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22.033 Botschaft zur Genehmigung eines Protokolls zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Armenien vom 4. Mai 2022

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung eines Protokolls zur Änderung des Abkommens zwischen der Schweiz und Armenien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

4. Mai 2022

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ignazio Cassis Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Übersicht Das Doppelbesteuerungsabkommen mit Armenien wurde 2006 unterzeichnet und nie revidiert. Seither hat sich die Abkommenspolitik der beiden Vertragsstaaten entwickelt und es wurden Standards im Bereich der Doppelbesteuerungsabkommen festgelegt.

Weil die Bekämpfung der ungerechtfertigten Steuervermeidung multinationaler Unternehmen zu einem zentralen Anliegen der internationalen Staatengemeinschaft geworden ist, leitete die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zusammen mit den G20-Staaten im Jahr 2013 ein Projekt zur Bekämpfung der Gewinnverkürzung und -verlagerung ein (Base Erosion and Profit Shifting; BEPS).

Am 7. Juni 2017 hat die Schweiz das multilaterale Übereinkommen zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Massnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (BEPS-Übereinkommen) unterzeichnet. Das BEPS-Übereinkommen enthält eine Reihe von Bestimmungen zur Anpassung bestehender Doppelbesteuerungsabkommen. Ein Teil dieser Bestimmungen dient der Erfüllung der in den Massnahmen 6 und 14 des Aktionsplans zur Bekämpfung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung der OECD gesetzten Mindeststandards.

Die Gespräche, die die Vertreter der Schweiz und Armeniens über die konkreten Auswirkungen des BEPS-Übereinkommens auf das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen den beiden Staaten (DBA-AM) geführt haben, haben gezeigt, dass sie sich nicht auf den genauen Wortlaut der Änderungen des BEPS-Übereinkommens für das DBA-AM einigen konnten. . Aus diesem Grund wurde beschlossen, die Anpassung des DBA-AM an die abkommensbezogenen Resultate des BEPS-Projekts nicht über das BEPS-Übereinkommen, sondern über ein bilaterales Protokoll zur Änderung des DBA-AM vorzunehmen.

Die Verhandlungen wurden von den Vertragsstaaten auch genutzt, um das DBA-AM an ihre aktuelle Abkommenspolitik anzupassen.

Das Änderungsprotokoll wurde am 12. November 2021 unterzeichnet. Die Kantone und die interessierten Kreise begrüssten diesen Abschluss.

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Botschaft 1

Grundzüge des Abkommens

1.1

Ausgangslage, Verlauf der Verhandlungen und Verhandlungsergebnisse

Zwischen der Schweiz und Armenien besteht ein Abkommen vom 12. Juni 2006 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen1 (DBA-AM). Das Abkommen wurde noch nie revidiert. Es trat am 7. November 2007 in Kraft und ist seit dem 1. Januar 2008 anwendbar.

Entsprechend der Abkommenspolitik der Schweiz zum Zeitpunkt des Abschlusses enthält das Abkommen einen Artikel über den Informationsaustausch, der sich auf Fälle der ordnungsgemässen Anwendung des Abkommens und der Vermeidung von Missbrauch beschränkt.

Am 7. Juni 2017 hat die Schweiz das multilaterale Übereinkommen zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Massnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung2 (BEPS-Übereinkommen, auch als MLI bezeichnet) unterzeichnet. Das BEPS-Übereinkommen enthält eine Reihe von Bestimmungen zur Anpassung bestehender Doppelbesteuerungsabkommen. Ein Teil dieser Bestimmungen dient der Erfüllung der in den Massnahmen 6 und 14 des Aktionsplans der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zur Bekämpfung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (BEPS-Aktionsplan3) gesetzten Mindeststandards.

Die Verhandlungen über ein Protokoll zur Änderung des DBA-AM, das insbesondere den internationalen Standard beim Informationsaustausch auf Ersuchen und die Neuerungen des BEPS-Aktionsplans berücksichtigt, fanden im 2018 statt. Ein entsprechender Entwurf (Änderungsprotokoll) wurde Anfang 2019 paraphiert. Die Kantone und die interessierten Kreise wurden im Januar 2020 über dessen Abschluss konsultiert und haben diesen begrüsst. Das Änderungsprotokoll zum DBA-AM wurde am 12. November 2021 unterzeichnet.

1.2

Würdigung

Das Änderungsprotokoll setzt die Mindeststandards für Doppelbesteuerungsabkommen um. Ausserdem ermöglicht es, das DBA-AM der heutigen Abkommenspolitik der beiden Länder anzupassen.

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SR 0.672.915.61 SR 0.671.1 www.oecd.org > Fiscalité > Conventions fiscales > Convention multilatérale pour la mise en oeuvre des mesures relatives aux conventions fiscales pour prévenir le BEPS (keine dt. Übers. vorhanden).

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Mit dem Änderungsprotokoll wird das DBA-AM die im Rahmen des BEPSAktionsplans gesetzten Mindeststandards für Doppelbesteuerungsabkommen erfüllen. Die Schweiz als Mitgliedstaat der OECD hat sich verpflichtet, jene DBAbezogenen Bestimmungen, die Teil eines BEPS-Mindeststandards sind, in ihre Doppelbesteuerungsabkommen zu übernehmen. Mit dem Änderungsprotokoll zum DBAAM erfolgt ein weiterer Schritt in diese Richtung.

Darüber hinaus wird die Bestimmung über den Informationsaustausch dem internationalen Standard zum Informationsaustausch auf Ersuchen angepasst.

Bei den Dividenden gilt künftig ein Anteil von 10 Prozent anstelle der bisher 25 Prozent an der ausschüttenden Gesellschaft als qualifizierte Beteiligung, die zum reduzierten Quellensteuersatz von 5 Prozent berechtigt. Bei Beteiligungen ab 50 Prozent wird eine Quellensteuerbefreiung eingeführt. Diese reduzierten Sätze gelten wie nach dem bisherigen DBA-AM für Gesellschaften, die neben der qualifizierten Beteiligung auch Mindestinvestitionsanforderungen erfüllen. Weiter wurde die Befreiung von der Besteuerung an der Quelle von Dividenden vereinbart, die an eine Zentralbank oder eine Vorsorgeeinrichtung des anderen Staates gezahlt werden.

Zinsen, die aus einem Vertragsstaat stammen und an die Regierung des anderen Staates, seine politischen Unterabteilungen oder lokalen Körperschaften oder seine Zentralbank gezahlt werden, werden künftig von der Steuer im Quellenstaat befreit.

Die im Änderungsprotokoll vereinbarten Lösungen tragen der heutigen Abkommenspolitik der beiden Staaten Rechnung und werden zur weiteren positiven Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen beitragen.

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Erläuterungen zu einzelnen Artikeln des Änderungsprotokolls

Das Protokoll ändert und ergänzt einzelne Bestimmungen im DBA-AM. Es enthält neben formellen Anpassungen die folgenden Änderungen.

Art. 1 betreffend die Präambel des DBA-AM Mit dem Artikel wird die Präambel dem Mindeststandard aus Massnahme 6 des BEPS-Aktionsplans angepasst.

Mit der neuen Bestimmung wird klargestellt, dass die Schweiz und Armenien nicht die Absicht haben, durch das Doppelbesteuerungsabkommen Möglichkeiten zur Nichtbesteuerung oder reduzierten Besteuerung durch Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung zu schaffen. Vereinfacht ausgedrückt: Die Vermeidung von sogenannt doppelter Nichtbesteuerung ­ weder eine Besteuerung im Quellenstaat noch im Ansässigkeitsstaat ­ soll auch Zweck des DBA-AM sein. Dies gilt aber nicht generell, sondern nur dann, wenn Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung Ursache dafür sind. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es Situationen von gewollter doppelter Nichtbesteuerung gibt. Dazu zählt beispielsweise die Besteuerung von Dividenden an Gesellschaften des gleichen Konzerns. Doppelte Nichtbesteuerung verhindert in solchen Situationen ungewollte wirtschaftliche Mehrfachbelastungen.

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Art. 2 betreffend Art. 1 des DBA-AM (Persönlicher Geltungsbereich) Absatz 2 enthält eine Bestimmung zu steuerlich transparenten Rechtsträgern gemäss der BEPS-Massnahme 2, die in das geltende OECD-Musterabkommen von 20174 aufgenommen wurde und die auf dem Konzept im OECD-Bericht zu den Personengesellschaften5 beruht. Der erste Satz von Absatz 2 regelt die Gewährung der Vorteile des DBA-AM, wenn Einkünfte an einen von einem Vertragsstaat oder von beiden Vertragsstaaten als transparent erachteten Rechtsträger bezahlt werden. Die Vorteile werden gewährt, wenn diese Einkünfte für die Besteuerung in einem Vertragsstaat als Einkünfte einer dort ansässigen Person gelten. Ansonsten sind die Vorteile des DBAAM nicht anwendbar. Demnach gilt das DBA-AM beispielsweise für Zinszahlungen eines Unternehmens in Armenien an eine Kommanditgesellschaft in der Schweiz, wenn deren Gesellschafter in der Schweiz steuerlich ansässig sind. Ohne diese Regel könnten Fälle von doppelter Nichtbesteuerung auftreten.

Der zweite Satz von Absatz 2 behält das Recht des Ansässigkeitsstaats eines solchen Rechtsträgers oder von dessen Mitgliedern oder Gesellschaftern vor, die Einkünfte zu besteuern, die er diesem Rechtsträger oder diesen Mitgliedern oder Gesellschaftern ungeachtet der Zurechnung durch den anderen Vertragsstaat zurechnet. Diese Klausel behält beispielsweise das Besteuerungsrecht der Schweiz vor, wenn eine in der Schweiz ansässige Person Begünstigte eines ausländischen Trusts ist, sofern die Schweiz den Trust als transparent erachtet und keine Betriebsstätte im Ausland vorliegt.

Nach schweizerischer Auffassung sind Rechtsträger der kollektiven Kapitalanlage, analog zur Regelung in der Schweiz, grundsätzlich als transparent anzusehen. Die Abkommensberechtigung richtet sich folglich nach den Investorinnen und Investoren.

Verschiedene Staaten behandeln solche Rechtsträger jedoch als eigenständiges Steuersubjekt, dem die Einkünfte der kollektiven Kapitalanlage zuzurechnen sind. Würde Armenien diese Betrachtungsweise einnehmen, so müsste die Schweiz sie nach Absatz 2 akzeptieren und ungeachtet der Investorinnen und Investoren die Vorteile des DBA-AM vollständig gewähren, vorausgesetzt, der Rechtsträger erfüllt auch die übrigen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Abkommens. Dies hätte einerseits eine unterschiedliche
Behandlung der kollektiven Kapitalanlagen beider Staaten zur Folge, und andererseits hätten Investorinnen und Investoren, die selbst kein Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz in Anspruch nehmen können, die Möglichkeit, sich die Abkommensvorteile durch eine Investition in eine armenische kollektive Kapitalanlage zu sichern. Ziffer 1 des Protokolls zum DBA-AM hält deshalb fest, dass in einem der Vertragsstaaten errichtete kollektive Kapitalanlagen insoweit abkommensberechtigt sind, als die Anteilsinhaber im betreffenden Staat ansässig sind (Bst. a). In der Schweiz betrifft dies die vertraglichen Anlagefonds und die Investmentgesellschaften mit variablem Kapital (Bst. b). Eine Kommanditgesellschaft für kollektive Kapitalanlagen gilt für die Zwecke des DBA-AM nicht als in der Schweiz

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www.estv.admin.ch > Internationales Steuerrecht > Fachinformationen > Länder > Musterabkommen der OECD (nur engl. und franz. Text vorhanden).

OECD, The Application of the OECD Model Tax Convention to Partnerships ­ L'application du Modèle de Convention fiscale de l'OCDE aux sociétés de personnes, Paris, 1999.

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ansässig, kann aber die Abkommensvorteile für die Gesellschafterinnen und Gesellschafter in der Schweiz geltend machen (Bst. c).

Art. 3 betreffend Art. 2 des DBA-AM (Unter das Abkommen fallende Steuern) Armenien hat die Grundsteuer im innerstaatlichen Recht abgeschafft. Die Liste der armenischen Steuern, für die das DBA-AM gilt, wird entsprechend angepasst.

Art. 4 betreffend Art. 3 des DBA-AM (Allgemeine Begriffsbestimmungen) Im Rahmen formaler Anpassungen der allgemeinen Definitionen in Artikel 3 DBAAM werden die Begriffsbestimmungen «Armenien» und «Schweiz» sowie «zuständige Behörde» der beiden Länder aktualisiert.

Infolge der Aufhebung von Artikel 14 (Selbständige Arbeit) werden die Ausdrücke «Unternehmen» und «Geschäftstätigkeit» in den Definitionskatalog von Artikel 3 aufgenommen.

Schliesslich wird die «Vorsorgeeinrichtung» nach der aktualisierten Fassung des OECD-Musterabkommens definiert. Bei den Verhandlungen wurde vereinbart, diese Definition in Bezug auf das innerstaatliche Recht der beiden Staaten in gegenseitigem Einvernehmen nach Artikel 25 Absatz 3 DBA-AM zu konkretisieren. Armenien zog dieses Verfahren der von der Schweiz vorgeschlagenen Aufnahme einer entsprechenden Ziffer im Protokoll zum DBA-AM vor.

Art. 5 betreffend Art. 5 des DBA-AM (Betriebsstätte) Der jüngeren Abkommenspolitik Armeniens entsprechend und auf Wunsch der Schweiz wurde in Artikel 5 Absatz 3 neu die Dauer von neun Monaten vereinbart.

Künftig gilt eine Bauausführung oder Montage oder damit zusammenhängende Überwachung in einem Vertragsstaat erst ab einer Tätigkeit ab neun Monaten als Betriebsstätte.

Art. 7 betreffend Art. 7 des DBA-AM (Unternehmensgewinne) Mit diesem Artikel wird Artikel 7 des DBA-AM mit einer zusätzlichen Bestimmung ergänzt, die die Vornahme von Gewinnaufrechnungen bei Betriebsstätten zeitlich beschränkt. Damit werden in Zukunft Gewinnaufrechnungen durch die Steuerbehörden im schweizerisch-armenischen Verhältnis nur während einer Periode von fünf Jahren ab der betreffenden Steuerperiode erlaubt sein. Wird ein Rechtsmittel gegen eine Gewinnaufrechnung ergriffen und kommt es dadurch zu Verzögerungen, hat dies keinen Einfluss auf die Berechnung der Einhaltung der Frist. Das geltende DBA-AM enthält in Artikel 9 Absatz 3 bereits eine ähnliche Bestimmung in Bezug auf die Gewinne verbundener
Unternehmen. Daraus wurden die Frist und der letzte Teil der Bestimmung übernommen.

Liegt ein Fall von Betrug oder vorsätzlicher Unterlassung vor, so kann die Gewinnaufrechnung auch noch nach dieser Frist erfolgen. In solchen Fällen gelten die Fristen nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht.

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Grund für die Aufnahme dieser Bestimmung im DBA-AM bildet Element 3.3 des Mindeststandards aus Massnahme 14 des BEPS-Aktionsplans. Dieses Element verlangt die Aufnahme des zweiten Satzes von Artikel 25 Absatz 2 des OECD-Musterabkommens in die Doppelbesteuerungsabkommen, wonach Verständigungslösungen ungeachtet der Fristen des innerstaatlichen Rechts umzusetzen sind. Staaten, die diese Bestimmung nicht in ihre DBA aufnehmen wollen, müssen bei DBA-Verhandlungen zur Aufnahme anderer Bestimmungen zur Befristung der Vornahme von Gewinnaufrechnungen bei verbundenen Unternehmen oder Betriebsstätten bereit sein, um den betreffenden Mindeststandard zu erfüllen.

Die Schweiz vereinbart den zweiten Satz von Artikel 25 Absatz 2 des OECD-Musterabkommens üblicherweise nicht in ihren Doppelbesteuerungsabkommen. Die Schweizer Verhandlungsdelegation hat bei den Verhandlungen über das Änderungsprotokoll zum DBA-AM der armenischen Delegation deshalb die Aufnahme einer neuen Bestimmung zur zeitlichen Beschränkung der Gewinnaufrechnungen von Betriebsstätten auf fünf Jahre vorgeschlagen, wie sie bereits für Gewinne von verbundenen Unternehmen gilt. Die armenische Delegation stimmte dem Vorschlag und der vorgeschlagenen Frist zu.

Art. 8 betreffend Art. 9 des DBA-AM (Verbundene Unternehmen) Das DBA-AM wird mit einer Bestimmung über die Verpflichtung zu Gegenberichtigungen bei Gewinnaufrechnungen ergänzt. Die Formulierung wird der Bestimmung des OECD-Musterabkommens (Art. 9 Abs. 2) angepasst.

Diese Anpassung hat grundsätzlich keine praktischen Auswirkungen auf die Schweiz: Die Schweiz ist weiterhin zu keinen automatischen Gegenberichtigungen bei Gewinnaufrechnungen durch ausländische Steuerbehörden verpflichtet. Vielmehr muss die Schweiz Gegenberichtigungen nur dann vornehmen, wenn sie einer gefundenen Lösung im Rahmen eines Verständigungsverfahrens zwischen den zuständigen Behörden Armeniens und der Schweiz entsprechen.

Diese Anpassung entspricht der Best-Practice-Empfehlung zu Massnahme 14 des BEPS-Aktionsplans und der aktuellen schweizerischen Abkommenspolitik in diesem Bereich.

Art. 9 betreffend Art. 10 des DBA-AM (Dividenden) Nach dem geltenden Abkommen kann auf Dividenden eine Residualsteuer von 15 Prozent erhoben werden, die im Fall einer Beteiligung von mindestens 25 Prozent an der ausschüttenden Gesellschaft
und einer Investition aus ausländischer Quelle über 200 000 Franken auf 5 Prozent reduziert wird.

Das Änderungsprotokoll sieht beim gleichen allgemeinen Residualsatz von 15 Prozent (Art. 10 Abs. 2 Bst. d) neu vor, dass Dividenden aus direkten Beteiligungen von mindestens 50 Prozent am Kapital nur noch im Ansässigkeitsstaat der nutzungsberechtigten Person besteuert werden können, sofern die Haltedauer der Beteiligung zum Zeitpunkt der Dividendenzahlung mindestens 365 Tage und die Investition der ausländischen Gesellschaft in die ausschüttende Gesellschaft über 2 000 000 Franken

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beträgt (Art. 10 Abs. 2 Bst. a). Diese Bestimmung entspricht der jüngeren Abkommenspolitik Armeniens. Neben den genannten Beteiligungen gilt das ausschliessliche Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats auch für Dividenden, die an Vorsorgeeinrichtungen und die Zentralbanken gezahlt werden (Art. 10 Abs. 2 Bst. b). Schliesslich gilt der reduzierte Steuersatz von 5 Prozent künftig für eine Beteiligung ab 10 Prozent an der ausschüttenden Gesellschaft und bei einem investierten Kapital aus ausländischer Quelle von über 100 000 Franken (Art. 10 Abs. 2 Bst. c).

Art. 10 betreffend Art. 11 des DBA-AM (Zinsen) Bei den Zinsen wurden die bisherige Residualsteuer von 10 Prozent sowie die Ausnahmen beibehalten. Aus einem Vertragsstaat stammende und an die Regierung des anderen Staates, seine politischen Unterabteilungen oder lokalen Körperschaften oder seine Zentralbank gezahlte Zinsen werden künftig zusätzlich von der Steuer befreit.

Art. 13 betreffend Art. 14 des DBA-AM (Selbständige Arbeit) Die armenische Delegation schlug die Aufhebung von Artikel 14 (Selbständige Arbeit) des geltenden DBA-AM vor. Der Artikel wurde im Jahr 2000 aus dem OECDMusterabkommen gestrichen. Die Schweiz, die vor einigen Jahren entschieden hat, ihre Abkommenspolitik in diesem Punkt dem OECD-Musterabkommen anzupassen, stimmte dem armenischen Vorschlag zu. Durch die Aufhebung von Artikel 14 DBAAM werden Einkünfte aus selbständiger Arbeit künftig nach Artikel 7 DBA-AM als Unternehmensgewinne behandelt.

Diese Änderung erfordert eine Reihe von Anpassungen des DBA-AM zur Aufhebung der Verweise auf Artikel 14 DBA-AM oder das Konzept der festen Einrichtung. Die folgenden Bestimmungen des Änderungsprotokolls stehen im Zusammenhang mit der Aufhebung von Artikel 14 DBA-AM und bedürfen keiner weiteren Erläuterung: Artikel 6 (zu Art. 6 DBA-AM); Artikel 9 Absätze 3 und 4 (zu Art. 10 DBA-AM); Artikel 10 Absätze 2 und 3 (zu Art. 11 DBA-AM); Artikel 11 (zu Art. 12 DBA-AM); Artikel 12 (zu Art. 13 DBA-AM); Artikel 14 (zu Art. 15 DBA-AM); Artikel 15 (zu Art. 17 DBA-AM); Artikel 16 (zu Art. 21 DBA-AM); Artikel 17 (zu Art. 21 DBA-AM).

Art. 18 betreffend Art. 23 des DBA-AM (Vermeidung der Doppelbesteuerung) Dieser Artikel ergänzt die Bestimmung, die die Art der Vermeidung der Doppelbesteuerung durch den Ansässigkeitsstaat festlegt, durch eine Bestimmung,
die die Nichtbesteuerung oder reduzierte Besteuerung in Fällen von Qualifikationskonflikten vermeiden soll. Er dient der Verhinderung von ungewollter doppelter Nichtbesteuerung infolge unterschiedlicher Auffassungen zwischen der Schweiz und Armenien bezüglich Sachverhalten oder der Auslegung von Begriffen des DBA-AM.

Demnach muss die Schweiz als Ansässigkeitsstaat eines Empfängers von Einkünften aus Armenien, die gemäss DBA-AM in Armenien besteuert werden dürfen, diese Einkünfte nicht von der Besteuerung ausnehmen, wenn Armenien keine ­ oder bei Dividenden, Zinsen oder Lizenzgebühren eine reduzierte ­ Besteuerung der Einkünfte vornimmt, weil es der Auffassung ist, durch das DBA-AM zur Befreiung oder zu einer 8 / 12

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reduzierten Besteuerung verpflichtet zu sein. Ein Beispiel dafür wäre, dass Armenien als Quellenstaat ein Einkommen einer in der Schweiz ansässigen Person als Kapitalgewinn behandelt, während die Schweiz als Ansässigkeitsstaat von einem Einkommen aus einer unselbständigen Erwerbstätigkeit in Armenien ausgeht. Ohne die neue Bestimmung würde die Schweiz das Einkommen von der Besteuerung ausnehmen, obwohl Armenien aufgrund seiner steuerlichen Qualifikation des Einkommens das Besteuerungsrecht ausschliesslich in der Schweiz sieht (Art. 13 Abs. 5 DBA-AM) und deshalb nicht besteuert. Nach der neuen Bestimmung ist die Schweiz nicht mehr zur Freistellung verpflichtet (Art. 23 Abs. 2 Bst. a DBA-AM), sondern kann das Einkommen als Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit besteuern.

Art. 19 betreffend Art. 25 des DBA-AM (Verständigungsverfahren) Artikel 25 Absatz 2 DBA-AM wird mit einem zusätzlichen Satz ergänzt, der den Wortlaut der entsprechenden Bestimmung im OECD-Musterabkommen übernimmt und vorsieht, dass die Verständigungslösungen ungeachtet der Fristen des innerstaatlichen Rechts umzusetzen sind. Auch aufgrund des Vorbehalts der Schweiz zu Artikel 25 Absatz 2 des OECD-Musterabkommens wird aber eine Beschränkung der Umsetzung auf nicht später als zehn Jahre nach Ablauf des betroffenen Steuerjahrs angefügt. Diese Bestimmung stellt die Umsetzung einvernehmlicher Verständigungslösungen in Armenien abweichend von den Verjährungsfristen des innerstaatlichen Rechts sicher.

Art. 20 betreffend Art. 26 des DBA-AM (Informationsaustausch) Mit dem Änderungsprotokoll wird der bisherige Artikel durch eine neue Bestimmung über den Informationsaustausch nach dem internationalen Standard ersetzt. Die nachfolgenden Ausführungen gehen lediglich auf einzelne Punkte in Artikel 26 DBA-AM sowie der dazugehörigen Protokollbestimmung (Ziff. 4) ein.

Der Informationsaustausch ist auf die unter das DBA-AM fallenden Steuern beschränkt.

Die Bestimmungen von Artikel 26 werden in Ziffer 4 des Protokolls zum Abkommen (Art. 22 Abs. 3 des Änderungsprotokolls) konkretisiert. Diese Bestimmung regelt im Detail die Voraussetzungen, die ein Auskunftsersuchen erfüllen muss (Bst. b). Notwendig ist insbesondere die Identifikation der betroffenen steuerpflichtigen Person (diese Information kann sich aus sämtlichen Elementen ergeben,
die eine Identifikation ermöglichen) sowie, soweit bekannt, Name und Adresse der Person (z. B. einer Bank), in deren Besitz der ersuchende Staat die gewünschten Informationen vermutet.

Ebenso hält das Protokoll zum Abkommen fest, dass diese Voraussetzungen nicht formalistisch ausgelegt werden dürfen (Bst. c).

Gemäss dem internationalen Standard ist der Informationsaustausch auf konkrete Anfragen beschränkt. Dazu gehören auch Anfragen, die auf eine genau definierte Gruppe von Steuerpflichtigen abzielen, bei denen davon ausgegangen werden muss, dass sie ihren Steuerpflichten im ersuchenden Staat nicht nachgekommen sind. Die Schweiz kann nach dem DBA-AM solchen Ersuchen Folge leisten. Mit detaillierten Angaben zur Gruppe der Steuerpflichtigen, die es dem ersuchten Staat ermöglichen, die konkret betroffenen Personen zu bestimmen, kommt der ersuchende Staat dem Erfordernis der 9 / 12

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Identifikation der vom Ersuchen betroffenen steuerpflichtigen Personen nach (Bst. b).

Eine solche Auslegung gebietet die Auslegungsklausel (Bst. c i.V.m. Bst. b), die die Vertragsstaaten zu einer Auslegung der Erfordernisse an ein Ersuchen mit dem Ziel eines möglichst weit gehenden Informationsaustauschs verpflichtet, ohne dass «fishing expeditions» zuzulassen sind. Die prozeduralen Voraussetzungen für die Beantwortung von Gruppenersuchen sind im Steueramtshilfegesetz vom 28. September 20126 geregelt.

Artikel 26 DBA-AM sieht den spontanen und den automatischen Informationsaustausch nicht vor.

Die neue Klausel findet auf die Steuerjahre Anwendung, die am oder nach dem 1. Januar des auf das Inkrafttreten des Änderungsprotokolls folgenden Kalenderjahrs beginnen.

Art. 21 betreffend Art. 27a des DBA-AM (Anspruch auf Vorteile) Dieser Artikel enthält eine Missbrauchsklausel, die auf dem hauptsächlichen Zweck einer Gestaltung oder Transaktion abstellt. Aufgrund dieser Klausel werden die Vorteile des DBA-AM nicht gewährt, wenn das Erlangen dieser Vorteile einer der hauptsächlichen Zwecke der entsprechenden Gestaltung oder Transaktion war; es sei denn, es wird nachgewiesen, dass das Gewähren dieser Vorteile in Einklang mit dem Ziel und Zweck der entsprechenden Bestimmungen des DBA-AM steht.

Diese Missbrauchsklausel ist zwar neu, sie entspricht aber in ihren Grundzügen den Missbrauchsklauseln, die die Schweiz bis 2017 in einer Vielzahl ihrer Doppelbesteuerungsabkommen vereinbart hat. Anders ist indessen, dass die Missbrauchsklausel nicht auf gewisse Arten von Einkünften wie Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren beschränkt ist. Vielmehr findet sie in Bezug auf sämtliche Bestimmungen des Abkommens Anwendung. Alle Abkommensvorteile unterliegen damit dem Vorbehalt einer missbräuchlichen Inanspruchnahme.

Vom Wortlaut her unterscheidet sich die Missbrauchsklausel gegenüber jenen, die in den bis 2017 abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz enthalten sind, noch in einem weiteren Punkt. So ist nach dem Text der Klausel Missbrauch nicht auf Situationen beschränkt, bei denen der Hauptzweck der entsprechenden Gestaltung oder Transkation im Erlangen der Abkommensvorteile lag. Vielmehr besteht Missbrauch auch dann, wenn bloss einer der Hauptzwecke dafür verantwortlich war.

Vom Resultat her besteht
indessen keine Differenz. Denn der zweite Teil der Missbrauchsklausel sieht vor, dass die Abkommensvorteile dennoch gewährt werden, wenn dies in Einklang mit dem Ziel und Zweck der entsprechenden Bestimmungen des Abkommens steht. Dies sollte grundsätzlich dann der Fall sein, wenn das Erlangen der entsprechenden Abkommensvorteile nicht der Hauptzweck der Gestaltung oder Transaktion war.

Diese Missbrauchsklausel wurde im Rahmen der BEPS-Massnahme 6 entwickelt. Sie ist im OECD-Musterabkommen (Art. 29 Abs. 9) enthalten. Um dem im Rahmen der BEPS-Massnahme 6 gesetzten Mindeststandard Genüge zu tun, reicht die Aufnahme 6

SR 651.1

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dieser Missbrauchsklausel in die Doppelbesteuerungsabkommen. Es bedarf in einem solchen Fall keiner weiteren Missbrauchsbestimmung.

Art. 23 (Inkrafttreten) Die Bestimmungen des Änderungsprotokolls zum DBA-AM finden ab dem 1. Januar des ersten Kalenderjahrs nach dessen Inkrafttreten Anwendung. Eine Besonderheit gilt in Bezug auf die durch die Artikel 7 und 19 angepassten oder neu eingeführten Bestimmungen zur zeitlichen Beschränkung von Gewinnaufrechnungen bei Betriebsstätten und zur Umsetzung von Verständigungslösungen. Diese Bestimmungen finden ungeachtet der Steuerperiode, auf die sich die Sache bezieht, vom Tag des Inkrafttretens des Änderungsprotokolls an Anwendung.

3

Finanzielle Auswirkungen

Das Änderungsprotokoll zum DBA-AM führt für den Quellenstaat von Dividenden und Zinsen weitere Einschränkungen der Besteuerungsrechte ein. Betroffen davon ist auf schweizerischer Seite insbesondere die Verrechnungssteuer auf Beteiligungsdividenden. Andererseits ist zu erwarten, dass unter dem revidierten DBA-AM direkte Investitionen zwischen den beiden Ländern zunehmen, womit der Wirtschaftsstandort insgesamt und damit die Steuerbasis der Schweiz gestärkt wird. Das vorliegende Änderungsprotokoll kann im Rahmen der bestehenden personellen Ressourcen umgesetzt werden.

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Rechtliche Aspekte

Das Änderungsprotokoll stützt sich auf Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung7 (BV), wonach der Bund für die auswärtigen Angelegenheiten zuständig ist. Nach Artikel 184 Absatz 2 BV ist der Bundesrat ermächtigt, die Verträge zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Die Bundesversammlung ist gemäss Artikel 166 Absatz 2 BV für die Genehmigung der Verträge zuständig; ausgenommen sind die Verträge, für deren Abschluss aufgrund von Gesetz oder völkerrechtlichem Vertrag der Bundesrat zuständig ist (siehe auch Art. 7a Abs. 1 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 19978). Im vorliegenden Fall gibt es kein Gesetz und keinen völkerrechtlichen Vertrag, die dem Bundesrat die Kompetenz verleihen, einen Vertrag wie das Änderungsprotokoll abzuschliessen. Das Parlament ist somit für die Genehmigung des Änderungsprotokolls zuständig.

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie unter anderem wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten. Gemäss Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom

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SR 101 SR 172.010

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13. Dezember 20029 (ParlG) gelten Bestimmungen als rechtsetzend, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen.

Das Änderungsprotokoll enthält Bestimmungen, die den Schweizer Behörden Pflichten auferlegen sowie den Schweizer Behörden und den Privatpersonen (natürliche und juristische Personen) Rechte verleihen. Das Änderungsprotokoll enthält somit wichtige rechtsetzende Bestimmungen im Sinne von Artikel 22 Absatz 4 ParlG und Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV. Der Bundesbeschluss über die Genehmigung des Änderungsprotokolls untersteht deshalb dem fakultativen Staatsvertragsreferendum für völkerrechtliche Verträge nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV.

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Vernehmlassungsverfahren

Das Änderungsprotokoll untersteht dem Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV. Gestützt auf Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 200510 (VlG) besteht damit an sich die Pflicht zur Durchführung einer Vernehmlassung. Zum Änderungsprotokoll zum DBA-AM wurde im Januar 2020 eine Orientierung durchgeführt. Dabei wurde den Kantonen und den am Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen interessierten Kreisen eine Erläuterung zum Änderungsprotokoll vorgelegt. Das Änderungsprotokoll wurde positiv und ohne Einwände aufgenommen. Die Positionen der interessierten Kreise sind entsprechend bekannt und belegt. Gestützt auf Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe b VlG konnte deshalb auf ein Vernehmlassungsverfahren verzichtet werden.

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SR 171.10 SR 172.061

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