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22.028 Botschaft zur Genehmigung eines Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Äthiopien vom 18. März 2022

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung eines Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Äthiopien.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

18. März 2022

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ignazio Cassis Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2022-0901

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Übersicht Die Schweiz und Äthiopien haben am 29. Juli 2021 in Addis Abeba ein Doppelbesteuerungsabkommen auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen unterzeichnet.

Mit dem Abkommen kann erstmals das schweizerische Abkommensnetz in Ostafrika ausgebaut werden. Mit rund 100 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern ist Äthiopien das zweitgrösste Land Afrikas. Das Abkommen schafft Rechtssicherheit und günstige steuerliche Rahmenbedingungen für die Schweizer Wirtschaft, was sich positiv auf die Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen und die Zusammenarbeit der beiden Länder in Steuerbereich auswirken wird.

Das Abkommen folgt weitgehend dem Musterabkommen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der heutigen Abkommenspolitik der Schweiz in diesem Bereich. Der Entwurf trägt somit den Entwicklungen aus dem OECD-Projekt «Base Erosion and Profit Shifting» (BEPS) zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung Rechnung.

Die Kantone und interessierten Verbände haben den Abschluss des Abkommens mehrheitlich begrüsst.

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage, Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

Das in Ostafrika gelegene Äthiopien ist gemessen an der Bevölkerung mit rund 100 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern das zweitgrösste Land Afrikas. Die Wachstumsraten der äthiopischen Wirtschaft betrugen in den letzten zehn Jahren zwischen 8 und 11 Prozent. Dieses Wachstum war grösstenteils auf das staatliche Engagement in Infrastrukturprojekte wie den Strassen-, Eisenbahn- und Flughafenbau zurückzuführen.

Am 26. Juni 1998 unterzeichneten die Schweiz und Äthiopien ein Abkommen über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen1. Die Schweiz importiert aus Äthiopien Bergbau- (insb. Gold) und Landwirtschaftsprodukte (Kaffee, Blumen) und exportiert in das Land insbesondere pharmazeutische Produkte und Maschinen. Äthiopien ist Teil der Regionalen Strategie Horn von Afrika, die gemäss einem Whole of Government-Ansatz (WOGA) gemeinsam von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), dem Staatssekretariat des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und dem Staatssekretariat für Migration (SEM) des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) getragen wird.

Äthiopien ist seit einigen Jahren bestrebt, seine Attraktivität durch den Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen mit Industrieländern zu steigern. Die Schweiz hat die Gelegenheit zur Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen für die Schweizer Wirtschaft in Äthiopien genutzt. Nach zwei Verhandlungsrunden wurde am 29. November 2017 der Entwurf für ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung und Steuerumgehung (DBA-ET) paraphiert. Die Kantone und interessierten Verbände äusserten sich bei der Orientierung im Frühjahr 2018 positiv zu dessen Abschluss.

Die Unterzeichnung konnte aber nicht erfolgen, weil Äthiopien mitteilte, im Zuge einer Änderung seiner Abkommenspolitik keine Doppelbesteuerungsabkommen ohne eine Bestimmung über die Vergütung für technische Dienstleistungen mehr unterzeichnen zu können. Diese neue Position stellte das 2017 erzielte ausgewogene Ergebnis infrage. Äthiopien hatte zunächst eine Bestimmung über die technischen Dienstleistungen vorgeschlagen, darauf aber schliesslich im Rahmen der 2017 paraphierten Gesamtlösung im Einklang mit seiner damaligen Abkommenspolitik
verzichtet.

Vor diesem Hintergrund wurden die Verhandlungen im Februar 2020 mit einer dritten Verhandlungsrunde wieder aufgenommen. Aus Schweizer Sicht hätte die allfällige

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SR 0.975.234.1

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Aufnahme einer Bestimmung über die Quellenbesteuerung der Vergütungen für technische Dienstleistungen ein grosses Zugeständnis bedeutet und substanzielle Anpassungen des DBA-ET erfordert, um die Ausgewogenheit von 2017 wiederherzustellen.

Seitens Äthiopiens wurden aber nur geringfügige Änderungen in Betracht gezogen, die nicht geeignet waren, die Aufnahme einer solchen Bestimmung in das DBA-ET auszugleichen. In Anbetracht der Umstände wurde schliesslich vereinbart, die technischen Dienstleistungen ausdrücklich vom sachlichen Geltungsbereich des DBA-ET auszunehmen.

Der Ausschluss der technischen Dienstleistungen, der keine grundsätzliche Änderung der schweizerischen Abkommenspolitik darstellt, wurde bei der neuen Orientierung im Frühling 2020 von einer grossen Mehrheit der Kantone begrüsst und fand bei den interessierten Verbänden insgesamt mehrheitlich Zustimmung. Das DBA-ET wurde am 29. Juli 2021 in Addis Abeba unterzeichnet.

1.2

Würdigung

Mit dem DBA-ET kann das schweizerische Abkommensnetz erstmals in Ostafrika ausgebaut werden. Das Abkommen gewährleistet Rechtssicherheit und einen vertraglichen Rahmen, der sich vorteilhaft auf die Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen auswirken wird. Die vereinbarten Lösungen versetzen Schweizer Unternehmen in eine hinlänglich konkurrenzfähige Position im Vergleich zu Unternehmen aus Staaten, die in den letzten Jahren Doppelbesteuerungsabkommen mit Äthiopien abgeschlossen haben.

Der ausdrückliche Ausschluss der Vergütungen für die Erbringung von Geschäftsführungsaufgaben, freiberuflichen oder technischen Dienstleistungen oder Beratungsdiensten jeder Art vom sachlichen Geltungsbereich des DBA-ET mag aus schweizerischer Sicht ein weniger günstiges Ergebnis als der 2017 paraphierte Abkommensentwurf darstellen. Es bedeutet, dass die beiden Vertragsstaaten in diesem Bereich ihr innerstaatliches Recht anwenden können. Da das Schweizer Recht keine Quellensteuer auf Dienstleistungen vorsieht, ist dieser Ausschluss für Äthiopien günstig, das sein Recht in diesem Bereich anwenden kann. Die Lösung ist aber unter den gegebenen Umständen aus Schweizer Sicht vertretbar. Sie ermöglicht den Abschluss eines weiteren Doppelbesteuerungsabkommens mit einem für die Schweizer Wirtschaft namentlich hinsichtlich des Begriffs der Betriebsstätte und der Besteuerung von Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren günstigen Gesamtergebnis. Sie dürfte Schweizer Unternehmen nicht benachteiligen, die in der Regel bei der Festlegung ihrer Dienstleistungspreise die steuerlichen Rahmenbedingungen vor Ort berücksichtigen. Mit der Lösung kann ausserdem vermieden werden, dass die Schweiz als einer der ersten Staaten nach der jüngsten Änderung der äthiopischen Abkommenspolitik eine Bestimmung zur Quellenbesteuerung von Dienstleistungen mit Äthiopien vereinbart, ohne sicher sein zu können, dass andere Staaten eine solche Klausel mit Äthiopien akzeptieren werden. Zur Milderung einer Doppelbesteuerung aufgrund dieser Lösung sieht das DBA-ET zudem ausdrücklich vor, dass der in Äthiopien erhobene Quellensteuerbetrag auf Antrag von der schweizerischen Bemessungsgrundlage abgezogen werden kann. Dies entspricht der heutigen Praxis.

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Das DBA-ET setzt ausserdem die aus den Massnahmen 6 und 14 des OECD-Projekts «Base Erosion and Profit Shifting» (BEPS) hervorgegangenen Mindeststandards zur Nichtgewährung von Abkommensvorteilen in missbräuchlichen Situationen (vgl.

Art. 27 DBA-ET) und zur Verbesserung der Streitbeilegungsmechanismen um (vgl.

Art. 24 DBA-ET).

Schliesslich erfüllt das DBA-ET den internationalen Standard im Bereich des Informationsaustauschs auf Anfrage.

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Erläuterungen zu einzelnen Artikeln des Abkommens

Das DBA-ET folgt sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht dem Musterabkommen der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD-Musterabkommen)2 und der Abkommenspolitik der Schweiz im Bereich der Doppelbesteuerung. Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf die wichtigsten Abweichungen davon.

Titel und Präambel Entsprechend dem Mindeststandard aus der BEPS-Massnahme 6 ist im Titel und in der Präambel vorgesehen, dass das DBA-ET auch die Verhinderung der Steuerhinterziehung und Steuerumgehung bezweckt. Diese Präzisierung findet sich im OECDMusterabkommen.

Mit dieser Bestimmung wird klargestellt, dass die Schweiz und Äthiopien nicht die Absicht haben, durch das Doppelbesteuerungsabkommen Möglichkeiten zur Nichtbesteuerung oder reduzierten Besteuerung durch Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung zu schaffen. Vereinfacht ausgedrückt: Die Vermeidung von sogenannt doppelter Nichtbesteuerung als Folge von Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung soll auch Zweck des DBA-ET sein. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es Situationen von gewollter doppelter Nichtbesteuerung gibt. Dazu zählt beispielsweise die Besteuerung von Dividenden an Gesellschaften des gleichen Konzerns. Die doppelte Nichtbesteuerung verhindert in solchen Situationen ungewollte wirtschaftliche Mehrfachbelastungen.

Die Aufnahme dieser Bestimmung ist notwendig, um den im Rahmen der BEPSMassnahme 6 gesetzten Mindeststandard zu erfüllen.

Art. 2

Unter das Abkommen fallende Steuern

Da Äthiopien keine Vermögenssteuer erhebt, umfasst das DBA-ET nur die Steuern vom Einkommen. Ihre Vermögens- und Kapitalsteuern kann die Schweiz somit nach ihrem innerstaatlichen Recht erheben.

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www.estv.admin.ch > Internationales Steuerrecht > Staatenbezogene Steuerinformationen > Musterabkommen der OECD (nur engl. und franz. Text vorhanden).

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Art. 4

Ansässige Person

Diese Bestimmung entspricht Artikel 4 des OECD-Musterabkommens. Zu den beispielhaft aufgeführten Definitionskriterien der ansässigen Person nach Absatz 1 gehört auch der Eintragungsort einer Gesellschaft. In Ziffer 2 des Protokolls wird klargestellt, dass auch steuerbefreite Vorsorgeeinrichtungen und gemeinnützige Organisationen als ansässige Personen gelten.

Art. 5

Betriebsstätte

Die Definition der Betriebsstätte in Artikel 5 des DBA-ET beruht auf der entsprechenden Bestimmung des OECD-Musterabkommens in der Fassung von 2014.

Der Beispielkatalog der Betriebsstätten in Absatz 2 enthält auf Wunsch Äthiopiens auch eine «Verkaufsstelle» (Bst. e), um den lokalen Steuerbehörden die Anwendung des DBA-ET zu erleichtern. Eine Verkaufsstelle gilt immer als Betriebsstätte. Dieses Begehren schien aus schweizerischer Sicht daher vertretbar. Zudem wollte Äthiopien, dass ein «gewerblich betriebenes Lagerhaus» (Bst. g), worunter eine feste Geschäftseinrichtung für die Lagerung von Waren Dritter zu verstehen ist, eine Betriebsstätte begründet. Die Schweiz konnte sich damit einverstanden erklären, insofern auch für sie ein solches Lagerhaus als Betriebsstätte gilt. Schliesslich wurde auf äthiopisches Begehren ein «Landwirtschaftsbetrieb» (Bst. h) in den Beispielkatalog nach Absatz 2 aufgenommen; diese Möglichkeit ist auch im Kommentar zum OECD-Musterabkommen enthalten.

Nach Absatz 3 gelten in einem Vertragsstaat während mehr als sechs Monaten ausgeübte Bauausführungen und Montagetätigkeiten als Betriebsstätte. Die schweizerische Abkommenspraxis folgt in der Regel dem OECD-Musterabkommen mit einer Dauer von zwölf Monaten. Mit dem vereinbarten Kompromiss konnte die von Äthiopien vorgeschlagene Aufnahme eines Besteuerungsrechts auf Versicherungstätigkeiten im Quellenstaat abgewendet werden. Dieses Ergebnis entspricht Lösungen, wie sie bereits mit anderen Entwicklungsländern vereinbart wurden.

Art. 7

Unternehmensgewinne

Da Äthiopien noch nicht bereit war, Artikel 7 nach der Fassung des OECD-Musterabkommens von 2010 zu vereinbaren, folgt Artikel 7 den Regelungen nach dem Musterabkommen vor diesem Datum.

Absatz 2 präzisiert, dass Gewinne aus der Erbringung von Geschäftsführungsaufgaben, freiberuflichen oder technischen Dienstleistungen oder Beratungsdiensten jeder Art nicht im Begriff der «Gewinne» im Sinne dieses Artikels enthalten sind. Vergütungen für die Erbringung dieser Dienstleistungen fallen somit nicht unter Artikel 7, sondern unter Artikel 21 (Andere Einkünfte).

Im Rahmen der Gesamtlösung konnte die Aufnahme der ursprünglichen äthiopischen Vorschläge in Artikel 7, welche die Attraktivkraft der Betriebsstätte und eine eingeschränkte Möglichkeit des Abzugs anderer Beträge als der von der Betriebsstätte bezahlten Aufwendungen an den Hauptsitz vorsahen, abgewendet werden. Zum Abzug

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der für eine Betriebsstätte entstandenen Aufwendungen hält Absatz 4 fest, dass allenfalls im nationalen Recht vorgesehene Beschränkungen den Grundsätzen der Gleichbehandlung in Artikel 23 Absatz 2 des DBA-ET genügen müssen.

Art. 8

Internationaler Verkehr

Die Überschrift zu diesem Artikel wurde auf Begehren Äthiopiens angepasst. In Absatz 3 werden wie in anderen schweizerischen Doppelbesteuerungsabkommen (z. B. mit Kanada, Chile und der Ukraine) die im Kommentar zum OECD-Musterabkommen enthaltenen Grundsätze übernommen, wonach Gewinne aus dem Betrieb von Schiffen und Luftfahrzeugen auch solche aus der Vermietung von leeren Schiffen oder Luftfahrzeugen oder von Containern und ihrer Ausrüstung umfassen, wenn diese eine Nebentätigkeit zum Betrieb von Schiffen und Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr darstellen. Dasselbe gilt für Gewinne aus dem Fahrkartenverkauf für eine Beförderung auf dem Meer oder in der Luft durch andere Unternehmen und für Zinsen auf Forderungen, die unmittelbar mit dem Betrieb von Schiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr zusammenhängen.

Art. 10

Dividenden

Nach äthiopischem Recht muss eine Gesellschaft einen erzielten Gewinn im Folgejahr ausschütten. Nicht ausgeschüttete, thesaurierte Gewinne unterliegen ebenfalls der Quellensteuer (Ausschüttungsfiktion). Die Quellensteuer auf an Nichtansässige gezahlte Dividenden beträgt nach äthiopischem Recht 10 Prozent. Das DBA-ET sieht für Dividenden einen generellen Residualsteuersatz von 15 Prozent vor. Kommen die Dividenden einer Gesellschaft zu, die mindestens 25 Prozent am Kapital der ausschüttenden Gesellschaft hält, so beträgt der Residualsteuersatz 5 Prozent, vorausgesetzt die Mindesthaltedauer von 365 Tagen ist erfüllt. Der Satz von 5 Prozent gilt auch für an eine Vorsorgeeinrichtung oder die Zentralbank des anderen Vertragsstaats gezahlte Dividenden.

Art. 11

Zinsen

An Nichtansässige gezahlte Zinsen unterliegen nach äthiopischem Recht einer Quellensteuer von 10 Prozent. Das DBA-ET sieht einen Residualsatz von 5 Prozent vor.

Trotz Insistierens seitens der Schweiz konnten keine Ausnahmen von dieser allgemeinen Regel vereinbart werden.

Art. 12

Lizenzgebühren

Bei den Lizenzgebühren war eine ausschliessliche Besteuerung im Ansässigkeitsstaat der nutzungsberechtigten Person für Äthiopien nicht denkbar. Im Rahmen der Gesamtlösung wurde schliesslich ein Satz von 5 Prozent vereinbart. Davon ausgenommen ist das Leasing, das unter Artikel 7 fällt (vgl. Ziff. 3 des Protokolls). Vergütungen, die nicht als Entgelt für das Recht auf gewerbliche Nutzung einer Software gezahlt werden, gelten nicht als Lizenzgebühren im Sinne von Artikel 12 (vgl. Ziff. 5 des Protokolls).

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Art. 13

Gewinne aus der Veräusserung von Vermögen

Diese Bestimmung entspricht den Grundsätzen der schweizerischen Abkommenspolitik. Wie in anderen Schweizer Doppelbesteuerungsabkommen sieht Absatz 4 vor, dass die Gewinne aus der Veräusserung von Anteilen an einer Gesellschaft, deren Wert zu über 50 Prozent direkt oder indirekt aus unbeweglichem Vermögen in einem Vertragsstaat stammen, in diesem besteuert werden können. Seitens der Schweiz wurde im Artikel über die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (vgl.

Art. 22 Abs. 2 Bst. a DBA-ET) festgehalten, dass die Schweiz die Freistellung für diese Gewinne nur gewährt, wenn die Besteuerung in Äthiopien nachgewiesen wurde.

Art. 14

Selbstständige Arbeit

Absatz 2 hält fest, dass Einkünfte aus der Erbringung von Geschäftsführungsaufgaben, freiberuflichen oder technischen Dienstleistungen oder Beratungsdiensten jeder Art nicht im Begriff der «Einkünfte» im Sinne dieses Artikels enthalten sind. Somit fallen Vergütungen an natürliche Personen für die Erbringung solcher Dienstleistungen nicht unter Artikel 14, sondern unter Artikel 21 (Andere Einkünfte).

Art. 15

Unselbstständige Arbeit

Auf Wunsch Äthiopiens hält Absatz 3 fest, dass von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person für eine unselbstständige Tätigkeit an Bord eines im internationalen Verkehr betriebenen Schiffs oder Luftfahrzeugs bezogene Vergütungen nur im Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet. Diese Bestimmung scheint vertretbar. In Anwendung der Freistellungsmethode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung würde die Schweiz das Gehalt einer ansässigen Person, die für ein solches Unternehmen in Äthiopien arbeitet, nicht besteuern. Umgekehrt hätte sie beim Gehalt einer in Äthiopien ansässigen Person, die für ein solches in der Schweiz gelegenes Unternehmen arbeitet, das ausschliessliche Besteuerungsrecht.

Art. 17

Künstler und Sportler

Entsprechend der Abkommenspraxis der Schweiz erfolgt die Besteuerung am Tätigkeitsort auch für Einkünfte, die einer anderen Person als dem Künstler, der Künstlerin, dem Sportler oder der Sportlerin für dessen bzw. deren Auftreten zufliessen (Abs. 2).

Diese Besteuerung erfolgt aber nicht, wenn die Einkünfte aus diesem Auftreten direkt oder indirekt, ganz oder überwiegend aus öffentlichen Mitteln des Ansässigkeitsstaats stammen; in diesem Fall werden die Einkünfte nur im Ansässigkeitsstaat besteuert (Abs. 3).

Art. 18

Ruhegehälter

Ruhegehälter einschliesslich Kapitalleistungen (vgl. Ziff. 6 des Protokolls) können im Quellenstaat besteuert werden. Diese Lösung trägt dem Umstand Rechnung, dass Ruhegehälter in Äthiopien nicht steuerbar sind. Damit kann die Schweiz die Quellensteuer auf privaten und öffentlichen Vorsorgeleistungen und Leistungen der Säule 3a beibehalten, die an eine in Äthiopien ansässige Person ausbezahlt werden.

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Äthiopische Ruhegehälter für in der Schweiz ansässige Bezügerinnen und Bezüger, deren Zahl begrenzt sein dürfte, wird die Schweiz auf Nachweis der Besteuerung in Äthiopien von der Besteuerung ausnehmen (vgl. Art. 22 Abs. 2 Bst. a DBA-ET).

Ziffer 7 des Protokolls enthält eine Bestimmung, die im Kommentar zum OECDMusterabkommen vorgesehen ist und die die Schweiz materiell bereits in einigen anderen Doppelbesteuerungsabkommen vereinbart hat. Sie betrifft die steuerliche Berücksichtigung von Vorsorgebeiträgen und soll gewährleisten, dass im Ausland wohnhafte Personen nicht benachteiligt werden, wenn sie weiterhin Beiträge an eine Vorsorgeeinrichtung im Herkunftsland leisten, während sie im anderen Vertragsstaat arbeiten. In solchen Situationen besteht die Gefahr, dass Sozialversicherungs- und Vorsorgebeiträge steuerlich unberücksichtigt bleiben.

Das DBA-ET sieht vor, dass Beiträge an die Vorsorge im anderen Vertragsstaat im Staat, in dem das Erwerbseinkommen erzielt wird, unter gleichen Bedingungen steuerlich berücksichtigt werden sollen wie Beiträge an das Vorsorgesystem in diesem Staat. In der Schweiz sind davon die Beiträge an die erste und zweite Säule und die Säule 3a betroffen. In der Schweiz wird der Abzug der Beiträge an die schweizerischen Sozialversicherungen (einschliesslich berufliche Vorsorge) bereits heute in den Quellensteuertarifen pauschal berücksichtigt. Die geltende schweizerische Praxis erfüllt somit in der Regel den Inhalt der Bestimmung schon heute.

Art. 21

Andere Einkünfte

Mit dem Ausschluss vom Geltungsbereich der Artikel 7 und 14 des Abkommens werden Vergütungen für die Erbringung von Geschäftsführungsaufgaben, freiberuflichen oder technischen Dienstleistungen oder Beratungsdiensten jeder Art der Kategorie der anderen Einkünfte nach Artikel 21 DBA-ET zugeordnet.

Bei der Besteuerung von nicht in anderen Bestimmungen des DBA-ET behandelten Einkünften kann Äthiopien nur das Prinzip der Quellenbesteuerung zulassen. Eine Bestimmung, die eine Besteuerung dieser Einkünfte generell im Quellenstaat vorsieht, wäre aber für die Schweiz unvorteilhaft gewesen, die in diesem Punkt dem OECDMusterabkommen folgt und die Freistellungsmethode für Einkünfte anwendet, die nach dem Abkommen vom Quellenstaat besteuert werden können. Die vereinbarte Kompromisslösung beruht auf dem OECD-Musterabkommen, hält aber fest, dass ungeachtet der Absätze 1 und 2 dieser Bestimmung im DBA-ET nicht behandelte Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person im anderen Vertragsstaat erzielt (wie z. B. ein Lotteriegewinn oder eine Vergütung für Geschäftsführungsaufgaben, freiberufliche oder technische Dienstleistungen oder Beratungsdienste), nicht unter das Abkommen fallen (Abs. 3). Wie Absatz 3 festhält, wird die Besteuerung dieser Einkünfte somit nach dem nationalen Recht des jeweiligen Vertragsstaats geregelt. Somit werden Zahlungen einer in Äthiopien ansässigen Person zur Vergütung von Geschäftsführungsaufgaben, freiberuflichen oder technischen Dienstleistungen oder Beratungsdiensten, die eine in der Schweiz ansässige Person erbringt, nach äthiopischem Recht besteuert. Stammen die Einkünfte jedoch aus Drittstaaten, so können sie nur im Ansässigkeitsstaat der Person besteuert werden, die sie erzielt.

Absatz 4 stellt klar, dass eine Zahlung für erbrachte Dienstleistungen nur dann aus einem Vertragsstaat stammt, wenn eine in diesem Staat ansässige Person sie leistet 9 / 14

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oder eine in diesem Staat gelegene Betriebsstätte oder feste Einrichtung, an die die bezahlten Dienstleistungen erbracht wurden und die die Zahlung trägt. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Betriebsstätte oder feste Einrichtung einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person gehört oder nicht.

Art. 22

Vermeidung der Doppelbesteuerung

Äthiopien vermeidet die Doppelbesteuerung durch die Anrechnungsmethode. Die Schweiz vermeidet die Doppelbesteuerung wie üblich mit der Freistellungsmethode unter Progressionsvorbehalt. Dabei behält sie sich die Besteuerung der Kapitalgewinne aus der Veräusserung von Immobiliengesellschaften und der Ruhegehälter vor, wenn diese nicht tatsächlich in Äthiopien besteuert wurden. Eine Freistellung ist dann ausgeschlossen, wenn Äthiopien aufgrund eines Qualifikationskonflikts seinerseits das gleiche Einkommen freistellt (Abs. 4). Dies verhindert die doppelte Nichtbesteuerung. Bei Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren kommt die Steueranrechnung zur Anwendung.

Nach Absatz 2 Buchstabe c berücksichtigt die Schweiz bei der Ermittlung des steuerbaren Einkommens in der Schweiz den in Äthiopien für die Erbringung von Geschäftsführungsaufgaben, freiberuflichen oder technischen Dienstleistungen oder Beratungsdiensten jeder Art gezahlten Steuerbetrag auf Antrag als abzugsfähigen Aufwand. Durch den Abzug der äthiopischen Steuer von der schweizerischen Bemessungsgrundlage kann die Doppelbesteuerung gemildert werden. Somit dient der Nettobetrag nach Abzug der in Äthiopien gezahlten Quellensteuer als Grundlage für die Besteuerung in der Schweiz. Dies entspricht der bisherigen Praxis. Die Bestimmung hat deshalb lediglich deklaratorische Wirkung.

Art. 24

Verständigungsverfahren

Absatz 1 sieht entsprechend dem OECD-Musterabkommen vor, dass eine steuerpflichtige Person ein Verständigungsverfahren entweder in ihrem Ansässigkeitsstaat oder im anderen Vertragsstaat beantragen kann.

Gemäss dem Mindeststandard zur BEPS-Massnahme 14 «Verbesserung der Effizienz von Streitbeilegungsmechanismen» sollen Länder nach Möglichkeit den zweiten Satz von Artikel 25 Absatz 2 mit dem Wortlaut «Die Verständigungsregelung ist ungeachtet der Fristen des innerstaatlichen Rechts der Vertragsstaaten durchzuführen» in ihre Doppelbesteuerungsabkommen aufnehmen. Ist dies einem Land nicht möglich, beispielsweise, weil es (wie die Schweiz) einen Vorbehalt angebracht hat, sollte es andere Bestimmungen zur Beschränkung der Frist für eine Berichtigung nach Artikel 7 Absatz 2 oder Artikel 9 Absatz 1 des OECD-Musterabkommens in seine Abkommen aufnehmen, um spätere Berichtigungen, die nicht mehr Gegenstand einer Entlastung aufgrund des Verständigungsverfahrens sein können, zu verhindern. Die Bestimmungen sind im Kommentar zum OECD-Musterabkommen enthalten.

In Äthiopien beträgt die Verjährungsfrist sowohl für eine Berichtigung als auch für eine Änderung einer rechtskräftigen Veranlagung (z. B. aufgrund einer Verständigungsvereinbarung) fünf Jahre. Dem schweizerischen Vorschlag gestützt auf BEPSMassnahme 14, den Zeitraum zu begrenzen, in dem eine Erstberichtigung vorgenommen werden kann, konnte Äthiopien nicht zustimmen. Ausserdem hätte diese Lösung 10 / 14

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wegen der Revisionsfrist im äthiopischen Recht den Zweck, die Umsetzung einer allfälligen Verständigungsvereinbarung sicherzustellen, nicht erfüllt.

Im Zusammenhang mit der bei Artikel 24 Absatz 2 zweiter Satz vereinbarten Lösung wurde schliesslich auf eine Befristung in den Artikeln 7 und 9 verzichtet. Nach der in Artikel 24 Absatz 2 vorgesehenen Bestimmung ist eine Verständigungsvereinbarung ungeachtet der innerstaatlichen Fristen der Vertragsstaaten durchzuführen, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des betreffenden Steuerjahrs. Damit ist zum einen ein ausreichender Zeitraum gewährleistet, um eine Verständigungsvereinbarung zu treffen, die sowohl von der Schweiz als auch von Äthiopien umgesetzt werden kann. Zum andern kann die Frist des schweizerischen Steuerrechts für die Revision einer rechtskräftigen Veranlagung berücksichtigt werden.

Eine Schiedsklausel für Fälle, in denen das Verständigungsverfahren keine für beide Seiten befriedigende Lösung ermöglichen sollte, konnte trotz Insistierens der Schweiz nicht vereinbart werden. Eine solche Klausel entspricht nicht der heutigen Abkommenspolitik Äthiopiens. Eine Evolutivklausel stellt aber sicher, dass eine allenfalls künftig mit einem anderen Staat abgeschlossene Schiedsklausel Äthiopiens gleichzeitig auch für die Schweiz anwendbar wird (vgl. Ziff. 8 des Protokolls).

Art. 25

Informationsaustausch

Das DBA-ET enthält eine Bestimmung über den Informationsaustausch nach dem internationalen Standard. Die nachfolgenden Ausführungen gehen lediglich auf einzelne Punkte in Artikel 25 sowie die dazugehörige Protokollbestimmung (Ziff. 9) ein.

Der Geltungsbereich für den Informationsaustausch ist auf die unter das Abkommen fallenden Steuern beschränkt.

Die Bestimmungen von Artikel 25 werden im Protokoll zum Abkommen (Ziff. 9) konkretisiert. Es regelt unter anderem im Detail die Voraussetzungen, die ein Auskunftsersuchen erfüllen muss (Bst. b). Notwendig ist insbesondere die Identifikation der betroffenen steuerpflichtigen Person (diese Information kann sich aus sämtlichen Elementen ergeben, die eine Identifizierung ermöglichen) sowie, soweit bekannt, Name und Adresse der Person (z. B. einer Bank), in deren Besitz der ersuchende Staat die gewünschten Informationen vermutet. Ebenso hält das Protokoll zum Abkommen fest, dass diese Voraussetzungen nicht formalistisch ausgelegt werden dürfen (Bst. c).

Gemäss dem internationalen Standard ist der Informationsaustausch auf konkrete Anfragen beschränkt. Dazu gehören auch Anfragen, die auf eine genau definierte Gruppe von Steuerpflichtigen abzielen, bei denen davon ausgegangen werden muss, dass sie ihren Steuerpflichten im ersuchenden Staat nicht nachgekommen sind. Das DBA-ET ermöglicht es, solchen Ersuchen Folge zu leisten. Mit detaillierten Angaben zur Gruppe der Steuerpflichtigen, die es dem ersuchten Staat ermöglichen, die konkret betroffenen Personen zu bestimmen, kommt der ersuchende Staat dem Erfordernis der Identifikation der vom Ersuchen betroffenen steuerpflichtigen Personen nach. Diese Auslegung beruht auf der Auslegungsklausel (Bst. c i.V.m. Bst. b), die die Vertragsstaaten zu einer Auslegung der Erfordernisse an ein Ersuchen mit dem Ziel eines mög-

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lichst weitgehenden Informationsaustauschs verpflichtet, ohne dass «fishing expeditions» zugelassen sind. Die prozeduralen Voraussetzungen für die Erfüllung von Gruppenersuchen sind im Steueramtshilfegesetz vom 28. September 20123 geregelt.

Artikel 25 DBA-ET sieht den spontanen und den automatischen Informationsaustausch nicht vor.

Art. 27

Anspruch auf Vorteile

Absatz 1 sieht eine Missbrauchsklausel in Form einer Hauptzweckbestimmung (Principal Purposes Test, PPT-Regel) vor. Aufgrund dieser Bestimmung werden die Vorteile des DBA-ET nicht gewährt, wenn das Erlangen dieser Vorteile einer der hauptsächlichen Zwecke der entsprechenden Gestaltung oder Transaktion war, es sei denn, es wird nachgewiesen, dass das Gewähren dieser Vorteile in Einklang mit dem Ziel und Zweck der entsprechenden Bestimmungen des Abkommens steht. Die PPTRegel setzt den Mindeststandard aus BEPS-Massnahme 6 um und ist in der Fassung des OECD-Musterabkommens vom November 2017 enthalten.

Diese Missbrauchsklausel ist zwar neu, sie entspricht aber in ihren Grundzügen den Missbrauchsklauseln, die die Schweiz bis 2017 in einer Vielzahl ihrer Doppelbesteuerungsabkommen vereinbart hat. Anders ist indessen, dass die Missbrauchsklausel nicht auf einzelne Arten von Einkünften, wie Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren, beschränkt ist. Vielmehr findet sie auf sämtliche Bestimmungen des DBA-ET Anwendung. Alle Abkommensvorteile unterliegen damit dem Vorbehalt einer missbräuchlichen Inanspruchnahme.

Vom Wortlaut her unterscheidet sich die Missbrauchsklausel gegenüber jenen, die die Schweiz bis 2017 in Doppelbesteuerungsabkommen vereinbart hat, noch in einem weiteren Punkt. So ist die Klausel nicht auf Situationen beschränkt, in denen der Hauptzweck der entsprechenden Gestaltung oder Transaktion im Erlangen der Abkommensvorteile lag, sondern Missbrauch besteht auch dann, wenn bloss einer der Hauptzwecke dafür verantwortlich war. Vom Resultat her besteht indessen diesbezüglich keine Differenz. Denn der zweite Teil der Missbrauchsklausel sieht vor, dass die Abkommensvorteile dennoch gewährt werden, wenn dies in Einklang mit dem Ziel und Zweck der entsprechenden Bestimmungen des Abkommens steht. Dies sollte grundsätzlich dann der Fall sein, wenn das Erlangen des entsprechenden Abkommensvorteils nicht der Hauptzweck der Gestaltung oder der Transaktion war.

Absatz 2 entspricht der Bestimmung, die im Kommentar des OECD-Musterabkommens zur PPT-Regel als Möglichkeit zu deren Ergänzung vorgeschlagen ist. Gemäss dieser Bestimmung können gewisse Abkommensvorteile auch in Missbrauchssituationen nach Absatz 1 gewährt werden, wenn diese Abkommensvorteile erlangt worden wären, ohne dass eine Gestaltung oder
Transaktion stattgefunden hätte. Ein Vertragsstaat kann somit bei Vorliegen eines Abkommensmissbrauchs zur Bestimmung der steuerlichen Konsequenzen jenen Sachverhalt heranziehen, der ohne die entsprechende Gestaltung oder Transaktion vorgelegen hätte. Für die Schweiz ist diese Klausel lediglich deklaratorischer Natur, da die Steuerbehörden solche Vorteile nach ihrem nationalen Recht auch ohne eine solche Klausel gewähren können.

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SR 651.1

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Art. 28

Inkrafttreten

Diese Bestimmung trägt dem Umstand Rechnung, dass die äthiopische Steuerperiode der natürlichen wie der juristischen Personen am 8. Juli beginnt und bis am 7. Juli des Folgejahres dauert. Das DBA-ET findet in Äthiopien Anwendung ab dem 8. Juli, der auf das Inkrafttreten des Abkommens folgt. Dies gilt auch für die Bestimmungen zum Informationsaustausch, die für Informationen über Steuerjahre anwendbar sind, die am oder nach dem auf das Inkrafttreten des Abkommens folgenden 8. Juli beginnen.

In der Schweiz findet das DBA-ET Anwendung ab dem 1. Januar des Kalenderjahrs, das auf das Inkrafttreten des Abkommens folgt. Dies gilt auch für die Bestimmungen zum Informationsaustausch, die für Informationen über Steuerjahre anwendbar sind, die am oder nach dem 1. Januar des auf das Inkrafttreten des DBA-ET folgenden Kalenderjahrs beginnen.

3

Finanzielle Auswirkungen

In jedem Doppelbesteuerungsabkommen verzichten die beiden Vertragsparteien auf einen Teil ihrer Steuereinnahmen. Mit diesem Abkommensentwurf wird namentlich der Residualsteuersatz für Dividenden auf 15 Prozent (5 % bei Gesellschaften, die mindestens 25 % des Kapitals der ausschüttenden Gesellschaft halten, bei Vorsorgeeinrichtungen und den Zentralbanken) und für Zinsen auf 5 Prozent gesenkt. Generell stärken und garantieren diese Massnahmen die steuerlichen Rahmenbedingungen und wirken sich infolgedessen positiv auf die Schweizer Wirtschaft aus. Die Aufnahme einer Bestimmung zum Informationsaustausch bewirkt keine direkte Einbusse von Steuereinnahmen. Das DBA-ET kann im Rahmen der bestehenden Personalressourcen umgesetzt werden.

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Rechtliche Aspekte

Verfassungsgrundlage für das DBA-ET ist Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV)4, der die Zuständigkeit für auswärtige Angelegenheiten dem Bund zuweist.

Nach Artikel 184 Absatz 2 BV ist der Bundesrat ermächtigt, die internationalen Verträge zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Die Bundesversammlung ist gemäss Artikel 166 Absatz 2 BV für die Genehmigung der Verträge zuständig; ausgenommen sind die Verträge, für deren Abschluss aufgrund von Gesetz oder völkerrechtlichem Vertrag der Bundesrat zuständig ist (siehe auch Art. 7a Abs. 1 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 1997, RVOG5, und Artikel 24 Absatz 2 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002, ParlG6). Da eine solche Bestimmung im vorliegenden Fall fehlt, obliegt die Genehmigung des DBA-ET der Bundesversammlung.

4 5 6

SR 101 SR 172.010 SR 171.010

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Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie unter anderem wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten. Gemäss Artikel 22 Absatz 4 ParlG gelten Bestimmungen als rechtsetzend, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen.

Das DBA-ET enthält Bestimmungen, die den Schweizer Behörden Pflichten auferlegen, insbesondere im Bereich der Amtshilfe, und die den Privatpersonen (natürliche und juristische Personen) Rechte verleihen. Es enthält somit wichtige rechtsetzende Bestimmungen im Sinne von Artikel 22 Absatz 4 ParlG und Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV. Der Bundesbeschluss über die Genehmigung des DBA-ET untersteht deshalb dem Staatsvertragsreferendum für völkerrechtliche Verträge nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV.

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Vernehmlassungsverfahren

Das DBA-ET untersteht dem Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV. Gestützt auf Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 2005 (VlG)7 besteht damit an sich die Pflicht zur Durchführung einer Vernehmlassung. Nach Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe b VlG kann aber auf ein Vernehmlassungsverfahren verzichtet werden, wenn daraus keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind, weil die Positionen der interessierten Kreise bekannt sind.

Zum DBA-ET wurde im März 2018 und im April 2020 eine Orientierung durchgeführt. Dabei wurde den Kantonen und den am Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen interessierten Wirtschaftskreisen 2018 eine Erläuterung und 2020 eine Zusatzerläuterung zum DBA-ET zugestellt. 2018 wurde das DBA-ET positiv und ohne Einwände aufgenommen. 2020 wurde das Abkommen von einer grossen Mehrheit der Kantone begrüsst und fand bei den interessierten Verbänden insgesamt mehrheitlich Zustimmung. Die Positionen der interessierten Kreise sind entsprechend bekannt und belegt. Gestützt auf Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe b VlG wurde deshalb auf eine Vernehmlassung verzichtet.

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SR 172.061

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