836

# S T #

Bericht der

Kommission des Nationalrathes über den Rekurs des Gemeinderathes der Stadt Carouge vom 21. September 1888, betreffend die Anwendung des Alkoholgesetzes (Oktroiersatz).

(Vom 26. März 1889.)

Tit.

Als uns gegen Ende der Dezembersitzung der Bundesversammlung die Prüfung des Rekurses der Stadt Carouge zugewiesen wurde, erschien uns die Frage zuerst als eine ziemlich untergeordnete, nämlich als eine unbedeutende Finanzfrage. Der Umstund, daß je nach der Art der Erledigung des Rekurses auch andere Kantone oder Gemeinden, speziell die Stadt Genf, eine ähnliehe Behandlung verlangen könnten, wäre nicht geeignet gewesen, den ganzen Charakter der Angelegenheit zu verändern, da sie trotzdem eine rein fiskalische geblieben wäre.

Durch die Botschaft des Bundesrathes vorn 17. Dezember 1888 werden nun aber hochwichtige prinzipielle Fragen mit in die Diskussion hereingezogen.

In der Botschaft ist nämlich der Passus enthalten: ,,Die Fabrikationssteuern auf Bier sind nun aber durch das Alkoholmonopol nicht abgeschafft worden ; sie können, soweit Bundesverfassung und Bundesgesetzgebung in Betracht fallen, in gleicher Weise und unter den gleichen Voraussetzungen weiter bezogen werden, wie vor der Promulgation des Alkoholmonopols; es ist also für dieselben aus dem Ertrage dieses Monopols jedenfalls kein Ersatz zu leisten".

837

Es will uns nun scheinen, daß durch diese Begründung einerseits ein sehr unbedeutender finanzieller Gewinn für beschränkte Zeitdauer zu Gunsten des Alkoholbüdgets erreicht, andererseits aber ein wichtiges Prinzip der Bundesverfassung ohne Noth preisgegeben und die Hauptgrundlage der Alkoholgesetzgebung erschüttert wird.

Ihre Kommission ist einstimmig der Ansicht, daß alle Ohmgelder und Oktrois und ähnliche Gebühren von Kantonen und Gemeinden dermalen aufgehoben sind und daß es auch in Zukunft keinem dieser Gemeinwesen gestattet werden kann, irgend eine neue derartige Fabrikations- oder Konsumsteuer von sich aus neu einzuführen.

Der Art. 32 der Bundesverfassung von 1874 sagt, am Schlüsse: ,,Mit Ablauf des Jahres 1890 sollen alle Eingangsgebühren, welche dermalen von den Kantonen erhoben werden, sowie ähnliche von einzelnen Gemeinden bezogene Gebühre» 'o*ohne Entschädigung dahinfallen."

Grammatikalisch könnte dieser Artikel duhin ausgelegt werden, daß den Kantonen nach Ablauf des Jahres 1890 nur die Erhebung von Eingangsgebühren untersagt sei, den Gemeinden aber die aller Gebühren.

Im Allgemeinen war aber die Ansicht die herrschende, dal* mit obigem Zeitpunkte das Ohmgeld der Kantone und dio Oktrois der Gemeinden in ihrer Totalität dahinfallen.

Der Artikel 32bia der Bundesverfassung bestimmt n u n , daß nach Wegfall der in Artikel 32 erwähnten Eingangsgebühren auf geistigen Getränken der Handel mit solchen, welche nicht gebrannt sind, von den Kantonen keinen besondern Steuern unterworfen werden dürfe, noch ändern Beschränkungen als denjenigen, welche zum Schütze von gefälschten oder gesundheitsschädlichen Getränken nothwendig sind.

Das Alkoholgesetz beruht ganz besonders auf der ethischen und volkswirtschaftlichen Grundlage, den Fuselbranntweiu auszuschließen und den Genuß von gebrannten Wassern im Allgemeinen einzuschränken, dagegen dem Volke die weniger schädlichen alkoholischen Getränke, Wein, Bier und Most, zugänglicher zu machen.

Es widerspricht dem Sinn und Geist der Bundesverfassung und dem Alkoholgesetze, Kantonen und Gemeinden auch für die Zukunft die Beibehaltung oder gar die Neueinführung von Fabrikationssteuern oder ähnlichen Abgaben auf diesen Getränken zu gestatten.

838

Während der Debatte über die Alkoholgesetzgebung war der Antrag gestellt worden, größeren städtischen Gemeinwesen die Erhebung von Oktrois zu gestatten :, in eventueller Abstimmung wurde dann die Ausdehnung dieses Rechtes auf alle Gemeinden beschlossen, von Ihnen aber in der definitiven Abstimmung mit großer Mehrheit abgelehnt. Sie haben damit die Gesinnung kundgegeben, alle diese Verkehrsschranken und alle Vertheurungen nothwendiger Genußmittel für immer und in jeder Form zu beseitigen.

Durch Wiedereinführung von Fabrikationssteuern auf Bier, Most etc. durch Gemeinden oder Kantone würden offenbar Vexationen eintreten für Handel und Verkehr und eine Vertheuerung ·der Getränke, welche geeignet sind, in den Volksklassen den allzu reichlichen Genuß des Schnapses zu verdrängen, die bisher wegen des großen Preisunterschiedes den letztern hauptsächlich konsumirten.

Den Kantonen ist einzig das Recht vorbehalten worden, zu legiferiren über das Wirthschaftswesen und den Kleinverkauf von alkoholischen Getränken, und auch dies nur innert bestimmten Grenzen. Wenn wir nicht wollen, daß dem Handel und Verkehr neue Schranken gezogen, neue Ungleichheiten für die abgeschafften alten -eingeführt und die Prinzipien der Alkoholgesetzgebung durchlöchert werden, so müssen wir daran festhalten, daß nur der Bund befugt sei, auf diesem Gebiete Gesetze zu erlassen.

Uebergehend zur eigentlichen Rekursfrage glauben wir, die Auffassung des Bundesrathes, es handle sich in beiden sogenannten Abonnements der Bierbrauer und Essigfabrikanten um eine Fabrikationssteuer, sei nicht haltbar.

Es kann dermalen allerdings nicht mehr konstatirt werden, für welche Quantitäten eingeführten Bieres die Abgabe bezahlt wurde, aber dieselbe stellt sich doch als ein Pauschale dar, das der Bierbrauer an die Gemeinde bezahlte, um nicht für jeden kleinern Bezug von fremdem Biere besondere Abgabenverrechnungeu ·/.a haben. Eine Besteuerung alles in Carougc fabrizirten Bieres ist nicht bewiesen.

Noch weniger erscheint uns das Abonnement der Essigfabrikanten eine Fakrikationssteuer zu sein, da diese früher einfach liei der Einfuhr die Abgabe bezahlten, später aber en bloc eine vereinbarte Summe, welche den früher direkt bezahlten Eingangsgebühren adäquat war, ohne Rücksicht auf die Denaturirung des Sprites.

839 Die Entschädigung fili- die in Wegfall gekommene Abgabe -auf ändern Gegenständen als Getränken (octroi sur les solides) muß von einem ganz ändern Gesichtspunkte aus betrachtet werden.

Nach unserer Ansicht war Carouge gar nicht berechtigt, diese Eingangsgebühren noch fernerhin zu beziehen; aber selbst wenn man dies zugeben wollte, so war die Gemeinde faktisch in die Unmöglichkeit versetzt, diesen kleinen Theil für sich allein aufrechtzuerhalten wegen der unverhältnißmäßig großen Spesen.

Von Rechts wegen könnte Carouge für die weggefallenen Fr. 304. 40 gleichwohl eine Entschädigung nicht beanspruchen, da eine solche nur für die Getränkeabgabe bestimmt zugesichert ist; immerhin hält auch der Bundesrath dafür, daß Billigkeitsrücksichteii .yeltend gemacht werden können für Anerkennung dieser Forderung.

Bei der Abstimmung über das Alkoholgesetz wurde allgemein, und unwidersprochen, die Ansicht verbreitet, die Ohmgeldkantone sind die Oktroigemeinden würden bis zum Jahre 1890 für den ihnen entstehenden Ausfall voll entschädigt, und auch später soll für diese nur allmälig eine Einbuße gegenüber den bisherigen Einfiahmen eintreten bis zum Jahre 1895.

Letztere Bestimmung wird, außer Carouge, wahrscheinlich einzig der Stadt Genf auch noch in geringem Maße zu Nutze kommen.

Bei der etwas raschen Einführung des Alkoholgesetzes hielt es der Bundesrath nicht für möglich oder geboten, eine Aufnahme ·der vorhandenen Vorräthe zu veranstalten, wodurch einige wenige Spekulanten Millionen verdienten und die richtige Ausführung des Gesetzes auf Jahre hinaus in Frage gestellt wurde und namentlich <5er Reinertrag sich sehr reduzirte.

Wir machen deshalb Niemandem Vorwürfe, gestehen vielmehr gerne die Schwierigkeit der Situation zu; nur dürfen wir betonen, daß die Summen, um die es sich hier handelt, so gering sind, dal.l sie das Alkoholbüdget nur unwesentlich belasten, und daß sie einer Gemeinde zu statten kommen, der eine dauernde Einbuße in ihren Hinnahmen bevorsteht und die deshalb ihren ganzen Haushalt auf eine andere Basis stellen muß.

Was die Ziffer 4 des Petitums der Gemeinde Carouge betrifft, so kann auf eine Gutheißuug auch dieses Postens nicht eingetreten werden, indem es sich um Einnahmen früherer Jahre handelt, die von der Berechnung der Durchschniltszitfer von 1880/84 .auszuschließen sind.

Bundesblatt. 41. Jalirg. Bd. I.

56

840

Die Kommission gelaugt daher einstimmig zu folgenden Anträgen : 1) Dem Begehren der Gemeinde Carouge wird insoweit entsprochen, als sich dasselbe auf Entschädigung für dahingefallene Einnahmen aus Abonnements auf Bier und auf dem zur Essigbereitung dienenden Alkohol, sowie auf octroi sur les solides bezieht.

2) Dagegen wird der Anspruch auf Anerkennung der Entschädigungspflicht für Oktroigebühren, welche aus früheren Jahren stammen, aber erst in den Jahren 1880/81 zur Verrechnung gelangten, abgewiesen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung.

B e r n , den 26. März 1889.

Namens der Kommission, Der P r ä s i d e n t : P. Th. Bühler.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht der Kommission des Nationalrathes über den Rekurs des Gemeinderathes der Stadt Carouge vom 21. September 1888, betreffend die Anwendung des Alkoholgesetzes (Oktroiersatz). (Vom 26. März 1889.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1889

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

14

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

06.04.1889

Date Data Seite

836-840

Page Pagina Ref. No

10 014 323

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.