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der

nationalräthlichen Kommission ,

betreffend den Rekurs der

Barbara Rüegg, geb. Schoch, von Fischenthal Kantons

^ .Zürich. ^ (Vom 10. Januar 1863.)

Herr P r ä s i d e n t .

Mei n e H e r r e n .

Jungfrau Anna S ch o eh, von Fischenthal, Kantons Zürich, war seit dem Jahr 1848 in Rapperschwyl, Kantons .......t. Gallen, niedergelassen und stand m.ter dortiger Vormundschaft. Unterm 12. Mai 1861

ist dieselbe daselbst gestorben, ihr Vermogen betrug .....r. 6883. 7l.), wo-

von Fr. 1725. 43 zur Bestreitung einiger L..gate , Steuern und Gebühren verwendet wurden. Der Uebersehuss von Fr. 5158. 27 blieb unter der Verwaltung des Waisenamtes von Rapperschwhl.

Als nächste Verwandten und Erben hinterliess die Anna Schoch die Kinder ihrer zwei Vrüder , uämlieh einerseits Heinrich Schoch und Anna Ver.sehiuger, geb. Schoch als Kinder ihres Bruders Jakob, und anderseits Barbara Rk.egg, geb. Schoch , als Toehter des Vrnders David.

Diese Erben sind sämmtlich iu Fischenthal, Kantons Zürich , heimathberechtet und. wohnhaft. Da nun uach zürcher'schen Gesezen . als dem Rechte der Heimalh der Erblasserin, wie der Heimath und des Wohnsizes der Erben, die Verlassensehaft uaeh S t ä m m e n zu theilen wäre, uaeh der Gesezgebung von St. Gallen , als dem Rechte des. Riederlassungsortes der Erblasserin und der gelegenen Sache, aber K o p s t h e i l u n g einzutreten hatte, so erhoben sich unter den Erben Streitigkeiten über die Anwendbarkeit der einen od..r Der andern der angeführten Gesetzgebungen.

Jnfolge dessen erfolgten von beiden Seiten rechtliche Auftritte. Heinrich Schoch und Anna Bertschinger geb. Schoch machten den Streit gegen ihre Miterbin , Barbara Rüegg, geb. Schoch, vor dem Vermittleramte Rapperschwyl anhängig und erhielten von dieser Vehorde den 6. Rovember

466 186l, auf das Ausbleiben der Beklagten, einen Eontumazialsehein an das Bezirksgericht des Seebe^irks. dagegen trat Easpar Rüegg, Ramens seiner Ehesrau, Barbara geb. Sehoch, den ..). Oktober l 86l gegen seine .^bengenannten Miterben bei dem Friedensrichteramte Fisehenthal mit einer Klage aus, durch welche er verlangte, dass die Beklagten verpflichtet seien, der Klägerin den Betrag von Fr. 2579. l 3, als Antheil derselben an der Verlassenschast der in Rappersehwhl verstorbenen Anna ^choch, nebst Zinsen auszubezahlen.

Die Beklagten bestritten in erster Linie die Zuständigkeit der ..üreher^ schen Gerichte und eventuell, .gemäss der Brozessordnung des Kantons Zürich, au.ch die Zulässigkeit des gestellten Klagbegehrens. Durch Urtheil vom 9. Januar 1862 entschied jedoch die Eioilabtheilung des Obergerechtes des Kautons ^ürich sür die Anständigkeit der zürcher^schen Gerichte und erkannte in der Hauptsache : es sei die Klägerin berechtigt, die Hälfte des Nachlasses der in Rappersehw^l verstorbenen Anna Sehoeh anzusprechen, und es seien die Beklagten verpflichtet , ihr diese Hälfte, nebst Zinsen zu 5 ^ vom 18. Oktober 186l au, zukommen zu lassen.

Hieranf leitete die Barbara Rüegg , geb. Sehoch , gegen Heinrich.

Schoch und Anna Bertschinger, geb. Schoeh, vor den zürcher^schen Behorden die Vollziehung des angeführten Urtheiles ein. Jn Folge dessen wandten sich die Leitern, nach verschiedenen Zwisehenverhandlnngen, an das Waisenamt in Rapperschw^l , welches bei der Regierung von St. Gallen eine Einsrage über sein Verhalten stellte und diesssalls um bestimmte Weisun-

gen na.hsu.hte. Dnr.l, B^schlnss vom 20. März 18^.2 verfügte hieraus der Kleine Rath von ^t. Galten:

,,Es sei das Waisenamt von Rappersehwhi pfliehtig, den Erbsnach,,lass der verstorbenen Anna .^ehoeh in seiner Verwaltung ^urü^ubehalten,

,,bis entweder der ^.ständige Richter des Kantons als Richter des Wohn,.nnd Riederlassungsortes der Erblasserin über den Erbschastsstreit der ,,Erben Heinrich, Anna und Barbara ^choeh endgültig und rechtskräftig ^entschieden oder unter den betheiligten Erben eine gütliehe Verständigung ..stattgefunden haben wird.^ Gestuft aus diese Jntervention der Regierung von ....^t. Gallen verlangten Heinrich ^choeh und Auna Bertschinger, geb. .^ehoeh, bei den züreher^sehen Behorden die ^istirung der Vollziehung des Urtheils; es wurde jedoch auf ihr Gesuch nicht eingetreten, weil die Gesnchfteller nicht gehindert seien, den ihnen aus diesem Urtheile erwachsenen personliehen Verpflichtungen ^u genügen. und der Kleine Rath von ..^t. Gallen ausdrüklieh erkläre, dass er der Anssolgung des Nachlasses nichts in den Weg setze, sobald diese hierzu einwilligen.

Die Vollziehung des in ^rage stehenden Urtheiles .ourde diesemnaeh

mittelst Rechtstriebes bis .^ur Erofsnung des Eoueurses gegen die Beklagten fortgese^t.

Ans ein daheriges Gesuch der Lezteen verfügte jedoch der

i.

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Bundesrath unterm 28. Mai l 862 die provisorische Sistirung der Betreibnng.

Durch Eingabe an den Bundesrath vom 24. Mai 1862 stellten dann Heinrich Schoch und Anna Bertschinger, geb. Schoch, das Besuch : dass die Anwendung des St. Gallischen Erbgesetzes anerkannt und die Urtheile im Kanton Zürich, so wie das gegen sie eingeleitete Rech.tstriebversahren ausgehoben werden mochten. Ju diesem Rekurse wurden sie durch einen Beschluß der Regierung von St. Gallen, vom 31. Juli l 862 unterstützt, durch welchen diese sieh für die Festhaltung des .territorialprincipes ausspricht, den Entscheid der Erbtheilungssrage der St. Gallisehen Jurisdiktion vin^ieirt und erklärt, dass sie gegen einen andern Entscheid nothigenfalls den Rekurs an die Bundesversammlung ergreisen wür^e.

Dnreh Besehluss vom 29. August 1862 erklärte hieraus der Bnndesrath, nach Brüsung der beseitigen .^arteianbriugen, den Rekurs als be-

gründet und hob demnach das Urtheil des Obergerichtes des Kantons Zürich vom 9. Januar 1862 aus.. Diese Schlussnahme gründet sich aus die Erwägungen . dass die Klage der Barbara Rüegg, geb. Schoch, ihrer ^atur nach, als eine dingliche anzusehen sei, wie dieß auch von dem Obergerichte des Kantons Zürich selbst anerkannt worden , dass, der Ratur der Sache zufolge, den St. Gallischen Gerichten der Entscheid über Erbtheilungsklagen in Betreff einer ans St. Gallischem Gebiete verfallenen und daselbst liegenden Erbsehast zukomme, und dass es als ein Eingriff in das durch Art. 3 der Bundesverfassung garantirte Souveränitätsverhältniss des Kantons St. Gallen betrachtet werden müsste , wenn die züreher^schen Gerichte, gestüzt ans ein snbsidiäres, allgemeines ^orum des Beklagten, das natürliche .^peeialforum für dingliehe Klagen beseitigen wollten.

Dnrch Eingabe vom 31. Oktober 1861 hat die Barbara Rüegg, geb. ^choch, gegen diesen Entscheid den Rekurs an die Bundesversammlung ergriffen, indem sie nachzuweisen versuchte : 1. dass durch das Vorgehen der Züreherbehorden und namentlich durch das angefochtene Urtheil weder eine .Bestimmung der Bundes- oder Kantonalversassung, noch ein Bundesgesetz verletzt werde .

2. dass im Gegentheil der Beschluss des Bundesrathes einen Eingriff in die .^ouveränitätsreehte des Kantons Zürich enthalte , 3. dass in Wahrheit kein Konflikt ^wischen den Kantonen Zürieh und ^t. Gallen obwalte, der Streit vielmehr ausschliesslich die Jnteressen von Erben betreffe, welche Angehörige des Kantons Zürich und daselbst wohnhast seien, und die von den ^ürcherisehen Geriehten getroffenen gerichtlichen und Vollziehungsmassuahmeu auch in keiner Weife auf St. Gallisches Gebiet überzugreifen tendiren, ^und

46^ 4. dass die im Fragefalle von dem Bundesrathe angenommenen Grundsätze mit der bisherigen ^ra^is ^r Bnnl^esbehorden in einen.. .ansfallenden Widerspruche stehen.

Die Kommission kann jedoch diese Anschauungsweise nicht theilen, sondern pflichtet einmütig der S.chlussnahme des Bundesrathes bei.

Raeh ihrer Ansicht besteht nnzweifelhast ein Konflikt zwischen den Kantonen Zürich und ^t. Gallen, und zwar sowohl materiell, infolge widersprechender Grundsätze ^ex beseitigen Gesetzgebungen, als aueh sormell, mit Rücksicht aus l^ie im ^ragesalle stattgesnndeneu, mit einander im Widerspruche stehenden Erlasse ^r beseitigen Kantonsbehordeu.

Während nämlich der Art. 3 des zürcher'schen Eivilgesetzbuehes das Recht

des Heimathsortes des Erblassers sür die Frage seiner Beerbung als regelmässig anwendbar erklärt, hält umgekehrt die ^t. Gallische Gesetz-

g^buug das Brinzip des Territorialreehtes fest, und unterwirft alle Erb-

schastsstreitigkeiten, bis zn Beendigung der Theilung. dem Gerichtsstande des Wohnortes des Erblassers , beziehungsweise der gelegenen ....^a.he.

(Gesetz über den Eiviiprozess vom 6. März 1850, Art. 3.) Jn Anwen-

duug der Grundsätze ihrer Gesetzgebung und gestützt ans die Thatsache, dass die Anna Schoeh Bürgerin des Kantons Zürich war, haben dann im ^ragesalle die züreher'seheu Gerichte sür ihre Zuständigkeit entschieden, wahrend umgekehrt die St. Gallischen Behorden die Entscheidung der ob-

waltenden Erbs.hastsstreitigkeit, m.t Rüksieht aus .den Wohnsitz der Erbtisserin und die Lage der Gegenstände der Erbsehast, der dortigen Juris^ dittion vindieiren.

^ür die Entscheidung dieses Konfliktes sind nun unzweifelhaft die eidgenossischen Buudesbehorden zuständig , zumal es sich wesentlich um die Anwendung und Jnterpretation des Art. 3 der Bundesverfassung handelt, in Beziehung aus dessen Juhalt beide beteiligten Kantone eine Verletzung ihrer ...^...veränitätsrechte behaupten. Es ist daher zu prüfen, ob nnd inwiefern Seitens des einen Kantons ein Uebergrisf in die Jurisdiktion des andern vorliege.

Jn Beziehung aus diese Frage lässf sieh, von. rein theoretischen Standpunkte aus betrachtet, zwar weder gegen die Bestimmungen der Gesetzgebung des Kantons ^ürich, uoch gegen diejenige von ^t. Gallen etwas einwenden. Zürich war infolge seiner Souveränität vollkommen

besagt, in Beziehung auf Erbrechtsverl.^ältuisse seineu Angehörigen das

personliehe Statut des Erblassers als massgebend zu erklären, und ebenso unbestreitbar ist die Berechtigung von .^.t. Gallen zur Annahme des Territorialpriuzips. Allein anders verh.ilt steh ^ie ...^ache iu Betraf der praktischen .Anwendung der beiden Systeme. Das Territorialprinzip kauu in seiner ^praktischen Durehfi.hrnug keinen Sch^ierig^iten unterliegen, weil es die Wirksamkeit der Gesetze auf die Grenzen ^es Staatsgebietes beschränkt.

Das Brinzip ^ des personlichen Statutes hingegen sucht die

469 Wirksamkeit der G^.se^e über das eigene Staatsgebiet Auszudehnen, und kann daher, in Ermanglung abweichender Staatsvertrage, überall nicht zur Geltung gebracht werden, wo dessen Anwendung . einen Eingriss in die Souveränitätsrechte eines ^ andern ..Staates ^involvirte. Diess ist aber bei dem vorliegenden Erbsehastsftreite der Fall.

Die von der R^kurrentin gegen ihre Miterben von den zürcherischen Gerichten erhobene Klage bezweckte die Anerkennung ihres Erbrechtes aus die Hälfte der Verlassenschast der Anna Schoeh und die Herausgabe dieser.Verlasseusehastsl.alste, sie war also dinglicher Ratnr. Rieht nur war aber die Erblasserin im Kanton St. Gallen ordentlich niedergelassen, sondern es liegen auch die Erbsehaftsgegeustäu^e innerhalb des dortigen Staatsgebietes u^ werden durch die ^t. Gallischen Behorden verwahrt un... verwaltet. Das Urtheil des zürcherischen ^bergeriehtes statuirt mithin über das Eigenthum .an Erbsehastsobjekten, welche der Jurisdiktion der Gerichte des Kantons St. Gallen unterworfen sind, und enthalt einen. offenbaren Eingriff in die Souveräuitätsreehte dieses Leitern.

Der Einwurf der R.eknrrenrin , dass im ^pe^ialsalle das wirkliehe Vorwalten ei.^s Konfliktes zwischen den Ständen Zürich und ^t. Gallen und ein Uebergriff der Behordeu des erftern Standes in die Souverän^ tätsreehte des lel^tern nicht angenommen werden dürfe, weil die betheiligten Erben sämmtlieh Bürger des Kantons Zürich und daselbst angesessen seien , und auch die Vollziehung des Urtheils .n den. Kanton .^ürieh stattsinden solle, entbehrt, nach der Ansieht der Kommission, jeder ^e.^rnndnng. Vorerst hält diese dafür, es konnen b..i der Entscheidung ^ von Vrineipienfragen , wie hier eine vorliegt, dergleichen ^ufalligl^eiten in betreff der Personen der ^etheiligten nicht in Betracht kommen,^ vielmehr müsse die objektive Ratnr des Balles entscheiden. Hierzu kommt überdi..ss, dass das in ^rage stehende Urtheil uicht etwa bloss die Ordnung von personliehen .^.ehuldverhältniss..n zwischen den streitenden Theilen bezweckt, sondern in seiner Motioirung wie in seinem Dispositive ganz bestimmt die Anerkennung eines dinglichen Rechtes der Rekurrentin aus die im Kanton ^t. Gallen liegende Verlassenschaft der Anna ^choch aus-

spricht. Dasselbe gilt in ..^eziehnng aus ^ie Vollziehung. Zwar bat

allerdings die Reknrrentin bei den bisherigen ..^ekutionsmassnahmen das für personlieh... Forderungen übliche Verfahren ^es Reehtstriebes eingeschlagen. allein es ist in die klugen fallend, dass dieser Weg bloss gewählt ^vnrde, uni die .val.,^ Ratnr des Anspruches ^n verdeeken, und es lässt sieh auch nicht längnen, dass die Zuständigkeit der zürehe^sehen Ge..

richte einmal anerkannt, es der ^eknrrentin , gestüzt aus Art. 49 der Bundesverfassung, jeden Augenblick sreistehen müsste, die E^ekntio.^ in ^.^ziehung a^f das Objekt des ihr zuerkannten Erbrechtes im Kauton St.

Gallen zu verlangen und die dortigen ^ehbrden ....ur Anerkennung der Reehtskrast des Urtheiles ^u uothigen.

470 Ebenso unbegründet ist endlieh auch die Behauptung, die von dem Bundesrathe in dem vorliegenden Rekurssalle adoptirten Grundsätze wider.^ sprechen der bisherigen Bra^is der Bundesbehorden. Jm Gegentheil hat

der Bundesrath in Betreff der Entscheidung von Erl.schastsstreitigkeiten

in einer Reche von Entscheidungen den Grundsatz sanl.tionnirt , dass, in Ermanglung abweichender Bestimmungen dnreh .^taatsverträge, der Gexichtsftand der gelegenen Sache zur .Anwendung komme. (vergleiche Ullmer, die staatsrechtliche Brar.is der schweizerischen Bundesbehorden , Seite

280-285).

Die Kommission stellt daher bei Jhnen den Autrag .

Der Nationalrath wolle beschlossen , es sei der von der Barbara .^ue^ .^. Schoch, erhobene Rekurs gegen die Schlussnahme des Bnn.desrathe als unbegründet ab^u.^eisen.

B e r n , den 10. Jannar 18^3.

Ramens der Kommission , Der Berichterstatter.

.^i^eler.

^ole Dl gesezgebenden .^he haben sich in der ^ekur.^ sache der Schoeh..^ schen ..^rben ü.^er eine übereinstimmende Schlu^na^me nich^ verständigen ^nnen , ^..eßhalb der Gegenstand unerledigt geblieben lst.

Die Mitglieder der nationalräthliehen kommission waren die glei.ehen, wie im .Rekurse der ^rben B r a u n .

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Bericht der nationalräthlichen Kommission, betreffend den Rekurs der Barbara Rüegg, geb. Schoch, von Fischenthal Kantons Zürich. (Vom 10. Januar 1863.)

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12.03.1863

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