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21.083 Botschaft zum Bundesgesetz über die Digitalisierung im Notariat vom 17. Dezember 2021

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf des Bundesgesetzes über die Digitalisierung im Notariat.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

17. Dezember 2021

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Guy Parmelin Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2021-4234

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Übersicht Für zahlreiche Rechtsgeschäfte schreibt das Bundesrecht die Form der öffentlichen Beurkundung vor. Bei der öffentlichen Beurkundung handelt es sich um ein spezielles, gesetzlich geregeltes Verfahren, welches im Ergebnis zu einer öffentlichen Urkunde führt. Soweit das Bundesrecht keine Regelungen enthält, bestimmen die Kantone die Verfahrensordnung der öffentlichen Beurkundung. Zuständig für die Durchführung des Beurkundungsverfahrens sind die kantonalen Urkundspersonen.

Nach dem geltenden Recht muss das Original der öffentlichen Urkunde als Papierdokument erstellt werden. Mit dem Gesetzesentwurf, auf den sich die Botschaft bezieht, soll das Beurkundungsrecht an die Entwicklungen in der Gesellschaft, der Technik und der Wirtschaft angepasst werden. In Zukunft soll es möglich sein, das Original der öffentlichen Urkunde in elektronischer Form zu erstellen.

Ausgangslage Mit Artikel 55a des Schlusstitels des Zivilgesetzbuches, der am 1. Januar 2012 in Kraft getreten ist, wurden die Kantone ermächtigt, in ihren beurkundungsrechtlichen Regelungen die Möglichkeit vorzusehen, dass Urkundspersonen elektronische Ausfertigungen sowie elektronische Beglaubigungen erstellen dürfen. Das Original der öffentlichen Urkunde musste bisher aber in Papierform errichtet werden.

Gegenwärtig haben 14 Kantone die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Urkundspersonen elektronische öffentliche Ausfertigungen und elektronische Beglaubigungen erstellen können. Die kantonalen Urkundspersonen können ihrerseits selber entscheiden, ob sie die elektronischen Dienstleistungen anbieten möchten oder nicht.

Inhalt der Vorlage Mit dem neuen Bundesgesetz über die Digitalisierung im Notariat (DNG) soll der Schritt zur vollständigen elektronischen öffentlichen Beurkundung gemacht werden.

In Zukunft soll es möglich sein, die öffentliche Urkunde direkt im Original elektronisch zu errichten. Für beteiligte Parteien, die weiterhin nicht auf ein Papierdokument verzichten möchten, können Ausfertigungen oder beglaubigte Kopien in Papierform erstellt werden.

Die gesetzlichen Formvorschriften dienen einerseits dem Schutz der Beteiligten und andererseits der Erhöhung der Rechtssicherheit in Bezug auf das Zustandekommen eines Rechtsgeschäfts. Eine solche Rechtssicherheit lässt sich allerdings nur erreichen, wenn die Vorschriften für
das erforderliche Verfahren klar sind. Mittels der Normierung der elektronischen öffentlichen Beurkundung im DNG soll die Rechtssicherheit im Bereich des elektronischen Geschäftsverkehrs gewährleistet werden, denn ein einheitliches Verfahrensrecht sorgt für Transparenz und Berechenbarkeit der Regeln und ermöglicht eine einheitliche Praxis.

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Schaffung eines elektronischen Urkundenregisters Die im Original elektronisch erstellten öffentlichen Urkunden sollen dauernd revisionssicher, lesbar und vor unbefugtem Zugriff sicher aufbewahrt werden. Zu diesem Zweck sind die Originale der elektronischen öffentlichen Urkunde unmittelbar nach der Erstellung in einem zentralen elektronischen Urkundenregister zu erfassen und zu speichern.

Digitalisierung im Beurkundungsrecht ­ Entwicklungen in Europa In vielen europäischen Ländern werden im Bereich der öffentlichen Beurkundung vermehrt neue Technologien eingesetzt. Einige dieser Länder sehen in ihrem jeweiligen Beurkundungsrecht denn auch die Möglichkeit vor, elektronische öffentliche Urkunden zu erstellen. Die Europäische Union gibt ihren Mitgliedstaaten zudem mit einer Richtlinie einen rechtlichen Rahmen für digitale notarielle Prozesse im Bereich des Gesellschaftsrechts vor. Damit die Schweiz weiterhin ein attraktiver Wirtschaftsstandort bleibt, ist es von zentraler Bedeutung, mit den Entwicklungen im internationalen Umfeld auch auf dem Gebiet der öffentlichen Beurkundung Schritt zu halten.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1

Ausgangslage 1.1 Beurkundungsrecht in der Schweiz 1.2 Geltende Regelungen im Bereich der elektronischen öffentlichen Beurkundung 1.3 Handlungsbedarf und Ziele 1.4 Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung 1.5 Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates 1.6 Erledigung parlamentarischer Vorstösse

6 6

Vorverfahren 2.1 Entstehung des Vorentwurfs 2019 2.2 Vernehmlassungsverfahren 2.2.1 Kernpunkte der Vernehmlassungsvorlage 2.2.2 Zusammenfassung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens 2.2.3 Änderungen im Vergleich zum Vorentwurf

9 9 10 10

3

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht 3.1 Allgemeines 3.2 Deutschland 3.3 Österreich 3.4 Frankreich 3.5 Italien 3.6 Legalisation / Apostille

13 13 13 14 14 14 15

4

Grundzüge der Vorlage 4.1 Die beantragte Neuregelung 4.2 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen 4.3 Umsetzungsfragen

15 15 16 17

5

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln 5.1 Struktur 5.2 Ingress 5.3 1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen 5.4 2. Abschnitt: Erstellung elektronischer Originale öffentlicher Urkunden 5.5 3. Abschnitt: Aufbewahrung elektronischer Originale öffentlicher Urkunden und Zugriffsberechtigung

18 18 18 18

2

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6 7 8 9 9

11 12

23 26

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5.6

4. Abschnitt: Abruf von elektronischen Exemplaren und Erstellung von elektronischen Ausfertigungen und elektronische Beglaubigungen 5.7 5. Abschnitt: Erstellung von Ausfertigungen und Beglaubigungen auf Papier von elektronischen Dokumenten 5.8 6. Abschnitt: Vereinheitlichung digitaler Prozesse 5.9 7. Abschnitt: Technische Hilfsmittel 5.10 8. Abschnitt: Erlass von Bestimmungen durch den Bundesrat 5.11 9. Abschnitt: Schlussbestimmungen 6

7

34 35 35 36 37 38

Auswirkungen 6.1 Auswirkungen auf den Bund 6.1.1 Finanzielle und personelle Auswirkungen auf den Bund 6.1.1.1 Entwicklung des Systems 6.1.1.2 Betrieb des elektronischen Urkundenregisters 6.1.1.3 Personal 6.1.1.4 Gebührenfinanzierung 6.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete 6.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 6.4 Auswirkungen auf die Gesellschaft 6.5 Auswirkungen auf die Umwelt

38 38 38 38 39 39 40

Rechtliche Aspekte 7.1 Verfassungsmässigkeit 7.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 7.3 Erlassform 7.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 7.5 Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz 7.6 Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes 7.7 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen 7.8 Datenschutz

42 42 42 42 42

Literaturverzeichnis Bundesgesetz über die Digitalisierung im Notariat (DNG) (Entwurf)

41 41 41 42

42 43 43 43 44

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Beurkundungsrecht in der Schweiz

Für zahlreiche Rechtsgeschäfte schreibt das Bundesrecht die Form der öffentlichen Beurkundung vor. Eine bundesrechtliche Regelung zum konkreten Beurkundungsverfahren besteht jedoch nur bei der öffentlichen letztwilligen Verfügung, dem Erbvertrag, der Schenkung von Todes wegen, dem Verpfründungsvertrag und dem Wechselprotest (Art. 499 ff., Art. 512 Abs. 1 des Zivilgesetzbuchs [ZGB]1, Art. 245 Abs. 2, Art. 522 Abs. 1, Art. 1034 ff. des Obligationenrechts [OR]2). Die weitere Ordnung des Beurkundungsverfahrens überlässt der Bundesgesetzgeber den Kantonen (Art. 55 Abs. 1 des Schlusstitels [SchlT] des ZGB). In der Lehre wie auch in der Rechtsprechung ist heute aber unbestritten, dass der Begriff der «öffentlichen Beurkundung» dem Bundesrecht angehört.3 Die Kantone haben dementsprechend bei der Regelung des Beurkundungsverfahrens die Anforderungen zu berücksichtigen, die sich aus dem Bundesrecht ergeben.

Die öffentliche Beurkundung leistet einen wichtigen Beitrag zur Rechtssicherheit und zum Rechtsfrieden. So schützt sie die Urkundsparteien bei Rechtsgeschäften vor Übereilung4 und dient der Beweissicherung5 sowie der Schaffung klarer Verhältnisse im Hinblick auf Registereinträge6. Angesichts dieser grossen Bedeutung für den Privatrechtsverkehr hat der Gesetzgeber die Weiterentwicklung der öffentlichen Beurkundung gerade auch im elektronischen Bereich nachhaltig zu gewährleisten.

1.2

Geltende Regelungen im Bereich der elektronischen öffentlichen Beurkundung

Das Original der öffentlichen Urkunde muss nach dem geltenden Recht als Papierdokument erstellt werden. Mit Artikel 55a SchlT ZGB, der am 1. Januar 2012 in Kraft getreten ist, wurden die Kantone aber ermächtigt, in ihrem Beurkundungsrecht die Möglichkeit vorzusehen, dass Urkundspersonen elektronische Ausfertigungen sowie elektronische Beglaubigungen erstellen dürfen. Es liegt heute also im Ermessen der Kantone, zu bestimmen, ob Urkundspersonen elektronische Ausfertigungen und elektronische Beglaubigungen erstellen dürfen oder nicht. Sodann entscheiden die kantonalen Urkundspersonen darüber, ob sie eine solche «elektronische Dienstleistung» anbieten möchten. Heute ermöglichen es 14 Kantone ihren Urkundspersonen elektronische Ausfertigungen und elektronische Beglaubigungen zu erstellen.

1 2 3 4 5 6

SR 210 SR 220 BGE 125 III 131, 134; BGE 133 I 259, 260; Brückner, N 5; Huber, S. 229.

Brückner, N 258 ff.; Jeandin, S. 17, Marti, S. 23.

Marti, S. 22 f.

Jeandin, S. 17; Marti, S. 24.

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Die Ausführungsbestimmungen zu Artikel 55a SchlT ZGB finden sich in der Verordnung vom 8. Dezember 20177 über die Erstellung elektronischer öffentlicher Urkunden und elektronischer Beglaubigungen (EÖBV). Die technischen Einzelheiten werden in der Verordnung des EJPD vom 8. Dezember 20178 über die Erstellung elektronischer öffentlicher Urkunden und elektronischer Beglaubigungen (EÖBV-EJPD) geregelt.

1.3

Handlungsbedarf und Ziele

Mit der Verbreitung des Internets und der Verfügbarkeit von leistungsfähigen Mobilgeräten fand und findet eine Verlagerung der Geschäftsprozesse in die digitale Welt statt. Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, wurden auf Bundesebene die Rechtsgrundlagen geschaffen, um Rechtsgeschäfte beim Grundbuchamt und beim Handelsregisteramt auf elektronischem Weg anmelden zu können. Die Möglichkeit des elektronischen Geschäftsverkehrs mit den Grundbuch- und Handelsregisterämtern kann aber nur sinnvoll genutzt werden, wenn die zur Anmeldung gehörenden Belege, bei denen es sich grösstenteils um öffentliche Urkunden handelt, ebenfalls in elektronischer Form eingereicht werden können.9 Mit dem Artikel 55a SchlT ZGB wurden die Kantone daher ermächtigt, in ihrem Beurkundungsrecht vorzusehen, dass Urkundspersonen elektronische Ausfertigungen und elektronische Beglaubigungen erstellen können.

Auch wenn mit dem Artikel 55a SchlT ZGB ein erster Schritt in Richtung elektronischer öffentlicher Beurkundung gemacht wurde, handelt es sich dabei um eine Kompromisslösung. So ist die nach geltendem Recht einzuhaltende Vorgehensweise mit einem Medienbruch verbunden: Der Entwurf einer öffentlichen Urkunde entsteht in aller Regel am Computer. Für die Durchführung des Beurkundungsvorgangs wird dieser Entwurf der öffentlichen Urkunde jedoch auf Papier ausgedruckt. Zur Erstellung einer elektronischen Ausfertigung oder einer elektronischen beglaubigten Kopie muss das Original der öffentlichen Urkunde (in Papierform) von der Urkundsperson wieder in ein elektronisches Format überführt werden.

Mit dem vorliegenden Gesetz soll nun der Schritt zur vollständigen elektronischen Beurkundung erfolgen. In Zukunft soll es für eine Urkundsperson möglich sein, das Original der öffentlichen Urkunde elektronisch zu erstellen und dieses Dokument im Anschluss direkt für den elektronischen Geschäftsverkehr zu verwenden.

Mit der Einführung des elektronischen Originals von öffentlichen Urkunden stellt sich auch die Frage nach deren Aufbewahrung. Die Mehrheit der heutigen kantonalen Regelungen betreffend öffentliche Beurkundung enthalten Bestimmungen zur Aufbewahrung der öffentlichen Urkunden. Vielfach findet sich im kantonalen Recht eine eigentliche Aufbewahrungspflicht der Urkundsperson in Bezug auf das Original der öffentlichen Urkunde. Für die elektronischen öffentlichen Urkunden soll analog der 7 8 9

SR 211.435.1 SR 211.435.11 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Motion 21.3180 Silberschmidt «Vollständig digitale Unternehmensgründung sicherstellen».

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Regelungen in der «Papierwelt» ein geeigneter Rahmen für deren Aufbewahrung geschaffen werden. Zudem soll der Umstand, dass das Original der öffentlichen Urkunde nicht auf Papier, sondern elektronisch erstellt wird, sich nicht negativ auf deren Beweiskraft und Beweissicherungsfunktion auswirken. Mit einem elektronischen Urkundenregister soll den beiden vorstehend ausgeführten Punkten Rechnung getragen werden.

Eine bundesrechtliche Regelung soll sicherstellen, dass in der Schweiz auf dem Gebiet der elektronischen öffentlichen Beurkundung ein einheitlicher Standard etabliert wird. Ein solcher einheitlicher Standard ist für die Verfahrenssicherheit sowie die Rechtssicherheit im Bereich der elektronischen öffentlichen Beurkundung unabdingbar.

1.4

Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung

Bereits im Vernehmlassungsverfahren zur Änderung des Zivilgesetzbuches im Bereich der öffentlichen Beurkundung im Jahr 2012 (vgl. Ziff. 2) wurde die Einführung des elektronischen Originals der öffentlichen Urkunde vorgeschlagen und von einem Grossteil der Vernehmlassungsteilnehmenden begrüsst. Zur Aufbewahrung der elektronischen Originalurkunden wurde im Vorentwurf 2012 ein zentrales elektronisches Urkundenregister vorgesehen. Diese zentrale Aufbewahrungslösung war jedoch nicht unbestritten. Im Nachgang zu der Vernehmlassung suchte das Bundesamt für Justiz (BJ) daher das Gespräch mit den zukünftigen Nutzerinnen und Nutzern (Vertreterinnen und Vertreter der Kantone, des Notariats, des Grundbuchs und des Handelsregisters). Als Diskussionshilfe für diese Gespräche wurden vom BJ drei Modelle entwickelt: 1.

Variante «zentrales Urkundenregister»: Elektronische öffentliche Urkunden sollen in einem zentralen elektronischen Urkundenregister aufbewahrt werden.

2.

Variante «kantonale Lösungen»: Jeder Kanton betreibt zur Aufbewahrung von elektronischen öffentlichen Urkunden sein eigenes elektronisches Urkundenregister. Um einen Austausch zwischen den Systemen zu gewährleisten, definiert der Bund gewisse Infrastrukturkomponenten.

3.

Variante «Mischform»: Gewisse Kantone nutzen ein zentrales elektronisches Urkundenregister, andere Kantone betreiben hingegen ein eigenes.

Die Diskussionen zu dem Thema haben aufgezeigt, dass ein «zentrales elektronisches Urkundenregister» klar favorisiert wird. Als Gründe wurden insbesondere die Erfahrungen angeführt, die bisher im elektronischen Geschäftsverkehr gemacht wurden. Es habe sich gezeigt, dass im technischen Bereich auch kleinste Änderungen mit den involvierten Parteien zu besprechen und zu koordinieren seien, damit die Interoperabilität von Systemen gewährleistet werden könne. Dies führe zu einem enormen Abstimmungsbedarf und in der Regel auch zu höheren Kosten. Beides kann durch eine einheitliche Lösung minimiert werden.

Aufgrund der Ergebnisse dieser Gespräche wurde im Vorentwurf 2019 an der zentralen Aufbewahrungslösung festgehalten.

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1.5

Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 29. Januar 202010 zur Legislaturplanung 2019­2023 noch im Bundesbeschluss vom 21. September 202011 angekündigt.

Allerdings entspricht die Einführung der vollelektronischen öffentlichen Beurkundung dem Ziel des Bundesrates, staatliche Leistungen effizient und möglichst digital zu erbringen.12

1.6

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Die Vorlage betrifft keine überwiesenen parlamentarischen Vorstösse.

2

Vorverfahren

2.1

Entstehung des Vorentwurfs 2019

Am 14. Dezember 2012 eröffnete der Bundesrat die Vernehmlassung zur Änderung des Zivilgesetzbuchs im Bereich der öffentlichen Beurkundung. Die Vorlage umfasste die folgenden Punkte: ­

die Kodifizierung bundesrechtlicher Mindestanforderungen an die öffentliche Beurkundung;

­

die Ausdehnung der Freizügigkeit auf sämtliche öffentlichen Urkunden im Bereich der Liegenschaftsgeschäfte;

­

die Ermöglichung, das Original der öffentlichen Urkunde in elektronischer Form zu erstellen;

­

das Betreiben einer zentralen Urkundendatenbank durch den Bund.

Aufgrund des Vernehmlassungsergebnisses und der Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern der betroffenen Kreise fasste der Bundesrat am 25. Mai 2016 folgenden Beschluss: ­

10 11 12

Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) wird beauftragt, bis Ende 2017 eine Botschaft zur Einführung des elektronischen Originals der öffentlichen Urkunde zu erarbeiten («Auftrag 1»).

BBl 2020 1777 BBl 2020 8385 BBl 2020 1777, hier 1835

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­

Das EJPD wird beauftragt, die Ausarbeitung einer Botschaft zu den Bereichen «bundesrechtliche Mindestanforderungen» und «Freizügigkeit» bis Ende 2018 zu prüfen und dem Bundesrat Bericht zu erstatten («Auftrag 2»).13

Mit er Erarbeitung des Bundesgesetzes über die Digitalisierung im Notariat (DNG) und dieser Botschaft wird der «Auftrag 1» des Bundesrates erfüllt.

2.2

Vernehmlassungsverfahren

2.2.1

Kernpunkte der Vernehmlassungsvorlage

Seit der Durchführung des Vernehmlassungsverfahrens im Jahr 2013 hat sich das digitale Bewusstsein der Bevölkerung weiterentwickelt und Digitalisierungsprojekte haben einen grossen Antrieb erfahren. Vor diesem Hintergrund wurde beschlossen, die ursprünglich vorgeschlagenen Bestimmungen in geänderter und überarbeiteter Form nochmals der breiten Öffentlichkeit zur Diskussion vorzulegen.

Auf Grundlage der Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern der Kantone, des Notariats, des Grundbuchs sowie des Handelsregisters erarbeitete das BJ einen Vorentwurf zu einem Bundesgesetz über die Erstellung elektronischer öffentlicher Urkunden und elektronischer Beglaubigungen (EÖBG).

Kernpunkte dieses Vorentwurfs waren die folgenden: ­

Das Original der öffentlichen Urkunde soll künftig zwingend in elektronischer Form erstellt werden (Art. 2 VE-EÖBG).

­

Urkundspersonen sollen auf Ersuchen der Parteien elektronische Ausfertigungen und elektronische Beglaubigungen erstellen (Art. 3 VE-EÖBG).

­

Für die Aufbewahrung der elektronischen öffentlichen Urkunden und der elektronischen Beglaubigungen soll der Bund ein elektronisches Urkundenregister bereitstellen und betreiben. Das Urkundenregister soll durch Gebühren finanziert werden (Art. 4 ff. VE-EÖBG).

­

Die technischen Hilfsmittel zur Erstellung von elektronischen öffentlichen Urkunden und elektronischen Beglaubigungen sollen eine gesetzliche Grundlage erhalten (Art. 6 VE-EÖBG).

Am 30. Januar 2019 hat der Bundesrat vom Vorentwurf und erläuternden Bericht Kenntnis genommen und die Vernehmlassung dazu eröffnet.14 Diese dauerte bis zum 8. Mai 2019.

13

14

In Erfüllung des «Auftrags 2» hat das BJ in enger Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Notarenverband SNV eine Groupe de réflexion für ein einheitliches Beurkundungsverfahren in der Schweiz eingesetzt, vgl.: www.bj.admin.ch > Wirtschaft > Einheitliches Beurkundungsverfahren Schweiz.

Die Vernehmlassungsunterlagen sind abrufbar unter: www.fedlex.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2019 > EJPD.

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2.2.2

Zusammenfassung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

Zur Teilnahme am Vernehmlassungsverfahren eingeladen wurden die Kantone, die in der Bundesversammlung vertretenen politischen Parteien, die gesamtschweizerischen Dachverbände der Gemeinden, Städte und Berggebiete und der Wirtschaft sowie weitere interessierte Organisationen. Stellung genommen haben alle 26 Kantone, vier politische Parteien15, 40 Organisationen und weitere Teilnehmende. Insgesamt gingen damit 70 Stellungnahmen ein.16 Die Einführung der Möglichkeit, die Originale öffentlicher Urkunden in Zukunft elektronisch erstellen zu können, wie auch der Aufbau eines zentralen elektronischen Urkundenregisters wurden von den Vernehmlassungsteilnehmenden mehrheitlich begrüsst. Diverse einzelne Themenbereiche des Vorentwurfs wurden allerdings kritisch hinterfragt, wobei die Standpunkte und Ansichten dazu unterschiedlich waren:

15 16

­

Mehrere Vernehmlassungsteilnehmende machen geltend, dass der Adressatenkreis des EÖBG (Art. 1 VE-EÖBG) unklar sei. Es wurde vorgebracht, dass mittels der Definition gewisser Begriffe (z. B. «notarielle Erstellung» oder «öffentliche Urkunde») zu klären sei, welche Arten öffentlicher Urkunden vom EÖBG erfasst würden.

­

Ein Obligatorium zur Erstellung der Originale von öffentlichen Urkunden in elektronischer Form (Art. 2 VE-EÖBG) wird von einer Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden abgelehnt. Es wird gefordert, dass betreffend Form des Originals der öffentlichen Urkunde ein Wahlrecht vorgesehen wird.

­

Ein Grossteil der Vernehmlassungsteilnehmenden (elf Kantone, drei Parteien und 17 Organisationen) erachtet den Entscheid für ein zentrales elektronisches Urkundenregister (Art. 4 Abs. 1 VE-EÖBG) als sinnvoll. Es fanden sich unter den Stellungnahmen aber auch diverse Stimmen, die einer zentralen Lösung kritisch gegenüberstehen. So führe ein zentrales Register zu höheren Kosten und administrativem Mehraufwand. Zudem sei es aus Gründen der Sicherheit, des Berufsgeheimnisses der Urkundspersonen und des Datenschutzes heikel, wenn sämtliche Originale öffentlicher Urkunden in einem zentralen Register aufbewahrt würden.

­

Die Bereitstellung und der Betrieb des zentralen elektronischen Urkundenregisters durch den Bund (Art. 4 Abs. 3 VE-EÖBG) wird nicht von allen Vernehmlassungsteilnehmenden begrüsst. Teilweise wird vorgebracht, die Kantone seien durchaus in der Lage, eine sichere Aufbewahrung zu regeln.

­

Uneinigkeit herrscht bei den Vernehmlassungsteilnehmenden hinsichtlich der Bestimmungen zum konkreten Beurkundungsvorgang. So spricht sich ein Teil der Vernehmlassungsteilnehmenden dafür aus, dass sich die bundesrechtlichen Vorgaben lediglich auf den technischen Bereich beschränken. Unter den Vernehmlassungsteilnehmenden wird aber auch die Ansicht vertreten, dass FDP, glp, SP, SVP.

Der Ergebnisbericht ist abrufbar unter: www.fedlex.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2019 > EJPD.

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das konkrete Verfahren zur Erstellung einer elektronischen öffentlichen Urkunde im EÖBG im Detail zu regeln sei.

­

Von mehreren Vernehmlassungsteilnehmenden wird vorgebracht, dass die Grundsätze zur Berechnung der Gebühren (Art. 5 VE-EÖBG) im Gesetz zu regeln seien.

­

Schliesslich wurden zahlreiche weitere Änderungsvorschläge gemacht, die im Vorentwurf nicht enthalten waren, so beispielsweise Vorschläge in Bezug auf die Zugriffsberechtigungen auf das Urkundenregister, die Regelung zur Behandlung von Unter- und Nebenbelegen sowie Anregungen zur Ausarbeitung der Ausführungsbestimmungen.

2.2.3

Änderungen im Vergleich zum Vorentwurf

Gegenüber dem Vernehmlassungsentwurf wurde der Entwurf hauptsächlich in den folgenden Punkten angepasst: ­

Der Titel des Gesetzes wurde aufgrund der Rückmeldungen angepasst. Neu lautet dieser: Bundesgesetz über die Digitalisierung im Notariat (DNG). Damit soll deutlicher zum Ausdruck gebracht werden, welche öffentlichen Urkunden vom Gesetz erfasst werden. Zudem wird damit der Tatsache Rechnung getragen, dass nicht nur die «elektronische Form» der öffentlichen Urkunden Gegenstand des Gesetzes bildet, sondern auch deren Aufbewahrung.

­

Auf Anregung der Vernehmlassungsteilnehmenden wird der Adressatenkreis des DNG klarer bestimmt, indem im Gesetz verschiedene Begriffe definiert werden (Art. 3 E-DNG).

­

Ebenfalls eingefügt wurde ein Artikel, welcher klarstellt, dass für das Ausland bestimmte öffentliche Urkunden nach den dort gültigen Anforderungen erstellt werden können (Art. 4 E-DNG).

­

In Abweichung vom Vorentwurf wird im vorliegenden Entwurf die Möglichkeit zur Erstellung von elektronischen öffentlichen Originalurkunden vorgesehen (Art. 2 Abs. 2 Bst. a und Art. 5 E-DNG). Auf ein Obligatorium zur Erstellung der Originale öffentlicher Urkunden in elektronischer Form wird jedoch verzichtet. Ebenfalls nicht mehr vorgesehen ist, dass Urkundspersonen zwingend die Dienstleistung anbieten müssen, elektronische Ausfertigungen und Beglaubigungen zu erstellen (Art. 5 und Art. 17 Abs. 2 E-DNG).

­

Aufgrund der im Rahmen der Vernehmlassung eingegangenen Rückmeldungen wurde ein Abschnitt eingefügt, der Bestimmungen zum konkreten Beurkundungsvorgang enthält (Art. 6 ff. E-DNG). Insbesondere wurde eine Regelung zur Genehmigung der elektronischen Originalurkunde durch beteiligte Personen (Urkundsparteien) aufgenommen.

­

Der Entwurf sieht neu eine Regelung der Berechtigungen zum Zugriff auf das elektronische Urkundenregister vor (Art. 15 E-DNG).

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­

Weiter wurde das Gesetz mit einer Bestimmung über die Vereinheitlichung digitaler Prozesse betreffend elektronische Kommunikation zwischen Urkundspersonen und Registerämtern ergänzt (Art. 19 E-DNG).

3

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

3.1

Allgemeines

Auch im Bereich der öffentlichen Beurkundung ist die Digitalisierung in vielen europäischen Ländern heute nicht mehr wegzudenken.17 Einige dieser Länder sehen denn in ihrem Beurkundungsrecht auch die Erstellung elektronischer öffentlicher Urkunden vor. Allerdings unterscheiden sich die Systeme zur Erstellung elektronischer öffentlicher Urkunden in den verschiedenen europäischen Ländern. In einigen Ländern ist es bereits heute zulässig, das Original der öffentlichen Urkunde in elektronischer Form zu erstellen. Andere Länder erlauben lediglich die Erstellung elektronischer Ausfertigungen und elektronischer Abschriften. Mit der sogenannten «Digitalisierungsrichtlinie»18 gibt die Europäische Union ihren Mitgliedstaaten einen rechtlichen Rahmen für digitale notarielle Prozesse im Bereich des Gesellschaftsrechts vor.

3.2

Deutschland

In Deutschland ist das Original der öffentlichen Urkunde in Papierform zu erstellen.

Zulässig ist es jedoch gemäss dem geltenden Recht, elektronische Beglaubigungen von Abschriften und elektronische Beglaubigungen von Unterschriften zu errichten (§ 39 i.V.m. § 39a Beurkundungsgesetz vom 28. August 1969 [BeurkG; BGBl. I S. 1513]). Das elektronische Dokument ist dabei mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der Urkundsperson zu versehen und mit einem Zeugnis zu verbinden, welches die Eigenschaft als Urkundsperson bestätigt.

Die Bestimmungen betreffend Aufbewahrung der Originalurkunden wurden in Deutschland neu geregelt. So werden nach Inkrafttreten von § 55 BeurkG am 1. Januar 2022 die Urkundspersonen ihre öffentlichen Urkunden neu immer auch elektronisch im sogenannten «Urkundenarchiv» aufzubewahren haben. Die in Papierform erstellten Originale öffentlicher Urkunden sind ab diesem Zeitpunkt von der Urkundsperson zu digitalisieren, mit einem Vermerk zu versehen, dass das elektronische Dokument mit den in Papierform vorhandenen Schriftstücken inhaltlich und bildlich übereinstimmt, und qualifiziert elektronisch zu signieren (§ 56 BeurkG). Das elektronische Urkundenarchiv wird als zentrales elektronisches Archiv betrieben. Es soll damit die Möglichkeit geschaffen werden, dass öffentliche Urkunden überall und jederzeit elektronisch verwendet werden können.

17 18

Wudarski/Szerkus, S. 194 ff.

Richtlinie 2019/1151 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht, ABl. L 186 vom 11.7.2019, S. 80­104.

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3.3

Österreich

Gemäss dem österreichischen Recht können die Originale von öffentlichen Urkunden entweder in elektronischer Form oder in Papierform erstellt werden (vgl. § 47, § 48 und § 49 Notariatsordnung in der Fassung vom 14. Mai 2021 [NO]). Ebenfalls in elektronischer Form können Ausfertigungen oder beglaubigte Abschriften (§ 92 NO) von in Papierform errichteten öffentlichen Urkunden gefertigt werden. Elektronische öffentliche Urkunden und notarielle Protokolle sind in einem elektronischen Urkundenarchiv abzulegen (§ 110 NO). Österreich kennt auch die elektronische Apostille (vgl. Ziff. 3.6).

3.4

Frankreich

In Frankreich können Urkundspersonen das Original der öffentlichen Urkunde in elektronischer Form erstellen (Art. 16 ff. Décret no 2005-973 du 10 août 2005 modifiant le décret no 71-941 du 26 novembre 1971 relatif aux actes établis par les notaires). Beim eigentlichen Beurkundungsvorgang sind sowohl die Urkundsperson wie auch die beteiligten Personen anwesend. Das elektronische Dokument wird von den Parteien mittels Signatur auf einem Tablett unterzeichnet. Die Urkundsperson ihrerseits muss zur Unterzeichnung der elektronischen öffentlichen Urkunde eine elektronische Signatur verwenden.19 Nach der Erstellung des elektronischen Originals der öffentlichen Urkunde übermittelt die Urkundsperson dieses zur Aufbewahrung an das zentrale elektronische Urkundenarchiv.

3.5

Italien

In Italien können Originale von öffentlichen Urkunden auch in elektronischer Form erstellt werden (vgl. decreto legislativo n. 110/2010 [Disposizioni in materia di atto pubblico informatico redatto dal notaio, a norma dell'articolo 65 della legge 18 giugno 2009, n. 69; Gazzetta Ufficiale (G.U.) n. 166 del 19 luglio 2010], Legge del 16 febbraio 1913 n. 89 Sull'ordinamento del notariato e degli archivi notarili [LN; G.U. n. 55, 7 marzo 1913]). Die Urkundsperson erstellt die Urkunde direkt am Computer. Die Parteien haben das elektronische Dokument zu unterzeichnen. Anschliessend wird es von der Urkundsperson signiert (Art. 52bis LN). Die Urkundsperson verwendet zur Unterzeichnung eine qualifizierte elektronische Signatur (Art. 23ter Abs. 1 LN). Die Parteien können die Urkunde demgegenüber mittels (nicht qualifizierter) elektronischer Signatur (Art. 52bis LN) oder mittels grafometrischer Signatur auf einem Grafiktablett unterzeichnen (vgl. Art. 68bis Abs. 1 Bst. a LN). Bei der grafometrischen Signatur wird eine spezielle Software eingesetzt, die es erlaubt, neben der eigentlichen Strichführung, biometrische Daten zur jeweiligen Unterschrift zu erfassen wie Position, Druck, Neigungswinkel, Beschleunigung, Dauer und Geschwindigkeit. Im Anschluss an das Signieren speichert die Urkundsperson das elektronische 19

Wudarski/Szerkus, S. 206; Artikel 17 Décret no 2005-973 du 10 août 2005 modifiant le décret no 71-941 du 26 novembre 1971 relatif aux actes établis par les notaires.

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Dokument in einer zentralen Intranet-Datenbank ab, die vom Consiglio Nazionale del Notariato betrieben wird (Art. 62bis Abs. 1 LN).

3.6

Legalisation / Apostille

Wird eine öffentliche Urkunde in einem anderen Staat verwendet als in demjenigen, in dem sie ausgestellt wurde, so muss in der Regel die Herkunft der öffentlichen Urkunde diplomatisch oder konsularisch beglaubigt werden. Für Staaten, die dem Übereinkommen vom 5. Oktober 196120 zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung («Haager Übereinkommen») beigetreten sind, gilt die Beglaubigung mittels Apostille. Die öffentlichen Urkunden werden damit von der diplomatischen oder konsularischen Beglaubigung befreit.

Mittels der Apostille wird auf Antrag des Unterzeichners oder des jeweiligen Inhabers der Urkunde die Echtheit der Unterschrift, die Eigenschaft, in welcher der Unterzeichner gehandelt hat und gegebenenfalls die Echtheit des Siegels oder des Stempels, mit dem die Urkunde versehen ist, nachgewiesen (Art. 5 «Haager Übereinkommen»).

Öffentliche Urkunden im Sinne des «Haager Übereinkommens» sind nicht nur «notarielle Urkunden», sondern beispielsweise auch Urkunden eines staatlichen Gerichts oder einer Amtsperson als Organ der Rechtspflege, Urkunden von Verwaltungsbehörden sowie amtliche Bescheinigungen (Art. 1 «Haager Übereinkommen»).

Die Haager Konferenz für Internationales Privatrecht hat zusammen mit der National Notary Association im Jahr 2006 das Pilotprogramm zur elektronischen Apostille gestartet. In diesem Zusammenhang wurden Modelle für Apostillen in elektronischer Form (E-Apostille) entwickelt sowie elektronische Register (E-Register) geschaffen, welche die Überprüfung der Echtheit einer E-Apostille oder einer Apostille in Papierform ermöglichen sollen.

Beim Erlass der technischen Ausführungsbestimmungen zum DNG wird der Tatsache Rechnung getragen werden, dass die Möglichkeit bestehen muss, auf den elektronischen öffentlichen Urkunden unter Umständen elektronische Apostillen anzubringen.

Die E-Apostille ist in der Schweiz noch nicht bekannt. Zu ihrer Einführung bedarf es eines separaten Projekts.

4

Grundzüge der Vorlage

4.1

Die beantragte Neuregelung

Nach dem geltenden Recht muss das Original der öffentlichen Urkunde also das schriftlich abgefasste Ergebnis des durchgeführten Beurkundungsvorgangs (Hauptverfahren) in Papierform erstellt werden. Artikel 55a SchlT ZGB erlaubt es den Urkundspersonen im beurkundungsrechtlichen Nachverfahren lediglich, aufgrund des von ihr auf Papier errichteten Originals eine elektronische Ausfertigung oder eine elektronische beglaubigte Kopie zu erstellen.

20

SR 0.172.030.4

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Gemäss den geltenden Regelungen entscheiden die Kantone, ob kantonale Urkundspersonen elektronische Ausfertigungen und elektronische Beglaubigungen von Kopien und Unterschriften erstellen können. Es steht den Urkundspersonen alsdann frei, zu entscheiden, ob sie eine entsprechende Dienstleistung anbieten möchten oder nicht.

Mit dem vorliegenden Gesetz soll der konsequente Schritt zur vollständigen elektronischen öffentlichen Beurkundung vollzogen werden. Die Grundsätze zur Erstellung elektronischer öffentlicher Urkunden werden auf Gesetzesstufe festgelegt, während die detaillierten Ausführungsbestimmungen in einer Verordnung des Bundesrates und einer Departementsverordnung zu regeln sind. Mit diesem Vorgehen soll gewährleistet werden, dass die Bestimmungen auf Gesetzesstufe möglichst technologieneutral formuliert werden können.

Zur Aufbewahrung der elektronischen Originale öffentlicher Urkunden ist ein zentrales elektronisches Urkundenregister zu schaffen, welches deren sichere und langfristige Aufbewahrung gewährleistet.

4.2

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Das DNG bringt neue Aufgaben für die Bundesverwaltung: Der Bund soll ein elektronisches zentrales Urkundenregister erstellen und betreiben. Bei elektronischen Dokumenten besteht ­ ebenso wie bei Dokumenten in Papierform ­ ein Risiko, dass diese manipuliert werden. Um in einem späteren Zeitpunkt immer noch verlässlich feststellen zu können, ob an einem elektronischen Dokument Veränderungen vorgenommen wurden, wird ein Referenzdokument benötigt. Dieses muss in geeigneter Weise aufbewahrt werden. Mittels des elektronischen Urkundenregisters soll gewährleistet werden, dass die Originale elektronischer öffentlicher Urkunden über einen sehr langen Zeitraum sicher gespeichert werden und dauerhaft abrufbar sowie dem unbefugten Zugriff Dritter entzogen sind. Entsprechend hoch sind die Anforderungen, welche an ein elektronisches Urkundenregister gestellt werden.

Die Formvorschrift der öffentlichen Beurkundung verfolgt verschiedene Ziele wie beispielsweise die Errichtung geeigneter Rechtsgrundausweise21, die dauerhafte Aufbewahrung22 und die Beweisfunktion23. In Anbetracht der mit der Form der öffentlichen Beurkundung verfolgten Ziele und der Tatsache, dass diese im elektronischen Bereich nur mittels eines elektronischen Urkundenregisters erreicht werden können, stehen die mit dem elektronischen Urkundenregister verbundenen Aufwände in einem vertretbaren Verhältnis zu dessen gesellschaftlicher Bedeutung.

Der Betrieb des elektronischen Urkundenregisters soll durch Gebühren finanziert werden (vgl. Art. 16 E-DNG). Bis die Gebühren vollumfänglich den Betrieb finanzieren, trägt der Bund die Auslagen, welche über die eingenommenen Gebühren hinausgehen. Sobald eine kostendeckende Gebührenfinanzierung erreicht wird, reduziert sich die erhobene Gebühr anteilsmässig, womit die durch das elektronische Urkundenregister erzielten Einnahmen die anfallenden Kosten nicht übersteigen werden.

21 22 23

Jeandin, S. 17; Marti, S. 24.

Brückner, Notariatspraxis, S. 63; Jeandin, S. 18.

Marti, S. 22 f.

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4.3

Umsetzungsfragen

Das vorliegende Gesetz regelt allgemein die Anforderungen und Grundsätze für die Erstellung elektronischer öffentlicher Urkunden. Damit die beantragten Bestimmungen umgesetzt werden können, müssen sie durch eine Verordnung des Bundesrates und eine Departementsverordnung konkretisiert werden. Insbesondere sind in diesen Verordnungen im Detail auszuführen: ­

das konkrete (technische) Verfahren zur Erstellung von elektronischen öffentlichen Urkunden;

­

die (technischen) Möglichkeiten zur Genehmigung des Inhalts elektronischer Originale der öffentlichen Urkunde durch die beteiligten Personen;

­

das konkrete Vorgehen hinsichtlich Einbezug allfälliger Beilagen von öffentlichen Urkunden;

­

das konkrete Vorgehen bei der Vergabe und dem Entzug der Berechtigung, auf das elektronische Urkundenregister zuzugreifen;

­

die technischen Standards für die Sicherstellung der Interoperabilität und die Schnittstellen;

­

die für die Übermittlung der Daten anwendbaren Standards und technischen Protokolle;

­

die Vereinheitlichung digitaler Prozesse im Notariat unter Mitwirkung der Kantone, durch Festlegung von einheitlichen Schnittstellen, Formaten und Standards für bestimmte Dokumente, die in der elektronischen Kommunikation zwischen Urkundspersonen und Registerämtern eingesetzt werden.

Die Tatsache, dass eine Vielzahl der Bestimmungen des DNG auf Verordnungsstufe zu konkretisieren sind, führt dazu, dass das neue Gesetz nicht direkt nach seiner Verabschiedung in Kraft gesetzt werden kann.

Die kantonalen Bestimmungen betreffend öffentliche Beurkundung gelangen auch bei der Erstellung elektronischer öffentlicher Urkunden zur Anwendung, soweit sie nicht durch Bundesrecht derogiert werden. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die kantonalen Bestimmungen über die öffentliche Beurkundung im Hinblick auf das neue bundesrechtliche Gesetz einer Anpassung bedürfen. Die Umsetzung des DNG erfolgt dementsprechend teilweise in den Kantonen und teilweise beim Bund.

Ebenfalls in einer Verordnung regeln wird der Bundesrat die Erhebung der Gebühren nach Artikel 46a des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 199724 (RVOG).

24

SR 172.010

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5

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

5.1

Struktur

Im ersten Abschnitt des Gesetzesentwurfs werden der Zweck und der Gegenstand des Gesetzes sowie verschiedene Begriffe definiert. Im zweiten Abschnitt finden sich Bestimmungen über das Verfahren zur Erstellung elektronischer Originale öffentlicher Urkunden. Der dritte Abschnitt enthält sodann Bestimmungen zur Aufbewahrung elektronischer Originale öffentlicher Urkunden, zum Zugriff auf das elektronische Urkundenregister sowie zu den Gebühren für dessen Nutzung. Welche weiteren Formen von elektronischen öffentlichen Urkunden erstellt werden können, wird im vierten Abschnitt geregelt. Im fünften Abschnitt wird bestimmt, welche möglichen öffentlichen Urkunden in Papierform ­ ausgehend von einem elektronischen Dokument ­ erstellt werden können. Der sechste Abschnitt hat die Vereinheitlichung digitaler Prozesse im Notariat zum Gegenstand. Der siebte Abschnitt enthält die Regelungen zu den technischen Hilfsmitteln, die für die Erstellung elektronischer öffentlicher Urkunden notwendig sind. Der achte Abschnitt regelt den Erlass von Bestimmungen durch den Bundesrat und der neunte Abschnitt enthält die erforderlichen Schlussbestimmungen.

5.2

Ingress

Die Kompetenz des Bundes zur Regelung der öffentlichen Beurkundung ergibt sich aus Artikel 122 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV)25. Dieser verleiht dem Bund die Zuständigkeit, den Gesamtkomplex des Zivilrechts und des Zivilprozessrechts zu regeln. Dazu gehört auch das Verfahren zur Erstellung öffentlicher Urkunden. Ob dieses eher dem Teilbereich des Zivilrechts oder demjenigen des Zivilprozessrechts zuzuschlagen ist, kann dabei offenbleiben.

5.3

1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen

Art. 1

Zweck

Bst. a Der Begriff der «öffentlichen Urkunde» kann in einem weiteren und einem engeren Sinn verstanden werden. Bei den öffentlichen Urkunden im weiteren Sinn handelt es sich um Dokumente mit einem rechtlich bedeutsamen Inhalt, die durch eine Person mit einer öffentlichen Aufgabe erstellt wurden (z. B. Verfügungen, Ausweise, Registerauszüge etc.). Unter den öffentlichen Urkunden im engeren Sinn werden diejenigen Dokumente verstanden, die im Rahmen der freiwilligen (nichtstreitigen) Gerichtsbarkeit von einer nach kantonalem Recht zuständigen Urkundsperson (oft als Notarin oder Notar bezeichnet) gestützt auf zivilrechtliche Formvorschriften in einem besonderen Beurkundungsverfahren errichtet wurden (z. B. Ehe- und Erbverträge, Kaufverträge über Grundstücke, Verträge über Dienstbarkeiten etc.).

25

SR 101

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Vom vorliegenden Gesetz erfasst werden nur öffentliche Urkunden im engeren Sinne.

Keine öffentlichen Urkunden im Sinne dieses Gesetzes sind namentlich Auszüge aus dem Zivilstandsregister, dem Strafregister, dem Grundbuch oder dem Handelsregister. Einzig die Regelungen in den Artikeln 20 und 21 E-DNG sind auf die Erstellung elektronischer öffentlicher Urkunden durch die Zivilstandsbehörden sowie auf die Erstellung elektronischer amtlicher Auszüge, Bestätigungen und Bescheinigungen aus dem Zivilstandsregister, dem Grundbuch und dem Handelsregister anwendbar (vgl.

die Ausführungen zu Art. 2 E-DNG).

Die Digitalisierung eines Bereichs wie desjenigen des Notariats kann nur dann Akzeptanz erlangen, wenn die Verlässlichkeit von elektronischen öffentlichen Urkunden mindestens derjenigen der seit Jahrhunderten etablierten Papierurkunden gleichkommt (Ziffer 1).

Elektronische öffentliche Urkunden müssen technisch so ausgestaltet sein, dass sie möglichst bei allen gängigen Informatik-Arbeitsumgebungen eingesetzt werden können (Ziffer 2) und langfristig und sicher erhalten bleiben (Ziffer 3).

Bst. b Das DNG beabsichtigt eine Vereinheitlichung der digitalen Prozesse im Bereich des Notariats. Dadurch können komplexe Abläufe vereinfacht werden, weil unterschiedliche Bereiche, die miteinander kommunizieren müssen, dieselben Standards verwenden.

Art. 2

Gegenstand und anwendbares Recht

Abs. 1 Dieser Absatz regelt den objektiven Anwendungsbereich des Gesetzes. Das DNG erfasst nur die öffentlichen Urkunden des Privatrechts im engeren Sinne. Mittels der Präzisierung, dass es sich um die notarielle Erstellung von öffentlichen Urkunden und Beglaubigungen handelt, wird im DNG zum Ausdruck gebracht, dass die Bestimmungen primär auf die im Beurkundungsverfahren entstandenen öffentlichen Urkunden Anwendung finden sollen, also auf diejenigen Aufzeichnungen rechtsgeschäftlicher oder prozessrechtlicher Erklärungen oder rechtserheblicher Tatsachen, die durch eine dazu örtlich und sachlich zuständige Urkundsperson in einer vorgeschriebenen Form und in einem vorgeschriebenen Verfahren vorgenommen werden.

Zur Sicherstellung der Publizität von Rechten, Rechtsverhältnissen und Tatsachen sieht das Bundeszivilrecht verschiedene öffentliche Register vor. Dazu gehören insbesondere das Zivilstandsregister, das Handelsregister und das Grundbuch. Beglaubigte Auszüge aus diesen Registern stellen ebenfalls öffentliche Urkunden dar. Auf diese öffentlichen Urkunden finden die Bestimmungen ­ abgesehen von den Artikeln 20 und 21 E-DNG ­ des DNG keine Anwendung (vgl. die Ausführungen zu Art. 1 E-DNG).

Mit dem DNG wird für öffentliche Urkunden neu die Möglichkeit der Erstellung eines elektronischen Originals (Bst. a) und der elektronischen Ausfertigung eines elektronischen Originals (Bst. b) eingeführt. Die in den Buchstaben c und d genannten elektronischen Ausfertigungen und elektronischen Beglaubigungen können nach EÖBV bereits heute erstellt werden.

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Abs. 2 Das Vorgehen zur Erstellung von öffentlichen Urkunden (Originale und Ausfertigungen) und Beglaubigungen auf Papier wird grundsätzlich durch das kantonale Recht bestimmt. Das DNG regelt demgegenüber die Erstellung von elektronischen öffentlichen Urkunden (Originale und Ausfertigungen) und elektronischen Beglaubigungen.

Diese elektronischen Dokumente müssen ganz spezifische technische Eigenschaften erfüllen, die zum Teil einer unmittelbaren sinnlichen Wahrnehmung nicht zugänglich sind. Wird die Urkundsperson darum ersucht, aus einem elektronischen Original einer öffentlichen Urkunde eine Ausfertigung auf Papier oder eine beglaubigte Kopie eines elektronischen Dokuments auf Papier zu erstellen, so definiert das DNG diejenigen Eigenschaften des elektronischen Dokuments, die die Urkundsperson zu prüfen hat (vgl. die Ausführungen zu Art. 18 E-DNG).

Abs. 3 Absatz 3 stellt klar, dass auf die Erstellung elektronischer öffentlicher Urkunden durch die Zivilstandsbehörden sowie auf die Erstellung elektronischer amtlicher Auszüge, Bestätigungen und Bescheinigungen aus dem Zivilstandsregister, dem Grundbuch und dem Handelsregister die Artikel 20 und 21 des E-DNG anwendbar sind. Im Umkehrschluss finden die andern Bestimmungen des DNG nur Anwendung auf die sogenannt «notariellen Urkunden» (vgl. die Ausführungen zu Art. 1 und zu Art. 2 Abs. 1 E-DNG).

Abs. 4 Die kantonalen Bestimmungen zur öffentlichen Beurkundung gelangen bei der Erstellung elektronischer öffentlicher Urkunden grundsätzlich zur Anwendung. Eine bundesrechtliche Derogation findet nur insofern statt, als das konkrete Verfahren zur Erstellung der entsprechenden elektronischen öffentlichen Urkunden von Bundesrechts wegen vorgegeben wird. Dieses Nebeneinander von Bundesrecht und kantonalem Recht entspricht mit der EÖBV bereits der heutigen Praxis.

Gewisse Bereiche (bspw. der Zeitpunkt des Abschlusses des Beurkundungsvorgangs und damit die Entstehung der elektronischen öffentlichen Urkunde [vgl. Art. 8 E-DNG]) sind im DNG abschliessend geregelt. Ob im Einzelfall Spielräume für kantonales Recht besteht, ist daher im spezifischen Kontext oder im Einzelfall zu beantworten.

Art. 3

Begriffe

Bst. a

Urkundsperson

In den Kantonen werden Personen, die mit der öffentlichen Beurkundung betraut sind, verschieden bezeichnet. Neben den Ausdrücken «Notarin oder Notar» wird vielfach auch der Begriff der «Urkundsperson» verwendet. Für das DNG musste für diejenigen Personen, die für die öffentliche Beurkundung zuständig sind, eine einheitliche Bezeichnung gewählt werden. Der Begriff der «Urkundsperson» ist zum einen weit genug, um sämtliche Personen zu erfassen, die über Beurkundungs- und Beglaubigungskompetenzen verfügen, und zum anderen eng genug, um nicht konturlos zu sein.

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Bst. b

elektronisches Original einer öffentlichen Urkunde

Beim Original der öffentlichen Urkunde handelt es sich um das Dokument, das als Entwurf Grundlage des Beurkundungsvorgangs (Hauptverfahrens) ist und nach Abschluss des Beurkundungsvorgangs die Unterschriften der Personen trägt, welche die öffentliche Urkunde zu unterzeichnen haben.26 Die im Beurkundungsvorgang entstandenen Originale öffentlicher Urkunden werden in den kantonalen beurkundungsrechtlichen Bestimmungen unterschiedlich bezeichnet (z. B. als «Urschrift», als «Exemplar» oder als «Original»).27 Durch die Wahl eines generischeren Begriffs «Original» abstrahiert das DNG vom jeweiligen kantonalen System. Davon abgesehen, lehnt sich die Definition der elektronischen Originale öffentlicher Urkunden jedoch an die herkömmliche Definition des Begriffs «Original» an.

Bst. c

elektronisches Exemplar

Wird ein elektronisches Original einer öffentlichen Urkunde nach Buchstabe b durch seine Erfassung im elektronischen Urkundenregister zum elektronischen Original der öffentlichen Urkunde im Urkundenregister ­ und damit zum Referenzdokument (vgl.

Art. 12 E-DNG) ­, stellt sich die Frage, wie mit diesem Dokument exakt übereinstimmende elektronische Dokumente zu bezeichnen sind, die sich ausserhalb des Urkundenregisters befinden. Gemäss Buchstabe c werden diese Dokumente als «elektronische Exemplare» bezeichnet.

Bst. d

elektronische Ausfertigung

Bei den Ausfertigungen handelt es sich ebenfalls um öffentliche Urkunden. Ausfertigungen werden im beurkundungsrechtlichen Nachverfahren erstellt, geben den Inhalt der originalen öffentlichen Urkunde wieder und vertreten diese im Rechtsverkehr. Sie werden hauptsächlich für die Registerbehörden (namentlich Grundbuch- und Handelsregisterämter), aber auch für die Urkundsparteien erstellt. In Bezug auf die Personen, die eine Ausfertigung einer öffentlichen Urkunde verlangen können, bestehen heute unterschiedliche kantonale Regelungen. Es besteht die Möglichkeit, Teilausfertigungen zu erstellen, wenn der Zweck dies erfordert.

Die elektronische Ausfertigung eines Originals einer öffentlichen Urkunde in Papierform ist bereits heute in der EÖBV geregelt (Art. 10 i. V. m. Art. 11 EÖBV).

Bst. e

elektronische Beglaubigung einer Kopie

Bei der Beglaubigung einer Kopie bildet die Bescheinigung der (textlichen) Übereinstimmung der Kopie mit einem vorgewiesenen Dokument den Gegenstand der Beurkundung. Das Ausgangsdokument kann dabei in elektronischer Form oder in Papierform vorliegen (Art. 2 Abs. 1 Bst. d Ziff. 1 und 4 E-DNG). Im Rahmen der Beglaubigung einer Kopie wird durch die Urkundsperson aber keine Aussage zum Inhalt des vorgewiesenen Dokuments an sich gemacht. Die Urkundsperson bezeugt bei der Beglaubigung einer Kopie lediglich, dass diese mit dem vorgewiesenen Dokument übereinstimmt.28 26 27 28

Marti, S. 135.

Brückner, N 228 ff.

Brückner, N 3388; Mooser, N 731.

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Bst. f

elektronische Beglaubigung einer Unterschrift oder eines Handzeichens

Mit der Beglaubigung der Unterschrift oder des Handzeichens bescheinigt die Urkundsperson, dass die Unterschrift oder das Handzeichen von einer bestimmten Person angebracht wurde, deren Identität sie festgestellt hat.

Art. 4

Anwendbarkeit ausländischen Rechts

Abs. 1 Öffentliche Urkunden (z. B. Erbgangsbescheinigungen) werden gelegentlich auch zur Verwendung im Ausland errichtet, wo andere Anforderungen (z. B. bezüglich Datenformat, Signatur, Inhalt etc.) gelten können. Das DNG will es den Urkundspersonen für solche Fälle ermöglichen, von den in der Schweiz geltenden Anforderungen an die Erstellung elektronischer öffentlicher Urkunden abzuweichen.

Abs. 2 Mit Rücksicht auf das Ansehen und die Vertrauenswürdigkeit schweizerischer öffentlicher Urkunden soll jedoch ein gewisses Qualitätsniveau nicht unterschritten werden.

Dies gilt namentlich in Bezug auf die durch die Urkundsperson verwendete elektronische Signatur sowie auf die durch das Schweizerische Register der Urkundspersonen (UPReg) erstellte Zulassungsbestätigung, aber auch in Bezug auf das Verfahren zur Erstellung elektronischer öffentlicher Urkunden. Unverzichtbar ist beispielsweise das Erfordernis, dass die Urkundsperson die öffentliche Urkunde selber signiert.

Art. 5

Berechtigung und Verpflichtung zur elektronischen Beurkundung

Der heutige Artikel 55a SchlT ZGB sieht im Wesentlichen vor, dass die Kantone die Urkundspersonen ermächtigen können, elektronische Ausfertigungen und elektronische Beglaubigungen zu erstellen. Das DNG ersetzt Artikel 55a SchlT ZGB, weshalb dieser aufzuheben ist (vgl. Art. 22 E-DNG).

Abs. 1 Dieser Absatz stellt klar, dass Urkundspersonen direkt gestützt auf Bundesrecht elektronische öffentliche Urkunden und elektronische Beglaubigungen erstellen dürfen.

Dazu bedarf es keiner Ermächtigung durch den Kanton mehr. Die Befugnis, die in Artikel 2 Absatz 1 E-DNG aufgelisteten elektronischen öffentlichen Urkunden und elektronischen Beglaubigungen zu erstellen, insbesondere auch elektronische Originale von öffentlichen Urkunden (Art. 2 Abs. 1 Bst. a E-DNG), ergibt sich neu direkt aus dem DNG.

Das DNG ermächtigt die Urkundsperson, das Original der öffentlichen Urkunde in elektronischer Form zu erstellen. Voraussetzung ist dabei, dass sich die Urkundsparteien darüber verständigt haben, dass sie das Original der öffentlichen Urkunde in elektronischer Form erstellen lassen möchten. Typischerweise wird von dieser Möglichkeit wohl Gebrauch gemacht werden, wenn die öffentliche Urkunde im Nachgang zur Beurkundung bei einer Registerbehörde einzureichen ist.

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Eine Urkundsperson hat allerdings die Freiheit, weiterhin auf Papier zu beurkunden.

Es liegt kein Verstoss gegen die Urkundspflicht vor, wenn die Urkundsperson öffentliche Beurkundungen weiterhin in Papierform vornimmt. Vorbehalten bleibt allerdings das kantonale Recht (vgl. die Ausführungen zu Abs. 2).

Abs. 2 Nach diesem Absatz können die Kantone ­ je nach Digitalisierungsstrategie ­ die Erstellung von elektronischen öffentlichen Urkunden und elektronischen Beglaubigungen als zwingend vorschreiben. Sie können somit die Urkundspersonen dazu verpflichten, die Dienstleistung der Erstellung elektronischer öffentlicher Urkunden und elektronischer Beglaubigungen anzubieten.

5.4

2. Abschnitt: Erstellung elektronischer Originale öffentlicher Urkunden

Das DNG regelt in Bezug auf den Beurkundungsvorgang zur Erstellung elektronischer Originale öffentlicher Urkunden lediglich die Grundsätze. Die kantonalen beurkundungsrechtlichen Bestimmungen kommen immer dann zur Anwendung, wenn das DNG und die noch zu erlassenden Ausführungsbestimmungen dazu keine Regelung enthalten (vgl. dazu Art. 2 Abs. 4 E-DNG).

Art. 6

Kenntnisnahme des Urkundeninhalts

Die am Beurkundungsvorgang (Hauptverfahren) beteiligten Personen müssen die Möglichkeit haben, den Inhalt der öffentlichen Urkunde zur Kenntnis zu nehmen. Der Inhalt eines elektronischen Dokuments ist ohne geeignete technische Hilfsmittel nicht wahrnehmbar. Zur Wahrnehmung des Inhalts bedarf es eines Ausgabegeräts, welches die Informationen darstellt. Die Urkundsperson hat dafür zu sorgen, dass die Wahrnehmbarkeit des Urkundeninhalts während des gesamten Beurkundungsvorgangs gewährleistet wird, und zwar unabhängig vom Typ des eingesetzten Ausgabegeräts. Insbesondere hat sich die Urkundsperson zu vergewissern, dass die Beteiligten vor ihrer Genehmigung den gesamten Urkundeninhalt zur Kenntnis nehmen konnten und dass zwischen dem zur Kenntnis genommenen und dem genehmigten Urkundeninhalt keine Abweichungen bestehen.

Art. 7

Genehmigung des Urkundeninhalts durch die Beteiligten

Abs. 1 Nach Kenntnisnahme des Urkundeninhalts müssen die Beteiligten darüber eine Erklärung abgeben, ob dieser ihrem Willen entspricht. Die Beteiligten haben den Urkundeninhalt zu genehmigen. Das DNG verlangt, dass die Genehmigung des Urkundeninhalts durch die Beteiligten in der öffentlichen Urkunde selber enthalten sein muss.

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Abs. 2 Bei einer öffentlichen Urkunde, die im Original in Papierform erstellt wird, stellt deren Unterzeichnung durch die beteiligten Personen ­ verstanden als eine Form der Genehmigung derselben ­ in der Regel keine Schwierigkeit dar. Anders verhält es sich, wenn das Original der öffentlichen Urkunde in elektronischer Form erstellt wird.

Ausgehend von der Regelung in Artikel 14 OR müsste für die Unterzeichnung eine elektronische qualifizierte Signatur verwendet werden. Diese hat sich in der breiten Bevölkerung jedoch nicht durchgesetzt, und nur wenige Privatpersonen besitzen eine qualifizierte elektronische Signatur. Für die Unterzeichnung (Genehmigung) des elektronischen Originals der öffentlichen Urkunde durch die Beteiligten ist daher eine praxistaugliche und umsetzbare Alternative zu finden. Das Verfahren zur Erstellung elektronischer Originale öffentlicher Urkunden muss unkompliziert sein und darf für die Beteiligten nicht zusätzliche Hürden mit sich bringen.

In den Nachbarländern werden zur Erfassung von Handunterschriften zum Teil Grafiktabletts eingesetzt (vgl. die Ziff. 3.4 und 3.5). Diese Art der Unterzeichnung kommt einer Handunterschrift auf Papier sehr nahe. Die Beteiligten trifft zudem keine spezielle Pflicht, sich vorgängig technisch auszurüsten.

Absatz 2 erklärt den Einsatz dieser Technik (Grafiktablett) als zulässig, stellt allerdings Minimalanforderungen an die dazu eingesetzten Eingabegeräte auf. Demnach müssen die Geräte in der Lage sein, die charakteristischen Informationen einer menschlichen Unterschrift, wie Schreibgeschwindigkeit, Neigungswinkel und Druckstärke, sowie allfällige weitere biometrische Daten zu erfassen und in der Form von Randdaten in das unterschriebene elektronische Dokument einzufügen. Die unmittelbar nach Abschluss des Beurkundungsvorgangs im elektronischen Urkundenregister erfassten elektronischen Originale öffentlicher Urkunden werden damit auch die Randdaten zu jeder auf diese Weise angebrachten Unterschrift enthalten. Damit ist die Möglichkeit einer nachträglichen Prüfung der Unterschriften gewährleistet.

Abs. 3 Kann eine Beteiligte oder ein Beteiligter nicht unterzeichnen, so soll sie oder er die Möglichkeit haben, ihre oder seine Genehmigung in einer anderen Form zum Ausdruck zu bringen. In solchen Fällen hat die Urkundsperson den jeweiligen
Umstand mit Angabe des Grundes in der öffentlichen Urkunde explizit zu erwähnen.

Abs. 4 Die Informations- und Datenverarbeitungstechnik ist einem raschen Wandel unterworfen. Welche Parameter der grafisch erfassten Unterschrift im Einzelnen vorauszusetzen sind, hängt vom jeweiligen Stand der Technik ab. Die Wahl der einsetzbaren Technologien sowie die Mindestanforderungen an diese werden auf Verordnungsstufe geregelt, damit eine rasche Anpassung an neue technische Gegebenheiten möglich ist.

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Art. 8

Abschluss des Beurkundungsvorgangs

Die Bestimmung legt den Zeitpunkt fest, in dem der Beurkundungsvorgang (das Hauptverfahren) abgeschlossen ist. Gemäss Artikel 8 E-DNG ist der Beurkundungsvorgang erst abgeschlossen, wenn das elektronische Original der öffentlichen Urkunde die Unterschrift der Urkundsperson (Bst. a) sowie den elektronischen Nachweis, dass die Urkundsperson im Zeitpunkt der Erstellung der elektronischen öffentlichen Urkunde zu deren Erstellung befugt ist, trägt (Bst. b). Der Nachweis über die Beurkundungsbefugnis der Urkundsperson wird in der EÖBV als Zulassungsbestätigung bezeichnet (vgl. Art. 2 Bst. b EÖBV).

Bst. a Die mit einem qualifizierten Zeitstempel verbundene qualifizierte elektronische Signatur gemäss dem Bundesgesetz vom 18. März 201629 über die elektronische Signatur (ZertES) ist der eigenhändigen Unterschrift gleichgestellt (Art. 14 Abs. 2bis OR). Darauf aufbauend, erfolgt die Unterzeichnung von elektronischen öffentlichen Urkunden durch Urkundspersonen bereits heute durch den Einsatz qualifizierter elektronischer Signaturen (vgl. Art. 10 Abs. 1 Bst. d EÖBV). Das DNG schreibt den Einsatz von mit einem qualifizierten elektronischen Zeitstempel verbundenen qualifizierten elektronischen Signaturen nun auch für die Unterzeichnung der elektronischen Originale öffentlicher Urkunden vor.

Die Bestimmung regelt weiter, wie mit allfälligen Beilagen zu einer öffentlichen Urkunde (bspw. Vollmachten, Zustimmung Dritter etc.) zu verfahren ist. Diese sind zusammen mit der eigentlichen öffentlichen Urkunde durch die Urkundsperson zu unterzeichnen.

Wie mit Beilagen zu verfahren ist, die in Papierform vorliegen, und wie diese Beilagen in den Beurkundungsvorgang einzubeziehen sind, ist im Einzelnen in den Ausführungsbestimmungen zu regeln.

Bst. b Dieser Buchstabe weist darauf hin, dass es für den Abschluss des Beurkundungsvorgangs eines elektronischen Nachweises bedarf, wonach die Urkundsperson im Zeitpunkt der Beurkundung zur Erstellung der elektronischen öffentlichen Urkunde befugt ist. Die Art des elektronischen Nachweises sowie die Anbringung desselben auf dem elektronischen Dokument werden in den Ausführungsbestimmungen zu konkretisieren sein (vgl. Art. 21 Abs. 1 Bst. e E-DNG).

Art. 9

Weiteres Vorgehen

Abs. 1 Nach dem Abschluss des Beurkundungsvorgangs hat die Urkundsperson die Pflicht, das elektronische Original der öffentlichen Urkunde im elektronischen Urkundenregister zu erfassen. Erst nach der Erfassung des elektronischen Originals der öffentlichen Urkunde im Urkundenregister darf sie die öffentlichen Urkunden nach Absatz 2 erstellen und herausgeben.

29

SR 943.03

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Abs. 2 Nachdem die Urkundsperson das elektronische Original der öffentlichen Urkunde erstellt und dieses im Urkundenregister erfasst hat, kann sie ein elektronisches Exemplar (Bst. a), eine vollständige oder teilweise elektronische Ausfertigung (Bst. b), eine vollständige oder teilweise Ausfertigung in Papierform (Bst. c) oder eine beglaubigte Kopie in Papierform (Bst. d) aus dem elektronischen Original der öffentlichen Urkunde erstellen.

Hat etwa ein Kanton die elektronische Geschäftsführung (noch) nicht oder nur punktuell eingeführt, so können dort unter Umständen keine Anmeldungen von Geschäften in elektronischer Form vorgenommen werden. In solchen Fällen ermöglicht das DNG die situationsgerechte Wahl eines anderen Urkundenträgers. So kann für solche Fälle aus dem elektronischen Original der öffentlichen Urkunde eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Kopie auf Papier erstellt werden.

Abs. 3 Abgesehen von den Fällen nach Absatz 2 Buchstaben c und d (Herausgabe der Papierdokumente in physischer Form), ist zu regeln, wie auf dem elektronischen Original der öffentliche Urkunde basierende elektronische Exemplare oder elektronische Ausfertigungen ausgehändigt werden. Die Urkundsperson soll sich mit den Beteiligten einigen, ob das elektronische Exemplar oder die elektronische Ausfertigung auf einem Speichermedium ausgehändigt oder elektronisch zugestellt werden soll. Bei einer elektronischen Zustellung bedarf es ferner einer Einigung über die Art der Zustellung.

Die Zustellung an Behörden oder Gerichte ist nicht Gegenstand dieser Regelung.

Diese richtet sich nach den im jeweiligen Bereich einschlägigen Bestimmungen. So sind beispielsweise für das Grundbuch die Artikel 39 ff. der Grundbuchverordnung vom 23. September 201130 für die Übermittlung von Eingaben massgebend.

5.5

3. Abschnitt: Aufbewahrung elektronischer Originale öffentlicher Urkunden und Zugriffsberechtigung

Art. 10

Elektronisches Urkundenregister

Elektronische Originale öffentlicher Urkunden werden mit einer qualifizierten elektronischen Signatur unterzeichnet (vgl. Art. 8 Bst. a E-DNG). Nach Artikel 14 Absatz 2bis OR ist die qualifizierte elektronische Signatur der eigenhändigen Unterschrift gleichgestellt. Sie erlaubt eine Identifikation der Autorin oder des Autors der elektronischen Unterschrift. Weiter ermöglicht sie eine verlässliche Aussage darüber, ob das Dokument seit seiner Unterzeichnung verändert worden ist (Überprüfbarkeit der Integrität).

Eine elektronische Signatur allein kann aber Veränderungen am Dokument nicht auf Dauer unterbinden. Die Sicherheit von Signierschlüsseln nimmt mit der Zeit nämlich 30

SR 211.432.1

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ab ­ schon alleine durch die steigende Rechenleistung von Computern.31 Damit einher geht die Einbusse der Verlässlichkeit derjenigen Dokumente, die nicht sicher aufbewahrt werden und deren Sicherheit nicht über längere Zeit durch geeignete technische Vorkehrungen gezielt und systematisch aufrechterhalten wird.

Wird das Original einer öffentlichen Urkunde elektronisch erstellt, so muss auch eine Möglichkeit zur Überprüfung der Integrität dieser Urkunde für einen langen Zeitraum geschaffen werden. Diese Möglichkeit wird mittels eines elektronischen Referenzdokuments geschaffen. Dabei wird ­ in Anlehnung an die aus der Papierwelt bekannte Aufbewahrung eines Doppels oder einer Kopie ­ ein Schutz vor unerkannten Abänderungen oder Fälschungen von Urkunden ermöglicht.32 Um diese Sicherheit und Verlässlichkeit eines elektronischen Dokuments langfristig aufrechterhalten zu können, bedarf es jedoch einer speziellen elektronischen Aufbewahrung. Artikel 10 E-DNG sieht deshalb vor, dass elektronische Originale öffentlicher Urkunden in einem elektronischen Urkundenregister zu erfassen und aufzubewahren sind.

Die Urkundspersonen, die Urkundsparteien und auch Dritte müssen im Interesse der Rechtssicherheit uneingeschränkt darauf vertrauen können, dass die im elektronischen Urkundenregister abgelegten Dokumente für die gesamte Dauer der Aufbewahrungsfrist unverändert und beweissicher gespeichert werden sowie dauerhaft abrufbar und dem unbefugten Zugriff Dritter entzogen sind.

Das elektronische Urkundenregister soll als zentrales Register betrieben werden. Insbesondere die zum Schutz der Datensicherheit erforderlichen technischen und organisatorischen Massnahmen können bei einem zentral betriebenen elektronischen Register deutlich schneller und effektiver umgesetzt werden als bei mehreren, unabhängig voneinander betriebenen (dezentralen) Systemen.

Der Ausdruck «zentrales Urkundenregister» ist ein organisatorischer Begriff. Von der Frage der Organisation und der Zuständigkeit sind die Fragen nach der technischen Umsetzung und nach der konkreten Architektur des Urkundenregisters zu unterscheiden. So soll Artikel 10 E-DNG etwa nicht ausschliessen, dass bei der konkreten Umsetzung neben zentralen auch dezentrale informationstechnische (IT) Infrastrukturen oder Mischformen aus zentralen und dezentralen IT-Infrastrukturen
eingesetzt werden können. Letzteres könnte unter Umständen auch zur Umsetzung von Mehrfachsicherungen der Informationen aus Sicherheitsgründen nötig sein (z. B. Backups und Erhöhung der [Ausfall-]Sicherheit, etwa durch gezielte Schaffung von Redundanz).

Das zentrale elektronische Urkundenregister soll durch den Bund, namentlich durch das BJ, bereitgestellt und betrieben werden. Die Bereitstellung umfasst die organisatorische und technische Planung sowie die konkrete Umsetzung, insbesondere auch in sicherheitstechnischer Hinsicht. Der Betrieb des Urkundenregisters umfasst einerseits die Funktionsfähigkeit im Zusammenhang mit der Erfassung und der Aufbewahrung der Originale öffentlicher Urkunden sowie andererseits die damit verbundenen Dienstleistungen der Abgleichung und der Gewährung des Zugriffs auf die öffentlichen Urkunden durch Berechtigte nach Artikel 15 E-DNG.

31 32

Pohlmann, S. 52.

Brückner, N 1458 ff.

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Auch wenn das Urkundenregister auf eine dauerhafte Aufbewahrung ausgelegt ist, wird diese nicht unendlich lange dauern können, sondern muss aus praktischen und ressourcen-technischen Gründen befristet werden. Der Bundesrat soll eine maximale Aufbewahrungsdauer festlegen. Dabei hat er den Aspekt der Rechtssicherheit sowie die Interessen an den Funktionalitäten nach Artikel 14 E-DNG zu berücksichtigen.

Wie dies teilweise auch bei Papierurkunden der Fall ist33, sollen die elektronischen Originale öffentlicher Urkunden nach Ablauf der vom Bundesrat bestimmten maximalen Aufbewahrungsdauer dem Bundesarchiv zur bleibenden Archivierung übertragen werden.

Art. 11

Erfassungspflicht

Abs. 1 Die Urkundsperson hat nach Abschluss des Beurkundungsvorgangs gemäss Artikel 8 E-DNG das elektronische Original der öffentlichen Urkunde im zentralen elektronischen Urkundenregister zu erfassen. Der Ausdruck «Erfassung» bezeichnet den Akt der Registrierung und Speicherung eines Originals einer elektronischen öffentlichen Urkunde im Urkundenregister, der eine eindeutige Zuordnung dieser Urkunde gewährleistet.

Die Erfassung hat unmittelbar nach Abschluss des Beurkundungsvorgangs zu erfolgen (Art. 8 E-DNG). Der zeitliche Abstand zwischen dem Abschluss des Beurkundungsvorgangs und der Erfassung des elektronischen Originals der öffentlichen Urkunde im elektronischen Urkundenregister hat dabei so gering wie möglich zu sein.

Eine verzögerte Erfassung kann nur aus objektiven Gründen gerechtfertigt werden, also wenn sich z. B. unmittelbar nach Abschluss des Beurkundungsvorgangs technische Störungen ereignen (vgl. dazu Art. 13 E-DNG).

Abs. 2 Durch geeignete technische Prüfmechanismen wird innerhalb des elektronischen Urkundenregisters festgestellt werden können, ob das erfasste elektronische Dokument, rein technisch betrachtet, die gesetzlich vorgesehenen Anforderungen erfüllt, d. h. die vorgesehenen technischen Eigenschaften eines elektronischen Originals einer öffentlichen Urkunde aufweist. Zum Inhalt der öffentlichen Urkunde kann demgegenüber nur die Urkundsperson eine verlässliche Aussage machen. Deshalb hat sich die Urkundsperson nach erfolgter Erfassung durch eigene Wahrnehmung zu vergewissern, dass das im Urkundenregister erfasste elektronische Dokument mit dem von ihr im Beurkundungsvorgang erstellten elektronischen Original der öffentlichen Urkunde inhaltlich übereinstimmt. Vergleichbar mit einem Verbal, hat die Urkundsperson im Urkundenregister ihr Prüfungsergebnis festzuhalten.

Art. 12

Wirkung der Erfassung

Erfolgt die Erfassung des elektronischen Originals der öffentlichen Urkunde im elektronischen Urkundenregister korrekt, dient dieses ab diesem Zeitpunkt als Referenz-

33

Brückner, N 1471 f.

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dokument für den technischen Abgleich mit den sich im Umlauf befindlichen elektronischen Exemplaren. Beim Abgleich wird geprüft, ob die elektronischen Exemplare mit dem Original der öffentlichen Urkunde im Urkundenregister identisch sind, d. h.

in ihren technischen Eigenschaften exakt übereinstimmen, oder ob daran Änderungen vorgenommen worden sind. Stimmen die technischen Eigenschaften des vermeintlichen elektronischen Exemplars und des elektronischen Originals der öffentlichen Urkunde im Urkundenregister nicht (mehr) überein, so war das geprüfte Dokument entweder nie ein elektronisches Exemplar oder das ursprüngliche Dokument, das tatsächlich ein elektronisches Exemplar war, wurde nachträglich verändert und damit kompromittiert. Tatsächlich verursachen schon kleinste Veränderungen an einem qualifiziert signierten Dokument einen Effekt, der in der Wissenschaft als «Lawineneffekt» bekannt ist. Damit lassen sich noch so kleine und geschickte Änderungen feststellen, die von blossem Auge nicht feststellbar wären. Diese Art von Prüfmechanismen liegen den elektronischen öffentlichen Urkunden zugrunde. Damit lässt sich die Integrität, also die Unverletztheit, des unterzeichneten Dokuments jederzeit eindeutig und nachvollziehbar feststellen.34 Wird das elektronische Original der öffentlichen Urkunde entgegen der gesetzlichen Verpflichtung nicht im elektronischen Urkundenregister erfasst, so fehlt es an einem verlässlichen Referenzdokument. Dies kann mit Bezug auf die Sicherheit und die Verlässlichkeit zu beweisrechtlichen Problemen führen. Ohne Referenzdokument im Urkundenregister kann nach Erstellung der elektronischen öffentlichen Urkunde nicht ohne Weiteres verlässlich geprüft werden, ob das elektronische Original der öffentlichen Urkunde (noch) als sicher und verlässlich zu qualifizieren ist.

In Anlehnung an die Regelung in den Kantonen mit der originalen Zirkulationsurkunde35 sieht Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe a E-DNG dementsprechend vor, dass exakte Kopien der elektronischen Originale der öffentlichen Urkunde als elektronische Exemplare verkehrsfähig sind. Diese Urkunden können etwa zur Aushändigung an die Beteiligten sowie für Anmeldungen im Rahmen des elektronischen Geschäftsverkehrs eingesetzt werden.

Art. 13

Vorgehen bei technischen Störungen

Abs. 1 Ausfälle von Informatiksystemen sind nie gänzlich auszuschliessen. Unter den folgenden Voraussetzungen, die kumulativ erfüllt sein müssen, darf eine Urkundsperson gestützt auf Artikel 13 Absatz 1 E-DNG in Abweichung von Artikel 9 Absatz 1 und Absatz 2 Buchstabe a E-DNG vor der Erfassung des elektronischen Originals im Urkundenregister elektronische Exemplare in Umlauf bringen: (1) Die Urkundsperson ist aufgrund einer technischen Störung daran gehindert, das Original der elektronischen öffentlichen Urkunde im Urkundenregister zu erfassen. (2) Ein Zuwarten bis zur Behebung der Störung ist nicht zumutbar. Dies dürfte etwa dann der Fall sein, wenn ein zeitkritisches Geschäft bei einem Registeramt angemeldet werden muss. Zur Beweiserhaltung und um dennoch eine Überprüfbarkeit des Dokuments gewährleisten 34 35

Pohlmann, S. 65 und 86.

Brückner, N 228 ff.

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zu können, hat die Urkundsperson ­ gleichsam als behelfsmässige Notlösung ­ noch bevor das elektronische Dokument in Umlauf gebracht wird, vom elektronischen Original der öffentlichen Urkunde eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Kopie auf Papier zu erstellen (dazu Abs. 2) und nach Massgabe des jeweils anwendbaren kantonalen Rechts sicher aufzubewahren (Art. 2 Abs. 4 E-DNG).

Abs. 2 Die Erfassung des Originals der elektronischen öffentlichen Urkunde ist nach Behebung der technischen Störung unverzüglich nachzuholen. Die beweiserhaltende Erstellung einer Ausfertigung oder einer beglaubigten Kopie auf Papier ist lediglich ­ aber immerhin ­ eine behelfsmässige Notlösung. Sobald es technisch wieder möglich ist, muss die Urkundsperson die Erfassung des durch sie bis zu diesem Zeitpunkt sicher aufbewahrten elektronischen Originals der öffentlichen Urkunde nachholen. Sie hat sich dabei durch visuelle Wahrnehmung zu vergewissern, dass das elektronische Original der öffentlichen Urkunde inhaltlich mit der nach Absatz 1 erstellten Ausfertigung oder beglaubigten Kopie auf Papier übereinstimmt.

Art. 14

Anforderung an das elektronische Urkundenregister

Abs. 1 Bst. a Die elektronischen Originale von öffentlichen Urkunden sind im elektronischen Urkundenregister so zu erfassen und aufzubewahren, dass die elektronischen Originale derjenigen Urkundsperson zugeordnet werden können, welche sie erstellt hat.

Bst. b Elektronische Originale von öffentlichen Urkunden müssen im elektronischen Urkundenregister so erfasst und aufbewahrt werden, dass elektronische Exemplare damit abgeglichen werden können. Der Datenabgleich erfolgt einerseits durch Prüfung spezifischer technischer Eigenschaften des Dokuments durch kryptografische Verfahren36 (Validation), andererseits durch eine inhaltliche Prüfung des lesbaren Textes.

Stimmt das elektronische Exemplar mit dem elektronischen Original der öffentlichen Urkunde exakt überein, so wird die Validation ein positives Prüfungsergebnis liefern ­ und die Urkundsperson durch Prüfung im Urkundenregister bestätigen können, dass die beiden Dokumente übereinstimmen. Wird ein verändertes elektronisches Exemplar oder ein anderes elektronisches Dokument als das elektronische Exemplar mit dem elektronischen Original der öffentlichen Urkunde abgeglichen, so wird schon die Validation ein negatives Prüfungsergebnis liefern. So etwa, falls eine aus dem elektronischen Original der öffentlichen Urkunde erstellte elektronische Ausfertigung mit dem elektronischen Original im Urkundenregister validiert wird. Dies, obschon die Urkundsperson durch entsprechende (textliche) Überprüfung bestätigen könnte, dass die zu prüfende Urkunde tatsächlich eine elektronische Ausfertigung des im Urkundenregister aufbewahrten elektronischen Originals einer elektronischen Urkunde ist.

36

Pohlmann, S. 86 ff.

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Bei der Validation müssen die elektronischen Dokumente exakt übereinstimmen. Jede noch so kleine Divergenz wird ein negatives Prüfungsergebnis ergeben. Obschon im letztgenannten Beispiel die Texte der beiden Urkunden inhaltlich übereinstimmen, unterscheiden sich die beiden Dokumente aus technischer Sicht. Der Umstand, dass im Fall der elektronischen Ausfertigung ein Verbal vorgesehen ist (vgl. dazu Art. 11 Abs. 2 Bst. b EÖBV), wird dazu beitragen, dass die kryptografischen Prüfwerte («Hashwerte») der beiden Dokumente unterschiedlich ausfallen werden.

Auch wenn elektronische Ausfertigungen rein technisch nicht mit den elektronischen Originalen abgeglichen werden können, kann in der Praxis unter Umständen ein Bedarf für solche elektronischen Ausfertigungen (z. B. für die Verwendung im Ausland) bestehen.

Jede Besitzerin und jeder Besitzer eines elektronischen Exemplars (z. B. die Parteien eines Kaufvertrags über ein Grundstück) kann einen Datenabgleich vornehmen lassen (z. B. durch die Urkundsperson). Einen direkten Zugriff auf das elektronische Urkundenregister erhalten die Besitzerinnen oder die Besitzer eines elektronischen Exemplars aber nicht.

Bst. c Es ist nicht ausgeschlossen, dass ein Bedürfnis nach dem Widerruf von elektronischen Originalen öffentlicher Urkunden bestehen könnte. So können beispielsweise öffentliche letztwillige Verfügungen durch den Erblasser widerrufen werden (Art. 509 ff. ZGB). Diese schon aus der Papierwelt bekannte Gegebenheit muss das elektronische Urkundenregister abbilden können. Wie in den übrigen Fällen der Erstellung des elektronischen Originals der öffentlichen Urkunde wird auch im Fall von öffentlichen letztwilligen Verfügungen ein elektronisches Original der öffentlichen Urkunde im elektronischen Urkundenregister erfasst werden. Weiter werden elektronische Exemplare existieren. Beim Widerruf muss zweierlei sichergestellt werden: Das elektronische Original der öffentlichen Urkunde soll keine Rechtswirkungen mehr entfalten und der Datenabgleich nach Buchstabe b hat diese Tatsache aufzuzeigen.

Bst. d Das elektronische Urkundenregister hat die Vertraulichkeit der darin aufbewahrten elektronischen Dokumente zu gewährleisten. Demnach soll niemand in der Lage sein, die im elektronischen Urkundenregister gespeicherten Informationen einzusehen, der nicht über eine
Berechtigung dazu verfügt.37 Bst. e Die im elektronischen Urkundenregister erfassten und aufbewahrten elektronischen Originale der öffentlichen Urkunden müssen so geschützt werden, dass an ihnen keine Änderungen vorgenommen werden können, also ihre Integrität gewahrt bleibt.

37

Brückner, N 1469 f.

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Bst. f Das elektronische Urkundenregister und die darin erfassten und aufbewahrten elektronischen Originale öffentlicher Urkunden müssen durch die zugriffsberechtigten Personen (vgl. Art. 15 E-DNG) jederzeit abrufbar sein.

Da der Inhalt von elektronischen Dokumenten ohne technische Hilfsmittel nicht wahrgenommen werden kann, muss die digitale Kodierung der Informationen im elektronischen Original der öffentlichen Urkunde in Formaten gespeichert werden, die es dem Menschen erlauben, den Inhalt der öffentlichen Urkunde wahrzunehmen. Welche Formate eine solch langfristige Lesbarkeit nach dem heutigen technischen Stand garantieren können, wird im Rahmen der Arbeiten zu den Ausführungsbestimmungen zu eruieren sein (Art. 21 Abs. 1 Bst. d und f E-DNG).

Bst. g Von den im elektronischen Urkundenregister hinterlegten elektronischen Originalen öffentlicher Urkunden werden durch die berechtigten Personen (z. B. Urkundspersonen) elektronische Exemplare abgerufen werden können. (vgl. Art. 9 Abs. 2 Bst. a E-DNG).

Bst. h Vom im elektronischen Urkundenregister hinterlegten Original der öffentlichen Urkunde wird die Urkundsperson bei Bedarf elektronische Ausfertigungen sowie Ausfertigungen und beglaubigte Kopien auf Papier erstellen können.

Abs. 2 Wie bereits in den Erläuterungen zu Artikel 10 Absatz 1 E-DNG erwähnt, bleibt die initiale Sicherheit von qualifiziert signierten elektronischen Dokumenten auf lange Sicht nicht ohne besondere Massnahmen unverändert bestehen. Vielmehr ist eine gezielte sicherheitstechnische Pflege nötig. Weil die Technologie einem stetigen Wandel unterworfen ist und auch künftig Weiterentwicklungen in den Bereichen der Kryptografie und der Datenspeicherung zu erwarten sind, sieht Absatz 2 vor, dass die Betreiberin des Urkundenregisters befugt ist, an den elektronischen Originalen der öffentlichen Urkunden beweiserhaltende Massnahmen vorzunehmen. Denkbar ist beispielsweise ein elektronisches Nachsignieren von elektronischen Dokumenten.

Art. 15

Zugriffsberechtigung

Abs. 1 Das elektronische Urkundenregister ist technisch so zu entwickeln, dass der Zugang zu den darin verwahrten elektronischen Dokumenten und allfälligen Verzeichnissen nur denjenigen Personen und Behörden zusteht, die gemäss DNG über eine Zugriffsberechtigung verfügen.

Der Zugriff nach Artikel 15 E-DNG ist abzugrenzen von der Validation. Während bei einem Zugriff der Inhalt des elektronischen Originals der öffentlichen Urkunde zur Kenntnis genommen werden kann, ist dies bei der Validation nicht der Fall. Bei der Validation erfolgt lediglich eine Prüfung der Übereinstimmung zwischen elektroni-

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schem Exemplar und elektronischem Original der öffentlichen Urkunde aufgrund bestimmter technischer Eigenschaften. Das Ergebnis der Validation beantwortet damit lediglich die Frage, ob das geprüfte elektronische Exemplar mit dem elektronischen Original der öffentlichen Urkunde, das sich im Urkundenregister befindet, exakt übereinstimmt.

Bst. a Die Urkundsperson muss auf die von ihr erstellten elektronischen Originale der öffentlichen Urkunden im Urkundenregister jederzeit Zugriff haben. Die Übernahme einer Urkundensammlung einer Urkundsperson durch eine andere (bspw. aufgrund der Aufgabe der Berufstätigkeit) muss auch im Rahmen des DNG möglich sein. Dies wird in Buchstabe a präzisiert. Da Urkundspersonen ihre Befugnisse auf von ihnen angestellte Hilfspersonen übertragen können, werden Letztere in der Bestimmung ebenfalls ausdrücklich erwähnt.

Bst. b Aufsichtsbehörden über das Notariat haben in der physischen Welt in bestimmten Situationen Zugriff auf die Urkundensammlungen der beaufsichtigten Urkundspersonen. Dieses Prinzip soll auch in der digitalen Welt abgebildet werden. Welche Befugnisse die kantonale Aufsichtsbehörde im Einzelnen haben wird, leitet sich vom jeweiligen kantonalen Recht ab (vgl. dazu Art. 2 Abs. 4 E-DNG).

Bst. c Gerichte und Behörden, z. B. Strafuntersuchungsbehörden, sollen gestützt auf rechtskräftige Entscheide Zugriff auf spezifische elektronische Originale der öffentlichen Urkunden erhalten. Das Erfordernis einer rechtskräftigen Verfügung garantiert, dass der Zugriff von Gerichten und Behörden auf elektronische Originale öffentlicher Urkunden im elektronischen Urkundenregister lediglich punktuell und nicht etwa allgemein erfolgen kann.

Bst. d Um die jederzeitige Funktionsfähigkeit des elektronischen Urkundenregisters gewährleisten zu können, muss dessen Betreiberin das System warten, allfällig aufgetretene Störungen beseitigen sowie Weiterentwicklungen am System vornehmen können. Je nach Situation kann dabei nicht immer ausgeschlossen werden, dass sie auch Zugriff auf die elektronischen Dokumente braucht, um die genannten Arbeiten vornehmen zu können.

Abs. 2 Alle Zugriffe auf das elektronische Urkundenregister müssen vom System automatisch protokolliert werden. Damit wird eine lückenlose Übersicht über die Verwendung des elektronischen Urkundenregisters ermöglicht, die zudem erlaubt, allfällige sicherheitstechnische oder datenschutzrechtlich relevante Gegebenheiten festzustellen.

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Abs. 3 Bst. a Der Bundesrat wird in den Ausführungsbestimmungen die Einzelheiten der Zugriffsberechtigung festlegen. Neben den einzusetzenden Technologien wird er insbesondere auch den Zugriff auf andere im elektronischen Urkundenregister vorhandene Daten, wie namentlich die Listen von Widerrufen nach Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe c E-DNG, und die Ausgestaltung der Zugriffsprotokolle nach Artikel 15 Absatz 2 E-DNG regeln.

Bst. b Ebenfalls Gegenstand der Ausführungsbestimmungen wird das konkrete Vorgehen beim Entzug des Zugriffs infolge Missbrauchs sein.

Art. 16

Gebühren für die Nutzung des elektronischen Urkundenregisters

Die Bestimmung sieht vor, dass Urkundspersonen oder die nach dem anwendbaren Recht zuständige Stelle für die Erfassung und Aufbewahrung einer elektronischen Originalurkunde im Urkundenregister eine Gebühr zu entrichten haben.

Gemäss Artikel 21 Absatz 3 E-DNG regelt der Bundesrat in einer Verordnung die Bemessungsgrundlage der Gebühren, die Haftung im Fall einer Mehrheit von Gebührenpflichtigen, die Rechnungsstellung sowie einen allfälligen Verzicht auf die Gebührenerhebung.

5.6

4. Abschnitt: Abruf von elektronischen Exemplaren und Erstellung von elektronischen Ausfertigungen und elektronische Beglaubigungen

Art. 17 Abs. 1 Dieser Absatz stellt die Verbindung her zwischen dem Zugriff auf die elektronischen Originale der öffentlichen Urkunden im Urkundenregister durch die Urkundsperson oder ihre Hilfspersonen (Art. 15 Abs. 1 Bst. a E-DNG) und der Funktionalität des Urkundenregisters, dass elektronische Exemplare elektronischer Originale öffentlicher Urkunden abgerufen werden können (vgl. Art. 14 Abs. 1 Bst. g E-DNG).

Abs. 2 Dieser Absatz legt fest, welche Formen elektronischer öffentlicher Urkunden die Urkundsperson erstellen kann. Es kann hierzu auf die Ausführungen zu Artikel 2 Absatz 1 E-DNG verwiesen werden.

Abs. 3 Das Verfahren zur Erstellung elektronischer Ausfertigungen und elektronischer Beglaubigungen wird heute bereits in der EÖBV geregelt (vgl. Art. 10 ff. EÖBV).

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Absatz 3 verdeutlicht, dass sämtliche elektronischen öffentlichen Urkunden (elektronische Ausfertigungen und auch elektronische Beglaubigungen) nebst der elektronischen qualifizierten Signatur der Urkundsperson (vgl. die Ausführungen zu Art. 8 E-DNG) einen Nachweis enthalten müssen, wonach die Urkundsperson im Zeitpunkt der Erstellung der elektronischen öffentlichen Urkunde dazu befugt war.

5.7

5. Abschnitt: Erstellung von Ausfertigungen und Beglaubigungen auf Papier von elektronischen Dokumenten

Art. 18 Abs. 1 Dieser Absatz bestimmt, dass Urkundspersonen von elektronischen Originalen öffentlicher Urkunden Ausfertigungen und beglaubigte Kopien in Papierform erstellen können.

Abs. 2 Urkundspersonen können bereits heute Beglaubigungen eines auf Papier ausgedruckten elektronischen Dokuments erstellen (vgl. Art. 1 Abs. 1 Bst. c und 17 EÖBV).

Absatz 2 regelt diese Möglichkeit nun auf Stufe Bundesgesetz.

Abs. 3 Während das DNG die elektronischen öffentlichen Urkunden zum Gegenstand hat, sind es die Kantone, die die Beurkundung auf Papier regeln (vgl. Erläuterungen zu Art. 2 Abs. 1 und 4 E-DNG). Definiert der Bund die elektronische öffentliche Urkunde und insbesondere ihre technischen Elemente, so muss er auch definieren, worauf die Urkundsperson in Anwendung technischer Hilfsmittel zu achten hat, wenn sie, ausgehend von elektronischen öffentlichen Urkunden, öffentliche Urkunden auf Papier erstellen möchte (vgl. Erläuterungen zu Art. 2 Abs. 2 E-DNG).

5.8

6. Abschnitt: Vereinheitlichung digitaler Prozesse

Art. 19 Abs. 1 Mangels Alternativen werden heute die Angaben von Anmeldungen von den Registerämtern in der Regel einfach abgeschrieben, was zeitaufwendig, mühsam und fehleranfällig ist. Zur Effizienzsteigerung soll in solchen Fällen geprüft werden, inwiefern strukturierte und maschinenlesbare Formate eingesetzt werden können.

Strukturiert formatierte Anmeldungsinformationen könnten die Registerämter mittels Knopfdruck in ihre informatisierten Systeme überführen. Dadurch gewinnen die Registerämter mehr Zeit für ihre eigentliche Kernaufgabe: die rechtliche Prüfung der Anmeldungen.

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Das Arbeiten mit strukturierten Daten bedingt Vereinheitlichungen und Standardisierungen. Weisen die Angaben der Anmeldungen nicht einheitliche oder vereinheitlichte, sondern heterogene Datenstrukturen auf, so werden die Registerämter nicht in der Lage sein, die massgeblichen Angaben in das eigene informatisierte System einzulesen.

Der Bundesrat soll deshalb gestützt auf Absatz 1 einheitliche Schnittstellen, Formate und Standards für die unter den Buchstaben a und b nicht abschliessend aufgeführten elektronischen Dokumente festlegen, die im Rahmen des elektronischen Geschäftsverkehrs eingesetzt werden.

Vor dem Hintergrund, dass eine solche Aufgabenstellung eine präzise Analyse der vielschichtigen Gegebenheiten sowie eine feine Abstimmung der konkreten Abläufe erfordert, sollen die Kantone bei diesen Arbeiten einbezogen werden.

Bst. a Die Vereinheitlichung soll zunächst diejenigen Dokumente betreffen, die die Urkundsperson typischerweise den Grundbuch-, Handelsregister- oder Zivilstandsbehörden zustellt. Die Aufzählung ist nicht abschliessend.

Bst. b Sodann sollen auch Zustellungen der Grundbuch-, Handelsregister- und Zivilstandsbehörden an die Urkundspersonen vereinheitlicht und standardisiert werden. Auch hier ist die Aufzählung der Dokumente nicht abschliessend.

Abs. 2 Die Vereinheitlichung digitaler Prozesse bedarf einer äusserst detaillierten Analyse der unterschiedlichsten Prozesse auf den verschiedensten Ebenen. Unter Berücksichtigung der damit einhergehenden Komplexität der Aufgabenstellung kann ein solches Vorhaben nur funktionieren, wenn Spezialistinnen und Spezialisten aus unterschiedlichen Rechts- und Technikbereichen ihr Wissen zusammenführen. Absatz 2 sieht daher vor, dass das EJPD die Zusammensetzung, die Einsetzung und die Aufgaben von Fachkommissionen regeln soll. Das EJPD wird dabei prüfen müssen, wie die Fachgruppen am besten zusammenzustellen sind, damit bereits existierende Resultate und gemachte Erfahrungen in den jeweiligen Bereichen in die Arbeiten einfliessen und so Synergien gebildet werden können.

5.9

7. Abschnitt: Technische Hilfsmittel

Art. 20 Abs. 1 Gestützt auf diesen Absatz kann der Bund die für die Erstellung von elektronischen öffentlichen Urkunden nötigen technischen Hilfsmittel bereitstellen.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Urkundsperson das elektronische Original der öffentlichen Urkunde in Zukunft direkt auf der Infrastruktur des elektronischen Ur-

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kundenregisters erstellt. In diesem Fall würde der Datenfluss zwischen der Infrastruktur der Urkundsperson und derjenigen des Urkundenregisters wegfallen, weil sich das elektronische Original der öffentlichen Urkunde bereits im Urkundenregister befindet und ein «Erfassen» der Datei damit entfällt. Deshalb soll der Bundesrat insbesondere vorsehen können, dass den Urkundspersonen auch innerhalb des Urkundenregisters technische Hilfsmittel für die Erstellung elektronischer öffentlicher Urkunden und elektronischer Beglaubigungen bereitgestellt werden.

Gemäss der geltenden EÖBV können elektronische öffentliche Urkunden validiert werden (vgl. Art. 19 EÖBV und Art. 17 EÖBV-EJPD). Absatz 1 schafft nun in Bezug auf die Validation elektronischer öffentlicher Urkunden eine Grundlage auf Gesetzesstufe.

Abs. 2 Nach geltendem Recht erfolgt der elektronische Nachweis der Berechtigung von Urkundspersonen zur Erstellung von elektronischen öffentlichen Urkunden auf der Grundlage des UPReg (vgl. Art. 5 ff. EÖBV). Es wird zu prüfen sein, ob für den Nachweis der Berechtigung die bereits bestehenden Hilfsmittel Einsatz finden sollen oder spezifische, auf das elektronische Urkundenregister zugeschnittene Lösungen zu schaffen sind. Absatz 2 schafft für den Nachweis der Berechtigung eine allgemeine Grundlage auf bundesgesetzlicher Ebene.

Abs. 3 Die Regelung der Gebühren durch den Bundesrat für die Nutzung der technischen Hilfsmittel richtet sich nach Artikel 46a RVOG.

5.10

8. Abschnitt: Erlass von Bestimmungen durch den Bundesrat

Art. 21 Abs. 1 Die gesetzlichen Bestimmungen zum Verfahren über die Erstellung elektronischer öffentlicher Urkunden sowie alle damit zusammenhängenden nötigen Voraussetzungen sind bewusst technologieneutral formuliert. Mit dem Erlass der detaillierten Bestimmungen und Konkretisierungen, die den jeweiligen Stand der Technik berücksichtigen, wird der Bundesrat betraut.

Der Bundesrat ist bereits heute (Art. 55a Abs. 4 SchlT ZGB) ermächtigt, Ausführungsbestimmungen zu erlassen, welche die Interoperabilität der Informatiksysteme sowie die Integrität, Authentizität und Sicherheit der Daten gewährleisten. Da Artikel 55a SchlT ZGB aufgehoben wird, findet sich die entsprechende Bestimmung neu in Artikel 21 Absatz 1 Buchstabe f E-DNG.

Abs. 2 Wenn es für die einheitliche Rechtsanwendung oder zur Umsetzung einer technischen Lösung erforderlich ist, kann der Bundesrat den Einsatz von bestimmten technischen 37 / 44

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Hilfsmitteln, Datenformaten oder elektronischen Signaturen vorschreiben. Zu denken ist in diesem Zusammenhang etwa an Vorschriften über das zu verwendende Datenformat der elektronischen Originale öffentlicher Urkunden.

Abs. 3 Es kann auf die Erläuterungen zu Artikel 16 E-DNG verwiesen werden.

5.11 Art. 22

9. Abschnitt: Schlussbestimmungen Änderung eines anderen Erlasses

Geändert respektive aufgehoben werden die Artikel 55 und 55a SchlT ZGB. Die geltende Fassung von Artikel 55 Absatz 1 SchlT ZGB geht davon aus, dass die Kantone bestimmen, in welcher Weise auf ihrem Gebiet die öffentliche Beurkundung hergestellt wird. Die neue Formulierung bewirkt keine Änderung dieser Situation, sondern ist als redaktionelle Bereinigung zu verstehen. Bereits heute regelt das Bundesrecht die Erstellung elektronischer öffentlicher Urkunden (Art. 55a SchlT ZGB und EÖBV sowie EÖBV-EJPD).

Die elektronische öffentliche Beurkundung wird neu im DNG geregelt, weshalb Artikel 55a SchlT ZGB aufgehoben werden kann.

Art. 23

Referendum und Inkrafttreten

Das DNG untersteht dem fakultativen Referendum.

Der Bundesrat wird das Datum des Inkrafttretens bestimmen. Das DNG soll gleichzeitig mit den zu erlassenden Ausführungsbestimmungen in Kraft treten.

6

Auswirkungen

6.1

Auswirkungen auf den Bund

6.1.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen auf den Bund

Der Erlass des DNG wird aufgrund des bereitzustellenden zentralen elektronischen Urkundenregisters finanzielle und personelle Auswirkungen haben.

6.1.1.1

Entwicklung des Systems

Für das elektronische Urkundenregister muss ein System entwickelt und aufgebaut werden, welches so bisher noch nicht existiert. Das Urkundenregister soll die darin gespeicherten elektronischen Dokumente dauernd revisionssicher, lesbar und vor un-

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befugtem Zugang sicher aufbewahren. Das System des Urkundenregisters muss ständig verfügbar sein und gewährleisten, dass die darin enthaltenen elektronischen Dokumente einzig den Berechtigten angezeigt werden.

Aufgrund von Erfahrungswerten ist davon auszugehen, dass die Investitionskosten für die Entwicklung eines zentralen elektronischen Urkundenregisters ungefähr zehn Millionen Schweizer Franken betragen werden. Für die Initialisierung und das Konzept wird mit einem Betrag von einer Million Schweizer Franken gerechnet, für die Realisierung und die Einführung mit einem Betrag von neun Millionen Schweizer Franken.

Der Aufbau der Infrastruktur erfolgt idealerweise durch das Informatik-Service-Center des EJPD (ISC-EJPD).

Die genannten Kosten basieren auf einer Grobkostenschätzung. Aufgrund des Umfangs des Projekts und des betrachteten Zeitraums können die Kosten im jetzigen Zeitpunkt nicht genauer beziffert werden. Die voraussichtlichen Kosten können erst detailliert ausgewiesen werden, wenn das Gesetz durch das Parlament definitiv beraten wurde und die erforderlichen Ausführungsbestimmungen feststehen. Es ist zudem davon auszugehen, dass die Errichtung des elektronischen Urkundenregisters eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt. Eine absolut zuverlässige Vorhersage über die Preisentwicklung der IT-Produkte (Soft- und Hardware) sowie der IT-Dienstleistungen über einen längeren Zeitraum ist nicht möglich. Der effektive Bedarf ist anlässlich der Ausarbeitung der Ausführungsbestimmungen nochmals kritisch zu überprüfen.

6.1.1.2

Betrieb des elektronischen Urkundenregisters

Die Betriebskosten betragen voraussichtlich drei Millionen Schweizer Franken. Sie setzen sich aus den Wartungskosten für die Software des entwickelten Systems, Kosten für den technischen Betrieb sowie aus Personalkosten und den Abschreibungen zusammen.

6.1.1.3

Personal

Um einen sicheren und verlässlichen Betrieb des elektronischen Urkundenregisters garantieren zu können, werden voraussichtlich zehn Vollzeitstellen benötigt.

Die Aufgaben des Personals bestehen im Wesentlichen darin, die Applikation zu führen und weiterzuentwickeln, die Zugriffsberechtigungen zu erteilen und zu verwalten sowie den generellen Support der Benutzerinnen und Benutzer sicherzustellen. Bei den zu betreuenden Benutzerinnen und Benutzern handelt es sich in erster Linie um Urkundspersonen und deren Hilfspersonen.

Die detaillierten Kosten und der effektive Personalbedarf werden nach der parlamentarischen Beratung und der Ausarbeitung der Ausführungsbestimmungen nochmals kritisch überprüft und dem Bundesrat beim Entscheid über die Inkraftsetzung des DNG und der erforderlichen Ausführungsbestimmungen vorgelegt.

Die zehn Vollzeitstellen und deren Aufgaben werden im Folgenden im Einzelnen beschrieben: 39 / 44

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Compliancestelle Die auf der Compliancestelle tätigen Personen (zwei Vollzeitstellen) werden die formellen Voraussetzungen für die Registrierung der Nutzerinnen und Nutzer schaffen und die dazu notwendigen Vereinbarungen vorbereiten. Sie werden nach Rücksprache mit den Anwendungsverantwortlichen ein technisch-organisatorisches Verfahren für die Erteilung und den Entzug der Zugriffsberechtigung entwickeln und die regelkonforme Nutzung des Systems überwachen müssen. Sie haben sicherzustellen, dass die Entwicklung des elektronischen Urkundenregisters den jeweils geltenden technischen Standards entspricht und die geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden.

Verantwortliche für den Betrieb der Anwendung Die für den Betrieb der Anwendung verantwortlichen Personen (drei Vollzeitstellen) werden den operationellen Betrieb des elektronischen Urkundenregisters führen, dessen Weiterentwicklung zusammen mit der Compliancestelle planen und umsetzen, den Kontakt zu den Softwareentwicklerinnen und Softwareentwicklern sowie zu internen und externen Stakeholdern pflegen. Sie werden zudem Schulungen organisieren sowie die Compliancestelle und die Supportstelle bei deren Massnahmen unterstützen.

Supportverantwortliche Fünf Supportstellen (fünf Vollzeitstellen) werden alle Supportanfragen beantworten.

Sie werden das Wissen aus den Supporterfahrungen systematisch ablegen und jeweils Reports zuhanden der Anwendungsverantwortlichen verfassen, damit diese erkennen können, welche Probleme die Supportanfragen verursachen.

6.1.1.4

Gebührenfinanzierung

Es wird angestrebt, dass die Kosten für den Betrieb des elektronischen Urkundenregisters nach zwei Jahren durch Gebühren gedeckt werden. Artikel 16 E-DNG schafft dafür die notwendige gesetzliche Grundlage.

Für die Inanspruchnahme der Leistungen des Urkundenregisters sollen die Nutzerinnen und Nutzer eine möglichst kostendeckende Gebühr entrichten. Bis die Kosten vollumfänglich durch Gebühren finanziert sind, trägt der Bund die Kosten, die über den Gebrauch hinaus anfallen. Sobald die kostendeckende Gebührenfinanzierung erreicht wird, reduziert sich die erhobene Gebühr anteilmässig, sodass die Einnahmen aus der Gebühr die Kosten nicht übersteigen werden.

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6.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Die Art und Weise der öffentlichen Beurkundung wird heute im Wesentlichen durch die Kantone bestimmt. Im Bereich der elektronischen öffentlichen Beurkundung bestehen bereits bundesrechtliche Vorschriften. Mit der Einführung des DNG werden die kantonalen Erlasse zum Beurkundungsrecht teilweise angepasst werden müssen.

Zum anderen ist den Urkundspersonen, die sich in einem Anstellungsverhältnis zum Kanton befinden, die Umstellung auf die elektronische öffentliche Beurkundung sowohl in technischer wie auch in administrativer Hinsicht zu ermöglichen.

Die Einführung des elektronischen Urkundenregisters mit der gleichzeitigen Verpflichtung der Urkundspersonen, die elektronischen Originale öffentlicher Urkunden im Urkundenregister zu erfassen und aufzubewahren, zieht Gebührenfolgen nach sich.

Eine Überwälzung der anfallenden Gebühren auf die Urkundsparteien ist jedoch denkbar.

Die Kantone haben zu prüfen, welche Kosteneinsparungen sich aus der Einführung des elektronischen Originals und der Verwendung des zentralen elektronischen Urkundenregisters bei ihren kantonalen Urkundspersonen ergeben, und die Gebührenerlasse entsprechend anzupassen.

6.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Geschäfte, die dem Formerfordernis der öffentlichen Beurkundung unterstehen, sollen in Zukunft vollständig elektronisch und damit effizienter abgewickelt werden können. Sichere, geregelte und insbesondere einheitliche Verhältnisse auch im Bereich der elektronischen Beurkundung tragen zur Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Schweiz und zu seiner Wettbewerbsfähigkeit bei.

Freiberuflich tätige Urkundspersonen haben die notwendigen technischen Systeme zu beschaffen, damit sie elektronisch öffentlich beurkunden können. Dies wird einen Initialaufwand bei den Urkundspersonen zur Folge haben.

6.4

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Die Tatsache, dass in Zukunft die Originale der öffentlichen Urkunden auch in elektronischer Form erstellt werden können, soll langfristig gesehen dazu führen, dass gewisse Prozess vermehrt vollständig elektronisch ablaufen. Das bedeutet beispielsweise, dass nach der Erstellung des elektronischen Originals einer öffentlichen Urkunde das Geschäft direkt auf elektronischem Weg beim Handelsregisteramt oder beim Grundbuchamt angemeldet werden kann.

Für die an den Rechtsgeschäften beteiligten Privatpersonen bedeutet dies, dass Geschäfte rascher, effizienter und als Folge davon kostengünstiger abgewickelt werden können.

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6.5

Auswirkungen auf die Umwelt

Die Vorlage hat keine direkten Auswirkungen auf die Umwelt. Grundsätzlich sollte ein vermehrter Wechsel von physischer zu elektronischer Abwicklung von Geschäften allerdings per Saldo Ressourcen einsparen und sich entsprechend vorteilhaft für die Umwelt auswirken.

7

Rechtliche Aspekte

7.1

Verfassungsmässigkeit

Der Gesetzesentwurf stützt sich auf Artikel 122 Absatz 1 BV, der dem Bund die Kompetenz zur Gesetzgebung auf dem Gebiet des Zivilrechts und des Zivilprozessrechts gibt.

7.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Schweiz ist an keine internationalen Verpflichtungen gebunden, die ihren Handlungsspielraum auf dem Gebiet des innerstaatlichen Beurkundungsrechts einschränken.

7.3

Erlassform

Ausgehend von Gegenstand, Inhalt und Tragweite des Gesetzgebungsprojektes ist es aufgrund von Artikel 164 Absatz 1 BV notwendig, die Bestimmungen über das elektronische Original der öffentlichen Urkunde und das zentrale elektronische Urkundenregister in der Form eines Bundesgesetzes zu erlassen.

7.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Mit der Vorlage werden weder neue Subventionsbestimmungen (die Ausgaben über einem Schwellenwert nach sich ziehen) geschaffen, noch neue Verpflichtungskredite (mit Ausgaben über einem der Schwellenwerte) beschlossen. Die Vorlage ist somit nicht der Ausgabenbremse (Art. 159 Abs. 3 Bst. b BV) unterstellt.

7.5

Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz

Es hat sich im Rahmen des elektronischen Geschäftsverkehrs gezeigt, dass im technischen Bereich auch kleinste Änderungen mit den involvierten Parteien zu besprechen 42 / 44

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und zu koordinieren sind, damit die Interoperabilität von Systemen gewährleistet werden kann. Dies führt zu einem enormen Abstimmungsbedarf und in der Regel auch zu höheren Kosten. Beides kann durch eine einheitliche Lösung minimiert werden. Dementsprechend ist davon abzusehen, dass (in den Kantonen) verschiedene elektronische Urkundenregister für die Aufbewahrung der elektronischen Originale der öffentlichen Urkunden geführt werden. Im Sinne der Effizienz ist ein einziges zentrales elektronisches Urkundenregister zu betreiben.

7.6

Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes

Das DNG sieht keine Finanzhilfen oder Abgeltungen vor. Auf weitere Ausführungen kann daher verzichtet werden.

7.7

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Um möglichst rasch auf technische Entwicklungen reagieren zu können, sollen die Voraussetzungen für die einzuhaltenden Prozesse sowie die technischen Vorgaben und Standards auf Verordnungsebene geregelt werden. Der vorliegende Gesetzesentwurf enthält daher verschiedene Bestimmungen, die dem Bundesrat die Befugnis erteilen, Verordnungsrecht zu erlassen. Diese Bestimmungen verpflichten den Bundesrat, Details zu regeln (wie etwa die Einzelheiten zur Erteilung der Zugriffsberechtigungen oder die einheitlichen Schnittstellen und Formate), denen vollziehender Charakter zukommt.

7.8

Datenschutz

Werden Zugriffberechtigungen vergeben, so erhöht dies die Gefahr des Missbrauchs von Daten für gesetzlich nicht vorgesehene Zwecke. Verschiedene Massnahmen sollen dieser Gefahr entgegenwirken: ­

Die Personen und Behörden, welchen die Zugriffsberechtigung auf das Urkundenregister erteilt werden kann, werden eindeutig bezeichnet (Art. 15 Abs. 1 E-DNG).

­

Bei den einzelnen Personen und Behörden, welche eine Zugriffsberechtigung erhalten können, wird zudem präzisiert, für welche Aufgaben ein solcher Zugriff erfolgen kann (Art. 15 Abs. 1 E-DNG).

­

Die Protokollierung der Zugriffe erlaubt es, festzustellen, welche Personen innerhalb eines bestimmten Zeitraums Zugriffe auf welche elektronischen Dokumente hatten (Art. 15 Abs. 2 E-DNG).

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Literaturverzeichnis Brückner Christian, Schweizerisches Beurkundungsrecht, Zürich 1993.

Brückner Christian, Vereinheitlichung des notariellen Beurkundungsverfahrens, in: Schweizerischer Notarenverband SNV (Hrsg.), Aktuelle Themen zur Notariatspraxis, 4. Schweizerischer Notariatskongress, Band 4, Wabern/Bern 2018 (zit. Brückner, Notariatspraxis), S. 59 ff.

Huber Hans, Die öffentliche Beurkundung als Begriff des Bundesrechts, Schweizerische Zeitschrift für Beurkundungs- und Grundbuchrecht (ZBGR) 69/1988, S. 228 ff.

Jeandin Etienne, La profession de notaire, Genève/Zurich/Bâle 2017.

Marti Hans, Notariatsprozess, Grundzüge der öffentlichen Beurkundung in der Schweiz, Bern 1989.

Mooser Michel, Le droit notarial en Suisse, 2. Auflage, Bern 2014.

Pohlmann Norbert, Cyber-Sicherheit, Wiesbaden 2019.

Wudarski Arkadiusz/Szerkus Oscar, Digitalisierung des deutschen Notariats ­ eine rechtsvergleichende Betrachtung, in: Schweizerischer Notarenverband SNV (Hrsg.), Aktuelle Themen zur Notariatspraxis, 4. Schweizerischer Notariatskongress, Band 4, Wabern/Bern 2018, S. 164 ff.

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