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Beschluß des

Bundesrathes über die ihm von industriellen Vereinen zugekommenen Petitionen in Betreff der Arbeitszeit.

(Vom 5. Juli 1889.)

Der schweizerische Bundesrath, nach Einsicht der Akten, aus welchen sich ergibt: Mit Begleitschreiben vom 8. und 24. Dezember 1888 ist dem Bundesrathe von Seite des schweizerischen Spinner-, Zwirner- und Weber-Vereins durch dessen Präsidenten, Herrn C. Widmer-Heußer in Goßau, eine vom 26. Oktober 1888 datirte gedruckte Petition zugekommen, welche 154 Unterschriften trägt, von denen indeß zwei wegfallen, die eine (J. K. Wer, Hinweil), weil sie nicht zu identifiziren ist, die andere (Weberei Oberkempten), weil sie zweimal erscheint. Die Petition verlangt, der Bundesrath wolle: 1. ,,den Anträgen der Herren Fabrikinspektoren, beziehungsweise den Rekursen an ihn in Bezug auf Vereinheitlichung der Esspausen, eventuell der Einrechnung der Eßpausen in die elfstündige Normalarbeitszeit, keine Folge geben" ; 2. ,,das Putzen und Oelen der Maschinen, das Reinigen der Lokale nach Beendigung der 11-stündigen Arbeitszeit als Hülfsarbeit auch für die mechanische Baumwollweberei und -Zwirnerei gestatten, so wie es bis anhin der Spinnerei gestattet war«.

Mit Schreiben vom 15. Dezember hat das Schweiz. Industrieund Landwirthschafts-Departement, in dessen Geschäftskreis die

898 Angelegenheit fällt, die Regierungen derjenigen Kantone, aus welchen Unterschriften zu der genannten Petition eingegangen waren, um deren Begutachtung ersucht, welchem Wunsche dieselben, nämlich die Regierungen von Z ü r i c h , B e r n , L u z e r n , S c h w y z , G l a r u s , Z u g , A p p e n z e l l A. R h., St. G a l l e n , A a r g a u , T h u r g a u , nachgekommen sind.

Es folgten zwei weitere Eingaben: a. eine solche der Kammgarnspinnerei Derendingen, datirt vom 7. Januar 1889, welche verlangt, ,,daß die Kammgarniodustrie von allen und jeden Erleichterungen, die der Baumwollindustrie eingeräumt werden, ebenfalls Gebrauch machen könnett ; b. eine solche der Seidenindustriegesellschaft des Kantons Zürich, datirt vom 11. Januar 1889, welche begehrt, ,,es möchte in Zukunft das Putzen der Maschinen in den Seidenwebereien als Hülfsarbeit betrachtet und nicht in die Normalarbeitszeit eingerechnet werdena.

Ueber erstere Eingabe liegt die vom Departement eingeholte Vernehmlassung der Regierung des Kantons Solothurn, über letztere diejenige der Regierung des Kantons Zürich vor.

Die Fabrikinspektoren haben sich über die ganze Angelegenheit in einem gemeinschaftlichen Gutachten vom 9./18. März 1889 ausgesprochen, der Inspektor des II. Kreises außerdem in einem besondern Schreiben vom 18. März 1889.

Endlich liegt eine ,,Gegeneingabe" seitens des leitenden Ausschusses des Schweiz. Arbeiterbundes, vom 10. Mai 1889, gegen diejenige des Schweiz. Spinner-, Zwirner- und Weber-Vereins, vor, in E r w ä g u n g : 1) Bezüglich der E ß p a u s e n . Das Begehren der Petition vom 26. Oktober 1888 beruht gemäß den Ausführungen der Petenten auf der ,,Vermuthung, daß in Bezug auf unsere Industriezweige von den Herren Fabrikinspektoren der deutschen Schweiz auf Vereinheitlichung der Eßpausen, ja auf Anrechnen derselben auf die llstündige Arbeitszeit hingearbeitet wird". Da Anträge solcher Art indeß nicht vorliegen, muß das erwähnte Begehren als gegenstandslos angesehen werden. Der Bundesrath könnte sich auch nicht zum Voraus bezüglich der Art und Weise, wie er eventuell eingehende Anträge oder Rekurse erledigen würde, binden, sondern muß sich selbstverständlich freie Hand vorbehalten.

Jedenfalls wird er nie zugeben können -- und er befindet sich mit dieser Auffassung in Uebereinstimmung mit der Mehrzahl der kon-

899 sultirten Kantonsregierungen --, daß die Pausen dazu mißbraucht werden, die llstündige Arbeitszeit zu verlängern, sondern er wird nach wie vor nur diejenigen gelten lassen, welche einen wirklichen gleichförmigen Unterbruch der Arbeit bedeuten und so abgehalten werden, daß sie leicht kontrolirbar sind.

2) Bezüglich der H ü l f s a r b e i t . Durch den Bundesbeschluß vom 24. Juni 1. J. wird der Bundesrath eingeladen, zu untersuchen und darüber zu berichten, ob nicht Art. 12 des Bundesgesetzes betreffend die Arbeit in den Fabriken einer Revision im Sinne einer genaueren Fassung zu unterwerfen sei. Es steht demnach eine allgemeine Untersuchung und Regelung der auf die Hülfsarbeit sich beziehenden Verhältnisse bevor ; es ist nicht zuläßig, dieser durch Behandlung der Eingangs erwähnten Petitionen vorzugreifen. Der status quo hat daher noch fortzudauern, d. h. es hat einstweilen bei dem Kreisschreiben vom 14. Januar 1881, beziehungsweise bei den darin n u r für die Hülfsarbeit in Baumwollspinnereien festgesetzten Bestimmungen sein Bewenden, beschließt: In die oben genannten Petitionen wird nicht eingetreten.

B e r n , den 5. Juli 1889.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Hammer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Ringier.

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Beschluß des Bundesrathes über die ihm von industriellen Vereinen zugekommenen Petitionen in Betreff der Arbeitszeit. (Vom 5. Juli 1889.)

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13.07.1889

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