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Bundesrathes in Sachen des Rekurses h alt e r,

betreffend

Gerichtsstand in Konkurssachen.

(Vom

23. Januar l 863.)

D e r s eh w e i z e r i s eh e B u n d e s r a t h

hat in Sachen des Handlungshauses-Js li n und S t ä h e l i n in Basel, betreffend Gerichtsstand in Konkurssaeheu.

Rach augehortem Berichte des Justiz- und Polizeidepartements und nach Einsieht der Ulkten, woraus sieh ergeben : t. Die Firma W o h l e r und Eomp. in Wohlen, Kantons Aargau, stand mit dem Hause J s e lin und Stähelin in Basel in Handelsbeziehnugen und hat diesem zur Sicherheit des jeweiligen Conto-Current-Guthabens mittels in Wohlen ausgestellter Urkunden drei Gültbriese, im Gesammtbetrage von Fr. 72,255, aus ....... eh u ld..

uer und Liegenschaften zu Wohlen hastend. fanstpsändlich hinterlegt,

mit der Ermächtigung, ,,salls sie durch Gewahrung des ermähnten

"Kredites irgendwie zu Schaden kou.men sollten, sich für Kapital, ..Zinsen nnd Kosten ab deu.. hinterlegten Fanstpsande rechtlicher ..Ordnung nach vollkonuuen bezahlt inw befriedigt zu machen."

2. Im Jahr l86l fielen die Handelsleute W o h l er und Eomp. in Konkurs. Die Reknrrenten n..eldeten ihr restauzliches Gnthaben nnt Fr. 84,443 an, und stellten unter Einsendung der sragliehen Gültbriefe an das Konkursgericht Bremgarten das Begehren, dass sie in die ll. Klasse (diejenige d..r auf Liegenschaften und Beweglichkeiten versicherten Forderungen) kollozirt werden. Die Konkursbehorde hat diesem Begehren entsprochen, Hr. Christian H a l t e r , Fabrikant in Mellingen, aber dagegen protestirt und vor Bezirksgericht .Bremgarten das Begehren eingeklagt, dass sie in die Vl. Klasse .gewohnluhe Forderungen) eingereiht werden.

Die Reknrrenten bestritten die Kompetenz der aarganisehen Gerichte über die Gültigkeit des von ihnen angesprochenen Faust-

1^7 Pfandrechtes zu urtheilen, sind jedoch mit ihrer Einrede abgewiesen worden.

erst,

und ^weitinstanzlich

Das Urtheil des .^ergerichtes des Kantons .^largau vom 2^. Oktober l 862 begründet die Abweisung der Reknrrenten in folgender Weise.

Die H.rren Er.zipie.^en stüzen ihre Einrede aus ^. 2 ..^.s Konkord.n..s vom 7. ...^raehmonat l8i0, bestätigt den 8. Heumonat l8l8. Di... ^.stimmungen dieses Konkordates passen jedoch nicht ans vorliegenden ^all. Der ^. 2 habe nämlich den Fall im .^lnge, wo die Konkursmasse als Klägerin in einem andern Kanton Eigentums-, H^pothe.ka..... oder ^...ustpfandsrechte auf dort liegende ..Riehen geltend mache und sehreibe vor , dass sie ihre behaupten Rechte vor dem Richter, wo die .^.ach.. liege, zu versolgen habe.

Rehme man nun auch an, dass der Gläubiger Halter .^ie Kon^ kursmasse vertrete, so maehe er gegenüber den E^ipienten keine Eigenthnms- oder Pfandrechte ans die hintergelegten Gultbrief. als Kläger g..lte^d, sondern er bestreite das von den Gegnern vor dem Kouknrsri..hter. angesprochene Pfandrecht.

Würde man aber den Sinn und die Wirksamkeit des ^. 2 auch auf den ^.all ausdehnen, dass die Konkursmasse (oder ein Vertreter derselben) Rechtsansprüche eines in einem andern Kanton wohnenden Gläubigers passiv be^ streit.., so konnte immerhin die Vorschrift des ^. 2 nur unier der Voraussezung Anwendung finden, d. h. es müsste ein solcher ..^lreit nur dann vor ^em Richter der gelegenen ..^ache geführt werden, wenn diese ^Rechtsansprüche im Gebiete des andern Kantons und unter der Herrsehast und dem Sehn^ seiner Geseze entstanden und d^sshalb der ^eurtheilung des dortigen Richters unterworfen .^ären.

Diese Voraussezun^ tresse aber im ^alle nicht zu. weil ^as streitige Psandreeht in.. Kauton .^largau und auch hier gelegene ..^aehen errichtet morden sei.

Die Herren Er^ipienten nehmen für ihre Forderung ein Pfandrecht aus ..ine ....... a .he der Geldstager in A.nspru.h , welche in versehiedenen Forderungen bestehe. Gläubiger dieser, das Pfandobjekt bildenden Forderungen seien die in Wohlen wohnhasten Geldstag..r, weiche ungeachtet der Verpfändung Eigenthümer der ^orderangen geblieben seien. Auch die Schuldner .^er Forderungen seien Einwohner von Wohlen, also aargauische ^lngehorige und die dafur verschriebenen Grundpfänder lägen ebenfalls in Wohleu. Zur Entscheidung über di^ .^.orderungs- und Psandansprüehe der Herreu E^.,ipienten müsste daher unzweifelhaft die aargauische
Konkursbehor^als kompetent erachtet werden. denn sie konnen sich diesem Gerichtsstand^ nieht theitweise entziehen, indem sie vom Forderung.recht das Pfandreeht ^u trennen, ^var beide hierseits geltend zu machen, dann aber bezüglich des leztern von dem Angenblike an, als solches von einem Gläubiger angefochten worden, die G^stagsbehorde als inkompetent zn erklären und den Streit vor den ^

168 Gerichtsstand ihres Wohnortes zu ziehen suchen. Nachdem den E^ipienten der beanspruchte und von dem Geldstagsab.^eordneten vorläufig eingeräumte Rang ihrer Forderung von einem Konkursglüubiger streitig gemacht werde, müssen sie diesem im ordentlichen

Konkursverfahren (^. l , 78, 94 ^der Geldstagsordnung) Rede stehen.

Gegen dieses Urtheil beschwert sieh Hr. Dr. Karl S t e h lin,

Samens des Handl..ngshanses J s e l in und S tä h e li n in Basel, mit Eingabe an den Bundesrath vom 26. Rovember l 862 und stellt das Gesuch, es mochte dasselbe ^aufgehoben und der Konkursbehord.e resp. deren Vertretern überlassen werden, das angesprochene Pfandrecht vor den kompetenten bayerischen Gerichten anzugreifen.

Die aargauischeu Urtheile enthalten ein... Verlegung des Kon-

kordates vom 7. Juni 1810, bestätigt den 8. Juli 18 8, welchem

die Kantone ^ a s e l nnd Slarga u beigetreten seien. Die Herausgabe der Vfaudobjekte au die Konkursbehbrde sei von dieser verlangt worden und ^urch das Konkordat geboten. Aus dieser Thatsaehe konne daher gegenüber den Reknrrenten uiehls gefolgert werden, was ihrer rechtlichen Stellung na.htheilig wäre. Das Konkordat bestimme vielmehr, dass der kompetente Richter derjenige sei, in dessen Kanton die Effekten sich befinden . also der natürliche Richter des Vsandinhabers, denn dieser werde im Konkordate immer noeh als ......esiger angenommen, auch wenn er im Jnteresse einer gehörigen

Kolloeiruug das ^sandobjekt ausgeliefert h.^tte. Mit dieser Au-

sehaunng stimme anch überein der Entscheid des Bundesrathes in Sachen der Konkursmasse N o b l e r .. L a n g in St. Gallen gegen R e u w i l l e r von Egelshofeu, Kauton Tlmrgau ^..^undesblatt l 852,

I. 412).

Die Anficht des aargauischen ^bergeriehts, dass nur dann der Richt^.r der gelegenen ...^aehe koinpetent sei , wenn die streitigen Reehtsansprüche in.. Gebiete des andern Kantons und unter der Herrschaft seiner Geseze entstanden seien , entbehre jeden Anhaltspunktes im Konkordate.

Eben so u^enig spreche dasselbe vou dem ^orum der belegeneu ^aehe. Eutstehuugsart und Entstehungsgrnnd der behanpteten Rechte seien gleichgültig. Einzig entscheidend bleibe der Ort, wo die Effekten liegen. Wer sein Recht bestreite, habe hier d..n ^san.^inhaber anzugreifen. Dieser .sein ordentlicher Geriehts-

stand sei dnrch das Konkordat g...schü^t . di...s...s lettere stelle keinen

besondern ansnahmsweisen Gerichtsstand auf. Das Obergerieht von Aargau habe serner irrthümlieh als entscheidend angenommen, dass das streitige Pfandrecht iu.^ K.^ntou Aargau und auf dort gelegene Aachen errichtet worden sei. Abgesehen davon, dass n^an damit in eine sachliche Vrüsnng des Pfandrechtes eingetreten sei, enthalte ^iese Argumentation zugleich. eine Verwechslung des in den Gültbriesen bestellten Grundpfandes, n.it ^eu. aus die ..^..huldbriefe selbst

169 eingeräumten Faustpfand^ Es sei den Rekurrenten nie eingesallen ^u behaupten, dass die Gültbriefe, sei es nach Form, sei es nach Jnhalt, von den baslersehen Gerichten zu benrtheilen seien, ^aber

die Frage, ob diese Gültbriese ihnen rechtsgültig verpfändet seien,

haben l ..ut Bestimmung des Konkordates die Basler-Gerichtezu beurtheilen. Die diesssällige Kompetenz ...er l.eztern sei unzweifelhaft, sobald feststehe, dass ...ie Effekten, auf welchen das Faustpsandrecht beansprucht .verde, bei Ausbruch des Konkurses in Basel gelegen.

haben. Diese Thatsaehe sei aber nicht bestrieten worden und konne au.h nicht bestritten werden. Die Kompetenz der Basler-Gerichte s.hliesse die Anwendung der aargauisehen Geseze bei Beurtheilnng der Entstehnng des Vfandre.htes nicht aus, ein diessfälliges Begehren sei aber ebenfalls vor dem natürlichen Richter des Vsandinhabers anzubringen.

5. Die Regierung des Kantons Aargau hat mit Sehreiben vom 12^ Januar 1863 lediglich eine Beantwortung dieser Beschwerde durch den Rekursbeklagten eingesendet. Derselbe begeht si.h aus die Begründung des obergerichtlichen Urtheils, und indem er dieselbe noch weitläufiger ausführt, schliesst er mit dem Antrage aus Abweisung der Beschwerde. Das angerusene Konkordat komme darum nicht ^ur Anwendung , weil die Konkursmasse Wohler und Eomp. wed...r Klägerin noch Beklagte sei , es handle sich lediglich^ um einen Klassifikationsstreit zwischen Gläubigern derselben Konkursmasse. Dem Konkordate liege die Jdee ^u Grnnde, dem Konkurs-

richter die Besngniss abzuschneiden, üb^r ein dingliches Rechtsverhältniss zu

urteilen , das in einem a.^ern Kanton entstanden sei und nach sremder Ges^gebnng beurteilt .verden müsse. Hier liege aber das Gegentheil von all^ Diesem vor. Die streitige Vsaudvers.hreibnng sei im Kanton Aargau errichtet worden . nnd also ua^h aargauisehen Gesezen zu beurtheilen. Ferner liege die Sache, .um die es sich handle, im Kanton Aargan und habe nie im Kanton Basel gelegen, denn die Gläubiger und Schuldner der Gültbriessorderungen, aus welchen ^ie Reknrrenten ein Vsandreeht beanspruchen, domi.^iliren in Wohlen , der Si^ jener Obligationen sei also an lezterm .^.rte und würde daselbst verblieben sein, anch wenn sie mehrfach nach einander verpsändet worden wären. Dass die ^ordernngst.te l

in Basel gelegen haben, sei nicht bewiesen, übrigens glei.^gültig, n^eil die

aargauischen H^pothekartitel nur Beweisnrkunden seien und man von ihnen also nicht sagen konne, die ^Forderung befinde sich da, wo die Urkunde.

Der angerusene Entscheid in .Aachen Tobler^ang spreche also nicht sur die Rekurrenten, sondern geradezu gegen sie.

Wenn übrigens das Konkordat die Anschauungsweise der Reknrrenten ^runds.^lieh auch unterstehen wür.^e , so haben sich dieselben dem aar^auischen Richter unterworfen und müssen sie sich dem ^orum des Konkurses, als lorum proro^tnm unterwerfen. Richt dadurch, weil sie, wie .^ie behaupten , die Forderungstitel an die Konkursmasse abgeliefert , son-

170 dern weil fie von. Konknrsrichter verlangt , in die ll. liasse gesezt zu werden , also selbst ein materielles begehren dem aargauischen Konkurs.^ richte unterstellt haben , und ferner dadurch , dass sie den Entscheid des Geltstagsabgeordneten hingenommen, und erst als dagegen ein Rechtsmittel ergriffen worden , mit dem Begehren ausgetreten seien , dass die Basler Berichte entscheiden sollen. Rach ihren. Betitnm würden sonnt die Basler Gerichte darüber zu entscheiden haben, ob die Kollokation des Geltstagsabgeordneten von Bremgarten zu bestätigen sei oder n.eht.

J n Erwägung: 1) Dass Art. l des Konkordates vom 8. Jnli l 8l 8, welchem die Kantone Aargau und Basel beigetreten sind, im Jnteresse der Einheit des Konkurses den Grundsaz ausstellt, dass alle einem Fall.ten zugehörigen Essekten in die Hauptmasse fallen sollen, mogen solche liegen., wo sie wollen , unbeschadet sedoeh der daraus hastenden

Rechte und Ansprüche des Jnhabers ;

2)

dass in Iezterer Beziehung sodann Art. 2 des Konkordates bestimmt, es solle bei der Beurtheilung von Eigenthums- oder Bsandanspraehen an solehen Effekten, die in einem andern Kanton liegen, die Fallimentsmasse ihre behaupteten Reehte vor dem kompetenten Richter desjenigen Kantons geltend machen , in welchem die Effekten sieh befinden .

^ 3)

dass, da nun im vorliegenden Falle die Fallimentsmasse der Firma Wohler und Eomp. in T.hat und Wahrheit die unbeschwerte Herausgabe von jener Firma zugehorenden Gültbriefen verlangt und die Gültigkeit d.^s von den Rekurrenten behaupteten Faustpfandreehtes bestreikt , dieser Streit nothwendig vor de^u Riehter von Basel als demjenigen, wo die ^austpsandesfekten lagen, anszn.^ tragen war ;

4)

dass die weitere ^.rage sodann, ob und welehe Rechte der Besiz des Pfandes bei der Verkeilung der ^.allimentsmasse gewähre, unzweifelhaft dem Entscheide des aargauisehen Konkursrichters^ unterliegt;.

5) dass das rekurrirte Urtheil des aargauisehen Obergeriehtes sieh jedoel^ gegen diese Grundsäze verstosst, indem es die bezeichneten zwei Ver-^ hältnisse vermischt, und dass daher dasselbe gemäss Art 90, Ziss. 2 d..r Bundesverfassung anzuheben ist ; 6) dass endlieh die nachträgliche formelle Einrede , es haben die Rekurreuten dureh Einlassuug vor dem aargauischen Richter ans ihre ursprünglichen Rechte verzichtet, sieh inceder Be^iehnng als unbegründet herausstellt,

b e s eh l o s s e n :

l. Es sei der Reknrs begründet und demzusolge das^Urtheil des Obergeeichtes des Kantons Aargau vom 27. Oktob^ 18^2 ansgehoben.

l7t 2.

Sei dieser Besehlnss der Regierung des Kantons ...largau zuhanden des dortigen Oberaeriehtes und des Reknrsbeklagten , so.oie den Regenten mittheilen, beiderseits unter Rüksendung der Ulkten.

.^llso beschlossen, Bern, den 23. Januar 1863.

Jm Ramen des schwe^. Bundesrathes , Der B u n d e s p r ä s i d e n t : ^. Fornerod.

Der Kanzler der Eidgenossenschast: ^^^^.

^ ^ t e . Der Standerath^ hat am 1.^. Jull 18^.^ die gegen den verstehenden Beschluß de^ Bundesrathe^ erhobene Beschwerde abgewiesen.

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Beschluß des Bundesrathes in Sachen des Rekurses Halter, betreffend Gerichtsstand in Konkurssachen. (Vom 23. Januar 1863.)

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