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Schweizerisches Bundesblatt.

4l. Jahrgang. I.

Nr. 14.

# S T #

6. April

1889.

Bericht des

schweizerischen Bundesgerichtes an den Bundesrath zu Händen der hohen Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahre 1888.

(Vom 2. März 1889.)

Herr Präsident!

Hochgeachtete Herren!

Wir haben die Ehre, Ihnen den Bericht über unsere amtliche Thätigkeit während des Jahres 1888 zu übermitteln.

I. Allgemeiner Theil.

In unsern Geschäftsberichten betreffend die Jahre 1886 und 1887 sahen wir uns veranlaßt, auf dio Uebelstände hinzuweisen, an welchen unsere beiden Gerichtssäle leiden. Der Bundesrath hat darüber ein Gutachten von Sachverständigen eingeholt, das uns im Laufe des Berichtjahres zur Kenntniß gebracht wurde. In diesem Gutachten werden die von uns im Geschäftsberichte vom Jahre 1880 gerügten Uebelstände anerkannt. Nach der Ansicht der Experten ist eine gründliehe Abhülfe nur möglich a. Im g r o ß e n S a a l e : Durch Anbringen eines ausgiebigen Deckenlichtes, was jedoch bedeutende Kosten verursachen würde.

Wolle man diese nicht aufwenden, so könne einigermaßen dadurch geholfen werden, daß man Bundesblatt. 41. Jahrg. Bd. I.

55

824

1) 2) 3) 4)

die die die die

schweren Fenstergardinen wegnehme, Fenster selbst ändere, Tische der Richter anders konstruire und Farbenstimmung des Saales heller halte.

b. Im k l e i n e n Saal: 1) Durch "Veränderung der Richtertische.

Dieselben müßten, anstatt in Hufeisenform, in flacher Segmentform konstruirt werden. Das habe aber zur Voraussetzung, daß nicht mehr als sieben Plätze zu beschaffen seien.

2) Für den Fall von neun Richterplätzen : Durch Aenderung der Fenster und der drei benachteiligten Richterlische in der von den Experten näher beschriebenen Weise.

Der Einladung des Departementes des Innern, uns über die Vorschläge der Experten zu äußern, kamen wir mit Schreiben vom 8. Mai 1888 nach. Wir sprachen unsere Meinung dahin aus, daß im großen Saale genügende Abhülfe nur durch Anbringung von Oberlicht geschafft werden könne. Eventuell werde erheblich nur dadurch geholfen werden können, daß man den Halbkreis, in welchem die Richter sitzen, so drehe, daß er sich in der Richtung der Eingangsthüren öffne. Daß dies eine wesentliche Verunzierung des Saales zur Folge haben würde, ist nicht zu leugnen.

Am 17. Mai theilte uns das Departement des Innern mit, daß es den Herrn Recordon, Erbauer des Bundesgerichtshauses, mit der Ausarbeitung eines Projektes für Erstellung eines Oberlichtes im großen Saale betraut habe. Der Bericht des Herrn Recordon wurde uns am 17. November mitgetheilt. Wir entnahmen demselben, daß Herr Recordon gegen das Anbringen von Oberlicht und gegen Drehung der Richtersitze, überhaupt gegen jede Aenderung ist, welche die bestehenden baulichen Einrichtungen wesentlich umgestalten würde. Da alle Abänderungen die Schönheit der Säle beeinträchtigen müßten, so ist es nur natürlich, daß der Schöpfer des Werkes so wenig als möglich vom Vorhandenen abweichen und die Schönheit nicht der Zweckmäßigkeit opfern will. Wir erwiderten hierauf am 1. Dezember dem Departement des Innern, daß Herr Recoidon theilwcise von ganz unrichtigen Voraussetzungen ausgehe, und daß wir die von ihm beantragten Abänderungen für unzulänglich halten müßten. Wir seien aber der Meinung, daß vor der Hand die Sache belassen werde, wie sie ist. Denn da die Revision des Gesetzes betreffend die Organisation der Bundesrechtspflege im Gange sei, und da dieselbe wahrscheinlich eine andere Organisation des Bundesgerichtes, insbesondere Verminderung der Richterzahl in den einzelnen Kammern, also auch Verminderung

825 der Zahl der Richtersitze in den Gerichtssälen zur Folge haben werde, so sei es besser, mit den baulichen Veränderungen bis dorthin zuzuwarten, um dann dieselben den veränderten Verhältnissen entsprechend vornehmen zu können.

Dies ist der gegenwärtige Stand dieser Angelegenheit, soweit wir davon Kenntniss haben.

Nachdem wir schon in unseren Berichte vom Jahre 1882 die Frage der Revision des Gesetzes betreffend die Organisation der Bundesrechtspflege berührt und im Geschäftsbericht vom Jahr 1883 die Notwendigkeit dieser Revision näher begründet hatten, theilte uns das eidgenössiche Justiz- und Polizeidepartement am 28. September 1888 den von Herrn Bundesrichter Dr. Hafner ausgearbeiteten sachbezüglichen Entwurf nebst Motiven mit, und ersuchte uns um unser Gutachten über diese Arbeit. Leider war es uns infolge von Arbeitsüberhäufung nicht möglich, im Berichtjahre dein Gesuche zu entsprechen. Die Prüfung und Begutachtung dea Entwurfes mußte daher auf das kommende Jahr verschoben werden.

Die Geschäftslast hat sich überhaupt in diesem Jahre in recht empfindlicher Weise geltend gemacht, und es darf wohl gesagt werden, daß damit so ziemlich die Grenze desjenigen erreicht sein mag, was ohne Benachteiligung der Qualität der Arbeiten geleistet werden kann.

Zwar hat sich die Zahl der Sitzungen gegen die beiden Vorjahre um etwas vermindert, allein die Zahl der eingegangenen Geschäfte ist auf 394 gestiegen gegen 337 im Jahre 1887, 332 im Jahre 1886 und 281 im Jahre 1885. Diese Zahlen geben jedoch nicht einen ausreichenden Maßstab zur Beurtheilung der Geschäftsvermehrung. Während in den vorangegangenen Jahren noch ein erheblicher Prozentsatz von Weiterziehungen aus dem Obligationenrecht wegen der zeitlichen Grenzen dieses Gesetzes nicht einläßlich behandelt werden konnte, sondern Mangels Kompetenz des Bundesgerichtes zurückgewiesen werden mußte, sind jetzt Weiterziehunggen dieser Art zur Seltenheit geworden. Selbstverständlich aber erfordert die einläßliche Behandlung eines Streites weit mehr Zeit, als die einfache Prüfung und Beurtheilung der Kompetenzfrage.

Was die Gerichtssitzungen an Zahl einbüßten, haben sie reichlich au Dauer gewonnen. Während sie früher selten Vor- und Nachmittag beanspruchten, ist dies nun bald zur Regel geworden. Zu den Gründen, welche sich bisher für Revision des Gesetzes betreffend die Organisation der Bundesrechtspflege geltend machten, tritt also ein neuer hinzu : die Ueberlastung der Richter.

826

IQ Bezug auf die Rechtsspiechung verweisen wir im Allgemeinen auf die im Druck erschienene Sammlung der bundesgerichtlichen Entscheidungen und auf die im zweiten Theil dieses Berichtes folgenden statistischen Angaben. Einige besondere Bemerkungen mögen hier ihren Platz finden.

Die Strafrechtspflege beschränkte sich auf einen einzigen Fall, und zwar auf die Strafklage gegen Karl Schul und Genossen in Basel, wegen Beschimpfung der kaiserlich-deutschen und elsaßlothringischen Regierung bei Anlaß des Fastnachtumzuges in Basel.

Der Prozeß kam vor die eidgenössischen Assisen in Basel und endigte mit der Verurtheilung des Karl Schul zu einer Buße von Fr. 800 und den Kosten. Diese beliefen sich, soweit sie von dem Angeklagten zu tragen waren, auf Fr. 2723. 88 einbegriffen die Gerichtsgebilhr mit Fr. 200). Die übrigen Angeklagten wurden freigesprochen.

Besondere Erwähnung verdienen die staatsrechtlichen Rekurse wegen angeblicher Rechtsverweigerung. Von den 88 in Behandlung gekommenen Rekursen dieser Art wurden nur 5 für begründet erklärt. Davon betrafen \ die unvollständige Gewährung des in Art. (i des Gesetzes vom 26. April 1887 betreffend die Ausdehnung der Haftpflicht etc. den bedürftigen Personen, welche nach Maßgabe dieses Gesetzes oder desjenigen vom 1. Juli 1875 und 25. Juni 1881 Klage erheben, zugesicherten Armenrechtes. Ein anderer betraf die Ablehnung der Kompetenz zur Beurtheilung der Kosten eines durch Kassation vernichteten Urtheils. Keine Behörde, die als zuständig in Frage kommen konnte, wollte die Beschwerde, resp. das Klagbegehren an Hand nehmen. Der dritte Fall betraf die Ablehnung der Kompetenz zur Beurtheilung einer Injurienklage. Auch hier wäre, wenn das Bundesgericht den Rekurs nicht begründet erklärt hätte, ein Richter überhaupt nicht zu finden gewesen. Die beiden ändern Fälle betrafen eigentliche Urtheile kantonaler Gerichte. Der eine von diesen hatte zum Gegenstände die Weigerung eines Gerichtes (Tribunal des Prud'hommes in Genf), die Parteizeugen abzuhören, weil sie während der Parteiverhandlmigen im Gerichtssaal zugegen gewesen seien. Da das betreffende Gesetz vorschreibt, daß der Präsident die Parteien nach etwaigen Zeugen fragen, und bejahenden Falls diese durch den huissier in den Zeugensaal eintreten machen soll, und da von dein Allem nichts beobachtet worden war, so fand
das Bundesgericht in der Verwerfung der Zeugen aus dem Grund ihrer Anwesenheit im Gerichtssaal einen Akt von déni de justice.

Der andere Fall betraf ein Urlheil aus dein Kanton Appenzell 1. Rh.

Das dortige Kautousgericht hatte -- allerdings in der Meinung, dem materiellen Rechte aufs beste zu dienen -- dem Kläger ein

827 im Gesetz durchaus nicht begründetes Konkursprivilegium zuerkannt, damit er nicht einen Schaden zu leiden habe, der ihm durch eine die Staatsbehörden treffende Nachläßigkeit sonst zugefügt werden würde. Dieses Urtheil hatte nur den einen Fehler, daß es in den Verurtheilten die Unrichtigen traf.

Unter den 83 als unbegründet erklärten Rekursen wegen Rechtsverweigerung finden sich eine große Anzahl solcher, die sich lediglich auf angeblich unrichtige Interpretation von das Gebiet des Civil- oder Strafrechts beschlagenden Gesetzen beziehen, und es blüht diese Art von Rekursen vorzugsweise im Kanton Freiburg.

Mag das Bundesgericht noch so oft erklären, daß es im Wege des staatsrechtlichen Rekurses nicht dazu gelangen könne, Urlheile kantonaler Gerichte darauf zu prüfen, ob die einschlägigen Gesetz« richtig oder unrichtig interpretirt worden seien, so nimmt doch der Strom dieser Rekurse nicht ab, und es sind zum Theil stets dieselben Advokaten, die immer und immer wieder das Bundesgericht mit derartigen Rekursen behelligen. Da die bezüglichen Parteirechtsschriften in der Regel sehr umfangreich sind und eine Reihe von Beschwerdepunkten betreffen, so nehmen sie viel Zeit in Anspruch und nicht weniger Geduld, und sind so zu einer wahren Plage für das Gericht geworden. Mit Dekretirung von Gerichtskosten kann nicht abgeholfen werden, da das Gesetz nur gestattet, sie den Parteien aufzulegen, nicht deren Rathgebern.

Obschon die Vorschriften über das Verfahren bei Ergreifung des Rechtsmittels der Weiterziehung von kantonalen Civilurtheilen an's Bundesgericht in Art. 30 des Gesetzes betreffend die Organisation der Bundesrechtspflege ebenso kurz als klar sind, so kommt es doch immer noch vor, daß sie nicht beobachtet werden, sei es, daß sie von den betreffenden Parteien und Gerichtsstellen nicht verstanden werden, oder sei es, daß sie dieselben gar nicht kennen.

Anstatt die Weiterziehung bei der kantonalen Gerichtsstelle zu erklären, geschieht dies direkt beim Bundesgeiidit, oder wenn die Erklärung auch dort erfolgt ist, so schicken die Parteien Urtheil und Akten direkt hieher, in welchem Falle man natürlich keine Gewähr dafür hat, daß dies diejenigen Akten sind, auf welche hin das kantonale Gericht geurtheilt hat. Noch häufiger aber kommt es vor, daß die kantonalen Gerichte es unterlassen, sich in den
ans Bundesgericht gelangenden Urtheilen über den von ihnen festgestellten Thatbestand auszusprechen. In solchen Fällen ist das Bundesgericht gezwungen, den Thatbestand aus den Akten selbst zu konstruiren. Aber selbst dies ist hie und da wegen der fühlenden oder mangelhaften Zeugenprotükolle nicht wohl möglich. Da Art. 30 leg. cit. das Bundesgericht verpflichtet, sich an den von der Vor-

828

instanz festgestellten Thatbestand zu halten und ihm infolge dessen die Beweiswürdigung nicht zukommt -- das soll ja von den kantonalen Gerichten nach kantonalem Prozeßrecht geschehen -- so ist klar, da lì hiedurch ein Zustand geschaffen wird, der mit dem Gesetze nur wenigharmonirt.. Das Bundesgericht wird auf diese Art, wenigstens zum Theil, in die Stellung eines Appellationsgerichtes gedrängt, was dem Gesetze offenbar nicht entspricht.

Diesen Uebelständen kann wohl nur durch Revision des Gesetzes vom 27. Juli 1874 abgeholfen werden, und es enthält der Revisionsentwurf in der That auch dahin zielende Vorschriften. Uebrigens darf nicht verschwiegen werden, daß in Bezug auf Feststellung des Thatbestandes doch einige Besserung eingetreten ist und daß in dieser Beziehung von einigen Kantonsgerichten geradezu Ausgezeichnetes geleistet wird.

II. Besonderer Theil.

Statistische Angaben.

Gattung und Gang der

Geschäfte.

Aus dem Neu Im Ganzen Davon in 88 Sitzungen UnerVorjahre eingein erledigt ledigt Über- gangen. Behanddurch gelang.

Urtheil. Beschlnss. Total. blieben.

e<·gangen.

Gattung der Geschäfte.

A. Civilstreitigkeiten 51 B. Staatsrechtliche Fälle . . . . 35 C. Strafrechtspflege -- D. Freiwillige Gerichtsbarkeit .

--

168

219

90

84

174

45

225 1

260 1

208 1

15

223 1

37 --

-- 480

-- 299

-- 99

--

--

86

-- 394

398

82

ad A.

Ci vi Ifälle mit Instruk43 tion Weiterziehungen 8

75 93

118 101

17 73

65 19

82 92

36 9

Total

--

Anmerkung. Eine Vergleichung mit dem Vorjahre ergibt, dass im Berichtjahre 39 staatsrechtliche und 17 civilrechtliche Fälle mehr eingegangen sind, und wurden 45 staatsrechtliche und eben so viele civilrechtliche Fälle mehr erledigt. Der Mehrbetrag dt;r Civilstreitigkeiten fällt hauptsächlich auf die Expropriationen.

829 Herkunft der Geschäfte.

Civilrechtliche Staatsrechtliche l^,,,.,,1 otal Weiterziehnngen. Streitigkeiten.

Aargau 3 16 19 Appeseli A. Rh..

.

-- l l Appenzell I. Rh. .

.

l 9 10 Baselstadt .

.

.

5 6 11 Baselland .

.

.

3 8 11 Bern .

.

.

.

15 20 35 Freiburg 9 21 30 Genf .

.

.

.

9 14 23 Glarus .

.

.

.

l 2 3 Graubünden .

.

.

5 6 11 Luzern.

.

.

.

4 16 20 Neuenburg .

.

.

5 5 10 Nidwaiden .

.

.

l 5 6 Obwalden .

.

.

-- l l Schaffhausen l 5 6 Schwyz .

.

.

2 23 25 Solothurn .

.

.

2 7 9 S t . Gallen .

.

.

4 5 9 Tessin .

.

.

.

2 ' 8 10 Thurgau .

.

.

5 9 14 Uri .

.

.

.

l 11 12 Waadt.

.

.

.

11 19 30 Wallis .

.

.

.

l 11 12 Zug . . . .

l 8 9 Zürich .

.

.

.

10 18 28 Anmerkung. Die 23 staatsrechtlichen Fälle von Schwyz habeu sich zum größten Theile (16) aus einem einzigen Streithandel entwickelt.

·v , " Kantone.

A. Civilrechtliche Streitigkeiten.

Die 219 in Behandlung geweseneu civilrechllichen Streitigkeiten vertheilen sich wie folgt: 3 Prozesse gegen den Bund, die alle noch hängend sind. Davon bezieht sich einer auf das Departement des Innern (Chemiegebäude in Zürich), einer auf das Militär- bez. Finanzdepartemeut (Befestigungsarbeiten) und einer auf das Plisenbahnwesen (Nachtzug).

23 Prozesse zwischen Kantonen einerseits und Korporationen und Privaten andrerseits. Davon wurden 10 durch Urtheil, 3 durch 26 Uebertrag.

830

26 Uebertrag.

Beschluß erledigt, und 10 befinden sich noch in Instruktion.

Sie vertheilen sich auf folgende Kantone : Solothurn 5, Bern, Luzern und Freiburg je 3, Waadt und Tessin je 2, Aargau, Genf, Glarus, Zug und Zürich je 1.

82 aus dem Expropriationsgesetz sich herleitende Prozesse, von denen 6 durch Urtheil, 60 durch Beschluß erledigt wurden und 16 sich noch in Instruktion befinden. Sie betreffen, außer den aus dem Vorjahre übergetragenen, sich auf das Telephonwesen in Zürich und die Zürichbergbahn beziehenden, hauptsächlich die Brünig- und die Birsigthalbahn.

6 aus dem Alkoholgesetz sich herleitende Prozesse, von denen l durch Rückzug erledigt ist, die übrigen noch in Instruktion sich befinden.

l Prozeß aus dem Gesetze über Verbindungsgeleise der Bisenbahnen; der Streit waltet zwischen zwei Benutzern desselben Geleises. Er ist noch hängend.

12 Weitei-ziehungen aus dem Gesetz über Haftpflicht der Eisenbahn- und Dampfschiffunternehmuijgen, die sämmtlich erledigt sind, davon l durch Beschluß, l bezog sich auf eine Dampfschiffunternehmung.

1 Weiterzug aus dem [Gesetze über Haftpflicht ^der Fabriken, durch Urtheil erledigt.

17 Weiterziehungen aus dem Gesetze über Civilstand und Ehe, wovon 11 durch Urtheil, 5 durch Beschluß erledigt wurden und l noch hängend ist.

66 Weiterziehungen aus dem Obligatioiienrecht, von denen 46 durch Urtheil, 12 durch Beschluß erledigt wurden, 8 auf das folgende Jahr übergingen.

2 Weiterziehungen bezogen sich auf die Frage der Handlungsfähigkeit, wobei die eine zugleich das Obligationenrecht betraf.

Sie sind beide durch Urtheil erledigt.

2 durch Urtheil erledigte Weiterziehungen betrafen das Markeurecht.

3 Prozesse schwebten vor Bundesgericht als forum prorogatum ; l ist durch Urtheil, l durch Beschluß erledigt, l noch hängend. Endlich in l Falle war überhaupt kein Bundesgesetz angerufen und konnte keines in Frage sein. Er wurde ohne Weiteres durch Inkompetenzurtheil erledigt.

219

831 Von den 92 im Berichtjahre erledigten Weiterziehungen wäret» (meist unmittelbar vor der Tagfahrt) 19 zurückgezogen worden, und zwar betrafen davon 12 das Obligationenrecht, 5 das Gesetz über Civilstand und Ehe, l das Gesetz über Haftpflicht aus Eisenbahnbetrieb, l eine Arrestfrage, mit offenbarer Inkompetenz des Bundesgerichtes19

Bei 15 Weiterziehungen hat das Gericht auf Nichteintreten erkannt und zwar in 7 Fällen wegen mangelndem Streitwerth, in l Fall wegen mangelndem Haupturtheil, in l Fall wegen Inkompetenz der Zeit nach, in 1 Fall traten je bei besondern Begehren alle diese 3 Motive nach einander auf, in 2 Fällen wegen Inkompetenz der Materie nach (z. B. Liegenschaften betreffend}, in 1 Fall, weil vor Bundesgericht nicht civilrechtlich zu behandeln (Handlungsfähigkeit), in 2 Fällen wegen Verspätung.

15

Von den übrig bleibenden 58 in Hauptsache beurtheilten Weiterziehungen wurde das kantonale Urtheil in 12 Fällen abgeändert, von denen 5 das Obligationenrecht und 7 das Bundesgeselz über Haftpflicht der Eisenbahnen betrafen.

B. Staatsrechtliche Streitigkeiten.

Von den 260 im Berichtjahre in Behandlung gewesenen staatsrechtlichen Fällen wurde in 13t> die Bundesverfassung angerufen, und zwar in : 8b Art. 4 bezw. Reehtsverweigerung, ungleiche Behandlung oder willkürliche Rechtsprechung, darunter 3 wegen Verweigerung des Armenrechtes, 2 wegen Entzug des Elternrechtes, in 2 Art. 31, Handels- und Verkehrsfreiheit, l ,, 45, Recht der Niederlassung, 136

91 Uebertrag.

832

136

28 18 l 5

13 7

6 l 4 9

91 9 3 6 19 3 15

Uebertrag.

,, 46, Doppelbesteuerung, ,, 49, Kultussteuern, ,, 55, Preßfreiheit, ,, 58/59, Forumsfragen, ,, 592, Schuldverhaft, ,, 61, Urtheilsvollzug,

136, von welchen 112 durch Urtheil, 16 durch Beschluß erledigt wurden, 18 auf das folgende Jahr übergingen.

beziehen sich auf Kantonsverfassuugen -, 16 sind durch Urtheil, 3 durch Beschluß erledigt, 9 übertragen.

berufen sich auf Bundes- und Kaotonsverfassung; davon sind 15 durch Urtheil erledigt, 3 übertragen.

ist ein durch Urtheil erledigter Kompeteuzkonflikt unter Kantonen.

beziehen sich auf das Gesetz über Civilstand und Ehe und sind theils Gerichtsstandsfragen bei Ehescheidungen, theils Beschwerden wegen Verweigerung der V erehelich ung; bei einem Falle der letztern Art, der eine Heimatrechtsfrage zu involviren schien, wurde der Rekurrent an den h. Bundesrath gewiesen, als diejenige Behörde, die sich damit in erster Linie zu befassen habe. Alle 5 Fälle sind durch Urtheil erledrn-t.

o" berufen sich auf das Gesetz über Handlungsfähigkeit; 10 sind durch Urtheil, l durch Beschluß erledigt, 2 übertragen.

Beschwerden beziehen sich auf das Gesetz über Erwerb des SchweizerbUvgerrechts und Verzicht auf dasselbe, und zwar betreffen 2 die Frage des Erwerbes, 5 die des Verzichtes. 6 sind durch Urtheil, l durch Beschluß erledigt.

beziehen sieh auf das Gesetz über Auslieferung, 5 durch Urtheil erledigt, l übertragen.

auf das Expropriiitionsgesetz ; durch Entscheid erledigt.

auf das Rechnungswesen der Eisenbahnen (2 die Nordostbahn, l die Centralbahn, l die Suisse Occidentale beschlagend), 3 durch Urtheil erledigt, l übertragen.

berufen sich auf das Obligationenrecht, theils unrichtige Anwendung, theils Nichtanwendung desselben, wo es geboten war, behauptend. Fälle der erstem Art kommen immer noch vor, so oft auch das Bundesgericht seine Inkompetenz als

228 Uebertrag.

833

228 Uebertrag.

Staatsgerichtshof für dieselben ausgesprochen hat. 7 sind durch Urtheil erledigt, 2 noch hängend. Es werden ferner angerufen, in l Falle das Fischereigesetz, in l das Forstgesetz und in l das Werbverbot; alle 3 durch Entscheid erledigt.

5 beziehen sich auf Konkordate und zwar 3 auf das Erbkonkordat, 2 auf die Konkurskonkordate; 3 sind durch Urtheil, 2 durch Beschluß erledigt. In 7 Italien sind es Beschwerden, die keinen Bezug auf Verfassung, Bundesgesetze, Konkordate oder Verträge haben, zum Theil auch überdies ganz allgemein und unklar gehalten sind ; alle erledigt. Endlich Ì1 beziehen sich auf Verträge mit dem Auslande; 16 sind erledigt. Im Einzelnen berufen sich 12 Besehwerden auf Verträge mit F r a n k r e i c h und zwar 7 auf deu Gerichtsstandsvertrag (davon 5 Forumsfragen im engem Sinne und 2 Fragen des Vollzugs französischer Urtheile), 2 auf den Niederlassungsvertrag, l auf den Handelsvertrag mit Hinweisung zugleich auf den internationalen Vertrag zum Schutz gewerblichen Eigenthums, l auf den Vertrag betreffend Muster und Modelle, l endlieh beruft sich außer auf den Vertrag von 1869 auf einen altern von 1828. l dieser Beschwerden beruft sich auf den englisch-schweizerischen Handelsvertrag in dem Sinne, daß er einer englischen Firma das von derselben behauptete Recht nicht gebe. 3 berufen sieh auf Verträge mit D e u t s c h l a n d , 2 auf den Niederlassungs vertrag, l auf den Ablieferungsvertrag : Deutsehland begehrte und erhielt (durch Urtheil vom 9. Juli) die Auslieferung des in Mecklenburg naturalisirten Irländers Sidney O'Danne wegen Betrug und Erpressungsversuch. l endlich bezieht sich auf den Auslieferungsvertrag mit I t a l i e n , welches die Auslieferung des Giulio Sinibaldi, Postbeamten in Rom, wegen Unterschlagung öffentlicher Gelder, begehrte; sie wurde bewilligt mit Urtheil vom 9. März.

260

Von 223 (oder nach Abzug der Auslieferungsbegehren 221) erledigten staatsrechtlichen Beschwerden, wurden 41 ganz oder theilweise begründet erklärt. Sie betrafen :

834

17 Verletzung der Bundesverfassung, und zwar: 5 den Art. 4, Rechtsverweigerung, ungleiche Behandlung, davon l "die Verweigerung des vollen Armenrechtes, gutgeheißen unter Mitbezug auf das Bundesgesetz vom 26. April 1887 über die Ausdehnung der Haftpflicht; 3 den Art. 46, Doppelbesteuerung; 3 den Art. 49, Kultussteuern; l den Art. 55, Preßfreiheit; 4 den Art. 59, Gerichtsstand; l den Art. 61, Urtheilsvollzug.

17 6 Verletzung einer Kantonsverfassung, 2 durch Eingriff in die gesetzgeberische Gewalt des Volkes; 2 durch Eingriff in die richterliche Gewalt, beziehungsweise Kompetenzüberschreitung ; l durch Eingriff in das Eigentumsrecht, und l wegen Entzug des Stimmrechtes.

l war ein Kompetenzkonflikt unter Kantonen.

1 betraf das Gesetz über Civilstand und Ehe: Verweigerung des Erlasses einer Aufforderung zur Rückkehr an den das eheliche Domizil verlassenden Theil.

5 wurden gutgeheißen wegen Entzug der Handlungsfähigkeit oder Nichteinsetzung in dieselbe.

5 betrafen den Verzicht auf das Schweizerbürgerrecht. Während es sich in den bisherigen Fällen immer um Eintritt in das Bürgerrecht der Vereinigten Staaten von Nordamerika gehandelt hat, hatte im Berichtjahre der eine dei« Verzichtenden das Bürgerrecht in Viktoria (englisch Australien), ein anderer dasjenige der argentinischen Republik (Südamerika) erworben.

2 betrafen das Bundesgesetz betreffend Auslieferung.

2 das Rechnungswesen der Eisenbahnen (theilweise gutgeheißen).

2 den französisch-schweizerischen Gerichtsstandsvertrag, und zwar war die eine eine Forumsfrage im engern Sinne, während es sieh im ändern Falle um Vollzug eines französischen Urtheils handelte.

41 C. Strafrechtspflege.

Ein von dem h. Bundesrathe dem Bundesgerichte zugewiesener Straffall wurde durch die Assisen in Basel am 18. und 19. Juni erledigt.

835

D. Freiwillige Gerichtsbarkeit.

Keine in das Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit einschlagende Beschwerde lag im Berichtjahre vor dem Bundesgerichte.

E. Mittlere Dauer der Streitfälle.

I. C i v i l r e c h t l i c h e S t r e i t i g k e i t e n .

Durchschnittliche Dauer.

Monate.

Tage.

a. Fälle, welche direkt oder nach vorheriger Entscheidung von Schätzurigskommissionen beim Bundesgerichte anhängig gemacht wurden (82 gegen 30 im Vorjahre) : l") Von Abgabe der Klage auf der Post b i s z u m Urtheil .

.

.

.

6 2) Vom Erlaß des Urtheils (beziehungsweise Beschlusses) bis zur Zustellung desselben -- b. Fälle, welche nach Art. 29 des Bundesgesetzes über Organisation der Bundesrechtspflege an das Bundesgericht gezogen wurden (92 gegen 99 im Vorjahr) : 1) Von Absendung der Akten durch das kantonale Gericht bis zum Urtheil .

2 2) Von Erlaß des Urtheils bis zur Zustellung desselben .

.

.

.

-- II. S t a a t s r e c h t l i c h e S t r e i t i g k e i t e n .

(223 gegen 178 im Vorjahre.")

1) Von Abgabe der Beschwerde auf der Post bis zum Urtheil 2 2) Von Erlaß des Urtheiles bis zur Zustellung desselben --

17 13,5

7 18,3

12 20,5

Genehmigen Sie, hochgeachteter Herr Präsident, hochgeachtete Herren, die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

L a u s a n n e , den 2. März 1889.

Im Namen des Schweiz. Bundesgerichtes.

Der P r ä s i d e n t :

Stamm.

Der Gerichtsschreiber: Eott.

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Bericht des schweizerischen Bundesgerichtes an den Bundesrath zu Handen der hohen Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahre 1888. (Vom 2. März 1889.)

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14

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

06.04.1889

Date Data Seite

823-835

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10 014 322

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