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Alimentierung von Armee und Zivilschutz Teil 2: Möglichkeiten zur langfristigen Weiterentwicklung des Dienstpflichtsystems Bericht des Bundesrates vom 4. März 2022

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Übersicht Ausgangslage Am 30. Juni 2021 genehmigte der Bundesrat Teil 1 des Berichts zur Alimentierung von Armee und Zivilschutz. Dieser fokussierte auf kurz- und mittelfristige Massnahmen im Rahmen des bestehenden Dienstpflichtsystems, um vor allem beim Zivilschutz die Personalsituation zu verbessern. Die Bestände des Zivilschutzes sinken. Die Zielgrösse von 72 000 Zivilschutzangehörigen ist bereits leicht unterschritten. Der Bundesrat beauftragte deshalb das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) und das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF), bis Mitte 2022 eine Vernehmlassungsvorlage für eine Revision des Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetzes zu erarbeiten, um die vorgesehenen Massnahmen umzusetzen und weitere zu prüfen.

Die Armee ist heute noch ausreichend alimentiert und erreicht den Effektivbestand von 140 000 Angehörigen. Derzeit läuft die Umsetzung der Weiterentwicklung der Armee (WEA), die bis Ende 2022 abgeschlossen sein wird. Verlässliche Zahlen zur Entwicklung des Armeebestands werden erst zum Zeitpunkt des Schlussberichts zur WEA Mitte 2023 vorliegen, weil die WEA neu ermöglicht, den Beginn der Rekrutenschule um bis zu fünf Jahre zu verschieben. Zu diesem Zeitpunkt liegen auch solidere Erkenntnisse zur Wirkung der bereits ergriffenen kurzfristigen Massnahmen vor (z. B.

Flexibilisierung von Rekrutierung und Beginn des Militärdienstes, verbesserte Harmonisierung mit ziviler Laufbahn von Dienstpflichtigen). Für die Jahre ab 2030 zeichnen sich aber bereits jetzt Schwierigkeiten in der Alimentierung ab, falls die bisherigen Massnahmen zu wenig greifen und die Zahl der vorzeitigen Abgänge aus der Armee nicht gesenkt werden kann. Mit der Verabschiedung von Teil 1 des Berichts zur Alimentierung von Armee und Zivilschutz beauftragte der Bundesrat deshalb das VBS, im Abschlussbericht zur Umsetzung der WEA Mitte 2023 Vorschläge zur mittelfristigen Verbesserung der Alimentierung der Armee zu unterbreiten.

Aus heutiger Sicht ist ungewiss, ob die Bestände von Armee und Zivilschutz mit diesen kurz- und mittelfristigen Massnahmen auf Dauer gesichert werden können. Im Hinblick auf eine nachhaltige Sicherung der Bestände werden deshalb parallel zu den kurz- und mittelfristigen Arbeiten auch Überlegungen zu grundlegenden,
langfristigen Anpassungen des Dienstpflichtsystems angestellt. Am 30. Juni 2021 beauftragte der Bundesrat das VBS deshalb ebenfalls damit, ihm bis Ende 2021 Varianten zu einer langfristigen Weiterentwicklung des Dienstpflichtsystems zu unterbreiten. Dieser Auftrag wird mit dem vorliegenden Bericht erfüllt.

Inhalt des Berichts Im Bericht werden vier Varianten für eine Weiterentwicklung des heutigen Dienstpflichtsystems vorgestellt, die alle eine Revision der geltenden Rechtsbestimmungen auf Stufe Bundesverfassung erfordern. Alle Varianten basieren auf dem Milizsystem, auf gleichbleibenden Beständen und auf einer gleichbleibenden Dienstpflicht von 10 Jahren und 245 Diensttagen. Bei allen Varianten wurden die Kostenfolgen geschätzt. Zusätzlich zu den vier Varianten enthält der Bericht im Sinne einer punktuellen Anpassung des heutigen Systems ­ oder «Status quo plus» ­ die Einführung einer 2 / 66

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obligatorischen Teilnahme von Frauen am Orientierungstag. Auch diese würde eine Revision der Bundesverfassung erfordern.

Die Varianten und der «Status quo plus» Die Variante «Sicherheitsdienstpflicht» sieht die Zusammenlegung des Zivildienstes und des Zivilschutzes zu einem Katastrophenschutz vor, der die bisherigen Aufgaben von Zivilschutz und Zivildienst übernimmt. Die Dienstpflicht wird entweder in der Armee oder im Katastrophenschutz erfüllt, und es werden alle Diensttage effektiv geleistet. Bei der Zuteilung der Dienstpflichtigen hat die Armee Priorität, damit sie ihre Bestände sichern kann.

Die Variante «bedarfsorientierte Dienstpflicht» sieht eine Ausdehnung der Dienstpflicht auf Frauen vor. Es werden nur so viele Personen rekrutiert, wie für die Alimentierung der Bestände tatsächlich gebraucht werden. Bestimmend für den Dienst in der Armee oder im Zivilschutz ist die Eignung der einzelnen Person.

Die Variante «Bürgerdienstpflicht ohne Wahlfreiheit» sieht auch eine Ausweitung der Dienstplicht auf Frauen vor. Im Gegensatz zur «bedarfsorientierten Dienstpflicht» leisten aber alle physisch und psychisch tauglichen Schweizerinnen und Schweizer Dienst. Bei der Zuteilung wird die Armee priorisiert, damit sie die nötigen Bestände sichern kann. Das Aufgabenspektrum der «Bürgerdienstpflicht» umfasst die heutigen Aufgaben von Armee, Zivilschutz und Zivildienst und damit auch Bereiche wie Gesundheit und Betreuung, Natur und Umwelt.

In der Variante «Bürgerdienstpflicht mit Wahlfreiheit» leisten ebenfalls alle physisch und psychisch tauglichen Schweizer Frauen und Männer Dienst. Sie können aber selber wählen, welche Art von Dienst sie leisten. Armee und Zivilschutz werden bei der Zuweisung nicht priorisiert. Das Spektrum von Dienstleistungen ist gegenüber der «Bürgerdienstpflicht ohne Wahlfreiheit» noch breiter.

Eine Möglichkeit, das bestehende Dienstpflichtsystem punktuell zu einem «Status quo plus» weiterzuentwickeln, ist eine obligatorische Teilnahme der Schweizer Frauen am Orientierungstag. Dadurch kann der Frauenanteil in der Armee gesteigert werden, was auch jenseits der Alimentierungsfrage ein generelles Anliegen ist.

Beurteilung der Varianten Bei der Beurteilung der Varianten stehen für den Bundesrat die nachhaltige Alimentierung von Armee und Zivilschutz, der Bezug der Dienstleistung zur
Aufgabe, die Sicherheit zu wahren, sowie der reale Bedarf nach den Leistungen im Vordergrund.

Sicherheit ist hier im Sinn des Berichts des Bundesrates vom 24. November 2021 über die Sicherheitspolitik der Schweiz zu verstehen.

Die «Sicherheitsdienstpflicht» gewährleistet die Rekrutierung und Alimentierung für den Zivilschutz nachhaltig, weil im Katastrophenschutz Personen eingeteilt werden, die bisher Zivildienst leisteten. Da die Armee bei der Rekrutierung Vorrang hat, scheint auch eine ausreichende Alimentierung der Armee möglich.

Mit der «bedarfsorientierten Dienstpflicht» kann die Alimentierung von Armee und Zivilschutz sichergestellt werden, weil der Rekrutierungspool verdoppelt wird und gemäss Bedarf dieser beiden Instrumente rekrutiert wird.

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Bei der «Bürgerdienstpflicht ohne freie Wahl der Dienstart» dürfte die Alimentierung von Armee und Zivilschutz auch sichergestellt sein, weil diese beiden Organisationen priorisiert werden und der Rekrutierungspool gegenüber heute verdoppelt wird.

Bei der «Bürgerdienstpflicht mit freier Wahl der Dienstart» ist es ungewiss, ob die Bestände von Armee und Zivilschutz gesichert werden können.

Der «Status quo plus» würde das Alimentierungsproblem bei Armee und Zivilschutz nicht lösen, könnte es aber lindern und zu einem höheren Frauenanteil beitragen.

Der Bezug der Dienstleistung zur Aufgabe, die Sicherheit zu wahren, ist bei der «Sicherheitsdienstpflicht» und der «bedarfsorientierten Dienstpflicht» grundsätzlich gegeben, hängt jedoch davon ab, in welchem Umfang die Schutzdienstpflichtigen auch ausserhalb der Bereiche mit Sicherheitsbezug Dienst leisten werden. In den beiden Varianten der «Bürgerdienstpflicht» (ohne und mit freier Wahl der Dienstart) werden Dienstpflichtige zum grossen Teil für Aufgaben ausserhalb des Sicherheitsbereichs eingesetzt; der Bezug zur Sicherheit ist somit nur bedingt gegeben.

Bei der «Sicherheitsdienstpflicht» und insbesondere der «bedarfsorientierten Dienstpflicht» sowie beim «Status quo plus» steht der reale Bedarf an Dienstpflichtigen für Einsätze in Bereichen mit direktem Bezug zur Sicherheit im Zentrum. Offen ist jedoch, inwiefern es sinnvoll ist, in der «Sicherheitsdienstpflicht» und der «bedarfsorientierten Dienstpflicht» wesentlich mehr Diensttage als bisher effektiv zu leisten. Es wird jedenfalls sichergestellt, dass genug und geeignete Dienstleistende rekrutiert werden können, damit Armee und Zivilschutz bzw. Katastrophenschutz ihre Aufgaben erfüllen können. Mit den beiden Varianten der «Bürgerdienstpflicht» wird die Anzahl zu leistender Diensttage verdoppelt. Damit werden insbesondere ausserhalb des Bereichs, der nach herkömmlicher Auffassung zur Sicherheit gehört, Kapazitäten geschaffen, für die der Bedarfsnachweis erst noch erbracht werden müsste, womit sich auch die Frage der Vereinbarkeit mit dem Konkurrenzierungsverbot mit dem privaten Sektor stellt.

Weiteres Vorgehen Gestützt auf diese Beurteilung hat der Bundesrat das VBS beauftragt, die beiden Varianten «Sicherheitsdienstpflicht» und «bedarfsorientierte Dienstpflicht» bis Ende 2024 vertieft zu
prüfen. Dabei sollen noch offene Fragen angegangen werden, beispielsweise, ob in Abwägung von realem Bedarf und Kosten zusätzliche Diensttage geleistet werden sollen und wie viele davon ausserhalb der Bereiche mit Sicherheitsbezug. Weiter sind die Gewährleistung der Dienstgerechtigkeit, die Ausgestaltung eines möglichen Anreizsystems bei der «bedarfsorientierten Dienstpflicht», die konkreten Folgen einer Umsetzung der Varianten und die genauen Kostenfolgen zu klären. Der Bundesrat hat das VBS weiter beauftragt, die Einführung eines obligatorischen Orientierungstags für Frauen gemäss «Status quo plus» vertieft zu prüfen und dem Bundesrat bis Ende 2024 zum Entscheid vorzulegen. Ein solcher Schritt ist aus Sicht des Bundesrates in jedem Fall nützlich, um den Frauenanteil in der Armee zu erhöhen.

Parallel dazu werden die Arbeiten für mittelfristige Massnahmen innerhalb des bestehenden Dienstpflichtsystems vorangetrieben. Ausserdem werden die bereits ergrif-

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fenen Massnahmen weitergeführt, um den Militärdienst attraktiver zu gestalten, Anreize für Militärdienstleistende zu schaffen, die medizinischen Entlassungen zu reduzieren und den Armeeangehörigen die Vereinbarkeit zwischen zivilem Leben und dem Militäralltag zu erleichtern.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht 1

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Ausgangslage 1.1 Personelle Alimentierung des Zivilschutzes 1.2 Personelle Alimentierung der Armee 1.3 Längerfristige Weiterentwicklung des Dienstpflichtsystems 1.4 Ausarbeitung der Varianten zur Weiterentwicklung des Dienstpflichtsystems 1.5 Studie Sicherheit 2021 1.6 Umfrage und Anhörungen 1.7 Bewertung der Varianten

8 8 8 10

Umfrage und Anhörungen 2.1 Fragen zum Dienstpflichtsystem und zu Eckwerten von Anpassungen 2.2 Zusammenfassung der Resultate der Umfrage 2.3 Zusammenfassung der Anhörungen

12

10 10 11 11

13 13 14

Varianten zur Weiterentwicklung des Dienstpflichtsystems und Überlegungen zu einem Status quo plus 3.1 Annahmen 3.2 Variante Sicherheitsdienstpflicht 3.3 Variante bedarfsorientierte Dienstpflicht 3.4 Variante Bürgerdienstpflicht ohne freie Wahl der Dienstart 3.5 Variante Bürgerdienstpflicht mit freier Wahl der Dienstart 3.6 Überlegungen zu einem Status quo plus

15 16 18 26 33 39 43

Gesamthafte Beurteilung der Varianten und der Überlegungen zum Status quo plus

45

5

Weitere untersuchte und verworfene Ansätze

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6

Abschreibung parlamentarischer Vorstösse

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7

Weiteres Vorgehen

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Anhänge: 1 2 3

Synopse der Auswirkungen auf die Sicherheitsorganisationen Synopse der finanziellen Auswirkungen Möglichkeiten der Weiterentwicklung des Dienstpflichtsystems: Resultate der Umfragen und Anhörungen

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Bericht 1

Ausgangslage

1.1

Personelle Alimentierung des Zivilschutzes

Im Zivilschutz wird die gesamtschweizerische Zielgrösse von 72 000 Schutzdienstpflichtigen1 bereits jetzt nicht mehr erreicht. Per 1. Januar 2021 waren nur noch 69 000 Schutzdienstpflichtige eingeteilt. Bis 2030 rechnet der Bundesrat mit noch viel grösseren Alimentierungsdefiziten, weil zu wenig Schutzdienstpflichtige rekrutiert werden. Ein Grund dafür ist, dass die Armee zur Kompensation der zu zahlreichen Abgänge eine differenzierte Zuweisung (Tauglichkeit) eingeführt hat. Dadurch erhält die Armee mehr Stellungspflichtige, die aber in der Folge im Zivilschutz fehlen. Ein weiterer Grund ist, dass die Einteilungsdauer im Zivilschutz gesenkt wurde.

Die Zahl der Schutzdienstpflichtigen wird bei gleichbleibender Entwicklung und ohne Massnahmen bis 2030 auf 51 000 sinken. Daher hat der Bundesrat am 30. Juni 2021 das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) und das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) beauftragt, bis im Sommer 2022 eine Vernehmlassungsvorlage für eine Revision des Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetzes2 (BZG), des Zivildienstgesetzes3 (ZDG) und des Militärgesetzes4 (MG) zu erarbeiten. Sie soll im Wesentlichen die folgenden Massnahmen enthalten: Militärdiensttaugliche sollen schutzdienstpflichtig werden, wenn sie am Ende der Rekrutenschule militärdienstuntauglich werden oder wenn sie bis zum 25. Altersjahr die Rekrutenschule noch nicht absolviert haben. Zivildienstpflichtige sollen verpflichtet werden können, einen Teil ihrer Dienstpflicht in Zivilschutzorganisationen mit dauernden Unterbeständen zu absolvieren. Gleichzeitig sollen eine Abweichung vom Wohnortsprinzip bei der Schutzdiensterfüllung und die Einführung einer differenzierten Schutzdiensttauglichkeit geprüft werden.

1.2

Personelle Alimentierung der Armee

Die Armee ist derzeit personell noch ausreichend alimentiert; sie erreicht den in der Armeeorganisation5 festgelegten Effektivbestand von 140 000 Armeeangehörigen.

Derzeit läuft die Umsetzung der Weiterentwicklung der Armee (WEA), die bis Ende 2022 abgeschlossen sein wird. Verlässliche Zahlen zur Entwicklung des Armeebestands werden erst zum Zeitpunkt des Schlussberichts zur WEA Mitte 2023 vorliegen, weil die WEA neu ermöglicht, den Beginn der Rekrutenschule um bis zu fünf Jahre zu verschieben. Zu diesem Zeitpunkt liegen auch solidere Erkenntnisse zur Wirkung

1 2 3 4 5

Die Zielgrösse wurde in der Strategie Bevölkerungsschutz und Zivilschutz 2015+ (BBl 2012 5503) des Bundesrates festgelegt.

Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetz vom 20. Dezember 2019, SR 520.1.

Zivildienstgesetz vom 6. Oktober 1995, SR 824.0.

Militärgesetz vom 3. Februar 1995, SR 510.10.

Verordnung der Bundesversammlung über die Organisation der Armee, SR 513.1.

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der bereits ergriffenen kurzfristigen Massnahmen vor (z. B. Flexibilisierung von Rekrutierung und Beginn des Militärdienstes, verbesserte Harmonisierung mit ziviler Laufbahn von Dienstpflichtigen).

Es ist aber bereits heute absehbar, wie der Bundesrat im ersten Teil des Berichts zur Alimentierung von Armee und Zivilschutz6 dargelegt hat, dass sich die Alimentierung gegen Ende dieses Jahrzehnts verschlechtern wird. Das wird dann der Fall sein, wenn die bisherigen Massnahmen zu wenig greifen und die vorzeitigen Abgänge aus der Armee nicht substanziell gesenkt werden können. In den Jahren 2028 und 2029 werden je zwei Jahrgänge entlassen, weil dann wegen der Verkürzung der Einteilungsdauer von 12 auf 10 Jahre jeweils zwei Jahrgänge gleichzeitig das Ende der Dienstpflicht erreichen.7 Der Effektivbestand wird deshalb per 2030 auf rund 117 000 Armeeangehörige sinken; das liegt erheblich unter den erforderlichen 140 000. Der Grund für diese Entwicklung ist, dass mehr Armeeangehörige in den Zivildienst wechseln oder aus medizinischen Gründen entlassen werden, als bei der Konzipierung der WEA angenommen wurde. Damals wurde mit 2100 Abgängen pro Jahr gerechnet, in den letzten Jahren waren es aber rund 4900.

Der Bundesrat beauftragte deshalb im Zusammenhang mit dem ersten Teil des Berichts zur Alimentierung von Armee und Zivilschutz am 30. Juni 2021 das VBS, im Abschlussbericht zur Umsetzung der Weiterentwicklung der Armee8 bis Mitte 2023 mittelfristige strukturelle Massnahmen zur Senkung der vorzeitigen Abgänge vorzusehen. 2023 kann besser beurteilt werden, wie die bereits ergriffenen Massnahmen zur Sicherung der Armeebestände wirken (z. B. eine verbesserte Harmonisierung des Ausbildungssystems der Armee mit den zivilen Laufbahnen von Dienstpflichtigen).

Zudem sind dann verlässlichere Aussagen zu den Auswirkungen der 2018 eingeführten Flexibilisierung von Rekrutierung und Beginn des Militärdienstes 9 auf die Entwicklung der Bestände möglich als heute.

Es wird nötig sein, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die hohe Zahl von Abgängen zu reduzieren, die aus medizinischen Gründen oder aus anderen Gründen erfolgen, die nicht mit Gewissenskonflikten zusammenhängen.

6 7

8 9

Alimentierung von Armee und Zivilschutz Teil 1: Analyse und kurz- und mittelfristige Massnahmen. Bericht des Bundesrates vom 30. Juni 2021 (BBl 2021 1555).

Der Bundesrat legte zu Beginn der Weiterentwicklung der Armee fest, dass die Einteilungsdauer während einer Übergangsphase bis 2028 12 Jahre dauert, um von Beginn der Umsetzung der Weiterentwicklung der Armee an den Effektivbestand von 140 000 Armeeangehörigen zu erreichen. Nach dieser Übergangsfrist sind Armeeangehörige regulär 10 Jahre eingeteilt, was dazu führt, dass 2028 und 2029 je zwei Jahrgänge entlassen werden, nämlich jeweils einer von 12 und einer von 10 Jahren Einteilungsdauer.

Controlling-Bericht des Bundesrates gemäss Artikel 149b des Militärgesetzes.

Mit der Weiterentwicklung der Armee wurde die Möglichkeit für Dienstpflichtige geschaffen, den Zeitpunkt der Rekrutierung und damit auch der Rekrutenschule um bis zu fünf Jahre zu verschieben, um den Militärdienst besser in Einklang mit dem Zivilleben zu bringen. Die Rekrutierung muss nun spätestens bis zum Ende des 24. Altersjahres absolviert werden, die Rekrutenschule bis zum Ende des 25. Altersjahres.

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1.3

Längerfristige Weiterentwicklung des Dienstpflichtsystems

Die bereits ergriffenen oder vorgesehenen Massnahmen zielen darauf ab, die Bestände von Armee und Zivilschutz auf der Grundlage des bestehenden Dienstpflichtsystems zu sichern. Aus heutiger Sicht ist jedoch ungewiss, ob die von Armee und Zivilschutz benötigten Personalbestände mit diesen Massnahmen auf Dauer gesichert werden können. Deshalb braucht es parallel zu den mittelfristigen Arbeiten Überlegungen zu grundlegenden, langfristigen Anpassungen des Dienstpflichtsystems. Am 30. Juni 2021 beauftragte der Bundesrat das VBS zu diesem Zweck damit, ihm bis Ende 2021 Varianten zu einer langfristigen Weiterentwicklung des Dienstpflichtsystems zu unterbreiten. Dieser Auftrag wird mit vorliegendem Bericht erfüllt.

1.4

Ausarbeitung der Varianten zur Weiterentwicklung des Dienstpflichtsystems

Im Auftrag des Bundesrates hat das VBS in Zusammenarbeit mit dem WBF und der Regierungskonferenz Militär, Zivilschutz und Feuerwehr (RK MZF) vier Varianten zur Weiterentwicklung des Dienstpflichtsystems sowie Überlegungen zu einem Status quo plus ausgearbeitet. Drei der Varianten haben grosse Ähnlichkeit mit den im Bericht der Studiengruppe Dienstpflichtsystem vom 15. März 2016 vorgelegten Modellen. Sie wurden aber in Bezug auf die Ausgestaltung der Dienstpflicht, die Auswahlkriterien für die Rekrutierung und Zuteilung, die Aufgaben und die Art der Diensterfüllung sowie die finanziellen und rechtlichen Folgen vertieft.

1.5

Studie Sicherheit 2021

Die Militärakademie an der ETH Zürich und das Center for Security Studies (CSS) erheben regelmässig die Meinung der Bevölkerung zu sicherheitspolitischen Themen und veröffentlichen die Ergebnisse in der Studienreihe «Sicherheit». Für den vorliegenden Bericht sind die Ergebnisse der Umfrage 2021 relevant, weil darin verschiedene alternative Dienstmodelle thematisiert werden.10 Es wurde insbesondere erhoben, wie die Schweizer Bevölkerung gegenüber der Einführung eines obligatorischen allgemeinen Bürgerdienstes eingestellt ist und was sie als dessen Vor- und Nachteile wahrnimmt.

Rund zwei Drittel aller Befragten11 befürworten eine Dienstpflicht für Männer und Frauen. Die Ausweitung der Militärdienstpflicht auf Frauen hat im Vergleich zu früheren Jahren an Zustimmung gewonnen. Markant an Zustimmung verloren hat umgekehrt eine Bürgerdienstpflicht für Männer mit freier Wahl der Dienstart. Eine 10

11

«Allgemeine Dienstpflicht für Männer und Frauen, «obligatorische sozial-zivile Dienstpflicht für Ausländer und Ausländerinnen», «allgemeine Dienstpflicht nur für Männer», «freiwilliger Militärdienst für Ausländer und Ausländerinnen», «Wehrpflicht auch für Frauen».

Bei den Teilen der Befragten, die direkt betroffen sind, fiel die Zustimmung erwartungsgemäss tiefer aus als bei der Gesamtheit der Befragten.

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Dienstpflicht im zivilen oder sozialen Bereich für Ausländerinnen und Ausländer wird von 58 Prozent befürwortet. Eine knappe Mehrheit ist auch dafür, dass die ausländische Bevölkerung freiwillig Militärdienst leisten kann.

Zusammenfassend hat sich die Zustimmung für Anpassungen am Dienstpflichtsystem erhöht; eine Dienstpflicht nur für Männer hat an Zustimmung verloren.

1.6

Umfrage und Anhörungen

Die Weiterentwicklung des Dienstpflichtsystems berührt grosse Teile der Gesellschaft direkt. Deshalb ist es wichtig, die Beurteilung und Akzeptanz der verschiedenen Varianten insbesondere durch die am meisten betroffenen Bevölkerungsteile abzuklären. Dazu hat das VBS eine Umfrage12 und Anhörungen13 durchgeführt. Die Umfrage unterschied sich von der ETH-Meinungsumfrage 2021, indem sie auf konkrete Varianten eines neuen Dienstpflichtsystems fokussierte. Zusätzlich zur Umfrage wurden Vertreter und Vertreterinnen direkt betroffener Bevölkerungsgruppen zu den verschiedenen Varianten angehört.

Auch breitere gesellschaftliche Fragestellungen, wie die Gleichstellung von Mann und Frau, das Verständnis des Begriffs Sicherheit und der Stellenwert von gesellschaftlicher Kohäsion und Wehrgerechtigkeit, wurden in der Umfrage und in den Anhörungen thematisiert. Die Ergebnisse werden gleichzeitig mit dem vorliegenden Bericht auf der Homepage des VBS14 publiziert.

1.7

Bewertung der Varianten

Eine Weiterentwicklung des Dienstpflichtsystems muss in erster Linie dazu dienen, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen personellen Bestände von Armee und Zivilschutz quantitativ und qualitativ (d. h. in Bezug auf die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten) nachhaltig zu sichern.

Eine zweite Überlegung ist, dass für die im Rahmen der Dienstleistung erbrachten Leistungen der Bezug zur Sicherheit gegeben sein muss.15 Dazu werden üblicherweise auch Bereiche gezählt, die über die direkte physische und territoriale Sicherheit hinausgehen und einen indirekten Bezug zur Sicherheit haben, z. B. in der Prävention von Naturkatastrophen. In der Öffentlichkeit wird diskutiert, ob auch Bereiche wie das Gesundheits- und Sozialwesen sowie Umweltschutz unter dem Begriff Sicherheit subsumiert werden sollen. Dann würden volkswirtschaftliche Probleme wie ein Personalnotstand in den Pflegefachberufen als sicherheitsrelevant betrachtet. Der vorliegende Bericht geht davon aus, dass der Bezug zur Sicherheit hier nicht gegeben ist.

12 13 14 15

Die Umfrage wurde durch das LINK-Institut Zürich durchgeführt. Es ist dasselbe Institut, das die Umfragen für die ETH Zürich durchführt.

Die Anhörungen wurden von der Firma askplus.ch (www.askplus.ch) organisiert.

www.vbs.admin.ch/de/themen/alimentierung Sicherheit ist im vorliegenden Bericht im Sinn von Kapitel 3.3 des Berichts des Bundesrates vom 24. November 2021 «Die Sicherheitspolitik der Schweiz» (BBl 2021 2895) zu verstehen.

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Bereits heute übernehmen Dienstpflichtige bestimmte Aufgaben in diesen Bereichen.

Es gilt abzuwägen, ob und wie stark dieser Anteil auszubauen ist.

Die Dienstpflicht muss zudem einem real existierenden Bedarf entsprechen, der nicht anders gedeckt werden kann. Es wäre volkswirtschaftlich nicht vertretbar, ohne Not der Wirtschaft Personal zu entziehen, um es für Aufgaben einzusetzen, für welche es weniger qualifiziert ist als in seiner angestammten Tätigkeit. Der Bezug zum effektiven Bedarf gründet auf der Auffassung, dass der Staat seinen Bürgerinnen und Bürgern nur solche Pflichten auferlegen soll, die für die Gemeinschaft wirklich nötig sind.

Jedes Dienstpflichtsystem muss mit dem Zwangsarbeitsverbot gemäss Europäischer Menschenrechtskonvention vereinbar sein.16 Darüber hinaus muss das Dienstpflichtsystem möglichst arbeitsmarktneutral sein: Private gewinnorientierte Anbieter (und deren Angestellte) sollten nicht durch staatliche Angebote konkurrenziert werden.

Die Beurteilung der Varianten durch den Bundesrat orientiert sich an diesen Kriterien.

In der öffentlichen Diskussion werden auch weitere Aspekte in Zusammenhang mit dem Dienstpflichtsystem gebracht, insbesondere die Gleichstellung von Frau und Mann im Hinblick auf eine Ausweitung der Dienstpflicht auf die Frauen. Dabei steht nicht die Sicherung der Bestände von Armee und Zivilschutz im Vordergrund, sondern die Gleichstellung im gesellschaftlichen Leben generell. Auch weitere gesellschaftliche Themen und Anliegen werden in Zusammenhang mit dem Dienstpflichtsystem diskutiert. Die geplante Volksinitiative des Vereins servicecitoyen.ch für einen Bürgerdienst und einzelne parlamentarische Vorstösse17 sehen beispielsweise eine persönliche Dienstleistung aller Bürgerinnen und Bürger für die Gesellschaft als Katalysator für eine stärkere nationale Kohäsion. Solche und weitere Aspekte gesellschaftspolitischer Art werden im vorliegenden Bericht berücksichtigt, spielen aber eine untergeordnete Rolle.

2

Umfrage und Anhörungen

Für die Umfrage wurden rund 1400 Personen in Bezug auf Geschlecht, Alter und Wohnregion repräsentativ für die Gesamtbevölkerung ausgewählt.

In den Anhörungen waren folgende Organisationen vertreten: Jugendverbände (SAJV18, DSJ19, CRDEJ20); economiesuisse; der Schweizerische Gewerkschaftsbund; Frauenorganisationen (Alliance F, Business Professional Women, Frauen im TAZ); ein Experte der Volkswirtschaft 21; mögliche Leistungsbezüger von Dienstpflichtigen (Spitalverband H+, Verband der Dienstleister für Menschen mit Unterstützungsbedarf Curaviva, Pro Natura, Stiftung Umwelteinsatz); politische Think Tanks 16 17

18 19 20 21

Vgl. Kapitel 3.1.

19.3735 Postulat Vonlanthen. Einführung eines Bürgerdienstes. Ein Mittel, um das Milizsystem zu stärken und neuen gesellschaftlichen Herausforderungen zu begegnen?

und 20.4062 Motion FDP-Liberale Fraktion. Bürgerinnen- und Bürgerdienst: Weiterentwicklung des Milizsystems und Sicherung der Bestände.

Schweizerische Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände Dachverband Schweizer Jugendparlamente Conférence romande des déléguées de l'enfance et de la jeunesse Professor Dr. Aymo Brunetti, Vorsteher des Departements Volkswirtschaftslehre der Universität Bern

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(Avenir Suisse, Operation Libero); der Verein servicecitoyen.ch; die Schweizerische Offiziersgesellschaft (SOG); der Zivildienstverband Civiva und politische Parteien (JUSO, Junge SVP, Junge Mitte, Junge FDP, Junge Grüne, Junge EVP, Junge GLP).

2.1

Fragen zum Dienstpflichtsystem und zu Eckwerten von Anpassungen

Die Umfrage und die Anhörungen wurden ausgehend von folgenden Fragen durchgeführt: ­

Wird das Problembewusstsein des Bundesrates zur Entwicklung der Armeeund Zivilschutzbestände von den Befragten überhaupt geteilt?

­

Wie hoch ist die Bereitschaft der jungen Generation, Dienst zu leisten? Wie muss der Dienst ausgestaltet sein, damit diese Bereitschaft am grössten ist?

­

Wie stark wird das Milizsystem gewichtet? Wären vom Milizsystem abweichende alternative Systeme (Berufsarmee) denkbar?

­

Soll die Dienstpflicht generell auf Frauen ausgeweitet werden? Braucht es dazu parallel stärkere Bestrebungen zur Gleichstellung in anderen, unter Umständen gewichtigeren Bereichen der Gesellschaft?

­

Wie hoch ist der Stellenwert der Dienstgerechtigkeit? Ist es nötig, dass alle Dienstpflichtigen einen Beitrag leisten, oder ist es vorstellbar, dass nur jene Personen Dienst leisten, die wirklich benötigt werden?

­

Wenn der Pool an Stellungspflichtigen durch eine Dienstpflicht auch für Frauen verdoppelt wird und nicht alle effektiv Dienst leisten müssen: Soll für nicht geleistete Dienste eine Ersatzabgabe entrichtet werden müssen oder sollen für zu leistende Dienste positive Anreize geschaffen werden?

­

Sollen Dienstpflichtige in den gleichen Bereichen wie heute eingesetzt werden oder wäre eine Ausweitung der Dienstleistungsarten und Anrechnung von Leistungen in neuen, nicht direkt sicherheitsrelevanten Gebieten zweckmässig?

­

Wie gross wird die Kapazität von Betrieben im Gesundheits- und Umweltsektor eingeschätzt, für zusätzliche Dienstpflichtige zweckmässige und effiziente Tätigkeiten zu bieten, ohne Konkurrenzierung des Privatsektors?

2.2

Zusammenfassung der Resultate der Umfrage

Nur wenige der Befragten betrachten die personelle Alimentierung von Armee und Zivilschutz heute als Problem; die Organisationen sollten allfällige Probleme selber lösen.

Die jüngeren Teilnehmenden zeigen sich im Grundsatz bereit, persönlich Dienst zu leisten; soweit deckt sich das Resultat mit der ETH-Umfrage. Ihnen ist es jedoch sehr wichtig, dass sie aus der Dienstleistung einen persönlichen Nutzen ziehen und ihren 13 / 66

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Erfahrungshorizont erweitern können. Weitere Forderungen sind, dass der Dienst als sinnvoll erkannt wird, mit der persönlichen Lebensplanung vereinbar ist und an zivile Fortbildungen angerechnet werden kann.

Wie bei der ETH-Umfrage sind rund zwei Drittel der Befragten einer Ausweitung der Dienstpflicht auf Frauen nicht abgeneigt, Männer etwas mehr und Frauen etwas weniger. Eine Mehrheit spricht sich gegen eine Benachteiligung von nicht Dienstpflichtigen aus. Ebenfalls eine Mehrheit ist für eine zeitliche Angleichung der Dienstdauer in den verschiedenen Dienstarten.

Eine grosse Mehrheit findet die heutige Aufgabenverteilung zwischen den verschiedenen Institutionen zweckmässig. Auf grundsätzliche Zustimmung stösst aber auch die Idee, die Dienstleistung auf zusätzliche Bereiche auszuweiten.22

2.3

Zusammenfassung der Anhörungen

Auch die Anhörungen zeigen, dass kein Bewusstsein für die Bestandesprobleme von Armee und Zivilschutz vorhanden ist. Falls diese Schwierigkeiten haben, genügend Dienstpflichtige zu rekrutieren oder zu behalten, liegt es aus Sicht der Teilnehmenden an den Organisationen, die Probleme innerhalb des heutigen Dienstpflichtsystems selber zu lösen.

Die befragten Jugendlichen sind bereit, persönlich Dienst zu leisten. Diese Bereitschaft ist jedoch nicht bedingungslos, sondern verbunden mit dem Wunsch nach freier Wahl zumindest der Art des Dienstes. Als ideal wird die freiwillige Dienstleistung betrachtet. Auch die Sinnhaftigkeit der Dienstleistung ist wichtig. Daneben werden grössere Flexibilität bei der Dienstleistung, kürzere Dienstzeiten, individuelle Wahl des Dienstortes sowie eine erkennbare Anwendbarkeit des Erlernten in Beruf und zivilem Leben gewünscht.

Die Teilnehmenden aus Wirtschaft und Leistungsbezüger-Organisationen unterstützen grundsätzlich und grossmehrheitlich das Milizsystem. Gleichzeitig ist sich die Mehrzahl der Teilnehmenden einig, dass Zwangssysteme nicht zeitgemäss sind und darum die Alimentierung wenn möglich mit Freiwilligen erfolgen soll. Die Sollbestände von Armee und Zivilschutz sollen keine starren Grössen sein, sondern der jeweiligen Bedrohung entsprechen und somit vom Bedarf ausgehen.

Es gibt keinen Widerstand gegen einen stärkeren Einbezug von Frauen; zur Einführung einer Dienstpflicht für Frauen gehen die Meinungen aber stark auseinander.

Frauen sollen insbesondere keine neuen Pflichten auferlegt werden, für die sie eine Dienstpflichtersatzabgabe zu entrichten haben, wenn sie untauglich sind oder es keine Verwendung für sie gibt. Die Teilnehmenden aus Politik und Wirtschaft geben zu bedenken, dass es angesichts des aktuellen Stands der Gleichstellung für eine Dienstpflicht für Frauen wohl zu früh ist. Frauenverbände betonen, dass mit einer zusätzlichen Pflicht keine neuen Nachteile geschaffen werden dürfen. So sollen beispielsweise noch längere Absenzen vom Arbeitsplatz wegen einer Dienstpflicht verhindert

22

Die Resultate der Umfrage werden in Anhang 3 dieses Berichts ausführlicher dargestellt.

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werden. In Verbindung mit der Absenz bei Mutterschaft würde dies die Frauen auf dem Arbeitsmarkt weniger attraktiv machen.

Für den Volkswirtschaftsexperten machen zusätzliche Diensttage keinen Sinn, weil die Kosten dafür in einem ungünstigen Verhältnis zum allfälligen Nutzen stehen.

Auch für die Gewerkschaft und die economiesuisse stehen Effizienz-Überlegungen im Zentrum. Es wird erwartet, dass nur so viel Personal rekrutiert wird, wie effektiv gebraucht wird. Die Vertreter und Vertreterinnen der politischen Parteien teilen diese Ansicht; Dienst soll nach Bedarf und nicht «aus Prinzip» geleistet werden.

Weiter ist eine grosse Mehrheit der Angehörten überzeugt, dass die Attraktivität der Dienstleistung primär mit Anreizen erreicht werden muss. Es ginge allerdings allen Angehörten zu weit, Dienstpflichtigen Privilegien zu gewähren, etwa ihnen bei der Besetzung von Bundesstellen den Vorzug zu geben, wie es in Norwegen der Fall ist.

Angesichts des Personalmangels im Gesundheitsbereich, einer Häufung naturbedingter Katastrophen und Notlagen und der personellen Engpässe in Milizämtern ist ein Teil der Angehörten der Meinung, dass Dienstpflichtige vermehrt ausserhalb des traditionellen Sicherheitsbereichs eingesetzt werden sollten. Wirtschaftsvertreter und Organisationen, in denen Dienstpflichtige eingesetzt würden, identifizieren aber mehrere Probleme: Dort, wo privatwirtschaftliche Alternativen verfügbar sind, stehen Dienstpflichtige in Konkurrenz zum privaten Sektor. Hinzu kommen Zweifel daran, dass ein vermehrter Einsatz von Dienstpflichtigen ausserhalb des Sicherheitsbereichs mit dem Zwangsarbeitsverbot gemäss Europäischer Menschenrechtskonvention vereinbar wäre. Schliesslich kann aus Sicht der Leistungsbezüger der heutige Mangel an Pflegepersonal nicht mit Dienstpflichtigen gelöst werden: Wenn Spitälern oder Altersheimen mehr Dienstpflichtige zur Verfügung stünden, könnten sie zwar etwas mehr Personen für nichtmedizinische Leistungen an Patienten einsetzen, aber für medizinische Leistungen wären die Qualifikationen von Dienstpflichtigen nicht ausreichend. Hinzu kommt, dass eine grössere Anzahl von Dienstpflichtigen einen erheblichen Betreuungsaufwand für die Betriebe verursacht.23

3

Varianten zur Weiterentwicklung des Dienstpflichtsystems und Überlegungen zu einem Status quo plus

Für eine mögliche Weiterentwicklung des Dienstpflichtsystems werden in der Folge vier Varianten präsentiert. Dabei werden die konkrete Ausgestaltung der Dienstpflicht sowie die finanziellen und rechtlichen Implikationen aufgezeigt, gefolgt von einer Beurteilung der Varianten, einschliesslich der Ergebnisse aus der Umfrage und den Anhörungen.

Die vier Varianten sind: ­

23

eine Sicherheitsdienstpflicht, die eine Fusion des heutigen Zivilschutzes und des Zivildienstes in einer neuen Organisation (Katastrophenschutz) vorsieht; Die Resultate der Anhörungen werden in Anhang 3 dieses Berichts ausführlicher dargestellt.

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­

eine bedarfsorientierte Dienstpflicht, die eine Ausdehnung der Dienstpflicht auf Frauen vorsieht, bei der aber nur so viele Personen rekrutiert werden, wie wirklich gebraucht werden;

­

eine Bürgerdienstpflicht ohne freie Wahl der Dienstart, die ebenfalls eine Ausweitung der Dienstplicht auf Frauen vorsieht, bei der aber alle Diensttauglichen rekrutiert werden, und die ein weiteres Aufgabenspektrum als bisher abdeckt;

­

eine Bürgerdienstpflicht mit freier Wahl der Dienstart und einem nochmals erweiterten Aufgabenspektrum.

Zudem wird aufgezeigt, wie das bestehende Dienstpflichtsystem um eine obligatorische Teilnahme von Frauen am Orientierungstag über die freiwillige Militär- und Schutzdienstpflicht ergänzt werden könnte: Der Orientierungstag ist bislang für alle Schweizer Männer im 18. Altersjahr obligatorisch; interessierte Frauen können freiwillig daran teilnehmen. Die Durchführung des Orientierungstages obliegt den Kantonen. Am Orientierungstag werden folgende Themen behandelt: rechtliche Grundlagen; Aufgaben und Einsätze der Armee, des Zivilschutzes und des Rotkreuzdienstes; Dienstleistungsmodelle und Berufsmöglichkeiten in der Armee, im Zivilschutz und im Rotkreuzdienst; die Wehrpflichtersatzabgabe; Ablauf der Rekrutierung; Ausbildungs- und Karrieremöglichkeiten für Militärdienstpflichtige; ziviler Ersatzdienst.

Diese Option wird als Status quo plus bezeichnet. Das würde dazu beitragen, mehr Frauen freiwillig für den Militärdienst zu gewinnen, was ein generelles Anliegen ist, auch jenseits der Alimentierungsfrage.

3.1

Annahmen

Bei allen Varianten werden bestimmte Annahmen getroffen, um eine Vergleichbarkeit der einzelnen Varianten zu ermöglichen. Die Annahmen schaffen jedoch kein Präjudiz für spätere Arbeiten. Dazu gehören insbesondere die Anzahl Diensttage und die daraus resultierenden Kosten und Erträge. Alle Varianten basieren auf dem Grundsatz der Miliz. Dienstpflichtige können Kaderfunktionen übernehmen. Die Dienstpflicht wird in der Regel nicht in einem Stück geleistet, sondern in eine Grundausbildung und weitere, über mehrere Jahre verteilte Ausbildungen oder Einsätze aufgeteilt.

Wie weiter unten erläutert, können jedoch bestimmte Aufgaben in den beiden Bürgerdienstpflicht-Varianten von diesem Grundsatz abweichen.

Um die künftige Anzahl der Dienstpflichtigen und die Kosten der einzelnen Varianten einzuschätzen, werden Annahmen getroffen. Diese stützen sich auf Prognosen des Bundesamtes für Statistik und auf Erfahrungswerte. Bei einer Dienstpflicht nur für Männer sind jedes Jahr rund 35 000 Personen stellungspflichtig. Wenn auch Frauen dienstpflichtig werden, sind es 70 000.24 Da die physischen und psychischen Anforderungen ungefähr gleich bleiben sollen, wird der Anteil von Personen, die aus medizinischen Gründen keinen Dienst leisten, voraussichtlich weiterhin bei rund

24

Aus: Szenarien zur Bevölkerungsentwicklung der Schweiz 2015­2045, Neuenburg 2015.

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20 Prozent liegen. Das ergibt eine Jahreskohorte von 28 000 Männern oder von 56 000 Frauen und Männern.

Für die erforderlichen Bestände von Armee und Zivilschutz werden weiterhin 140 000 bzw. 72 000 Personen angenommen. Für die Dauer der Dienstpflicht werden unabhängig von der Dienstart 10 Jahre angenommen; damit ergeben sich ohne Berücksichtigung der vorzeitigen Abgänge insgesamt 280 000 bzw. 560 000 (bei Einbezug der Frauen) Dienstpflichtige. Für den Umfang der Dienstpflicht, mit Ausnahme der Zivildienstleistenden, werden 245 Diensttage angenommen, wobei Einsätze im Rahmen eines Assistenz- oder Aktivdienstes grundsätzlich nicht den zu leistenden Diensttagen angerechnet werden.25 Zudem wird für die vorliegende Analyse davon ausgegangen, dass in Zukunft Zivilschutzleistende gleich wie Militärdienstleistende alle Diensttage effektiv absolvieren sollen. Dies ist im Sinne der Wehrgerechtigkeit und der Gleichbehandlung, erhöht aber gegenüber heute wesentlich die durch Schutzdienstpflichtige zu leistenden Diensttage. Ob diese Erhöhung der Anzahl Diensttage im Katastrophenbzw. Zivilschutz wirklich angezeigt ist, muss in der Folge in Abwägung von realem Bedarf und Kosten beurteilt werden.

Ferner wird angenommen, dass alle Dienstpflichtigen durchschnittlich 25 Diensttage pro Jahr leisten. Wenn Dienstpflichtige die zu leistenden Diensttage bereits vor dem Ende der Dienstpflicht absolviert haben, können sie bis zum Ende ihrer Dienstzeit von 10 Jahren immer noch für ausserordentliche Einsätze aufgeboten werden.26 Bei allen Varianten, ausser der Bürgerdienstpflicht mit freier Wahl der Dienstart, wird davon ausgegangen, dass die Alimentierung der Armeebestände weiterhin Priorität hat. In diesen Varianten muss deshalb ein ziviler Ersatzdienst für jene angeboten werden, die den Militärdienst nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren können.

Damit der Tatbeweis für den Gewissenskonflikt vorliegt und Abgänge in den Zivildienst aus anderen Gründen nicht gefördert werden, dauert der zivile Ersatzdienst wie heute anderthalb Mal so lange wie der Militärdienst.

Weil bei allen Varianten die Rekrutierung besser auf persönliche Fähigkeiten und Neigungen abgestimmt wird, wird jedoch erwartet, dass es weniger Abgänge in den zivilen Ersatzdienst gibt als heute, insbesondere vor der Rekrutenschule. Konkret wird angenommen,
dass bei der Sicherheitsdienstpflicht wegen einer noch gründlicheren Rekrutierung und weil der bisherige Zivildienst im neu zu schaffenden Katastrophenschutz aufgeht, rund 15 Prozent weniger Abgänge in den zivilen Ersatzdienst zu verzeichnen sind. Bei der bedarfsorientierten Dienstpflicht und der Bürgerdienstpflicht ohne freie Wahl sollten die Abgänge in den Zivildienst sogar halbiert werden können, weil diese Varianten einen grösseren Rekrutierungspool vorsehen, die Neigungen der Rekrutierenden berücksichtigen (bedarfsorientierte Dienstpflicht) oder eine grössere Palette an Dienstleistungsarten zur Verfügung steht (Bürgerdienstpflicht).

Die Erwerbsersatzkosten werden ausgehend von bisherigen Werten extrapoliert. Weil Erwerbsersatzkosten in einem direkten Zusammenhang mit der Altersstruktur der 25 26

Die Dauer der Dienstpflicht und die Anzahl der Diensttage entsprechen der heutigen Militärdienstpflicht.

Dafür wird ein Mobilisierungssystem geschaffen, das es erlaubt, bei Bedarf, z. B.

bei Pandemien oder Naturkatastrophen, rasch und fokussiert auf einen Personalpool zuzugreifen.

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Dienstleistenden stehen, ergeben sich bei Militär-, Zivil- und Schutzdienst nicht die gleichen Ansätze. Damit steigen die Erwerbsersatzkosten auch nicht linear zum Anstieg der Diensttage.

Die Einnahmen aus der Wehrpflichtersatzabgabe und die Einnahmen durch Abgabezahlungen von Einsatzbetrieben hängen von der jeweiligen Anzahl Dienstpflichtiger ab.

Für alle Varianten braucht es eine Revision der Bundesverfassung und Anpassungen auf Gesetzes- und Verordnungsstufe. Für eine Umsetzung auf Bundesebene müssten deshalb mehrere Jahre eingerechnet werden. Dazu kommt ein weiterer Zeitbedarf von mehreren Jahren für die Umsetzung auf Kantonsebene, wobei diese Arbeiten zumindest teilweise parallel zu den rechtlichen Anpassungen vorbereitet werden können.

Bei allen Varianten muss die Konformität mit dem Verbot der Zwangsarbeit gemäss Europäischer Menschenrechtskonvention geprüft werden. Der Staat darf seine Bürgerinnen und Bürger nicht zu beliebigen Aufgaben verpflichten, weil solche Zwangsoder Pflichtarbeit Grundrechte wie die individuelle Freiheit beschneidet. Für eine Kompatibilität mit dem Zwangsarbeitsverbot muss nachgewiesen werden, dass die Bedürfnisse der Gesellschaft in den vorgesehenen Einsatzbereichen nur mit Dienstpflichtigen gedeckt werden können. Das Verbot der Zwangsarbeit geht auf das frühe 20. Jahrhundert zurück; es existiert kaum zeitgenössische Rechtsprechung. Das Bundesamt für Justiz erachtete bei einer letztmaligen Beurteilung 2016 sogenannte Gemeinschaftsdienste wie die Prävention von Naturgefahren und Beiträge zu Pflege und Betreuung als mit dem Zwangsarbeitsverbot nicht vereinbar. In der Zwischenzeit hat es keine neuen, diese Einschätzung ändernden Entscheide gegeben, weshalb das Bundesamt für Justiz grundsätzlich bei seiner damaligen Beurteilung bleibt, wobei immer die in Frage stehende Dienstpflicht in der konkreten Ausgestaltung geprüft werden muss. Eine im Jahr 2020 erschienene Publikation der Universität Freiburg i. Ue.27 nimmt sich der Frage einer allgemeinen Dienstpflicht im Spannungsfeld zum Zwangsarbeitsverbot an. Sie kommt zum Schluss, dass die Vereinbarkeit nicht abstrakt bejaht oder verneint werden kann, sondern diese von der konkreten Ausgestaltung der Dienstpflicht abhängt. Wenn eine der Varianten realisiert werden soll, muss die Frage ihrer Vereinbarkeit mit der Europäischen Menschenrechtskonvention in jedem Fall vertieft geprüft werden.

3.2

Variante Sicherheitsdienstpflicht

Die Dienstpflicht wird entweder in der Armee oder im Katastrophenschutz erfüllt. Der Katastrophenschutz ist ein neues Gefäss, das aus dem fusionierten heutigen Zivilschutz und Zivildienst entsteht und deren bisherige Aufgaben übernimmt. Dadurch wird das Dienstpflichtsystem vereinfacht: Es gibt anstatt drei (Armee, Zivilschutz, Zivildienst) nur noch zwei Organisationen (Armee, Katastrophenschutz). Damit die Armee ihre erforderlichen Bestände sichern kann, besteht keine Wahlfreiheit zwischen der Armee und dem Katastrophenschutz. Wer militärdienstpflichtig ist, den 27

Prof. Dr. Bernhard Waldmann: Allgemeine Dienstpflicht im Spannungsfeld zum Verbot der Zwangs- und Pflichtarbeit. In: Aktuelle juristische Praxis 12/2020.

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Militärdienst jedoch mit seinem Gewissen nicht vereinbaren kann, hat weiterhin die Möglichkeit, auf Gesuch hin einen zivilen Ersatzdienst zu leisten. Die Leistung erfolgt aber als Sicherheitsdienstpflicht in einer Katastrophenschutzorganisation, wobei in diesem Fall die Dauer länger ist als bei Personen, die nicht militärdiensttauglich sind und daher direkt dem Katastrophenschutz zugeteilt werden.

A.

Ausgestaltung der Dienstpflicht

Dienstpflichtige Bevölkerungsgruppe, Freiwillige Jeder Schweizer Bürger ist verpflichtet, Dienst in der Armee oder im Katastrophenschutz zu leisten. Schweizer Bürgerinnen können in beiden Organisationen freiwillig Dienst leisten. Der Armee und dem Katastrophenschutz28 stehen rund 280 000 Dienstpflichtige29 zur Verfügung, dies ohne Berücksichtigung der vorzeitigen Abgänge.

Auswahlkriterien für Rekrutierung und Zuteilung Bei der Rekrutierung wird ähnlich wie heute festgestellt, ob eine Person für eine Dienstleistung in der Armee oder im Katastrophenschutz tauglich ist. Entscheidend dafür, wie viele diensttaugliche Stellungspflichtige der Armee oder dem Katastrophenschutz zugeteilt werden, ist der quantitative und qualitative Bedarf der Armee.

Hauptkriterium dafür, wer zur Armee oder zum Katastrophenschutz eingeteilt wird, ist die Eignung jedes einzelnen Stellungspflichtigen. Diese wird mit einer umfassenden Beurteilung der kognitiven Fähigkeiten sowie der physischen und psychischen Konstitution bestimmt. Darüber hinaus werden soweit möglich Entwicklungswünsche, Entwicklungspotenzial und die berufliche Laufbahnplanung der Stellungspflichtigen berücksichtigt.

Der Armee werden so viele Personen zugeteilt, wie sie zur Erreichung ihres Effektivbestandes unter Berücksichtigung der zu erwartenden Abgangsrate benötigt. Die verbleibenden Personen werden im neuen Gefäss Katastrophenschutz eingeteilt. Entweder leisten sie Dienst im Bereich des bisherigen Zivilschutzes, zum Beispiel in der technischen Hilfe, der Führungsunterstützung oder der Logistik. Oder sie erfüllen ihre Dienstpflicht in den Bereichen des bisherigen Zivildienstes, zum Beispiel in der Betreuung und Pflege in Gesundheits- oder sozialen Institutionen.

Ersatzdienst Sicherheitsdienstpflichtige, die aufgrund ihrer Tauglichkeit und Eignung sowie des Bedarfs der Armee Militärdienst leisten müssen, dies aus Gewissensgründen jedoch nicht tun können, werden dem Katastrophenschutz zugeteilt. Sie erbringen den Tatbeweis für ihre Gewissensgründe, indem sie 1,5-mal länger dienen. Dies gilt auch bei einem Wechsel von der Armee in den Katastrophenschutz aus Gewissensgründen, der während der ganzen Militärdienstdauer möglich ist. Wer sich jeglicher Dienstpflicht entzieht, wird bestraft.

28 29

Dies würde die heutigen Zivildienstpflichtigen und Schutzdienstpflichtigen umfassen.

Zehn Jahrgänge zu je rund 28 000 Rekrutierten. Real sind es weniger als 280 000 Dienstpflichtige, weil es nach wie vor eine erhebliche Anzahl vorzeitiger Abgänge, d. h.

Abgänge vor dem Absolvieren der gesamten Dienstpflicht, gibt.

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Ersatzabgabe Sicherheitsdienstuntaugliche schulden eine Ersatzabgabe. Davon ausgenommen sind Personen, die eine IV-Rente beziehen, eine Integritätsschädigung von über 40 Prozent aufweisen oder im Militär oder Katastrophenschutz eine Gesundheitsschädigung erlitten haben, die zur Untauglichkeit geführt hat. Wer innerhalb der zehnjährigen Dienstpflicht in Armee oder Katastrophenschutz weniger als 245 Diensttage geleistet hat, schuldet ebenfalls eine Ersatzabgabe für die nicht geleisteten Diensttage.

Aufgaben der Dienstpflichtigen In der Armee eingeteilte Dienstpflichtige erbringen wie bisher Leistungen im Bereich von Schutzaufgaben, Verteidigung und militärischer Friedensförderung.30 Fähigkeiten im Bereich Rettung und Spitalpflege werden bei der Armee abgebaut und dafür im Katastrophenschutz aufgebaut. Anstelle der Rettungs- und Spitalformationen können in der Armee bei Bedarf zusätzliche Formationen im Bereich Schutz und Verteidigung aufgebaut werden.

Der Katastrophenschutz übernimmt zum einen die bisherigen Aufgaben des Zivilschutzes. Bei Grossereignissen, Katastrophen, Notlagen und bewaffneten Konflikten sind das Schutz und Rettung der Bevölkerung, Betreuung schutzsuchender Personen, Unterstützung der Führungsorgane und der Partnerorganisationen des Bevölkerungsschutzes und Schutz der Kulturgüter. Er wird zudem für präventive Massnahmen zur Verhinderung oder Minderung von Schäden, Instandstellungsarbeiten nach Schadenereignissen sowie für nationale und internationale Grossanlässen eingesetzt. Im Katastrophenschutz werden Fähigkeiten in den Bereichen Spitalpflege und Rettung aufgebaut, die gleichzeitig in der Armee abgebaut werden.31 Darüber hinaus übernimmt der Katastrophenschutz alle Aufgaben, die bisher vom Zivildienst erfüllt wurden. Dazu gehören insbesondere Leistungen im Gesundheits- und Sozialwesen, darüber hinaus auch im Schulwesen (Vorschulstufe bis Sekundarstufe II), im Umwelt- und Naturschutz, in der Landschaftspflege und im Wald, in der Landwirtschaft, in der Kulturgütererhaltung, in der Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe sowie Einsätze in der Vorbeugung und Bewältigung von Katastrophen und Notlagen sowie der Regeneration nach solchen Ereignissen.

Art der Erfüllung und Dauer der Dienstpflicht In der Armee wird die Dienstpflicht wie bisher erfüllt. Der Dienstpflichtige
absolviert eine mit der heutigen vergleichbare Rekrutenschule und sechs Wiederholungskurse.

Im Katastrophenschutz eingeteilte Personen absolvieren eine allgemeine Grundausbildung von zwei Wochen. Diejenigen, die für die Bereiche der technischen Hilfe, Führungsunterstützung, Logistik usw.32 vorgesehen sind, absolvieren anschliessend eine funktionsbezogene Grundausbildung von acht Wochen, gefolgt von einer Verbandsausbildung von einer Woche. Anschliessend werden sie in eine Katastrophenschutzorganisation eingeteilt. Für eine Kaderfunktion Vorgesehene absolvieren

30 31 32

Der Dienst in der militärischen Friedensförderung bleibt freiwillig.

Konkret gemeint sind hier die Fähigkeiten der heutigen Spital- und Rettungsbataillone.

Bereiche des bisherigen Zivilschutzes.

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zusätzlich die notwendigen Kaderausbildungen. Die Dienstpflichtigen leisten regelmässig Wiederholungskurse33 von mindestens zwei Wochen sowie Einsätze bei Katastrophen und Notlagen.

Dienstpflichtige, die für die Betreuung und Pflege in Gesundheits- oder sozialen Institutionen34 vorgesehen sind, absolvieren die allgemeine Grundausbildung von zwei Wochen, anschliessend eine funktionsbezogene achtwöchige Pflegehelferausbildung, gefolgt von einer Verbandsausbildung von einer Woche. In der Folge werden sie in eine Einsatzorganisation eingeteilt. In der normalen Lage leisten sie Dienst in einer Institution des Gesundheits- oder Sozialwesens und erbringen Grundleistungen in Pflege und Betreuung. Im Ereignisfall unterstützen sie das Gesundheitswesen bei der sanitätsdienstlichen Versorgung und Betreuung.

Die im Katastrophenschutz eingeteilten Dienstpflichtigen im Rettungs- und Spitalwesen absolvieren eine allgemeine Grundausbildung von zwei Wochen, gefolgt von einer funktionsbezogenen Grundausbildung von zehn Wochen und einer Verbandsausbildung von zwei Wochen. Anschliessend leisten sie regelmässig zwei- bis dreiwöchige Wiederholungskurse sowie Einsätze bei Katastrophen und Notlagen.

Damit die Verhältnisse für alle Dienstleistenden möglichst ähnlich sind, werden die im Katastrophenschutz eingeteilten Personen während ihrer Dienste zum grossen Teil wie die Armeeangehörigen in Kasernen oder Truppenunterkünften untergebracht.

In Armee und Katastrophenschutz besteht für einen Teil der Dienstpflichtigen die Möglichkeit des Durchdienens. So kann beispielsweise ein Angehöriger des Sanitätsdienstes im Katastrophenschutz einen grossen Teil oder den gesamten Dienst als Durchdiener in einer Institution des Gesundheitswesens leisten. Im Falle einer Katastrophe muss er aber für den Einsatz im Verband zur Verfügung stehen.

Strukturen, Organisationen, Ansiedlung der Organisationen, Aufgabenteilung Die Armee ist ein Mittel des Bundes, der Katastrophenschutz eine Organisation der Kantone, wobei der Bund die rechtlichen und konzeptionellen Rahmenbedingungen vorgibt. Die Kantone koordinieren in Zusammenarbeit mit dem Bund die Ausbildung des Katastrophenschutzes. Die Grundausbildung des Katastrophenschutzes erfolgt in Katastrophenschutzorganisationen, analog zu den heutigen Zivilschutzorganisationen. Die Wiederholungskurse
im Katastrophenschutz können bei Bedarf des Kantons in individuellen Einsätzen absolviert werden; die Zuweisung zu den Zivilschutzorganisationen erfolgt durch die kantonalen Stellen. Ebenfalls bei kantonalem Bedarf können Angehörige des Katastrophenschutzes ihre Dienstpflicht ausserhalb des eigenen Wohnkantons leisten. Verantwortung und Kosten übernimmt der Kanton, in dem die Angehörigen des Katastrophenschutzes ihren Dienst leisten. Damit können Bestände zwischen den Katastrophenschutzorganisationen ausgeglichen werden. Den Katastrophenschutzorganisationen steht es frei, Dienstpflichtige für den Dienst in den Katastrophenschutz-Formationen oder in Einsatzbetrieben aufzubieten. Die Zertifizierung 33

34

Wiederholungskurse umfassen Ausbildungsdienste, Weiterbildungen, Übungen, Einsätze zugunsten der Gemeinschaft, Instandstellungsarbeiten nach Schadenereignissen sowie präventive Einsätze zur Verhinderung oder Minderung von Schäden.

Bereiche des bisherigen Zivildienstes sowie die bisherige Funktion «Betreuer» im Zivilschutz.

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der Einsatzbetriebe kann grundsätzlich wie heute dem Bund obliegen. Mindestens die Hälfte der Diensttage im Katastrophenschutz muss in der Einheit geleistet werden.

B.

Finanzielle Folgen

Erwerbsersatz (EO) Gemäss Statistik des Bundesamtes für Sozialversicherungen leisteten im Jahr 2017 35 rund 135 000 Militärdienstpflichtige rund 5,330 Millionen Diensttage, 56 000 Schutzdienstpflichtige rund 340 000 Diensttage und 19 000 Zivildienstpflichtige rund 1,7 Millionen Diensttage. Die Kosten des Erwerbsersatzes für die Armee beliefen sich 2017 auf rund 550 Millionen Franken, im Zivilschutz auf rund 50 Millionen Franken und im Zivildienst auf rund 160 Millionen Franken. Die gesamten EO-Kosten beliefen sich auf rund 760 Millionen Franken.36 Die Erwerbsersatzkosten der Armee werden bei der Variante Sicherheitsdienstpflicht etwa gleich bleiben. Für die gründlichere Abklärung bei der Rekrutierung werden Zusatzkosten von schätzungsweise 10 Millionen Franken jährlich anfallen.

Die Kosten des Katastrophenschutzes werden steigen, wenn jeder Dienstpflichtige jährlich durchschnittlich 25 Diensttage leistet (heute im Zivilschutz durchschnittlich 6 Diensttage pro Jahr). Das führt zu 1 020 000 zusätzlichen Diensttagen pro Jahr. Weil hingegen rund 15 Prozent weniger Militärdienstpflichtige zum zivilen Ersatzdienst im Katastrophenschutz wechseln (vgl. Annahme weiter oben), werden gegenüber dem heutigen Zivildienst rund 260 000 Diensttage weniger geleistet und damit rund 25 Millionen Franken EO-Kosten gespart. Insgesamt werden im Katastrophenschutz jährlich rund 2 800 000 Diensttage geleistet.37 Daraus ergeben sich jährliche Erwerbsersatzkosten im Katastrophenschutz von rund 335 Millionen Franken, 125 Millionen Franken mehr als 2017.

Insgesamt ist eine Erhöhung der EO-Kosten für die Sicherheitsdienstpflicht um rund 135 Millionen Franken auf 895 Millionen Franken jährlich anzunehmen.

Weitere Kosten Die weiteren Kosten der Armee werden durch die Sicherheitsdienstpflicht insofern tangiert, als Aufgaben im Bereich Rettung und Spitalpflege in den Katastrophenschutz überführt werden. Allfällige Folgen eines solchen Aufgabentransfers für die Leistungen der Armee im Bereich Schutzaufgaben und Verteidigung sind zu prüfen.

35

36 37

Bundesamt für Sozialversicherungen: Schweizerische Sozialversicherungsstatistik 2020, Seiten 96-97. Es werden Zahlen von 2017 verwendet, weil dies der letzte repräsentative Jahrgang vor Umsetzung der Weiterentwicklung der Armee war. Ab 2018 (und bis 2023) wäre das Datenmaterial aufgrund der flexibilisierten Rekrutierungspraxis nicht mehr repräsentativ.

Eine tabellarische Darstellung der Daten für das Jahr 2017 und alle Varianten findet sich in den Anhängen 1 und 2.

Diese Zahl ergibt sich aus der Addition der 1 360 000 Diensttage im Zivilschutz und 1 445 000 Diensttage in Bereichen des heutigen Zivildienstes.

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2017 beliefen sich die Nettokosten für Zivilschutz für Verwaltung, Führung, Rekrutierung, Ausbildung und Material auf rund 200 Millionen Franken.38 Im Katastrophenschutz hätte die Verpflichtung zur vollständigen Leistung des Dienstes (245 Diensttage) zur Folge, dass die Kantone fast doppelt so viele Dienstleistende zur Verfügung haben. Das würde dazu führen, dass mehr Personal zur Führung, Ausbildung und Administration sowie mehr Material und Infrastruktur notwendig sind.

Damit werden den Kantonen erhebliche, noch zu beziffernde Mehrkosten entstehen.

Im bisherigen Zivildienst beliefen sich im Jahr 2017 die Kosten für den Vollzug auf rund 37 Millionen Franken, der Ertrag (Abgabe der Einsatzbetriebe an den Bund) auf rund 33 Millionen Franken.39 Diese Kosten und Erträge werden sich im gleichen Masse wie die Abgänge in den zivilen Ersatzdienst im Katastrophenschutz um 15 Prozent reduzieren (31,5 Millionen Kosten und 28 Millionen Erträge). Für Einsätze von Sicherheitsdienstpflichtigen in den Tätigkeitsbereichen des heutigen Zivildienstes sind die Einsatzbetriebe auch in Zukunft abgabepflichtig.

Wehrpflichtersatzabgabe Eine Ersatzabgabe müssen Dienstpflichtige bezahlen, die für die Sicherheitsdienstpflicht untauglich sind, sowie Personen, die in der Armee oder im Katastrophenschutz nicht alle vorgegebenen Diensttage leisten.40 Gegenwärtig bezahlt ein Grossteil der Schutzdienstpflichtigen Wehrpflichtersatz, weil sie nicht alle Diensttage leisten können. In der Sicherheitsdienstpflicht müssen aber grundsätzlich alle Diensttage effektiv geleistet werden, weshalb die Wehrpflichtersatzeinnahmen zurückgehen werden. In der Armee wird die Anzahl von Eingeteilten, die nicht alle Diensttage leisten, voraussichtlich gleich bleiben. Sicherheitsdienstpflichtige, die den zivilen Ersatzdienst im Katastrophenschutz leisten, müssen ebenfalls alle Diensttage leisten, bevor sie ordentlich entlassen werden. In der Summe werden weniger Personen eine Ersatzabgabe entrichten müssen, weshalb sich die Einnahmen aus dem Wehrpflichtersatz von rund 170 Millionen (2017) auf schätzungsweise rund 100 Millionen Franken reduzieren werden.

C.

Rechtliche Folgen

Es ist noch zu prüfen, ob die Einteilung einer solch grossen Zahl an Dienstpflichtigen in den Katastrophenschutz mit dem Zwangsarbeitsverbot vereinbar ist. Das hängt davon ab, wie gross der Anteil Diensttage im Zusammenhang mit Katastrophen und Notlagen ist, und wie gross jener in den Bereichen Gesundheit/Soziales und Umwelt/Natur. Das Bundesamt für Justiz macht in einer Stellungnahme vom 23. August 2021 die Vereinbarkeit von der konkreten Ausgestaltung der Dienstpflicht abhängig.

Bei der Festlegung der Leistungen ist zudem darauf zu achten, dass diese mit den Prinzipien von Arbeitsmarktneutralität und Wettbewerbsverbot übereinstimmen.

38

39 40

Für die Kostenberechnung im Bevölkerungsschutz sind die Kosten der Telekommunikationssysteme und die Kosten für die Schutzbauten nicht eingerechnet, weil sie für die Berechnung der Kostendifferenz zur Sicherheitsdienstpflicht nicht von Relevanz sind.

Jahresbericht 2017 des Bundesamtes für Zivildienst 245 Diensttage in aller Regel, 368 Tage für Personen, die aus Gewissensgründen keinen Militärdienst leisten können.

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Für die Einführung der Sicherheitsdienstpflicht sind die Artikel 59 und 61 der Bundesverfassung41 (BV) zu revidieren. Ausserdem sind das Militärgesetz, das Bundesgesetz über die Wehrpflichtersatzabgabe42 (WPEG) und das Erwerbsersatzgesetz43 (EOG) sowie nachgelagerte Rechtsgrundlagen, inklusive der kantonalen Gesetzgebung, anzupassen. Das Zivildienstgesetz sowie das Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetz müssen für die Schaffung des Katastrophenschutzes verschmolzen werden.

D.

Beurteilung der Variante

Allgemeine Beurteilung Die Variante Sicherheitsdienstpflicht ist bezüglich Rekrutierungspool und Einsatzspektrum der Dienstpflichtigen die konservativste: Sie beschränkt die Dienstpflicht weiterhin auf Schweizer Männer. In welchem Umfang Dienstpflichtige im Sicherheitsbereich (Katastrophen und Notlagen) und ausserhalb dieses Bereichs eingesetzt werden, wäre bei einer vertieften Prüfung abzuklären.

Beitrag zur Sicherung der Bestände von Armee und Katastrophenschutz Mit der Sicherheitsdienstpflicht und insbesondere der Einführung des Katastrophenschutzes kann das akute Rekrutierungs- und Alimentierungsproblem des heutigen Zivilschutzes nachhaltig gelöst werden, da im Katastrophenschutz neu auch Personen eingeteilt und eingesetzt werden, die den zivilen Ersatzdienst im bisherigen, eigenständig organisierten Zivildienst leisteten. Ob das Alimentierungsproblem der Armee gleichzeitig auch gelöst würde, hängt davon ab, wie sich die Abgänge in den zivilen Ersatzdienst im Katastrophenschutz entwickeln. Allenfalls müssten Anpassungen in den gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung zum zivilen Ersatzdienst vorgenommen werden, der im Katastrophenschutz geleistet wird.

Bezug zur Sicherheit Bei der Sicherheitsdienstpflicht ist der Bezug der Dienstleistung zur Sicherheit grundsätzlich ähnlich wie heute. Wie eng der Bezug zur Sicherheit ist, hängt jedoch davon ab, inwiefern die Dienstpflichtigen auch jenseits von Schutz, Verteidigung und Bewältigung von Katastrophen und Notlagen eingesetzt werden. Der Teil der Dienstleistungen, der im heutigen Ausmass ausserhalb des Sicherheitsbereichs erbracht wird, ist politisch und gesellschaftlich akzeptiert.

Bedarf Mit der Sicherheitsdienstpflicht werden nicht mehr Personen dienstpflichtig als heute.

Hingegen werden insofern neue Kapazitäten geschaffen, wenn Katstrophenschutzdienstpflichtige mehr Diensttage effektiv leisten werden als die heutigen Schutzdienstpflichtigen, was auch zu Mehrkosten führt. Mit Ausnahme der Dienstleistungen im Bereich der Gesundheitsvorsorge und der Prävention von Naturkatastrophen können die in dieser Variante vorgesehenen Dienstleistungen nur durch eine Dienstpflicht gedeckt werden. Wie stark dieses Dienstpflichtmodell am Bedarf orientiert ist, hängt 41 42 43

SR 101 Bundesgesetz vom 12. Juni 1959 über die Wehrpflichtersatzabgabe (SR 661).

Erwerbsersatzgesetz vom 25. September 1952 (SR 834.1).

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deshalb davon ab, wie viele Leistungen auf den Sicherheitsbereich einerseits, die Bereiche Gesundheit/Soziales und Umwelt/Natur anderseits entfallen. In diesem Kontext wäre zu prüfen, ob die vervierfachte Anzahl der effektiv zu leistenden Diensttage im Katastrophenschutz überhaupt einem realen Bedarf entspricht.

Weitere Aspekte Das heutige Tauglichkeitsmodell (militärdiensttauglich ­ schutzdiensttauglich ­ untauglich) wird vereinfacht; es gibt noch «sicherheitsdiensttauglich» und «untauglich».

Mit Armee und Katastrophenschutz gibt es nur noch zwei Organisationen; die Anzahl der Akteure auf Seiten Bund wird reduziert. Die heutigen Leistungen und Aufgaben von Armee, Zivilschutz und Zivildienst bestehen weiterhin, inklusive Unterstützung in der Pflege und Betreuung in Gesundheits- oder sozialen Institutionen. Es werden zusätzliche Diensttage im Katastrophenschutz generiert.

Organisatorisch und administrativ wird die Sicherheitsdienstpflicht indes nicht einfacher, da die Anzahl an verantwortlichen Stellen in den Kantonen und Gemeinden im Vollzug steigen dürfte. Konkret steigt durch die Integration des Zivildienstes in den Katastrophenschutz die Zahl der durch die Kantone zu betreuenden Dienstpflichtigen.

Je nach Umfang der Aufgaben, die aus der Armee in den Katastrophenschutz ausgelagert werden, muss seitens Kantone ein erheblicher Aufwand betrieben werden, um diese Leistungen aufzubauen. Die Kostenfolge ist substanziell, muss aber noch beziffert werden. Damit werden aber auch die Mittel der Kantone zur Bewältigung von Katastrophen und Notlagen gestärkt. Zudem können Dienstpflichtige des heutigen Zivildienstes einfacher für Einsätze bei Katastrophen und Notlagen eingesetzt werden, indem sie in Formationen organisiert werden, spezielle Ausrüstung erhalten und kurzfristiger aufgeboten werden können.

Ob und wie ein Abbau der heutigen Fähigkeiten der Armee im Bereich der Spitalpflege und der Rettung sich auf Bestand und Leistungsprofil die Armee auswirkt, muss bei einer Umsetzung dieser Variante geprüft werden.

Mit dieser Variante ist ein stärkerer Einbezug von Frauen nicht vorgesehen.

Insgesamt ist mit höheren Kosten zu rechnen, wobei die Verteilung der Kosten zwischen Bund und Kantonen für den Katastrophenschutz zu prüfen ist. Zudem werden Aufgaben und Verantwortlichkeiten an die Kantone abgetreten
und ausgedehnt, weil sie neu für den Einsatz der bisherigen Zivildienstleistenden und die Erbringung der Leistungen im Katastrophenschutz, inkl. Spitalpflege und Rettung, zuständig sind.

Schliesslich stellt sich die Frage, inwiefern die Dienstgerechtigkeit gegeben ist. Auf der einen Seite wird mit der Angleichung der Dienstpflicht im Katastrophenschutz und in der Armee diesbezüglich etwas getan. Auf der anderen Seite leisten Sicherheitsdiensttaugliche, die aus Gewissensgründen in den Katastrophenschutz eingeteilt werden, einen 1,5-mal längeren Dienst als jene, die direkt in den Katastrophenschutz eingeteilt werden.

Beurteilung der Variante in der Umfrage und in den Anhörungen Die Eckwerte der Sicherheitsdienstpflicht schnitten in der Umfrage und den Anhörungen gegenüber dem heutigen System und auch gegenüber den anderen Varianten 25 / 66

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relativ gut ab. Positiv wurde aufgenommen, dass die Dienstpflicht grundsätzlich nicht ausgeweitet wird. Positiv bewertet wurde ebenfalls, dass diese Variante wie heute grundsätzlich vom Bedarf ausgeht, anstatt aus Prinzip eine Dienstleistung für alle vorzusehen. Die Sicherheitsdienstpflicht widerspricht aber dem vielseitig geforderten Ansatz, dass die Dienstpflicht flexibler werden müsste und stärker auf Freiwilligkeit abstellen sollte.44 Mögliche Untervariante Es wäre möglich, zusammen mit der Einführung der Sicherheitsdienstpflicht den Orientierungstag für Frauen obligatorisch zu erklären. Damit könnte ein stärkerer Einbezug der Frauen gefördert werden. Eine Armee mit mehr Frauen würde die Gesellschaft besser repräsentieren und könnte zudem die Unsicherheit bezüglich der nachhaltigen Sicherung der Armeebestände verringern.

3.3

Variante bedarfsorientierte Dienstpflicht

Der Bundesrat hatte das VBS am 28. Juni 2016 beauftragt, die Alimentierungsanalyse auch auf der Grundlage des «norwegischen Modells» durchzuführen, das im Bericht der Studiengruppe Dienstpflichtsystem beschrieben wurde. Die im Folgenden dargestellte Variante bedarfsorientierte Dienstpflicht entspricht in ihren Grundzügen einer schweizerischen Version des «norwegischen Modells».

A.

Ausgestaltung der Dienstpflicht

Dienstpflichtige Bevölkerungsgruppe, Freiwillige Alle Schweizerinnen und Schweizer sind dienstpflichtig. Die Armee und der Zivilschutz wählen daraus jene aus, die sie zur Erreichung ihrer Bestände und zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen: Die Anzahl und die Profile der tatsächlich rekrutierten Dienstpflichtigen orientieren sich am Bedarf der beiden Organisationen.

Mit der Ausweitung der Dienstpflicht auf Schweizer Frauen ergibt sich eine Verdoppelung der Anzahl Stellungspflichtiger auf rund 70 000 pro Jahr. In der Annahme, dass die Tauglichkeitsquote bei ungefähr 80 Prozent bleibt, werden damit pro Jahr rund 56 000 und über eine Einteilungsdauer von 10 Jahren ohne Berücksichtigung der Abgänge rund 560 000 Dienstpflichtige als tauglich beurteilt. Diese kommen für einen Dienst in der Armee oder im Zivilschutz in Betracht. Tatsächlich persönlich Dienst leisten davon aber nur rund die Hälfte, wenn man vom heutigen Effektivbestand der Armee (140 000) und von der Ziele Zielgrösse im Zivilschutz (72 000) ausgeht. Dazu kommen rund 30 000 Dienstpflichtige, die aus Gewissensgründen einen zivilen Ersatzdienst leisten.45

44 45

Eine ausführlichere Darstellung der Beurteilung der erarbeiteten Varianten in Umfrage und Anhörungen ist in Anhang 3 enthalten.

Über die letzten 10 Jahre wechselten im Durchschnitt jährlich rund 6000 Militärdiensttaugliche in den Zivildienst. Bei einem Rückgang um die Hälfte (auf 3000) und einer Dienstdauer von 10 Jahren ergibt das rund 30 000 Zivildienstpflichtige.

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Auswahlkriterien für Rekrutierung und Zuteilung An der Rekrutierung wird ähnlich wie heute festgestellt, ob eine Person für eine Dienstleistung in der Armee oder im Zivilschutz tauglich ist. Entscheidend dafür, wie viele diensttaugliche Stellungspflichtige der Armee oder dem Zivilschutz zugeteilt werden, ist der quantitative und qualitative Bedarf beider Organisationen. Bestimmend dafür, wer Dienst in der Armee oder im Zivilschutz leisten muss, ist die Eignung jedes einzelnen Stellungspflichtigen: Für jede Funktion in Armee und Zivilschutz werden die aufgrund physischer und psychischer Voraussetzungen und Fähigkeiten am besten geeigneten Dienstpflichtigen ausgewählt. Darüber hinaus werden soweit möglich Entwicklungswünsche, Entwicklungspotenzial und die berufliche Laufbahnplanung der Stellungspflichtigen berücksichtigt.

Es werden Tauglichkeitsstufen definiert, welche die Funktionen in Armee und Zivilschutz abdecken. Stellungspflichtige mit denselben körperlichen und gesundheitlichen Voraussetzungen und Fähigkeiten können so der Armee oder dem Zivilschutz zugeteilt werden. Es besteht für die Dienstpflichtigen keine freie Wahl zwischen Armee und Zivilschutz; die Bedürfnisse der Armee werden prioritär berücksichtigt.

Ersatzdienst Der zivile Ersatzdienst aus Gewissensgründen besteht nach wie vor. Neu stellt sich die Frage des Gewissenskonfliktes aber nicht mehr bei allen militärdiensttauglichen Personen, sondern nur noch bei jenen Frauen und Männern, die tatsächlich zum Militärdienst herangezogen werden. Es ist anzunehmen, dass es vor der Rekrutenschule weniger Gesuche als bisher für den zivilen Ersatzdienst gibt. Aufgrund der Verdoppelung des Rekrutierungspools können in erster Linie Personen rekrutiert werden, die sowohl militärdiensttauglich sind als auch den Militärdienst mit dem Gewissen vereinbaren können. Das dürfte auch spätere Übertritte in den zivilen Ersatzdienst um rund die Hälfte reduzieren.

Ersatzabgabe, positive Anreize Da voraussichtlich nur ca. die Hälfte der Dienstpflichtigen tatsächlich rekrutiert wird, entsteht eine Ungleichbehandlung zwischen Rekrutierten und nicht Rekrutierten.

Diese muss entweder durch Anreize oder Nachteile kompensiert werden. In Norwegen funktioniert dieses System hauptsächlich mit Anreizen: Zum einen schafft die strenge Selektion per se einen hohen Anreiz,
zu den für den Militärdienst Ausgewählten zu gehören. Zudem werden Dienstleistende für eine Anstellung beim Staat bevorzugt. Aus diesen Gründen bemühen sich norwegische Dienstpflichtige um die Rekrutierung. In der Schweiz wäre es denkbar, folgende negative oder positive Anreize zu schaffen: ­

Von Dienstpflichtigen, die keinen Dienst leisten müssen, könnte eine Wehrpflichtersatzabgabe eingefordert werden. Von der Ersatzabgabe ausgenommen wären Personen, die eine IV-Rente beziehen, eine Integritätsschädigung von über 40 Prozent aufweisen oder im Militär oder Zivilschutz eine Gesundheitsschädigung erlitten haben, die zur Untauglichkeit geführt hat.

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­

Alternativ könnten positive Anreize, finanzieller oder anderer Art, für das Leisten der Dienstpflicht geschaffen werden. So wären finanzielle Entschädigungen oder Ausbildungsgutschriften denkbar. Theoretisch möglich wären auch ein höherer Erwerbsersatz oder Erleichterungen bei der Einkommenssteuer, wobei diese Massnahmen wenig effektiv bzw. aus Optik der Steuergerechtigkeit problematisch sein können. Die finanziellen Anreize könnte einer Zulagen-Logik folgen und sich je nach Funktion und Bewertung unterscheiden. Beispielsweise könnte für lange Arbeitstage, Nacht- und Wochenendarbeit, Risiko aufgrund der Tätigkeit und als Versetzungsentschädigung ein Zuschlag gewährt werden. Auch mit weitergehenden Zertifizierungen und der Anrechnung von Ausbildungsinhalten könnten Vorteile geschaffen werden.

Die Art und Ausgestaltung von Anreizen muss im Vorfeld der Umsetzung geprüft und festgelegt werden.

Aufgaben der Dienstpflichtigen An den Aufgaben von Armee, Zivilschutz und Zivildienst und der Aufgabenteilung zwischen diesen Sicherheitsorganisationen ändert sich nichts. Die Aufgaben der Dienstpflichtigen bleiben gleich wie heute.

Art der Erfüllung und Dauer der Dienstpflicht Ein Grossteil der Dienstpflichtigen leistet einen Grunddienst, gefolgt von jährlichen Wiederholungskursen bis zur Erfüllung der Dienstpflicht. Die Erhöhung des Durchdieneranteils für gewisse Funktionen in der Armee oder die Einführung von Durchdienerfunktionen im Zivilschutz können bei Bedarf in Betracht gezogen werden.

Sämtliche Diensttage müssen nach der Rekrutierung im Zeitraum von zehn Jahren geleistet werden. Auch nach Erfüllung der zu leistenden Diensttage können Dienstpflichtige bis ans Ende ihrer Einteilungsdauer für Einsätze aufgeboten werden.

Strukturen und Organisationen Die Strukturen und Organisationen bleiben im Wesentlichen unverändert. Die Armee bleibt ein Mittel des Bundes, der Zivilschutz primär eine Organisation der Kantone.

Die Bestände von 140 000 Armeeangehörigen und 72 000 Zivilschutzangehörigen können erreicht werden, bei Bedarf auch höhere. Der Bund setzt für den Zivilschutz weiterhin die rechtlichen und konzeptionellen Rahmenbedingungen und hat eine Koordinationsfunktion.

B.

Finanzielle Folgen

Die Kosten dieser Variante lassen sich nur teilweise beziffern. Zunächst müssen Unterkünfte und Ausbildungsinfrastruktur in Armee und Zivilschutz geschlechtsspezifisch angepasst werden. Nach dieser Umstellung ist mit höheren Kosten für die Rekrutierung, die Laufbahnbegleitung und die Entschädigung der Dienstleistenden sowie allenfalls mit steuerlichen Mindereinnahmen zu rechnen, falls dieser Anreiz gewählt wird. Umgekehrt fallen bei der Ersatzabgabe beträchtliche Mehreinnahmen an, falls

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diese von den Dienstpflichtigen, die keinen Dienst leisten müssen, tatsächlich eingefordert werden sollte. Die folgenden Angaben basieren auf der Annahme, dass dies der Fall ist.

Erwerbsersatz (EO) Die Kosten der EO für die Armee (bisher jährlich rund 550 Millionen Franken) fallen aufgrund der grösseren Zahl Personen im Rekrutierungsprozess46 und den dadurch mehr geleisteten Diensttagen um rund 10 Millionen Franken höher aus. Weil auch bei dieser Variante bei der Rekrutierung gründlichere Abklärungen vorgenommen werden, fallen weitere Zusatzkosten von schätzungsweise 10 Millionen Franken jährlich an. Wenn der Ansatz des Erwerbsersatzes von heute 80 Prozent erhöht würde, um einen positiven Anreiz zu schaffen, wären die Mehrkosten neu zu berechnen.

Die Erwerbsersatzkosten des Zivilschutzes von heute jährlich rund 50 Millionen Franken steigen um 150 Millionen Franken, wenn pro dienstpflichtige Person jährlich 25 Diensttage geleistet werden (heute sind es durchschnittlich 6 Diensttage pro Jahr).47 Wenn, wie angenommen, rund die Hälfte weniger Stellungspflichtige in den Zivildienst wechseln, sinken die Kosten der EO für den Zivildienst von rund 160 Millionen Franken im Jahr 2017 um etwa 80 Millionen Franken.

Bei dieser Variante betragen die jährlichen EO-Kosten insgesamt rund 850 Millionen Franken und fallen damit insgesamt rund 90 Millionen Franken höher aus als heute.

Sollte der Erwerbsersatz erhöht und/oder teilweise von Einkommenssteuer befreit werden, müssten die Mindereinnahmen berechnet werden.

Eine Erhöhung des Erwerbsersatzes dürfte indessen kein wirksames Instrument sein, da viele Arbeitgeber bereits heute 100 Prozent des Lohnes decken. Die Erhöhung käme somit in vielen Fällen den Unternehmen statt den Dienstpflichtigen zu Gute und könnte somit weitgehend wirkungslos verpuffen.

Weitere Kosten Die Aufwendungen für die zentrale Rekrutierung der Dienstpflichtigen werden über den Umstellungsaufwand hinaus um 20 bis 30 Prozent steigen. Zunächst müssen pro Jahr alle 70 000 Stellungspflichtigen administrativ erfasst werden. Die Anzahl der Zuteilungsentscheide bleibt zwar ungefähr gleich, aber aus der Menge der Dienstpflichtigen müssen die geeigneten Rekrutinnen und Rekruten ausgewählt werden. Die genauen Kosten sind noch zu beziffern.

Anpassungen an der Infrastruktur für eine geschlechterspezifische
Unterbringung verursachen Mehrkosten. Die Kostenfolgen hängen von der einzelnen Infrastruktur ab und lassen sich noch nicht beziffern. Anpassungen wie zum Beispiel Kinderbetreuung führen ebenfalls zu noch nicht quantifizierbaren, aber tendenziell moderaten Mehrkosten.

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Weil Schweizer Männer und Frauen dienstpflichtig sind und erst am Schluss der Rekrutierung über die Verwendung entschieden wird, werden doppelt so viele Personen wie heute die dreitägige Rekrutierung durchlaufen.

Zahlen für 2017: Bundesamt für Sozialversicherungen: Schweizerische Sozialversicherungsstatistik 2020, Seiten 96-97.

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Im Zivilschutz leisten Schutzdienstpflichtige auch in dieser Variante rund viermal so viel Diensttage wie heute (wobei diese Annahme mit Blick auf den Bedarf und die Kosten noch geprüft wird). Damit steigen die heutigen Kosten für Verwaltung, Führung, Ausbildung, Einsätze und Material von rund 200 Millionen48 auf jährlich rund 800 Millionen Franken.

Die Vollzugsaufwendungen des Bundesamtes für Zivildienst können aufgrund der angenommenen tieferen Zahl an Übertritten in den Zivildienst schätzungsweise um die Hälfte reduziert werden, von 37 Millionen Franken im Jahr 2017 auf rund 18,5 Millionen. Die Einnahmen aus den Abgaben der Einsatzbetriebe gehen im gleichen Mass von 33 Millionen auf rund 16,5 Millionen Franken zurück.

Wehrpflichtersatzabgabe Bei dieser Variante steigt die Zahl an Abgabepflichtigen stark an, weil der Pool an Ersatzabgabepflichtigen mit dem Einbezug der Frauen verdoppelt wird und ungefähr die Hälfte aller Dienstpflichtigen keinen persönlichen Dienst leistet. Damit erhöhen sich in gleichem Mass auch die Einnahmen über die Abgabe. Bei einer Jahreskohorte von 35 000 und 20 Prozent vollständig Ersatzpflichtiger wurden im Jahr 2017 rund 170 Millionen Franken49 Wehrpflichtersatzabgabe entrichtet. Bei einer Jahreskohorte von 70 000 und 50 Prozent vollständig Ersatzpflichtiger sind es rund 870 Millionen Franken.

C.

Rechtliche Folgen

Armee und Zivilschutz rekrutieren nach Bedarf für staatliche Sicherheitsaufgaben.

Die Vereinbarkeit einer Ausdehnung der Militär- und Schutzdienstpflicht auf Schweizer Frauen mit dem Zwangsarbeitsverbot ist noch konkret zu prüfen. Der zivile Ersatzdienst ist im gleichen Mass wie heute mit dem Zwangsarbeitsverbot kompatibel.

Weil lediglich Armee und Zivilschutz Dienstpflichtige rekrutieren und diese darüber hinaus nur nach Bedarf einsetzen, ist auch die Arbeitsmarktneutralität gegeben.

Ebenso wird das Wettbewerbsverbot eingehalten. Die Kompatibilität des zivilen Ersatzdienstes mit der Arbeitsmarktneutralität und dem Wettbewerbsverbot muss wie heute fallweise geprüft werden.

Die Verpflichtung der Frauen zum Dienst, der Wechsel auf eine bedarfsorientierte Rekrutierung und die Neuregelung des Wehrpflichtersatzes erfordern eine Revision der Artikel 59 und 61 BV. Weiter sind Bundesgesetze (namentlich MG, BZG und WPEG) und nachgelagerte Rechtsgrundlagen anzupassen.

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Diese Kosten für Verwaltung, Führung, Ausbildung, Einsätze und Material teilen sich auf in rund 180 Millionen Franken auf Stufe Kantone und rund 20 Millionen Franken auf Stufe Bund. Quelle: Bundesamt für Bevölkerungsschutz, 2020.

www.estv.admin.ch/dam/estv/de/dokumente/wpe/Die-Abgabe-kurz-erklaert.pdf. download.pdf/Die-Abgabe-kurz-erklaert_20190101_d.pdf

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D.

Beurteilung der Variante

Allgemeine Beurteilung Dieser Variante liegt ein neues Verständnis von Dienstgerechtigkeit zugrunde: Frauen und Männer sind dienstpflichtig. Dienst leistet allerdings nur, wer von Armee oder Zivilschutz tatsächlich gebraucht wird. Die Variante enthält aber auch konservative Elemente: Das Dienstpflichtsystem bleibt wie heute auf die Alimentierung von Sicherheitsorganisationen ausgerichtet, und die Aufgaben von Armee, Zivilschutz und Zivildienst bleiben gleich, ebenso wie die Bestände von Armee und Zivilschutz.

Beitrag zur Sicherung der Bestände von Armee und Zivilschutz Die Variante ermöglicht es der Armee und dem Zivilschutz, aus einem grossen Reservoir die Qualifiziertesten und Motiviertesten auszuwählen. Die Rekrutierungsbasis wird verdoppelt, wodurch auf einen weiteren Kreis von Personen und Kompetenzen zurückgegriffen werden kann als heute. Es wird einfacher, die Spezialistinnen und Spezialisten zu rekrutieren, die in Armee und Zivilschutz benötigt werden. Verändern sich die Aufgaben der Einsatzorganisationen oder ergeben sich neue Anforderungen aus der Bedrohungslage, lassen sich die benötigten Fähigkeiten oder ein Mehrbedarf flexibler als heute rekrutieren. Die Bestände sind deshalb bei dieser Variante gesichert.

Bezug zur Sicherheit Bei dieser Variante ist der Bezug der Dienstleistung zur Sicherheit ähnlich wie heute.

Dienstpflichtige werden in erster Linie für Schutz, Verteidigung und die Bewältigung von Katastrophen und Notlagen eingesetzt, womit der Sicherheitsbezug gegeben ist.

Wie bei der Sicherheitsdienstpflicht ist der Teil der Dienstleistungen, der ausserhalb des Sicherheitsbereichs erbracht wird, politisch und gesellschaftlich bereits heute akzeptiert, sodass eine Weiterführung naheliegend und ein leichter Ausbau annehmbar ist.

Bedarf Mit der bedarfsorientierten Dienstpflicht wird zwar die Dienstpflicht auf Frauen ausgeweitet, es leisten jedoch nur diejenigen Dienst, die für die Alimentierung von Armee und Zivilschutz erforderlich sind. Wie bei der Sicherheitsdienstpflicht werden neue Kapazitäten geschaffen, wenn Schutzdienstpflichtige mehr Diensttage effektiv leisten als heute. Abgesehen von Dienstleistungen in den Bereichen Gesundheit/Soziales und Umwelt/Natur können die erbrachten Dienstleistungen auch in dieser Variante nur durch eine Dienstpflicht gedeckt werden. Der Bedarf
ist damit im gleichen Mass wie bei der Variante Sicherheitsdienstpflicht gegeben.

Weitere Aspekte Die Variante hat das Potenzial, die Gleichstellung von Mann und Frau zu stärken, indem neu auch Frauen Pflichten übernehmen, die bislang nur Männer hatten. Auf der anderen Seite gilt die Gleichstellung in anderen Bereichen, wie z. B. in der Arbeitswelt und bezüglich Kinderbetreuung, in weiten Teilen der Gesellschaft als noch nicht realisiert, was die Akzeptanz dieser Variante tendenziell verringert.

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Anreize für Rekrutierte müssten in der Schweiz anders ausgestaltet werden als in Norwegen. Vorteile bei der Vergabe von Bundesstellen würden zu einer Privilegierung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe führen und scheinen auch im Hinblick auf die Wehrgerechtigkeit für die Schweiz unangemessen. Um eine Bestrafung von nicht Rekrutierten und Untauglichen durch die Wehrpflichtersatzabgabe zu vermeiden, könnte darauf verzichtet werden. Das hätte aber erhebliche finanzielle Implikationen und müsste noch vertieft geprüft werden.

Im Gegensatz zur Sicherheitsdienstpflicht bleiben die bisherigen Organisationen bestehen. Auf Stufe Bund und Kantonen bleiben die Verantwortlichkeiten unverändert, und mögliche Synergien einer Fusion von Zivildienst und Zivilschutz wie bei der Sicherheitsdienstpflicht entfallen.

Wenn die Wehrpflichtersatzabgabe von den Dienstpflichtigen, die keinen Dienst leisten müssen, tatsächlich eingefordert wird, würden die Einnahmen des Bundes stark ansteigen.

Auch bei dieser Variante stellt sich die Frage nach der Dienstgerechtigkeit. Auf der einen Seite wird mit der Angleichung der Dienstpflicht von Schutzdienstpflichtigen und Militärdienstpflichtigen diesbezüglich etwas getan. Auf der anderen Seite müssten wegen einer Wehrpflichtersatzabgabe für nicht Rekrutierte viel mehr Dienstpflichtige diese Abgabe entrichten. Diese Frage ist allenfalls zu vertiefen.

Beurteilung der Variante in der Umfrage und in den Anhörungen Die Vorzüge der bedarfsorientierten Rekrutierung und der gleichbleibenden Art der Dienstleistungen wurden in der Umfrage und in den Anhörungen anerkannt. Trotzdem fand diese Variante weniger Anklang als die Sicherheitsdienstpflicht.

So wurde zwar der Grundsatz von gleichen Pflichten für Mann und Frau begrüsst. Es gab aber Zweifel, ob es opportun wäre, Frauen neue Pflichten aufzuerlegen, bevor die Gleichstellung in anderen Lebensbereichen besser realisiert worden ist. Klar abgelehnt wurde die Idee, dass dienstpflichtige Frauen, die nicht rekrutiert werden, Wehrpflichtersatz leisten müssten. Auch dem allgemein geäusserten Wunsch der jugendlichen Teilnehmenden nach Freiwilligkeit wird diese Variante nicht gerecht.50 Mögliche Untervariante Es wäre möglich, diese Variante mit der Sicherheitsdienstpflicht zu kombinieren, die eine Zusammenführung des heutigen Zivildienstes und
des heutigen Zivilschutzes in einen neuen Katastrophenschutz vorsieht. In einer solchen kombinierten Variante würde in der Praxis auch der obligatorische Orientierungstag für Frauen umgesetzt, zumal sie wegen des obligatorischen Dienstes ohnehin daran teilnehmen müssten.

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Eine ausführlichere Darstellung der Beurteilung der erarbeiteten Varianten in Umfrage und Anhörungen ist in Anhang 3 enthalten.

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3.4 A.

Variante Bürgerdienstpflicht ohne freie Wahl der Dienstart Ausgestaltung der Dienstpflicht

Dienstpflichtige Bevölkerungsgruppe In dieser Variante leisten alle Schweizer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger persönlich Dienst, soweit sie dazu physisch und psychisch in der Lage sind. Ausländische Staatsangehörige bleiben von der Dienstpflicht befreit.51 Der Dienst wird nach der Rekrutierung im Zeitraum von zehn Jahren geleistet. Wenn Dienstpflichtige die zu leistenden Diensttage bereits vorher absolviert haben, können sie bis zum Ende ihrer Dienstzeit von zehn Jahren immer noch für ausserordentliche Einsätze aufgeboten werden.52 Mit der Ausweitung der Dienstpflicht auf Schweizer Frauen ergibt sich eine Verdoppelung der Anzahl Stellungspflichtiger auf rund 70 000 pro Jahr. In der Annahme, dass die Tauglichkeitsquote bei ungefähr 80 Prozent bleibt, werden mit der Bürgerdienstpflicht pro Jahr rund 56 000 und über eine Einteilungsdauer von 10 Jahren ohne Berücksichtigung der Abgänge rund 560 000 Personen dienstpflichtig.

Aufgabenbereiche Der Bürgerdienst deckt die bisherigen Aufgaben von Armee und Zivilschutz ab, darüber hinaus aber auch Aufgaben jenseits des engeren Sicherheitsbereichs: Gesundheits- und Sozialdienste, Natur und Umwelt. Bereits heute leistet ein Grossteil der Zivildienstpflichtigen ihren Dienst in Einsatzbetrieben in solchen Bereichen.53 Mit dem Bürgerdienst wäre dies aber neu nicht nur als Ersatzdienst zum Militärdienst möglich, sondern als originärer Einsatzbereich. Diese Dienstleistungen werden in einem neuen Gefäss jenseits von Armee, Zivilschutz und Zivildienst erbracht. Auf eine starke inhaltliche Erweiterung der Tätigkeitsgebiete, wie sie das Postulat Vonlanthen, die Motion der Freisinnigen Fraktion oder auch die im Raum stehende Volksinitiative von servicecitoyen.ch vorschlagen, wird in dieser Variante verzichtet. (Dies ist Teil der Variante Bürgerdienstpflicht mit freier Wahl der Dienstart.)

Die Erfahrung im Vollzug des Zivildienstes zeigt, dass Betriebe im Betreuungsbereich daran interessiert sind, Dienstpflichtige für eine längere Einsatzdauer zu beschäftigen.

Deshalb werden für solche Aufgabengebiete möglichst lange Dienstperioden angestrebt. Bei Betrieben, die im Umweltschutz oder in der Prävention von Naturgefahren tätig sind, ist hingegen die Verweildauer pro Einsatz zweitrangig.

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Die Studiengruppe Dienstpflichtsystem hatte in ihrem Bericht die Möglichkeit aufgeführt, die Bürgerdienstpflicht auch auf in der Schweiz wohnhafte Ausländer auszuweiten. Die hier beschriebene Variante sieht davon ab.

Dafür wird ein Mobilisierungssystem geschaffen, das es erlaubt, bei Bedarf, z. B. bei Pandemien oder Naturkatastrophen, rasch und fokussiert auf einen Personalpool zuzugreifen.

2020 waren es rund 70 Prozent der im Zivildienst geleisteten Diensttage. Quelle: Jahresbericht ZIVI 2020.

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Rekrutierung und Zuteilung Bei der Rekrutierung wird für alle Dienstpflichtigen eine Tauglichkeitsbeurteilung durchgeführt. Das Rekrutierungsverfahren wird jedoch erweitert. Während es heute primär auf medizinische Tauglichkeit und die Erhebung körperlicher und psychischer Leistungs- und Belastungsfähigkeit ausgerichtet ist, werden künftig auch Eignung und Motivation für Aufgaben ausserhalb von Armee und Zivilschutz beurteilt. Eine Zuteilung zur Armee, zum Zivilschutz oder in ein neues Gefäss soll soweit möglich den persönlichen Fähigkeiten und Neigungen entsprechen.

Einschränkungen bei der Wahl des Einsatzbereichs, einschliesslich einer Zuweisung zu Armee oder Zivilschutz, sind aber unvermeidlich, wenn die Alimentierung dieser beiden Organisationen gesichert werden soll. Ein ziviler Ersatzdienst für Dienstpflichtige, die aus Gewissensgründen den Militärdienst nicht leisten können, muss deshalb bestehen bleiben. Er dauert wie heute 1,5-mal so lange wie die militärische Ausbildungsdienstpflicht. Wie bei der bedarfsorientierten Dienstpflicht wird auch bei dieser Variante angenommen, dass die Abgänge in den Zivildienst um etwa die Hälfte zurückgehen und während der 10 Dienstjahre noch rund 30 000 vorzeitige Abgänge aus der Armee zu verzeichnen sind.54 Bei rund 560 000 Dienstpflichtigen leisten damit 140 000 Dienstpflichtige Dienst in der Armee, 72 000 im Zivilschutz, 30 000 im Zivildienst und 310 000 im neuen Gefäss Bürgerdienst.

Ableistung und Vollzug der Dienstpflicht Der Dienst wird in Form eines Langzeitdienstes55 und vereinzelten kürzeren Diensten56 geleistet. Eine substanzielle Vergrösserung des heutigen Anteils an Diensterfüllung am Stück oder gar eine reine Durchdienerlösung kann für gewisse Dienstleistungen geprüft werden, beispielsweise im Bereich der Pflege und Betreuung. In der Armee und im Zivilschutz werden Zuweisung, Aufgebot und Modalitäten nach heutiger Praxis angewandt. Bei den neuen Tätigkeitsfeldern, in denen Dienstpflichtige eingesetzt werden, kommt das derzeitige Modell des Zivildienstes zum Tragen: Offiziell zertifizierte Einsatzbetriebe schreiben Plätze für Dienstpflichtige aus, auf die sich die Dienstpflichtigen nach Neigung und Verfügbarkeit selbständig melden können.

Staatliche Stellen überwachen, dass die Dienstpflichtigen innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Auflagen
ihrer Dienstpflicht nachkommen. Ob der Vollzug durch den Bund oder durch die Kantone zu steuern und zu überwachen ist, bleibt zu prüfen.

Dienstpflichtige erhalten Erwerbsersatz und sind während der Dienstleistung versichert. Dienstpflichtige, die als medizinisch untauglich beurteilt werden, haben einen Dienstpflichtersatz zu entrichten. Einsatzbetriebe in den Bereichen Gesundheit/Soziales und Natur/Umwelt haben wie die heutigen Einsatzbetriebe des Zivildienstes Abgaben zu entrichten.

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Über die letzten 10 Jahre wechselten im Durchschnitt jährlich rund 6000 Militärdiensttaugliche in den Zivildienst. Bei einem Rückgang um die Hälfte (auf 3000) und einer Dienstdauer von 10 Jahren ergibt das rund 30 000 Zivildienstpflichtige.

Vergleichbar mit der heutigen Rekrutenschule in der Armee oder einem langen Einsatz im Zivildienst.

Ähnlich wie die heutigen Wiederholungskurse in Armee und Zivilschutz oder jährliche Einsätze im Zivildienst.

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B.

Finanzielle Folgen

Erwerbsersatz (EO) Bei einer Jahreskohorte von rund 35 000 Dienstpflichtigen wurden in Armee, Zivilschutz und Zivildienst im Jahr 2017 rund 7,370 Millionen Diensttage geleistet. 57 Daraus resultierten Erwerbsersatzkosten von rund 760 Millionen Franken.

Bei einer Verdoppelung des jährlichen Rekrutierungspools auf rund 70 000 Stellungspflichtige und 56 000 Diensttaugliche ist mit gut 15 Millionen Diensttagen und Erwerbsersatzkosten von rund 1,6 Milliarden Franken jährlich zu rechnen. Davon entfallen rund 775 Millionen Franken jährlich auf Diensttage, die neu in den Bereichen Gesundheit/Soziales und Umwelt/Natur geleistet werden. Zudem ist damit zu rechnen, dass sich die Kosten für Sold und Versicherung ebenfalls verdoppeln.

Weitere Kosten für Bund und Kantone Diese Variante erfordert einen grösseren Aufwand für Rekrutierung, Personalbewirtschaftung und Betreuung der Einsatzbetriebe. Das generiert erhebliche Mehrkosten, deren Höhe jedoch noch zu erheben ist.

Bei der Armee wird der heutige Effektivbestand von 140 000 und beim Zivilschutz die heutige Zielgrösse von 72 000 Angehörigen beibehalten. Die Anzahl Diensttage pro Jahr wird damit bei der Armee gleichbleiben. Im Zivilschutz wird sie aber (wie bei den anderen Varianten) von 340 000 auf rund 1,36 Millionen zunehmen.58 Damit steigen die Kosten für Verwaltung, Führung, Ausbildung, Einsätze und Material von rund 200 Millionen59 auf rund 800 Millionen Franken jährlich.

Im Zivildienst wurden 2017 1,7 Millionen Diensttage geleistet. Künftig dürfte es bei einer Reduktion der Abgänge in den Zivildienst um die Hälfte zu einer Reduktion der Diensttage auf 850 000 pro Jahr kommen. Der Aufwand für den Vollzug des Zivildienstes würde damit um ungefähr die Hälfte reduziert, von 37 Millionen Franken auf rund 18,5 Millionen Franken jährlich. Gleichzeitig würden sich die Einnahmen des Bundes durch Beiträge von Einsatzbetrieben um rund die Hälfte von 33 Millionen auf 16,5 Millionen Franken reduzieren.

Der Aufwand für die Dienstpflichtigen, die im neuen Gefäss Bürgerdienst in Einsatzbetrieben in den Bereichen Gesundheit/Soziales und Umwelt/Natur Dienst leisten, ist analog zu den Kosten im Zivildienst zu berechnen. Die 310 000 Dienstpflichtigen werden rund 7,75 Millionen zusätzliche Diensttage pro Jahr leisten, womit mit einem

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Diese setzen sich zusammen aus rund 5,5 Millionen Diensttagen in der Armee, 0,3 Millionen im Zivilschutz und 1,8 Millionen Diensttagen im Zivildienst (Zahlen des Jahres 2017).

Heute leisten Schutzdienstpflichtige im Schnitt 6 Diensttage pro Jahr. Wenn inskünftig die Dienstpflicht von 245 Diensttagen in 10 Jahren geleistet werden muss, werden Schutzdienstpflichtige rund 25 Diensttage pro Jahr leisten, also rund viermal mehr als heute. Es ist noch zu prüfen, ob diese Erhöhung einem realen Bedarf entspricht und in Abwägung mit den Kosten angezeigt erscheint.

Diese Kosten für Verwaltung, Führung, Ausbildung, Einsätze und Material teilen sich auf in rund 180 Millionen Franken auf Stufe Kantone und rund 20 Millionen Franken auf Stufe Bund. Quelle: Bundesamt für Bevölkerungsschutz, 2020.

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Mehraufwand für den Vollzug von rund 170 Millionen Franken60 jährlich zu rechnen ist.

Insgesamt würde die Bürgerdienstpflicht gut 15 Millionen Diensttage61 pro Jahr generieren und in den Bereichen Ausbildung, Infrastruktur und Personal zu noch zu beziffernden Mehrkosten gegenüber dem heutigen System führen. Darin sind die Mehrkosten für die Rekrutierung und die prozentualen Zusatzkosten für Ausbildung, Infrastruktur und Personal der Armee noch nicht eingerechnet.

Volkswirtschaftliche Mehrkosten Mit der Bürgerdienstpflicht fallen rund 7,75 Millionen Diensttage mehr an als im heutigen System; diese fehlen in der Folge in anderen Teilen der Volkswirtschaft. Von 47 Arbeitswochen zu 5 Arbeitstagen ausgehend, ergibt dies ein Äquivalent von rund 33 000 Vollzeitstellen zu 235 Arbeitstagen. Bei einem Ansatz von 85 000 Franken pro Vollzeitstalle entspricht dies einem volkswirtschaftlichen Verlust von rund 2.8 Milliarden Franken in den anderen Teilen der Volkswirtschaft. Es ist fraglich, ob dieser Verlust durch den volkswirtschaftlichen Nutzen der Einsätze im Bürgerdienst kompensiert wird.

In den Einsatzbetrieben fallen heute für Zivildienstpflichtige neben den Abgaben an den Bund auch Aufwände im Bereich Sold, Verpflegung und Wegkosten an. Diese belaufen sich auf 30 Franken pro Diensttag (exklusive Übernachtungskosten, die aber bei der ganz grossen Mehrheit nicht anfallen). Bei 1,7 Millionen Diensttagen im Zivildienst sind das jährlich 54 Millionen Franken.62 Bei einer Bürgerdienstpflicht kommen gemäss obiger Berechnung weitere rund 7,75 Millionen Diensttage hinzu, was den Aufwand der Einsatzbetriebe um rund 245 Millionen Franken jährlich erhöht.

Wehrpflichtersatzabgabe Heute nimmt der Bund bei Jahreskohorten von rund 28 000 Dienstpflichtigen jährlich rund 174 Millionen Franken pro Jahr ein.63 Diese Einnahmen steigen bei Jahreskohorten von rund 56 000 Dienstpflichtigen voraussichtlich auf rund das Doppelte an.

Abgaben von Einsatzbetrieben Die Einsatzbetriebe, in denen Bürgerdienst geleistet wird, entrichten wie die heutigen Einsatzbetriebe des Zivildienstes64 Abgaben. Damit ergeben sich für den Bund Mehreinnahmen. Bei insgesamt 7,75 Millionen Diensttagen in diesem Bereich ist mit Er-

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2017 bezifferte das Bundesamt für Zivildienst den Aufwand für 1,7 Millionen geleistete Diensttage auf rund 37 Millionen Franken. Bei 7,75 Millionen Diensttagen ergäbe das einen Aufwand von rund 170 Millionen Franken.

Diese setzen sich zusammen aus 5,33 Millionen Diensttagen in der Armee, 1,36 Millionen Diensttagen Zivilschutz, 850 000 Diensttagen im Zivildienst und 7,75 Millionen Diensttagen in den Bereichen Gesundheit/Soziales und Umwelt/Natur.

Schätzung gemäss Angaben des Bundesamtes für Zivildienst, 2020.

Quelle: Eidgenössische Steuerverwaltung, 2020.

Im Jahr 2017 leisteten rund 19 000 Zivildienstpflichtige rund 1,7 Millionen Diensttage.

Hierfür entrichteten die Einsatzbetriebe Abgaben von rund 33,5 Millionen Franken in die Bundeskasse.

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trägen von rund 150 Millionen Franken jährlich zu rechnen (zusätzlich zum Zivildienst, bei dem mit rund der Hälfte der heutigen Erträge gerechnet werden kann, also 16,5 Millionen Franken).65 C.

Rechtliche Folgen

Für die Einführung der Bürgerdienstpflicht muss die Bundesverfassung revidiert werden. Ausserdem sind Bundesgesetze66 und nachgelagerte Rechtsgrundlagen, inklusive der kantonalen Gesetzgebung, anzupassen.

Bei einer Bürgerdienstpflicht sind wesentlich mehr Dienstpflichtige in Bereichen zu platzieren, die auch durch andere ­ private, freiwillige oder kommerzielle ­ Anbieter abgedeckt sind oder werden könnten. Damit wird die Vereinbarkeit des Bürgerdiensteinsatzes mit der Arbeitsmarktneutralität und die Anerkennung der Wichtigkeit der Freiwilligenarbeit schwieriger. Wie stark die Forderung nach Arbeitsmarktneutralität künftig gewichtet werden soll und ob Dienstpflichtige auch eingesetzt werden sollten, wenn die Arbeitsmarktneutralität damit verletzt und die Freiwilligenarbeit geschwächt wird, müsste noch geklärt werden.

Auch die Frage der Vereinbarkeit mit dem Verbot der Zwangsarbeit wird zu beantworten sein. Die Studiengruppe Dienstpflichtsystem erachtete sogenannte «Gemeinschaftsdienste» wie die Prävention von Naturgefahren und Beiträge zu Pflege und Betreuung als umstritten. Bei einer letztmaligen Beurteilung im Jahr 2016 erachteten die Rechtsdienste des VBS und das Bundesamt für Justiz diese Gemeinschaftsdienste als mit dem Zwangsarbeitsverbot nicht vereinbar. In der Zwischenzeit hat es keine neuen Entscheide des Europäischen Gerichtshofs in dieser Frage gegeben. Daher bleibt das Bundesamt für Justiz bei seiner damaligen Beurteilung. Ob die Dienstpflicht in dieser Variante von einem Ausnahmebestand in der Europäischen Menschenrechtskonvention gedeckt ist, hängt damit von ihrer konkreten Ausgestaltung ab; eine Prüfung der Kompatibilität ist in jedem Fall angezeigt.

D.

Beurteilung der Variante

Allgemeine Beurteilung Die Dienstpflicht für Männer ist politisch und gesellschaftlich in der Schweiz akzeptiert. Mit der Bürgerdienstpflicht wird die Dienstpflicht auf Frauen ausgeweitet, was ein weiterer Schritt in Richtung Gleichbehandlung der Geschlechter wäre.67 Offen ist jedoch, ob der Bedarf an Leistungen, die Dienstpflichtige erbringen können, gross und dringend genug ist, um eine derart weitgehende neue Pflicht zu rechtfertigen. Zudem ist die volkswirtschaftliche Sinnhaftigkeit fraglich.

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Es wird mit der Hälfte der heutigen Erträge gerechnet, weil davon ausgegangen wird, dass die Abgänge in den Zivildienst um die Hälfte abnehmen.

Unter anderem MG, BZG, ZDG, WPEG und EOG.

Art. 8 Abs. 3 BV

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Beitrag zur Sicherung der Bestände von Armee und Zivilschutz Da bei der Bürgerdienstpflicht Dienstpflichtige auch gegen ihren Willen in die Armee eingeteilt werden können, muss ein alternativer Dienst in Form eines zivilen Ersatzdienstes weiterbestehen. Damit sind vorzeitige Abgänge aus der Armee aus Gewissensgründen weiterhin zulässig. Mit der doppelten Menge an Dienstpflichtigen sollten aber die Armeebestände gesichert werden können, wenn der Dienst in der Armee bei der Rekrutierung nach wie vor priorisiert wird. Die Zivilschutzbestände können wegen der Verdoppelung des Rekrutierungspools nachhaltig alimentiert werden.

Bezug zur Sicherheit Bei der Bürgerdienstpflicht werden Dienstpflichtige nicht wie heute mehrheitlich in der Armee und im Zivilschutz eingesetzt. Mehr als die Hälfte aller Diensttage werden im neuen Gefäss Bürgerdienst in den Bereichen Gesundheit/Soziales und Umwelt/Natur geleistet ­ Bereiche, die teilweise keinen Bezug zur Sicherheit haben. Damit ist bei dieser Variante der Bezug der Dienstleistung zur Sicherheit nur bedingt gegeben.

Bedarf Mit der Bürgerdienstpflicht wird die Dienstpflicht auf Frauen ausgeweitet und die Anzahl an zu leistenden Diensttagen mehr als verdoppelt. Die zusätzlichen Diensttage werden nicht für Schutz, Verteidigung oder Katastrophenbewältigung verwendet; die Bestände von Armee und Zivilschutz werden nicht verändert. Die Dienstpflicht richtet sich also nicht am Bedarf nach Sicherheitsleistungen im gewohnten Sinn aus.

Weitere Aspekte Die Ausweitung des Rekrutierungspools und der gleiche Zugang zu Ausbildungs- und Erfahrungsmöglichkeiten ist ein Schritt in Richtung Gleichstellung der Geschlechter und aus dieser Perspektive zu begrüssen. Die Bürgerdienstpflicht könnte durch den persönlichen Dienst für die Allgemeinheit auch den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft stärken. Es ist aber offen, ob die gesellschaftliche Akzeptanz neuer Bürgerpflichten für Frauen gegeben ist.

Es wird oft angenommen, die Bürgerdienstpflicht könnte insbesondere im Pflege- und Betreuungsbereich zu Entlastung beitragen. Der Nutzen dieser Dienstleistung müsste jedoch gesellschaftlich höher eingestuft werden als die Abneigung gegen neue und einschneidende staatliche Pflichten. Zudem muss das Bedürfnis nach Dienstpflichtigen für solche Aufgaben nicht mit anderen Mitteln gedeckt
werden können, damit die Dienstleistung nicht als Zwangsarbeit betrachtet würde. Es bestehen auch Zweifel, ob Dienstpflichtige mit ihrem Hintergrund, ihrer Ausbildung und Erfahrung den Anforderungen von Einsatzbetrieben entsprechen können. Kann mit Dienstpflichtigen ein wirkungsvoller Beitrag geleistet werden, stellt sich wiederum die Frage der Arbeitsmarktneutralität, weil Dienstpflichtige andere unqualifizierte oder tief qualifizierte Arbeitskräfte zumindest teilweise verdrängen. Diese Frage hat sich bisher nur im Zivildienst gestellt. Mit einer substanziellen Erhöhung der eingesetzten Personen in diesen Bereichen gewinnt sie an Bedeutung.

Damit verbunden ist auch die Frage nach der volkswirtschaftlichen Sinnhaftigkeit. Es erscheint nicht sinnvoll, ohne Not Personal der Wirtschaft zu entziehen, um es für

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Aufgaben einzusetzen, für welche es weniger qualifiziert ist als in seiner angestammten Tätigkeit.68 Die Erwerbsersatzkosten verdoppeln sich genauso wie die Wehrpflichtersatzeinnahmen, die Kosten steigen jedoch stärker als die Einnahmen. Der Personalaufwand beim Vollzug der Dienstpflicht im Gesundheits- und Umweltbereich vergrössert sich im gleichen Masse wie die Einnahmen über Abgabezahlungen der Einsatzbetriebe. Die volkswirtschaftlichen Mehrkosten eines solchen Systems sind jedoch beträchtlich.

Zudem fallen hohe Mehrkosten bei den Einsatzbetrieben in den Bereichen Gesundheit/Soziales und Natur/Umwelt an, wenn Dienstpflichtige nur ergänzend eingesetzt werden, aber keine Angestellten ersetzen. Wenn Letzteres doch der Fall sein sollte, würden sich wiederum heikle Arbeitsmarktfragen stellen.

Beurteilung der Variante in der Umfrage und in den Anhörungen In der Umfrage und den Anhörungen wurden Aspekte wie Sinnhaftigkeit und Gleichbehandlung, Dienst an der Gesellschaft, höhere Attraktivität der Dienstleistung für die persönliche Bereicherung und die inhaltliche Ausdehnung der Tätigkeiten positiv bewertet, insbesondere durch junge Teilnehmende. Allerdings wurde auch an der politischen Akzeptanz der Auferlegung von neuen Pflichten für Frauen gezweifelt.

Die Bürgerdienstpflicht stiess insbesondere bei den Vertretern der Wirtschaft auf Skepsis, weil die Ausweitung der Dienstpflicht sehr viele Dienstpflichtige ohne besondere Qualifikationen generieren würde, statt vom eigentlichen Bedarf auszugehen.

Dadurch würden die Effizienz leiden und die Kosten unverhältnismässig steigen, und man würde rasch in einen Konflikt mit der Arbeitsmarktneutralität geraten. 69

3.5 A.

Variante Bürgerdienstpflicht mit freier Wahl der Dienstart Ausgestaltung der Dienstpflicht

Dienstpflichtige Bevölkerungsgruppe Wie bei der Bürgerdienstpflicht leisten auch in dieser Variante alle Schweizer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger Dienst, soweit sie dazu physisch und psychisch in der Lage sind; sie können aber selber bestimmen, welche Art von Dienst sie leisten wollen. Ausländische Staatsangehörige bleiben von der Dienstpflicht befreit.

Auch bei dieser Variante ist von rund 70 000 Stellungspflichtigen pro Jahr auszugehen. In der Annahme, dass die Tauglichkeitsquote bei ungefähr 80 Prozent bleibt, werden pro Jahr rund 56 000 und über eine Einteilungsdauer von 10 Jahren (ohne Berücksichtigung der Abgänge) rund 560 000 Personen dienstpflichtig.

68 69

Eine Ausnahme ist der Bedarf von Armee und Zivilschutz, der nicht anders gedeckt werden kann.

Eine ausführlichere Darstellung der Beurteilung der erarbeiteten Varianten in Umfrage und Anhörungen ist in Anhang 3 enthalten.

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Aufgabenbereiche Diese Variante unterscheidet sich von der vorherigen in zwei elementaren Aspekten: Zum Ersten hat jede dienstpflichtige Person die freie Wahl, welche Art von Dienst sie leisten will. Die Armee wird also bei der Zuweisung nicht mehr priorisiert. Ihre Alimentierung kann deshalb nur über verstärkte positive Anreize sichergestellt werden.

Zum Zweiten leisten Dienstpflichtige in noch mehr Bereichen Dienst. Zusätzlich zu den Aufgabenbereichen der Bürgerdienstpflicht kommen hier Aufgaben hinzu, wie sie das Postulat Vonlanthen, die Motion der Freisinnigen Fraktion oder auch die angekündigte Volksinitiative von servicecitoyen.ch vorschlagen: z. B. politische Mandate auf Gemeindeebene, Ämter in Vereinen, Einsätze in Samaritervereinen, Verwendungen in Sportfunktionen. Der Aufgabenbereich wird somit auf Tätigkeiten ausgedehnt, die keinen Bezug zur Sicherheit haben. Diese zusätzlichen Aufgaben werden durch Dienstpflichtige in einem neuen Gefäss ausserhalb von Armee und Zivilschutz erbracht.

Rekrutierung und Zuteilung Bei der Rekrutierung werden alle Dienstpflichtigen im Hinblick auf ihre physische und psychische Tauglichkeit beurteilt. In der Folge werden die Diensttauglichen ausschliesslich nach Massgabe der persönlichen Fähigkeiten, Neigungen und Wünsche eingeteilt. Die Bedürfnisse der Armee werden im Gegensatz zu den anderen Varianten nicht priorisiert. Der Militärdienst muss deshalb mit Anreizen ausgestattet werden, damit genügend Diensttaugliche diese Dienstart wählen. Einen zivilen Ersatzdienst braucht es wegen der freien Wahl nicht mehr, wenn Militärdienstpflichtige bei späterem Auftreten eines Gewissenskonflikts ohne Weiteres in eine andere Art von Dienst wechseln können.

Ableistung und Vollzug der Dienstpflicht Der Dienst in Armee und Zivilschutz wird wie bisher in der Regel in Form eines Langzeitdienstes (Rekrutenschule in der Armee) und mehreren kürzeren Diensten (Wiederholungskurse) geleistet. Der Dienst in Bereichen mit geringerem oder gar keinem Bezug zur Sicherheit kann modularer ausgestaltet werden, wenn weder ein Langzeitdienst in der Art einer Rekrutenschule noch Kurzdienste in der Art von Wiederholungskursen in diesen Bereichen zweckmässig sind.

Staatliche Stellen sorgen dafür, dass die Dienstpflichtigen ihrer Dienstpflicht nachkommen. Ob der Vollzug auf Stufe Gemeinde,
Bund oder durch die Kantone zu steuern und zu überwachen ist, bleibt zu prüfen.

Dienstpflichtige erhalten Erwerbsersatz und sind während der Dienstleistung versichert. Dienstpflichtige, die als medizinisch untauglich beurteilt werden, haben einen Dienstpflichtersatz zu entrichten. Einsatzbetriebe in den Bereichen Gesundheit/Soziales und Natur/Umwelt haben wie die heutigen Einsatzbetriebe des Zivildienstes Abgaben zu entrichten. Für Dienstleistungen wie politische Mandate oder Ämter und Einsätze in Vereinen entrichten die davon profitierenden Gemeinden oder Kantone Abgaben an den Bund.

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B.

Finanzielle Folgen

Kosten und Einnahmen sind bei dieser Variante ähnlich wie bei der Variante Bürgerdienstpflicht. Das betrifft sowohl den Erwerbsersatz wie auch die weiteren Kosten (z. B. für Ausbildung, Infrastruktur, Personal sowie Verwaltung) und die Einnahmen des Wehrpflichtersatzes.

Eine Ausnahme besteht bei der Armee: Dort fallen Kosten für erhöhte Anreize zur Wahl des Militärdienstes an, damit die Armee genügend Dienstpflichtige erhält.

Weil der zivile Ersatzdienst wegen der freien Wahl der Dienstart nicht mehr notwendig ist, fallen die entsprechenden Aufwendungen und Einnahmen im neuen Gefäss Bürgerdienst an (allerdings nur zu zwei Dritteln, weil dann nicht mehr 368, sondern nur noch 245 Diensttage zu leisten sind). Auch die volkswirtschaftlichen Implikationen und die Aufwendungen von Einsatzbetrieben bewegen sich im gleichen Rahmen wie bei der Bürgerdienstpflicht.

C.

Rechtliche Folgen

Bei dieser Variante ergeben sich ähnliche rechtliche Folgen wie bei der Bürgerdienstpflicht. Aufgrund des noch einmal erweiterten Aufgabengebiets rücken die Überlegungen zur Arbeitsmarktneutralität und zum Zwangsarbeitsverbot jedoch noch stärker in den Vordergrund.

Dienstpflichtige werden noch vermehrt in Bereichen platziert, die durch andere Anbieter abgedeckt werden können. Dadurch ist die Vereinbarkeit mit der Arbeitsmarktneutralität noch schwieriger als bei der Bürgerdienstpflicht.

Schon bei den Gemeinschaftsdiensten zur Prävention von Naturgefahren und für Pflege und Betreuung, so wie sie heute im Zivildienst erbracht werden, ist umstritten, ob sie mit dem Verbot von Zwangsarbeit vereinbar sind. Es ist fraglich, ob Einsätze von Dienstpflichtigen in Bereichen, die mit Sicherheit nichts zu tun haben, mit dem Zwangsarbeitsverbot zu vereinen wären. Rechtliche Voraussetzung ist, dass die Bedürfnisse der Gesellschaft nur mit Dienstpflichtigen gedeckt werden könnten.

Damit die Armee zur Sicherung ihrer Bestände genügend Dienstpflichtige erhält, muss bei freier Wahl der Dienstart ein Anreizsystem für den Militärdienst geschaffen werden. Es ist noch offen, wie dies ausgestaltet werden kann, ohne zu einer Rechtsungleichheit zu führen.

D.

Beurteilung der Variante

Allgemeine Beurteilung Weil diese Variante grosse Ähnlichkeit mit der Variante Bürgerdienstpflicht hat, ist sie auch ähnlich zu beurteilen, allerdings mit zwei fundamentalen Ausnahmen: die freie Wahl der Dienstart und die Ausdehnung des Einsatzes von Dienstpflichtigen auf Bereiche ohne Bezug zur Sicherheit. Beide Aspekte werfen grundsätzliche Fragen auf: Sie gefährden die Zukunft der Armee und berühren die Frage, welche Leistungen der Staat von seinen Bürgerinnen und Bürgern verlangen darf.

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Beitrag zur Sicherung der Bestände von Armee und Zivilschutz Weil Dienstpflichtige nicht mehr verpflichtet werden können, Dienst in der Armee oder im Zivilschutz zu leisten, ist es ungewiss, ob die Bestände von Armee und Zivilschutz gesichert werden können. Der Rekrutierungspool wird gegenüber heute zwar verdoppelt, aber die nachhaltige Alimentierung von Armee und Zivilschutz hängt davon ab, ob genügend Dienstpflichtige diese Dienstarten freiwillig wählen, was massive Anreize voraussetzt, die wiederum politische und rechtliche Probleme aufwerfen.

Bezug zur Sicherheit In dieser Variante werden Dienstpflichtige nicht wie heute mehrheitlich in der Armee und im Zivilschutz eingesetzt. Mehr als die Hälfte aller Diensttage werden im neuen Gefäss in den Bereichen Gesundheit/Soziales, Umwelt/Natur und Ämter/Engagement in Politik und Vereinen geleistet ­ Bereiche, die einen weniger starken oder gar keinen Bezug zur Sicherheit haben. Damit besteht bei dieser Variante nur ein beschränkter Bezug der Dienstleistung zur Sicherheit.

Bedarf Die Ausrichtung der Dienstpflicht auf den Bedarf ist bei der Bürgerdienstpflicht mit freier Wahl der Dienstart am wenigsten gegeben. Mehr als die Hälfte der Diensttage wird nicht für die Sicherheit geleistet, und die Deckung des Bedarfs von Armee und Zivilschutz ­ der zwei zentralen Sicherheitsorganisationen, die auf der Dienstpflicht beruhen ­ wäre wegen der freien Wahl der Dienstart nicht gewährleistet.

Weitere Aspekte Weitere Aspekte ­ Gleichstellung der Geschlechter, Entlastung im Pflege- und Betreuungsbereich und volkswirtschaftliche Sinnhaftigkeit ­ sind gleich zu beurteilen wie bei der Bürgerdienstpflicht ohne freie Wahl der Dienstart.

Beurteilung der Variante in der der Umfrage und in den Anhörungen Diese Variante polarisierte am stärksten: Sie fand einerseits am meisten Zuspruch in der Umfrage und in den Anhörungen, insbesondere bei jungen Teilnehmenden. Vor allem die empfundene Sinnhaftigkeit dank der freien Wahl der Dienstleistungsart für die Gesellschaft und die gesteigerte Attraktivität für die persönliche Entwicklung wurden als positiv hervorgehoben. Diese Variante stiess aber anderseits auch mit Abstand auf die grössten Vorbehalte, zum Teil aus denselben Gründen wie bei der Bürgerdienstpflicht ohne freie Wahl der Dienstleistungsart. Kritisiert wurde vor allem, dass bei dieser Variante die Armeebestände kaum ­ oder nur mit massiven Anreizen ­ gesichert werden könnten.70

70

Eine ausführlichere Darstellung der Beurteilung der erarbeiteten Varianten in Umfrage und Anhörungen ist in Anhang 3 enthalten.

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3.6 A.

Überlegungen zu einem Status quo plus Grundsatz

Es ist möglich, das bestehende Dienstpflichtsystem nur punktuell weiterzuentwickeln, indem Schweizer Frauen verpflichtet werden, am Orientierungstag teilzunehmen. Der Orientierungstag ist für alle Schweizer Männer im 18. Altersjahr obligatorisch und für Frauen bislang freiwillig. Es werden folgende Themen behandelt: rechtliche Grundlagen; Aufgaben und Einsätze der Armee, des Zivilschutzes und des Rotkreuzdienstes; Dienstleistungsmodelle und Berufsmöglichkeiten in der Armee, im Zivilschutz und im Rotkreuzdienst; die Wehrpflichtersatzabgabe; Ablauf der Rekrutierung; Ausbildungs- und Karrieremöglichkeiten für Militärdienstpflichtige; ziviler Ersatzdienst.

Für Frauen würde nach wie vor keine Dienstpflicht bestehen, aber der obligatorische Orientierungstag könnte dazu beitragen, mehr Frauen freiwillig für den Militärdienst zu gewinnen.

Die Verpflichtung von Frauen zur Teilnahme am Orientierungstag kann auch mit der Sicherheitsdienstpflicht kombiniert werden. Bei den anderen drei Varianten wäre die Teilnahme der Frauen am Orientierungstag ohnehin obligatorisch, weil diese die Dienstpflicht auf Frauen ausweiten.

B.

Finanzielle Folgen

Wenn die Teilnahme am Orientierungstage auch für Frauen obligatorisch erklärt wird, fallen den Kantonen noch zu beziffernde, je nach Bevölkerungszahl unterschiedliche zusätzliche Kosten an. Diese betreffen vor allem das wegen der fast doppelten Anzahl von Teilnehmern und Teilnehmerinnen notwendige zusätzliche Personal für die Vorbereitung und Durchführung der Orientierungstage und Anpassungen der Infrastruktur.

Anpassungen der Infrastruktur für eine geschlechtsspezifische Unterbringung sind bei der Armee in jedem Fall zwingend. Ihr Ausmass hängt von der bestehenden Infrastruktur und der Anzahl Frauen ab, die auf diese Weise für den Militärdienst gewonnen werden können. Der Aufwand für Erwerbsersatz, Ausbildung und Ausrüstung sollte hingegen kaum ansteigen, da der Effektivbestand der Armee von 140 000 nicht erhöht wird.

C.

Rechtliche Folgen

Eine Verpflichtung der Frauen, am Orientierungstag teilzunehmen, erfordert gemäss einem Kurzgutachten der Universität St. Gallen vom 31. Januar 201871 eine Revision der Bundesverfassung, selbst wenn keine Dienstpflicht für Frauen eingeführt wird.

Weiter anzupassen sind das Militärgesetz und die Verordnung vom 22. November 201772 über die Militärdienstpflicht. Auch wenn die Rechtsetzungsarbeiten parallel zur Vorbereitung der Verfassungsrevision angegangen werden, beträgt der Zeitbedarf, inkl. Volksabstimmung, mehrere Jahre.

71

72

Kurzgutachten betreffend Verfassungsänderungsbedarf bei Einführung eines obligatorischen Orientierungstags für Schweizerinnen vom 31. Januar 2018. Erstellt im Auftrag des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport durch Prof. Dr. Benjamin Schindler und Ass.-Prof. Dr. Patricia Egli.

SR 512.21

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D.

Beurteilung

Allgemeine Beurteilung Es liegt unabhängig von den Bestandesproblemen im Interesse der Armee, mehr Frauen für den Militärdienst zu gewinnen. Wie in anderen Lebensbereichen erbringen auch in der Armee gemischte Teams bessere Leistungen. Die Armee könnte zudem zusätzliche Talente rekrutieren, die ihr heute entgehen. Die Verpflichtung zur Teilnahme der Frauen am Orientierungstag ­ bei klarer Kommunikation, dass für sie nach wie vor keine Pflicht zum Dienst in Armee oder Zivilschutz besteht ­ wäre ein massvoller Schritt in diese Richtung und könnte zudem zur Linderung der Bestandesprobleme beitragen.

Beitrag zur Sicherung der Bestände von Armee und Zivilschutz Obwohl die Verpflichtung von Frauen zur Teilnahme am Orientierungstag nicht nur zur Verbesserung der Armeebestände eingeführt würde, könnte davon ein Beitrag zur Sicherung der Armeebestände erwartet werden. Von den Frauen, die heute ­ freiwillig ­ den Orientierungstag besuchen, entscheidet sich ein beträchtlicher Anteil 73 dafür, auch die Rekrutierung zu absolvieren und Militärdienst zu leisten. Es gibt Anzeichen, dass der tiefe Frauenanteil in der Armee auch darauf zurückzuführen ist, dass junge Frauen die Ausgestaltung der Militärdienstpflicht und somit auch die persönlichen Chancen für sie nicht kennen. Wenn 10 Prozent der rund 35 000 Frauen, die jährlich den Orientierungstag besuchen würden, anschliessend zur Rekrutierung gingen, könnte bei einer Tauglichkeit von 80 Prozent mit einem jährlichen Zustrom von 2 800 Frauen gerechnet werden. Davon würden 2400 in der Armee und 400 im Zivilschutz Dienst leisten. Bei einer Dienstdauer von 10 Jahren sind das rund 24 000 weibliche Armeeangehörige und 4000 weibliche Schutzdienstpflichtige, die zusätzlich zur Verfügung stünden.

Bezug zur Sicherheit Beim Status quo plus ist der Bezug der Dienstleistung zur Sicherheit gegeben. Die zusätzlich Rekrutierten werden ausschliesslich in der Armee und im Zivilschutz eingesetzt, vorbehältlich eines späteren Wechsels aus Gewissensgründen in den Zivildienst.

Bedarf Die obligatorische Teilnahme von Frauen am Orientierungstag kann einen positiven Beitrag zur personellen Alimentierung der Armee leisten. Der Bedarf dafür besteht; die kommenden Alimentierungsprobleme der Armee sind ausgewiesen.

Weitere Aspekte Status quo plus hat den Vorteil, dass Frauen stärker
einbezogen werden, ohne dass ihnen eine neue Pflicht auferlegt wird. Damit dürfte eine solche Massnahme auf mehr Akzeptanz bei Arbeitgebern, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und vor allem bei den Frauen stossen. Sie bedeutet zudem den kleinsten Eingriff in das heutige 73

In den Jahren 2017 bis 2020 waren es zwischen 36 und 47 Prozent (Quelle: Armeeauszählung 2021, Kap 5.2, S/56).

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Dienstpflichtsystem. Wegen der nötigen Verfassungsrevision ist für die Umsetzung trotzdem mit mehreren Jahren zu rechnen. Die Einführung des obligatorischen Orientierungstags für alle präjudiziert keine allfälligen grundlegenden Anpassungen des Dienstpflichtsystems, lässt sich aber mit der Sicherheitsdienstpflicht kombinieren.

4

Gesamthafte Beurteilung der Varianten und der Überlegungen zum Status quo plus

Im Folgenden werden die vier Varianten, die anhand der drei Kriterien (1) nachhaltige Sicherung der Bestände von Armee und Zivilschutz, (2) Bezug zur Sicherheit und (3) Bedarf beurteilt worden sind, einander gegenübergestellt und gesamthaft beurteilt.

Sicherung der Bestände von Armee und Zivilschutz Drei Varianten haben das Potenzial, die bereits eingetretenen und absehbaren Alimentierungsprobleme zu beheben oder zumindest zu mildern: die Sicherheitsdienstpflicht, die bedarfsorientierte Dienstpflicht und die Bürgerdienstpflicht ohne freie Wahl der Dienstart: Die Sicherheitsdienstpflicht sichert die Rekrutierung und Alimentierung für den Zivilschutz nachhaltig, weil im Katastrophenschutz zusätzlich zum heutigen Zivilschutz Personen eingeteilt werden, die bisher Zivildienst leisteten. Ob das Alimentierungsproblem der Armee gleichzeitig auch gelöst wird, hängt davon ab, wie sich die Abgänge in den Zivildienst entwickeln.

Die bedarfsorientierte Dienstpflicht stellt die Alimentierung von Armee und Zivilschutz sicher, weil der Rekrutierungspool verdoppelt wird und der Bedarf dieser beiden Organisationen nach Dienstpflichtigen bestimmend dafür ist, wie viele und welche Frauen und Männer Dienst leisten.

Bei der Bürgerdienstpflicht ohne freie Wahl der Dienstart sollte die Alimentierung von Armee und Zivilschutz auch sichergestellt sein, weil der Rekrutierungspool gegenüber heute verdoppelt wird und diese beiden Organisationen bei der Zuteilung priorisiert werden.

Bei der Bürgerdienstpflicht mit freier Wahl der Dienstart ist es ungewiss, ob die Bestände von Armee und Zivilschutz gesichert werden können. Der Rekrutierungspool wird gegenüber heute zwar verdoppelt, aber die nachhaltige Alimentierung von Armee und Zivilschutz hängt davon ab, ob genügend Dienstpflichtige diese Dienstarten freiwillig wählen. Diese Variante ist zur nachhaltigen Sicherung der Bestände von Armee und Zivilschutz weniger geeignet als die anderen.

Schliesslich kann der Status quo plus die Bestände von Armee und Zivilschutz durch freiwillig dienstleistende Frauen verbessern. Das genügt jedoch nicht, um den Effektivbestand der Armee und die Zielgrösse des Zivilschutzes nachhaltig sicherzustellen.

Bezug zur Sicherheit Die Dienstpflicht ist bislang darauf angelegt, die zwei personell grössten sicherheitspolitischen Instrumente, Armee und Zivilschutz, zu alimentieren.

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Die Sicherheitsdienstpflicht und die bedarfsorientierte Dienstpflicht sowie der Status quo plus entsprechen dieser Absicht am ehesten. Der Bezug der Dienstleistung zur Sicherheit hängt jedoch bei beiden Varianten davon ab, in welchem Umfang die heutigen Schutzdienstpflichtigen auch ausserhalb der Bereiche mit Sicherheitsbezug Dienst leisten. Mit der massiven Erhöhung der effektiv zu leistenden Diensttage muss man aber davon ausgehen, dass die Dienstleistungen in den Bereichen Gesundheit/Soziales und Umwelt/Natur über das Ausmass des heutigen Zivildienstes hinausgehen.

Bei beiden Varianten der Bürgerdienstpflicht (ohne und mit freier Wahl der Dienstart) ist der Bezug zur Sicherheit am wenigsten gegeben. Mehr als die Hälfte aller Diensttage wird für Bereiche verwendet, die einen schwachen oder gar keinen Bezug zur Sicherheit haben. Die beiden Varianten erfüllen deshalb das Kriterium des Sicherheitsbezugs weniger gut.

Bedarf Auch bezüglich Bedarf schneiden die Sicherheitsdienstpflicht und die bedarfsorientierte Dienstpflicht sowie der Status quo plus am besten ab. Hier steht der eigentliche Bedarf an Dienstpflichtigen für Einsätze in Bereichen mit direktem Bezug zur Sicherheit im Zentrum. Eine Ausnahme bilden die Leistungen, die von heutigen Schutzdienstpflichtigen zusätzlich erbracht werden, wenn sie neu gleich viele Diensttage effektiv leisten sollen wie Militärdienstpflichtige. Aus heutiger Sicht ist noch offen, ob so viele zusätzliche Diensttage einem Bedarf entsprechen.

Mit beiden Varianten der Bürgerdienstpflicht wird hingegen der Rekrutierungspool verdoppelt und die Zahl der zu leistenden Diensttage mehr als verdoppelt. Damit werden ausserhalb des Bereichs, welcher der herkömmlichen Auffassung von Sicherheit entspricht, Kapazitäten geschaffen, für welche der Bedarf nicht per se gegeben ist.

Vertiefte Abklärungen Drei der fünf möglichen Weiterentwicklungen des Dienstpflichtsystems entsprechen am ehesten den Kriterien. Das sind die Sicherheitsdienstpflicht, die bedarfsorientierte Dienstpflicht und der Status quo plus. Es sind aber noch verschiedene Fragen offen, die zu klären sind.

Bei der Sicherheitsdienstpflicht ist festzulegen, ob und in welchem Ausmass Sicherheitsdienstpflichtige zusätzliche Diensttage effektiv leisten und inwiefern sie diese ausserhalb des Sicherheitsbereichs erbringen
sollen, denn davon hängen der Bezug zur Sicherheit und zum Bedarf sowie die Kosten ab. Eine weitere offene Frage besteht bezüglich der Dienstgerechtigkeit: In dieser Variante müssen Dienstpflichtige, die direkt dem Katastrophenschutz zugeteilt werden, ein Drittel weniger Diensttage leisten als Dienstpflichtige, die zum Tatbeweis für den Gewissenskonflikt von der Armee in den Katastrophenschutz umgeteilt werden. Das wirft Fragen der Ungleichhandlung auf. Es ist vertieft zu prüfen, ob eine solche Ungleichbehandlung tatsächlich besteht und wie diese gegebenenfalls entschärft werden kann. Auch die Kostenfolge der Sicherheitsdienstpflicht für Bund und Kantone und die genaue Rollenverteilung bei der Zuweisung und beim Vollzug im Katastrophenschutz sind zum Teil noch nicht geklärt.

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Die bedarfsorientierte Dienstpflicht ermöglicht zwar, die Bestände von Armee und Zivilschutz nachhaltig zu sichern. Sie auferlegt aber den Frauen eine neue Pflicht, was Fragen der gesellschaftlichen Akzeptanz aufwirft. Dazu kommt, dass bei dieser Variante jene Frauen, die trotz Dienstpflicht nicht rekrutiert werden, je nach Ausgestaltung eine Wehrpflichtersatzabgabe entrichten und somit durch die neue Pflicht bestraft würden. Diese Fragen müssen ebenfalls vertieft geprüft werden.

Der Status quo plus vermag zwar alleine die Bestände von Armee und Zivilschutz nicht zu sichern, dürfte aber den Anteil von Frauen erhöhen. Deshalb soll auch der Status quo plus im Hinblick auf die Umsetzung detaillierter ausgearbeitet werden, einschliesslich der rechtlichen, finanziellen und personellen Folgen. Der Status quo plus liesse sich auch mit der Sicherheitsdienstpflicht kombinieren, sollte diese Variante schliesslich zur Umsetzung vorgesehen werden.

5

Weitere untersuchte und verworfene Ansätze

Neben dem Status quo plus oder einer grundlegenden Anpassung des Dienstpflichtsystems entlang der ausgearbeiteten vier Varianten gäbe es alternative Ansätze zur langfristigen Sicherung der Bestände von Armee und Zivilschutz. So könnte der Zutritt zum Zivildienst erschwert, die Dienstpflicht verlängert oder der Armeebestand reduziert werden. Diese Wege führen jedoch aus verschiedenen Gründen nicht zum Ziel.

Erschwerung des Zutritts zum Zivildienst Dieser Ansatz würde darauf abzielen, Abgänge von Armeeangehörigen zu senken, die bereits einen Teil ihrer Ausbildungsdienstpflicht geleistet haben, also Abgänge während oder nach der Rekrutenschule. Dazu könnte die Dauer der Dienstpflicht im Zivildienst erhöht74 oder die Karenzzeit bis zum Vollzug eines Übertritts in den Zivildienst verlängert werden. Solche Massnahmen würden eine Revision des Zivildienstgesetzes erfordern. Die letzte Revisionsvorlage, die eine Verschärfung des Zutritts zum Zivildienst durch Massnahmen bezüglich der Dauer der Zivildienstpflicht verfolgte, wurde allerdings im Sommer 2020 von den eidgenössischen Räten abgelehnt. Die politische Akzeptanz für diesen Ansatz ist somit nicht vorhanden ist.

Zudem könnte die «Gewissensprüfung» wiedereingeführt werden, wie sie vor der Einführung des Tatbeweises praktiziert wurde. Dann müssten Antragsteller für den Zivildienst wieder glaubhaft begründen, weshalb der Dienst mit Waffe mit ihrem Gewissen nicht zu vereinbaren ist. Vor dem Wechsel zum Tatbeweis lag die Zulassungsquote von Gesuchstellern im Verfahren vor der Zulassungskommission allerdings bei rund 98 %, was ein Grund für den Systemwechsel war. Die Wirkung dieser Massnahme wäre somit fraglich. Auch ist die politische Akzeptanz nicht gegeben.

74

geringere Anrechnung der bereits geleisteten (Militär-)Diensttage

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Verlängerung der Dienstpflicht Ein anderer Ansatz zur Sicherung der Bestände von Armee und Zivilschutz wäre, die Einteilungsdauer und damit die Dienstpflicht zu verlängern. Die Bestände von Armee und Zivilschutz (bei gleichbleibenden Abgangszahlen) ergeben sich aus der Anzahl Eingeteilter, multipliziert mit der Anzahl Einteilungsjahre. Deshalb könnte die Alimentierung der beiden Organisationen mit einer Verlängerung gesichert werden.

Bei der Armee müsste die Dienstpflicht um zwei Jahre verlängert werden, um den Effektivbestand von 140 000 Armeeangehörigen bei gleichbleibenden Abgängen auch nach dem Ende des laufenden Jahrzehnts zu halten. Eine solche Verlängerung der Einteilung würde bei heutiger Initiierung frühestens 2032 Wirkung zeigen. Daher müsste in einer Übergangsphase bis 2032 auch die Dienstpflicht für bereits eingeteilte Armeeangehörige verlängert werden. Beim Zivilschutz müssten Eingeteilte mindestens vier Jahre länger Dienst leisten, damit die Bestände gesichert wären.

Diese Massnahme hat den grossen Nachteil, dass sie jene noch mehr belasten würde, die ihre Dienstpflicht vollständig absolvieren. Als Folge könnten die Abgänge in den Zivildienst noch mehr zunehmen, selbst wenn dessen Dauer ebenfalls proportional verlängert würde. Keine Option ist es, die Einteilungsdauer ohne Erhöhung der zu leistenden Diensttage zu verlängern, denn dies würde die Unterbestände in den Wiederholungskursen der Armee noch verschlimmern, weil dann sechs Wiederholungskurse über zwölf Jahre (statt wie bisher über zehn Jahre) geleistet werden müssten.

Aus diesen Gründen ist dieser Ansatz zu verwerfen.

Reduktion des Armeebestandes Ein weiterer Ansatz wäre, den Effektivbestand der Armee um rund 20 000 auf 120 000 zu reduzieren. Dafür gäbe es zwei Varianten: ­

Beibehaltung des Sollbestands von 100 000 Angehörigen, was eine Reduktion des Alimentierungsfaktors von 1,4 auf 1,2 bedeuten würde;

­

Reduktion des Sollbestandes auf rund 85 000 Armeeangehörige bei gleichbleibendem Alimentierungsfaktor von 1,4.

Im ersten Fall ­ bei gleichbleibendem Sollbestand, aber geringerer Alimentierung ­ wären im Einsatzfall deutlich weniger Armeeangehörige für die gleichen Leistungen verfügbar. Es ist anzunehmen, dass die Armee dann für Einsätze den Sollbestand von 100 000 nicht mehr erreichen würde. Damit wäre sie nicht mehr in der Lage, innerhalb der gleichen Fristen die gleichen Leistungen wie bisher zu erbringen, gerade auch im Bereich der wahrscheinlichen Einsätze, nämlich der Unterstützung ziviler Behörden.

Im zweiten Fall ­ bei einer Senkung des Sollbestandes um rund 15 000 Armeeangehörige ­ müsste das Leistungsprofil reduziert werden. Das würde die Fähigkeiten und die Bereitschaft der Armee zur Verteidigung gegen einen bewaffneten Angriff schwächen und die Leistungen zur Unterstützung der zivilen Behörden reduzieren. Beides ist angesichts der absehbaren Bedrohungen und Gefahren aus sicherheitspolitischer Sicht zu verwerfen.

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Abschreibung parlamentarischer Vorstösse

Die Frage einer Bürgerdienstpflicht wurde in jüngster Vergangenheit von den eidgenössischen Räten in einem parlamentarischen Vorstoss aufgenommen.75 Das Postulat 19.3735 (Einführung eines Bürgerdienstes. Ein Mittel, um das Milizsystem zu stärken und neuen gesellschaftlichen Herausforderungen zu begegnen?) von Ständerat Vonlanthen beauftragte den Bundesrat, zu evaluieren, inwiefern sich die Einführung einer Bürgerdienstpflicht eignen würde als Lösungsansatz für die Schwierigkeiten, mit denen das schweizerische Milizsystem konfrontiert ist. Dabei soll auch evaluiert werden, inwiefern eine Bürgerdienstpflicht zur Stärkung des nationalen Zusammenhalts und als Antwort auf die neuen gesellschaftlichen Herausforderungen einen Beitrag leisten kann.

Die im Postulat 19.3735 verlangten Erwägungen, ob ein Bürgerdienst ein Lösungsansatz für die Schwierigkeiten wäre, mit denen das schweizerische Milizsystem konfrontiert ist, wurden im vorliegenden Bericht in der Ausarbeitung und Beurteilung der beiden Varianten der Bürgerdienstpflicht aufgenommen.

Der Bundesrat kommt in diesem Bericht zum Schluss, dass eine Bürgerdienstpflicht aus mehreren Gründen unzweckmässig ist. Eine Bürgerdienstpflicht mit freier Wahl der Dienstart würde die Bestände der Armee und eventuell auch des Zivilschutzes direkt gefährden; sie ist schon allein aus diesem Grunde abzulehnen. Eine Bürgerdienstpflicht (mit oder ohne freie Wahl der Dienstart) würde zudem Kapazitäten bereitstellen, für die der Bedarf nicht nachgewiesen ist und die den Arbeitsmarkt in einzelnen Sektoren stark tangieren könnten. Die Arbeitsmarktneutralität ist nicht gegeben, die Vereinbarkeit mit dem Zwangsarbeitsverbot gemäss Europäischer Menschenrechtskonvention möglicherweise auch nicht. Dazu kommt, dass die volkswirtschaftlichen Kosten den Nutzen offenkundig erheblich übersteigen würden.

Der Bundesrat bestreitet nicht, dass ein verstärktes Engagement der Bürgerinnen und Bürger für das Gemeinwohl wünschbar ist und den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken könnte. Er ist aber der Überzeugung, dass ein Bürgerdienst, wie er in diesem Bericht in zwei Varianten skizziert wurde, nicht der richtige Weg ist. Der Bundesrat betrachtet deshalb das Anliegen des Postulats als geprüft und beantragt seine Abschreibung.

75

Die Motion 20.4062 (Bürgerinnen- und Bürgerdienst: Weiterentwicklung des Milizsystems und Sicherung der Bestände) der FDP-Liberalen Fraktion wurde noch nicht in den eidgenössischen Räten behandelt. Sie beauftragt den Bundesrat, dem Parlament eine Botschaft und die entsprechende Anpassung des rechtlichen Rahmens zur Einführung eines allgemeinen Bürgerinnen- und Bürgerdienstes zu unterbreiten. Die Vorlage solle sich unter anderem zu den Aufgabengebieten, der Länge der Dienstpflicht und der Anzahl Diensttage sowie zur Organisation äussern, und die Bestände von Armee und Zivilschutz hätten garantiert zu sein. Unabhängig von der Ausgestaltung des Bürgerdienstes müssten aus sicherheitspolitischen Überlegungen die Bestände von Armee und Zivilschutz gewährleistet sein.

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Weiteres Vorgehen

Basierend auf der Analyse der vier Varianten für die Weiterentwicklung des Dienstpflichtsystems hat der Bundesrat am 4. März 2022 das VBS beauftragt, zusammen mit dem WBF die Sicherheitsdienstpflicht und die bedarfsorientierte Dienstpflicht vertieft zu prüfen und ihm Anträge für eine allfällige Umsetzung bis Ende 2024 zu unterbreiten. Dabei sollen noch offene Fragen geprüft werden, beispielsweise die Frage, ob und inwiefern bei diesen Varianten die zusätzlichen, effektiv zu leistenden Diensttage geleistet werden sollen. In dieser Prüfung ist eine Abwägung von realem Bedarf und Kosten vorzunehmen; dabei ist zu berücksichtigen, wie viele Diensttage ausserhalb der Bereiche mit Sicherheitsbezug geleistet würden. Weiter sind die Gewährleistung der Dienstgerechtigkeit, die Ausgestaltung eines möglichen Anreizsystems bei der bedarfsorientierten Dienstpflicht, die konkreten Folgen einer Umsetzung der Varianten und die genauen Kostenfolgen zu klären.

Zudem beauftragte er das VBS, bis Ende 2024 den Status quo plus, der auf dem bestehenden Dienstpflichtsystem basiert, konkret auszuarbeiten. Ein solcher Schritt scheint in jedem Fall wünschenswert, um den Frauenanteil in der Armee zu erhöhen.

Der Status quo plus könnte ausserdem mit der Sicherheitsdienstpflicht kombiniert werden. Es muss davon ausgegangen werden, dass die Einführung der obligatorischen Teilnahme von Frauen am Orientierungstags alleine nicht genügt, um die Armeebestände zu sichern.

Parallel dazu werden die unter Ziffer 1 erläuterten Arbeiten für mittelfristige Massnahmen innerhalb des bestehenden Dienstpflichtsystems vorangetrieben, die der Bundesrat im Zusammenhang mit Teil 1 des Berichts zur Alimentierung von Armee und Zivilschutz in Auftrag gegeben hat. So wird der Bundesrat bis Mitte 2022 eine Vernehmlassungsvorlage für eine Revision des Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetzes vorlegen, welche die Personalsituation beim Zivilschutz verbessern soll. Zudem wird der Bundesrat Mitte 2023 den Abschlussbericht zur Weiterentwicklung der Armee an die eidgenössischen Räte überweisen. Darin werden strukturelle Massnahmen für die Sicherung der Armeebestände vorgeschlagen, die darauf abzielen, die vorzeitigen Abgänge aus der Armee mittelfristig zu reduzieren. Im Vordergrund stehen Massnahme, welche die Dienstleistung flexibilisieren, die Steuerung von
Alimentierung und Effektivbeständen erleichtern und dadurch die Bestände stabilisieren76. Schliesslich werden die bereits ergriffenen Massnahmen weitergeführt, um den Militärdienst attraktiver zu gestalten, Anreize für Militärdienstleistende zu schaffen, die medizinischen Entlassungen zu reduzieren und den Armeeangehörigen die Vereinbarkeit zwischen zivilem Leben und dem Militäralltag zu erleichtern.

76

Die Vereinbarkeit des Militärdienstes mit dem Privat- und Berufsleben könnte weiter verbessert werden, was die Zahl der Dienstverschiebungen und vorzeitigen Abgänge aus der Armee senken könnte. Dazu gehört beispielsweise die Anrechenbarkeit von militärischen Ausbildungen an zivile Diplome, wie bereits praktiziert. Für gewisse Truppengattungen oder Funktionen könnte allenfalls die Verbandsausbildung während des Rekrutenschule gestrichen oder verkürzt, dafür die Anzahl Wiederholungskurse erhöht werden.

Weiter könnten die Anzahl und Dauer der Wiederholungskurse flexibilisiert werden.

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Anhang 1

Synopse der Auswirkungen auf die Sicherheitsorganisationen Stand 2017

Sicherheitsdienstpflicht

Bedarfsorientierte Dienstpflicht

Bürgerdienstpflicht ohne freie Wahl

Bürgerdienstpflicht mit freier Wahl

Status quo plus

Anzahl Stellungspflichtige pro Jahr

35 000

35 000

70 000

70 000

70 000

35 000

Anzahl Diensttaugliche (oder Rekrutierte, Variante 2)

28 000

28 000

28 000

56 000

56 000

30 800

280 000

280 000

280 000

560 000

560 000

308 000

7 370 000

8 135 000

7 540 000

15 290 000

15 040 000

Noch zu beziffern

Gesamtbestand an Dienstpflichtigen ohne Abgänge Anzahl Diensttage pro Jahr alle Gefässe Armee Bestände Armee

140 000

140 000

140 000

140 000

140 000

140 000

Dauer der Dienstpflicht Armee

10 Jahre

10 Jahre

10 Jahre

10 Jahre

10 Jahre

10 Jahre

(Ausbildungs-)Dienstpflicht

245 Tage

245 Tage

245 Tage

245 Tage

245 Tage

245 Tage

Anzahl Diensttage pro Jahr Armee

5 330 000

5 330 000

5 330 000

5 330 000

5 330 000

Noch zu beziffern

Zusätzliche EO-Kosten der gründlicheren Rekrutierung

­

10 Mio.

10 Mio.

10 Mio.

10 Mio.

Noch zu beziffern

Zusätzliche Kosten Verdoppelung Rekrutierungspool

­

­

10 Mio.

10 Mio.

10 Mio.

Noch zu beziffern

51 / 66

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Gesamte EO-Kosten Armee Gesamtkosten Ausbildung, Infrastruktur, Ausrüstung Armee

Stand 2017

Sicherheitsdienstpflicht

Bedarfsorientierte Dienstpflicht

Bürgerdienstpflicht ohne freie Wahl

Bürgerdienstpflicht mit freier Wahl

Status quo plus

550 Mio.

560 Mio.

570 Mio.

570 Mio.

570 Mio.

Noch zu beziffern

­

Noch zu beziffern

Noch zu beziffern

Noch zu beziffern

Noch zu beziffern

Noch zu beziffern

Zivilschutz Bestände Zivilschutz Dauer der Dienstpflicht Zivilschutz Dienstpflicht Zivilschutz

72 000

­

72 000

72 000

72 000

72 000

14 Jahre

­

10 Jahre

10 Jahre

10 Jahre

10 Jahre

245 Tage

­

245 Tage

245 Tage

245 Tage

245 Tage

Anzahl Diensttage pro Jahr Zivilschutz

340 000

­

1 360 000

1 360 000

1 360 000

Noch zu beziffern

Gesamte EO-Kosten Zivilschutz

50 Mio.

­

200 Mio.

200 Mio.

200 Mio.

Noch zu beziffern

Kosten Ausbildung, Ausrüstung, Verwaltung Zivilschutz

200 Mio.

­

800 Mio.

800 Mio.

800 Mio.

Noch zu beziffern

60 000

­

30 000

30 000

­

60 000

Dienstpflicht Zivildienst

368 Tage

­

368 Tage

368 Tage

­

368 Tage

Anzahl Diensttage pro Jahr Zivildienst

1 700 000

­

850 000

850 000

­

Noch zu beziffern

Zivildienst Bestände Zivildienst

52 / 66

BBl 2022 665

Stand 2017

Sicherheitsdienstpflicht

Bedarfsorientierte Dienstpflicht

Bürgerdienstpflicht ohne freie Wahl

Bürgerdienstpflicht mit freier Wahl

Status quo plus

160 Mio.

­

80 Mio.

80 Mio.

­

Noch zu beziffern

Kosten Vollzug Zivildienst bzw. neues Gefäss Bürgerdienst

37 Mio.

­

18,5 Mio.

18,5 Mio.

­

Noch zu beziffern

Erträge von Einsatzbetrieben

33 Mio.

­

16,5 Mio.

16,5 Mio.

­

Noch zu beziffern

Gesamte EO-Kosten Zivildienst

Katastrophenschutz Bestände Katastrophenschutz

­

125 000

­

­

­

­

Dienstpflicht Katastrophenschutz für Eingeteilte

­

245 Tage

­

­

­

­

Dienstpflicht Katastrophenschutz für Übergetretene

­

368 Tage

­

­

­

­

Anzahl Diensttage pro Jahr (Zivilschutz und Zivildienst)

­

2 800 000

­

­

­

­

Gesamte EO-Kosten (Zivilschutz und Zivildienst)

­

335 Mio.

­

­

­

­

Kosten Vollzug Zivildienst

­

31,5 Mio.

­

­

­

­

Erträge von Einsatzbetrieben

­

28 Mio.

­

­

­

­

Kosten Ausbildung, Ausrüstung, Katastrophenschutz

­

Noch zu beziffern

­

­

­

­

53 / 66

BBl 2022 665

Stand 2017

Sicherheitsdienstpflicht

Bedarfsorientierte Dienstpflicht

Bürgerdienstpflicht ohne freie Wahl

Bürgerdienstpflicht mit freier Wahl

Status quo plus

Bestände neues Gefäss

­

­

­

310 000

340 000

­

Anzahl Diensttage pro Jahr neues Gefäss Bürgerdienst

­

­

­

7 750 000

8 350 000

­

EO-Kosten neues Gefäss

­

­

­

775 Mio.

830 Mio.

­

Aufwand für Vollzug neues Gefäss

­

­

­

170 Mio.

180 Mio.

­

Erträge von Einsatzbetrieben

­

­

­

150 Mio.

160 Mio.

­

Kosten Ausbildung, Infrastruktur und Personal

­

­

­

Noch zu beziffern

Noch zu beziffern

­

Neues Gefäss Bürgerdienst

54 / 66

BBl 2022 665

Anhang 2

Synopse der finanziellen Auswirkungen Stand 2017

Sicherheitsdienstpflicht

Bedarfsorientierte Dienstpflicht

Bürgerdienstpflicht ohne freie Wahl

Bürgerdienstpflicht mit freier Wahl

Status quo plus

550 Mio.

560 Mio.

570 Mio.

570 Mio.

570 Mio.

Noch zu beziffern

davon: Kosten EO wegen gründlicherer Rekrutierung

­

10 Mio.

10 Mio.

10 Mio.

10 Mio.

10 Mio.

davon: Kosten Verdoppelung Rekrutierungspool

­

­

10 Mio.

10 Mio.

10 Mio.

Noch zu beziffern

Zivilschutz (bzw. Teil Katastrophenschutz)

50 Mio.

200 Mio.

200 Mio.

200 Mio.

200 Mio.

Noch zu beziffern

Zivildienst (bzw. Teil Katastrophenschutz)

160 Mio.

135 Mio.

80 Mio.

80 Mio.

­

Noch zu beziffern

EO Armee

Kosten EO neues Gefäss Gesamtkosten EO

­

­

­

775 Mio.

830 Mio.

­

760 Mio.

895 Mio.

850 Mio.

1625 Mio.

1600 Mio.

Noch zu beziffern

174 Mio.

100 Mio.

870 Mio.

348 Mio.

348 Mio.

Noch zu beziffern

Wehrpflichtersatzabgabe Summarische Schätzung

55 / 66

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Stand 2017

Sicherheitsdienstpflicht

Bedarfsorientierte Dienstpflicht

Bürgerdienstpflicht ohne freie Wahl

Bürgerdienstpflicht mit freier Wahl

Status quo plus

Werte nicht erhoben

Noch zu beziffern

Noch zu beziffern

Noch zu beziffern

Noch zu beziffern

Noch zu beziffern

200 Mio.

­

800 Mio.

800 Mio.

800 Mio.

Noch zu beziffern

37 Mio.

31.5 Mio.

18.5 Mio.

18.5 Mio.

­

Noch zu beziffern

Kosten Ausbildung, Ausrüstung, Verwaltung Katastrophenschutz (Variante Sicherheitsdienstpflicht)

­

Noch zu beziffern

­

­

­

­

Kosten Vollzug neues Gefäss

­

­

­

170 Mio.

180 Mio.

­

33 Mio.

28 Mio.

16.5 Mio.

166 Mio.

160 Mio.

Noch zu beziffern

Ausbildung, Ausrüstung, Infrastruktur, Vollzug und Verwaltung Kosten Ausbildung, Ausrüstung und Infrastruktur Armee Kosten Ausbildung, Ausrüstung, Verwaltung Zivilschutz Kosten Vollzug Zivildienst

Erträge aus Abgaben von Einsatzbetrieben

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Anhang 3

Möglichkeiten der Weiterentwicklung des Dienstpflichtsystems: Resultate der Umfragen und Anhörungen 1.

Durchgeführte Umfrage und Anhörungen

Weil die langfristige Weiterentwicklung des Dienstpflichtsystems Veränderungen für grosse Teile der Gesellschaft mit sich bringen kann, ist es wichtig, die Haltung insbesondere der betroffenen Bevölkerungsteile abzuklären. Dazu hat das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) eine Umfrage in Auftrag gegeben und Anhörungen durchgeführt.

Die Umfrage wurde durch das LINK-Institut Zürich durchgeführt. Es ist dasselbe Institut, das die Umfragen für die ETH Zürich durchführt. Für die Umfrage wurden rund 1400 Personen in Bezug auf Geschlecht, Alter und Wohnregion repräsentativ für die Gesamtbevölkerung ausgewählt.

Die Anhörungen wurden von der Firma askplus.ch (www.askplus.ch) organisiert. In den Anhörungen ging es darum, die Haltung von Bevölkerungsgruppen in Erfahrung zu bringen, die von allfälligen Anpassungen direkt betroffen wären. Der Fokus sollte dabei weniger auf grundsätzlichen politischen Ansichten als auf den Eckwerten möglicher Dienstpflichtsysteme liegen.

In den Anhörungen waren folgende Organisationen vertreten: Frauenorganisationen (Alliance F, Business Professional Women, Frauen im TAZ); Jugendverbände (Schweizer Arbeitsgemeinschaft für Jugendverbände, Dachverband Schweizer Jugendparlamente, Conférence romande des délégués de l'enfance et de la jeunesse,); economiesuisse; Schweizerischer Gewerkschaftsbund; Prof. Dr. Aymo Brunetti als Experte der Volkswirtschaft; mögliche Leistungsbezüger von Dienstpflichtigen (Spitalverband H+, Verband der Dienstleister für Menschen mit Unterstützungsbedarf Curaviva, Pro Natura, Stiftung Umwelteinsatz); Politische Think Tanks (Avenir Suisse, Operation Libero); die Initianten von servicecitoyen.ch; die Schweizerische Offiziersgesellschaft (SOG); der Zivildienstverband Civiva; politische Parteien (JUSO, Junge SVP, Junge Mitte, Junge FDP, Junge Grüne, Junge EVP, Junge GLP).

2.

Fragen zum Dienstpflichtsystem und zu Eckwerten von Anpassungen

Die Umfrage und die Anhörungen sollten Hinweise zur Akzeptanz möglicher Weiterentwicklungen des Dienstpflichtsystems geben. Dazu dienten insbesondere die folgenden Fragen: ­

Wie wird die Bereitschaft der jungen Generation gewertet, Dienst zu leisten?

Wie muss der Dienst ausgestaltet sein, damit diese Bereitschaft am grössten ist?

­

Wie stark wird das Milizsystem gewichtet? Wären vom Milizsystem abweichende alternative Systeme (Berufsarmee) denkbar?

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­

Soll die Dienstpflicht generell auf Frauen ausgeweitet werden? Braucht es dazu parallel stärkere Bestrebungen zur Gleichstellung in anderen, unter Umständen gewichtigeren Bereichen der Gesellschaft?

­

Wie hoch ist der Stellenwert der Dienstgerechtigkeit? Ist es nötig, dass alle Bürger einen Beitrag leisten, oder ist es vorstellbar, dass nur jene Personen Dienst leisten, die wirklich benötigt werden?

­

Wenn der Pool an Stellungspflichtigen durch eine Dienstpflicht auch für Frauen verdoppelt wird und nicht alle effektiv Dienst leisten müssen: Soll für nicht geleistete Dienste eine Ersatzabgabe entrichtet werden müssen oder sollen für zu leistende Dienste positive Anreize geschaffen werden?

­

Sollen Dienstpflichtige in den gleichen Bereichen wie heute eingesetzt werden oder wäre eine Ausweitung der Dienstleistungsarten und Anrechnung von Leistungen in neuen, nicht direkt sicherheitsrelevanten Gebieten zweckmässig?

­

Wie gross wird die Kapazität von Betrieben im Gesundheits- und Umweltsektor eingeschätzt, für zusätzliche Dienstpflichtige zweckmässige und effiziente Tätigkeiten zu bieten, ohne Konkurrenzierung des Privatsektors?

­

Wird das Problembewusstsein des Bundesrates zur Entwicklung der Armeeund Zivilschutzbestände von den Befragten überhaupt geteilt?

3.

Resultate der Umfrage

Weil in dieser Umfrage nicht genau die gleichen Fragen gestellt wurden wie in der Umfrage der ETH Zürich, zeigen sich auch in den Ergebnissen zum Teil Unterschiede.

Wo das der Fall ist, wird es im Folgenden erwähnt.

Bereitschaft zur Dienstleistung Die jüngeren Teilnehmenden der Umfrage zeigten sich bereit, Dienst zu leisten. Soweit deckt sich das Resultat mit der ETH-Umfrage. Das persönliche Interesse stand jedoch klar im Vordergrund: Den jugendlichen Befragten war es sehr wichtig, dass sie aus der Dienstleistung einen persönlichen Nutzen ziehen können und sie ihren Erfahrungshorizont erweitern können. Dies gilt für die Zuteilung (Armee, Zivilschutz, Zivildienst) ebenso wie für die Ausgestaltung der Dienstpflicht (Länge der verschiedenen Dienstperioden).

Eine Mehrheit der Befragten wollte lieber persönlich Dienst leisten als eine Ersatzabgabe entrichten. Deutlicher als in der ETH-Umfrage kam zum Vorschein, dass die Bereitschaft, Dienst zu leisten, parallel zum empfundenen persönlichen Nutzen der Dienstleistung steigt. Als wichtig wurde angegeben, dass der Dienst als sinnvoll erkannt wird, mit der persönlichen Lebensplanung vereinbar ist und an zivile Fortbildungen angerechnet werden kann.

Ausweitung der Dienstpflicht auf Frauen Im Grundsatz decken sich die Erkenntnisse der Umfrage in dieser Frage mit jenen der ETH-Umfrage. Rund zwei Drittel waren einer Ausweitung der Dienstpflicht auf

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Frauen nicht abgeneigt. Männer standen dabei der Ausweitung der Dienstpflicht auf Schweizer Frauen deutlich positiver gegenüber als Frauen.

Stellenwert der Dienstgerechtigkeit Eine Mehrheit war der Ansicht, dass Dienstgerechtigkeit vor allem über positive Anreize erreicht werden soll, und sprach sich gegen eine Benachteiligung von NichtDienstpflichtigen aus. Dazu wurde auch die Ersatzabgabe gezählt, die zu entrichten wäre, wenn ­ wie in Norwegen ­ mangels Bedarfs nur ein Teil der Altersgruppe aufgeboten würde.

Ebenfalls eine Mehrheit sprach sich für eine zeitliche Angleichung der verschiedenen Dienstleistungen aus. Dienstpflichtige sollen gleich viele Diensttage leisten, unabhängig, ob in der Armee, im Zivilschutz oder im Zivildienst.

Anpassung des Dienstpflichtsystems Bei einer grossen Mehrheit der Befragten herrschte der Eindruck, dass das derzeitige Dienstpflichtsystem mit der bestehenden Aufgabenverteilung zwischen den verschiedenen Institutionen tauglich ist. Anpassungen an den jeweiligen Aufgaben oder am Dienstpflichtsystem fanden keine Mehrheiten. Auf Zustimmung stiess hingegen die Idee, die Dienstpflicht auf zusätzliche Bereiche auszudehnen. So war eine Mehrheit der Befragten dafür, dass unentgeltliche Leistungen an der Gesellschaft (z. B. Betreuung von betagten Verwandten) an die Dienstpflicht angerechnet werden.

Problembewusstsein zur Alimentierung von Armee und Zivilschutz Nur sehr wenige Befragte betrachten die personelle Alimentierung von Armee und Zivilschutz heute als Problem. Die Mehrheit erkannte kein Problem, das nicht von den Organisationen selber gelöst werden sollte. Auch auf zehn Jahre hinaus nahm nur eine Minderheit an, dass Armee und Zivilschutz ein Alimentierungsproblem haben.

4.

Resultate der Anhörungen

In der ersten Anhörung nahmen Vertreter und Vertreterinnen der politischen Parteien, der Schweizerischen Offiziersgesellschaft und des Vereins servicecitoyen.ch teil, in der zweiten Anhörung Wirtschaftsexperten, Vertreterinnen und Vertreter von Wirtschaft und von möglichen Leistungsbezüger-Organisationen und in der dritten Anhörung Frauen- und Jugendorganisationen.

Die Voten der politischen Parteien, der Jugendverbände und der Frauenverbände reflektierten oft parteipolitische Einstellungen. Die Voten der Wirtschaftsvertreter und der Leistungsbezüger fokussierten stärker auf die Aspekte Bedarf, Nutzen, Kosten und Effizienz.

Bereitschaft zur Dienstleistung Weil es sich bei den jugendlichen Teilnehmenden an den Anhörungen um junge Menschen handelt, die sich in Vereinen und Verbänden engagieren, liegt die Vermutung nahe, dass sie bezüglich Gemeinschaftssinn und Einsatz für die Gemeinschaft nicht ganz repräsentativ sind. Die Diskussion mit den Jugendverbänden zum Thema der Dienstbereitschaft in den Anhörungen ergab aber ein ähnliches Bild wie die Befragung der jugendlichen Teilnehmenden in der Umfrage.

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Die Bereitschaft, Dienst zu leisten, ist durchaus vorhanden. Sie ist jedoch nicht bedingungslos, sondern verbunden mit dem Wunsch nach freier Wahl zumindest der Art des Dienstes. Als ideal würde angesehen, wenn die Dienstleistung freiwillig wäre, also kein Zwang bestünde.

Für die junge Generation ist in jedem Fall die Sinnhaftigkeit einer Dienstleistung wichtig. Die Tätigkeit soll an und für sich sinnvoll, aber auch für den Dienstleistenden nützlich sein.

Neben der Wahlfreiheit und der Sinnhaftigkeit sind weitere Faktoren für eine attraktivere Dienstpflicht wesentlich: grössere Flexibilität bei der Dienstleistung, grundsätzlich kürzere Dienstzeiten, individuellere Wahl des Dienstortes sowie eine erkennbare Anwendbarkeit des Erlernten in Beruf und zivilem Leben.

Stellenwert des Milizsystems Die Vertreterinnen und Vertreter der politischen Parteien, der Schweizerischen Offiziersgesellschaft und der Frauen- und Jugendverbände identifizierten sich sehr stark mit dem Milizsystem und betonten den positiven Effekt auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt, den Nutzen für die Gemeinschaft, aber auch den individuellen Nutzen einer Dienstleistung im Milizsystem. Bestritten wurde aber teilweise der dem Milizsystem zugrundeliegende Zwang zur Dienstleistung, der insbesondere für das linke Spektrum der politischen Parteien nicht mehr zeitgemäss erscheint.

Die Wirtschaft und die Leistungsbezüger unterstützten grundsätzlich und grossmehrheitlich das Milizsystem. Einigkeit mit Teilnehmern in anderen Anhörungen bestand aber in der Beurteilung, dass Zwangssysteme nicht mehr zeitgemäss seien und dass darum die Alimentierung, wenn immer möglich mit Freiwilligen erfolgen sollte. Die Bestände von Armee und Zivilschutz sollten keine starren Grössen sein, sondern der jeweiligen Bedrohung entsprechen.

Ausweitung der Dienstpflicht auf Frauen In keiner Anhörung gab es ausdrücklichen Widerstand gegen einen stärkeren Einbezug von Frauen. Zur Einführung einer eigentlichen Dienstpflicht gingen die Meinungen aber stark auseinander. Im Gegensatz zur Umfrage standen Frauen einer Dienstpflicht (für Frauen) tendenziell offener gegenüber als Männer. Je jünger die Teilnehmenden, desto positiver war ihre Einstellung dazu. Generell wurde begrüsst, dass die Debatte zu diesem Thema angestossen wird; sie könne aber nur in einem grösseren
Zusammenhang geführt werden. Die Einführung einer neuen Dienstpflicht sollte demnach nur erfolgen, wenn gleichzeitig Massnahmen ergriffen werden, um den Fortschritt der Gleichstellung voranzutreiben. Beruf, Privatleben und Ausbildung müssen besser miteinander vereinbar sein. Von mehreren Seiten wurden gleiche Chancen zu Ausbildungsmöglichkeiten im Rahmen der Dienstpflicht für Männer und Frauen gefordert (inklusive Zugang zu Tätigkeiten im Zivildienst).

Deutlich abgelehnt wurde die Vorstellung, dass Frauen neue Pflichten auferlegt werden, für welche sie eine Dienstpflichtersatzabgabe zu entrichten hätten, wenn sie untauglich wären oder es keine Verwendung für sie gäbe.

Seitens Politik und Wirtschaft wurde zu bedenken gegeben, dass es angesichts des aktuellen Standes der Gleichstellung für eine Dienstpflicht für Frauen wohl zu früh 60 / 66

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sei. Insbesondere von Frauenverbänden wurde betont, dass mit einer zusätzlichen Pflicht keine zusätzlichen Nachteile geschaffen werden dürfen, wie noch längere Absenz vom Arbeitsplatz durch Dienstpflicht, was mit der längeren Absenz bei Mutterschaft die Frau auf dem Arbeitsmarkt unattraktiver machen würde. In jedem Fall müsste bestimmt werden, welche Organisationen in welcher Grösse es wirklich brauche. Der Nutzen einer Dienstpflicht auch für Frauen müsste nachvollziehbar sein. Aus volkswirtschaftlicher Perspektive machen zusätzliche Diensttage keinen Sinn, weil das Kosten-Nutzen-Verhältnis ungünstig ist. Bei einer Verdoppelung der Dienstpflichtigen müsste noch dringender als heute der volkswirtschaftliche Nutzen einer Dienstpflicht mit jenem einer beruflichen Tätigkeit verglichen werden.

In den Anhörungen wurde deutlich, dass Zwangssysteme grundsätzlich hinterfragt werden und eine Fokussierung auf Freiwilligkeit erwünscht ist. Die abstrakte Idee einer Dienstleistung für die Gemeinschaft ist populärer als deren konkrete Umsetzung mit einer Dienstpflicht.

Stellenwert der Dienstgerechtigkeit Zum Stellenwert der Dienstgerechtigkeit zeigten sich zwei Tendenzen.

Auf der einen Seite geniesst der Beitrag von Dienstpflichtigen an die Gemeinschaft immer noch hohe Wertschätzung, insbesondere bei den Frauen- und Jugendverbänden. Der Wunsch nach Wahlfreiheit und Freiwilligkeit wurde aber auch hier wiederholt.

Auf der anderen Seite steht die Erwartung, dass nur so viel Personal eingesetzt wird, als effektiv Bedarf besteht. Insbesondere für die Wirtschaftsvertreter und -vertreterinnen spielte die Dienstgerechtigkeit nur eine untergeordnete Rolle; im Zentrum standen Effizienz-Überlegungen, die eine Dienstleistung, die nicht bedarfsorientiert ist, kritisch hinterfragen. Auch die politischen Parteien vertraten die Meinung, dass niemand «aus Prinzip» Dienst leisten soll.

Insgesamt wurde der Dienstgerechtigkeit, in dem Sinn, dass die Belastung für alle Dienstleistende ungefähr gleich gross sein soll, kein besonders hoher Stellenwert beigemessen.

Ersatzabgabe versus Anreize Im Zusammenhang mit der Dienstgerechtigkeit wurde die Frage gestellt, wie erreicht werden könnte, dass so viele Dienstpflichtige wie möglich auch tatsächlich Dienst leisten. Dabei wurden zwei Ansätze einander gegenübergestellt: Ersatzabgaben
für nicht Dienstleistende und die Schaffung positiver Anreize für Dienstleistende.

Die Diskussionen zeigten, dass ein System, das auf Ersatzabgaben beruht, kritischer betrachtet wird, weil er einen strafenden Charakter hat. Insbesondere wird der Extremfall abgelehnt, in welchem Dienstpflichtige Ersatzabgaben zu entrichten hätten, wenn sie zwar willens wären, Dienst zu leisten, aber nicht gebraucht würden.

Die grosse Mehrheit der Angehörten ist davon überzeugt, dass mit finanziellen Anreizen und einer Attraktivitätssteigerung mehr zu erreichen ist. Es ginge aber allen Angehörten zu weit, Dienstpflichtigen bei der Besetzung von Bundesstellen den Vorzug zu geben, wie es in Norwegen der Fall ist.

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Ausweitung der Tätigkeiten auf neue, nicht direkt sicherheitsrelevante Bereiche?

Ein Teil der Angehörten war der Meinung, dass es angezeigt wäre, den Begriff «sicherheitsrelevant» als Bedingung für eine Dienstpflicht zu überdenken. Begründet wurde dies mit einem zunehmenden Personalmangel im Gesundheitsbereich, mit einer Häufung naturbedingter Katastrophen und Notlagen als Folge des Klimawandels und mit personellen Engpässen in Milizämtern. Aus dieser Perspektive wäre es sachlogisch richtig, die Einsatzbereiche von Dienstpflichtigen auszuweiten. Die Jugendverbände argumentierten zudem, dass damit die Dienstleistung attraktiver gemacht und die Sinnhaftigkeit des Dienstes einfacher hergeleitet werden könnte.

Vertreterinnen und Vertreter von Wirtschaft und Leistungsbezügern erkannten jedoch wenig Potenzial für eine Ausweitung der Tätigkeitsbereiche. Dienstpflichtige stünden dort, wo privatwirtschaftliche Alternativen verfügbar sind, in Konkurrenz zum privaten Sektor. Das sei in einer Notlage mit Hilfe eines Reservekorps, das die Wirtschaft nicht konkurrenziert, zeitlich begrenzt akzeptabel, wäre aber in der normalen Lage insbesondere für Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein zu grosser Eingriff in die Wirtschaft. Aus der Perspektive der möglichen Leistungsbezüger würde ein Ausbau auch der weit verbreiteten Freiwilligenarbeit und dem dahinterstehenden Solidaritätsgedanken schaden.

Ein Teil der Angehörten bezweifelte zudem, ob ein Einsatz von Dienstpflichtigen in Bereichen, die keinen offensichtlichen Bezug zu Sicherheit haben, mit dem Zwangsarbeitsverbot gemäss Europäischer Menschenrechtskonvention vereinbar wäre.

Auch aus volkswirtschaftlicher Perspektive wäre eine Ausweitung der Tätigkeitsbereiche wenig sinnvoll, denn eine grosse Menge an jungen berufstätigen Menschen würde damit ausserhalb ihrer erlernten Kompetenz eingesetzt, zudem ohne dass sie beruflich relevante Kompetenzen erlernen. Eine Abwägung von volkswirtschaftlichen Kosten und Nutzen würde kaum für eine Ausweitung der Tätigkeiten von Dienstpflichtigen auf zusätzliche, nicht direkt sicherheitsrelevante Bereiche sprechen.

Bedarf und Aufnahmefähigkeit in den Bereichen Gesundheit, Pflege und Naturschutz Wenn die Dienstpflicht auf Frauen ausgeweitet würde, stünden sehr wahrscheinlich deutlich mehr Dienstpflichtige als heute für Einsätze in
den Bereichen Gesundheit, Pflege und Naturschutz zur Verfügung. Damit stellt sich die Frage, wie viele Dienstpflichtige diese Betriebe überhaupt wirtschaftlich sinnvoll aufnehmen können.

In den Anhörungen wurde deutlich, dass der bestehende Notstand beim Pflegepersonal nicht mit Dienstpflichtigen gelöst werden kann. Dafür fehlen diesen die Qualifikationen.

Wenn Spitälern oder Altersheimen mehr Dienstpflichtige zur Verfügung stünden, könnten aber mehr nicht-medizinische Leistungen für die Patienten erbracht werden.

Dazu gehören Tätigkeiten wie die Begleitung auf Spaziergängen oder das Vorlesen für betagte Personen.

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Die Vertreterinnen und Vertreter dieser Betriebe waren sich einig, dass ihre Betriebe etwas mehr Personen beschäftigen könnten. Dafür wären aber aufwändige Qualifikationen notwendig. Eine grössere Anzahl von Dienstpflichtigen würde auch einen erheblichen Betreuungsaufwand für die jeweiligen Betriebe verursachen.

Ein weiteres Problem, das sich aus Sicht der Leistungsbezüger für den zusätzlichen Einsatz von Dienstpflichtigen stellt, ist der Umstand, dass damit möglicherweise Geringverdienende aus dem Markt verdrängt würden.

Problembewusstsein zur Alimentierung von Armee und Zivilschutz Wie bei der Umfrage wurde auch in den Anhörungen die Frage diskutiert, ob die Teilnehmenden die Alimentierungslage von Armee und Zivilschutz als Problem sehen und ­ wenn ja ­ ob dieses Problem tiefgreifende Veränderungen am Dienstpflichtsystem rechtfertigen würde.

Auch in den Anhörungen war festzustellen, dass ein Problembewusstsein für die personelle Alimentierung von Armee und Zivilschutz nicht vorhanden ist. Die Schwierigkeiten von Armee und Zivilschutz, genügend Dienstpflichtige zu rekrutieren, werden nicht als gesellschaftliches Problem gesehen. Falls ein Bestandesproblem bestehe, liege es an den jeweiligen Organisationen, dies im heutigen Rahmen zu lösen. Falls das Dienstpflichtsystem geändert werden sollte, dann aus einer gesellschaftlichen Notwendigkeit und bei nachgewiesenem Bedarf. Die unzureichende Alimentierung von Armee und Zivilschutz ist dafür aus der Sicht der Angehörten kein ausreichender Grund.

5.

Beurteilung der erarbeiteten Varianten

In den Anhörungen wurden Beurteilungen zu Eckwerten der ersten vier Varianten erfragt und diskutiert. Die Variante «Orientierungstag für alle» kam im späteren Verlauf der Arbeiten hinzu und wurde deshalb nicht beurteilt.

Variante Sicherheitsdienstpflicht Die Eckwerte der Variante Sicherheitsdienstpflicht schnitten in der Umfrage und den Anhörungen gegenüber dem heutigen System und auch gegenüber den anderen Varianten verhältnismässig gut ab: ­

Zum einen wurde insbesondere bei den Anhörungen mehrheitlich und aus unterschiedlichen Gründen positiv aufgenommen, dass die Dienstpflicht nicht auf weitere Rekrutierungsgruppen ausgeweitet wird. Insbesondere für eine Ausweitung auf die Frauen erschien der Mehrheit der Befragten die Zeit nicht reif.

­

Das Problem der Wettbewerbsverzerrung und des Zwangsarbeitsverbots besteht aus Sicht der Befragten bei dieser Variante nur am Rande, da im Vergleich zu den beiden Bürgerdienstpflicht-Varianten deutlich weniger Dienstpflichtige in Bereichen ausserhalb der Sicherheit eingesetzt werden.

­

Auch generiert diese Variante im Vergleich zu anderen Varianten weniger zusätzliche Diensttage, für welche ein Bedarf immer gut begründet sein muss.

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Die Variante widerspricht aber auch grundsätzlichen Erkenntnissen aus der Umfrage und den Anhörungen: ­

Die gleich lange Dienstzeit für alle Dienstpflichtigen entspricht dem Grundsatz der Dienstgerechtigkeit. Dieser steht aber im Widerspruch zum vielseitig geforderten Ansatz, dass der wirkliche Bedarf bestimmend sein muss. Diese Variante generiert Diensttage, die für das Erfüllen der Aufgaben des Katastrophenschutzes nicht nötig sind. Das wurde weder von Arbeitgebern noch von Gewerkschaften gut befunden, und auch in der Umfrage war die Meinung vorherrschend, dass ein Dienstpflichtsystem bedarfsorientiert ausgerichtet sein muss.

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Die Variante weicht auch nicht vom heutigen Prinzip der vordefinierten Dienstleistung ab, was im Widerspruch zum breit geäusserten Wunsch nach Wahlfreiheit bei der Dienstart und grösserer Flexibilität bei der Dienstleistung steht.

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Diese Variante stellt auf einer Dienstpflicht ab, was dem Trend zur Freiwilligkeit von Dienstleistungen entgegenläuft und damit wiederholt geäusserten Forderungen widerspricht.

Variante bedarfsorientierte Dienstpflicht Die Eckwerte dieser Variante fanden in der Umfrage und den Anhörungen deutlich weniger Anklang als jene der Variante Sicherheitsdienstpflicht, obwohl ihre Vorzüge anerkannt wurden: ­

Bei dieser Variante wird bedarfsorientiert rekrutiert. Damit erfüllt sie eine der Hauptforderungen der Vertreterinnen und Vertreter von Wirtschaft und Gewerkschaften.

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Auch generiert diese Variante im Vergleich zu anderen Varianten weniger zusätzliche Diensttage, für welche ein Bedarf immer gut begründet sein muss.

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Dienstpflichtige werden im bisherigen Rahmen, in vergleichbarer Anzahl und für die gleichen Aufgaben in Armee, Zivilschutz und Zivildienst eingesetzt.

Damit ergibt sich keine Marktverzerrung und auch die Frage nach der Kompatibilität mit dem Zwangsarbeitsverbot stellt sich nicht mehr als heute.

Ganz grundsätzlich erschien den Befragten in Umfrage und Anhörungen diese Variante jedoch nicht als zustimmungsfähig: ­

Es wurde zwar begrüsst, dass die Debatte zur Ausweitung der Dienstpflicht auf Schweizer Frauen angestossen wird. Mehrheitlich wurde die Zeit für eine solche Pflicht für Frauen aber als nicht reif betrachtet. Dazu sei der Handlungsbedarf bei der Gleichstellung der Frauen in anderen Bereichen noch zu gross.

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Insbesondere bei den Anhörungen wurde die Idee ganz klar abgelehnt, dass dienstpflichtige, aber nicht rekrutierte Frauen Wehrpflichtersatz leisten müssten.

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Wie die Sicherheitsdienstpflicht basiert auch diese Variante auf einer Dienstpflicht, was der oft geäusserten Vorstellung der Freiwilligkeit von Dienstleistungen entgegenläuft.

Variante Bürgerdienstpflicht Für eine Einführung einer Bürgerdienstpflicht sprechen aus Sicht der Befragten und Angehörten Sinnhaftigkeit, stärkere Berücksichtigung des freien Willens, die freie Wahl der Dienstart, die persönliche Bereicherung durch eine Diensterfahrung und die Notwendigkeit, den Sicherheitsbegriff auszuweiten.

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Viele der Befragten sprachen sich für eine Ausweitung der Tätigkeitsbereiche aus, weil damit die Sinnhaftigkeit und damit auch die Attraktivität von Dienstleistungen gesteigert werde.

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Mit dieser Variante würde dem breit geäusserten Wunsch nach mehr Einsatzmöglichkeiten und dem damit einhergehenden Nutzen der Dienstleistung für das Individuum stärker Rechnung getragen als mit den vorhergehenden Varianten.

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Mit der stärkeren Fokussierung auf Bereiche ausserhalb des traditionellen Sicherheitsbegriffs würde der oft geäusserten Erwartung entsprochen, den Begriff der Sicherheit neu zu definieren.

Die Mehrheit der Eckwerte dieser Variante stiessen in der Umfrage und in den Anhörungen aber auf Skepsis. Neben der kritischen Beurteilung einer Ausweitung der Dienstpflicht für Frauen wurden insbesondere die Ausweitung der Dienstpflicht auf weitere Einsatzbereiche und der Nutzen davon kontrovers diskutiert: ­

Die Ausweitung der Dienstpflicht auf Frauen müsste mit einem nachweisbaren Bedarf begründet werden und von weiteren Schritten Richtung Gleichstellung in anderen Bereichen begleitet werden.

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Der Nutzen einer grossen Anzahl an Dienstpflichtigen in Bereichen mit personellen Engpässen wurde für den Notfall anerkannt, nicht aber für die normale Lage. In dieser wäre die Ausweitung auf weitere Einsatzbereiche mit Blick auf das Konkurrenzierungsverbot oder das Zwangsarbeitsverbot fragwürdig. Würden Dienstpflichtige in zentralen Bereichen eingestellt, stünden sie in Konkurrenz zu eigentlichen Berufsgattungen. Würden sie für weniger zentrale Tätigkeiten eingestellt, geriete die Dienstpflicht sehr schnell im Konflikt mit dem Zwangsarbeitsverbot.

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Ein Einsatz von Bürgerinnen und Bürgern ausserhalb ihrer Kernkompetenzen macht volkswirtschaftlich keinen Sinn, wenn man bedenkt, welche qualifizierte Leistung Dienstpflichtige erbringen könnten, wenn sie nicht im Dienst wären.

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Die Vertreterinnen und Vertreter der Leistungsbezüger sahen in den Anhörungen keine Möglichkeit, viel mehr Dienstpflichtige produktiv einzusetzen.

Zum einen setzen die dafür benötigen Qualifikationen Grenzen und zum anderen generieren Dienstpflichtige einen Betreuungsaufwand für die Betriebe.

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Schliesslich stellt auch diese Variante auf einer Dienstpflicht ab, was dem wiederholt geäusserten Wunsch der Freiwilligkeit von Dienstleistungen entgegenläuft.

Variante Bürgerdienstpflicht mit freier Wahl der Dienstart Die Bürgerdienstpflicht mit freier Wahl der Dienstart fand in der Umfrage und in den Anhörungen am meisten Zuspruch, wurde aber trotzdem kontrovers beurteilt. Sie fand viel Anklang bei den Jugendverbänden und bei den Jugendparteien, aber deutlich weniger bei Wirtschafts- und Gewerkschaftsvertretern. Für die Befürworter stehen die Sinnhaftigkeit, die Wahlfreiheit bei der Dienstart und die gesteigerte Attraktivität im Vordergrund: ­

Dem breit geäusserten Wunsch nach Wahlfreiheit und dem damit einhergehenden persönlichen Nutzen der Dienstleistung für das Individuum wird mit dieser Variante am stärksten Rechnung getragen.

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Je breiter das Tätigkeitsspektrum von Dienstpflichtigen, desto ausgeprägter wird für die Befragten die Sinnhaftigkeit und damit auch die Attraktivität von Dienstleistungen.

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Mit der stärkeren Fokussierung auf Bereiche ausserhalb des traditionellen Sicherheitsbegriffs würde der oft geäusserten Erwartung entsprochen, den Begriff der Sicherheit neu zu definieren.

Gleichzeitig bestand bei der Befragten und Angehörten die gleiche Skepsis gegenüber mehreren Eckwerten wie bei der Bürgerdienstpflicht ohne freie Wahl der Dienstleistungsart: ­

Die Ausweitung der Dienstpflicht auf Frauen müsste mit einem nachweisbaren Bedarf begründet werden und von weiteren Schritten Richtung Gleichstellung in anderen Bereichen begleitet werden.

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Eine Ausweitung der Dienstpflicht auf weitere Einsatzbereiche wäre mit Blick auf das Konkurrenzierungsverbot oder das Zwangsarbeitsverbot noch fragwürdiger als bei der Bürgerdienstpflicht ohne freie Wahl der Dienstart, weil hier noch weitere Bereiche hinzukämen. Würden Dienstpflichtige in zentralen Bereichen eingestellt, stünden sie in Konkurrenz zu eigentlichen Berufsgattungen. Würden sie für weniger zentrale Tätigkeiten eingestellt, geriete die Dienstpflicht sehr schnell im Konflikt mit dem Zwangsarbeitsverbot.

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Ein Einsatz von Bürgerinnen und Bürgern ausserhalb ihrer Kernkompetenzen macht volkswirtschaftlich keinen Sinn, wenn man bedenkt, welche qualifizierte Leistung Dienstpflichtige erbringen könnten, wenn sie nicht im Dienst wären.

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Die Vertreterinnen und Vertreter der Leistungsbezüger sahen in den Anhörungen keine Möglichkeit, viel mehr Dienstpflichtige produktiv einzusetzen.

Zum einen setzen die dafür benötigen Qualifikationen Grenzen und zum anderen generieren Dienstpflichtige einen Betreuungsaufwand für die Betriebe.

Schliesslich stellt auch diese Variante auf einer Dienstpflicht ab, was dem wiederholt geäusserten Wunsch der Freiwilligkeit von Dienstleistungen entgegenläuft.

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