,

Venetien

.

.

.

.

.

.

.

.

.

Kilometer 22,043

.

Ligurien . . . . .

die Emilia . . . . .

,, Marken . . . . .

Toseana . . . . .

,, Unteritalien (mittelländische Abdachung ,, ,, (adriatisehe Abdachung) .

,, Sicilien .

, , Sardinien .

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

23,738

14,578

,, ,,

7,647 4,329

,, 5,645 ,, 17,237 ,, 6,068 ,, 18,611 ,,

Am 31. Dezember 1870 bestanden in Jtalien: Gewohnliche Kreditanstalten .

Volksbanken

,,

,,

2,903 1,334

. 36

.4 8

zusammen

84

Zehn von ihnen haben jedoch ihre Operationen noch nicht begonnen, zwolf andere geben keine monatlichen Uebersichten.

Rebstdem bestanden noch aus jenen Zeitpunkt 5 Bodenkreditanstalten, welche auf erste Hypothek Daxleihen, in Raten und ziemlich langen Terminen rükzahlbar , gewähren. Diese Jnstitute emittiren

grundpsändlich versicherte Obligationen; die in Zirkulation befindlichen belausen steh aus L. 36,019,000.

Die italienischen Emissionsbanken, mit dem Rechte, Bankbillets auszugeben, sind folgende:

Die k. Rationalbank des Konigreiehs, Der Die Die Die Die

Baneo von Reapel, toskanisehe Kreditbank, romische Bank, Rationalbank von Toskana, Bank von Sizilien.

Für die Billets der erstgenannten besteht der Zwangskurs im ganzen Königreiche, sür die übrigen Banken aber nur in denjenigen Provinzen. denen sie angehoren.

Die Hauptrechnungen erzeigen auf 31. Dezember:

Billets in Zirkulation . L. 1,037^010,379 portefeuille und Vorschüsse . ,, 405,128,970 Barschaft in Kassa . . ,, 305,801,834 Unter den Exsparnisskassen verdienen drei, ihrer Bedeutung wegen, eine besondere Erwähnung, nämlich diejenigen von Mailand, Florenz und Bologna. Es ist bei ihnen eine Summe von ungefähr 234 Millionen deponirt.

Es bleibt uns noch übrig, der Bildung einer Gesellschaft Erwähnung zu thun, die sich den Kauf und Verkauf von Grundstüken in Rom, den Bau von Wohnhäusern und Monumenten jeder .^lrt zur Aufgabe gestellt hat. Das Gesellfchastsoerm...gen beträgt sündig Millionen . eine erste Serie von zwanzigtaufend Aktien, im Betrage von zehn Millionen, ist soeben emittirt worden. Jhr in der Rahe der Eisenbahnstation, auf dem rechten Tiberuser, links vom Kastell St.

Angelo gelegener Grundbesiz wird binnen Kurzem zu einem der schonsten Quartiere Roms umgebaut sein^

.^inanzi.^er Zustand ^tali.^.

Die Bilanz des Jahres 1870 (abgesehen von den Kirehengütern) stellt sich wie folgt:

Ordenti Einnahmen ,, Ausgaben

. ^ . .

.

. . . . , Mehrausgabe Außerordentliche Einnahmen L. 20,262,562. 39 ,, Ausgaben ,, 64,715,340.66 Uebersehnss der Ausgaben Defizit

.L. 893,583,72..). 31 , 960,071,876.77 .L. 66,488,147. 46 ,, 44,452,778. 27 L. 110,940,925.73

Der Finanzminister hatte die Hossnung gehegt, diese Summe auf ungefähr 40 Millionen reduziren zu konnen, und zwar mittelst 35 Mil^ lionen aus verkaufen Kirchengütern und weitere 35 Millionen aus rükständigen Steuern , der diesjährige Krieg aber wird in unserm Vüdget, sowohl was die Einnahmen als was die Ausgaben anbetrisst, grosse Veränderungen zur Folge gehabt haben. Der Ertrag der Zolle und Konsumsteuern, die wir hienaeh dem Voransehlage gegenüberstellen, liefert den unnmstossliehen Beweis davon. Der Ertrag der Mahlsteuer ist weit unter aller Vorausfezung geblieben und hat bloss die Hohe von ungefähr 17 Millionen erreicht.

Die Haupteinnahmen sind folgende :

Grundsteuer . . . . .

Häuser . . . . .

Steuer auf beweglichem Eigenthum ,, ,, Wagen und Dienstboten Mahlsteuer . . . . .

Erbschasts^, Hypotheken-, Stempelsteuer u. s. w .^ (der esfektive Ertrag war ^.51 ,534,446) Konsnmsteuer ,, ,, ,, ,, ^, 72,^66,854)

.....

,, ,, ,, ,, " ., ,,

122,800,000 49,800,000 100,200,000 3,000,000 75,000,000 103,000,000 81,850,000 58,200,000

615 Salz und Tabak . . . . . . L. 13.^,400,000 .^tt.... . . . . . . . . . . 64,100,000 Zinse aus dem Staatsvermogen . . . ,, 16,600,000 Bosten und Telegraphen u. s. w.

.

Die Aufgaben vertheilen sich auf

wie f.^lgt:

.

.

..

36,200,000

die. verschiedenen Ministerien

Finanzministerium: a. Verzinsung der Staatsschuld, Garantien für die Eisenbahnern, Dotation der Krone und Ap-

panagirung der Brinzen .L. 583,580,000 b. Verwaltungskoften . ^. ,, 74,600,000 Ministerium der Gnade und Justiz . ,, 28,360,000 .,

,,

" ,, ,.

,, ,,

,, Auswärtigen Angelegenheiten

de... öffentlichen Unterrichts

.

.

.

., Jnuern . . . . .

der öffentlichen Arbeiten . .

des Krieges . . . .

dex Marine . . . . , des Akerbaus, der Judustrie und des Handels . . . . ,

.,

5,033,000

,, 15,592,000

, 45,245,000 ,, 37,591,000 ,. 138,143,000 , 27,981,000 , 3,937,000

Rach dem ersten Voranschlag des Hrn. Sella würden sich (die Vrovinz Rom und das Spezialbüdget der .^ixchengüter eingerechnet) die

Einnahmen aus . . . . . L. 1,200,284,379. 77 und die ausgaben aus . . . . , , 1,223,882,095.20

.belausen. Das Defizit würde sich also aus etw..s weniger als 24 Millionen reduziren. Es wäre aber gewagt, behaupten zu wollen, dass die Berechnungen Hrn. Sellas richtig seien und dass sie nicht durch unvorhergesehene Ereignisse, gleich wie im verflossenen Jahr, modisizirt werden dürsten.

Seit dem Anleihen von 130 Millionen vom November 1869 (unter Garantie der Kirchengüter) hat sich die Regierung nicht mehr an den offentliehen Kredit gewendet, sondern ihre Bedürfnisse durch Emission von .^ehazscheinen und durch Vorschüsse dex .^ationalbank des Königreiehs Jtalien gedekt. Man erwartet dieses Jahr, auf Grund der vorgenommenen Reorganisation der Steuern und namentlich ihrer Erhebungsweise, eine Vermehrung der Einnahmen. Es sind nämlich die Steuern sür Einregistrirung und Stempel, süx Gebäude, für das bewegliehe Vermögen, für die Seezolle, den Konsum u. A. m. theils vermehrt, theils ermässigt worden.

Handel ^tnlien^ und nel.erstcht feiner Beziehungen zur Schweiz.

Der Handelswerth der nach Jtalien importirten Waaren und Verzehrungsgegenstände und de.^ Werth der aus Jtalien ex^portirten Ver-

616 zehrungsgegenstände (den Transit

ausgeschlossen) erreichte im

Jahre

1869 die Summe. von . . . . . Fr. 1,728,111,732 was gegenüber der porjährigen Ziffer von . ,, 1,683,670,599 eine Vermehrung von 3^ ausweist.

Di... importirten Waaren belaufen sich auf

., e^ortirten

,,

,,

,, ,,

,,

,,

936,522,834

791,588,898

Das Publikum hat sich schon oft mit der zwischen der Ein- und Ausfuhr ex^istirenden Differenz beschäftigt. Es ist aber hierbei vorerst

zu bemerken, dass dieses Verhältniss seiner Ausgleichung entgegengeht, indem sich der Unterschied, welcher im Jahre 1864 410 Millionen betrug, fünf Jahre später aus 145 Millionen reduzirt hatte. Rebstdem ist zu berüksichtigen, dass der Werth der e^.portirten und importirten Brodnkte nach dem kostenden Preise in Jtalien berechnet ist. Da hierunter auch der Brosit des Jmporteurs, sowie die Fracht (z. B. für die überseeischen Produkte) inbegrifsen ist, während leztere fast jedesmal dem Lande zu gut kommt), so wird die an das Ausland wirklich schuldige Summe um eben so viel vermindert. Endlich ist der Werth für ein- und ausgeführte Manusakte und Bodenerzeugnisse durch die 1857 von den Handelskammern des Königreiches gelieferten Schäzungen fi^.irt worden, während der Handelswerth des grossern Theils der Bodenerzeugnisse seit jener Zeit, insonderheit aber derjenigen, welche zur Ausfuhr bestimmt sind (wie z. B. die Seide), um Vieles gestiegen, so dass die Behauptung, dass die, troz ihrer anscheinenden Jnseriorität, die

Einsuhr weit übersteige, ganz gerechtfertigt ist.

Uebrigens hat die Regierung, behuss Schäzung des jezigen Werthes der Bodenerzeugnisse und Manufatte, eine Kommission ernannt.

Die Einsuhrartikel sind folgende: Baumwolle und ähnliehe Waaren .

Kolonialwaaren .

.

.

.

Wolle, Rosshaar, Häute u. s.w. .

Metalle, roh und verarbeitet .

Futter, Getreide, Mehl Mineralwasser, Getränke, Oel .

Andere Kategorien . . .

Ausfuhrartikel: Seide uud ähnliche Waaren .

Mineralwasser, Getränke und Oel Getreide, Mehl, Teigwaaren fruchte, Sämereien, pflanzen Metalle, roh und verarbeitet Steine, Erden u. s. w.

Andere Kategorien

.

.

.

.

.

.

.

.L. 158,319,156 ,, 133,691,924 ,, 84,385,905 ,. 63,797,279 ,, 91,374,870 ,, 61,638,294 ,, 343,315,400 L. 936,522,834 ,, 262,316,742 ,, 142,925,157 ,. 93,145,597 ,, 48,621,775 ,, 13,492,803 ., 57,942,666 ,,173,144,158 .L. 791,588,898

617 Von dem internationalen Handelsverkehr (Aus- und Einfuhr zusammengenommen), welchen Jtalien unterhält, ist derjenige mit nachstehenden Ländern am bedeutenden : Frankreich .

.

.

England . . . . .

Oesterreieh .

.

.

.

D i e Schweiz .

.

.

.

Vereinigte Staaten von Amerika Türkei

.

.

.

.

.

L. 528,428,623 ., 349,264,903 ,, 261,553,413 ,, 171,213,942 ,, 67,516,073 ,, 60,028,785

Vergleichen wir die Ziffern von 1868, so sehen wir, dass in Bezn^ auf Frankreich , die Türkei und England insonderheit eine Vermehrung eingetreten ist. .Lezteres ist vom zweiten Range zum ersten gestiegen, während die ^Beziehungen zu Oesterreich einen Rükgang von 47 Millionen, jene mit den Vereinigten Staaten Amerikas einen solchen von 4 und die mit der Schweig einen solchen von 11 Millionen aufweisen. Und was für unser Land das Bedauerlichste ist, die Aussuhr Jtaliens nach der Schweiz hat sich um eine Million vermehrt, die Einfuhr also um 12 Millionen vermindert.

Das Detail dieses Verkehrs stellt sich wie folgt: Einsuhr . . L. 49,442,166 Aussuhr . . ,, 121,771,776 Unter den Artikeln der Einsuhr heben wir hervor: ..Baumwollene Gewebe Seide, roh, Floretseide u. s.w.

Uhrenmacherarbeiten .

Käse

.

.

.

.

Gewebe, wollene ,, seidene Ochsen, Stiere, Kühe Maschinen Quincaillerie und Mereerie Bauhol^ .

.

.

.

Holzkohlen Rohe Wolle Ehemische Produkte Hüte

.

.

.

.

Kälber, Ziegen, Schafe

Gold und Silber

Gesponnene Baumwolle Rohe Häute Gewebe aus Hanf und Leinen Färbestosse Gesponnene Wolle Verarbeitete Häute

L. 12,822,430 6,788,646 1,559,122 8,080,740 3,596,644 1,938,878 1,256,750 ,, 1,053,947 860,778 ,, 536,210 473,498 354,648 344,364 317,052 ,, 1,210,345 998,626 ,, 858,856 506,250 468,868 347,764 318,336 315,324

61.^ Ausfuhrartikel find namentlich hervorzuheben:

Rohe Seide, Floretseide u. s. w.

Getreide (ohne Reis) .

l^oeon^

halber, Ziegen, Schafe Ochsen, Stiere, Kühe Fettwaaren Seidenabfalle, nicht gesponnen Gegohrene Getränke .

Reis

.

.

.

.

Früchte, verschiedene .

Seidene Gewebe Abfalle von gesponnener Seide

. L. 99,724,4.^) . .. 5,357,897

,, ,, ., ,, ,, ,, ,, ,, ,,

1,424,056 534,996 354,430 222,968 7,746,324 2,429,7t3 1,270,637 445,805 255,950 219,400

.^s zeigt sich aus diesen Angaben, dass der Handelsverkehr zwischen der ^.hw^iz und Jtaiien immer noch von ansehnlicher Bedeutung ist.

Di... allerdings bedauerliche Verminderung der Einfuhr aus der Schweiz nach Jtalien konnte nicht vermieden werden, indem die italienische Jndustrie, welche noch vor einigen Jahren in ihrer Kindheit lag, von ....^ zu Tag grosse Fortschritte maeht und gegenwärtig im Stande ist, Erzeugnisse^ selbst zu liefern. die ehemals aus dem Ausland bezogen wurden.

Wenn also unsere schweizerischen Fabrikanten an der Aufrechthaltung ihrer bisherigen Beziehungen mit Jtalien etwas gelegen ist, so müssen fie, um durch die .Qualität ihrer Waaren di... hohern Breise derselben zu rechtsertigen, mehr und mehr auf deren Vervollkommnung bedacht sein.

Jtalien ist demnach im Fortschreiten begriffen ; der Rati.^.alreiehthum vermehrt sich , namhafte Verbesserungen brechen sieh überall Bahn.

Der Verkehr im Generalhandel hat um 3^ zugenommen, die Jndustrie vervollkommnet sich, die Regierung ihrerseits ist bestrebt, in ihrer Verwaltung weise Reformen einzusühren. Die .Lage Jtali^ens, sein ^lozliches Erwachen ^ur Freiheit waren mit Schwierigkeiten verknüpft und haben manche Mißbrauche in ihrem Gefolge gehabt; aber dieses schone Land richtet sich ans, jedes Jahr weist einen grossen Fortschritt nach , und^ in nicht so serner Zeit wird Jtalien den ihm gebührenden Rang in der eivilisirten Welt einnehmen.

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Bericht des schweizerischen Generalkonsuls in Turin Hrn. U. Geisser von Altstätten) über das Jahr 1870. (Vom 14. März 1871.)

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Bundesblatt

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1871

Année Anno Band

2

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24

Cahier Numero Geschäftsnummer

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

17.06.1871

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606-618

Page Pagina Ref. No

10 006 897

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