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Bundesrathsbeschluss über

den Rekurs des Casimir Ditzler-König, von Dornach (Solothurn), wohnhaft in Rheinfelden (Aargau), für sich und Familie, gegen die Schlußnahme der Regierung des Kantons Aargau betreffend Ausweisung wegen Inanspruchnahm der öffentlichen Wohltätigkeit infolge von Dürftigkeit.

(Vom 25. Januar 1889.)

Der schweizerische H u u d es r a th hat in Sachen des Casimir Ditzler-Köuig von Dornach (Solothurn), wohnhaft in Rheinfelden (Aargau), für sich und Familie, gegen die Schlußnahme der Regierung des Kantons Aargau betreffend Ausweisung wegen Inanspruchnahme der öffentlichen Wohlthätigkeit, infolge von Dürftigkeit; auf den Bericht des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepar-tements und nach Feststellung folgenderaktenmässiger-r Sachverhältnisse : I. Am 19. März 1888 beschloß die aargauische Regierung die Ausweisung der in Rheinfelden wohnenden Familie DitzlerKönig von Dornach (Solothurn). bestehend aus dem (erblindeten) Ehemann und Vater, dessen Frau und 5 kleinen Kindern, mit der Begründung, daß dieselben der öffentlichen Wohlthätigkeit zur Last fielen und von der Heimatgemeinde nicht genügend unterstützt würden.

Die Regierung des Kantons Solothurn beantwortete die ihr gleichen Tages gemachte Mittheilung des Ausweisungsbeschlusses unterm 3. April mit der Eröffnung, daß der Gemeinderath von Dornach (laut Anzeige vom 29. März) beschlossen habe, die Familie in ihrer Heimatgemeinde zu verpflegen.

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II. Am 3. Mai fand die faktische Ausweisung statt. Allein schon Tags darauf stellte sich die Familie Ditzler wieder in Rheinfeld ein, vorgebend, daß sie in Dornach kein Logis gefunden habe, während sie doch in Rheinfelden ein Wohnungsrecht besitze.

Unter Abgabe des Versprechens, die öffentliche Wohlthätig keit nie mehr in Anspruch nehmen zu wollen, stellte dann Frau Ditzler das Gesuch, es möchte ihr und ihrer Familie der weitere Aufenthalt in Rheinfelden gestattet und der Ausweisungsbeschluss zurückgezogen werden. Der Regierungsrath von Aargau beschloß jedoch, da Gemeinderath und Bezirksamt Rheinfelden auf der Ausweisung beharrten, am 25. Mai, es sei dem von FrauDitzlerr eingereichten Gesuche nicht zu entsprechen und die Ausweisung aufrecht zu halten.

III. Mit Zuschrift vom 29. Mai 1888 protestirt sodann der Gemeinderath von Dornach gegen den Ausweisungsbeschluß, indem er erklärte, er habe die jährliche Unterstützung von Fr. 250 auf Fr. 350 erhöht.

Hierauf verfügte die aargauische Regierung die einstweilige Aufschiebung der Ausweisung.

IV. Als am 15. September die aargauische Direktion des Innern der Regierung von Solothurn anzeigte, sie habe infolge von Klagen wegen Bettelhaftigkei der Kinder Ditzle die Vollziehung des Ausweisungsbschlusses angeordnet, übersandte die. Regierung von Solothurn derjenigen von Aargau mit Schreiben vom 24. September 1888 eine neue Protestation des Gemeinderath von Dornach Der letztere führte als alte und neue Argumente gegen die Ausweisung an : 1) Es sei nicht erwiesen, daß die Kinder Ditzler betteln gehen.

2) Er, der Gemeinderath, verpflichte sich, über den monatlichen Betrag von Fr. 29 hinaus noch angemessene weitere Unterstützungen zu verabfolgen.

3) Die Eheleute Ditzler hätten in Rheinfelden Verdienst, bezögen jährlich circa Fr. 160 Miethzins und genössen dort ein freies Wohnrecht.

Die Regierung von Aargau erwiderte der Regierung von Solothurn unterm 16. Oktober 1888, daß die Kinder Ditzler thatsächlich sowohl für sich als auch für ihre Eltern betteln gehen, daß die Unterstützung mindestens Fr. 18 wöchentlich betragen müsse, wenn die Familie Dilzlor sich in Rheinfelden ohne Bettel durchbringen solle, und daß der Gemeinderath von Rheinfelden

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sich mit Erklärung vom 20. September dem Gemeinderath Dornach gegenüber verpflichtet habe, den Ertrag des übrigens nur noch etwa 2 Jahre dauernden Wohnrechts (nach Abzug von je Fr. 40 für Reparaturkosten im Betrag von Fr. 1000) nach Dornach abzuliefern.

Demzufolge hielt zwar die aargauische Regierung den Ausweisungsbeschluß aufrecht, erklärte sich aber geneigt, denselben nicht zu vollziehen, sofern der Gemeinderath Dornach innerhalb 14 Tagen (vom Tage der durch die soloth urnisch Regierung demselb zuzustellenden Kundmachung an) sich zu einer wöchentlichen Unterstützung von Fr. 18 verpflichte.

V. Schon vor diesem Beschlüsse der aargauischen Regierung hatte Frau Ditzler-Köni den Rekurs an den Bundesrath ergriffen.

In ihren diesbezüglichen Eingaben vom 21. September und 1. Oktober machte sie geltend, man könne Schweizerbürger nicht ohne Weiteres ausweisen, zumal wenn dieselben an ihrem bisherigen Aufenthaltsorte ein Wohungsrecht besitzen und noch nie gerichtlich bestraft worden seien. In Rheinfelden könne ihr Ehemann immer noch einen kleinen Verdienst finden, was in der Heimatgemeinde Dornach nicht der Fall sei. Aus diesen Gründen und weil die bloße Thatsache einer zeitweiligen Unterstützung den Ausweisungsbeschluß nicht zu rechtfertigen vermöge, ersuche sie um Aufhebung desselben.

VI. Die Vernehmlassung der Regierung des Kantons Aargau au das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement datirt gleichfalls vom 16. Oktober 1888 und wiederholt die in der Zuschrift an die Regierung des Kantons Solothurn vom gleichen Tage enthaltenen Anbringen, mit dem Schlussantrage, es sei der Rekurs vom Bundesrathe abzuweisen.

VII. Das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement gab durch Zuschrift vom 24. Dezember 1888 der Regierung von Solothurn Gelegenheit, sich ihm gegenüber hinsichtlich des aargauischen Ausweisungsbschlusses ebenfalls vernehmen zu lassen.

Aus der Antwort der solothurnischen Regierung ergibt sich, daß dortseits die von Dornach faktisch ausgerichtete Unterstützung der Familie Ditzl von Fr. 29 im Monat = Fr. 348 im Jahr als den Verhältnissen a u g e m e s s e n betrachtet und einer Angabe des Gemeinderath Dornach gemäß angenommen wird, der Stadtammann von Rheinfelden habe die Anfangs ertheilte Zusicherung des Fortbestandes des Wohnrechtes nach dem Wegzug der Familie Ditzler, resp. der Zuwendung des Aequivalentes in Geld zurück-

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gezogen, auch die Meinung vorwaltet, die Bettelei der Kinder Ditzler beschränke sich auf einen einzigen nicht gravirende Fall.

Die Regierung von Aargau erwiderte hierauf mit Schreiben an das Departement vom 18. Januar 1889. Sie stellt neuerdings die Nothlag der Familie Ditzler und deren absolute Verdienstlosigkei (bei der Blindheit des Mannes) fest, gibt in amtlicher Abschrift di« Erklärung des Gemeinderath Rheinfelden vom 20. September 1888 zu den Akten, zufolge welcher während der noch zweijährigen Dauer des Wohnrechtes in dem zu Fr. 3200 geschätzten, in baulichem Zerfall begriffenen Hause eines vorehelichen Sohnes der Frau Ditzler der Familie Ditzler ein Miethzinsbetrag von circa Fr. 250 zugewendet werden soll, betont schließlich, daß bei den Verhältnissen der Eltern die Kinder ganz sicher der Verwahrlosung entgegengehen, so daß unter allen Umständen die heimatlichen Unterstützungen nicht den Eltern, sondern dem Bezirksamt als Armenbehörde zugesendet werden sollten, beharrt jedoch auf der Ausweisung und beantragt nochmals Abweisung des Rekurses; in Er w ä g u n g :

1) Es ist als erwiesen zu betrachten, daß die Eheleute Ditzler in Rheinfelden in Verhältnissen leben, welche sie zwingen, die öffentliche Wohltätigkeit für sich und ihre 5 kleinen Kinder wie bisher, ja in noch höher Grade, auch künftighin in Anspruch zu nehmen.

2) Die von der Heimatgemeinde gewahrte jährliche Unterstützung von circa Fr. 350 kann unter den obwaltenden Umständen nicht als eine angemessene angesehen werden; die Gemeinde hat aber trotz amtlicher Aufforderung zu einer höhern Leistung sich nicht herbeigelassen, h eschl ossen: 1. Der Rekurs wird als unbegründet abgewiesen.

2. Dieser Beschluß ist den Regierungen von Aargau und Solothurn zu Händen der betheiligten Bezirks- und Gemeindebehörden und der Frau Ditzler-Köni in Rheinfelden schriftlich mitzutheilen.

B e r n , den 25. Januar 1889.

Im Namen des schweizerischen Bundesrathes, D e r B u n d e Pp r ä s i d e n t :

Hammer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Kreisschreiben des

Bundesrathes an sämmtliche eidgenössische Stände, betreffend Verhängung der Quarantäne über Vieh österreichischungarischer Herkunft.

(Vom 27. März 1809.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

Wie Sie aus dem Bulletin Nr. 5 über die ansteckenden Krankheiten der Hausthiere entnehmen wollen, ist gegenwärtig der Viehstand eines großen Theiles der Ost- und Centralschweiz von der Maul- und Klauenseuche heimgesucht.

Wie bei frühem, so haben wir auch bei dieser Seucheneinschleppung durch die eidgenössischen Kommissäre untersuchen lassen, ob hiebei ein Verschulden unserer Grenzthierärzte vorliege.

Diese Untersuchung bestätigte auch diesmal, daß ein derartiges Verschulden nicht vorliegt, daß die Thiere erst einige Tage nach dem Uebertritt Ober die Grenze erkrankten, und dass dieselben somit die Krankheit im Zustande der Inkubation mitgebracht haben.

Es wurde ebenfalls nachgewiesen, daß die Seuche auch dieses Mal durch Thiertransport aus Oesterreich-Ungarn eingeschleppt wurde, welche kurz vorher mit dem Krankheitskeim in Berührung gekommen sein müssen.

Da eine Viehsperre gegen genanntes Reich infolge von Vertragsverhältnissen zur Zeit unzuläßig ist, gibt es kein anderes Mittel, unser Land vor fernerem Schaden möglichst zu bewahren, als das aus Oesterreich-Ungarn importirt Vieh, exklusive Thiere des Pferde-

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30.03.1889

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