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22.005 Armeebotschaft 2022 vom 16. Februar 2022

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, die Entwürfe der folgenden Bundesbeschlüsse: ­

Bundesbeschluss über die Beschaffung der Kampfflugzeuge F-35A,

­

Bundesbeschluss über die Ausserdienststellung der Kampfflugzeuge F-5 Tiger,

­

Bundesbeschluss über die Beschaffung des bodengestützten Luftverteidigungssystems grösserer Reichweite Patriot,

­

Bundesbeschluss über die Beschaffung von Armeematerial 2022,

­

Bundesbeschluss über das Immobilienprogramm VBS 2022.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

16. Februar 2022

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ignazio Cassis Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2022-0501

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Übersicht Der Bundesrat will die Mittel zum Schutz des Luftraums erneuern. Er will mit neuen Kampfflugzeugen und einem System für die bodengestützte Luftverteidigung grösserer Reichweite die Bevölkerung für die nächsten rund 40 Jahre vor Bedrohungen aus der Luft schützen. Mit der Armeebotschaft 2022 unterbreitet er den eidgenössischen Räten die entsprechenden Verpflichtungskredite. Er beantragt 6,035 Milliarden Franken für die Beschaffung der Kampfflugzeuge F-35A und 1,987 Milliarden Franken für die Beschaffung des bodengestützten Luftverteidigungssystems grösserer Reichweite Patriot. Weitere Verpflichtungskredite beantragt er für die damit verbundenen baulichen Massnahmen, für die Beschaffung von Armeematerial 2022 und das Immobilienprogramm VBS 2022. Zudem wird den eidgenössischen Räten die Ausserdienststellung der Kampfflugzeuge F-5 Tiger beantragt.

Ausgangslage Um ihre Sicherheit und Souveränität zu wahren, muss die Schweiz ihren Luftraum überwachen, schützen und im Fall eines Angriffs verteidigen. Das widerspiegelt sich in den Aufgaben der Armee: Wahrung der Lufthoheit, Schutz des Luftraums bei Konferenzen und bei erhöhten Spannungen sowie Verteidigung des Luftraums bei bewaffneten Konflikten. Hierzu sind leistungsfähige Kampfflugzeuge und eine wirkungsvolle bodengestützte Luftverteidigung unerlässlich. Sie beeinflussen das Verhalten kriegführender Parteien und potenzieller Angreifer.

Die heutigen Mittel der Luftverteidigung kommen um das Jahr 2030 an ihr Nutzungsende. Die Stimmbevölkerung hat am 27. September 2020 dem Bundesbeschluss über die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge zu Kosten von höchstens 6 Milliarden Franken (Stand Landesindex der Konsumentenpreise vom Januar 2018) zugestimmt.

Der Bundesrat hat die Kampfflugzeuge Eurofighter von Airbus (Deutschland), F/A-18 Super Hornet von Boeing, F-35A von Lockheed Martin (beide USA) und Rafale von Dassault (Frankreich) sowie die Systeme für die bodengestützte Luftverteidigung grösserer Reichweite SAMP/T von Eurosam (Frankreich) und Patriot von Raytheon (USA) evaluiert. Er hat den Gesamtnutzen und die Gesamtkosten beurteilt.

Bei der Auswahl sowohl der Kampfflugzeuge als auch der bodengestützten Luftverteidigungssysteme ergab die Evaluation für jeweils einen Kandidaten den höchsten Gesamtnutzen und gleichzeitig die tiefsten Gesamtkosten. Der
Bundesrat hat sich aufgrund dieses klaren Ergebnisses am 30. Juni 2021 für das Kampfflugzeug F-35A und das bodengestützte Luftverteidigungssystem grösserer Reichweite Patriot entschieden. Er ist überzeugt, dass sich die beiden Systeme am besten eignen, die Schweizer Bevölkerung auch in Zukunft vor Bedrohungen aus der Luft zu schützen.

Inhalt der Vorlage Der Bundesrat beantragt den eidgenössischen Räten Verpflichtungskredite von insgesamt 9,3 Milliarden Franken. Diese umfassen die Beschaffung der Kampfflugzeuge F-35A (6,035 Mrd. Fr.) und des bodengestützten Luftverteidigungssystems Patriot

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(1,987 Mrd. Fr.) sowie je die damit verbundenen baulichen Massnahmen (120 Mio. Fr. für die F-35A und 66 Mio. Fr. für das Patriot-System), die Beschaffung von Armeematerial 2022 (695 Mio. Fr.) und das Immobilienprogramm VBS 2022 (349 Mio. Fr.). Zudem wird die Ausserdienststellung der Kampfflugzeuge F-5 Tiger beantragt.

Heute stehen 30 Kampfflugzeuge des Modells F/A-18 Hornet im Einsatz. Sie wurden im Jahr 1997 eingeführt und werden bald ihr reguläres Nutzungsende erreichen.

Dank einer Nutzungsdauerverlängerung können sie etwa noch bis ins Jahr 2030 eingesetzt werden. Eine weitergehende Verlängerung wäre aufwendig und mit grossen technischen und finanziellen Risiken verbunden. Die 25 F-5 Tiger sind seit über 40 Jahren im Dienst. Mit ihren veralteten Sensoren und ihrer Bewaffnung wären sie im Luftkampf gegen einen zeitgemässen Gegner chancenlos. Mit der Beschaffung von 36 Kampfflugzeugen F-35A sollen die beiden bestehenden Flotten ersetzt werden.

Für den Luftpolizeidienst sind leistungsfähige Kampfflugzeuge erforderlich. Nur sie erreichen rasch ausreichend grosse Einsatzhöhen und Geschwindigkeiten, um rechtzeitig Massnahmen gegen Flugzeuge einzuleiten, die sich nicht an die Luftverkehrsregeln halten.

Um den Luftraum in einem bewaffneten Konflikt zu schützen, ist neben Kampfflugzeugen auch eine bodengestützte Luftverteidigung grösserer Reichweite erforderlich. Die Schweiz verfügt heute über kein solches System. Mit der Beschaffung von fünf Feuereinheiten des Typs Patriot soll diese Lücke geschlossen werden. Damit werden grosse Räume abgedeckt: Mit wenigen Stellungen kann die Armee einen Grossteil der besiedelten Gebiete der Schweiz schützen. Zudem entlastet die bodengestützte Luftverteidigung grösserer Reichweite die Kampfflugzeuge.

Kampfflugzeuge und bodengestützte Luftverteidigung ergänzen sich. Kampfflugzeuge sind flexibel einsetzbar. Die bodengestützte Luftverteidigung erbringt einen anhaltenden Schutz. Sie kann Kampfflugzeuge, Marschflugkörper und anfliegende Lenkwaffen kürzerer Reichweite bekämpfen. Die Beschaffungen der F-35A und des PatriotSystems sind gut aufeinander abgestimmt. Mit den beantragten Investitionen kann ein wichtiger Beitrag zum Schutz des Luftraums in den kommenden rund 40 Jahren geleistet werden.

Der Bund erteilt mit der Beschaffung der F-35A und des Patriot-Systems
Aufträge an die Schweizer Industrie im Umfang von 321 Millionen Franken. Die beiden Beschaffungen führen zu Offsetgeschäften von rund 4,2 Milliarden Franken: 1,3 Milliarden Franken für direkte Offsets und 2,9 Milliarden Franken für indirekte Offsets. Durch die Aufträge des Bundes und die Offsets werden in den kommenden Jahrzehnten in der Schweiz zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen.

Der Bundesrat will gleichzeitig mit der Beschaffung der neuen Kampfflugzeuge die F-5-Tiger-Flotte ausser Dienst stellen. Zudem müssen die Immobilien angepasst werden, um die F-35A und das Patriot-System zu betreiben.

Auch dieses Jahr wird mit der Armeebotschaft die Beschaffung von Armeematerial beantragt. Diese Kredite werden unter anderem für die Cyberabwehr, die Erneuerung der Gefechtsausbildungszentren und die Evaluation eines Systems zur Neutralisation von Minidrohnen verwendet. Ebenfalls Teil der vorliegenden Botschaft sind die Verpflichtungskredite des Immobilienprogramms VBS 2022.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht 1

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Ausgangslage und Rahmenbedingungen 1.1 Sicherheitspolitische Lage 1.2 Fähigkeitsentwicklung der Armee 1.2.1 Schutz des Luftraums 1.2.2 Weitere Fähigkeiten der Armee 1.2.3 Investitionen bis 2032 1.3 Schwerpunkte der Armeebotschaft 2022 1.4 Planungsbeschluss zur Erneuerung der Mittel zum Schutz des Luftraums 1.5 Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung

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Beschaffung der Kampfflugzeuge F-35A 2.1 Kurzfassung 2.2 Kampfflugzeuge F-35A 2.2.1 Ausgangslage und Handlungsbedarf 2.2.2 Anforderungen an das neue Kampfflugzeug 2.2.3 Beschreibung der beantragten Lösung und Begründung 2.2.3.1 Gesamtnutzen 2.2.3.2 Gesamtkosten 2.2.3.3 Weitere Aspekte 2.2.4 Evaluation und Zeitplan der Beschaffung 2.2.5 Geprüfte Alternativen 2.2.6 Risikobeurteilung 2.2.7 Finanzvolumen nach Planungsbeschluss 2.2.8 Teuerung 2.2.9 Verpflichtungskredit 2.2.10 Finanzielle Auswirkungen 2.2.11 Personelle Auswirkungen 2.3 Bauliche Massnahmen für die Kampfflugzeuge F-35A 2.3.1 Ausgangslage und Handlungsbedarf 2.3.2 Beschreibung der beantragten Lösung und Begründung 2.3.3 Projektstand und Zeitplan der Realisierung 2.3.4 Geprüfte Alternativen 2.3.5 Risikobeurteilung 2.3.6 Verpflichtungskredit 2.3.7 Finanzielle Auswirkungen 2.3.8 Personelle Auswirkungen

18 18 18 18 19 21 23 29 31 33 38 39 39 39 39 40 40 41 41 41 42 42 42 42 43 43

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Ausserdienststellung der Kampfflugzeuge F-5 Tiger 3.1 Ausgangslage und Handlungsbedarf 3.2 Beschreibung der beantragten Lösung und Begründung 3.3 Auswirkungen

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3.3.1 3.3.2 4

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Finanzielle Auswirkungen Personelle Auswirkungen

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Beschaffung des bodengestützten Luftverteidigungssystems grösserer Reichweite Patriot 4.1 Kurzfassung 4.2 Patriot-System 4.2.1 Ausgangslage und Handlungsbedarf 4.2.2 Anforderungen 4.2.3 Beschreibung der beantragten Lösung und Begründung 4.2.3.1 Gesamtnutzen 4.2.3.2 Gesamtkosten 4.2.3.3 Weitere Aspekte 4.2.4 Evaluation und Zeitplan der Beschaffung 4.2.5 Geprüfte Alternativen 4.2.6 Risikobeurteilung 4.2.7 Teuerung 4.2.8 Verpflichtungskredit 4.2.9 Finanzielle Auswirkungen 4.2.10 Personelle Auswirkungen 4.3 Bauliche Massnahmen für das Patriot-System 4.3.1 Ausgangslage und Handlungsbedarf 4.3.2 Beschreibung der beantragten Lösung und Begründung 4.3.3 Projektstand und Zeitplan der Realisierung 4.3.4 Geprüfte Alternativen 4.3.5 Risikobeurteilung 4.3.6 Verpflichtungskredit 4.3.7 Finanzielle Auswirkungen 4.3.8 Personelle Auswirkungen

44 44 45 45 46 46 47 50 51 52 55 55 56 56 57 57 57 57 57 58 58 58 59 59 59

Beschaffung von Armeematerial 2022 5.1 Kurzfassung 5.2 Projektierung, Erprobung und Beschaffungsvorbereitung 5.2.1 Ausgangslage und Handlungsbedarf 5.2.2 Beschreibung der beantragten Lösung und Begründung 5.2.3 Risikobeurteilung 5.2.4 Finanzielle und personelle Auswirkungen 5.3 Ausrüstungs- und Erneuerungsbedarf 5.3.1 Ausgangslage und Handlungsbedarf 5.3.2 Beschreibung der beantragten Lösung und Begründung 5.3.3 Risikobeurteilung 5.3.4 Finanzielle und personelle Auswirkungen 5.4 Ausbildungsmunition und Munitionsbewirtschaftung 5.4.1 Ausgangslage und Handlungsbedarf 5.4.2 Beschreibung der beantragten Lösung und Begründung 5.4.3 Risikobeurteilung

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Finanzielle und personelle Auswirkungen

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6

Immobilienprogramm VBS 2022 6.1 Kurzfassung 6.2 Sanierung einer Führungsanlage 6.2.1 Ausgangslage und Handlungsbedarf 6.2.2 Beschreibung der beantragten Lösung und Begründung 6.2.3 Projektstand und Zeitplan der Realisierung 6.2.4 Geprüfte Alternativen 6.2.5 Risikobeurteilung 6.2.6 Verpflichtungskredit 6.2.7 Finanzielle Auswirkungen 6.2.8 Personelle Auswirkungen 6.3 Ausbau und Sanierung der Einsatzinfrastruktur in Alpnach 6.3.1 Ausgangslage und Handlungsbedarf 6.3.2 Beschreibung der beantragten Lösung und Begründung 6.3.3 Projektstand und Zeitplan der Realisierung 6.3.4 Geprüfte Alternativen 6.3.5 Risikobeurteilung 6.3.6 Verpflichtungskredit 6.3.7 Finanzielle Auswirkungen 6.3.8 Personelle Auswirkungen 6.4 Hochregallager für Textilien in Thun 6.4.1 Ausgangslage und Handlungsbedarf 6.4.2 Beschreibung der beantragten Lösung und Begründung 6.4.3 Projektstand und Zeitplan der Realisierung 6.4.4 Geprüfte Alternativen 6.4.5 Risikobeurteilung 6.4.6 Verpflichtungskredit 6.4.7 Finanzielle Auswirkungen 6.4.8 Personelle Auswirkungen 6.5 Weitere Immobilienvorhaben 2022 6.5.1 Ausgangslage und Handlungsbedarf 6.5.2 Beschreibung der beantragten Lösung und Begründung 6.5.3 Risikobeurteilung 6.5.4 Finanzielle und personelle Auswirkungen

5.4.4

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Auswirkungen 7.1 Auswirkungen auf den Bund 7.1.1 Teuerung, Wechselkurse und Mehrwertsteuer 7.1.2 Kreditverschiebungen und Spezifikationsbefugnis 7.1.3 Finanzielle Auswirkungen 7.1.4 Personelle Auswirkungen 7.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

79 79 79 80 81 81

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7.3 7.4 8

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft Auswirkungen auf die Umwelt

Rechtliche Aspekte 8.1 Verfassungs- und Gesetzmässigkeit 8.2 Erlassform 8.3 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 8.4 Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes

82 82 83 83 83 84 84

Bundesbeschluss über die Beschaffung der Kampfflugzeuge F-35A (Entwurf)

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Bundesbeschluss über die Ausserdienststellung der Kampfflugzeuge F-5 Tiger (Entwurf)

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Bundesbeschluss über die Beschaffung des bodengestützten Luftverteidigungssystems grösserer Reichweite Patriot (Entwurf)

BBl 2022 618

Bundesbeschluss über die Beschaffung von Armeematerial 2022 (Entwurf)

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Bundesbeschluss über das Immobilienprogramm VBS 2022 (Entwurf)

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Botschaft 1

Ausgangslage und Rahmenbedingungen

1.1

Sicherheitspolitische Lage

Die Sicherheitslage ist in den vergangenen Jahren weltweit und auch in Europa instabiler, unübersichtlicher und unberechenbarer geworden.1 Strukturen der internationalen Sicherheit und Zusammenarbeit erodieren zunehmend. Gleichzeitig ringen Grossund Regionalmächte verstärkt um Einflusssphären. Immer häufiger werden dafür sogenannte «hybride» Mittel zur Konfliktführung eingesetzt, beispielsweise Cyberangriffe und Desinformationskampagnen. Zusätzlich gelangen auch konventionelle militärische Mittel wieder stärker zur Anwendung, um eigene Interessen zu verfolgen.

Die Grauzone zwischen Krieg und Frieden enthält vielfältige Konfliktformen mit fliessenden Übergängen.

An Europas Peripherie haben sich Krisen und Konflikte in den letzten Jahren zum Teil deutlich akzentuiert und so die Sicherheit Europas geschwächt. Andere Bedrohungen wie der internationale Terrorismus bestehen weiterhin, und neue sind dazu gekommen: So wirkt sich die Covid-19-Pandemie direkt und indirekt auf die Sicherheitslage aus. Auch die Folgen des Klimawandels werden sicherheitspolitisch eine Rolle spielen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass in Europa ein bewaffneter Grosskonflikt ausbricht, in den auch die Schweiz verwickelt wird, ist trotz gestiegener Spannungen zwischen Russland und dem Westen kurz- und mittelfristig eher gering. Die Auswirkungen eines solchen Angriffs wären jedoch derart gravierend, dass diese Möglichkeit nicht vernachlässigt werden darf und sich die Schweiz darauf vorbereiten muss.

In aktuellen Spannungen und Konflikten sind Kampfflugzeuge von zentraler Bedeutung und werden in einem breiten Spektrum eingesetzt: Dieses reicht von Luftraumverletzungen über dem Nordmeer, der Ostsee und dem Baltikum wie auch über dem Schwarzen Meer bis hin zu den Konflikten in der Ukraine, in Armenien, Syrien und Libyen. In den letzten Jahren fanden in asymmetrischen und hybriden Konflikten auch Marschflugkörper (unbemannte militärische Lenkflugkörper, die sich selbst ins Ziel steuern und mit einem Sprengkopf ausgerüstet sind) und Drohnen (unbemannte Luftfahrzeuge) eine zunehmende Verbreitung, und ihre Einsätze fanden entsprechende Aufmerksamkeit. Drohnen wurden vor allem dort eingesetzt, wo keine Kampfflugzeuge und keine wirkungsvollen bodengestützten Luftverteidigungsmittel zur Verfügung standen, wie etwa 2020 im Konflikt zwischen
Armenien und Aserbaidschan um die Region Berg-Karabach. Für Staaten bleiben Kampfflugzeuge wichtige Instrumente in der Palette ihrer sicherheitspolitischen und militärischen Mittel. Sie werden sowohl offensiv als auch defensiv eingesetzt und durch bodengestützte Luftverteidigungsmittel ergänzt.

1

Vgl. Die Sicherheitspolitik der Schweiz, Bericht des Bundesrates vom 24. November 2021, BBl 2021 2895.

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In heutigen und künftigen Konflikten muss mit einer breiten Palette von Angriffsmitteln und -arten gerechnet werden. Bedrohungen im und aus dem Luftraum spielen weiterhin eine wichtige Rolle, auch deshalb, weil neben staatlichen immer mehr nichtstaatliche Akteure Waffen über immer weitere Distanzen einsetzen können. Der Verteidigung des Luftraums kommt deshalb eine zentrale Bedeutung zu. Dies zeigt sich auch darin, dass viele westeuropäische Staaten ihre Luftwaffen modernisieren und aufrüsten.

Auswirkungen auf die Schweiz Das geografische und politische Umfeld ist instabiler und das Spektrum der Bedrohungen und Gefahren breiter geworden. Auch entfernte Ereignisse können die Sicherheit der Schweiz rasch und unmittelbar beeinflussen, weshalb die Schutzwirkung der geografischen Distanz für die Schweiz insgesamt abnimmt. Zu den bekannten Bedrohungen, beispielsweise bewaffneten Konflikten, kommen zusätzliche Risiken und Gefahren hinzu, wie Terrorismus, Cyberangriffe, Desinformation oder Naturkatastrophen, die sich im Lauf der letzten Jahre akzentuierten.

1.2

Fähigkeitsentwicklung der Armee

Die Armee muss heute und in Zukunft verschiedene Fähigkeiten erhalten oder aufbauen, um den Unwägbarkeiten des sicherheitspolitischen Umfelds und dessen möglicher längerfristiger Entwicklung Rechnung zu tragen. Ihre Mittel müssen den raschen technologischen Fortschritt berücksichtigen. Nur so bleibt die Armee ein wirksames Instrument der schweizerischen Sicherheitspolitik. Sie muss alle ihre Aufgaben erfüllen können: ­

das Land und seine Bevölkerung verteidigen,

­

die Lufthoheit wahren,

­

die zivilen Behörden unterstützen (z. B. bei Katastrophen, Pandemien oder im Falle einer terroristischen Bedrohung), wenn deren Mittel nicht ausreichen,

­

Beiträge zu internationaler militärischer Friedensförderung leisten.

Die beantragten Beschaffungen dienen dazu, dass die Armee die Lufthoheit auch in den nächsten rund 40 Jahren wahren und das Land und seine Bevölkerung verteidigen kann. Im Folgenden werden Fähigkeiten beschrieben, die dazu erforderlich sind.

1.2.1

Schutz des Luftraums

Die Wahrung der staatlichen Souveränität ist eine wichtige staatliche Aufgabe, auch im Luftraum. Wie jeder Staat hat die Schweiz das Recht und die Aufgabe, die Benutzung des Luftraums über ihrem Territorium in allen Lagen, das heisst im Alltag, bei Spannungen und während eines Konflikts zu regeln und diese Regeln durchzusetzen.

Dies ist kein Selbstzweck: Bedrohungen aus der Luft betreffen die Bevölkerung, die kritischen Infrastrukturen und die Armee direkt. Massnahmen zur Wahrung der Lufthoheit und zur Luftverteidigung dienen dazu, die Schweizer Bevölkerung vor solchen 9 / 84

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Bedrohungen zu schützen. Die Übergänge zwischen Alltag und Spannungen oder auch zwischen Spannungen und Konflikt sind zunehmend fliessend. Zudem können Anforderungen des Alltags auch in Zeiten von Spannungen weiterbestehen.

Alltag Im Alltag geht es darum, den Luftraum permanent zu überwachen. Dazu werden zivile und militärische Radare eingesetzt. Darunter fallen auch die Radardaten von Kampfflugzeugen. Diese werden genutzt, um beispielsweise Luftfahrzeuge in Tälern zu erkennen und um das Luftlagebild zu verdichten. Um die Reaktionszeiten zu verkürzen und die Interventionsmöglichkeiten zu verbessern, tauschen Nato-Staaten Luftlagedaten aus. 2018 unterzeichnete die Schweiz eine entsprechende Vereinbarung2, und seit 2021 findet ein Datenaustausch zwischen den Nato-Staaten und der Schweiz statt.

Luftlagedaten, die für den Luftpolizeidienst relevant sind, tauscht die Schweiz überdies mit ihren Nachbarländern aus.

Den Luftraum lediglich zu überwachen, genügt nicht: Die Einhaltung der Luftverkehrsregeln muss auch durchgesetzt werden. Nur die Luftwaffe ist fähig, im Luftraum Kontrollen durchzuführen, in Not geratenen Flugzeugen zu helfen und zu intervenieren, wenn Flugzeuge ohne Erlaubnis den Schweizer Luftraum benutzen oder sich nicht an die Anweisungen der Flugsicherung halten.

Interventionen gegen Bedrohungen im Luftraum und dessen missbräuchliche Nutzung müssen über das ganze Jahr und rund um die Uhr vorgenommen werden können: Bedrohungen, vor allem terroristische, können jederzeit nahezu ohne Vorwarnung entstehen. Deshalb sind seit Anfang 2021 ständig zwei bewaffnete Kampfflugzeuge einsatzbereit, um gegen überraschend auftretende Bedrohungen im gesamten Schweizer Luftraum vorgehen zu können.

Der Bund muss bei internationalen Konferenzen in der Schweiz offizielle Vertretungen anderer Staaten schützen ­ auch vor Bedrohungen aus der Luft. Der Bundesrat beschränkt oder verbietet bei potenziell gefährdeten internationalen Konferenzen die Nutzung des Luftraums in bestimmten Zonen um den Konferenzstandort. Die Einhaltung dieser Beschränkungen muss aktiv kontrolliert werden. Dazu befinden sich ständig eigene Kampfflugzeuge in der Luft oder in erhöhter Bereitschaft am Boden. Um einen Konferenzstandort während längerer Zeit zu schützen, ist eine erhebliche Anzahl Kampfflugzeuge nötig, weil Ablösungen für
spätere Einsätze bereitgestellt werden müssen. Dazu kommt, dass stets ein Teil der Flotte durch Instandhaltungsarbeiten gebunden ist. Erfahrungsgemäss ist für den Schutz eines einzelnen Konferenzstandorts eine Flotte mit bis zu 20 einsatzfähigen Kampfflugzeugen erforderlich. Finden gleichzeitig zwei Konferenzen statt, werden noch mehr Kampfflugzeuge benötigt.

Dies war zum Beispiel Anfang des Jahres 2014 der Fall, als in der Schweiz eine Friedenskonferenz parallel zur Jahreskonferenz des World Economic Forum stattfand.

2

Memorandum of Understanding (MOU) vom 27. November 2018 zwischen dem Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport, dem Bundesministerium der Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland und dem Obersten Hauptquartier der Alliierten Streitkräfte in Europa (SHAPE) über Air Situation Data Exchange (ASDE) zwischen der Einsatzzentrale Luftverteidigung in Dübendorf in der Schweiz und der Luftraumüberwachungszentrale Erndtebrück in der Bundesrepublik Deutschland; SR 0.513.213.62.

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Der Luftpolizeidienst erfordert leistungsfähige Kampfflugzeuge. Für solche Einsätze sind Drohnen, Kampfhelikopter, bewaffnete Trainingsflugzeuge und bodengestützte Luftverteidigung keine Alternative: ­

Drohnen, mit denen sich Luftfahrzeuge identifizieren, warnen und nötigenfalls abschiessen lassen, existieren nicht und befinden sich auch nicht in Entwicklung;

­

Kampfhelikopter sind zu langsam und können nicht in ausreichender Höhe fliegen;

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Mittel zur bodengestützten Luftverteidigung grösserer Reichweite lassen sich nur für den Abschuss von Flugobjekten einsetzen, was ohne vorgängige Identifikation und Warnung nicht verhältnismässig wäre;

­

bewaffnete Trainingsflugzeuge sind zu langsam und unzureichend ausgerüstet, um wirkungsvoll einzugreifen.

Anhaltende Terrorbedrohung und internationale Spannungen Bei einer erhöhten Terrorbedrohung müssen die Schweiz und ihre Bevölkerung auch vor Anschlägen aus dem Luftraum geschützt werden. Dies ist der Fall, wenn beispielsweise zu befürchten ist, dass Terroristen Drohnen, Kleinflugzeuge oder entführte Linienmaschinen in dicht besiedelte Gebiete oder in Objekte der kritischen Infrastruktur steuern. Bestehen konkrete Hinweise, dass die Schweiz Ziel solcher Terroranschläge werden könnte, muss der Luftpolizeidienst verstärkt werden. Dafür sind ständige Patrouillen in der Luft vorgesehen, wenn nötig über mehrere Wochen.

Ein wochen- oder gar monatelang verstärkter Schutz des Luftraums kann auch bei Konflikten im weiteren Umfeld der Schweiz erforderlich sein. Dies war beispielsweise während des Kosovo-Konflikts 1999 und während des Irak-Kriegs 2003 der Fall. Die Schweiz ist als neutraler Staat verpflichtet, dafür zu sorgen, dass kriegführende Parteien ihr Territorium nicht für kriegerische Zwecke benutzen. Dazu gehören unbefugte Überflüge ausländischer Militärflugzeuge, die einer Konfliktpartei angehören. Wenn Überflugverbote verhängt werden, muss die Luftwaffe fähig sein, deren Einhaltung zu kontrollieren und durchzusetzen.

Ein verstärkter Schutz des Luftraums kann auch bei erhöhten Spannungen über einen längeren Zeitraum erforderlich sein, wenn es im unmittelbaren Umfeld der Schweiz zu einem bewaffneten Konflikt kommen oder die Schweiz sogar direkt militärisch bedroht werden sollte. Wollte ein Staat hybride Konfliktführung gegen die Schweiz anwenden, so könnte er ­ neben anderen Aktionsformen wie Sabotage, Cyberangriffen und Anschlägen auf kritische Infrastrukturen ­ auch den Luftraum nutzen. Durch eine Dauerbelastung der Kampfflugzeuge würde die Einsatzbereitschaft sukzessive reduziert. Auf diese Weise würden günstige Voraussetzungen für einen Luftangriff geschaffen. In einem solchen Fall kann ein konsequenter und glaubwürdiger Schutz des Luftraums darüber entscheiden, ob die Schweiz in einen Konflikt hineingezogen wird oder nicht. Leistungsfähige Kampfflugzeuge und eine wirkungsvolle bodengestützte Luftverteidigung beeinflussen das Verhalten kriegführender Parteien und potenzieller Angreifer.

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Eine Situation, während der jederzeit ein Angriff stattfinden könnte, kann mehrere Wochen, allenfalls sogar Monate andauern. Wie ein solcher Einsatz zur Wahrung der Lufthoheit konkret durchgeführt würde, lässt sich im Voraus nicht im Detail bestimmen: Er wird auf konkrete Bedrohungen ausgerichtet. Kampfflugzeuge wären nur dann in der Luft präsent, wenn es die Lage erfordert. Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn Luftraumverletzungen drohten oder gar ein Angriff unmittelbar bevorstünde. Die Einsatzplanung würde darauf ausgerichtet, dass möglichst wenige Flugstunden geleistet werden müssten und die Luftwaffe möglichst lange durchhalten könnte.

Eine Krise beträfe mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht nur die Schweiz, sondern auch die Nachbarstaaten und das weitere Umfeld. Wenn ein solcher Fall einträte, könnte auch von der Schweiz ein Beitrag an die Sicherheit Europas erwartet werden ­ zumindest die Fähigkeit, ihren Luftraum eigenständig zu schützen. Je leistungsfähiger und zahlreicher die eigenen Mittel sind, desto grösser ist die Abwehrwirkung und desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass fremde Mächte den Schweizer Luftraum missbrauchen.

Bewaffneter Konflikt Wird die Schweiz in einem bewaffneten Konflikt direkt angegriffen, so verteidigt die Luftwaffe die Bevölkerung und die Infrastrukturen, die für das Land unerlässlich sind.

Sie muss auch die eigenen militärischen Verbände nachhaltig vor Angriffen aus der Luft schützen. Wenn der Luftraum nicht ausreichend kontrolliert wird, verliert die Armee ihre Handlungsfreiheit auch am Boden. Die Bodentruppen würden aus der Ferne aufgespürt und mit Lenkwaffen oder Marschflugkörpern aus grosser Distanz bekämpft. Dadurch würden sie an koordinierten Bewegungen und einem wirkungsvollen Einsatz gehindert.

Eine völlig autonome Luftverteidigung gegen einen Angriff eines mächtigen Gegners, der seinen Angriff auf die Schweiz konzentriert, ist aus Ressourcengründen nicht realistisch. Wird die Schweiz militärisch angegriffen, so werden die neutralitätsrechtlichen Verpflichtungen hinfällig. Die Luftverteidigung könnte dann zusammen mit Kooperationspartnern geführt werden. Wesentlich ist, dass die Schweiz in einem solchen Fall einen substanziellen eigenen Beitrag zur Verteidigungsfähigkeit leisten kann; andernfalls wäre sie keine verlässliche Kooperationspartnerin.
Die Luftverteidigung wird in einem bewaffneten Konflikt im Verbund geführt. Wesentliche Bestandteile dieses Verbunds sind Kampfflugzeuge und bodengestützte Mittel. Diese beiden Mittel ergänzen sich: Mit der bodengestützten Luftverteidigung grösserer Reichweite können Räume und Objekte möglichst permanent geschützt werden; dadurch werden die Kampfflugzeuge entlastet. Sie können dann in erhöhter Bereitschaft am Boden bereitstehen und erst im Bedarfsfall eingesetzt werden, beispielsweise wenn ein Angriff unmittelbar droht.

In einem bewaffneten Konflikt muss die Luftwaffe zudem fähig sein, die eigenen Bodentruppen mit Aufklärung aus der Luft und mit Einsätzen gegen Bodenziele zu unterstützen. Bei der Luftaufklärung mit Kampfflugzeugen geht es darum, Informationen über Objekte und gegnerische Truppenbewegungen zu beschaffen. Solche Informationen ergänzen jene, die mit anderen Mitteln wie Drohnen gewonnen wer-

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den. Die Luftaufklärung mit Kampfflugzeugen ist auch in einem umkämpften Luftraum möglich, weil sich diese selbst schützen können. Die Nachrichtenbeschaffung mit Satelliten birgt zwar weniger Risiken, hat aber den Nachteil, dass deren Flugbahnen und Überflugzeiten bekannt sind. Ein Gegner kann seine Mittel zeitweise tarnen, wenn er weiss, dass er aus dem Weltraum beobachtet wird. Kampfflugzeuge können die Überflüge über Ziele zeitlich und örtlich wesentlich präziser durchführen als Satelliten. Nur wenn unterschiedliche Sensoren miteinander kombiniert werden, kann ein integrales Lagebild erstellt werden.

Findet ein Angriff statt, so wird er am besten abgewehrt, bevor er Schaden anrichten kann. Dies gilt für Verteidigungsoperationen sowohl am Boden als auch in der Luft.

Offensive Aktionen, in der Folge eines Angriffs auch ausserhalb der Landesgrenze, gehören zu einer aktiv geführten Verteidigungsoperation: Diese weitreichende, rasche und punktuelle Wirkung können Kampfflugzeuge erzielen. Die Luftwaffe muss dazu zum Beispiel Artillerie, Lenkwaffenstellungen oder am Boden abgestellte Kampfhelikopter präzise und unter Vermeidung von Kollateralschäden bekämpfen können. Die Schweiz signalisiert mit einer solchen Fähigkeit nach aussen, dass sie nicht leichtfertig angegriffen werden soll und bereit ist, sich gegebenenfalls zu verteidigen. Nicht aufgebaut werden hingegen Fähigkeiten zum Angriff gegen Flächenziele: Die Schweiz hat 2012 das Übereinkommen vom 30. Mai 20083 über Streumunition, die sogenannte Oslo-Konvention, ratifiziert und seither all ihre Bestände an entsprechender Munition vernichtet. Luftangriffe mit Streumunition und ungelenkten Freifallbomben würden neben der Oslo-Konvention auch den humanitären Grundsätzen der Schweiz widersprechen.

Die Entwicklung von Drohnen schreitet rasch voran, sei es für Angriffszwecke oder zur Aufklärung. Die Luftwaffe muss fähig sein, auch Drohnen wirksam zu bekämpfen. Hochfliegende, grosse Drohnen lassen sich sowohl mit Kampfflugzeugen als auch mit der bodengestützten Luftverteidigung abwehren. Die Infrastruktur für Drohnen kann zudem mit Angriffen aus der Luft bekämpft werden. Tieffliegende kleine Drohnen, die zukünftig vermehrt auch in Schwärmen eingesetzt werden dürften, sind jedoch schwer zu erfassen und abzuwehren. Abwehrkonzepte werden international
gerade erst erarbeitet; auch die Schweiz prüft entsprechende Möglichkeiten. Der Bundesrat wird in Erfüllung des Postulats 21.3013 «Die Sicherheit der Schweiz angesichts der Drohnentechnologie» ausführlich darüber berichten, welche Auswirkungen die Drohnentechnologie auf die Sicherheit der Schweiz hat, wie sich die Schweiz gegen Angriffe, die mit Drohnen geführt werden, schützen kann und wer in diesem Bereich zuständig ist.

Verglichen mit Drohnen und Marschflugkörpern sind ballistische Lenkwaffen (Raketen) bisher weniger stark verbreitet. Nicht alle Staaten, die über ballistische Lenkwaffen verfügen, können diese gegen die Schweiz einsetzen, da sie zu weit weg sind.

Deshalb dürften ballistische Lenkwaffen auf absehbare Zeit nur eine tiefe Bedrohung darstellen. Trotzdem braucht die Schweiz Fähigkeiten, um anfliegende Lenkwaffen kürzerer Reichweite in der Schlussphase des Fluges mit der bodengestützten Luftverteidigung zu erkennen und zu bekämpfen. Gegen sehr weitreichende ballistische Lenkwaffen kann die Schweiz über ihrem Territorium eigenständig keinen wirksamen 3

SR 0.515.093

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Schutz aufbauen, weil Sensoren zur Erfassung und Verfolgung solcher Waffen weit ausserhalb ihres Staatsgebiets liegen müssten. Selbst ein beschränkter Schutz wäre nur in enger internationaler Zusammenarbeit möglich oder wenn die Schweiz als Teil eines integrierten Abwehrsystems eines Militärbündnisses ihren Beitrag leistete.

Eine neue Entwicklung sind Hyperschallwaffen. Dabei handelt es sich um Waffen, die schneller fliegen als die fünffache Schallgeschwindigkeit und im Gegensatz zu ballistischen Lenkwaffen ihre Flugrichtung ändern können.

Einzelne Typen von Hyperschallwaffen können wahlweise mit konventionellen oder nuklearen Sprengladungen bestückt werden. Die technischen Herausforderungen und die Kosten der Entwicklung solcher Systeme sind erheblich, weshalb die Verbreitung dieser Waffen auf absehbare Zeit begrenzt bleiben dürfte. Trotzdem dürfte ihre Bedeutung in einem zukünftigen, technologiegetriebenen militärischen Konflikt mit Beteiligung der Grossmächte beachtlich sein. Heute existieren keine verlässlich funktionierenden Abwehrmassnahmen gegen Hyperschallwaffen. Inwieweit bestehende moderne bodengestützte Luftverteidigungssysteme grosser Reichweite in der Lage sind, auch Hyperschallwaffen erfolgreich abzuwehren, ist unklar. Es scheint jedoch plausibel, dass sie ­ eingebettet in ein entsprechend optimiertes Verteidigungsdispositiv ­ zumindest einen Beitrag zur Abwehr von Hyperschallwaffen bieten können.

1.2.2

Weitere Fähigkeiten der Armee

Die Armee muss sich auf die Abwehr vielfältiger Bedrohungen vorbereiten. Bedrohungen wie Terrorismus und Cyberangriffe haben in den vergangenen Jahren zugenommen. Daneben bestehen militärische Bedrohungen weiter und haben sich im Zuge der machtpolitischen Rivalitäten akzentuiert. Allgemein besteht eine Tendenz zur Aufrüstung und Modernisierung der Mittel. Diese Dynamik stellt die Schweizer Armee vor Herausforderungen. Diese betreffen nicht nur die eigenen Mittel zum Schutz des Luftraums, sondern auch die weiteren Fähigkeiten der Armee. Diese Mittel sollen so weiterentwickelt werden, dass sie gegenüber einer breiten Palette bestehender und neuer Bedrohungen und Gefahren wirksam bleiben.

Dazu sind grössere Investitionen nötig, zumal in den 2020er- und frühen 2030er-Jahren viele Hauptsysteme ihr Nutzungsende erreichen: Artillerie, Radschützenpanzer, Spezialfahrzeuge, Fliegerabwehrmittel, Helikopter sowie Führungs- und Nachrichtensysteme. Dass zahlreiche Systeme, von denen einige noch aus der Zeit des Kalten Krieges stammen, innert weniger Jahre ihr Nutzungsende erreichen, ist auch eine Chance: Die künftigen Fähigkeiten können so gezielter auf die sicherheitspolitischen, militärischen und technischen Gegebenheiten und Entwicklungen ausgerichtet werden.

Neben der Luftverteidigung müssen die Fähigkeiten zur Cyberabwehr weiter verbessert werden. Die Armee muss fähig sein, gegen sie gerichtete Cyberaktionen zu entdecken und zu neutralisieren. Um den künftigen Anforderungen des Umfelds und den Bedrohungen besser gerecht zu werden, ist vorgesehen, die Führungsunterstützungsbasis ab 2024 in ein Kommando Cyber umzuwandeln. Dabei muss zum einen in Personal, Material und Infrastruktur investiert werden. Nötig sind zum anderen periodische Investitionen in die Rechenzentren, das Führungsnetz Schweiz und in weitere 14 / 84

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Kommunikations- und Führungssysteme. Damit soll der Informations- und Datenaustausch besser gegen Cyberbedrohungen geschützt werden.

Betreffend die mittel- und längerfristige Weiterentwicklung der Bodentruppen hat das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) 2019 einen Bericht vorgelegt. Ziel ist es, deren Fähigkeiten in den kommenden zehn Jahren stärker auf ein hybrides Konfliktbild auszurichten. Die Bodentruppen sollen fähig sein, präzise und verhältnismässige Aktionen durchzuführen, und zwar insbesondere in überbautem Gelände, wie es für die Schweiz charakteristisch ist. Dies erfordert, ihre Mobilität und ihren Schutz zu erhöhen und ihre Wirkung zu verbessern.

Veraltete Raupenfahrzeuge sollen durch möglichst einheitliche und besser geschützte Radfahrzeuge ersetzt werden. Erneuert werden sollen zudem die Mittel für den Lufttransport.

Die Covid-19-Pandemie hat die Wichtigkeit solide ausgebildeter Sanitätstruppen gezeigt. Diese Truppen konnten innert kürzester Zeit in grosser Zahl mobilisiert werden, um das zivile Gesundheitswesen wirkungsvoll zu unterstützen. Eine wichtige Rolle würde ihnen voraussichtlich auch in anderen Szenarien zukommen, beispielweise bei einem Erdbeben oder anderen Katastrophen. In den nächsten Jahren werden die vielseitig einsetzbaren mobilen Sanitätshilfsstellen, mit denen die Sanitätstruppen ausgerüstet sind, an ihr Nutzungsende gelangen und erneuert werden müssen. Ausserdem müssen Fähigkeiten der militärischen Katastrophenhilfe weiterentwickelt werden, um Schadenereignisse zu begrenzen.

Viele Technologien, die militärisch genutzt werden, entwickeln sich rasant weiter. Es ist absehbar, dass in den späten 2020er- und in den 2030er-Jahren verschiedenste neue Technologien verfügbar sein werden, die sich schon heute in rascher Entwicklung befinden. Grosses Potenzial haben die Robotik, Drohnen, künstliche Intelligenz, Quantencomputing, Weltraumanwendungen, die Materialtechnik und der gesamte Bereich der Digitalisierung. Künftige Innovationen und möglicherweise disruptive Technologien müssen bei der Fähigkeitsentwicklung ebenfalls berücksichtigt werden. Dies erfordert eine geeignete Planung, um möglichst flexibel auf sich bietende Chancen zu reagieren und die Handlungsfreiheit in einem durch raschen Wandel geprägten Umfeld zu wahren.

1.2.3

Investitionen bis 2032

Der Bundesrat beabsichtigt, in den kommenden zehn Jahren insgesamt rund 15 Milliarden Franken in Rüstungsbeschaffungen zu investieren. Davon werden maximal 8 Milliarden Franken für die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge und eines Systems zur bodengestützten Luftverteidigung grösserer Reichweite benötigt. 7 Milliarden Franken sind erforderlich, um die übrigen Mittel der Armee zu erneuern. Dazu sollen die Armeeausgaben ab 2021 real um 1,4 Prozent pro Jahr erhöht werden.

In den Jahren 2022 bis 2024 werden dem Parlament vornehmlich Mittel zum Schutz des Luftraums beantragt. Investitionen in andere Fähigkeitsbereiche fallen deshalb kurzfristig tiefer aus. Zentrale Beschaffungen sind für die Abwehr von Angriffen im Cyberraum, die Mobilität sowie die Führung und Vernetzung vorgesehen.

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Mittelfristig soll in die Fähigkeiten der Bodentruppen investiert werden. Bei diesen Investitionen geht es darum, Fähigkeiten zu erhalten und weiterzuentwickeln ­ gemeint sind die Nachrichtenbeschaffung am Boden und die Unterstützung von Kampfverbänden mit indirektem Feuer. Dazu gehören auch die Überwindung von Hindernissen und Einsätze im überbauten Gelände.

Ab Ende der 2020er-Jahre kann die Erneuerung der Fähigkeit zur bodengestützten Luftverteidigung kleinerer Reichweite vorgenommen werden. Die entsprechenden Systeme sollen vor allem der Abwehr von Drohnen und Marschflugkörpern im unteren Luftraum dienen. Zudem soll die Mobilität am Boden und in der Luft verbessert werden. Beim Lufttransport wird geprüft, ob dazu künftig schwere Transporthelikopter infrage kommen könnten, wie dies der Bundesrat am 20. Dezember 2017 in seinem Bericht in Erfüllung des Postulats 15.3918 «Beschaffung von Grossraumhelikoptern anstelle von Transportflugzeugen» in Aussicht gestellt hat.

Der Bundesrat will den eidgenössischen Räten 2024 erstmals eine Armeebotschaft unterbreiten, die die erforderlichen militärischen Fähigkeiten mit einem Zeithorizont von zwölf Jahren beschreibt und auch die geplanten Investitionsausgaben aufführt.

Diese Botschaft soll es dem Parlament ermöglichen, die fähigkeitsorientierte Weiterentwicklung der Armee noch stärker mitzubestimmen als bislang.

1.3

Schwerpunkte der Armeebotschaft 2022

Der Bundesrat richtet den Fokus in der Armeebotschaft 2022 auf die Erneuerung der Mittel zum Schutz der Bevölkerung vor Bedrohungen aus der Luft. Die heute im Einsatz stehenden Kampfflugzeuge kommen innerhalb der nächsten zehn Jahre an ihr Nutzungsende und müssen ersetzt werden. Bei der bodengestützten Luftverteidigung besteht zudem eine Lücke.

Die Armee braucht moderne Kampfflugzeuge und Mittel zur bodengestützten Luftverteidigung, um ihre Aufgaben nach Artikel 58 der Bundesverfassung4 (BV) und Artikel 1 des Militärgesetzes vom 3. Februar 19955 (MG) zu erfüllen. Damit kann sie Luftpolizeiaufgaben ausüben, den Luftraum bei Konferenzen und bei erhöhten Spannungen schützen sowie bei bewaffneten Konflikten verteidigen.

Der Bundesrat will gleichzeitig mit der Beschaffung der neuen Kampfflugzeuge die F-5-Tiger-Flotte ausser Dienst stellen. Um die neuen Flugzeuge und die bodengestützte Luftverteidigung einsetzen und betreiben zu können, sind zudem die Immobilien entsprechend anzupassen.

Auch dieses Jahr wird mit der Armeebotschaft die Beschaffung von Armeematerial beantragt. Die Kredite werden unter anderem für die Cyberabwehr, die Erneuerung der Gefechtsausbildungszentren und die Evaluation eines Systems zur Neutralisation von Minidrohnen verwendet.

Die Verpflichtungskredite für das Immobilienprogramm VBS 2022 sind ebenfalls Teil der vorliegenden Armeebotschaft.

4 5

SR 101 SR 510.10

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1.4

Planungsbeschluss zur Erneuerung der Mittel zum Schutz des Luftraums

Mit der Motion 17.3604 «Luftwaffe. Grundsatzentscheid vor das Volk!» wurde der Bundesrat 2018 beauftragt, der Stimmbevölkerung raschestmöglich die Grundsatzfrage der Beschaffung von neuen Kampfflugzeugen zu stellen. Die Beschaffung sollte losgelöst von der Typenfrage entschieden werden können und im Rahmen des Armeebudgets erfolgen.

Die Motion wurde am 6. Dezember 2018 überwiesen. Obwohl Rüstungsgeschäfte nicht dem Referendum unterstehen, bot das Gefäss des Planungsbeschlusses eine Möglichkeit, die Grundsatzfrage dem fakultativen Referendum zu unterstellen. Die Passage im Motionstext, wonach die Beschaffung «losgelöst von der Typenfrage entschieden werden» solle, bedeutete, dass die Typenwahl nicht vor einer allfälligen Referendumsabstimmung erfolgen durfte.

Der Nationalrat verabschiedete den Bundesbeschluss vom 20. Dezember 2019 über die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge6 mit 123 Ja-, 68 Nein-Stimmen und 5 Enthaltungen, der Ständerat mit 33 Ja-, 10 Nein-Stimmen und einer Enthaltung. Gegen diesen Planungsbeschluss wurde das Referendum ergriffen. Die Stimmberechtigten nahmen die Vorlage am 27. September 2020 mit 50,1 Prozent Ja-Stimmen an.

Der Planungsbeschluss beauftragt den Bundesrat, mit der Beschaffung neuer Kampfflugzeuge die Mittel zum Schutz des Luftraums zu erneuern. Die Einführung soll bis Ende 2030 abgeschlossen sein. Bei der Beschaffung sind folgende Eckwerte einzuhalten: a.

Das Finanzvolumen beträgt höchstens 6 Milliarden Franken (Stand Landesindex der Konsumentenpreise Januar 2018).

b.

Ausländische Unternehmen, die im Rahmen der Beschaffung Aufträge erhalten, müssen 60 Prozent des Vertragswertes durch die Vergabe von Aufträgen in der Schweiz (Offsets) kompensieren, nämlich 20 Prozent durch direkte Offsets und 40 Prozent durch indirekte Offsets, und zwar in elf Bereichen der sicherheitsrelevanten Technologie- und Industriebasis.

c.

Der Bundesrat stellt bei den Kompensationsgeschäften sicher, dass folgender Verteilschlüssel zwischen den Regionen so weit als möglich eingehalten wird: 65 Prozent entfallen auf die deutschsprachige Schweiz, 30 Prozent auf die französischsprachige Schweiz und 5 Prozent auf die italienischsprachige Schweiz.

Die Beschaffung der neuen Kampfflugzeuge wird der Bundesversammlung in einem Rüstungsprogramm beantragt und erfolgt gleichzeitig mit der Beschaffung eines ­ technisch darauf abgestimmten ­ Systems der bodengestützten Luftverteidigung grösserer Reichweite.

6

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1.5

Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung

Die Armeebotschaft 2022 wurde in der Botschaft vom 29. Januar 2020 zur Legislaturplanung 2019­20237 und im Bundesbeschluss vom 21. September 2020 über die Legislaturplanung 2019­20238 angekündigt. Die eidgenössischen Räte verfolgen unter anderem das Ziel: «Die Schweiz kennt die Bedrohungen ihrer Sicherheit und verfügt über die notwendigen Instrumente, um diesen wirksam entgegenzutreten.» Gestützt darauf wurden in der Armeebotschaft 2020 vom 19. Februar 20209 die anstehenden Investitionen aufgezeigt. Die eidgenössischen Räte haben für die Jahre 2021­202410 einen Zahlungsrahmen von 21,1 Milliarden Franken beschlossen, um den Finanzbedarf der Armee zu decken. Die vorliegende Botschaft basiert auf diesen Beschlüssen.

2

Beschaffung der Kampfflugzeuge F-35A

2.1

Kurzfassung

Der Bundesrat beantragt für die Beschaffung der Kampfflugzeuge F-35A einen Verpflichtungskredit von 6,035 Milliarden Franken und für entsprechende bauliche Massnahmen einen Verpflichtungskredit von 120 Millionen Franken.

Die beantragten Verpflichtungskredite enthalten die Teuerung bis zur Auslieferung und die Mehrwertsteuer. Die Berechnungsgrundlagen sind in Ziffer 7.1.1 aufgeführt.

2.2

Kampfflugzeuge F-35A

2.2.1

Ausgangslage und Handlungsbedarf

Die Schweizer Luftwaffe verfügt heute über zwei Flotten von Kampfflugzeugen: 25 F-5 Tiger und 30 F/A-18 Hornet. Die F-5 Tiger wurden vor rund 40 Jahren beschafft. Sie sind technisch veraltet und dienen noch zu Ausbildungszwecken. In einem Luftkampf gegen einen modernen Gegner wären sie heute chancenlos. Die F/A-18 wurden in den 1990er-Jahren eingeführt. Mit dem Rüstungsprogramm 2017 wurde ihre Nutzungsdauer verlängert. Sie können heute alle ihre Aufgaben erfüllen. Aber je älter sie werden, desto weniger lassen sie sich erfolgversprechend gegen moderne Kampfflugzeuge einsetzen. Überdies wird die Instandhaltung mit zunehmendem Alter immer aufwendiger und teurer. Um das Jahr 2030 werden sie ihr definitives Nutzungsende erreichen. Eine weitere Verlängerung wäre mit grossen technischen und finanziellen Risiken verbunden. Auch die übrigen Länder, die über diesen Flugzeugtyp heute noch verfügen, werden ihn um das Jahr 2030 ausser Dienst stellen. Als welt-

7 8 9 10

BBl 2020 1777, hier 1859.

BBl 2020 8385, hier 8391.

BBl 2020 2253, hier 2268.

BBl 2020 8625

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weit einziges Land eine verhältnismässig kleine F/A-18-Hornet-Flotte weiterbetreiben zu wollen, ist nicht realistisch ­ auch deshalb nicht, weil der Hersteller dieses Modell nicht mehr unterstützen würde oder die Instandhaltung und die Weiterentwicklung extrem teuer wären.

Werden keine neuen Kampfflugzeuge als Ersatz für die beiden bestehenden Flotten beschafft, so wird die Schweiz Anfang des nächsten Jahrzehnts ihren Luftraum nicht mehr eigenständig schützen können. Wenn die Fähigkeiten zu einem späteren Zeitpunkt wiederaufgebaut werden müssten, würde dies viele Jahre dauern, wenn nicht sogar Jahrzehnte. Denn sollte heute auf eine Neubeschaffung verzichtet werden, würden um 2030 nicht nur die vorhandenen Flugzeuge altershalber ausser Dienst gestellt, sondern in der Folge würde auch Knowhow verloren gehen.

Die Erneuerung der Kampfflugzeugflotte dient dazu, der Ungewissheit der längerfristigen sicherheitspolitischen Entwicklung Rechnung zu tragen. Beschaffung und vollständige Einführung der neuen Flugzeuge dauern fast zehn Jahre. Anschliessend werden sie voraussichtlich während mindestens 30 Jahren im Einsatz stehen, das heisst bis in die 2060er-Jahre oder sogar noch länger. Wie sich das Umfeld der Schweiz in diesem Zeitraum entwickelt, lässt sich heute nicht voraussagen.

Ziel der Beschaffung ist es, die Schweizer Bevölkerung auch in Zukunft vor Bedrohungen aus der Luft zu schützen. Es geht darum, wichtige Mittel zu erneuern sowie mit den militärischen und technologischen Entwicklungen im Umfeld Schritt zu halten ­ dies nicht zuletzt im Hinblick auf eine mögliche Verschlechterung der sicherheitspolitischen Lage.

2.2.2

Anforderungen an das neue Kampfflugzeug

Bereits für den Luftpolizeidienst sind leistungsfähige Kampfflugzeuge erforderlich.

Infrage kommende Modelle müssen rasch grosse Einsatzhöhen und Geschwindigkeiten erreichen, um rechtzeitig luftpolizeiliche Massnahmen gegen Flugzeuge einzuleiten, die sich nicht an die Luftverkehrsregeln halten. Bei erhöhten Spannungen, vor allem aber in einem bewaffneten Konflikt benötigt die Luftwaffe Kampfflugzeuge, die gegnerischen Angriffsmitteln ebenbürtig sind: Schliesslich soll ein potenzieller Gegner von Luftraumverletzungen abgehalten und der eigene Luftraum effizient verteidigt werden. Dazu müssen infrage kommende Modelle eine hohe Steigleistung haben, Überschallgeschwindigkeit erreichen und mindestens eine Stunde im Einsatzraum verweilen können. Ferner müssen sie mit einem leistungsfähigen Radar und mit sogenannten passiven Sensoren ausgestattet sein. Damit sind Sensoren gemeint, die Objekte im Luftraum erfassen können, selbst aber keine eigenen Signale aussenden.

Erforderlich sind zudem allwettertaugliche, weitreichende und präzise Luft-LuftLenkwaffen, wirksame Selbstschutzsysteme und eine zuverlässige Freund-FeindErkennung. Wesentlich ist auch die Vernetzungsfähigkeit. Die infrage kommenden Modelle müssen Informationen und Daten mit anderen Flugzeugen und mit der Bodenorganisation austauschen können.

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Bei der Aufklärung sollen Kampfflugzeuge tageszeit- und witterungsunabhängig und selbst im umkämpften Luftraum Resultate mit hoher Auflösung liefern. Aufklärungsresultate sollen an Bord dargestellt, aufgezeichnet und über eine geschützte Datenverbindung an die Bodenorganisation übermittelt werden können.

Die Kampfflugzeuge sollen ausserdem über die Möglichkeit verfügen, neben Luftzielen auch Bodenziele zu bekämpfen. Nach erfolgtem Einsatz sollen sie in der Lage sein, mit den bordeigenen Sensoren eine erste Beurteilung der Wirkung vorzunehmen.

Für solche Einsätze wird Munition benötigt, die den Anforderungen an Präzision und Reichweite genügt. Angesichts der derzeit eher geringen Wahrscheinlichkeit eines bewaffneten Angriffs auf die Schweiz geht es lediglich darum, eine beschränkte Fähigkeit aufzubauen und dazu eine geringe Menge an Präzisionsmunition für Verifikations- und Ausbildungszwecke zu beschaffen. Eine vollausgebaute Fähigkeit inklusive Einlagerung grosser Mengen an entsprechender Munition ist nicht vorgesehen.

Weil Luftpolizeidiensteinsätze in bestimmten Situationen grenzüberschreitend erfolgen und die Luftverteidigung nach einem bewaffneten Angriff gegebenenfalls auch in einer Kooperation geführt werden könnte, müssen die Kampfflugzeuge mit den Luftwaffen der Nachbarstaaten und weiterer potenzieller Partner interoperabel sein. Die Zusammenarbeitsfähigkeit ist insbesondere bei der taktischen Datenübertragung, der gesicherten Sprachübermittlung, der Freund-Feind-Erkennung und der Satellitennavigation erforderlich. Internationale Standards sind nicht nur wesentlich, um bei Bedarf mit anderen Luftwaffen zusammenarbeiten zu können, sondern erleichtern auch die Integration neuer Kampfflugzeuge in die bestehenden schweizerischen Systeme.

Um die Frage zu beantworten, wie viele Kampfflugzeuge benötigt werden, muss zuerst festgelegt werden, wie lange die Luftwaffe imstande sein muss, ihre Aufgaben zu erfüllen. Bezugsgrösse ist eine Situation erhöhter Spannungen, die Wochen oder Monate andauern kann. Als rechnerisches Bemessungsmodell legte der Bundesrat in der Botschaft vom 26. Juni 201911 zu einem Planungsbeschluss über die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge fest, dass die Flotte so gross sein muss, dass während mindestens vier Wochen permanent vier Flugzeuge in der Luft sein können. Mit diesem
Szenario konnten die zu evaluierenden Kampfflugzeuge mit unterschiedlichem Leistungsvermögen (z. B. längere oder kürzere Verweildauer im Einsatzraum) und unterschiedlichen Wartungsanforderungen miteinander verglichen werden. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Luftwaffe bei einer konkreten Bedrohung den Schutz lediglich während vier Wochen gewährleisten könnte. Es ist absehbar, dass die Bedrohungsintensität im Falle länger andauernder, erhöhter Spannungen phasenweise zu- oder abnimmt. Wie viele Flugzeuge zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Luft sein müssen, um Luftraumverletzungen entgegenzutreten, hängt von der jeweiligen konkreten Bedrohungsintensität ab.

Nicht nur die Anzahl der benötigten Flugzeuge, sondern auch die Logistik ist ein wesentlicher Faktor dafür, wie lange die Armee eine Krisensituation bewältigen kann.

Dabei geht es insbesondere um Boden- und Ersatzmaterial, aber auch um die technische Unterstützung durch den Hersteller. Das Logistikpaket muss so ausgestaltet sein, dass die Lufthoheit während mehreren Monaten gewahrt werden kann. Zudem soll der Ausbildungs- und Trainingsbetrieb ebenfalls aufrechterhalten werden. Dies muss 11

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auch dann möglich sein, wenn die Grenzen geschlossen sind und die Ersatzteilbewirtschaftung vom und ins Ausland nicht sichergestellt ist.

Die Schweiz verfügt derzeit über eine Flotte von insgesamt 55 Kampfflugzeugen aus zwei Generationen. Sie wird in Zukunft weniger Kampfflugzeuge betreiben als bisher.

Wegen der geringeren Anzahl wird eine Ein-Flotten-Politik verfolgt. Eine Ein- oder Zwei-Flotten-Politik hat unterschiedliche Folgen: Eine Zwei-Flotten-Politik würde zu einem höheren Aufwand für Instandhaltung und Ausbildung führen. Bei einer EinFlotten-Politik besteht hingegen das Risiko, dass bei Defekten alle Flugzeuge vorübergehend am Boden bleiben müssen. Bei einem Vergleich mit den Flotten anderer Staaten fällt auf, dass keine Staaten gleicher Grösse eine Zwei-Flotten-Politik verfolgen.

2.2.3

Beschreibung der beantragten Lösung und Begründung

Der Bundesrat beantragt den eidgenössischen Räten, Kampfflugzeuge des Typs F-35A zu beschaffen. Der F-35A der Firma Lockheed Martin (USA) hat sich in der Evaluation als dasjenige Kampfflugzeug erwiesen, das sich für die Schweiz am besten eignet. Es hat von allen evaluierten Flugzeugen das vorteilhafteste Kosten-NutzenVerhältnis. Als vielseitiges und technologisch fortschrittliches Kampfflugzeug verfügt der F-35A über die besten Voraussetzungen, die Bevölkerung während Jahrzehnten vor Bedrohungen aus der Luft zu schützen. Gleichzeitig ist er das kostengünstigste aller geprüften Modelle, und zwar sowohl in der Beschaffung als auch im anschliessenden Betrieb über rund 30 Jahre.

Der F-35 wird in verschiedenen Versionen hergestellt, die jeweils spezifischen Bedürfnissen Rechnung tragen, beispielsweise ein Senkrechtstarter (F-35B) oder eine Version, die auf Flugzeugträgern eingesetzt werden kann (F-35C). Die Schweiz braucht diese spezifischen Fähigkeiten nicht und hat sich für die Grundversion F-35A entschieden, die von den US-amerikanischen Luftstreitkräften und weiteren Staaten eingesetzt wird. Weltweit werden ab den 2030er-Jahren während Jahrzehnten über 3000 F-35-Maschinen im Einsatz stehen, von denen bereits über 700 ausgeliefert wurden. In Europa haben sich bislang acht Staaten für diesen Flugzeugtyp entschieden, nämlich Belgien, Dänemark, Finnland, Grossbritannien, Italien, die Niederlande, Norwegen und Polen. Ausserhalb Europas kommen neben den USA als Hauptbetreiberin Australien, Israel, Japan, Südkorea und in naher Zukunft Singapur hinzu. Die grosse Zahl an Kampfflugzeugen und Betreiberstaaten hat erhebliche Vorteile: So entstehen vielfältige Möglichkeiten zur Zusammenarbeit in der Ausbildung, bei der Logistik und bei der jahrzehntelangen Weiterentwicklung. Die Tatsache, dass derart viele Maschinen produziert und betrieben werden, senkt überdies die Kosten und garantiert gleichzeitig, dass das Flugzeug lange im Einsatz sein wird.

Beim F-35A handelt es sich um ein Kampfflugzeug der neusten Generation. Gegenüber den anderen evaluierten Kandidaten hat er einen deutlichen technologischen Vorsprung. Dieser besteht darin, dass er mit zahlreichen leistungsfähigen Sensoren ausgerüstet ist, die auf fortschrittliche Art miteinander verbunden sind. Der F-35A kann eine grosse Menge Daten selbst erzeugen, diese Daten automatisch verarbeiten 21 / 84

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und mit anderen Systemen und der Bodenorganisation austauschen. Dies wird als Systemverbund bezeichnet. Die Konstruktion des Flugzeugs ist darauf ausgelegt, seine Erfassbarkeit durch gegnerische Radar- oder Infrarot-Sensoren zu erschweren. Dies wird unter anderem durch die Formgebung und die Eigenschaften der Flugzeugoberfläche erreicht. Auch werden der gesamte Treibstoff und der Grossteil der Munition im Rumpf mitgeführt, und die Flugzeugsensoren und -antennen befinden sich unter der Flugzeugoberfläche.

In der technischen Evaluation erzielte der F-35A, verglichen mit den anderen evaluierten Kandidaten, mit Abstand den höchsten Gesamtnutzen und zugleich die tiefsten Gesamtkosten.

Die Armee benötigt 36 F-35A Bei erhöhten Spannungen werden zwei Patrouillen mit je zwei Flugzeugen in voneinander unabhängigen Räumen eingesetzt. Gleichzeitig werden vier Flugzeuge für die Ablösung bereitgestellt. Vier weitere Flugzeuge werden gewartet und für spätere Einsätze vorbereitet. Um mögliche Ausfälle abzudecken, werden weitere vier Flugzeuge in Reserve gehalten. Für einen 24-Stunden-Betrieb werden folglich 16 Kampfflugzeuge benötigt. Dazu kommt, dass im Normalbetrieb etwas mehr als ein Drittel der Flotte ­ 14 der 36 Flugzeuge ­ instand gehalten werden müssen. Wenn die Luftwaffe während vielen Stunden Einsätze fliegen muss, nimmt die Anzahl der gebundenen Flugzeuge zu. Deshalb sind sechs zusätzliche Flugzeuge notwendig. Dabei wird berücksichtigt, dass während der jahrzehntelangen Nutzung Flugzeuge bei Unfällen verloren gehen können.

Die Luftwaffe bildet mit 36 F-35A drei Staffeln mit jeweils zwölf Flugzeugen. Jede Staffel wird rund acht Flugzeuge einsatzbereit halten. Damit können die Verbände unabhängig und mit einer gewissen Flexibilität von verschiedenen Standorten aus eingesetzt werden und die geforderte Durchhaltefähigkeit erreichen.

In einem bewaffneten Konflikt kann die Luftwaffe mit der beantragten Anzahl Kampfflugzeuge den Luftraum während einer beschränkten Zeit verteidigen und die Bodentruppen unterstützen. Die 36 F-35A ­ in Kombination mit dem zu beschaffenden Patriot-System für die bodengestützte Luftverteidigung grösserer Reichweite ­ erlauben eine glaubwürdige Luftverteidigung gegen einen zeitgemässen Gegner. In einer Kooperation können die F-35A einen bedeutenden Beitrag an die Sicherheit in
Europa leisten. Sie können mit sämtlichen westeuropäischen Luftwaffen zusammenarbeiten, und zwar unabhängig von den Flugzeugtypen, welche die Staaten für ihre Flotte gewählt haben: Alle Hersteller verwenden dieselben technischen Standards.

Deswegen können auch die verschiedenen Modelle miteinander operieren.

Im Alltag benötigt die Luftwaffe die Kampfflugzeuge für den Luftpolizeidienst und das Training der Pilotinnen und Piloten. Bei einer zu kleinen Flotte wären die Flugzeuge zu rasch verbraucht; sie müssten früher ersetzt oder ihre Nutzungsdauer müsste verlängert werden.

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2.2.3.1

Gesamtnutzen

Beim Gesamtnutzen wurden vier Hauptkriterien unterschieden und gewichtet: ­

die Wirksamkeit mit 55 Prozent,

­

der Produktesupport mit 25 Prozent,

­

die Kooperationsmöglichkeiten mit 10 Prozent und

­

die direkten Offsets mit ebenfalls 10 Prozent.

Wirksamkeit Der F-35A erfüllt alle Anforderungen der Schweiz an ein Kampfflugzeug, das sich in verschiedenen Rollen im gesamten Eskalationsspektrum einsetzen lässt, vom Alltag über erhöhte Spannungen bis hin zu einem bewaffneten Konflikt.

Luftpolizeidienst Der F-35A eignet sich sehr gut für den Luftpolizeidienst. Auch andere europäische Luftwaffen setzen ihn dafür ein. Ausgestattet mit einem leistungsstarken Triebwerk verfügt er über eine grosse Steigleistung und ein hohes Beschleunigungsvermögen auf Überschallgeschwindigkeit. Weil der gesamte Treibstoff im Flugzeuginnern mitgeführt wird, sind Aussentanks, die Luftwiderstand erzeugen, nicht erforderlich. Nach einem Alarmstart kann der F-35A rasch in den Einsatzraum gelangen und dort lange verweilen, um luftpolizeiliche Massnahmen durchzuführen.

Neben der Fähigkeit, rasch zu steigen und zu beschleunigen, kann der F-35A bei Bedarf auch sehr langsam fliegen. So können Jetpilotinnen und -piloten auch langsame Luftfahrzeuge, wie Linien-, Geschäfts- und Sportflugzeuge, visuell identifizieren und Flugzeuge, die in Not geraten sind oder sich nicht an die Luftverkehrsregeln halten, zur Landung begleiten.

Mit seinen zahlreichen Sensoren kann der F-35A bei jedem Wetter und auch nachts zuverlässige Informationen beschaffen. Sensorinformationen werden auf der Innenseite des Helmvisiers abgebildet. Die Pilotinnen und Piloten haben dadurch eine 360Grad-Rundumsicht: Sie sehen auch, was sich hinter oder unter dem Flugzeug abspielt.

Neben dem Infrarotbild projiziert eine Nachtsichtkamera ihre Daten direkt auf das Helmvisier. Bilder der luftpolizeilichen Identifikation können zudem in Echtzeit an die Einsatzleitzentrale der Luftwaffe und bei Bedarf an politische Entscheidungsträgerinnen und -träger übermittelt werden.

Luftverteidigung Um den Schutz und die Verteidigung des Luftraums zu erfüllen, sind insbesondere die leistungsfähigen Sensoren des F-35A entscheidend. Mit ihnen lassen sich Flugobjekte und deren elektromagnetische Abstrahlung auf grosse Distanz erkennen. Die so erfassten Daten werden im Flugzeug vernetzt und auf einem Display im Cockpit dargestellt. Diese Informationen werden dabei so fusioniert, gefiltert und aufbereitet, dass den Pilotinnen und Piloten nur die für sie relevanten Informationen angezeigt werden.

Damit werden sie wesentlich entlastet und können sich vollständig auf ihre taktischen Aufgaben konzentrieren.

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Mit den zahlreichen Sensorinformationen können die Pilotinnen und Piloten rasch Entscheidungen treffen, beispielsweise über taktische Flugmanöver oder den Einsatz von Waffen. Informationsüberlegenheit und Lageverständnis sind wichtige Faktoren, um gegen einen zeitgemässen Gegner bestehen zu können.

Mehrere F-35 agieren als System. Sie können untereinander in Echtzeit Daten austauschen. Indem sie sich mit anderen F-35 vernetzen, erhalten Pilotinnen und Piloten weitere Informationen, beispielsweise Sensordaten über Flugobjekte, die sich weit entfernt im Luftraum befinden und mit den eigenen Bordsensoren nicht erfasst werden können. Dadurch erweitern sich die Fähigkeiten der einzelnen Flugzeuge um ein Mehrfaches. Weitere Daten, beispielsweise von Bodensystemen oder Kampfflugzeugtypen allfälliger Kooperationspartner, können via «Link-16» integriert werden.

Dabei handelt es sich um den taktischen Datenlink von westlichen Staaten, über den die Schweiz im F/A-18 bereits heute verfügt und der auch im neuen Kampfflugzeug vorhanden sein wird. Dank den zahlreichen Sensoren, deren Vernetzung und der einfachen Darstellung der gewonnenen Informationen haben die Pilotinnen und Piloten eine umfassende Übersicht über die Lage im Luftraum und am Boden.

Der F-35A lässt sich mit Radar- und Infrarot-Sensoren nur schwer erfassen. Deshalb kann der Gegner nur schwer erkennen, wie viele Flugzeuge im Luftraum präsent sind und wo sie sich befinden. Während der Gegner das Kampfflugzeug auf seinem Bordradar vergeblich sucht, kann er selbst von den leistungsfähigen Sensoren der F-35A erfasst und mit Lenkwaffen bekämpft werden. Die sogenannten Stealth- oder Tarnkappen-Eigenschaften sind deshalb auch in der Luftverteidigung ein erheblicher Vorteil.

Darüber hinaus ist der F-35A mit leistungsfähigen Selbstschutzsystemen ausgerüstet.

Diese dienen dazu, gegnerischen Lenkwaffenbeschuss abzuwehren. Damit sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass der F-35A in einem Luftkampf abgeschossen wird. Für eine Armee mit einer relativ kleinen Anzahl Flugzeuge ist dies von grosser Bedeutung.

Zum Selbstschutz gehört auch die Cybersicherheit, die bei der Entwicklung des F-35 von Anfang an berücksichtigt wurde. Sie wird zum Beispiel durch die Rechnerarchitektur, die Auswahl der an der Entwicklung beteiligten Lieferanten und die durchgängige Regelung
des Umgangs mit Daten erreicht. Damit sind sensitive Daten der Armee besonders gut geschützt. Der F-35A verfügt über das modernste System der vier evaluierten Kandidaten. Seine Cybersicherheit kann gewährleistet werden.

In der Luftverteidigung werden auch bei Nacht oder in den Wolken oft dynamische Manöver geflogen. Der F-35A ist mit einer elektronischen Flugsteuerung und mit einem System ausgestattet, das eine Kollision mit dem Boden verhindert. Zudem verfügt das Flugzeug über eine Funktion, die automatisch eine sichere Fluglage wiederherstellt, falls die Pilotin oder der Pilot die räumliche Orientierung verlieren sollte.

Damit wird die Flugsicherheit erhöht.

Luftaufklärung und Bekämpfung von Bodenzielen Bei allen evaluierten Kandidaten handelt es sich um Mehrzweckkampfflugzeuge: Mit ihnen lässt sich nicht nur der Luftraum schützen, sondern sie lassen sich auch für die

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Unterstützung von Bodentruppen einsetzen. Die Eigenschaften des F-35A, seine leistungsfähigen Sensoren, deren Vernetzung, wirksame Selbstschutzsysteme und die Stealth-Eigenschaft bieten auch in dieser Rolle grosse Vorteile.

Eine der zentralen Herausforderungen gegenwärtiger Konflikte sind rasche Lageveränderungen und die damit einhergehende Informationsflut. Der F-35A kann Informationen in Echtzeit beschaffen, verarbeiten und weitergeben. Anders als bei den Mitbewerbern werden die Sensoren für die Luftaufklärung beim F-35A nicht als Aussenlasten mitgetragen, sondern sind im Flugzeug integriert. Deshalb ist es nicht nötig, die Konfiguration zwischen den Flügen zu ändern, wenn das Kampfflugzeug von einer Rolle in eine andere wechselt. Mit den eingebauten Sensoren können die F-35A stets hochauflösende Bilder liefern ­ bei jeder Witterung, zu jeder Tagesund Nachtzeit. Die Aufklärungsresultate lassen sich sowohl an Bord anzeigen und aufzeichnen als auch gleichzeitig an die Bodenorganisation übermitteln.

Der F-35A ist so konfiguriert, dass er in den Waffenschächten verschiedene Arten von Munition mitführen kann. Diese Schächte sind in seinen Rumpf integriert, sodass die Tarnung erhalten bleibt. Um die beschränkte Befähigung zur Bodenzielbekämpfung aufzubauen, soll eine minimale Anzahl an Präzisionsmunition mit fortschrittlichen Sensoren beschafft werden. Diese erlaubt es, militärische Bodenziele punktgenau zu bekämpfen und dabei Kollateralschäden gering zu halten. Beschafft werden soll nur so viel Munition, dass die Flugzeuge für deren Einsatz zertifiziert werden können.

Dafür müssen sowohl die Flugzeugbesatzungen als auch das Instandhaltungspersonal ausgebildet werden. Die Munitionsmenge könnte aufgestockt werden, wenn sich die sicherheitspolitische Lage verschlechtert.

Bewaffnung Neben der eingebauten 25-Millimeter-Bordkanone können F-35A zur Bekämpfung von Zielen in der Luft sowohl Infrarot- als auch Radar-Lenkwaffen mitführen. Das Beschaffungspaket umfasst den Kauf von AIM-9X Sidewinder, einer KurzstreckenLenkwaffe mit Infrarotsuchkopf. Die Schweizer Luftwaffe setzt diesen Lenkwaffentyp zwar schon heute ein, der vorhandene Bestand erreicht jedoch 2030 das Ende seiner Nutzungsdauer und muss ersetzt werden. Um Ziele auf grössere Distanz zu bekämpfen, können die Mittelstrecken-Lenkwaffen AIM-120
Amraam mit Radarzielsuche weiterverwendet werden, die für den F/A-18 Hornet beschafft wurden. Eine zu einem späteren Zeitpunkt erforderliche Nachbeschaffung oder ein Ersatz dieser Lenkwaffe ist in den Betriebskosten eingerechnet. Bei einem Ersatz könnten auch andere Hersteller berücksichtigt werden.

Um die Luft-Boden-Fähigkeit des Flugzeugs zu zertifizieren und die Flugzeugbesatzungen auszubilden, wird eine geringe Anzahl zweier Typen von Präzisionsmunition beschafft. Beim ersten Typ, «GBU-54 JDAM» (Joint Direct Attack Munition), handelt es sich um Präzisionsmunition kurzer Reichweite. Sie wird mittels GPS oder mithilfe eines Lasersuchkopfs mit grosser Genauigkeit ins Ziel gelenkt. Auch der leichtere zweite Typ, die «GBU-53 Storm Breaker», verfügt über GPS- und Laserlenkung.

Dank einer Datenlink-Verbindung kann die GBU-53 auf ihrem Flug laufend mit aktualisierten Zielinformationen versorgt werden. Beide Munitionsarten sind allwettertauglich und lassen sich mit hoher Präzision sowohl gegen statische als auch gegen bewegliche Ziele einsetzen.

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Produktesupport Der Produktesupport dient dazu, dass das Kampfflugzeug und die dazugehörigen Bodensysteme über die gesamte Nutzungsdauer einsatzbereit bleiben. Dazu gehören im Wesentlichen das Ausbildungskonzept, die Instandhaltung und die Versorgung mit Ersatzteilen. Der F-35A erreichte in dieser Kategorie ebenfalls die höchste Punktzahl aller evaluierten Kandidaten.

Ausbildungskonzept Der F-35A verfügt über ein modernes Ausbildungskonzept, das dem Einsatz von Simulatoren und weiteren Ausbildungshilfsmitteln grosses Gewicht beimisst. Pilotinnen und Piloten benötigen rund 20 Prozent weniger Flugstunden als beim F/A-18 Hornet, weil sich der F-35A einfacher bedienen lässt. Sie können sich auf den Einsatz konzentrieren, da ihnen nur die für sie relevanten Informationen dargestellt werden. Der F-35A bietet überdies die Möglichkeit, im echten Flug simulativ andere Flugzeuge darzustellen.

Für die Ausbildung sollen vier untereinander vernetzte Simulatoren beschafft und in Payerne eingerichtet werden. Sie sind für die Ausbildung und das Training von Kampfjetpilotinnen und -piloten unverzichtbar: Diese können mit Simulatoren kostengünstig, umweltschonend und risikolos Flüge und Pannen trainieren.

Weitere Simulatoren werden beschafft, um Schulungen zur Instandhaltung durchzuführen. Armeeangehörige können einen grossen Teil ihrer Ausbildung auf den Simulatoren absolvieren. Damit müssen für ihre Ausbildung weniger Flugzeuge bereitgestellt werden. Dies reduziert den Materialverschleiss und erhöht die Flottenverfügbarkeit.

Um sich mit dem neuen Kampfflugzeug vertraut zu machen, wird zunächst eine Kerngruppe von Flugbesatzungen und Unterhaltspersonal in den USA ausgebildet. Die weiteren Ausbildungen erfolgen anschliessend mit eigenen Mitteln in der Schweiz.

Die Ausbildung für den Einsatz von Lenkwaffen und Präzisionsmunition findet ausschliesslich in den USA statt, beispielsweise mit geplanten Verifikationsschiessen.

Instandhaltung Der F-35A basiert auf einem fortschrittlichen Instandhaltungskonzept: Dieses beruht auf Erfahrungen aus der zivilen Luftfahrt und gelangt auch bereits bei Motorfahrzeugen zur Anwendung. Das Kampfflugzeug ist mit Diagnosesystemen ausgestattet, die den Zustand der verschiedenen Komponenten laufend überwachen und melden, wenn Instandhaltungsarbeiten erforderlich sind. Auf diese
Weise lassen sich mögliche Schäden frühzeitig erkennen und rasch beheben. Damit sollen aufwendige periodische Kontrollen des Flugzeugs vermieden und Standzeiten reduziert werden.

Beim Informatiksystem, das die Logistik steuert, handelt es sich um ein eigenständiges System. Die Informationen können jedoch bei Bedarf auch der Herstellerfirma und allen anderen Betreiberstaaten zur Verfügung gestellt werden. Die Schweiz könnte von den Erfahrungen anderer Nutzer profitieren und die eigenen Logistikkosten tiefer halten. Dabei bestimmt jeder Nutzer selbst, welche Informationen er dem Hersteller zurückmeldet.

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Die Flugzeuge werden vollständig in der Schweiz und ausschliesslich durch Schweizer Personal instand gehalten. Kleinere Instandhaltungsarbeiten werden ­ wie heute beim F/A-18 Hornet und F-5 Tiger ­ durch Personal der Luftwaffe ausgeführt. Dabei kommen auch Milizsoldatinnen und -soldaten zum Einsatz. Truppenferne Aufgaben in den Bereichen der technischen Systembetreuung, der Flugzeuginstandhaltung und der Materialbewirtschaftung zwischen dem In- und Ausland übernimmt die Ruag AG als Materialkompetenzzentrum. Der Hersteller händigt der Schweiz alle Daten aus, die erforderlich sind, um Instandhaltungsarbeiten am Flugzeug auszuführen.

Ersatzteilversorgung Dass in den kommenden Jahrzehnten weltweit mehrere tausend F-35 im Einsatz stehen werden, ist auch mit Blick auf die sichere Versorgung mit Ersatzteilen ein erheblicher Vorteil gegenüber den anderen evaluierten Kandidaten.

Mit der Einführung des neuen Kampfflugzeugs wird ein allein für die Schweiz definiertes Ersatzteilpaket beschafft und in der Schweiz eingelagert. Dieses Paket ist Teil des beantragten Verpflichtungskredits. Es ist so ausgelegt, dass die Kampfflugzeuge ab Beginn im ordentlichen Flugbetrieb genutzt und während mehrerer Monate autonom eingesetzt werden können, falls die Ersatzteillieferung in einer Krise unterbrochen werden sollte.

Während des alltäglichen Betriebs wird die Schweiz über dieses Ersatzteilpaket hinaus keine grossen Mengen an Ersatzteilen bevorraten, sondern sich wie alle Länder, die den F-35 einsetzen, an einem Ersatzteilpool beteiligen. Die Bevorratung und Instandhaltung der Ersatzteile obliegen dem Pooling-Betreiber, dem USVerteidigungsministerium. Dieser stellt die Verfügbarkeit zusammen mit der Herstellerfirma sicher. Muss die Schweizer Luftwaffe eine defekte Komponente ersetzen, so wird ihr das Ersatzteil aus dem Pool zur Verfügung gestellt. Lange Wartezeiten bei der Lieferung von Ersatzteilen entfallen damit. Dies wirkt sich positiv auf die Flottenverfügbarkeit aus. Die Versorgung mit Ersatzteilen ist vertraglich vereinbart.

Das Vorgehen, einerseits ein spezifisch für die Schweiz produziertes Ersatzteilpaket zu beschaffen und sich andererseits an der internationalen Poollösung zu beteiligen, ermöglicht ein Maximum an Wirtschaftlichkeit und reduziert Abhängigkeiten.

Kooperationsmöglichkeiten Wird ein Kampfflugzeug
beschafft, geht die Schweiz mit dem Herstellerstaat eine Zusammenarbeit ein. Diese dauert so lange an, bis das System ausser Dienst gestellt wird. Beim neuen Kampfflugzeug sind dies voraussichtlich 30 bis 40 Jahre. In der Rüstungskooperation mit den USA blickt die Schweiz auf langjährige Beziehungen und Erfahrungen zurück. Dabei haben sich die USA in sämtlichen Bereichen stets als verlässliche Partnerin erwiesen.

In der militärischen Ausbildung arbeitet die Schweiz schon lange mit Luftwaffen anderer Staaten zusammen, auch mit denen der USA. Gewisse Trainings könnten in der Schweiz gar nicht stattfinden, weil die dazu erforderlichen Übungs- und Schiessplätze fehlen. So lassen sich im Ausland beispielsweise Nacht-, Tief- und Überschallflüge durchführen, die in der dicht besiedelten Schweiz aus Rücksichtnahme auf die Bevölkerung nicht oder nur sehr beschränkt möglich sind. Der F-35A bietet diesbezüglich 27 / 84

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einen guten Zugang zu umfangreichen Übungen und Ausbildungsmöglichkeiten, sei es in den USA oder in Europa zusammen mit den Luftwaffen europäischer Staaten, die dieses Kampfflugzeug einsetzen. Das Schweizer Personal erhält dadurch die Möglichkeit, mit zahlreichen einsatzerfahrenen Luftwaffen Wissen und Erfahrungen auszutauschen.

Auch hinsichtlich der Kooperation zwischen den Beschaffungsbehörden eröffnen sich mit dem F-35A vielfältige Möglichkeiten. So erhält das Schweizer Personal beispielsweise Zugang zu Expertengremien und kann so weiteres Fachwissen über komplexe Waffensysteme mit hohem Informatikanteil aufbauen.

Direkte und indirekte Offsets Gemäss Planungsbeschluss zur Erneuerung der Mittel zum Schutz des Luftraums müssen 20 Prozent des Auftragsvolumens durch direkte Offsets und 40 Prozent durch indirekte Offsets kompensiert werden. Direkte Offsets stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Rüstungsbeschaffung, indem Schweizer Firmen beispielsweise Komponenten für das beschaffte System liefern. Sie übernehmen ebenfalls die Entwicklung oder Herstellung der Komponenten in Teil- oder Volllizenz. Indirekte Offsets beziehen sich nicht direkt auf das zu beschaffende Rüstungsgut, werden aber durch die betreffende Rüstungsbeschaffung ausgelöst. Dabei geht es insbesondere um Industrieaufträge, Technologietransfers, Investitionen, Marketing- oder Vertriebsunterstützung. Die Offsets verbessern den Marktzugang, insbesondere für die sicherheitsrelevante Technologie- und Industriebasis der Schweiz. Zudem werden Abhängigkeiten vom Ausland reduziert und die Autonomie der Schweiz erhöht.

Der Flugzeughersteller evaluiert zurzeit Aufträge an Schweizer Firmen und wird diese nach Vertragsunterzeichnung abschliessen. Bereits bekannt sind die am direkten Offset beteiligten Schweizer Firmen, die als Unterlieferanten des Herstellers Bestandteil seiner Offerte waren. Die übrigen Offsetprojekte werden im Anschluss an die Vertragsunterzeichnung laufend weiterentwickelt. Sie sollen zu 65 Prozent in der deutschsprachigen Schweiz, zu 30 Prozent in der französischsprachigen Schweiz und zu 5 Prozent in der italienischsprachigen Schweiz verteilt werden. Restlos erfüllt sein muss die Offsetverpflichtung spätestens vier Jahre nach der letzten Flugzeuglieferung.

Anderenfalls wird eine Konventionalstrafe fällig, die den
Hersteller allerdings nicht von der Erfüllung der Offsetverpflichtung befreit.

Die Umsetzung der Offsetgeschäfte wird mit einem Monitoring und Controlling überwacht. Das Offset-Büro Bern12 prüft die vom Hersteller gemeldeten indirekten Offsetgeschäfte auf deren Konformität mit den Offsetregeln. Es wird ein öffentliches Offsetregister führen, in welchem der Name des Beschaffungsprojekts, der Name des Herstellers, der Name des berücksichtigten Schweizer Unternehmens, dessen Sprachregion, die Branchenzugehörigkeit und die noch offenen Verpflichtungen enthalten sind.

Das gesamte Offsetvolumen beim F-35A entspricht einem Wert von 2,9 Milliarden Franken, wovon eine Milliarde Franken auf direkte Offsets entfällt. Zudem vergibt

12

www.ar.admin.ch > Beschaffung > Rüstungspolitik > Offset.

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der Bund direkte Aufträge an die Schweizer Industrie im Wert von 67 Millionen Franken. Diese und weitere Anteile wie Mehrwertsteuer, Risikozuschlag und Teuerung sind für die ausländischen Hersteller nicht offsetpflichtig.

Die direkten Offsets wurden als Hauptkriterium beurteilt. Konkret wurden der Umfang der direkten Offsetprojekte, die enthaltenen Schlüsseltechnologien, der erreichte Autonomiegrad und die Verteilung auf die Sprachregionen evaluiert.

Zu den Projekten, die bereits eingereicht und als Offsetgeschäft zum F-35A genehmigt wurden, gehören die Herstellung von Cockpithauben (sowohl für die Schweiz als auch für Dritte), die Wartung der Schweizer Triebwerke und die Etablierung eines F-35A-Cybercenters zur Evaluierung von Cyberbedrohungen.

Die Beschaffung der F-35A ermöglicht den Zugang zu neuen Technologien. Dies führt zu einem Zuwachs an Knowhow. Davon profitieren Forschungseinrichtungen und Unternehmen, die in der Schweiz im sicherheits- und wehrtechnischen Bereich tätig sind.

Der Hersteller pflegt bereits heute den Kontakt mit der Schweizer Industrie und den Industrieverbänden. Er fokussiert insbesondere auf strategische Partnerschaften und wichtige Technologieprojekte. Konkret sollen Schweizer Firmen als wichtige Lieferanten des Herstellers aufgebaut und sicherheitsrelevante Schlüsseltechnologien in der Schweiz gezielt unterstützt werden.

Bei der F/A-18-Beschaffung wurden die Offsetverpflichtungen nicht nur vollständig erfüllt, sondern sogar übertroffen. Am Offsetprogramm waren rund 400 Firmen in der Schweiz beteiligt ­ davon drei Viertel kleine und mittlere Unternehmen. Die Erfahrung zeigt, dass die direkte Industriebeteiligung für den Betrieb der F/A-18-HornetFlotte sowohl wirtschaftlich als auch militärisch vorteilhaft war. Vom Offsetprogramm zum F-35A werden ebenfalls positive Effekte erwartet. Aufgrund der Offsetprojekte und der Instandhaltungsarbeiten werden in der Schweiz während der kommenden Jahrzehnte zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen.

2.2.3.2

Gesamtkosten

Über eine Nutzungsdauer von 30 Jahren ist für die Beschaffung und den Betrieb des F-35A mit Gesamtkosten von rund 15,5 Milliarden Franken zu rechnen, davon 6,035 Milliarden Franken für die Beschaffung. Die Gesamtkosten liegen um rund 2 Milliarden Franken tiefer als die der anderen evaluierten Flugzeuge.

Die Schweiz beschafft die Kampfflugzeuge über das Programm Foreign Military Sales (FMS) der US-Regierung. Die US-Regierung wiederum wird die Beschaffung über eigene Verträge mit dem Hersteller abwickeln. Die Preise und die Vertragskonditionen sind in diesen Verträgen verbindlich festgelegt und werden auch mit einer strengen Aufsicht eingefordert. Die Schweiz erhält Einsicht in diese Verträge. Auch die Beschaffungen der heutigen Flotte (F-5 Tiger und F/A-18 Hornet) sowie weitere Beschaffungen wurden auf diese Weise abgewickelt. Die armasuisse hat über 40 Jahre Erfahrung bei der Abwicklung von FMS-Geschäften. Zu Kostenüberschreitungen kam es nie.

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Beschaffungskosten In den Beschaffungskosten von insgesamt 6,035 Milliarden Franken sind nebst den Flugzeugen die folgenden Komponenten enthalten: ­

Ausbildungssysteme (Simulatoren, computerbasiertes Training),

­

Systeme für die Einsatzplanung und -auswertung,

­

Kurzstrecken-Lenkwaffen und Präzisionsmunition,

­

Logistikpaket (z. B. Boden- und Ersatzmaterial, technische Unterstützung der Industrie während der Einführung).

In den Beschaffungskosten enthalten sind zudem Ausgaben für die Integration in die schweizerischen Führungs- und Informationssysteme (z. B. Anpassungen an den vorhandenen Logistiksystemen) und für Unterstützungsleistungen durch die Industrie.

Nicht zuletzt enthält der Verpflichtungskredit auch einen Risikozuschlag, die Teuerung sowie die Mehrwertsteuer auf Importen.

Grundsätzlich gilt, dass die Beschaffungskosten nur schwer mit Beschaffungen anderer Nationen verglichen werden können. Öffentliche Angaben bieten kaum verlässliche Informationen über den detaillierten Lieferumfang und die Vertragskonditionen.

Betriebskosten Die berechneten Betriebskosten über 30 Jahre betragen beim F-35A rund 9,4 Milliarden Franken. Diese Berechnung stützt sich zum einen auf eine verbindliche Offerte für die ersten zehn Jahre der Nutzung. Zum anderen wurden die voraussichtlichen Betriebskosten für die weitere Nutzungsdauer hochgerechnet. Gemeint ist hier der Zeitraum von 2040 bis 2060. Diese Hochrechnung stützt sich sowohl auf die Offerten als auch auf die jahrzehntelangen Erfahrungen des Betriebs der aktuell vorhandenen Kampfflugzeuge ab. Hier wurde insbesondere der F/A-18 Hornet berücksichtigt. Die Alterung des Systems wurde ebenfalls in die Kalkulation einbezogen: Sie führt ab der zweiten Hälfte der Nutzungsdauer zu zusätzlichem Aufwand. Eine verbindliche Offerte für die gesamte Nutzungsdauer, das heisst über 2040 hinaus, wäre aus kaufmännischer Sicht unseriös.

Pro Jahr ist mit einem Betriebsaufwand von durchschnittlich rund 300 Millionen Franken zu rechnen. Dieser Aufwand bewegt sich damit in einem ähnlichen Rahmen wie jener für die bereits bestehende Flotte, nämlich die F/A-18 Hornet und die F-5 Tiger.

Der jährliche Betriebsaufwand setzt sich wie folgt zusammen: ­

Personalaufwand für die Pilotinnen und Piloten sowie für das Personal für Bereitstellung, Betrieb und Flugzeuginstandhaltung (35 Mio. Fr.),

­

Aufwand für die Systemunterstützung und die Instandhaltung durch die Industrie (230 Mio. Fr.),

­

Aufwand für den Treibstoff (35 Mio. Fr.).

Für eine spätere Beschaffung von Lenkwaffen wurden 400 Millionen Franken eingerechnet. Dieser Betrag ist in den Betriebskosten von 9,4 Milliarden enthalten.

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Kosten für allfällige Kampfwertsteigerungs- und Werterhaltungsprogramme sowie Ausserdienststellungskosten wurden nicht berücksichtigt, weil diesbezügliche Vorhersagen mit allzu grossen Unsicherheiten verbunden wären.

2.2.3.3

Weitere Aspekte

Abhängigkeiten Der Bundesrat hat die Abhängigkeiten von Herstellerfirmen und Herstellerland bei seinem Entscheid für den F-35A berücksichtigt. Es werden verschiedene Vorkehrungen getroffen, damit die Schweiz die Kampfflugzeuge mit grösstmöglicher Autonomie einsetzen kann. Vollständig ausschliessen lassen sich Abhängigkeiten bei einem hochkomplexen Waffensystem wie einem modernen Kampfflugzeug indessen nicht ­ dies gilt allerdings für jeden Anbieter.

Schweizer Kampfflugzeuge müssen mit jenen der Nachbarstaaten und mit weiteren Luftwaffen im Umfeld der Schweiz zusammenarbeiten können, etwa im grenzüberschreitenden Luftpolizeidienst oder bei internationalen Übungen und Trainings. Die Technologie der Systeme, die die dazu erforderliche Interoperabilität ermöglichen, ist US-amerikanisch. Dies gilt auch für Modelle, die von europäischen Herstellern gebaut werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass die USA auf einsatzrelevante Daten zugreifen können. Der Nutzer entscheidet über die eigenen Daten. Die Sensoren und Waffen des F-35A könnten auch dann eingesetzt werden, wenn sich die Schweiz entscheiden würde, die Funktionen wie zum Beispiel den Datenlink oder die Satellitennavigation nicht zu nutzen. Dass das Herstellerland über sie in die Flugzeugelektronik eingreift und damit beispielsweise das Flugzeug am Abheben oder am Einsatz von Waffen hindern könnte, ist technisch nicht möglich.

Welche Daten mit dem Hersteller und der US-Regierung ausgetauscht werden, bestimmt einzig die Schweiz. Sie erhält von Lockheed Martin den Zugang zur gesamten betriebsnotwendigen Software. Nicht vorgesehen ist der Zugang zum Quellcode. Dies wäre nur dann erforderlich, wenn die Schweiz beabsichtigte, die Kampfflugzeuge selbstständig weiterzuentwickeln ­ dies ist jedoch nicht der Fall. Wichtiger als der Zugang zum Quellcode sind detaillierte Beschreibungen der Programme, um Systeme während der Nutzung unabhängig überprüfen zu können. So kann das Schweizer Personal zukünftige Weiterentwicklungen testen, beispielsweise im Softwarebereich, bevor es diese Funktionen für einen Einsatz in der Luftwaffe freigibt. Die Funktionstüchtigkeit und Integrität der Programme im Flugzeug und deren Verknüpfung mit den Bodensystemen wurden während der Evaluation geprüft.

Weil die Kampfflugzeuge aus dem Ausland beschafft werden, müssen im Bereich
der Logistik (z. B. beim Ersatzmaterial und bei der Instandhaltung) Abhängigkeiten vom Herstellerland in Kauf genommen werden. Eine vollständig autarke Fähigkeit würde die industriellen Kapazitäten der Schweiz übersteigen: Dann müssten konsequent alle Bauteile vor Ort entwickelt, hergestellt und repariert werden. Um die logistischen Abhängigkeiten zu verringern, wird zusammen mit den Kampfflugzeugen ein Logistikpaket (Ersatzmaterial, Dokumentation usw.) exklusiv für die Schweiz beschafft, mit dem sich der vollständig autonome Betrieb während mehreren Monaten sicherstellen liesse.

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Die vorgesehene jahrzehntelange Nutzung der Kampfflugzeuge und der gleichzeitig voranschreitende Technologiewandel bringen es mit sich, dass die Systeme laufend weiterentwickelt werden müssen, um gegen andere Kampfflugzeuge bestehen und Bedrohungen wirksam abwehren zu können. Auch bei solchen Weiterentwicklungen ist die Schweiz bis zu einem gewissen Grad davon abhängig, was die USA als Hauptbetreiber und die übrigen Betreiberländer jeweils planen: Upgrades, Nutzungsdauerverlängerungen und Kampfwertsteigerungen lassen sich häufig nur zusammen mit anderen Betreibern umsetzen. Bei Kampfflugzeugen, die nur von wenigen Luftwaffen in geringer Zahl genutzt werden, besteht im Gegenzug das Risiko, dass der Hersteller das System nicht mehr weiterentwickelt, wenn einzelne Länder auf technische Anpassungen verzichten oder ihre Flugzeuge ausser Dienst stellen. Die möglichen negativen Auswirkungen der technischen Abhängigkeit sind beim F-35A wesentlich geringer als bei anderen Kampfflugzeugen, weil er während Jahrzehnten in vielen Ländern und in grosser Stückzahl im Einsatz stehen wird.

Geplante Lärmschutz- und Umweltmassnahmen Um die Lärmbelastung zu ermitteln, wurden in Zusammenarbeit mit der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) während der Flugerprobung Lärmmessungen durchgeführt. Beim Start ist der F-35A etwa 3 Dezibel(A) lauter als der F/A-18 Hornet. Aufgrund der Ausstattung des F-35A-Modells und der modernen Simulationsmöglichkeiten müssen Pilotinnen und Piloten jedoch deutlich weniger fliegen als mit dem F/A-18 Hornet und den anderen evaluierten Kandidaten. Weil der F-35A mehr Treibstoff mitführen kann, dauern die einzelnen Trainingsmissionen zudem etwas länger, sodass weniger Starts und Landungen durchgeführt werden müssen. Insgesamt sind deshalb rund 50 Prozent weniger lärmintensive Starts nötig als heute. Die Gesamtlärmbelastung wird sich mit den 36 Stück des F-35A somit in einem ähnlichen Rahmen bewegen wie mit den heutigen 55 Kampfflugzeugen (30 F/A-18 Hornet und 25 F-5 Tiger). Um die Lärmbelastung so tief wie möglich zu halten, werden mit dem Hersteller und der EMPA Massnahmen für weitere Lärmreduktionen geprüft. Insbesondere werden Verfahren für möglichst lärmarme Start- und Landevorgänge untersucht.

Um den F-35A sicher zu bedienen, müssen Pilotinnen und Piloten weniger
Flugstunden leisten als mit den bisher genutzten Modellen. Daraus folgt, dass mit der F-35AFlotte im Vergleich weniger Treibstoff verbraucht wird. Deswegen werden auch die CO2-Emissionen um rund ein Viertel reduziert. Die Luftwaffe verbraucht rund zwei Prozent des insgesamt in der Schweiz für die Luftfahrt getankten Kerosins. Ihr Anteil an den CO2-Emissionen aller in der Schweiz genutzten Brenn- und Treibstoffe beträgt rund 0,3 Prozent.

Das VBS prüft überdies die Verwendung nachhaltiger Treibstoffe. Diese sollen dereinst sowohl bei den Armeefahrzeugen als auch den Luftfahrzeugen zum Einsatz gelangen. Die Evaluation hat gezeigt, dass alle Kandidaten den Einsatz solcher Treibstoffe ermöglichen würden. Aktuell ist bei Luftfahrzeugen die Beimischung synthetischer oder biogener Treibstoffe bis zu einem maximalen Anteil von etwa 50 Prozent möglich. Das VBS arbeitet daran, dieses Potenzial möglichst bald auszuschöpfen. Die vollständige Umrüstung auf erneuerbare Treibstoffe bleibt jedoch ein

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Ziel, das von den technologischen Entwicklungen und den auf dem Markt erhältlichen Systemen abhängt.

2.2.4

Evaluation und Zeitplan der Beschaffung

Am 8. November 2017 traf der Bundesrat Grundsatzentscheide zur Erneuerung der Mittel zum Schutz des Luftraums. Diese Entscheide stützte er unter anderem auf den Bericht zur Luftverteidigung der Zukunft13 der Expertengruppe Neues Kampfflugzeug und die Empfehlungen der Begleitgruppe zur Evaluation und Beschaffung eines neuen Kampfflugzeugs14 ab.

2018 und 2020 wurden die Anforderungen des VBS an die Beschaffung eines neuen Kampfflugzeugs und eines neuen Systems der bodengestützten Luftverteidigung grösserer Reichweite veröffentlicht.15 Sie umfassten insbesondere die erwarteten Fähigkeiten für die Auftragserfüllung der Armee, das Bemessungsmodell für die Flottengrösse und das Logistikpaket. Bereits 2017 wurde zudem festgehalten, welche Kampfflugzeuge in die Evaluation einzubeziehen sind. Damit wurden die Vorgaben an die Lieferanten wie auch Charakteristika zu sicherheitspolitischen, rüstungspolitischen und volkswirtschaftlichen Aspekten festgelegt.

Im Rahmen der Evaluation war aufzuzeigen, welches Kampfflugzeug sich in Kombination mit der bodengestützten Luftverteidigung grösserer Reichweite am besten eignet. Diese Evaluation untersuchte sowohl die Kosten als auch den Nutzen für die Schweiz.

Die Ausschreibung fand im Einladungsverfahren statt. Folgende Hersteller und Länder wurden in die Evaluation einbezogen: ­

Eurofighter, Airbus

­

F/A-18 Super Hornet, Boeing USA

Deutschland, Grossbritannien, Spanien, Italien

­

F-35A, Lockheed Martin

USA

­

Rafale, Dassault

Frankreich

­

Gripen E, Saab

Schweden

Die Hersteller Boeing und Lockheed Martin verfügen über je zwei Kampfflugzeuge, die für die Schweiz grundsätzlich infrage kommen könnten: Boeing über den F/A-18 Super Hornet und den F-15, Lockheed Martin über den F-35A und den F-16. Das VBS hat von diesen Typen den F/A-18 Super Hornet und den F-35A in die Evaluation aufgenommen, weil beide voraussichtlich noch länger bei ausländischen Luftwaffen im Einsatz stehen werden als die beiden anderen Genannten.

13 14 15

Bericht der VBS Expertengruppe Neues Kampfflugzeug zur Luftverteidigung der Zukunft vom Mai 2017.

Empfehlungen der Begleitgruppe zur Evaluation und Beschaffung eines neuen Kampfflugzeugs vom 30. Mai 2017.

Anforderungen an die Beschaffung eines neuen Kampfflugzeugs und eines neuen Systems der bodengestützten Luftverteidigung grösserer Reichweite vom 23. März 2018 und 10. Januar 2020.

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Die Beschaffung von Kampfflugzeugen aus nicht westlichen Staaten wurde nicht erwogen. Die Schweiz hat aus Ländern wie China und Russland noch nie Waffensysteme beschafft, unter anderem, weil deren Integration in ein von westlichen Systemen dominiertes technisches Umfeld aufwendiger, teurer und mit Risiken verbunden wäre.

Evaluationsprozess Am 6. Juli 2018 überreichte die armasuisse die Offertanfrage für neue Kampfflugzeuge an die Regierungsstellen der Herstellerfirmen. Die Hersteller konnten bis Ende Januar 2019 eine Offerte einreichen. Die Offertanfrage enthielt neben den Evaluationskriterien auch einen Katalog mit rund 2000 Fragen, die von den Herstellern zu beantworten waren. Diese Daten wurden von den Schweizer Fachexpertinnen und Fachexperten mittels Audits, Erprobungen und Analysen validiert und zur Beantwortung der Evaluationsfragen verwendet.

Im Januar 2019 reichten die Hersteller Offerten für Kampfflugzeuge sowie für Lenkwaffen und Logistikpakete ein.

Von Februar bis März 2019 erprobten Spezialistinnen und Spezialisten der armasuisse und der Luftwaffe die Flugzeuge in den jeweiligen Simulatoren. Diese Aktivitäten fanden direkt bei den Anbietern statt. Zugleich wurden die Produktsupport-Audits abgehalten. In diesen Audits zeigten die Luftwaffen der Herstellerländer auf, wie die Flugzeuge betrieben und instand gehalten werden und wie die Ausbildung erfolgt. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden in Auditberichten festgehalten. Zusammen mit der Analyse der Angebotsinformationen bilden diese Erkenntnisse eine der Grundlagen für den Vergleich der Kandidaten.

Von April bis Juni 2019 wurden die Kampfflugzeuge in der Schweiz erprobt. Das Testprogramm war nach der Evaluation des Tiger-Teilersatzes im Jahr 2008 und der damals gemachten Erfahrungen optimiert worden. Deshalb konnten das Prozedere verkürzt und der Aufwand reduziert werden. Die Flugzeuge waren in Payerne stationiert; sie starteten und landeten auch in Meiringen, um Lärmmessungen an beiden Orten vorzunehmen.

Das Ziel der Flug- und Bodenerprobung in der Schweiz war die Überprüfung der Herstellerdaten. Dabei richtete sich der Fokus auf den Wirksamkeitsbereich. Das Schwergewicht der Flugversuche lag auf den Leistungen der Sensoren im schweizerischen Umfeld. Dabei wurden die folgenden Leistungen und technischen Möglichkeiten überprüft: ­

die einzelnen Sensoren,

­

die Sensorintegration,

­

die Datenverbindungen mit den Flugzeugen der verschiedenen Hersteller,

­

die Flugeigenschaften, die Flugleistungen und die Vernetzung mit dem Luftraumüberwachungssystem Florako.

Die Flug- und Bodenerprobung umfasste weitere Aktivitäten im Bereich Produktesupport. Dabei ging es beispielsweise um die Frage, ob die Flugzeuge mit der Stromversorgung der bestehenden Immobilien kompatibel sind. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden in Berichten festgehalten. Die Analyse der Angebotsformen sowie die

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gesammelten Informationen über die Kompatibilität waren eine weitere Grundlage, um die Kandidaten miteinander zu vergleichen.

Vier von fünf Kandidaten traten zur Flugerprobung in der Schweiz an und absolvierten alle acht geforderten Missionen. Der schwedische Hersteller Saab entschied sich im Juni 2019 auf Empfehlung der armasuisse, mit dem Gripen E nicht an der Flugerprobung teilzunehmen. Mehrere der vorgesehenen Missionen hätten wegen des tiefen Reifegrads und des Standes der Integration der Subsysteme zu diesem Zeitpunkt nicht zielführend durchgeführt werden können. Damit war Saab mit dem Modell Gripen E nicht mehr Teil der Evaluation.

Im Januar 2020 richtete die armasuisse eine zweite Offertanfrage an die Regierungsstellen der Herstellerfirmen. Die Anfrage basierte auf der Analyse der ersten Offerte, den Erkenntnissen aus Flug-, Simulator- und Bodenerprobungen sowie den Audits bei den Betreibern der evaluierten Kampfflugzeuge. Verlangt wurde eine Offerte für 36 und für 40 Kampfflugzeuge. Die durch die Regierungsstellen angeschriebenen Hersteller wurden aufgefordert, die für die Schweiz vorteilhafteste Offerte zu unterbreiten.

Im November 2020 erhielt die armasuisse die zweiten Offerten.

Im Januar 2021 wurden alle Kandidaten eingeladen, der armasuisse innerhalb zweier Wochen zu bestätigen, dass es sich bei der Offerte vom November 2020 um ihr letztes und vorteilhaftestes Angebot handelt (best and final offer). Alternativ wurde allen Kandidaten die Möglichkeit eröffnet, innerhalb derselben Frist ihre kommerziellen Offerten zu optimieren, ohne Abstriche am offerierten Leistungsumfang vorzunehmen. Die Kandidaten mussten in diesem Fall bestätigen, dass es sich bei diesem um das letzte und beste Angebot handelt. Anschliessend übergaben sie die Unterlagen unter notarieller Aufsicht der armasuisse.

Schliesslich wurden die Kandidaten mit Schreiben vom 12. Mai 2021 aufgefordert, einen nachgeführten Zahlungsplan gemäss den Vorgaben des VBS zu offerieren. Dabei wurden ausschliesslich Änderungen des Lieferplanes akzeptiert, Änderungen des Angebotes hingegen nicht. Die Antworten der Kandidaten wurden wiederum unter notarieller Aufsicht entgegengenommen. Die Angebote aller Kandidaten wurden jeweils gleichzeitig geöffnet.

Mit der Übergabe der zweiten Offerten begannen die Arbeiten für die Erstellung des
technischen Evaluationsberichtes, der im Juni 2021 abgeschlossen wurde.

Nach dem Typenentscheid des Bundesrates vom 30. Juni 2021 konnten mit der USRegierung die Beschaffungsverträge bereinigt werden. Diese sogenannten Letters of Offer and Acceptance (LOA) sind einseitig, das heisst von den USA, unterschrieben.

Sobald die Schweiz diese Verträge ebenfalls unterschreibt, treten sie in Kraft.

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) hat am 16. November 2021 beschlossen, ausgewählte Aspekte des Evaluationsverfahrens für das neue Kampfflugzeug im Rahmen von vertieften Abklärungen auf ihre Rechtmässigkeit und Zweckmässigkeit zu untersuchen.

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Beurteilung von Kosten und Nutzen und Beurteilungsmethode Die Offerten der Kandidaten wurden mit einer Kosten-Nutzen-Analyse miteinander verglichen. Basis für den Vergleich waren die sogenannten Fachberichte. Diese fassen die Erkenntnisse aus der Analyse der Offerten und den Antworten auf den Fragenkatalog zusammen. Die Resultate aus den Erprobungsaktivitäten flossen ebenfalls in diese Fachberichte ein. Dazu wurden die Antworten der Kandidaten validiert. Die einzelnen Fachberichte bezogen sich jeweils auf eine Evaluationsfrage pro Kandidaten.

Um Informationen zu schützen, wurde ein in sich geschlossenes Datencenter ohne Netzzugang verwendet. Die Spezialistinnen und Spezialisten, die die Kandidaten von ihrem fachlichen Blickwinkel aus beurteilten, hatten keinen Einblick in die Kostenstruktur, die Spezialistinnen und Spezialisten für die Kostenseite ihrerseits keinen Einblick in die fachlichen Daten. Damit wurden Nutzen und Kosten unabhängig voneinander analysiert.

Um den Gesamtnutzen der evaluierten Kampfflugzeuge zu beurteilen, wurde eine Methode angewandt, die auch Beschaffungsbehörden anderer Länder und private Unternehmen einsetzen: der Analytic Hierarchy Process, kurz AHP. Die Methode vereinfacht komplexe Bewertungen und führt zu nachvollziehbaren Ergebnissen. Dabei wurden die Kampfflugzeuge der vier Anbieter jeweils paarweise auf der Basis der erhobenen Daten miteinander verglichen. So zeigten sich die Stärken und Schwächen der Kandidaten, und zwar jeweils in Bezug zueinander. Diese standardisierte Methode hat gegenüber einer Benotung auf einer Skala die folgenden Vorteile: ­

Die Bewertung aller Kandidaten erfolgt aufgrund einer strukturierten Vorgehensweise gleich;

­

mit dem paarweisen Vergleich wird die Bewertung in kleine Schritte zerlegt;

­

die Ergebnisse sind besser nachvollziehbar;

­

es können Widersprüche bei der Bewertung aufgedeckt werden.

Die Begründungen aus der Bewertung bildeten die Grundlage für den Evaluationsbericht. Dabei wurden die Punktzahlen aus allen Evaluationsfragen aggregiert, woraus sich der Wert des Nutzens ergab. Die AHP-Methode ist zwar mathematisch etwas aufwendiger als eine einfachere Nutzwertberechnung, dafür ist sie besser anwendbar.

Ihre Anwendung steht in Einklang mit dem Beschaffungsrecht, insbesondere bezüglich der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Transparenz.

Begründung der Typenwahl Der F-35A erreichte bei der Evaluation das beste Resultat. Er weist mit 336 Punkten den höchsten Gesamtnutzen auf, und zwar mit einem deutlichen Abstand von 95 und mehr Punkten zu den anderen Kandidaten. Bei drei der vier Hauptkriterien schnitt der F-35A am besten ab; lediglich bei den direkten Offsets erreichte er eine niedrigere Punktzahl als Modelle der anderen Kandidaten. Neben dem Nutzen erzielte der F-35A auch bei den Kosten mit Abstand das beste Resultat. Bei den Gesamtkosten liegt der Unterschied zum zweitgünstigsten Kandidaten im Bereich von 2 Milliarden Franken.

Aufgrund dieses klaren Ergebnisses entschied sich der Bundesrat am 30. Juni 2021 für den F-35A.

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Insgesamt ist der F-35A im Vergleich zu den übrigen evaluierten Kandidaten wesentlich leistungsfähiger, und zwar sowohl beim Luftpolizeidienst als auch bei der Luftverteidigung und bei der Unterstützung der Bodentruppen. Für Pilotinnen und Piloten ist er zudem einfacher zu bedienen. Es sind weniger Trainingsflüge und lärmintensive Starts erforderlich. In der Folge wird auch weniger CO2 ausgestossen. Dazu kommt, dass der F-35A technologisch bedeutend fortschrittlicher ist als seine Mitbewerber ­ eine gute Voraussetzung, wenn eine jahrzehntelange Nutzung in Betracht gezogen wird. Zudem ist er weltweit, insbesondere in Europa, bei mehr Luftwaffen in beträchtlich grösserer Zahl im Einsatz als die anderen Kandidaten. Dieser Umstand eröffnet auch Kooperationsmöglichkeiten und reduziert die Abhängigkeiten vom Hersteller und Herstellerland. Schliesslich ist er in Beschaffung und Betrieb erheblich kostengünstiger als die übrigen Kandidaten.

Im Vorfeld des Typenentscheids wurden auch sicherheits- und aussenpolitische Aspekte sowie Möglichkeiten zur Stärkung der bilateralen Beziehungen geprüft.16 Angesichts des klaren Ergebnisses der Evaluation konnte das Potenzial einer Stärkung der politischen und diplomatischen Zusammenarbeit mit den europäischen Ländern im Entscheid nicht berücksichtigt werden.

Zeitplan der Beschaffung Nach dem Beschluss des Parlaments zum Verpflichtungskredit können die Beschaffungsverträge mit der US-Regierung aus einer rein rechtlichen Sicht unterzeichnet werden. Erfolgt die Unterzeichnung vor Ende 2022, können voraussichtlich 2027 die ersten und 2030 die letzten Flugzeuge übernommen werden.

Die ersten acht Flugzeuge bleiben für rund zwei Jahre in den USA. Die für die Einführung zuständigen Pilotinnen und Piloten sowie Instruktoren des Bodenpersonals sollen auf diesen Flugzeugen ausgebildet werden. Die weiteren Ausbildungen erfolgen dann in der Schweiz.

Die «Allianz gegen den F-35A» hat im August 2021 die Unterschriftensammlung für die Volksinitiative «Gegen den F-35 (Stopp F-35)» gestartet. Die Sammelfrist läuft bis zum 1. März 2023. Bis zu einer allfälligen Annahme in der Volksabstimmung entfaltet die Volksinitiative grundsätzlich keine rechtliche Vorwirkung. Trotzdem könnte die Beschaffung der Kampfflugzeuge durch ein Zustandekommen der Volksinitiative verzögert werden. Denn
der Bundesrat wird die Verträge nicht vor einem allfälligen Scheitern der Volksinitiative im Sammelstadium, einem Rückzug der Volksinitiative oder einer Ablehnung an der Urne unterzeichnen. Damit wäre die mit dem Planungsbeschluss beabsichtigte Einführung bis Ende 2030 voraussichtlich nicht mehr möglich. Zudem ist bei einer Verzögerung mit zusätzlichen Kosten zu rechnen.

Bei Annahme der Initiative in der Volksabstimmung würde die Beschaffung der Kampfflugzeuge F-35A verunmöglicht. Ohne Beschaffung neuer Kampfflugzeuge könnte die Armee ab 2030 die Bevölkerung nicht mehr vor Bedrohungen aus der Luft schützen.

16

Gutachten des Bundesamtes für Justiz vom 28. Juni 2021 über den rechtsstaatlichen Rahmen für die Beschaffung von Kampfflugzeugen.

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2.2.5

Geprüfte Alternativen

Die Motion 21.3583 «Den Schutz des Luftraums politisch, finanziell und ökologisch nachhaltig gestalten» verlangt, neben anderen Optionen, die Beschaffung von maximal 20 Gripen C/D zu prüfen.

Der Bundesrat verwarf diese Alternative. Der Gripen C/D wurde bereits 2008 erprobt.

Der Hersteller kam damals während der Evaluationsphase im Nachgang zur Flugerprobung in der Schweiz selbst zum Schluss, den neueren Gripen E anstelle des Gripen C/D anzubieten. Bei der aktuellen Beschaffung schied der Gripen E aus, weil der Hersteller nicht an der Flug- und Bodenerprobung teilnahm.

Der Bundesrat bezog den Gripen C/D nicht in die Evaluation ein, weil dieses Kampfflugzeug den Anforderungen nicht genügt. Der Gripen C/D kann die Aufgaben des Luftpolizeidienstes, die Überwachung in Krisenlagen sowie den Schutz und die Verteidigung von Land und Bevölkerung vor Bedrohungen aus der Luft für die nächsten 30 bis 40 Jahre nicht in der erforderlichen Qualität erfüllen. Zudem wären für diese Aufgaben wesentlich mehr Flugzeuge erforderlich, als in der Motion verlangt werden.

Die Grösse der Kampfflugzeugflotte bemisst sich nicht am Luftpolizeidienst im Alltag, sondern am Schutz des Luftraums bei anhaltenden Spannungen. Mit lediglich 20 Kampfflugzeugen wäre das nur für eine sehr kurze Zeit möglich. Damit stünde die Schweiz unter Druck, eine Kooperation mit anderen Streitkräften einzugehen. Ob ein Kooperationspartner in einem grenzüberschreitenden Konflikt fähig und willens wäre, auch den schweizerischen Luftraum zu schützen, lässt sich nicht voraussagen ­ die Schweiz würde von der Entscheidung anderer Staaten abhängen. Der Betrieb einer derart kleinen Flotte würde überdies zu erheblicher Ineffizienz führen.

Weitere geprüfte Varianten Das Parlament bewilligte mit der Armeebotschaft 2017 eine Verlängerung der Nutzungsdauer der F/A-18-Hornet-Flotte bis zum Jahr 2030. Für technische Massnahmen zur Erhöhung der Flugstunden von 5000 auf 6000 werden 450 Millionen Franken eingesetzt. Im Vorfeld wurde eine Verlängerung der Nutzungsdauer auf 7000 Flugstunden für einen Betrieb bis 2035 geprüft, aber aus finanziellen und technischen Gründen verworfen. Für die notwendigen Sanierungen in den Bereichen Struktur, Triebwerk, Subsysteme und Avionik wäre mit Investitionen von nochmals rund 800 Millionen Franken (zusätzlich zu den 450
Mio. Fr. zur Erhöhung auf 6000 Flugstunden) zu rechnen, dies für einen Weiterbetrieb während lediglich fünf Jahren.

Zudem könnten die F/A-18 Hornet modernen gegnerischen Kampfflugzeugen immer weniger Leistung entgegensetzen, wenn nicht gleichzeitig die Sensoren und Selbstschutzsysteme ersetzt würden und die Rechnerkapazität erhöht würde. Wenn das Flugzeug über das Jahr 2030 hinaus auch für die Luftverteidigung wirksam im Einsatz stehen müsste, wäre also ein Upgrade-Programm nötig. Überdies müsste die Bewaffnung durch eine modernisierte Version der Infrarotlenkwaffen ergänzt werden. Für ein solches Upgrade-Programm zusammen mit einer weiteren Nutzungsdauerverlängerung würden nochmals Kosten von etwa 1,75 Milliarden Franken anfallen. Weil die USA angekündigt haben, ihre gesamte Flotte von F/A-18 Hornet A­D bis 2030 ausser Dienst zu stellen, müsste die Schweiz die gesamten Entwicklungsrisiken allein tragen.

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2.2.6

Risikobeurteilung

Im beantragten Verpflichtungskredit ist für die Beschaffung der Kampfflugzeuge F-35A ein Risikozuschlag von 1,5 Prozent auf dem Beschaffungsumfang eingerechnet. Der Risikozuschlag wird wie folgt begründet: Die US-Regierung verkauft die Flugzeuge via FMS-Programm an die Schweiz. Die vereinbarten Preise entsprechen den Offerten. Es bestehen geringe kommerzielle Risiken.

Der Hersteller fertigt die Schweizer Kampfflugzeuge nach denselben Standards und Verfahren, nach denen über 3000 Flugzeuge hergestellt werden. Die 36 Exemplare des F-35A werden in derselben Konfiguration beschafft, wie sie andere Nutzer einsetzen. Anpassungen an Schweizer Gegebenheiten sind nicht erforderlich. Damit bestehen geringe technische Risiken.

Der Risikozuschlag umfasst keine teuerungs- und währungsbedingten Risiken.

2.2.7

Finanzvolumen nach Planungsbeschluss

Das Parlament hat mit dem Planungsbeschluss über die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge ein Finanzvolumen von 6 Milliarden Franken beschlossen. Dieses basiert auf Preisen nach dem Landesindex der Konsumentenpreise vom Januar 2018. Nach Berücksichtigung der aktuellen Prognosen (Ziff. 7.1.1) und der voraussichtlichen Zahlungen beträgt das maximale Finanzvolumen 6,339 Milliarden Franken.

2.2.8

Teuerung

Der Schweiz liegen Angebote der US-Regierung in US-Dollar vor. Der Anteil der ausländischen Teuerung ist darin enthalten, wie dies bei FMS-Geschäften üblich ist.

Für den Lieferumfang aus der Schweiz (67 Mio. Fr., z. B. Ruag AG) wird mit einer Teuerung von 5 Millionen Franken gerechnet.

2.2.9

Verpflichtungskredit

Der beantragte Verpflichtungskredit für die Beschaffung der Kampfflugzeuge F-35A setzt sich wie folgt zusammen: Mio. Fr.

­ Beschaffungsumfang: ­ 36 Flugzeuge F-35A ­ Ausbildungssysteme sowie System für die Einsatzplanung und -auswertung ­ Kurzstrecken-Lenkwaffen und Präzisionsmunition

3828 86 107 39 / 84

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Mio. Fr.

­ Logistikpaket mit Bodenmaterial, Ersatzmaterial, Dokumentation, Ausbildungen und technischer Unterstützung des Herstellers während der Einführung

1927

­ Risikozuschlag

82

­ Teuerung des Lieferumfangs aus der Schweiz Verpflichtungskredit

5 6035

Abgrenzung Die eidgenössischen Räte bewilligten 2017 einen Verpflichtungskredit von 10 Millionen Franken für die Projektierung, Erprobung und Beschaffungsvorbereitung des neuen Kampfflugzeugs. Davon wurden bisher 4 Millionen Franken verwendet oder verplant.

2.2.10

Finanzielle Auswirkungen

Sobald die Beschaffung der F-35A-Kampfflugzeuge abgeschlossen ist, entsteht ein jährlicher Betriebsaufwand von durchschnittlich rund 300 Millionen Franken. Dieser bewegt sich im Rahmen der heutigen Flotten der F/A-18 Hornet und der F-5 Tiger und kann damit mit den bestehenden Mitteln abgedeckt werden.

Die Kampfflugzeuge F-35A sollen von 2030 bis mindestens 2060 genutzt werden.

Die Nachbeschaffung von Lenkwaffen ist bei den jährlichen Betriebsaufwänden nicht berücksichtigt, aber bei den Betriebskosten über die gesamte Nutzungsdauer eingerechnet. Ein entsprechender Verpflichtungskredit wird beantragt, wenn die vorhandenen AIM-120 Amraam ihr Nutzungsende erreichen und ersetzt werden müssen.

2.2.11

Personelle Auswirkungen

Für den Betrieb und die Ausbildung der F-35A sind insgesamt rund 270 Vollzeitstellen vorgesehen. Diese bewegen sich im Rahmen der aktuellen Vollzeitstellen für den Betrieb der F/A-18 Hornet und der F-5 Tiger und können damit mit den bestehenden Vollzeitstellen abgedeckt werden.

Der jährliche Personalaufwand für den Betrieb beläuft sich auf rund 35 Millionen Franken und ist im jährlichen Betriebsaufwand enthalten.

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2.3

Bauliche Massnahmen für die Kampfflugzeuge F-35A

2.3.1

Ausgangslage und Handlungsbedarf

Um die F-35A-Flotte einsetzen zu können, werden die bestehenden Militärflugplätze in Payerne, Meiringen und Emmen genutzt. Die Abmessungen der F-35A ähneln denjenigen der F/A-18 Hornet. Dies gilt auch für das Gewicht. Damit kann die vorhandene Immobilieninfrastruktur grösstenteils auch für die neuen Flugzeuge weitergenutzt werden. Anpassungen der Immobilien sind bei der Ausbildungsinfrastruktur, den technischen Installationen und den Sicherheitseinrichtungen notwendig.

Die Gesamtflotte der Kampfflugzeuge wird nach 2030 kleiner sein als heute. Weil die F-5 Tiger und die F/A-18 Hornet sukzessive durch die neuen Kampfflugzeuge abgelöst werden sollen, sind nur wenige bauliche Anpassungen erforderlich.

2.3.2

Beschreibung der beantragten Lösung und Begründung

Der Bundesrat beantragt, die Immobilien auf den Militärflugplätzen Payerne, Meiringen und Emmen an die Kampfflugzeuge F-35A anzupassen. Für die entsprechenden baulichen Massnahmen ist ein Verpflichtungskredit von 120 Millionen Franken notwendig.

Auf dem Flugplatz Payerne sollen die Ausbildungsanlagen wie Flugsimulatoren oder Ausbildungsmittel für das Bodenpersonal in einem Trainingscenter zusammengefasst werden. Dazu ist ein Neubau notwendig. Das bestehende Simulatorgebäude ist für diese Zwecke zu klein und wird nicht weiterverwendet. Das neue Trainingscenter soll sowohl durch die Luftwaffe als auch ­ gegen Entschädigung ­ durch die Ruag AG genutzt werden, die als Materialkompetenzzentrum fungiert. Ebenfalls im Trainingscenter integriert werden die für den F-35A notwendigen System- und Einsatzplanungsräume. In Payerne müssen zudem Flugzeugunterstände sowie die Installationen in den einzelnen Flugzeugboxen, in der Wartungshalle und im Werkstattgebäude an die neuen Flugzeuge angepasst werden.

In Meiringen sind insbesondere die technischen Installationen bei den FlugzeugStandplätzen sowie die System- und Einsatzplanungsräume anzupassen. Ebenfalls sind bauliche Massnahmen an Alarmunterständen notwendig.

In Emmen soll ein neues Gebäude mit Räumen für die System- und Einsatzplanung errichtet werden. Zudem sind bereits bestehende Hallen an die neuen Flugzeuge anzupassen.

An allen Standorten sind zudem verbesserte Schutzmassnahmen vorgesehen.

Massnahmen zum Schutz der Umwelt Die neu erstellten Gebäudedächer werden extensiv begrünt und auf einer Fläche von rund 2100 Quadratmetern mit Photovoltaikmodulen ausgestattet. Die produzierte Strommenge liegt bei rund 473 Megawattstunden pro Jahr, was dem Strombedarf von rund 118 Haushalten entspricht.

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2.3.3

Projektstand und Zeitplan der Realisierung

Für die baulichen Massnahmen für die Kampfflugzeuge F-35A liegt ein Vorprojekt vor. Sie sollen in den Jahren 2024 bis 2029 durchgeführt werden.

2.3.4

Geprüfte Alternativen

In Payerne wurde geprüft, ob das bestehende Simulatorgebäude umgebaut oder erweitert werden kann. Diese Alternative wurde mangels angrenzender Landreserven verworfen.

In Meiringen wurde der Bau eines vor Waffenwirkung geschützten Simulatorgebäudes geprüft und verworfen. Die Ausbildung am Hauptstandort in Payerne ist langfristig die wirtschaftlichere Lösung.

In Emmen wurde geprüft, ob das neue Gebäude kombiniert mit den bestehenden Hallen 4 bis 6 realisiert werden könnte. Diese Alternative wurde aus betriebstechnischen und wirtschaftlichen Gründen verworfen.

2.3.5

Risikobeurteilung

Da ein Vorprojekt vorliegt, wird mit einer Kostenungenauigkeit von 20 Prozent gerechnet. Die Risiken werden mit fortschreitendem Planungs- und Bauprozess reduziert. Im Plangenehmigungsverfahren sind keine besonderen Risiken zu erwarten.

2.3.6

Verpflichtungskredit

Der beantragte Verpflichtungskredit für die baulichen Massnahmen für die Kampfflugzeuge F-35A setzt sich wie folgt zusammen: Mio. Fr.

­ Investitionsausgaben nach Baukostenplan 1­9 ­ davon Honorare: 11,0 Mio. Fr.

­ Kostenungenauigkeit Verpflichtungskredit

100,0 20,0 120,0

Abgrenzung Der beantragte Verpflichtungskredit enthält die Mehrwertsteuer sowie eine Position «Kostenungenauigkeit». Diese umfasst die Teuerung und einen Risikozuschlag, der abhängig vom Projektstand berechnet wurde.

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Für die Projektierungsarbeiten werden bis zum Vorliegen des Bauprojekts 4,5 Millionen Franken ausgegeben. Diese Ausgaben wurden mit den Verpflichtungskrediten früherer Immobilienprogramme des VBS bewilligt.

Bruttomietkosten Durch die wertvermehrenden Bauarbeiten steigen die Bruttomietkosten um 4,3 Millionen Franken pro Jahr. Die Abschreibungs- und Nutzungsdauer beträgt 25 Jahre.

2.3.7

Finanzielle Auswirkungen

Mit der Umsetzung des Projekts erhöht sich der jährliche Betriebsaufwand um 0,7 Millionen Franken. Er wird innerhalb des Armeebudgets kompensiert.

2.3.8

Personelle Auswirkungen

Die baulichen Massnahmen für den F-35A haben keine personellen Auswirkungen.

3

Ausserdienststellung der Kampfflugzeuge F-5 Tiger

3.1

Ausgangslage und Handlungsbedarf

Der F-5 Tiger basiert auf einer Konstruktion aus den späten 1950er-Jahren. Mit den Rüstungsprogrammen 1975 und 1981 wurden für die Schweizer Luftwaffe 110 Flugzeuge beschafft. Sie wurden fortan als sogenannte Raumschutzjäger eingesetzt.

Ab 2002 wurde die Flotte schrittweise verkleinert; eine grössere Anzahl Flugzeuge wurde an die US-Streitkräfte verkauft, die sie für Trainingszwecke, nicht aber für Operationen einsetzt.

Die F-5 Tiger sind mit ihren veralteten Sensoren und der Bewaffnung für den Luftpolizeidienst kaum mehr einsetzbar. In einem Luftkampf gegen einen zeitgemässen Gegner wären sie chancenlos. Aktuell betreibt die Armee noch 25 F-5 Tiger. Diese dienen der Zieldarstellung, zu Schulungszwecken und Testflügen. Damit entlasten sie die F/A-18 Hornet von Nebenaufgaben. Dies verlängert deren Nutzungsdauer und senkt die Betriebskosten dieser Flotte. Ein Teil der F-5-Tiger-Flotte wird von der Kunstflugstaffel Patrouille Suisse für Flugvorführungen genutzt.

3.2

Beschreibung der beantragten Lösung und Begründung

Mit der Neubeschaffung von 36 Flugzeugen des Typs F-35A kann der Bedarf für den Schutz des schweizerischen Luftraums in einer anhaltenden Situation erhöhter Spannung gedeckt werden. Der Bundesrat beantragt daher mit der vorliegenden Armee-

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botschaft die vollständige Ausserdienststellung der F-5-Tiger-Flotte. Diese Ausserdienststellung soll vor der Einführung der neuen Kampfflugzeuge erfolgen. Konkret soll der Flugbetrieb der gesamten F-5-Tiger-Flotte 2025 eingestellt werden. Es wäre zu teuer, drei Flotten (F-5, F/A-18 und die zulaufenden F-35A) parallel zu betreiben.

Ein Weiterbetrieb der F-5 Tiger über 2025 hinaus würde Investitionen erfordern. Mit der vollständigen Ausserdienststellung der F-5 Tiger verliert die Patrouille Suisse ihre heutigen Flugzeuge. Das VBS prüft, ob die «Patrouille Suisse» anschliessend aufgelöst oder mit anderen Flugzeugen weitergeführt wird.

Nachdem die F-5 Tiger ausser Dienst gestellt worden sind, sollen sie, wenn möglich, verkauft werden. Dieses Waffensystem gilt als Kriegsmaterial und bedarf bei Veräusserung ins Ausland einer Ausfuhrbewilligung des Staatssekretariats für Wirtschaft sowie einer Bewilligung der US-Regierung.

3.3

Auswirkungen

3.3.1

Finanzielle Auswirkungen

Mit dem Nutzungsende der F-5 Tiger entfallen die jährlichen Aufwände für den Betrieb. Diese betragen aktuell rund 44 Millionen Franken: Davon entfallen auf den Personalaufwand 8 Millionen Franken, die Instandhaltung 30 Millionen Franken und den Treibstoff 6 Millionen Franken.

Bis zur vollständigen Liquidation ­ dies wird spätestens im Jahr 2030 der Fall sein ­ verbleiben jedoch Aufwände für die Lagerung und die Ausserdienststellungsarbeiten.

Diese nehmen jährlich ab. Im Moment lässt sich noch nicht abschätzen, in welchem Mass dies der Fall sein wird.

Der Verkaufsertrag kann zurzeit nicht abgeschätzt werden.

3.3.2

Personelle Auswirkungen

Das Personal für den Betrieb, die Bereitstellung und die Instandhaltung wird umgeschult und für die F/A-18 Hornet und die F-35A eingesetzt.

Die auf dem F-5 Tiger eingesetzten Milizpiloten scheiden in der Regel aus dem Milizdienst der Armee aus. Eine Umschulung auf ein anderes Kampfflugzeug ist nicht vorgesehen.

4

Beschaffung des bodengestützten Luftverteidigungssystems grösserer Reichweite Patriot

4.1

Kurzfassung

Der Bundesrat beantragt für die Beschaffung des bodengestützten Luftverteidigungssystems grösserer Reichweite Patriot einen Verpflichtungskredit von 1,987 Milliarden 44 / 84

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Franken und für die entsprechenden baulichen Massnahmen einen Verpflichtungskredit von 66 Millionen Franken.

Die beantragten Verpflichtungskredite enthalten die Teuerung bis zur Auslieferung und die Mehrwertsteuer. Die Berechnungsgrundlagen sind in Ziffer 7.1.1 aufgeführt.

4.2

Patriot-System

4.2.1

Ausgangslage und Handlungsbedarf

Die Armee muss neben Kampfflugzeugen und Drohnen auch Lenkwaffen abwehren können. Um den Luftraum gegen die vielfältigen Bedrohungen zu verteidigen, ist eine Kombination aus Kampfflugzeugen und bodengestützter Luftverteidigung grösserer, mittlerer und kurzer Reichweite notwendig. Bodengestützte Luftverteidigungssysteme grösserer Reichweite wirken im oberen und mittleren Luftraum, Systeme mittlerer und kurzer Reichweite im mittleren und unteren Luftraum.

Anfang der 1960er-Jahre beschaffte die Schweiz das Fliegerabwehr-Lenkwaffensystem BL-64 Bloodhound als Ergänzung zu den Abfangjägern Mirage IIIS. Das System umfasste sechs Stellungen und deckte den gesamten Schweizer Luftraum ab. Damit liessen sich Flugzeuge im mittleren und oberen Luftraum abwehren. Im Jahr 1999 wurde das Bloodhound-System ausser Dienst gestellt. Seither besteht bei der bodengestützten Luftverteidigung auf grössere Distanzen eine Lücke im Abwehrdispositiv.

Aktuell verfügt die Armee lediglich über zwei Fliegerabwehrsysteme kurzer Reichweite: das 35-mm-Fliegerabwehrsystem für den Objektschutz und die Anfang der 1990er-Jahre beschafften schultergestützten Fliegerabwehrlenkwaffen Stinger mit einer Reichweite von 4 Kilometern für den Schutz im unteren Luftraum. Die mobilen Fliegerabwehrlenkwaffen Rapier wurden mit der Armeebotschaft 2020 ausser Dienst gestellt. Auch die beiden noch im Einsatz stehenden Systeme kurzer Reichweite werden ihr Nutzungsende zu Beginn der 2030er-Jahre erreichen und durch ein neues System ersetzt werden müssen, das besser auf zeitgemässe Bedrohungen ausgerichtet ist.

Im Vordergrund wird dann vor allem die Fähigkeit stehen, neben tieffliegenden Kampfflugzeugen und Kampfhelikoptern auch anfliegende Marschflugkörper und Lenkwaffen im Endanflug zu bekämpfen. Die vorhandenen Systeme eignen sich dazu nur sehr beschränkt.

Aus Ressourcengründen kann nur ein System gleichzeitig erneuert werden ­ entweder die bodengestützte Luftverteidigung kurzer Reichweite oder jene mit grösserer Reichweite. Priorität hat das System grösserer Reichweite, weil dessen Abwehrwirkung grösser ist. Zudem lässt sich damit in einem Konflikt die Kampfflugzeugflotte entlasten. Dadurch werden weniger Flugzeuge benötigt, um die Bevölkerung vor Bedrohungen aus der Luft zu schützen. Eine wirkungsvolle bodengestützte Luftverteidigung grösserer
Reichweite ist überdies erforderlich, um die Militärflugplätze vor einem allfälligen Beschuss mit weitreichenden Waffen zu schützen und damit den Einsatz der Kampfflugzeuge überhaupt erst zu ermöglichen.

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4.2.2

Anforderungen

Die bodengestützte Luftverteidigung grösserer Reichweite soll fähig sein, selbstständig oder in Kombination mit den Kampfflugzeugen Räume zu schützen. Sie soll dabei in erster Linie Ziele im mittleren und oberen Luftraum bekämpfen und den Grossteil der stark besiedelten Gebiete abdecken können. Dies entspricht einer Fläche von mindestens 15 000 Quadratkilometern. Das System soll eine Einsatzhöhe von über 12 Kilometern und eine Einsatzdistanz von über 50 Kilometern erreichen. In diesem Raum muss es Kampfflugzeuge und Drohnen, in einem kleineren Raum zusätzlich auch Marschflugkörper bekämpfen können.

Neben diesen zwingenden Anforderungen sollte mit der Evaluation abgeklärt werden, inwiefern sich die bodengestützte Luftverteidigung grösserer Reichweite auch eignet, um ballistische Lenkwaffen kurzer Reichweite zu bekämpfen. Obwohl deren Potenziale im europäischen Umfeld derzeit weniger stark anwachsen als jene von Marschflugkörpern, stellen sie eine gewisse Bedrohung dar. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Bedrohung durch ballistische Lenkwaffen nicht nur aus dem Nahen Osten, sondern auch in Europa und an dessen Peripherie wieder zunimmt.

Wie die Kampfflugzeuge muss sich auch die bodengestützte Luftverteidigung grösserer Reichweite in das Gesamtsystem der Luftverteidigung integrieren lassen. Diese Integration ist eine zentrale Voraussetzung, damit Kampfflugzeuge und Lenkwaffen gleichzeitig in einem Raum eingesetzt werden können. Dazu ist es erforderlich, dass alle Systeme auf gemeinsame Luftlageinformationen zugreifen können. Ausserdem sollen die Sensoren des bodengestützten Luftverteidigungssystems auch zur Darstellung des Luftlagebildes beitragen.

Moderne bodengestützte Luftverteidigungsmittel müssen bei einem längeren Einsatz regelmässig gewartet werden. Wie lange sie sich einsetzen lassen, hängt nicht zuletzt davon ab, wie das Logistikpaket ausgestaltet ist und wie viele Ersatzteile verfügbar sind. Für den Fall, dass die Schweiz in einem bewaffneten Konflikt steht, soll das System autonom in der Schweiz instand gehalten werden können. Zudem soll es mehrere Monate eigenständig eingesetzt werden können, ohne Ersatzteillieferungen aus dem Ausland zu erhalten.

4.2.3

Beschreibung der beantragten Lösung und Begründung

Der Bundesrat beantragt den eidgenössischen Räten, für die bodengestützte Luftverteidigung grösserer Reichweite fünf Feuereinheiten des US-amerikanischen Systems Patriot zu beschaffen. Das Patriot-System der Firma Raytheon erwies sich in der Evaluation als das System mit dem besten Kosten-Nutzen-Verhältnis. Zusammen mit den neuen Kampfflugzeugen wird es die Schweiz und ihre Bevölkerung in den kommenden Jahrzehnten wirksam vor einer Vielzahl von Bedrohungen aus der Luft schützen.

Weltweit stehen in 17 Ländern insgesamt über 240 Feuereinheiten des PatriotSystems im Einsatz. In Europa gehören dazu die Bundesrepublik Deutschland, Griechenland, die Niederlande, Rumänien und Spanien. Zudem sind Polen und Schweden derzeit daran, das Patriot-System einzuführen.

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Das mobile Patriot-System wurde in den 1980er-Jahren entwickelt und zuerst bei den amerikanischen Streitkräften eingesetzt. Seither durchlief es eine ständige Weiterentwicklung. Dabei wurden laufend neue Technologien integriert und das System so ausgerüstet, dass sich damit auch neue Bedrohungen aus dem Luftraum abwehren lassen: Die aktuellste und zur Beschaffung vorgesehene Konfiguration ist nicht nur gegen Flugzeuge und hochfliegende Drohnen wirksam, sondern auch gegen Marschflugkörper und ballistische Lenkwaffen. Das System erfüllt damit die von der Schweiz gestellten Anforderungen.

Um eine Fläche von mindestens 15 000 Quadratkilometern abzudecken, werden vier Feuereinheiten benötigt. Jede Feuereinheit kann selbstständig den Feuerkampf führen.

Sie besteht aus einer Einsatzleitstelle, einem Radar mit zugehöriger Stromversorgung, mindestens einer Abschussvorrichtung und den darauf gelagerten Lenkwaffen. Der Einsatz der Feuereinheiten innerhalb der zu verteidigenden Räume wird von einem Führungselement koordiniert. Eine fünfte Feuereinheit, die aus einer Einsatzleitstelle, einem Radar und einer Abschussvorrichtung besteht, wird als logistische Reserve benötigt.

Das System ist mit Lastwagen verlegbar. Im Einsatz kann es an einem beliebigen Standort aufgestellt werden, der gute Voraussetzungen für eine möglichst grosse räumliche Abdeckung bietet.

Das Patriot-System erzielte bei der Evaluation den höchsten Gesamtnutzen bei gleichzeitig tiefsten Gesamtkosten.

4.2.3.1

Gesamtnutzen

Für den Gesamtnutzen wurde die Wirksamkeit mit 55 Prozent, der Produktesupport mit 25 Prozent sowie die Kooperation und der direkte Offset mit je 10 Prozent bewertet.

Wirksamkeit Mit dem Patriot-System können Räume wirkungsvoll geschützt werden, und zwar sowohl selbstständig als auch in Kombination mit den Kampfflugzeugen. Die Lenkwaffen erreichen eine Einsatzhöhe von deutlich über 20 Kilometern und eine Einsatzdistanz von weit über 50 Kilometern.

Im Vergleich mit anderen bodengestützten Luftverteidigungssystemen erreicht das Patriot-System damit eine grosse Einsatzdistanz und trägt massgeblich zur integrierten Luftverteidigung bei. Es kann ballistische Boden-Boden-Lenkwaffen mit kurzer und, in beschränktem Masse, auch solche mit mittlerer Reichweite mit seinen Sensoren selbstständig entdecken und bekämpfen.

Weiter ergänzt das Patriot-System das Luftlagebild mit eigenen Sensordaten, was angesichts der schweizerischen Topografie mit ihren vielen Radarschatten sehr nützlich ist. Das Patriot-System kann sich unter anderem wegen der elektronischen Schutzmassnahmen selbstständig gegen Angriffe aus dem elektromagnetischen Raum und aus dem Cyberraum schützen. Es verfügt in den nächsten drei bis vier Jahrzehnten

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über ein grosses Weiterentwicklungspotenzial, weil es flexibel an neue Erfordernisse angepasst werden kann.

Um den für die Schweiz erforderlichen Systemumfang zu bestimmen, wurden die Anforderungen mit Daten der Hersteller simuliert, die diese mit der ersten Offerte einreichten. Die Bemessung wurde mit dem Hersteller plausibilisiert, bevor die zweite Offertanfrage übergeben wurde.

Bewaffnung Die mit dem Verpflichtungskredit beantragten Lenkwaffen werden zur Bekämpfung von Flugzeugen, Marschflugkörpern, Drohnen, Luft-Boden-Lenkwaffen und ballistischen Lenkwaffen benötigt. Vorgesehen ist die Beschaffung von Lenkwaffen des Typs GEM-T der Firma Raytheon: Sie verfügen über einen einstufigen Raketenmotor, einen Annäherungszünder und einen Sprengkopf.

Produktesupport Das Patriot-System hat auch beim Produktesupport das bessere Ergebnis erzielt als der Mitbewerber. Die angebotene Instandhaltung und die Versorgung mit Ersatzteilen, Testgeräten und Werkzeugen sowie die für die Ausbildung und den Betrieb notwendigen technischen Grundlagen ermöglichen die Einsatzbereitschaft über die gesamte Nutzungsdauer.

Instandhaltung Das Patriot-System wird vorwiegend in der Schweiz instand gehalten werden. Dies hat den Vorteil, dass das System weitgehend unabhängig betrieben und während längerer Zeit autonom eingesetzt werden kann. Das Instandhaltungskonzept für die Schweizer Armee wird von der Logistikbasis der Armee (LBA) zusammen mit der US Armee und der Herstellerfirma Raytheon erarbeitet. Die US-amerikanische Armee setzt das Patriot-System seit Jahrzehnten ein und verfügt deshalb über grosse Erfahrung im Umgang mit diesem System.

Als Materialkompetenzzentrum ist die Ruag AG vorgesehen. Sie wird den Betrieb unterstützen und das Material bewirtschaften. Die LBA und die Ruag AG werden das System instand halten. Dazu wird das Personal dieser beiden Organisationen so geschult, dass es gemeinsam alle erforderlichen Logistikarbeiten selbstständig erledigen und die Truppe unterstützen kann.

Um alle Aufgaben so autonom wie möglich erfüllen zu können, werden Test- und Prüfgeräte sowie Werkzeuge beschafft. Mit diesen Geräten kann zum einen eine vertiefte Diagnose an den Systemen durchgeführt werden; Schäden werden dadurch frühzeitig entdeckt. Zum anderen können Bestandteile des Systems selbstständig repariert werden. Vorgesehen
ist nicht nur die Ausstattung stationärer Arbeitsplätze in der Industrie und der LBA, sondern auch die Einrichtung mobiler Werkstätten mit Wechselbehältern bei der Truppe. Mit Letzteren lassen sich kleinere Reparaturen direkt im Einsatzraum durchführen. Die für den Betrieb und die Instandhaltung erforderlichen Dokumentationen werden nötigenfalls an die Bedürfnisse und Voraussetzungen der Schweizer Armee angepasst.

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Ersatzteilversorgung Die Schweiz profitiert von einer zuverlässigen Ersatzteilversorgung, da das PatriotSystem weltweit im Einsatz steht. Dies führt dazu, dass der Vorrat für Ersatzteile für den Normalbetrieb tief gehalten werden kann. Die Schweiz beschafft aber zusätzlich ein Ersatzteilpaket, das ermöglicht, das Patriot-System bei geschlossenen Grenzen während mehreren Monaten autonom in der Schweiz instand zu halten und einzusetzen, analog zum Ersatzteilpaket für den F-35A.

Kooperationsmöglichkeiten Die grosse Anzahl von Ländern, die das Patriot-System nutzen, eröffnet vielfältige Zusammenarbeitsmöglichkeiten, auch mit den jeweiligen Beschaffungsbehörden. In der Einführungsphase wird Schweizer Berufsmilitär im Herstellerland geschult, um anschliessend die Miliz in der Schweiz ausbilden zu können. Der Erfahrungsaustausch mit anderen Nutzern dient auch dazu, taktisches Wissen aufzubauen. Während der gesamten Nutzungsphase soll das Leistungsvermögen der eigenen Systeme und der Truppe in gemeinsamen Übungen oder Trainings mit Simulatoren überprüft und das taktische Wissen auf dem neusten Stand gehalten werden. Auch das Schiessen mit Lenkwaffen soll in Zusammenarbeit mit anderen Streitkräften durchgeführt werden.

Dadurch können Kosten für die Schiessplatzinfrastruktur und die Zieldarstellung tief gehalten werden. Die Schweiz verfügt nicht über geeignete Schiessplätze für Lenkwaffen.

Die Schweiz kann sich dem Weiterentwicklungsprogramm der Patriot-Betreiberländer anschliessen. In dieser Gruppe werden zum einen aktuelle Herausforderungen analysiert, die sich beim Betrieb des Systems zeigen, zum anderen wird festgelegt, wie das System künftig weiterentwickelt werden soll. Die Schweiz kann sich auch am logistischen Gremium der Nato beteiligen, wo spezifische Themen des PatriotSystems erörtert werden. Vereinbarungen werden allerdings nur dann abgeschlossen, wenn sie mit der Neutralität der Schweiz kompatibel sind.

Direkte Offsets Der Bundesrat beabsichtigt, bei der Beschaffung des Systems zur bodengestützten Luftverteidigung grösserer Reichweite 100 Prozent des Auftragsvolumens von Lieferanten im Ausland durch Offsets zu kompensieren, davon 20 Prozent durch direkte Offsets. 80 Prozent des Auftragsvolumens sollen durch indirekte Offsets kompensiert werden. Diese stehen nicht in direktem Zusammenhang
mit dem Rüstungsgut, müssen jedoch auch einen Bezug zur sicherheitsrelevanten Technologie- und Industriebasis haben. Ein Vertrag für indirekte Offsets soll den Zugang zu weiterem Knowhow, verschiedenen Technologien und ausländischen Märkten ermöglichen. Das gesamte Offsetvolumen entspricht im Rahmen dieser Beschaffung einem Wert von rund 1,3 Milliarden Franken, davon 260 Millionen Franken für direkte Offsets. Zudem vergibt der Bund direkte Aufträge an die Schweizer Industrie im Wert von 254 Millionen Franken. Diese und weitere Anteile wie Mehrwertsteuer, Risikozuschlag und Teuerung sind für die ausländischen Hersteller nicht offsetpflichtig.

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Direkte Offsets wurden als Hauptkriterium für die Auftragsvergabe beurteilt. Beurteilt wurde der Umfang zum Zeitpunkt der Offerteingabe, die enthaltenen Schlüsseltechnologien, der zu erreichende Autonomiegrad für die Schweiz sowie die Verteilung auf die Sprachregionen.

Das Offsetkonzept von Raytheon übertrifft den angestrebten Anteil von 20 Prozent direkter Beteiligung von Schweizer Unternehmen deutlich. Die Projekte für direkte Offsets sind aktuell auf mehrere Schweizer Firmen verteilt. Damit wird die Schweiz die grösstmögliche Autonomie erreichen. Beispielsweise sollen elektronische Bauteile oder elektronische Baugruppen des Waffensystems in der Schweiz produziert werden. Der Analyse liegen fünfzig Projekte für direkte Offsets zugrunde, die die armasuisse bereits genehmigt hat.

Zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung wird nur teilweise bestimmt sein, welche Firmen Aufträge erhalten werden. Die Offsetprojekte werden laufend weiterentwickelt, und die Offsetverpflichtung von 100 Prozent des Auftragswertes muss bis vier Jahre nach der letzten Lieferung restlos kompensiert sein. Dabei sollen diese Projekte zu 65 Prozent in der deutschsprachigen Schweiz, zu 30 Prozent in der französischsprachigen Schweiz und zu 5 Prozent in der italienischsprachigen Schweiz verteilt werden.

4.2.3.2

Gesamtkosten

Für das Patriot-System ist mit Gesamtkosten von rund 3,7 Milliarden Franken zu rechnen. Die Kosten decken die Beschaffung und den Betrieb über 30 Jahre ab. Das Patriot-System erreicht im Vergleich mit dem anderen evaluierten Kandidaten die tieferen Gesamtkosten. Die Berechnungen stützen sich auf verbindliche Offerten der USRegierung. Die Schweiz beschafft das Patriot-System über die FMS-Programm der US-Regierung. Für die Schweiz gelten die Konditionen, die die US-Regierung für sich selbst anwendet. Die US-Regierung wiederum wird die Beschaffung über eigene Verträge mit den Firmen abwickeln. Die Preise und die Vertragskonditionen sind in diesen Verträgen verbindlich festgelegt und werden auch mittels einer strengen Aufsicht eingefordert.

Beschaffungskosten Die Beschaffungskosten von 1,987 Milliarden Franken umfassen folgende Hauptpositionen: ­

Führungselement, Feuereinheiten und Lenkwaffen,

­

Ausbildungsunterstützung und Ausbildungssysteme,

­

Logistikpakete inklusive Ersatzmaterial und Befähigung des Materialkompetenzzentrums Ruag AG.

Die Beschaffungskosten enthalten auch die Ausgaben für die Integration in die bestehenden Führungs- und Informationssysteme, die Unterstützungsleistungen durch die Industrie sowie das Material, das bei Dritten beschafft und an den Hersteller des Waffensystems geliefert wird.

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Betriebskosten Die Betriebskosten für die Nutzung über 30 Jahre betragen 1,7 Milliarden Franken.

Es wird mit folgenden jährlichen Kosten gerechnet: ­

Personalaufwände von 4 Millionen Franken (z. B. für das Systemmanagement, die Bereitstellung und den Betrieb, die Logistikplanung und -lagerung, die Instandhaltung),

­

Aufwände für Leistungen des Materialkompetenzzentrums Ruag AG von 44 Millionen Franken (z. B. für die Systembetreuung, die Instandhaltung, die Materialwirtschaft),

­

Aufwände für Leistungen von Dritten von 8 Millionen Franken (z. B. für die Instandhaltung nicht systembezogenen Materials sowie für Fahrzeuge und Informatik).

Nicht berücksichtigt wurden die Ausgaben für allfällige Kampfwertsteigerungs- und Werterhaltungsprojekte sowie Ausserdienststellungskosten, weil diesbezügliche Vorhersagen mit hohen Unsicherheiten verbunden wären.

4.2.3.3

Weitere Aspekte

Abhängigkeiten Wie Kampfflugzeuge sind auch Systeme zur bodengestützten Luftverteidigung grösserer Reichweite technisch komplex. Entsprechend ist die Schweiz auch in diesem Fall bei der Logistik und der Weiterentwicklung des Systems vom Hersteller und vom Herstellerland abhängig. Vollständig ausschliessen lassen sich solche Abhängigkeiten nicht ­ dies gilt immer und für jeden Anbieter. Es bestehen jedoch Möglichkeiten, um Abhängigkeiten zu verringern und die Schweiz zu befähigen, Systeme möglichst eigenständig zu betreiben und einzusetzen.

Das neue bodengestützte Luftverteidigungssystem muss so in die Schweizer Luftverteidigungsarchitektur eingebettet sein, dass eine integrierte Luftverteidigung im Verbund mit den Kampfflugzeugen möglich ist. Überdies muss das System so konzipiert sein, dass die Schweiz in der Luftverteidigung mit Staaten in ihrem Umfeld zusammenarbeiten kann. Voraussetzung dazu sind interoperable Systeme ­ die bodengestützte Luftverteidigung muss zwingend über die Freund-Feind-Erkennung verfügen.

Diese dient dazu, dass die bodengestützte Luftverteidigung nicht versehentlich eigene Kampfflugzeuge abschiesst. Auch die Datenübermittlung zwischen der bodengestützten Luftverteidigung, der Einsatzzentrale der Luftwaffe und den Radarstationen muss gewährleistet sein.

Sämtliche Systeme, die die Interoperabilität ermöglichen, stammen aus den USA.

Dies gilt auch für Systeme, die in europäischen Kampfflugzeugen und europäischen Systemen zur bodengestützten Luftverteidigung eingebaut sind. Die Schweiz ist deshalb in dieser Beziehung bis zu einem gewissen Grad von den USA abhängig. Dies gilt für den Fall, dass sie mehrere eigene Systeme vernetzt einsetzen will, ebenso wie für Kooperation mit Nachbarstaaten. An sich könnte die Schweiz auf den Einsatz von Funktionen zur Interoperabilität verzichten. Sensoren und Lenkwaffen des Patriot51 / 84

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Systems blieben gleich leistungsfähig. Allerdings würde eine integrierte Luftverteidigung innerhalb der Schweiz dadurch ebenso erschwert wie gemeinsame Einsätze mit umliegenden Nachbarstaaten. Welche Daten und Informationen mit anderen Ländern und mit dem Herstellerland ausgetauscht werden, entscheidet die Schweiz in jedem Fall selbst. Die Vorteile der Interoperabilität überwiegen eindeutig.

Abhängigkeiten bestehen auch im Bereich der Datenautonomie: Das Patriot-System erzeugt Daten, die für seinen Betrieb in der Schweiz wichtig sind, beispielsweise für die logistische Instandhaltung. Der Austausch logistischer Daten zwischen der Schweizer Armee, dem Herstellerland und der Herstellerfirma ist für die Instandhaltung erforderlich; er liegt im Interesse des VBS. Dabei gibt es jedoch keinen automatischen Datenaustausch mit dem Herstellerland oder der Herstellerfirma, sondern die Schweiz bestimmt autonom, welche Daten ausgetauscht werden.

Gewisse Abhängigkeiten vom Herstellerland müssen auch bei der Instandhaltung der Komponenten und bei der Durchführung des Änderungsdienstes in Kauf genommen werden. Grundsätzlich wird das Patriot-System in der Schweiz durch Personal der Armee und die Ruag AG instand gehalten. Wenn defekte Komponenten nicht im Inland repariert werden können, ist die Schweiz aber auf das Ausland angewiesen. Wie beim Kampfflugzeug wird die entsprechende Abhängigkeit allerdings durch ein Logistikpaket (Ersatzteile, Werkzeuge usw.) reduziert. Dieses ist auch beim PatriotSystem so ausgestaltet, dass das System während mehrerer Monate betrieben werden kann, falls die Ersatzteilbewirtschaftung vom und ins Ausland unterbrochen werden sollte.

Umweltmassnahmen Damit bodengestützte Luftverteidigungssysteme auch kleine Flugobjekte wie Lenkwaffen und Marschflugkörper auf grosse Distanzen entdecken können, müssen sie mit einem leistungsfähigen Radar ausgerüstet sein. Ein solcher Radar gehört zu jeder Feuereinheit. Die Radar-Antennen senden und empfangen elektromagnetische Wellen.

Diese Immissionen wurden bei den Sensorerprobungen gemessen. Dabei wurde festgestellt, dass die Immissionsgrenzwerte an allen Messpunkten eingehalten wurden.

Ebenso wurde der strengere Anlagengrenzwert an allen Orten mit empfindlicher Nutzung weit unterschritten.

4.2.4

Evaluation und Zeitplan der Beschaffung

Der Bundesrat stimmte die Evaluation der bodengestützten Luftverteidigungssysteme grösserer Reichweite auf diejenige der Kampfflugzeuge ab (vgl. Ziff. 2.2.4).

Die Evaluation sollte aufzeigen, welches System der bodengestützten Luftverteidigung bezogen auf Kosten und Nutzen für die Schweiz am besten geeignet ist.

Die Ausschreibung fand im Einladungsverfahren statt. Folgende Hersteller und Länder wurden in die Evaluation einbezogen: ­

SAMP/T, Eurosam

Frankreich

­

David's Sling, Rafael

Israel

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­

Patriot, Raytheon

USA

Diese drei Anbieter wurden nach einer Marktanalyse aus elf Systemen ausgewählt.

Diese Systeme verfügen über die erforderliche Reichweite und die technische Reife.

Zudem verwenden die Herstellerländer jeweils das Gesamtsystem, das aus Sensoren, Lenkwaffen und Führungssystem besteht. Damit kann die Schweiz von den Erfahrungen und der Unterstützung der Herstellerländer profitieren.

Wie bei den Kampfflugzeugen wurde auf die Prüfung nicht westlicher Systeme verzichtet. Die Integration solcher Systeme in ein von westlichen Systemen dominiertes Umfeld wäre risikobehaftet.

Evaluationsprozess Im September 2018 überreichte die armasuisse die Offertanfrage für ein bodengestütztes Luftverteidigungssystem grösserer Reichweite an die Regierungsstellen der Herstellerfirmen. Die Offertanfrage umfasste unter anderem einen Fragenkatalog mit rund 300 Fragen, die durch die Kandidaten zu beantworten waren.

Im März 2019 unterbreiteten Raytheon und Eurosam ihre Offerten der armasuisse.

Rafael reichte für David's Sling keine Offerte ein und war ab diesem Zeitpunkt nicht mehr Teil des Auswahlverfahrens.

Im Anschluss werteten Spezialistinnen und Spezialisten die Offerten der beiden verbleibenden Bewerber aus. Die Antworten auf die Fragen im Katalog stellten die Grundlage dar. Die Erprobung umfasste auf der Nutzen- oder Leistungsseite die folgenden Hauptaktivitäten: Beurteilung und Bewertung der Hauptkomponenten, Überprüfung des Produktsupports, Qualitätsaudits bei den Kandidaten sowie Sensorerprobungen in der Schweiz.

Von Mai bis Juli 2019 beurteilten verschiedene Teams die Wirksamkeit der Systeme, die Instandhaltung und die Ausbildung. Im Mai 2019 wurden die Hauptkomponenten bei den Kandidaten beurteilt und bewertet. Besuche erlaubten es, die Angaben der Hersteller vor Ort zu verifizieren.

Beim Produktesupport-Audit wurde überprüft und plausibilisiert, wie die Systeme betrieben und instand gehalten werden und wie die Ausbildung erfolgt. Teile des Audits wurden bei der Sensorerprobung in der Schweiz und bei der Beurteilung der Hauptkomponenten überprüft. Im Mai und Juni 2019 fanden in den USA und in Frankreich die Produktesupport-Audits bei der Industrie statt.

Von August bis September 2019 wurden die Sensoren der Luftverteidigungssysteme in der Schweiz erprobt, um die angegebene Leistungsfähigkeit des Radars
punktuell durch Messungen am Boden und von Zielflugdarstellungen zu überprüfen. Die Radarsysteme der beiden Kandidaten wurden zwei Wochen lang mit echten und simulierten Zielen getestet. Pro Kandidaten wurden zehn Flugmissionen mit verschiedenen Luftfahrzeugen der Luftwaffe und der armasuisse durchgeführt und weitere Ziele mit einem Radar-Ziel-Simulator generiert, um die Herstellerangaben zu überprüfen.

Gleichzeitig wurden logistische Themen, Starkstromkomponenten und die Mobilität untersucht. Zu verschiedenen Zeitpunkten und an unterschiedlichen Orten wurden die nichtionisierenden Strahlungen gemessen. Miteingeschlossen waren auch die vom

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Bundesamt für Kommunikation geforderten Strahlungsmessungen. Schiessversuche wurden keine ausgeführt.

Im Januar 2020 übergab die armasuisse die zweite Offertanfrage an die Regierungsstellen. Wie beim neuen Kampfflugzeug basierte diese auf der Analyse der ersten Offerte sowie auf den Erkenntnissen der Sensorerprobungen in der Schweiz und der Audits bei den Betreibern der Systeme.

Im November 2020 erhielt die armasuisse die zweiten Offerten. Wie im Evaluationsprozess für das Kampfflugzeug wurden die Kandidaten darüber informiert, dass es nach der zweiten Offerte zu einer weiteren Verhandlungsrunde kommen könnte. Im Januar 2021 wurden die Hersteller eingeladen, ihr letztes und vorteilhaftestes Angebot einzureichen. Damit begannen die Arbeiten am technischen Evaluationsbericht, die im Juni 2021 abgeschlossen wurden.

Beurteilung von Kosten und Nutzen Die angebotenen Systeme wurden mit einer Kosten-Nutzen-Analyse miteinander verglichen. Wie bei den Kampfflugzeugen wurden dabei die Fachberichte mit den Erkenntnissen aus den Erprobungsaktivitäten beigezogen. Das in sich geschlossene Datencenter ohne Netzzugang wurde auch hier angewendet, ebenso wie die strikte Trennung zwischen Personen mit Kenntnis von Leistungsdaten einerseits und Kosten andererseits. Der Gesamtnutzen wurde ebenfalls nach der AHP-Methode bewertet (vgl. Ziff. 2.2.4).

Typenwahl Das Patriot-System der Firma Raytheon erreichte bei der Evaluation gegenüber dem anderen Anbieter in allen vier Hauptkriterien den höheren Gesamtnutzen; dies insbesondere bei der Wirkung. Gleichzeitig ergaben sich mit deutlichem Abstand tiefere Gesamtkosten. Aufgrund dieses klaren Ergebnisses entschied sich der Bundesrat am 30. Juni 2021 für das Angebot von Raytheon.

Das Patriot-System erreicht im Vergleich mit anderen Systemen eine sehr grosse Einsatzdistanz. Es kann Räume bis zu einer Höhe von deutlich über 20 Kilometern und einer Distanz von weit über 50 Kilometern schützen. Zudem verbessern seine weitreichenden Sensoren das Luftlagebild. Das System wird weltweit von 17 Staaten eingesetzt, davon sieben in Europa. Dies begünstigt die Kooperation in der Ausbildung.

Schliesslich ist das Patriot-System in Beschaffung und Betrieb erheblich kostengünstiger als das System des anderen Anbieters.

Dass mit dem F-35A ein US-amerikanisches Kampfflugzeug gewählt wurde,
hatte keinen Einfluss auf die Wahl des bodengestützten Luftverteidigungssystems grösserer Reichweite. Alle evaluierten Systeme sind interoperabel.

Zeitplan der Beschaffung Sobald das Parlament den Verpflichtungskredit genehmigt hat, werden die Verträge mit der US-Regierung unterzeichnet. Anschliessend wird die US-Regierung die Industrie beauftragen. Für die Produktion bestehen die üblichen Lieferfristen. Bei einer

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Vertragsunterzeichnung Ende 2022 werden die ersten Hauptkomponenten voraussichtlich 2026 in der Schweiz eintreffen. Die Systemintegration und die Übergabe an die Armee werden aus heutiger Sicht ab 2027 erfolgen.

Parallel dazu wird die Ausbildung für die Instandhaltung und den Betrieb vorbereitet.

Sie findet zu Beginn teilweise in den USA statt, anschliessend nur noch in der Schweiz.

Die Auslieferungen werden voraussichtlich 2028 abgeschlossen. Danach werden Schulen, Stäbe, Einsatzleitung und Truppenkörper ausgebildet. Die erste Einsatzbereitschaft des Patriot-Systems soll Ende 2029 erreicht sein, die volle Einsatzbereitschaft Ende 2031.

4.2.5

Geprüfte Alternativen

Geprüft wurde, anstelle einer bodengestützten Luftverteidigung grösserer Reichweite rund 70 Kampfflugzeuge statt deren 36 zu beschaffen. Damit könnte die Armee ihre Fähigkeiten zur offensiven Luftverteidigung erhöhen und einen Verzicht auf eine defensive Luftverteidigung teilweise kompensieren. Diese Alternative wurde jedoch verworfen, weil Beschaffungs- und Betriebsaufwand wesentlich höher ausfielen als bei einer Kombination von Kampfflugzeugen und bodengestützter Luftverteidigung.

Zudem wäre ein permanenter Schutz von Räumen und Anlagen ­ insbesondere Flugplätzen ­ bei einem bewaffneten Konflikt kaum möglich. Schliesslich wäre auch die Abwehr von Marschflugkörpern und Lenkwaffen nur sehr beschränkt möglich.

Als weitere Alternative wurde die Beschaffung einer bodengestützten Luftverteidigung kürzerer anstelle grösserer Reichweite geprüft, jedoch auch verworfen. Die Abwehrwirkung eines Systems grösserer Reichweite ist stärker. Die gegnerischen Handlungsmöglichkeiten werden stärker eingeschränkt, weil der Aufwand und die Risiken eines Angriffs oder auch nur einer Verletzung des Luftraums steigen. Systeme kürzerer Reichweite könnten identifizierte gegnerische Luftfahrzeuge nicht auf grosse Distanz bekämpfen. Zur Verteidigung des Luftraums gegen die vielfältigen Bedrohungen ist eine Kombination aus bodengestützter Luftverteidigung grösserer, mittlerer und kurzer Reichweite notwendig. Vorgesehen ist, die bestehenden Systeme der bodengestützten Luftverteidigung kurzer Reichweite gegen Ende der 2020er-Jahre zu ersetzen.

4.2.6

Risikobeurteilung

Um das Patriot-System zu beschaffen, ist im beantragten Verpflichtungskredit ein Risikozuschlag von 3 Prozent auf dem Beschaffungsumfang eingerechnet. Der Risikozuschlag wird wie folgt begründet: Die US-Regierung verkauft der Schweiz das Luftverteidigungssystem via FMSProgramm. Die Verträge enthalten verbindliche Preise und Vertragskonditionen. Es bestehen geringe kommerzielle Risiken.

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Die Schweiz beschafft das Patriot-System in derselben Konfiguration, wie sie die USArmee und weitere Nutzer einsetzen. Es sind nur geringe Anpassungen an Schweizer Gegebenheiten erforderlich. Die Integration in die sich weiterentwickelnden schweizerischen Führungs- und Informationssysteme bleibt jedoch anspruchsvoll. Damit bestehen etwas höhere technische Risiken als beim F-35A. Massnahmen zur Senkung der Risiken werden laufend getroffen.

Der Risikozuschlag umfasst keine teuerungs- und währungsbedingten Risiken.

4.2.7

Teuerung

Der Schweiz liegen Angebote der US-Regierung in US-Dollar vor. Der Anteil der ausländischen Teuerung ist darin enthalten, wie dies bei FMS-Geschäften üblich ist.

Für den Lieferumfang aus der Schweiz (254 Mio. Fr., z. B. Ruag AG) wird mit einer Teuerung von 21 Millionen Franken gerechnet.

4.2.8

Verpflichtungskredit

Der beantragte Verpflichtungskredit für die Beschaffung des Patriot-Systems setzt sich wie folgt zusammen: Mio. Fr.

­ Beschaffungsumfang: ­ Führungselemente, Feuereinheiten und Lenkwaffen ­ Ausbildungsunterstützung und Ausbildungssysteme ­ Logistikpaket mit Ersatzteilen sowie Testgeräte, Werkzeuge und technische Grundlagen für die Ausbildung und den Betrieb ­ Materialbeschaffungen bei Dritten und Integration in bestehende Systeme

1324 75 265 253

­ Risikozuschlag

49

­ Teuerung des Lieferumfangs aus der Schweiz

21

Verpflichtungskredit

1987

Abgrenzung Das Parlament bewilligte 2013 und 2015 für das Projekt bodengestützte Luftverteidigung 2020 einen Verpflichtungskredit für die Projektierung, Erprobung und Beschaffungsvorbereitung von 49 Millionen Franken. Nach der Sistierung dieses Projekts 2016 wurde der verbleibende Kredit von rund 30 Millionen Franken auf das Projekt bodengestützte Luftverteidigung grösserer Reichweite übertragen. Davon werden voraussichtlich 26 Millionen Franken benötigt.

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4.2.9

Finanzielle Auswirkungen

Mit der Einführung des Patriot-Systems entsteht ab Beginn der 2030er-Jahre ein jährlicher Betriebsaufwand von 56 Millionen Franken. Er wird innerhalb des Armeebudgets kompensiert.

Das Patriot-System soll von 2030 bis mindestens 2060 genutzt werden.

4.2.10

Personelle Auswirkungen

Für den Betrieb des Patriot-Systems und die Ausbildung auf dem System sind 32 Vollzeitstellen vorgesehen. Sie werden innerhalb des VBS kompensiert. Es sind keine zusätzlichen Stellen notwendig. Der jährliche Personalaufwand von 4 Millionen Franken ist im jährlichen Betriebsaufwand enthalten.

4.3

Bauliche Massnahmen für das Patriot-System

4.3.1

Ausgangslage und Handlungsbedarf

Damit die Armee das Patriot-System einsetzen und die Truppen ausbilden kann, muss das System an mehreren Standorten gelagert und die für die Ausbildung notwendige Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden. Die bestehenden Immobilien erfüllen die Anforderungen nur teilweise. Mehrere Gebäude müssen angepasst oder nötigenfalls durch Neubauten ersetzt oder ergänzt werden.

4.3.2

Beschreibung der beantragten Lösung und Begründung

Der Bundesrat beantragt bauliche Massnahmen für das Patriot-System. Die Truppen sollen auf dem Waffenplatz Emmen sowie auf den Übungsplätzen Bettwil (Kanton Aargau) und Gubel-Menzingen (Kanton Zug) ausgebildet werden. Das System soll an mehreren Standorten gelagert werden. Dazu sind technische Installationen zu modernisieren und veraltete Gebäude zu sanieren.

Die bestehende Infrastruktur für die Ausbildung in Emmen genügt den baulichen und technischen Anforderungen nicht mehr und hat das Ende der Nutzungsdauer erreicht.

Sie muss durch einen Neubau ersetzt werden. Ein weiterer Neubau soll für die Ausbildung der Logistiktruppen erstellt werden. Das Bürogebäude auf dem Hauptübungsplatz in Bettwil hat ebenfalls das Ende der Nutzungsdauer erreicht und soll durch ein Theoriegebäude ersetzt werden. Die Ausbildungsplätze sind anzupassen und der Standort ist an das Führungsnetz Schweiz anzuschliessen. Auf dem Nebenübungsplatz in Gubel-Menzingen kann das bestehende Gebäude ohne wesentliche Eingriffe für die Ausbildung umgenutzt werden. Die Ausbildungsplätze und die Zufahrt müssen jedoch angepasst werden.

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Um Systemkomponenten und Lenkwaffen zu lagern, sind geschützte Anlagen notwendig. Diese müssen an die Anforderungen des neuen Systems angepasst, saniert und neu eingerichtet werden. Veraltete Installationen sind zu ersetzen.

Bestehende Hallen erfüllen die Anforderungen für die Lagerung der Systemkomponenten und der Lenkwaffen des Patriot-Systems nicht. Deshalb sollen eine Halle angepasst und instand gesetzt und ein zusätzliches Lagergebäude erstellt werden.

Massnahmen zum Schutz der Umwelt Auf dem Dach des neuen Ausbildungsgebäudes in Emmen werden Photovoltaikmodule mit einer Gesamtfläche von rund 3000 Quadratmetern installiert. Die produzierte Strommenge liegt bei 500 Megawattstunden pro Jahr, was dem Strombedarf von rund 125 Haushalten entspricht.

4.3.3

Projektstand und Zeitplan der Realisierung

Für die baulichen Massnahmen liegt eine Machbarkeitsstudie vor. Die Realisierung soll von 2024 bis 2027 erfolgen.

4.3.4

Geprüfte Alternativen

An den evaluierten Standorten wurden Varianten für die Abdeckung des Bedarfs geprüft. Mit einer Nutzwertanalyse wurde aus insgesamt 72 Varianten die wirtschaftlichste ermittelt. Nur diese Variante wurde für die Machbarkeitsstudie und die weitere Planung verwendet.

4.3.5

Risikobeurteilung

Die vorliegende Machbarkeitsstudie basiert auf einer Kostenungenauigkeit von 30 Prozent. Mit fortschreitendem Planungs- und Bauprozess werden der Umfang der baulichen Massnahmen weiter spezifiziert und die Risiken reduziert. Im Plangenehmigungsverfahren sind keine besonderen Risiken zu erwarten.

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4.3.6

Verpflichtungskredit

Der beantragte Verpflichtungskredit für die baulichen Massnahmen für das bodengestützte Luftverteidigungssystem Patriot setzt sich wie folgt zusammen: Mio. Fr.

­ Investitionsausgaben nach Baukostenplan 1­9 ­ davon Honorare: 8,5 Mio. Fr.

50,3

­ Kostenungenauigkeit

15,7

Verpflichtungskredit

66,0

Abgrenzung Der beantragte Verpflichtungskredit enthält die Mehrwertsteuer sowie eine Position «Kostenungenauigkeit». Diese umfasst die Teuerung und einen Risikozuschlag, der abhängig vom Projektstand berechnet wurde. Für die Projektierungsarbeiten wurden bis zum Vorliegen der Machbarkeitsstudie, inklusive der Optimierung durch Verzichte, 320 000 Franken ausgegeben. Diese Ausgaben wurden mit den Verpflichtungskrediten früherer Immobilienprogramme des VBS bewilligt.

Bruttomietkosten Durch die wertvermehrenden Bauarbeiten steigen die Bruttomietkosten um 3 Millionen Franken pro Jahr. Die Abschreibungs- und Nutzungsdauer beträgt 25 Jahre.

4.3.7

Finanzielle Auswirkungen

Mit der Umsetzung des Projekts erhöht sich der jährliche Betriebsaufwand um 0,2 Millionen Franken. Dieser wird im Armeebudget kompensiert.

4.3.8

Personelle Auswirkungen

Die baulichen Massnahmen für das Patriot-System haben keine personellen Auswirkungen.

5

Beschaffung von Armeematerial 2022

5.1

Kurzfassung

Der Bundesrat beantragt für die Beschaffung von Armeematerial Verpflichtungskredite von 695 Millionen Franken. Diese umfassen die Projektierung, Erprobung und Beschaffungsvorbereitung (PEB), den Ausrüstungs- und Erneuerungsbedarf (AEB) sowie die Ausbildungsmunition und Munitionsbewirtschaftung (AMB).

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Verpflichtungskredite

Mio. Fr.

­ Projektierung, Erprobung und Beschaffungsvorbereitung

145

­ Ausrüstungs- und Erneuerungsbedarf

400

­ Ausbildungsmunition und Munitionsbewirtschaftung

150

Beschaffung von Armeematerial 2022

695

Die Verpflichtungskredite PEB, AEB und AMB werden seit 2017 mit der Armeebotschaft beantragt. Damit werden zusammen mit dem Rüstungsprogramm und dem Immobilienprogramm VBS sämtliche bedeutenden Verpflichtungskredite der Armee in einer Botschaft zusammengefasst. Dies ermöglicht dem Parlament eine bessere Gesamtsicht über die Materialbedürfnisse der Armee.

Die vorliegende Botschaft umschreibt den allgemeinen Zweck dieser Verpflichtungskredite. Sie erläutert auch einige wesentliche Vorhaben oder Sammelpositionen. Eine Planung der anstehenden Beschaffungen liegt vor. Die detaillierte Spezifikation erfolgt später. Die Spezifikationsbefugnis soll an das VBS delegiert werden. Die Planung wird den Sicherheitspolitischen Kommissionen und den Finanzkommissionen beider Räte vorgelegt.

Die beantragten Verpflichtungskredite enthalten die Teuerung, die Mehrwertsteuer und einen Risikozuschlag, der abhängig vom Projektstand berechnet wird.

5.2

Projektierung, Erprobung und Beschaffungsvorbereitung

5.2.1

Ausgangslage und Handlungsbedarf

Mit dem Verpflichtungskredit PEB werden Beschaffungen vorbereitet. Er wird für den Bau von Prototypen, für Tests, für Entwicklungsaufträge und für den Bereich Wissenschaft und Technologie verwendet. Weiter werden Studien und Konzepte erarbeitet, technische Analysen erstellt, Software-Anwendungen entwickelt sowie Truppenversuche und Verifikationen durchgeführt. Dies alles reduziert die Risiken späterer Beschaffungen.

Materialgruppen

Mio. Fr.

­ Artilleriematerial

10,0

­ Ausbildungsmaterial

17,4

­ Fliegerabwehrmaterial

5,0

­ Flugmaterial

3,0

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Materialgruppen

Mio. Fr.

­ Genie- und Rettungsmaterial ­ Infanterie- und Panzerabwehrmaterial

1,1 5,5

­ Material für Führungsunterstützung

68,1

­ technische Abklärungen und Vorprüfungen

34,9

Projektierung, Erprobung und Beschaffungsvorbereitung 2022

5.2.2

145,0

Beschreibung der beantragten Lösung und Begründung

Nachfolgend werden die wesentlichen Vorhaben erläutert.

Artilleriematerial Ab Mitte der 2020er-Jahre werden die meisten Hauptsysteme der Bodentruppen das Ende ihrer Nutzungsdauer erreichen, darunter auch die Panzerhaubitze M-109. Die Fähigkeit, Kampfverbände mit indirektem Feuer auf mittlere Distanz zu unterstützen, soll gemäss Bericht in Erfüllung des Postulats 11.3752 «Zukunft der Artillerie» weiterentwickelt werden. Dabei soll insbesondere die Reichweite erhöht und die Präzision verbessert werden. Die Armeebotschaft 2019 hat dazu die ersten Schritte eingeleitet: So soll ein Artilleriesystem mit einer Schussdistanz von 50 Kilometern beschafft werden. Der Kredit wird für weitere Tests und Erprobungen verwendet, insbesondere sollen Führungs- und Feuerleitsysteme genau untersucht werden.

Ausbildungsmaterial Die Armee nutzt, wo immer möglich, Simulatoren, um die militärische Ausbildung ressourcenschonend, kosteneffizient und unter geringen Risiken durchführen zu können. In den Gefechtsausbildungszentren (GAZ) der Armee können Gefechtsübungen und vor allem der Kampf im überbauten Gelände realitätsnah simuliert werden. Bei den Systemen müssen periodisch Fähigkeitsanpassungen vorgenommen werden. Dies ist dann der Fall, wenn sich Ausbildungsvorgaben ändern, neue Systeme eingeführt werden oder bestehende Komponenten ihr Nutzungsende erreichen. Letzteres trifft auch für die Laserschusssimulatoren zu, mit denen die Fahrzeuge ausgerüstet sind.

Der Kredit wird für die Erprobung neuer Laserschusssimulatoren sowie für den Werterhalt der GAZ-Systemplattformen verwendet.

Fliegerabwehrmaterial Mini-Drohnen mit einem Gewicht von 2­20 Kilogramm sind aufgrund ihrer Grösse, ihrer Materialbeschaffenheit und ihres Flugprofils schwer zu entdecken und zu bekämpfen: Sie fliegen tief und können abrupt die Richtung wechseln. Die Entwicklung der Drohnentechnologie schreitet schnell voran, und die missbräuchliche Verwendung solcher Geräte schafft neue Bedrohungen. Inzwischen gibt es bereits Mini-Drohnen, die für Angriffe eingesetzt werden können.

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Welche Behörde diese Bedrohungen in welchen Lagen bekämpft und welche Mittel angemessen dagegen eingesetzt werden können, ist zurzeit noch nicht abschliessend geklärt. Die Armee ist daran interessiert, dass ihre Verbände, Systeme und Infrastrukturen vor allem die Militärflugplätze in allen Lagen vor solchen Bedrohungen geschützt sind. Um diese Lücke schliessen zu können, soll ein System beschafft werden, das Mini-Drohnen orten, identifizieren und allenfalls neutralisieren kann. Der Kredit wird für Erprobungen und Truppenversuche verwendet.

Material für Führungsunterstützung Um die vernetzte Führung von Verbänden, die Zusammenarbeit mit zivilen Partnern und letztlich auch den Schutz vor Cyberbedrohungen zu verbessern, wird die Armee in den kommenden Jahren Investitionen in die Rechenzentren, in das Führungsnetz Schweiz sowie in weitere Kommunikations- und Führungssysteme tätigen. In manchen Bereichen wird die heute sehr vielfältige Systemlandschaft in einheitliche Plattformen überführt.

Im Zuge dieser Vereinheitlichung soll unter anderem ein «Integriertes Planungs- und Lageverfolgungs-Informationssystem» beschafft werden. Damit können die Aktionsplanung, die Führung und die Lageverfolgung digital unterstützt und vereinfacht werden, und zwar über alle Führungsstufen der Armee hinweg. Der Kredit wird für Studien, Simulationen, Hard- und Softwarebeschaffungen sowie für technische Erprobungen verwendet.

Um die Sicherheit von Informationen und Daten zu erhöhen, sind verschiedene Bereiche der Armee auf Verschlüsselungsmöglichkeiten angewiesen. Heute werden in der gesamten Armee diverse Chiffrierverfahren mit unterschiedlichen Betriebsvorgaben verwendet, für die eine einheitliche Lösung angestrebt wird. Der Kredit wird für die Evaluation, Entwicklung und technische Erprobung eines gemeinsamen und effizienten Chiffrierverfahrens für Informationen verwendet, die als intern, vertraulich oder geheim klassifiziert sind.

Im Bereich der Luftwaffe drängt sich eine Nachfolgelösung für das seit 1987 in Betrieb stehende Taktische Fliegerradar auf, das von verschiedenen Standorten aus Ziele erfassen kann. Das Erfassungssystem ergänzt das Luftlagebild im unteren und mittleren Luftraum. Dies ist vor allem bei Sicherungseinsätzen etwa beim Schutz von Konferenzen unerlässlich. Nachdem das Radarsystem seit mehr als
dreissig Jahren eingesetzt worden ist, muss es 2026 endgültig ausser Dienst gestellt werden. Damit keine Fähigkeitslücke entsteht, soll mit dem beantragten Verpflichtungskredit die Beschaffung eines teilmobilen Radarsystems vorbereitet werden.

Eine weitere Neuerung zugunsten der Luftwaffe soll schliesslich die Sicherheit auf militärisch genutzten Flugplätzen verbessern. Mit einem zusätzlichen Konfliktwarnsystem sollen verschiedene Risiken minimiert werden: Kollisionen, Luftraumverletzungen oder übermässige Abweichungen von Flugrouten. Die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle hat verschiedentlich auf die Notwendigkeit eines solchen Systems hingewiesen. Der beantragte Kredit wird für die Erprobung eines Prototyps verwendet.

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Technische Abklärungen und Vorprüfungen Mit dem Klimapaket der Bundesverwaltung hat der Bundesrat das VBS verpflichtet, seine Energieeffizienz zu erhöhen und den CO2-Ausstoss markant zu reduzieren. Die Armee wird daher Möglichkeiten prüfen, die Energieversorgung nachhaltig und möglichst autark sicherstellen zu können. Ein Teil des PEB-Kredits wird für entsprechende Studien, Konzepte, Prototypen und technische Erprobungen beantragt.

5.2.3

Risikobeurteilung

Der Verpflichtungskredit wird grösstenteils für Prototypen, Tests und Entwicklungsaufträge eingesetzt. Dadurch reduziert sich das Risiko von nachfolgenden Beschaffungen. Im beantragten Kredit wird deshalb kein Risikozuschlag eingerechnet.

5.2.4

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Prototypen, Tests und Entwicklungsaufträge führen in der Regel zu Beschaffungen.

Die finanziellen und personellen Auswirkungen werden mit den entsprechenden Anträgen aufgezeigt.

5.3

Ausrüstungs- und Erneuerungsbedarf

5.3.1

Ausgangslage und Handlungsbedarf

Neben den Rüstungsprogrammen macht der Verpflichtungskredit AEB einen wesentlichen Anteil des Rüstungsaufwands aus. Dazu gehören beispielsweise die persönliche Ausrüstung, die Bewaffnung der Armeeangehörigen sowie das Material für die Führungsunterstützung. Auch Ersatz- und Nachbeschaffungen für bereits eingeführtes Armeematerial sind im Kredit enthalten. Weiter werden Änderungen vorgenommen, um das Armeematerial einsatzbereit zu halten.

Materialgruppen

Mio. Fr.

­ Ausbildungsmaterial

24,3

­ Bekleidung

21,4

­ Bewaffnung

0,5

­ Fliegerabwehrmaterial

5,0

­ Flugmaterial ­ Genie- und Rettungsmaterial ­ Gepäck und besondere Ausrüstungsgegenstände ­ Material für die Führungsunterstützung ­ Material für den Versorgungs- und Transportdienst

51,8 3,3 14,7 174,8 51,8 63 / 84

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Materialgruppen

Mio. Fr.

­ Sanitäts- und ABC-Material ­ Schuhwerk

0,4

­ übriges Armeematerial Ausrüstungs- und Erneuerungsbedarf 2022

5.3.2

14,4 37,6 400,0

Beschreibung der beantragten Lösung und Begründung

Nachfolgend werden die wesentlichen Beschaffungsvorhaben verschiedenen Fähigkeitsbereichen zugeordnet und erläutert.

Sichere IKT-Infrastruktur Ein wesentlicher Teil des Verpflichtungskredits wird für die Führungsunterstützung beantragt, insbesondere für den Erhalt und die Weiterentwicklung der Informationsund Kommunikationsinfrastruktur der Armee. Dadurch können die geltenden Sicherheitsvorgaben eingehalten und Cyberangriffe verhindert werden. Zudem lässt sich die Führungsfähigkeit sicherstellen.

Für die Abwehr von Cyberangriffen auf militärische Systeme und Netzwerke soll ein neues digitales Einbrucherkennungssystem zur Verfügung gestellt werden. Dieses überwacht die Systeme, erkennt unberechtigte Netzwerk-Zugriffe und kann diese zurückverfolgen. Die neuartige Einbrucherkennung wird zur Cybersicherheit der Armee beitragen und der Ausbildung künftiger Cyberspezialistinnen und -spezialisten zugutekommen.

Handlungsbedarf besteht auch beim Austausch von Daten zwischen Netzwerken und Systemen der Armee sowie von externen Partnern. Weil die Datenschnittstellen sehr heterogen sind, stellen sie ein Sicherheitsrisiko dar. Mit einer standardisierten Sicherheitslösung für den internen und externen Datenaustausch soll dieses Risiko minimiert werden. Die zusätzlichen Sicherheitsbausteine sollen Informationen des Bereichs Verteidigung gegen Datenabfluss schützen, indem sie kritische Schwachstellen überprüfen.

Eine umfassende Erneuerung der IKT-Infrastruktur ist schliesslich für den Nachrichtendienst der Armee (NDA) vorgesehen. Der NDA leistet einen wesentlichen Beitrag zum integralen Lagebild der Armee. Hierzu beschafft er Daten und Informationen, wertet diese aus und verarbeitet sie bedarfsgerecht weiter. Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung ist der NDA mit einer zunehmenden Menge an Informationen konfrontiert. Um diese Informationsflut bewältigen zu können, ist er auf geeignete Informationssysteme angewiesen. Nachdem mit der Armeebotschaft 2019 die Projektierung und Erprobung eines solchen Systems bewilligt worden ist, wird mit der vorliegenden Botschaft dessen Beschaffung beantragt.

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Sichere Kommunikation Militärische Einsätze bedingen heutzutage einen hohen Grad an Vernetzung ­ sowohl zwischen den Verbänden als auch mit den zivilen Partnern. Um mit Polizei und Rettungsdiensten kommunizieren zu können, haben Teile der Armee unter anderem die Militärpolizei und die Luftwaffe Zugang zum Funksicherheitsnetz Polycom. Die Mobilfunkgeräte haben ihre Nutzungsdauer überschritten und müssen erneuert werden. Nach einem Teilersatz, der in der Armeebotschaft 2018 beantragt wurde, soll nun die zweite Tranche solcher Geräte beschafft werden. Gleichzeitig müssen auch die Polycom-Funkwagen ersetzt werden.

Ein weiterer Hardware-Ersatz drängt sich bei der Kommunikationskomponente des Luftraumüberwachungs- und Einsatzleitsystems Florako auf. Diese Komponente besteht hauptsächlich aus Rechnern. Diese ermöglichen vor allem die Sprachübermittlung zum Flugfunk, stellen aber auch die Datenübertragung zu den Radarsystemen von Florako sicher. Mit den Rechnern soll der weitere Betrieb des Kommunikationssystems mit denselben Funktionalitäten wie bisher ermöglicht werden.

Ressourcenschonende Ausbildung Für eine ressourcenschonende Ausbildung zukünftiger Helikopterpilotinnen und -piloten stehen in Emmen zwei Transporthelikoptersimulatoren zur Verfügung. Diese erlauben ein wirklichkeitsnahes Training von Lasten- und Mannschaftstransporten sowie von Such-, Rettungs- und Feuerlöscheinsätzen. Das Projektionssystem besteht aus mehreren Laserprojektoren, für die der Hersteller den Support gekündigt hat. Damit weiterhin ein hoher Trainingsstand der Pilotinnen und Piloten ohne Belastung der Echtsysteme garantiert werden kann, wird ein Teil des Verpflichtungskredits AEB für die Erneuerung der Simulatoren verwendet.

Jährlich werden auch 1500 angehende Motorfahrzeugführerinnen und -führer auf Simulatoren ausgebildet. Von den vorgeschriebenen dreissig Stunden individueller Fahrausbildung kann rund ein Drittel auf dem Fahrsimulator absolviert werden. Die Trainingsanlagen in Thun werden jedoch 2024 ihr Nutzungsende erreichen. Als Nachfolgelösung ist ein Fahrsimulator vorgesehen, der mobil und standortunabhängig einsetzbar ist. Davon können die betroffenen sechs Standorte der Rekrutenschulen profitieren, weil eine optimale Auslastung des Simulators garantiert ist.

Umwelt und Energie Mit dem Klimapaket will der Bundesrat
die Treibhausgasemissionen und den Energieverbrauch der Bundesverwaltung bis ins Jahr 2030 massiv senken. Das VBS ist angehalten, den CO2-Ausstoss gegenüber 2001 um mindestens 40 Prozent zu reduzieren. Im Bereich der Bodenmobilität sollen nach Möglichkeit Fahrzeuge mit alternativen Antrieben beschafft werden. Auf die Verwendung fossiler Treibstoffe wird möglichst verzichtet. Das VBS hat bereits in den vergangenen Jahren einen Teil seiner nicht gepanzerten Fahrzeugflotte erneuert und den Treibstoffverbrauch auf diese Weise nachweislich gesenkt. Mit der vorliegenden Armeebotschaft soll diese Energieeffizienz noch weiter verbessert werden. Ein Teil des Verpflichtungskredits wird daher für die Beschaffung von Personenwagen mit Elektroantrieb verwendet.

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Schutz des Luftraums Die heutigen Mittel zum Schutz des unteren und mittleren Luftraums das 35-mmFliegerabwehrsystem und das Lenkwaffensystem Stinger können noch bis längstens 2032 eingesetzt werden, sofern rechtzeitig Werterhaltungsmassnahmen vorgenommen werden. Bis zur geplanten Erneuerung der bodengestützten Luftverteidigung kurzer Reichweite Ende der 2020er-Jahre sollen die bestehenden Systeme mittels moderater Massnahmen instand gehalten werden. Mit Investitionen von 5 Millionen Franken für die Beschaffung von Ersatzteilen soll das Ausfallrisiko vorerst reduziert werden. Die sich abzeichnende Lücke beim Schutz des Luftraums wird durch diese Ersatzteile überbrückt.

Schutz der eigenen Kräfte Der Schutz der eigenen Kräfte umfasst alle Massnahmen, welche die Armeeangehörigen sowie armeeeigene Systeme und Infrastrukturen vor gegnerischen Einwirkungen oder Umwelteinflüssen schützen. Wesentlich ist vor allem der Schutz vor atomaren, biologischen und chemischen Kampfmitteln (ABC-Waffen). Deswegen verfügt die Schweizer Armee über ein tragbares Nachweisgerät, mit dem sich chemische Kampfstoffe und toxische Industriechemikalien feststellen lassen. Nach 25 Jahren im Einsatz nimmt die Messgenauigkeit dieser Geräte ab, weshalb sich eine Neubeschaffung aufdrängt. Das zu beschaffende Nachweisgerät muss Art, Dosierung und Konzentration einer chemischen Substanz analysieren und bestimmen können, beispielsweise Haut- oder Nervengifte. Damit kann die Truppe in der Ausbildung und im Einsatz geschützt werden.

5.3.3

Risikobeurteilung

Das Risiko wird gesamthaft als klein eingestuft. Im Durchschnitt wurde ein Risikozuschlag von 4 Prozent eingerechnet.

5.3.4

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Allfällige finanzielle und personelle Mehraufwände werden innerhalb des Armeebudgets kompensiert.

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5.4

Ausbildungsmunition und Munitionsbewirtschaftung

5.4.1

Ausgangslage und Handlungsbedarf

Der Verpflichtungskredit AMB wird für die Beschaffung, die Revision und die Entsorgung von Armeematerial und Munition verwendet.

Mio. Fr.

­ Beschaffung und Instandhaltung von Munition, inkl. Abgabe von Munition an die Schiessvereine

133,5

­ Revision von Munition

7,2

­ Entsorgung von Armeematerial und Munition

9,3

Ausbildungsmunition und Munitionsbewirtschaftung 2022

5.4.2

150,0

Beschreibung der beantragten Lösung und Begründung

Beschaffung und Instandhaltung von Munition Die Armee verbraucht in der normalen Lage Munition für die Ausbildung der Truppe.

Zur Ergänzung der Bestände wird laufend Munition nachbeschafft.

Rund 40 Prozent der jährlich beantragten Munition sind für die Ausbildung an der persönlichen Waffe der Armeeangehörigen bestimmt. Davon geht rund ein Drittel an die Schiessvereine für Schiessübungen, die sie mit Ordonnanzwaffen durchführen.

Zudem wird jährlich Munition für die Ausbildung an anderen Waffensystemen eingekauft. Weiter beschafft die Armee auch Munition für den Einsatz.

Mit dem diesjährigen Kredit will die Armee insbesondere Gewehr- und Pistolenpatronen für die persönliche Waffe beschaffen. Zudem werden 12,7-Millimeter-Sprengpatronen für das Maschinengewehr 64 benötigt, weil der Waffenbestand erhöht wurde und die bestehende Munition überaltert ist. Ebenfalls überaltert sind die 40-Millimeter-Gewehr-Splitterpatronen 97. Sie sollen durch ein neues Modell ersetzt werden.

Abgabe von Munition an die Schiessvereine Der Bund unterstützt die anerkannten Schiessvereine für die mit Ordonnanzwaffen und Ordonnanzmunition durchgeführten Schiessübungen (Art. 62 Abs. 2 MG). Das Schiesswesen ausser Dienst ergänzt und entlastet die Schiessausbildung an der persönlichen Waffe in den militärischen Kursen und Schulen. Es fördert auch die Schiessfertigkeit der Armeeangehörigen ausser Dienst und das freiwillige Schiessen (vgl. Art. 2 der Schiessverordnung vom 5. Dezember 200317). Dies steht im Interesse einer Milizarmee, die bei Bedarf rasch einsatzbereit sein muss.

17

SR 512.31

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Die Schiessvereine erhalten Abgeltungen in Form von Beiträgen (Entschädigungen), um das obligatorische Schiessprogramm, das Feldschiessen und die Jungschützenkurse durchzuführen. Diese Beiträge nach Artikel 38 Buchstabe c der Schiessverordnung werden in der Bundesrechnung im Transferkredit «Beiträge Schiesswesen» ausgewiesen. 2020 beliefen sich diese Beiträge auf 3,2 Millionen Franken. 2020 entstand bedingt durch die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie ein Kreditrest von 5,6 Millionen Franken.

Die Schiessvereine erhalten vom Bund auch sogenannte Gratismunition und Ordonnanzmunition (verbilligte Kaufmunition; Art. 38 Bst. a und b der Schiessverordnung).

Sie verwenden die Gratismunition für das obligatorische Schiessprogramm, das Feldschiessen und die Jungschützenkurse.

Bei der Abgabe von Gratismunition und beim Verkauf verbilligter Munition kann von einer Subvention gemäss Subventionsgesetz vom 5. Oktober 199018 ausgegangen werden. 2020 gab die Armee solche Munition im Wert von 15,2 Millionen Franken ab. Die Schiessvereine bezahlten für diese Munition 7,3 Millionen Franken und erhielten damit Abgeltungen von 7,9 Millionen Franken ­ 2,3 Millionen Franken weniger als 2019.

Revision von Munition Die Munitionsvorräte umfassen die Munition für die Ausbildung und den Einsatz. Sie werden nach militärischen und wirtschaftlichen Kriterien bewirtschaftet. Da auch die Munition einem Alterungsprozess unterliegt, ist ihre Funktionssicherheit befristet. Bei idealen Lagerungsbedingungen besteht diese teilweise bis zu 30 Jahre lang. Während dieser Zeit wird die Munition systematisch überwacht und geprüft. Gibt es Anzeichen, dass ihre Sicherheit oder Wirksamkeit nicht mehr garantiert werden kann, so wird die Nutzung mit Auflagen versehen oder verboten. In der Folge wird die Munition revidiert oder entsorgt.

Entsorgung von Armeematerial und Munition Veraltetes Armeematerial und veraltete Munition werden entsorgt, wenn sie die Anforderungen an den Schutz, die Sicherheit oder die Wirkung nicht mehr erfüllen. Munition wird auch dann entsorgt, wenn das dazugehörige Waffensystem ausser Dienst gestellt wird. In den nächsten Jahren betrifft dies beispielsweise die Lenkwaffen zum Panzerjäger, zum Fliegerabwehrsystem Rapier oder zum Kampfflugzeug F-5 Tiger.

Die Entsorgung (Schreddern, Reststoffrückgewinnung usw.) oder
der Verkauf von überzähligem, noch marktfähigem Armeematerial führt die Ruag AG durch.

Vom beantragten Verpflichtungskredit sollen 9,3 Millionen Franken für die Entsorgung von Armeematerial und Munition verwendet werden. Der Ertrag aus dem Verkauf von Armeematerial überstieg in den letzten Jahren den Aufwand für die Entsorgung von Armeematerial und Munition. Der Ertragsüberschuss fliesst in die allgemeine Bundeskasse.

18

SR 616.1

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5.4.3

Risikobeurteilung

Das Risiko wird gesamthaft als klein eingestuft. Im Durchschnitt wurde ein Risikozuschlag von 3 Prozent eingerechnet.

5.4.4

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Allfällige finanzielle und personelle Mehraufwände werden innerhalb des Armeebudgets kompensiert.

6

Immobilienprogramm VBS 2022

6.1

Kurzfassung

Der Bundesrat beantragt mit dem Immobilienprogramm VBS 2022 Verpflichtungskredite von 349 Millionen Franken.

Verpflichtungskredite

Mio. Fr.

­ Sanierung einer Führungsanlage

19

­ Ausbau und Sanierung der Einsatzinfrastruktur auf dem Flugplatz in Alpnach

18

­ Hochregallager für Textilien in Thun

62

­ weitere Immobilienvorhaben 2022

250

Immobilienprogramm VBS 2022

349

Die beantragten Verpflichtungskredite enthalten die Mehrwertsteuer sowie jeweils eine Position «Kostenungenauigkeit». Diese umfasst die Teuerung und einen Risikozuschlag, der abhängig vom Projektstand berechnet wurde.

6.2

Sanierung einer Führungsanlage

6.2.1

Ausgangslage und Handlungsbedarf

Der Landesregierung und der Armee stehen für die Führung in besonderen und ausserordentlichen Lagen geschützte Führungsanlagen zur Verfügung. Die zu sanierende Anlage wurde im Jahr 2000 fertiggestellt und wird seither rund um die Uhr während 365 Tagen betrieben. Die Anlage wird mehrmals jährlich mit Truppen belegt.

Diverse Bauteile und Technikanlagen haben das Ende der Nutzungsdauer erreicht und müssen in den nächsten Jahren ersetzt werden. Erste dringliche Instandsetzungen wurden als Vorausmassnahme bereits beauftragt. Um den sicheren Betrieb der Anlage

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und deren Einsatzbereitschaft über den nächsten Lebenszyklus gewährleisten zu können, müssen veraltete Bauteile und die Haustechnik saniert werden.

6.2.2

Beschreibung der beantragten Lösung und Begründung

Das Vorhaben umfasst die erforderlichen Sanierungsmassnahmen zur langfristigen Nutzungsverlängerung der Führungsanlage. Dazu müssen Sanierungsmassnahmen bei der Verkehrserschliessung, der Haustechnik, der Personensicherheit und im Innenausbau umgesetzt werden. Die Truppenküche ist zu erneuern und an die aktuellen Hygieneanforderungen der Lebensmittelgesetzgebung anzupassen. Zudem werden geringfügige nutzungsbedingte Anpassungen der Raumaufteilung vorgenommen und die Härtung der Anlage punktuell verstärkt.

Massnahmen zum Schutz der Umwelt Durch den Einbau von energieeffizienteren Motoren und Geräten neuster Generation wird der Energiebedarf der Anlage reduziert. Dies gilt zum Beispiel für den Ersatz der Ventilatoren bei den Lüftungsanlagen, der Pumpen für die Treibstoffversorgung sowie der Wasser- und Heizungsverteilung. In der Küche werden ebenfalls energieeffizientere Küchengeräte der neusten Generation eingesetzt. Indem die bisherigen Lampen durch verbrauchsärmere LED-Leuchten ersetzt werden, wird zusätzlich Energie eingespart.

6.2.3

Projektstand und Zeitplan der Realisierung

Für die Sanierung der Führungsanlage liegt ein Bauprojekt vor. Die Sanierung soll von 2023 bis 2025 durchgeführt werden.

6.2.4

Geprüfte Alternativen

Es wurden keine Alternativen geprüft.

6.2.5

Risikobeurteilung

Da ein Bauprojekt vorliegt, wird mit einer Kostenungenauigkeit von 10 Prozent gerechnet. Die Risiken werden mit fortschreitendem Planungs- und Bauprozess reduziert.

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6.2.6

Verpflichtungskredit

Der beantragte Verpflichtungskredit für die Sanierung der Führungsanlage setzt sich wie folgt zusammen: Mio. Fr.

­ Investitionsausgaben nach Baukostenplan 1­9 ­ davon Honorare: 1,2 Mio. Fr.

16,7

­ Kostenungenauigkeit

2,3

Verpflichtungskredit

19,0

Abgrenzung Die Kostenberechnung basiert auf dem Index des Schweizer Baugewerbes, Espace Mittelland, vom April 2021 (101,4 Punkte, Okt. 2020 = 100 Punkte).

Für die Projektierungsarbeiten werden bis zum Vorliegen des Bauprojekts 0,4 Millionen Franken ausgegeben. Diese Ausgaben wurden mit den Rahmenkrediten aus früheren Immobilienbotschaften VBS bewilligt.

Bruttomietkosten Die Bruttomietkosten steigen um 0,1 Millionen Franken pro Jahr. Die Abschreibungsund Nutzungsdauer beträgt 25 Jahre.

6.2.7

Finanzielle Auswirkungen

Mit der Umsetzung des Projekts reduziert sich der Betriebsaufwand um jährlich 0,1 Millionen Franken.

6.2.8

Personelle Auswirkungen

Aus dem Projekt ergeben sich keine personellen Auswirkungen.

6.3

Ausbau und Sanierung der Einsatzinfrastruktur in Alpnach

6.3.1

Ausgangslage und Handlungsbedarf

Auf dem Militärflugplatz Alpnach befinden sich das Kompetenzzentrum für Helikopter der Luftwaffe und das Flugplatzkommando Alpnach und Dübendorf. Der Militärflugplatz wird für Einsatz-, Ausbildungs- und Trainingsflüge mit Helikoptern und Flächenflugzeugen sowie als Standort für die Instandhaltung von Helikoptern und Drohnen genutzt. Lufttransporteinsätze, insbesondere Such- und Rettungsflüge sowie 71 / 84

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Einsätze zugunsten ziviler Behörden, müssen rund um die Uhr während 365 Tagen durchgeführt werden können.

Die auf dem Areal verteilten noch verbliebenen fünf Flugzeugunterstände aus den 1940er-Jahren wurden zuletzt zur provisorischen Einstellung von Fahrzeugen genutzt.

Wegen statischer Mängel müssen sie zurückgebaut werden. Zudem werden dem Militärflugplatz neue Spezialfahrzeuge zugeteilt, für die zusätzliche Einstellflächen geschaffen werden müssen. Die aus den 1960er-Jahren stammende Werkstatt erfüllt die heutigen Anforderungen an die Instandhaltung der grösseren Fahrzeuge nicht mehr.

6.3.2

Beschreibung der beantragten Lösung und Begründung

Für den Betriebsunterhalt soll eine vom Flugbetrieb entkoppelte Fahrzeughalle gebaut werden. In diesem Neubau werden die Spezialfahrzeuge eingestellt. Ein Teil der Fläche ist zur Einlagerung des Materials für Kriseneinsätze vorgesehen. Für die Betriebsfahrzeuge ohne Schutzauflagen wird im Umfeld des Neubaus eine ungedeckte Parkfläche realisiert.

An einem anderen Standort auf dem Areal soll eine bereits bestehende Fahrzeughalle erweitert werden. Der Anbau dient wird als Einstellhalle für Tankfahrzeuge, als Werkstatt und als Werkhof genutzt. Das Gebäude ist für die Instandhaltung der grossen Spezialfahrzeuge ausgelegt. Es umfasst eine Waschstrasse, die auch als Einstellhalle genutzt werden kann, ein Sitzungszimmer, zwei Büroarbeitsplätze, einen Aufenthaltsraum, eine Garderobe und diverse Nebenräume für Betriebsmaterial.

Zudem werden in einem Hangar eine Schreinerei und ein Lagerraum eingebaut. Die verbleibende Fläche des Hangars wird für Betriebsfahrzeuge genutzt. Zur langfristigen Weiternutzung des Hangars müssen defekte Fassaden saniert werden.

Weiter wird im bestehenden Mehrzweckgebäude eine Lüftungsanlage installiert, damit die Elektrofahrzeuge des Flugbetriebs vorschriftsgemäss eingestellt und geladen werden können.

Massnahmen zum Schutz der Umwelt Die Fahrzeugeinstellhalle wird mittels Erdsonden beheizt. Der im Minergie-Standard erstellte Neubau des Werkhofs wird von der Korporation Alpnach mit Fernwärme versorgt.

Auf den Dächern des Neubaus und des Anbaus werden Photovoltaikmodule mit einer Gesamtfläche von rund 2000 Quadratmetern installiert. Die produzierte Strommenge liegt bei 350 Megawattstunden pro Jahr. Diese Energiemenge entspricht dem Strombedarf von rund 90 Haushalten.

6.3.3

Projektstand und Zeitplan der Realisierung

Für das Vorhaben in Alpnach liegt ein Bauprojekt vor. Es soll in den Jahren 2024 und 2025 verwirklicht werden.

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6.3.4

Geprüfte Alternativen

Nebst der beantragten Lösung mit einem Neubau und einem Anbau an zwei Standorten wurden Varianten an einem zentralen Standort untersucht. Diese wurden aufgrund betrieblicher Nachteile und geringerer Wirtschaftlichkeit verworfen.

6.3.5

Risikobeurteilung

Da ein Bauprojekt vorliegt, wird mit einer Kostenungenauigkeit von 10 Prozent gerechnet. Die Risiken werden mit fortschreitendem Planungs- und Bauprozess reduziert.

6.3.6

Verpflichtungskredit

Der beantragte Verpflichtungskredit für den Ausbau und die Sanierung der Einsatzinfrastruktur in Alpnach setzt sich wie folgt zusammen: Mio. Fr.

­ Investitionsausgaben nach Baukostenplan 1­9 ­ davon Honorare: 1,7 Mio. Fr.

­ Kostenungenauigkeit Verpflichtungskredit

16,0 2,0 18,0

Abgrenzung Die Kostenberechnung basiert auf dem Index des Schweizer Baugewerbes, Zentralschweiz, vom Oktober 2020 (97,7 Punkte, Okt. 2015 = 100 Punkte).

Für die Projektierungsarbeiten werden bis zum Vorliegen des Bauprojekts 1,7 Millionen Franken ausgegeben. Diese Ausgaben wurden mit den Rahmenkrediten aus früheren Immobilienbotschaften des VBS bewilligt.

Bruttomietkosten Durch die wertvermehrenden Bauarbeiten steigen die Bruttomietkosten um jährlich 1,2 Millionen Franken pro Jahr. Die Abschreibungs- und Nutzungsdauer beträgt 25 Jahre.

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6.3.7

Finanzielle Auswirkungen

Mit der Umsetzung des Projekts reduziert sich der Betriebsaufwand um 0,3 Millionen Franken.

6.3.8

Personelle Auswirkungen

Durch kürzere Transportwege können 0,25 Vollzeitstellen eingespart werden. Sie werden VBS-intern für andere Projekte verwendet.

6.4

Hochregallager für Textilien in Thun

6.4.1

Ausgangslage und Handlungsbedarf

Das Armeelogistikcenter Thun ist unter anderem schweizweit für die Reinigung, Instandhaltung und Bewirtschaftung der Textilien der Armee sowie für die Arbeitskleidung von Mitarbeitenden zuständig. Die betrieblichen Aktivitäten verteilen sich auf die Standorte Thun, Sursee, Brenzikofen und Payerne. Seit 2013 wird in Thun eine moderne, teilautomatisierte Wäscherei mit integrierter Schneiderei betrieben. Die vorund nachgelagerten Prozesse erfolgen in mehreren Gebäuden. Diese sind über das Areal der Ausbildungsanlage Kleine Allmend verteilt und haben ihr Nutzungsende erreicht. Das Areal ist als Bestandteil des kantonalen Entwicklungsschwerpunkts Thun Nord im Richtplan des Kantons Bern vermerkt. Im Zusammenhang mit der beabsichtigten Entwicklung ziviler Nutzungen wird eine Entflechtung der militärischen und zivilen Nutzung angestrebt. Dazu müssen mehrere Gebäude veräussert oder zurückgebaut werden.

6.4.2

Beschreibung der beantragten Lösung und Begründung

Bestehende Gebäude, die in Thun bisher für die Pflege, Instandhaltung und Lagerung der Textilien verwendet wurden, sollen durch ein Logistikgebäude und ein neues Hochregallager ersetzt werden. Diese beiden Gebäudekomplexe sollen an die bestehende Textilwäscherei angebaut werden. Im Hochregallager können die in Brenzikofen und Payerne gelagerten Textilien und die mit dem Rüstungsprogramm 2019 beschaffte modulare Bekleidung und Ausrüstung untergebracht werden. Das Gebäude umfasst ein Lagervolumen von rund 10 900 Paletten.

Mit der Zentralisierung der Textilien werden Warenflüsse automatisiert. Rund 90 Prozent der Materialtransporte entfallen. Der jährliche Personal- und Sachaufwand kann um 3 Millionen Franken reduziert werden.

Die Gebäude, die in Thun nicht mehr genutzt werden, werden zurückgebaut, jene in Brenzikofen und Payerne umgenutzt. Die Aktivitäten am Standort Sursee bleiben unverändert erhalten.

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Massnahmen zum Schutz der Umwelt Bei der Gestaltung der neuen Gebäude wurde das Ortsbild berücksichtigt. Die Gebäude werden nach dem Minergie-Standard gebaut.

Auf den Dächern der beiden Neubauten werden Photovoltaikmodule mit einer Gesamtfläche von rund 2200 Quadratmetern installiert. Die produzierte Strommenge liegt bei 440 Megawattstunden pro Jahr, was dem Strombedarf von rund 110 Haushalten entspricht.

Die Wärmeversorgung der beiden Neubauten erfolgt aus der Abwärme des Waschprozesses. Ausserhalb der Produktionszeit wird die Wärme aus dem Fernwärmenetz bezogen, das an die Kehrichtverbrennungsanlage angeschlossen ist.

Durch die Umstellung auf Kunststoffbehälter werden jährlich 15 000 Einweg-Plastiksäcke eingespart. Damit wird der Verbrauch von Plastik um rund 12 Tonnen pro Jahr reduziert.

6.4.3

Projektstand und Zeitplan der Realisierung

Für die beiden Neubauten liegt ein Bauprojekt vor. Die Gebäudekomplexe sollen in den Jahren 2023 bis 2025 gebaut werden.

6.4.4

Geprüfte Alternativen

Geprüft wurden unterschiedliche Lagersysteme: ein konventionelles Breitganglager (minimale Automatisierung), ein Schmalganglager (mittlere Automatisierung) und ein Hochregallager (maximale Automatisierung). Die maximale Automatisierung erwies sich als wirtschaftlich vorteilhafteste Lösung. Diese wird mit der vorliegenden Botschaft beantragt.

6.4.5

Risikobeurteilung

Da ein Bauprojekt vorliegt, wird mit einer Kostenungenauigkeit von 10 Prozent gerechnet. Die Risiken werden mit fortschreitendem Planungs- und Bauprozess reduziert. Im Plangenehmigungsverfahren sind keine besonderen Risiken zu erwarten.

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6.4.6

Verpflichtungskredit

Der beantragte Verpflichtungskredit für das Hochregallager für Textilien in Thun setzt sich wie folgt zusammen: Mio. Fr.

­ Investitionsausgaben nach Baukostenplan 1­9 ­ davon Honorare: 3,6 Mio. Fr.

­ Kostenungenauigkeit Verpflichtungskredit

56,2 5,8 62,0

Abgrenzung Die Kostenberechnung basiert auf dem Index des Schweizer Baugewerbes, Espace Mittelland, vom April 2021 (101,4 Punkte, Okt. 2020 = 100 Punkte).

Für die Projektierungsarbeiten werden bis zum Vorliegen des Bauprojekts 1,8 Millionen Franken ausgegeben. Diese Ausgaben wurden mit den Verpflichtungskrediten früherer Immobilienprogramme des VBS bewilligt.

Bruttomietkosten Durch die wertvermehrenden Bauarbeiten steigen die Bruttomietkosten um jährlich 3,8 Millionen Franken. Die Abschreibungs- und Nutzungsdauer beträgt 25 Jahre.

6.4.7

Finanzielle Auswirkungen

Mit der Umsetzung des Projekts wird der jährliche Betriebsaufwand um 3 Millionen Franken reduziert: Davon entfallen 1,8 Millionen Franken auf den Sachaufwand und 1,2 Millionen Franken auf den Personalaufwand.

6.4.8

Personelle Auswirkungen

Durch die Zentralisierung und Automatisierung können zehn Vollzeitstellen eingespart werden, davon drei durch kürzere Transportwege. Die Stellen werden VBSintern für andere Aufgaben verwendet, unter anderem, um einen Teil des Mehrbedarfs für die bodengestützte Luftverteidigung zu kompensieren.

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6.5

Weitere Immobilienvorhaben 2022

6.5.1

Ausgangslage und Handlungsbedarf

Die weiteren Immobilienvorhaben 2022 umfassen Vorhaben mit erwarteten Ausgaben von weniger als 10 Millionen Franken pro Projekt (exkl. Kostenunsicherheit).

Dieser Verpflichtungskredit soll für die nachfolgenden Zwecke verwendet werden: Mio. Fr.

­ Studien und Projektierungen ­ Ausbauten

40 80

­ Werterhaltungsmassnahmen ­ weitere Zwecke

120 10

weitere Immobilienvorhaben 2022

250

Die Planung der Vorhaben ist noch nicht abgeschlossen. Die angegebenen Bausummen entsprechen dem Planungsstand November 2021.

6.5.2

Beschreibung der beantragten Lösung und Begründung

Studien und Projektierungen Die Studien und Projektierungen ermöglichen es, künftige Immobilienprogramme zu planen. Sie umfassen alle Leistungen der Projektplanung in den Bereichen Architektur, Ingenieurwesen und Fachplanung ­ von der Machbarkeitsstudie bis zum Bauprojekt mit Kostenvoranschlag. Zudem dienen sie der Bemessung der Verpflichtungskredite. Die Ausgaben für Studien und Projektierungen betragen rund 9 Prozent der gesamten Investitionen. Dies entspricht den Erfahrungswerten der vergangenen Jahre und der Honorarverordnung des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins.

Ausbauten Dieser Teil des Verpflichtungskredits wird für kleinere Ausbauten sowie in geringem Ausmass für Liegenschaftskäufe verwendet. Liegenschaftskäufe werden durch eine veränderte Nutzung, neue Dimensionierung oder Bedürfnisse aus Rüstungsmaterialbeschaffungen notwendig. Wichtige Vorhaben werden im Folgenden erläutert: ­

Aufbau der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge, 1. Etappe Verwaltungsfahrzeuge sollen in Zukunft elektrisch betrieben werden, soweit dies möglich ist. Dazu muss die erforderliche Ladeinfrastruktur erstellt werden. In einer 1. Etappe sollen die wichtigsten Standorte ausgerüstet werden.

­

Neubau eines Truppenmunitionsmagazins Die heutigen Munitionsmagazine entsprechen nicht mehr den sicherheitstechnischen Vorgaben und sind an das Ende ihrer Lebensdauer gelangt. Deshalb 77 / 84

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müssen sie durch einen Neubau ersetzt werden. Des Weiteren sind momentan die logistischen Aufwendungen bei der Handhabung der Munition zu hoch.

­

Wasserstoff-Demonstrator Um Erfahrungen in der nachhaltigen Produktion, Lagerung und dem Transport von Wasserstoff zu sammeln, ist geplant, einen Wasserstoff-Demonstrator zu bauen. Dafür sind der Bau einer Wasserstoff-Tankstelle sowie einer mobilen Tankstelle für den Feldeinsatz geplant.

Werterhaltungsmassnahmen Werterhaltungsmassnahmen sind notwendig, um: ­

die Gebrauchstauglichkeit von Immobilien zu sichern,

­

Immobilien zu modernisieren,

­

gesetzlich vorgeschriebene Massnahmen umzusetzen (z. B. Lärmschutzmassnahmen),

­

energietechnische Sanierungen vorzunehmen,

­

Photovoltaikanlagen einzubauen.

Ist eine Instandsetzung aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen nicht mehr sinnvoll, werden Ersatzneubauten erstellt. Belaufen sich die Kosten der Werterhaltungsmassnahmen oder Sanierungen auf mehr als 10 Millionen Franken, werden sie mit separaten Verpflichtungskrediten beantragt. In den vergangenen Jahren wurden Werterhaltungsmassnahmen mit jeweils rund 75 Millionen Franken pro Jahr finanziert.

Mit der vorliegenden Botschaft werden für Werterhaltungsmassnahmen 120 Millionen Franken beantragt. Darin enthalten sind unter anderem Massnahmen für Planungsarbeiten und Sofortmassnahmen.

Welche Vorhaben realisiert werden, wird im Folgenden erläutert: ­

Erneuerung der Haustechnikanlagen an einem klassifizierten Standort Die Haustechnikanlagen haben das Ende ihrer Lebensdauer erreicht. Gewisse Installationen sind zudem stark abgenutzt oder entsprechen nicht mehr dem Stand der aktuellen Technik. Deshalb muss die Haustechnik generell erneuert werden.

­

Sanierung von Ausbildungsanlagen in Avully Die Übungsanlage entspricht nicht mehr den heutigen Sicherheitsanforderungen, insbesondere nicht mehr den statischen Vorgaben. Sie muss deshalb erneuert werden.

­

Sanierung der Gebäudehülle und der Haustechnik im Simulatorengebäude in Thun Die Kältemaschine stammt aus dem Jahr 2003 und hat ihr Nutzungsende erreicht. An der Heizungsanlage müssen die Pumpen und Ventile ersetzt werden. Somit kann die gesamte Haustechnik in ein Mess- und Steuerungssystem

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integriert werden. Dies reduziert den betrieblichen Aufwand erheblich. Auf dem Dach wird eine Photovoltaikanlage erstellt.

Weitere Zwecke Der Verpflichtungskredit wird für folgende weitere Zwecke verwendet: ­

den mieterspezifischen Ausbau sowie fest installierte Betriebseinrichtungen und Mobiliar bei gemieteten Objekten,

­

Investitionsbeiträge zur Sanierung von Infrastrukturen wie Strassen und Seilbahnen, die gemeinsam mit Dritten genutzt werden,

­

teuerungsbedingte Mehrausgaben bei weiteren Vorhaben des vorliegenden Immobilienprogramms,

­

Behebung nicht versicherter Schäden an Bauten und Anlagen des VBS.

6.5.3

Risikobeurteilung

Das Risiko in den Plangenehmigungsverfahren wird gesamthaft als klein eingestuft.

Ein Risikozuschlag zur Absicherung der Kostenungenauigkeit wurde deshalb nicht eingerechnet.

6.5.4

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Der Verpflichtungskredit wird grösstenteils für Projektierungen, Ausbauten und Werterhaltungsmassnahmen verwendet. Dadurch können die Nutzung optimiert und die Betriebsaufwände konstant gehalten werden.

7

Auswirkungen

7.1

Auswirkungen auf den Bund

7.1.1

Teuerung, Wechselkurse und Mehrwertsteuer

Für die F-35A und das Patriot-System liegen verbindliche Angebote in US-Dollars vor. Damit unterliegen die ausländischen Lieferumfänge keinen Teuerungsrisiken.

Lieferungen aus der Schweiz (z. B. von der Ruag AG) für Logistikleistungen erfolgen in Franken und unterliegen damit einem Teuerungsrisiko, das in der Bemessung der Verpflichtungskredite separat ausgewiesen ist.

Bei der Beschaffung von Armeematerial, bei den baulichen Massnahmen für die F-35A und das Patriot-System sowie beim Immobilienprogramm VBS ist die Teuerung in der Position Risiko bzw. Kostenungenauigkeit eingerechnet. Abweichungen werden innerhalb der Kredite aufgefangen. Die Verpflichtungskredite basieren auf dem Preisstand November 2021.

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Den Berechnungen für die Teuerung liegen die Prognosen zum Landesindex für Konsumentenpreise nach den volkswirtschaftlichen Eckwerten für die Finanzplanung und den Mittelfristperspektiven vom Dezember 2021 zugrunde: 2018

2019

2020

2021

2022

2023

2024

+0,9 %

+0,4 %

­0,7 %

+0,6 %

+1,1 %

+0,7 %

+0,6 %

2025

2026

2027

2028

2029

2030

2031

+0,5 %

+0,5 %

+0,7 %

+0,9 %

+1,0 %

+1,0 %

+1,0 %

Der Wechselkurs wurde mit 0,95 Franken pro US-Dollar angenommen. Diese Annahme liegt etwas über dem für 2022 angenommenen Wechselkurs von 0,90 Franken pro US-Dollar gemäss den volkswirtschaftlichen Eckwerten für die Finanzplanung vom Dezember 2021 und auch über dem aktuellen Wechselkurs von 0,92 Franken pro US-Dollar (Stichtag 25. Januar 2022). Damit soll dem Risiko von Währungsschwankungen bis zur Absicherung des Wechselkurses durch den Bund begegnet werden.

Der Bundesrat sichert üblicherweise den Wechselkurs nach Vorliegen des Bundesbeschlusses ab (Art. 70a Abs. 3 der Finanzhaushaltverordnung vom 5. April 200619).

Wechselkursrisiken bestehen nur bis zum Zeitpunkt der Währungsabsicherung. Sollte sich der Franken gegenüber dem US-Dollar zwischen der Verabschiedung der vorliegenden Botschaft durch den Bundesrat und dem Zeitpunkt der Währungsabsicherung abschwächen und der Wechselkurs damit höher als 0,95 Franken pro US-Dollar liegen, könnten nach Artikel 27 des Finanzhaushaltgesetzes vom 7. Oktober 200520 nachträglich teuerungs- oder währungsbedingte Zusatzkredite beantragt werden. Pro Rappen, um den der Wechselkurs von den angenommenen 0,95 Franken pro USDollar abweicht, resultieren Mehr- oder Minderkosten von rund 70 Millionen Franken für die Beschaffung der F-35A und des Patriot-Systems.

Seit 2018 wird neben der Mehrwertsteuer auf inländischen Beschaffungen auch die Mehrwertsteuer auf Importen (MIMP) mit den Verpflichtungskrediten beantragt. Die MIMP ist für den Bund haushaltsneutral. Die mit der Beschaffung beantragten Verpflichtungskredite enthalten für den F-35A 422 Millionen Franken und für das PatriotSystem 141 Millionen Franken für die MIMP.

7.1.2

Kreditverschiebungen und Spezifikationsbefugnis

Der Bundesrat beantragt, sowohl zwischen den Verpflichtungskrediten für die Beschaffung von Armeematerial als auch zwischen bestimmten Verpflichtungskrediten für das Immobilienprogramm Kreditverschiebungen vornehmen zu dürfen. Die einzelnen Verpflichtungskredite sollen um höchstens 5 Prozent erhöht werden dürfen.

Das VBS soll ermächtigt werden, solche Verschiebungen vorzunehmen.

19 20

SR 611.01 SR 611.0

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Weiter wird beantragt, die Spezifikationsbefugnis für Verpflichtungskredite an das VBS zu delegieren: Diese Befugnis wird für die Beschaffung von Armeematerial 2022 und für die weiteren Immobilienvorhaben des VBS 2022 benötigt.

7.1.3

Finanzielle Auswirkungen

Mit der Armeebotschaft 2022 werden Verpflichtungskredite von 9,3 Milliarden Franken beantragt. Der Anteil für Immobilien beträgt 535 Millionen Franken. Zur Finanzierung dieser Investitionen sollen die Armeeausgaben ab 2021 real um 1,4 Prozent pro Jahr erhöht werden. Die entsprechenden Ausgaben sind im Zahlungsrahmen der Armee 2021­2024 enthalten und werden in den jährlichen Budgets der Verteidigung und der armasuisse Immobilien eingestellt und vom Parlament bewilligt. Dasselbe gilt für die nachfolgenden Zahlungsrahmen der Armee.

Die Ausgaben für die Beschaffung der F-35A, des Patriot-Systems und von Armeematerial werden dem Einzelkredit «Rüstungsaufwand und -investitionen» der Verwaltungseinheit Verteidigung belastet. Die Ausgaben für das Immobilienprogramm VBS sowie für die baulichen Massnahmen für die F-35A und das Patriot-System werden über das Globalbudget «Investitionen» der armasuisse Immobilien getätigt.

Der jährliche Betriebsaufwand steigt durch die Beschaffung der F-35A und des Patriot-Systems um 56 Millionen Franken; dagegen sinkt er durch die Investitionen in die Immobilien um 3,4 Millionen Franken. Diese Mehr- und Minderaufwände werden innerhalb des Armeebudgets ausgeglichen.

7.1.4

Personelle Auswirkungen

Im Zusammenhang mit den vorliegenden Vorhaben sind 22 zusätzliche Vollzeitstellen vorgesehen. Sie werden innerhalb des VBS kompensiert. Der jährliche Personalaufwand steigt um 2,5 Millionen Franken und wird innerhalb des Armeebudgets ausgeglichen.

7.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Kantone und Gemeinden profitieren mehrfach von der Armee. Die Ausbildung und der Betrieb der Armee bieten in den Agglomerationen und den Berggebieten zahlreiche Arbeitsplätze. Durch die Investitionen der Armee entstehen zusätzliche Arbeitsplätze in der Industrie und in der Baubranche. Dies führt zu sozialer Wohlfahrt und zu Steuereinnahmen in den Kantonen und Gemeinden.

Urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete profitieren gleichermassen von der Armee. Die starke Dezentralisierung ihrer Ausbildungsplätze sowie die Einsatzund Logistikinfrastrukturen fördern die Entwicklung aller Regionen in der Schweiz.

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7.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die Beschaffung von Rüstungsmaterial und die Investitionen in Immobilien fördern die Schweizer Wirtschaft auf zwei Arten: Einerseits vergibt der Bund Aufträge an Schweizer Unternehmen, andererseits kommen Kompensationsgeschäfte (Offsets) zustande, die ausländische Auftragnehmer des Bundes bei Unternehmen in der Schweiz platzieren müssen. Offsets werden aufgeteilt in direkte Offsets, die in unmittelbarem Zusammenhang mit den Beschaffungen stehen, und indirekte Offsets. Letztere beziehen sich nicht direkt auf das zu beschaffende Rüstungsgut, werden aber durch die betreffenden Beschaffungen ausgelöst.

Der Bund erteilt mit der Beschaffung der F-35A und des Patriot-Systems Aufträge an die Schweizer Industrie im Umfang von 321 Millionen Franken. Die beiden Beschaffungen führen zu Offsetgeschäften von rund 4,2 Milliarden Franken: Davon entfallen 1,3 Milliarden Franken auf direkte Offsets und 2,9 Milliarden Franken auf indirekte Offsets. Durch die Aufträge des Bundes und die Offsets werden in den kommenden Jahrzehnten in der Schweiz zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen.

Bei Offsetgeschäften wird eine regionale Verteilung von 65 Prozent in der deutschsprachigen, 30 Prozent in der französischsprachigen und 5 Prozent in der italienischsprachigen Schweiz angestrebt.

Zudem werden das Immobilienprogramm VBS 2022 sowie die baulichen Massnahmen für die F-35A und das Patriot-System vorwiegend in der Schweiz beschäftigungswirksam. Die Baubranche profitiert von Aufträgen von rund 500 Millionen Franken.

Die Investitionen führen in den genannten Bereichen zum Aufbau von Knowhow und tragen so zur Wertschöpfung bei. Zudem werden durch den nachfolgenden Betrieb und die Instandhaltung langfristig Arbeitsplätze erhalten und teilweise neu geschaffen.

7.4

Auswirkungen auf die Umwelt

Durch den Ersatz der Kampfflugzeuge F/A-18 Hornet und F-5 Tiger durch die F-35A können der jährliche Kerosinverbrauch und der CO2-Ausstoss der Kampfflugzeugflotte gegenüber heute um rund einen Viertel reduziert werden. Grund dafür ist der tiefere Flugstundenbedarf. Die jährliche Lärmbelastung bleibt insgesamt auf demselben Niveau. Der F-35A ist zwar beim Start etwas lauter als der heutige F/A-18, dagegen sind rund 50 Prozent weniger lärmintensive Starts notwendig als heute. Um die Lärmbelastung so tief wie möglich zu halten, wird mit dem Hersteller und der EMPA nach verfahrenstechnischen Möglichkeiten für weitere Lärmreduktionen gesucht. Der Bundesrat prüft zudem, ob im Umfeld der Flugplätze weitere Schallschutzfenster auf Kosten des VBS eingebaut werden müssen, um die Anforderungen der LärmschutzVerordnung vom 15. Dezember 198621 zu erfüllen.

21

SR 814.41

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Die Grenzwerte für elektromagnetische Wellen werden bei den Radar-Antennen des Patriot-Systems weit unterschritten. Sowohl für die Bevölkerung als auch für die Umwelt bestehen keine Gefahren.

Mit dem Immobilienprogramm VBS 2022 werden Photovoltaikanlagen mit einer Fläche von insgesamt 11 300 Quadratmetern an sechs Standorten gebaut. Diese erzeugen pro Jahr 2,1 Gigawattstunden elektrische Energie. Dies entspricht dem Verbrauch von 550 Vier-Personen-Haushalten. Kann an einem Standort mehr Strom produziert werden als verbraucht wird, so wird der Produktionsüberschuss in der VBS-Bilanz berücksichtigt und mit dem Stromverbrauch an anderen VBS-Standorten ausgeglichen.

Alle Gebäude genügen mindestens dem Minergie-Standard: Dies gilt für die neu gebauten ebenso wie für die sanierten Gebäude. So wird der Bedarf an Wärme und Kälte reduziert. Neben der Sanierung von Gebäuden werden die Kapazitäten zur Produktion erneuerbarer Energien ausgebaut. Der Ersatz von Öl-Heizungen durch Heizungen mit erneuerbaren Energien senkt gleichzeitig den CO2-Ausstoss.

Zudem werden Pilotprojekte umgesetzt, um militärische Gebäude und Anlagen autark mit Energie zu versorgen. Ziel ist eine möglichst vollständige Versorgung der militärischen Einrichtungen mit erneuerbaren Energien.

8

Rechtliche Aspekte

8.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Die Zuständigkeit der Bundesversammlung für die vorliegenden Kreditbeschlüsse ergibt sich aus Artikel 167 BV. Die Zuständigkeit der Bundesversammlung für die Genehmigung der Ausserdienststellung grosser Waffensysteme, im vorliegenden Fall der Kampfflugzeuge F-5 Tiger, ergibt sich aus Artikel 173 Absatz 2 BV in Verbindung mit Artikel 109a Absatz 4 MG.

Verfassungsbestimmungen treten am Tag der Annahme durch Volk und Stände in Kraft. Sie entfalten bis dahin keine materielle Vorwirkung. Entsprechend kann das Beschaffungsverfahren der Kampfflugzeuge bis zu einer allfälligen Annahme der Volksinitiative «Gegen den F-35 (Stopp F-35)» weitergeführt werden.

8.2

Erlassform

Nach Artikel 163 Absatz 2 BV und Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe c BV in Verbindung mit Artikel 25 Absatz 2 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200222 ist für die vorliegenden Bundesbeschlüsse die Form des einfachen und damit nicht dem Referendum unterstehenden Bundesbeschlusses vorgesehen.

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SR 171.10

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8.3

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV bedürfen jeweils die Verpflichtungskredite nach Artikel 2 der Bundesbeschlüsse über die Beschaffung der Kampfflugzeuge F-35A, über die Beschaffung des bodengestützten Luftverteidigungssystems Patriot, über die Beschaffung von Armeematerial 2022 und über das Immobilienprogramm VBS 2022 der Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder beider Räte, da sie neue einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken nach sich ziehen.

8.4

Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes

Die vorgelegten Beschlüsse sehen keine neuen Finanzhilfen oder Abgeltungen im Sinne des Subventionsgesetzes vor. Allerdings stellt die in Ziffer 5.4.2 beschriebene Abgabe von Gratismunition (Art. 38 Bst. a der Schiessverordnung) und verbilligter Kaufmunition (Art. 38 Bst. b der Schiessverordnung) eine Subvention nach dem Subventionsgesetz dar. Die Munition für die Schiessvereine wird zusammen mit der übrigen Munition für die Armee beschafft. Der Aufwand ist deshalb im Armeebudget enthalten.

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