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Schweizerische* Bundesblatt

XXm.3aljr.gang. m.

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Nr. 41.

U. Dïtober 18T1.

Bundesrathsbeschluß in

Sachen beo Rekurses des Hrn. Kandid Billiger, in KleinDietwyl, Kts. Aargau, betreffend Gerichtsstand für die Wechselrekution.

(Vom 26. Juli 1871.)

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s eh w e i j e r i s eh e

.-Bundesrath

hat in Sachen des Hrn. Kandid V i l l i g e r , in îî.ein=-...Dietwt)l, St8.

Itatgau, fcetrefsend ©eriehtsstand für die ...!Be4fete£ek»ition ; nach angehörtem .-Berichte des Jufti5= und Bolijeidepartements unb nach (.iinsicht ber Akten, woraus sich ergeben : I. Am 17. Januar 1871 unterzeichnete der Rekurrent, Hr. Sandib . ä S i l l i g e r , in Sujexn, einen Eigenwechsel von Fr. 870. 50, lautend an bie Dtbre von Bhilipp V i l l i g e r und jahltar im -Domtjil bet Herren (Beb. E r i v e l l i & Sie., -.Banquier in fiujern. ©tesen Weehsel übergab er den Herren ©omiäUiaten jut ©ekung einer ©aldorestanj, »eiche die Handelsgeseöschaft Kfein-=©ietw,.)l, deren Mitglied Hr. Sandid Vitliger ist, jenen schuldete.

H. Am Versalltage wurde iedoeh dieser 2Be<.hsel nicht eingelost,, tootaus die Herren ©efc. Crivelli & Eie. den Rekurrenten in Cujern geS8un-e86la.;t. Sahrg. XXIII. »d.JII.

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5^ ...ichtlieh betreiben liessen. Hr. Villiger erhob indess Einsprache gegen diese Betreibung und perlangte deren Aushebung ; allein der GerichtsPräsident von Luzern wies sein Begehren mit Entscheid vom 27. März

187l ab.

lll. Hr. Villiger reknrrirte hieraus an die Justizkommission des Obergerichtes des Kantons Luzern und wurde von dieser mit Erkanntniss

vom 13. Mai 1871 ebensalls abgewiesen , gestüzt auf folgende Erwägungen :

Gemäss ^ 96, Absaz 3 des luzernischen Wechselgesezes müsse ein Wechselsehuldner in dem Falle nicht an seinem Wohnorte belangt werden, wenn er ein von jenem verschiedenes Weehseldomizil erwählt habe.

Ein solches werde. aber von dem Aussteller eines Eigenwechsels (unter andexm) dann gewählt , wenn er an einem von seinem Wohnorte versehiedenen Orte den Wechsel zu zahlen verspreche. Run habe zwar der Gerichtshof in einem srühern Urtheile allerdings grnndsäzlich angenommen, dass die blosse Wahl eines vom Wohnorte verschiedenen Zahlungsortes bei Eigenwechseln, welche von ausre.htstehenden Sehweizerbürgern ausgestellt werden, die in Deinem vom Zahlungsorte verschiedenen Kantone wohnen , noch nicht den Gerichtsstand für die Weehselschuld begründe, da dies dem Art. 50 der Bundesverfassung widersprechen würde.

Allein im Spezialsalle geh.. die Unterwersnng des Weehselsehnldners

unter die lnzernische Jurisdiktion deutlieh aus dem Umstande hervor, dass Rekurrent an seinem Wohnorte, als naeh dortiger Gesezgebung nicht

weehselsähig, gar nicht belangt werden konne, somit die Ausstellung des

Wechsels nur Bedeutung gehabt haben konne, wenn als Sinn der frag^ lichen Klausel die Unterwerfung unter die luzernische Weehseljnrisdikt.on angenommen werde.

IV. Mit Berufung aus den Artikel 50 der Bundesverfassung ergriff nun Hr. K. Villiger den Rekurs an den Bundesrath und stellte das Gesuch, es mochte der Entscheid der Justizkommission des Kantons .Luzern kassirt werden.

Er konne nieht unter das luzernisehe Weehselgesez gestellt werden, da er nieht Bürger des Kantons Lazern, sondern des Kantons Aargau sei und in dem leztern Kantone wohne. Rach der aargauisehen Gese^Hebung sei er aber nicht weehselsähig, wesshalb der fragliche Wechsel nnr als ein einsaches Obligo erscheine, für welches er ans dem .^wohnlichen Betreibungswege im Kanton Aargau belangt werden müsse.

V.

Jn ihrer Antwort vom 15. Juni 1871 machten die Herren

Seb. Erivelli ^ Eie. wesentlich Folgendes geltend :

Seit dem Jahre 1868 seien sie mit der Handelsgesellschaft in .Klein-Dietw^l in Verkehr gestanden. Sie haben sich jedoch bald ver^

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anlasst gesehen, sür ihre Forderungen Sicherung durch Hypotheken zu verlangen und das Begehren zu stellen, dass die Gesellschaft dem luzernischen Gerichtsstande sich unterwerse.

Hr. K. Villiger habe hierauf zu Gunsten der Gesellschaft Werthschristen deponirt und die schriftliche

Erklärung abgegeben , dass er für sämmtliche Folgen des bezüglichen Verkehres das Bureau des Rekursbeklagten als Domizil erwähle.

Raehdem dann später von den Leitern der Verkehr mit der Gesellschaft von Klein-Dietw.^l abgebrochen worden .sei, habe Hr. Villiger die bezügliche Eontoeorrentsorderung bis aus eine Saldorestanz von Fr. 870. 50 abbezahlt, sür welche er den fraglichen Wechsel unterschrieben .habe, um eine Bartie der ihm eigenthümliehen deponirten Wertpapiere zurükziehen zu können. Zur Erreichung seines Zwekes habe er das fragliche Billet in Luzern ausstellen und in dort domiziliren müssen. Hiedurch habe er dem luzernischen Wechselgelde und speziell dem ^ .^6 desselben sich unterworsen. Es sei kein Grund vorhanden, wesshalb ein Bürger des Kantons Aargan, der in .Luzern handle und dort Wechseldomizil nehme, nicht wechselfähig sein solle , zumal nach der luzernisehen Gesezgebung (^ 1 der Wechselordnung) Jeder weehselsähig sei , der sich überhaupt vertraglieh verpflichten könne.

Die Berusung aus den Art. 50 der Bundesverfassung betreffend, seze derselbe der individuellen Freiheit, einem andern Geseze als dem des Heimatkantons sieh zu unterwerfen, keine Schranken , er könne also nicht zur Anwendung kommen, wenn, wie im Spezialsall.e, eine Brorogation vorliege.

Eine diessallsige vertragliehe Vereinbarung könne nicht einseitig ausgehoben werden. Uebrigens habe Villiger bei Anhebung der .....^echselbetxeibung den Gerichtsstand von Ludern nicht bestritten , sondern es sei ihm dies erst in den spätern Stadien der Betreibung eingesallen.

Schliesslich beriefen sieh die Rekursbeklagten noch auf die jüngsten Entscheide des Bundesrathes in Sachen der Walliser Bank, und stellten das Gesuch um Abweisung der Rekursbesehwer.de.

VL Die Justizkommission des Kantons .Luzern berief sich statt einer weitern Beantwortung des Rekurses aus die in ihrem Entscheide angeführten Gründe, und machte lediglich aufmerksam, dass der Entscheid des Bundesrathes in Sachen der Reseriptionen der Walliser Bank noch weiter gehe.

Jn E r w ä g u n g : 1) Die Parteien find darüber einig, dass ein schweizeriseher Schuldner verlangen kann , dass er nach ^lrt. 50 der Bundesverfassung vor dem Richter seines festen Domizils gesucht werden müsse. Andererseits muss

5^ ....ber auch zugeben werden, dass e.^ in der Berechtigung iedes Schuldn^.s steht, lt^h freiwillig einem andern Geriehtsstand zu unterwerfen.

^ handelt st^.h also nur darum, ob im Spezialfalle der Schuldner ^tere.^ ^ethan habe , und um dieses zu ermitteln , muss ...us dessen Willen.^äusserung abgestellt werden ; 2) in dieser Beziehung ist nun Thatsaehe, daß der Aussteller d^ glichen Wechsels in diesem Bapter ausdrüklich ein anderes als sein

gewöhnliches Domizil als Zahlun^sdomizil bezeichnet hat, und es fr.^t

^ch somit , ob der Schuldner sieh damit nur ein Recht habe wahren wollen, oder ob es unter den Parteien die Meinung gehabt habe, dass ..tn Falle der Nichtbezahlung auch die rechtlichen Sehritte zur Zahlungnothiguug in diesem Domizil angebracht werden können ; ^) dabei ist nicht ausser Betracht zu lassen , dass durch die Wahl

eines andern Domizils überhaupt die Regel des ^lrt. 50 der Bundes-

perfaflung ...on dem Aussteller schon preis gegeben worden ist, und dass e... sieh im Gründe bloss darum handelt , zu entscheiden , in welchem Umfange von der Regel des Art. 50 habe abgewichen werden wollen , 4) der Entscheid über diese Frage ist nun unbedingt wesentlich davon abhängig, was im ...^..eehselverkehr gemeinhin unter dem Ausdruke.

^zahlbar im Domizil^ verstanden zu werden pflegt, da angenommen ist, dass der Aussteller eines Wechsels als eines zur Zirkulation in weitern Kreisen bestimmten Rapiers beim Gebrauche technischer Ausdrük...

sich auch an die in jenen Kreisen übliche Bedeutung solcher Worte anschließen wolle, 5) im Spezialsalle tritt aber der besondere Umstand hinzu, dass der ganze Geschäftsverkehr unzweiselhast daraus hinweist, dass si.h Rekurrent dem luzernisehen Gerichtsstand habe unterwerfen wollen. Der Forderung der Herren trivelli, Realkaution zu leisten und für alle Konsequente.. steh dem luzern.sehen Gerichtsstand zu unterwerfen, ansonst der Verkehr abgebroehen werde, unterzog sich Rekurrent, indem er Werthsehristen hinterlegte und dte schriftliehe Erklärung abgab , er erwähle für alle Folgen des Verkehrs das Büreau der Genannten als Domizil ; 6) wenn nun der Weehsel unter den oben im faktischen Theil .ingegebenen Umständen in Luzern ^ausgestellt und domizilirt wurde, so ist aus ihn aueh der ^ 96 der dort gültigen Wechselordnung anwendbar. Glaubt Rekurrent , seine Haftbarkeit aus den von ihm angesührten Gründen ganz bestreiten oder vermindern zu konnen, so mag er dieselben v.^.r dem urtheilenden Richter anbringen. Hierorts ist nur über den streitigen Gerichtsstand zu entscheiden ^ in die materielle Reehtsspreehung hat der ^Bundesrath sich nicht zu mischen .

^

5.^ b .. s ^ l o s ^ e n :

1. Es ^..^.^.^ ^ ..i^e^un.^t ....^...^en.

2. Sei dieser Besehluss der Regierung des Kantons Luzern ^uhanden der Justizkommisston des dortigen Obergerichts und der Rekursbeklagten, Herren Sebastian trivelli und Eomp. in Ludern, sowie dem Rekurrenten, Herrn .^andid Villiger zu .^lein-Dietw^l , .^ts. Aargau, unter Rüksendung der Akten mitzutheilen.

Also beschlossen, B e r n , den 2^ Juli 1^71^.

.Jm Ramen des schweig Bundesrathes, ..^er . ^ u n d e s p r ä s i d e n t :

Schenk.

^er Kanzler der Eidgenossensehaft: ^ie^.

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Bundesrathsbeschluß in Sachen des Rekurses des Hrn. Kandid Billiger, in Klein-Dietwyl, Kts. Aargau, betreffend Gerichtsstand für die Wechselrekution. (Vom 26. Juli 1871.)

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1871

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41

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

14.10.1871

Date Data Seite

535-539

Page Pagina Ref. No

10 007 037

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