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Bewilligung zur Gründung einer Steinwildkolonie am Stockhorn vom 11. Februar 2022

Wirtschafts-, Energie- und Umweltdirektion des Kantons Bern Amt für Landwirtschaft und Natur Schwand 17, 3110 Münsingen Gesuchsteller 1 in Bezug auf die Anträge 1 bis 3 und Departement für Sicherheit, Institutionen und Sport Dienststelle für Jagd, Fischerei und Wildtiere Rue Traversière 3, 1951 Sion Gesuchsteller 2 in Bezug auf die Anträge 4 und 5

A.

Sachverhalt

Mit Schreiben vom 16. September 2021 hat der Kanton Bern und mit Schreiben vom 17. Januar 2022 hat der Kanton Wallis beim Bundesamt für Umwelt (BAFU) folgende Anträge gestellt: 1.

Kt. BE: Erteilung der Bewilligung gemäss Artikel 14 Absatz 3 Bundesgesetz über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel vom 20. Juni 1986 (Jagdgesetz, JSG; SR 922.0) und Artikel 13 Absatz 2 Verordnung über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel (Jagdverordnung, JSV, SR 922.01) für den Fang und die Markierung/Besenderung sowie Beprobung von insgesamt 15 Steinböcken (7 Steinböcke, 8 Steingeissen) aus den Kolonien Brienzergrat und Schwarzmönch sowie Translokation der Steinböcke an den Auswilderungsort am Stockhorn;

2.

Kt. BE: Erteilung der Bewilligung gemäss Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe d JSG i.V.m. Artikel 3 Absatz 3 JSV für den Einsatz der für den Fang, die Markierungen, die Besenderung und Beprobung notwendigen verbotenen Hilfsmittel (z.B. Luftdruckwaffen, Betäubungsmittel);

3.

Kt. BE: Erteilung der Bewilligung gemäss Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b und Artikel 8 Absatz 2 JSV zur Aussetzung von maximal 30 Steinböcken aus dem Kanton Bern und Wallis am Stockhorn (Chummli 608 000 / 171 300) zwecks Gründung einer neuen Steinbockkolonie;

4.

Kt. VS: Erteilung der Bewilligung gemäss Artikel 14 Absatz 3 JSG und Artikel 13 Absatz 2 JSV für den Fang und die Markierung/Besenderung sowie

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Beprobung von insgesamt 15 Steinböcken (7 Steinböcke, 8 Steingeissen) aus der Kolonie Aletsch-Sonnenberge-Lötschental sowie Translokation der Tiere zum Auswilderungsort am Stockhorn; 5.

Kt. VS: Erteilung der Bewilligung gemäss Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe d JSG i.V.m. Art 3 Absatz 3 JSV für den Einsatz der für den Fang, die Markierungen, die Besenderung und Beprobung notwendigen verbotenen Hilfsmittel (z.B.

Luftdruckwaffen, Betäubungsmittel).

Das Gesuch des Kantons Bern betreffend die Ansiedlung einer neuen Steinwildkolonie im Gebiet Stockhorn geht zurück auf eine Anfrage des Vereins Freunde des Stockhorns und der Stockhornbahn AG. Das Jagdinspektorat hat die Idee geprüft und ist zu dem Schluss gekommen, dass die Gründung einer neuen Kolonie, zusammengesetzt aus Individuen aus verschiedenen Kolonien aus dem In-, und später auch aus dem Ausland, eine Chance sei, um die genetische Vielfalt des Berner Steinwildbestandes sowie des gesamten Schweizer Steinwildbestandes zu verbreitern, respektive aufzufrischen.

In der Folge wurde eine Lebensraumabklärung des Gebiets Stockhorn vorgenommen und potenzielle Winter- und Sommereinstände identifiziert und ausgeschieden. Der Kanton kam zum Schluss, dass sich das Gebiet für eine Steinwildkolonie in der Grösse von 100 bis 120 Tieren eignen würde.

Eine Voranfrage zur Gründung einer neuen Kolonie im Stockhorngebiet wurde am 2.

Juli 2019 vom BAFU positiv beantwortet. Das BAFU (Sektion Wildtiere und Artenförderung) hat in der Folge Dr. Iris Biebach und Prof. Dr. Lukas Keller der Universität Zürich damit beauftragt, den Gesuchsteller 1 bei der Auswahl genetisch geeigneter Spenderkolonien und Spenderindividuen zu beraten. Das Jagdinspektorat des Kantons Bern hat daraufhin ein Konzept zur Gründung der Steinwildkolonie am Stockhorn erstellt. Ebenfalls wurde eine Begleitgruppe gegründet, bestehend aus Vertretern der Wald- und Grundeigentümer, der Gemeinde Erlenbach i.Simmental, des lokalen Jagdvereins, der Stockhornbahn und des Vereins Freunde des Stockhorns, des Amtes für Wald und Naturgefahren, des Jagdinspektorats sowie einem Vertreter des Naturschutzes. Im Herbst 2019 erhielten alle Grund- und Waldeigentümer die Gelegenheit, sich zum Konzept zu äussern. Es wurden zusätzliche Gespräche durchgeführt, die zu Ergänzungen und Anpassungen im Konzept führten. Diese angepasste Konzeptversion wurde den Grund- und Waldeigentümern erneut zur Stellungnahme zugestellt. Zu diesem Zeitpunkt haben die Grund- und Waldeigentümer dem Projekt grossmehrheitlich zugestimmt.

Gemäss Empfehlungen von Dr. Iris Biebach und Prof. Dr. Lukas Keller der Universität Zürich, eignen sich für eine erste Aussetzungsphase Spendertiere aus den Kolonien Brienzergrat und Schwarzmönch im Kanton Bern sowie aus der Kolonie Aletsch-Sonnenberge-Lötschental
im Kanton Wallis. Diese Kolonien weisen unter den Schweizer Kolonien die höchste genetische Vielfalt auf.

Zusätzlich empfehlen die Experten nach 10 Jahren, wenn möglich Steinböcke aus Frankreich oder Italien anzusiedeln, um die genetische Basis der neuen Kolonie erneut zu verbreitern.

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Für die erste Phase der Neugründung wird mit voraussichtlich 5 Aussetzungsjahren gerechnet, abhängig vom jeweiligen Fangerfolg im Frühling. Insgesamt sollen in dieser Phase aus der Kolonie Aletsch-Sonnenberge-Lötschental 15 Steinböcke (7 Steinböcke, 8 Steingeissen) und aus den Kolonien Brienzergrat und Schwarzmönch insgesamt 15 Steinböcke (7 Steinböcke, 8 Steingeissen) am Stockhorn (Chummli 608 000 / 171 3000) angesiedelt werden.

Dem Gesuch des Kantons Bern wurde das Konzept zur Gründung der Steinbockkolonie am Stockhorn ebenso wie die wissenschaftlichen Grundlagen zur Optimierung der Auswahl der Spendertiere beigelegt.

B.

Erwägungen

1.

Rechtliches

Nach Artikel 7 Absatz 1 JSG sind alle Tiere, die nicht zu einer jagdbaren Art nach Artikel 5 Absatz 1 JSG gehören, geschützt, so auch der Steinbock.

Wer Tiere geschützter Arten ansiedeln will, benötigt nach Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b und Artikel 8 Absatz 2 JSV eine Bewilligung des BAFU. Die Bewilligung wird gemäss den rechtlichen Vorgaben nur erteilt, wenn ein genügend grosser artspezifischer Lebensraum vorhanden ist, rechtliche Vorkehren zum Schutz der Art getroffen worden sind und weder Nachteile für die Erhaltung der Artenvielfalt und die genetische Eigenart noch für die Land- und Forstwirtschaft entstehen.

Wer freilebende, geschützte Tiere fangen und markieren will, braucht gemäss Artikel 14 Absatz 3 JSG i.V.m. Artikel 13 Absatz 2 JSV ebenfalls eine Bewilligung des BAFU. Das BAFU kann die Bewilligung erteilen, sofern die Aktionen zur Markierung wissenschaftlichen Zwecken oder der Erhaltung der Artenvielfalt dient. Nach Artikel 8 Absatz 3 i.V.m. Artikel 13 Absatz 4 JSV müssen Tiere, die ausgesetzt werden, markiert und gemeldet werden.

Das Einfangen von Steinwild setzt die Verwendung verbotener Hilfsmittel im Sinne von Artikel 3 Absatz 4 JSG i.V.m. Artikel 2 JSV voraus (z.B. Luftdruckwaffen, Betäubungsmittel) und braucht deswegen eine Bewilligung des Bundes nach Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe d JSG. Nach Artikel 3 Absatz 3 JSV kann das BAFU den Einsatz verbotener Hilfsmittel für wissenschaftliche Untersuchungen und für Markierungsaktionen bewilligen.

2.

Beurteilung

2.1

Situation des Steinbocks in der Schweiz

Im frühen 19. Jahrhundert war der Steinbock im ganzen Alpenraum nahezu vollständig ausgerottet. Am 8. Mai 1911 wurden die ersten Steinböcke im Weisstannental im Kanton St. Gallen wieder ausgewildert. Ab 1914 erfolgten Aussetzungen auch in anderen Gebieten der Schweizer Alpen. Die ersten Wildfänge aus Schweizer Kolonien zwecks Umsiedlung erfolgten 1938. Seit dem Jahr 2000 hat der Steinbockbestand lau-

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fend zugenommen und beträgt heute rund 18 000 Tiere. Jährlich wurden seither zwischen 900 und 1200 Tiere im Rahmen der nach Artikel 7 Absatz 3 JSG vorgesehenen Regulationsmöglichkeiten erlegt. Im ganzen Alpenraum leben derzeit um die 40 000 Steinböcke.

Wenn auch die Populationsgrössen erfreuliche Ausmasse angenommen haben, so ist die genetische Vielfalt weiterhin sehr gering, da die Anzahl der Gründertiere limitiert war. Die Inzuchtdepression ist noch nicht bedrohlich. Doch die Situation wird sich vermutlich in Zukunft verschärfen, wenn weitere Steinbockgenerationen vergehen und die Inzucht weiter ansteigen wird. Die Auffrischung der einzelnen Kolonien durch den Austausch von Tieren aus genetisch entfernten Kolonien und später auch mit Tieren aus Frankreich oder Italien ist aus Sicht der Reduktion künftiger Inzuchtprobleme sinnvoll. Die Gründung einer neuen Kolonie am Stockhorn fördert die genetische Biodiversität der Schweizer Steinwildbestände und ist daher aus Sicht eines gesunden Steinwildbestandes in der Schweiz begrüssenswert.

2.2.

Anträge des Kantons Bern

2.2.1 Zu Antrag 1 und 2 Das Projekt Gründung einer Steinbockkolonie am Stockhorn im Kanton Bern dient der Erhaltung der Artenvielfalt in der Schweiz.

Für den Fang, die Markierung und den Transport der für die Gründung benötigten Spendertiere aus den Kolonien Brienzergrat und Schwarzmönch bedarf es des Einsatzes von gemäss Artikel 2 JSV verbotenen Hilfsmitteln. Das BAFU kann den Einsatz verbotener Hilfsmittel zum Zwecke von Markierungsaktionen gemäss Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe d JSG i.V.m. Artikel 3 Absatz 3 JSV bewilligen. Die zu entnehmenden Tiere werden mit dem Narkosegewehr immobilisiert und veterinärmedizinisch untersucht. Den Tieren werden Proben (Blut und Gewebe) entnommen und sie werden mit Ohrmarken individuell markiert. In den Transportkisten wird den Tieren ein Gegenmittel gespritzt. Die Durchführung der Fänge und der Markierungen sowie die Beprobung der Tiere erfolgt durch geschulte Wildhüter des Kantons Bern unter veterinärmedizinischer Begleitung. Dies garantiert ein möglichst professionelles und tierschonendes Arbeiten während der Fang-, Markierungs- und Translokationsarbeiten, sowie den fachgerechten Einsatz der bestgeeigneten Betäubungsmittel. Die Vorkehrungen für eine erfolgreiche und sichere Durchführung der beantragten Feldarbeiten sind somit gewährleistet.

Die Vollzugshilfe «Fang, Markierung und Beprobung von freilebenden Wildtieren» (Gerner, 2018) macht konkrete Vorgaben zum Einsatz der nach Artikel 2 JSV verbotenen Hilfsmittel und ist vom Kanton zu beachten. Bei Beachtung dieser Vorgaben, ist ein professioneller Umgang mit verbotenen Hilfsmittel gewährleistet.

Durch die Entnahme von Steinböcken aus der Kolonie Aletsch-SonnenbergeLötschental entstehen zudem auch keine Nachteile oder Gefährdungen für die Spenderkolonien, weder hinsichtlich der Koloniegrösse, noch der genetischen Basis.

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Die Voraussetzungen für eine Bewilligung für Fang und Markierung der Spendertiere gemäss Artikel 14 Absatz 3 JSG und Artikel 13 Absatz 2 JSV sowie für die Bewilligung für den Einsatz verbotener Hilfsmittel gemäss Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe d JSG i.V.m. Artikel 3 Absatz 3 JSV sind folglich erfüllt.

Die gefangenen und umgesiedelten Tiere sind im Rahmen allfällig stattfindender Steinwild-Reduktionsabschüsse gemäss Artikel 7 Absatz 3 JSG in den Spenderkolonien als Abgänge zu vermerken und den Regulationsabschüssen entsprechend anzurechnen.

2.2.3 Zu Antrag 3 Die Gründung der neuen Steinwildkolonie am Stockhorn ist insbesondere auch in genetischer Hinsicht eine begrüssenswerte Verbesserung der Inzuchtsituation der Steinböcke in der Region und in der Schweiz, das Reservoir an genetischer Basis wird insgesamt vergrössert. Die Anzahl, Auswahl und das Geschlechterverhältnis sowie die Herkunft der zu fangenden Tiere ist wissenschaftlich begründet und stützt sich auf eine entsprechende Empfehlung von Spezialisten der Universität Zürich. Es ist gewährleistet, dass für die Fangaktion die bestmögliche Auswahl von Gründertieren berücksichtigt wird. Somit sind auch die Erfolgschancen, auch im Hinblick auf die genetische Basis der neuen Kolonie, gewährleistet.

Die Abklärung der Wildhüter betreffend des für die neue Steinbockkolonie verfügbaren Lebensraums ist in Form einer Karte und Fotos mit dem potenziellen Sommereinstand und den darin verteilten Wintereinständen vorhanden. Das Gebiet umfasst das Stockhorn und reicht gegen Westen bis zum «Sefenstock» und «Loherehürli», umfasst südlich des Stockhorns die «Mieschflueh» und «Walpersbergflue» und erstreckt sich gegen Osten bis hin «Wisseflueh».

Die Kapazität des in Frage kommenden Gebiets würde für rund 100 bis 120 Tiere reichen. Im Rahmen der Lebensraumbeurteilung wurden auch die unterschiedlichen Ansprüche an Winter- und Sommereinstände berücksichtigt.

Auch bestehen auf bundesrechtlicher Stufe Vorkehrungen zum Schutz der Art. Der Steinbock gilt als geschützte Art und kann daher nicht gejagt werden. Eine Regulierung der Population unterliegt nach Artikel 7 Absatz 3 JSG i.V.m. der Verordnung über die Regulierung von Steinbockbeständen vom 20. April 1990 (VRS, SR 922.27) strengen Voraussetzungen.

Zudem sind weitere Managementmassnahmen zum Schutz der Art getroffen worden.

Die neue Steinwildkolonie kommt in einem touristisch genutzten Gebiet zu liegen.

Das touristische Angebot umfasst jedoch vorwiegend naturnahe Angebote, die auf das Ruhebedürfnis der Wildtiere Rücksicht nehmen. Ebenso werden neu geplante touristische Angebote durch das Jagdinspektorat auf ihre Wildtierverträglichkeit geprüft.

Im Sommer 2021 wurde im Stockhorngebiet durch das Regierungsstatthalteramt ein Camping- und Biwakierverbot sowie ein Feuerverbot festgelegt. Die aktuellen Skitourenrouten liegen ausserhalb der Wintereinstände der Steinböcke. Die junge Kolonie ist geschützt und im Rahmen von Besucherlenkungsmassnahmen werden die Einstände der Tiere berücksichtigt.

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Durch die Entnahme von Steinböcken aus den Kolonien Brienzergrat und Schwarzmönch entstehen keine Nachteile oder Gefährdungen für die Spenderkolonien, weder hinsichtlich der Koloniegrösse, noch der genetischen Basis.

Sollten im Laufe der Jahre 2022­2027 gesundheitliche Probleme in den Spenderkolonien auftreten (z.B. Gämsblindheit), werden eingefangene Tiere getestet und wenn nötig in Quarantäne gehalten, bevor sie ausgesetzt werden. Somit kann ein Einschleppen von Krankheiten in die junge Kolonie am Stockhorn durch Steinböcke aus den Spenderkolonien verhindert werden.

Es sind keine unkontrollierbaren Nachteile auf die Artenvielfalt zu erwarten, auch die Auswirkungen auf die Land- und Forstwirtschaft fallen im Allgemeinen unbedeutend aus. Vor allem aber besteht die Gelegenheit, bei allfälligen künftigen Problemen Regulationsabschüsse nach Artikel 7 Absatz 3 JSG durchzuführen. Einige Steinwildkolonien in der Schweiz werden zum Teil seit vielen Jahren reguliert, um allfällige negative Auswirkungen auf andere Arten wie die Gämse (Konkurrenz), oder auf den Lebensraum oder die Land- und Forstwirtschaft zu verhindern, ohne dass die Kolonien als solche bedroht würden.

Die Voraussetzungen für eine Bewilligung gemäss Artikel 14 Absatz 3 JSG und Artikel 13 Absatz 2 JSV sind folglich erfüllt.

2.3

Anträge 4 und 5 des Kantons Wallis

Das Projekt Gründung einer Steinbockkolonie am Stockhorn im Kanton Bern dient der Erhaltung der Artenvielfalt in der Schweiz.

Für den Fang, die Markierung und den Transport der für die Gründung benötigten Spendertiere aus der Kolonie Aletsch-Sonnenberge-Lötschental bedarf es des Einsatzes von gemäss Artikel 2 JSV verbotenen Hilfsmitteln. Das BAFU kann den Einsatz verbotener Hilfsmittel zum Zwecke von Markierungsaktionen gemäss Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe d JSG i.V.m. Artikel 3 Absatz 3 JSV bewilligen. Die zu entnehmenden Tiere werden mit dem Narkosegewehr immobilisiert und veterinärmedizinisch untersucht. Den Tieren werden Proben (Blut und Gewebe) entnommen und sie werden mit Ohrmarken individuell markiert. In den Transportkisten wird den Tieren ein Gegenmittel gespritzt. Die Durchführung der Fänge und der Markierungen sowie die Beprobung der Tiere der Kolonie Aletsch-Sonnenberge-Lötschental erfolgt durch geschulte Wildhüter des Kantons Wallis unter veterinärmedizinischer Begleitung.

Dies garantiert ein möglichst professionelles und tierschonendes Arbeiten während der Fang-, Markierungs- und Translokationsarbeiten, sowie den fachgerechten Einsatz der bestgeeigneten Betäubungsmittel. Die Vorkehrungen für eine erfolgreiche und sichere Durchführung der beantragten Feldarbeiten sind somit gewährleistet.

Durch die Entnahme von Steinböcken aus der Kolonie Aletsch-SonnenbergeLötschental entstehen zudem auch keine Nachteile oder Gefährdungen für die Spenderkolonien, weder hinsichtlich der Koloniegrösse, noch der genetischen Basis.

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Die Vollzugshilfe «Fang, Markierung und Beprobung von freilebenden Wildtieren» (Gerner, 2018) macht konkrete Vorgaben zum Einsatz der nach Artikel 2 JSV verbotenen Hilfsmittel und ist daher vom Kanton zu beachten. Bei Beachtung dieser Vorgaben ist ein korrekter Umgang mit verbotenen Hilfsmittel gewährleistet.

Die Voraussetzungen für eine Bewilligung zu Fang und Markierung gemäss Artikel 14 Absatz 3 JSG und Artikel 13 Absatz 2 JSV sowie für die Bewilligung für den Einsatz verbotener Hilfsmittel gemäss Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe d JSG i.V.m.

Artikel 3 Absatz 3 JSV sind folglich erfüllt.

Die gefangenen und umgesiedelten Tiere sind im Rahmen allfällig stattfindender Steinwild-Reduktionsabschüsse gemäss Artikel 7 Absatz 3 JSG in den Spenderkolonien als Abgänge zu vermerken und den Regulationsabschüssen entsprechend anzurechnen.

C.

Dispositiv

Gestützt auf Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b JSG i.V.m. Artikel 8 Absatz 2 JSV, Artikel 14 Absatz 3 JSG i.V.m. Artikel 13 Absatz 2 JSV sowie gestützt auf Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe d JSG und Artikel 8 Absatz 3 und Artikel 13 Absatz 4 JSV wird verfügt: 1.

Dem Gesuchsteller 1 wird die Bewilligung zum Fang und zur Markierung/ Besenderung und Translokation von bis zu 7 Steinböcken und bis zu 8 Steingeissen aus den Kolonien Brienzergrat und Schwarzmönch zwecks Auswilderung am Stockhorn, Kanton BE (Chummli 609 000 / 171 300) für die Jahre 2022 bis 2027 erteilt. Die Aktion hat unter veterinärmedizinischer Begleitung zu erfolgen.

2.

Dem Gesuchsteller 1 wird die Bewilligung zur Nutzung der notwendigen verbotenen Hilfsmittel für Fang und Markierung/Besenderung und Translokation der Spendertiere erteilt. Der Gesuchsteller stellt sicher, dass die Bedingungen des Tierschutzgesetzes (TSchG, SR 455) bezüglich Einfang, Haltung, Transport, Markierung und allenfalls Besenderung erfüllt werden. Die Vorgaben der Vollzugshilfe «Fang, Markierung und Beprobung von freilebenden Wildtieren» (Gerner, 2018) sind zu befolgen.

3.

Dem Gesuchsteller 1 wird die Bewilligung erteilt, in den Jahren 2022 bis 2027 bis zu 7 Steinböcke und bis zu 8 Steingeissen aus der Walliser Steinwildkolonie Aletsch-Sonnenberge-Lötschental sowie bis zu 7 Steinböcke und bis zu 8 Steingeissen aus den Berner Steinwildkolonien Brienzergrat und Schwarzmönch zwecks Gründung einer neuen Steinbockkolonie am Stockhorn (Chummli 608 000 / 171 300) auszusetzen.

4.

Dem Gesuchsteller 2 wird die Bewilligung zum Fang und zur Markierung/ Besenderung und Translokation von bis zu 7 Steinböcken und bis zu 8 Steingeissen aus den Kolonien Aletsch-Sonnenberge-Lötschental zwecks Auswilderung am Stockhorn, Kanton BE (Chummli 609 000 / 171 300) in den Jahren 7 / 10

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2022 bis 2027 erteilt. Die Aktion hat unter veterinärmedizinischer Begleitung zu erfolgen.

5.

Dem Gesuchsteller 2 wird die Bewilligung zur Nutzung der notwendigen verbotenen Hilfsmittel für Fang und Markierung/Besenderung und Translokation der Spendertiere erteilt. Der Gesuchsteller stellt sicher, dass die Bedingungen des Tierschutzgesetzes (TSchG, SR 455) bezüglich Einfang, Haltung, Transport, Markierung und allenfalls Besenderung erfüllt werden. Die Vorgaben der Vollzugshilfe «Fang, Markierung und Beprobung von freilebenden Wildtieren» (Gerner, 2018) sind zu befolgen.

6.

Die Gesuchsteller 1 und 2 stellen sicher, dass die notwendigen Massnahmen gegen eine mögliche Verschleppung der Gamsblindheit und sofern nötig auch anderer infektiöser Krankheiten getroffen werden.

7.

Die gefangenen und umgesiedelten Tiere sind im Rahmen allfällig stattfindender Steinwild-Reduktionsabschüsse gemäss Artikel 7 Absatz 3 JSG in den Spenderkolonien als Abgänge zu vermerken und den Regulationsabschüssen entsprechend anzurechnen.

8.

Der Gesuchsteller 1 stellt in der neu gegründeten Kolonie einen ausreichenden Schutz des Steinwildbestands gegen Störung sicher.

9.

Dem BAFU (Dr. Reinhard Schnidrig und Claudine Winter, Sektion Wildtiere und Artenförderung) wird durch die Gesuchsteller 1 und 2 bei Fangerfolg innert Tagesfrist elektronisch ein kurzer Rapport über die Fangaktion und die Markierung zugestellt, welcher allfällige Erfolge und Misserfolge sowie angetroffene Schwierigkeiten und allfällige Fehlfänge ausweist. Die freigelassenen und markierten/besenderten Tiere sind durch den Gesuchsteller 1 dem BAFU zu melden. Das BAFU ist zudem periodisch über die Lokalisation der besenderten bzw. markierten Tiere sowie die Entwicklung des Projekts zu orientieren.

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Rechtsmittelbelehrung Gegen diese Verfügung kann beim Bundesverwaltungsgericht, Postfach, 9023 St.

Gallen, Beschwerde erhoben werden. Die Beschwerde ist innerhalb von 30 Tagen nach Eröffnung der Verfügung einzureichen; die Frist beginnt am Tag nach der Eröffnung der Verfügung zu laufen.

Die Beschwerdeschrift ist im Doppel einzureichen. Sie hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift der Beschwerdeführerin bzw. des Beschwerdeführers oder seiner Vertreterin bzw. seines Vertreters zu enthalten. Die angefochtene Verfügung und die als Beweismittel angerufenen Urkunden sind der Beschwerde beizulegen, soweit der Beschwerdeführer bzw. die Beschwerdeführerin sie in Händen hält.

11. Februar 2022

Bundesamt für Umwelt, Sektion Wildtiere und Artenförderung: Reinhard Schnidrig

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