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22.039 Botschaft zur Genehmigung und Umsetzung der Notenaustausche zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Verordnungen (EU) 2021/1133 und (EU) 2021/1134 zur Reform des Visa-Informationssystems und der damit verbundenen Bedingungen für den Zugang zu anderen EU-Informationssystemen für VIS-Zwecke (Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands) sowie zur Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes (Zugriff auf den CIR und Zugang zu den Daten von drei EU-Informationssystemen) vom 18. Mai 2022

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung und die Umsetzung der Notenaustausche zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Verordnungen (EU) 2021/1133 und (EU) 2021/1134 zur Reform des Visa-Informationssystems und der damit verbundenen Bedingungen für den Zugang zu anderen EUInformationssystemen für VIS-Zwecke (Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands). Gleichzeitig unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, eine Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes (Zugriff auf den CIR und Zugang zu den Daten von drei EU-Informationssystemen).

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

18. Mai 2022

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ignazio Cassis Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2022-1532

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Übersicht Diese Botschaft beinhaltet die Übernahme und Umsetzung der Verordnungen (EU) 2021/1133 und (EU) 2021/1134 zur Reform des Visa-Informationssystems und der damit verbundenen Bedingungen für den Zugang zu anderen EU-Informationssystemen für Zwecke des Visa-Informationssystems (VIS).

Zudem beinhaltet die Botschaft eine Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG) für den Zugriff des Bundesamts für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) auf den Gemeinsamen Speicher für Identitätsdaten (CIR) sowie den Zugang zu drei zugrundliegenden EU-Informationssystemen zum Zwecke der Verhütung, Aufdeckung oder Ermittlung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten.

Ausgangslage Mit den Verordnungen (EU) 2021/1133 und (EU) 2021/1134 wird das Visa-Informationssystem erneuert, um neuen Herausforderungen in der Visa-, Grenz- und Sicherheitspolitik besser gerecht zu werden. Am 8. Juli 2021 hat die EU der Schweiz diese zwei Schengen-Weiterentwicklungen notifiziert. Der Bundesrat hat deren Übernahme am 11. August 2021 genehmigt, vorbehältlich der Zustimmung der eidgenössischen Räte. Für die Übernahme und Umsetzung der zwei Verordnungen verfügt die Schweiz über eine Frist von höchstens zwei Jahren. Diese Frist endet am 8. Juli 2023 (Vorlage 1).

Im Weiteren bezieht sich die Botschaft auf eine Änderung des AIG, um dem BAZG im Rahmen seiner Funktion als Strafverfolgungsbehörde des Bundes den Zugriff auf den CIR und den Zugang zu drei zugrundeliegenden EU-Informationssystemen (Einreiseund Ausreisesystem [EES], Europäisches Reiseinformations- und -genehmigungssystem [ETIAS], VIS) zum Zwecke der Verhütung, Aufdeckung oder Ermittlung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten zu ermöglichen (Vorlage 2).

Inhalt der Vorlage 1 Seit 2011 ist das VIS die technische Lösung, die das Visumverfahren für einen kurzfristigen Aufenthalt erleichtert und es den Visum-, Grenz-, Asyl- und Migrationsbehörden ermöglicht, schnell und wirksam die notwendigen Informationen über visumpflichtige Drittstaatsangehörige zu prüfen. Über das VIS, das die Konsulate der Schengen-Staaten weltweit sowie alle Aussengrenzübergangsstellen miteinander vernetzt, werden biometrische Daten (Gesichtsbild und Abdrücke der zehn Finger) zu Identifizierungs- und Überprüfungszwecken abgeglichen.

Da es sich bei diesen Massnahmen um Weiterentwicklungen
des Schengen-Besitzstands handelt, kann auch die Schweiz davon profitieren. Diese Massnahmen tragen dazu bei, die Sicherheit innerhalb des Schengen-Raums und an den Aussengrenzen zu verbessern, legalen Reisenden das Überschreiten der Aussengrenzen, das freie Reisen und den Aufenthalt im Schengen-Raum ohne Binnengrenzkontrollen zu erleichtern und das Management der Schengen-Aussengrenzen zu vereinfachen.

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Die meisten Änderungen sind im Wesentlichen technischer Art, beispielsweise die Anbindung des VIS an bestehende und künftige IT-Systeme. Die vorgenommenen Änderungen erweitern den Zweck, die Funktionalität und die Zuständigkeiten des VIS lediglich in sehr begrenzter Weise.

Sämtliche Änderungen lassen sich wie folgt zusammenfassen: ­

Herabsetzung des Alters für die Abnahme von Fingerabdrücken bei Kindern von zwölf Jahren auf sechs Jahre und Befreiung von dieser Verpflichtung für Personen über 75 Jahre;

­

Registrierung und Kontrolle von nationalen Daten über Visa neu auch für einen längerfristigen Aufenthalt einschliesslich biometrischer Daten sowie der verschiedenen Aufenthaltsdokumente (Aufenthaltstitel sowie Legitimationskarten) im VIS und Gewährleistung der Interoperabilität bezüglich dieser Daten;

­

Erweiterung des Zwecks des VIS neu auch zur Rückkehr von Personen, welche die Voraussetzungen für die Einreise beziehungsweise den Aufenthalt im Schengen-Raum nicht erfüllen;

­

Aufnahme von Kopien der Reisedokumente von Schengen-Visumgesuchstellerinnen und -gesuchstellern in das VIS;

­

Anpassung des Zugangs zu VIS-Daten für nationale Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden sowie für Europol und ein erweiterter Zugang für den Asylbereich;

­

Erfassung von Gesichtsbildern direkt vor Ort;

­

Einrichtung eines Zugangs für Beförderungsunternehmen zur Überprüfung von Visa und Aufenthaltstiteln;

­

Ausbau anderer technischer Komponenten (VISMail, Implementierung von Indikationen für Datenqualitätsmangel).

Um diese vorgesehenen Neuerungen umzusetzen, sind Anpassungen im AIG, im Bundesgesetz über das Informationssystem für den Ausländer- und den Asylbereich (BGIAA) sowie im Bundesgesetz über die polizeilichen Informationssysteme des Bundes (BPI) vorzunehmen.

Inhalt der Vorlage 2 Das BAZG ist sowohl Grenzkontrollbehörde als auch Strafverfolgungsbehörde des Bundes. Es beantragt zur Erfüllung seiner Aufgaben in der Funktion als Strafverfolgungsbehörde den Zugang zu den Daten des EES, des ETIAS und des VIS sowie den Zugriff auf den CIR. Für die Aufgabenerfüllung als Grenzkontrollbehörde sind die notwendigen Zugriffe des BAZG in der Umsetzung der verschiedenen EU-Verordnungen bereits gewährt.

Bereits im Rahmen der Übernahme und Umsetzung der Rechtsgrundlagen für die Herstellung der Interoperabilität zwischen den EU-Informationssystemen in den Bereichen Grenze, Migration und Polizei (Verordnungen [EU] 2019/817 und [EU] 2019/818) ersuchte das BAZG um einen Zugriff auf den CIR für Abfragen sowie

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den Zugang zu den Daten des EES, des ETIAS und des VIS zum Zwecke der Verhütung, Aufdeckung oder Ermittlung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten.

Um mehr Zeit für die Klärung der rechtlichen Details zu haben und weil zum Zeitpunkt des Gesuchs des BAZG die Vernehmlassung zu den Rechtsgrundlagen für die Herstellung der Interoperabilität abgeschlossen war, wurde entschieden, die entsprechenden Regelungen bei der Vorlage zur Interoperabilität (IOP-Vorlage) auszusparen und diese im Rahmen der Übernahme und Umsetzung der vorliegenden Änderungsverordnungen zum VIS vorzulegen. Gemäss den entsprechenden EU-Verordnungen sind für Strafverfolgungsbehörden der Zugang zu den Daten des EES, des ETIAS und des VIS sowie der Zugriff auf den CIR nur zum Zwecke der Verhütung, Aufdeckung oder Untersuchung (bzw. Ermittlung nach Schweizer Recht) terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten erlaubt. Das BAZG hat gestützt auf Artikel 95 Absatz 1bis des Zollgesetzes (ZG) einen gesetzlichen Auftrag im Bereich der Verhütung von terroristischen Straftaten, namentlich durch Unterstützung der Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung. In seiner Funktion als Strafverfolgungsbehörde hat es zudem gestützt auf Artikel 96 Absatz 1 ZG eine direkte Kompetenz im Bereich der Aufdeckung und Ermittlung sonstiger schwerer Straftaten.

Mit der Gewährung des Zugangs zu den Daten des EES, des ETIAS und des VIS sowie des Zugriffs auf den CIR für Abfragen hätte das BAZG in seiner Funktion als Strafverfolgungsbehörde ­ analog zu den anderen zugriffsberechtigten eidgenössischen, kantonalen und kommunalen Strafverfolgungsbehörden ­ die Möglichkeit, zum Zwecke der Verhütung, Aufdeckung oder Ermittlung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten ein zweistufiges Verfahren anzuwenden: In einem ersten Schritt könnte das BAZG mittels Abfrage des CIR erfahren, ob Daten zu einer bestimmten Person in den Informationssystemen EES, ETIAS oder VIS verzeichnet sind (Treffer/Nicht-Treffer). Im Fall eines Treffers könnte es in einem zweiten Schritt mittels eines begründeten Antrags an die Einsatz- und Alarmzentrale des Bundesamts für Polizei (EAZ fedpol) als zentrale Zugangsstelle in der Schweiz die vorhandenen Daten aus dem entsprechenden EU-Informationssystem erhalten.

In seiner Funktion als Grenzkontrollbehörde
hat das BAZG Zugriff auf den CIR zum Zwecke der Identifikation einer Person. Es erhält dabei die im CIR gespeicherten Identitätsdaten sowie, falls vorhanden, Daten zu Reisedokumenten und die biometrischen Daten, die in den zugrundeliegenden Informationssystemen gespeichert sind (einstufiges Verfahren). Bei einer solchen Abfrage erhält das BAZG keinen Verweis, in welchem zugrundeliegenden System die Daten gespeichert sind. Die so erhaltenen Informationen sind zweckgebunden und dürfen nur zur Identifikation einer Person im Rahmen einer Personenkontrolle verwendet werden.

Ohne einen Zugriff auf den CIR für Abfragen und den Zugang zu den Daten des EES, des ETIAS und des VIS zum Zwecke der Verhütung, Aufdeckung oder Ermittlung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten kann das BAZG im Bereich der Strafverfolgung seinen gesetzlichen Auftrag nicht oder nur unvollständig erfüllen, weil es nicht oder nicht genügend schnell an die notwendigen Informationen gelangen kann.

Um hier keine Lücke in der inneren Sicherheit der Schweiz entstehen zu lassen, ist es notwendig, dem BAZG ­ wie den anderen eidgenössischen, kantonalen und kommunalen Strafverfolgungsbehörden ­ den entsprechenden Zugriff und Zugang zu diesen

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Zwecken einzuräumen. Es ist dabei zu unterstreichen, dass dies nicht zu einer Kompetenzerweiterung des BAZG führt.

Um dem BAZG in seiner Funktion als Strafverfolgungsbehörde diesen Zugriff und den Zugang zu den genannten Systemen zu ermöglichen, sind Änderungen im AIG notwendig.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht 1

Einleitung

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Übernahme und Umsetzung der Verordnungen (EU) 2021/1133 und (EU) 2021/1134 2.1 Ausgangslage 2.1.1 Handlungsbedarf und Ziele 2.1.2 Verlauf der Verhandlungen und Verhandlungsergebnis 2.1.3 Verfahren zur Übernahme von Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands 2.1.4 Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates 2.2 Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrates 2.2.1 Mehraufwand für die Kantone 2.2.2 Verzicht auf die Variante mit einer Datenübermittlung vom ORBIS an das ZEMIS 2.2.3 Erfassung der biometrischen Daten ab sechs Jahren 2.2.4 Datenschutz 2.2.5 Datenübermittlung an Drittstaaten 2.2.6 Begrenzte Zugriffsrechte 2.2.7 Kosten 2.3 Grundzüge der Verordnung (EU) 2021/1134 2.3.1 Neuerungen betreffend Aufenthaltstitel und Visa für einen längerfristigen Aufenthalt 2.3.2 Gewählte Variante 2.4 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln der Verordnung (EU) 2021/1134 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 767/2008 2.4.1 Kapitel I: Allgemeine Bestimmungen 2.4.2 Kapitel II: Eingabe und Verwendung von Daten zu Visa durch Visumbehörden 2.4.3 Kapitel III: Zugang zu Visadaten durch andere Behörden 2.4.4 Kapitel IIIa: Eingabe und Verwendung von Daten zu Visa für einen längerfristigen Aufenthalt und Aufenthaltstiteln 2.4.5 Kapitel IIIb: Verfahren und Bedingungen für den Zugang zum VIS zu Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungszwecken 2.4.6 Kapitel VI: Datenschutzrechte und Kontrolle des Datenschutzes 2.5 Änderung und Aufhebung anderer EU-Rechtsakte durch die Verordnung (EU) 2021/1134 2.5.1 Änderung der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 2.5.2 Änderung der Verordnung (EU) 2016/399

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2.5.3 Änderung der Verordnung (EU) 2017/2226 2.5.4 Änderung der Verordnung (EU) 2018/1240 2.5.5 Änderung der Verordnung (EU) 2018/1860 2.5.6 Änderung der Verordnung (EU) 2018/1861 2.5.7 Änderung der Verordnung (EU) 2019/817 2.5.8 Änderung der Verordnung (EU) 2019/1896 2.5.9 Aufhebung der Entscheidung 2004/512/EG 2.5.10 Aufhebung des Beschlusses 2008/633/JI des Rates 2.5.11 Inkrafttreten der Verordnung (EU) 2021/1134 2.6 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln der Verordnung (EU) 2021/1133 zur Änderung der Verordnung (EU) 2018/1862 2.6.1 Änderung der Verordnung (EU) 2018/1862 2.6.2 Inkrafttreten der Verordnung (EU) 2021/1133 2.7 Grundzüge des Umsetzungserlasses 2.7.1 Die beantragte Neuregelung 2.7.2 Umsetzungsfragen 2.8 Erläuterungen zu den Artikeln des Umsetzungserlasses 2.8.1 Ausländer- und Integrationsgesetz 2.8.2 Ausländer- und Integrationsgesetz, geändert durch die EES-Vorlage 2.8.3 Ausländer- und Integrationsgesetz, geändert durch die ETIAS-Vorlage 2.8.4 Ausländer- und Integrationsgesetz, geändert durch die IOP-Vorlage 2.8.5 Ausländer- und Integrationsgesetz, geändert durch die SIS-Vorlage 2.8.6 Bundesgesetz über das Informationssystem für den Ausländer- und den Asylbereich 2.8.7 Bundesgesetz über die polizeilichen Informationssysteme des Bundes 2.8.8 Besonderer Koordinationsbedarf 2.9 Auswirkungen der Verordnung (EU) 2021/1134 und des Umsetzungserlasses 2.9.1 Finanzielle und personelle Auswirkungen auf den Bund 2.9.2 Finanzielle und personelle Auswirkungen auf die Kantone 2.9.3 Finanzierungsbeitrag der EU 2.10 Rechtliche Aspekte 2.10.1 Verfassungsmässigkeit 2.10.2 Vereinbarkeit mit anderen internationalen Verpflichtungen der Schweiz 2.10.3 Erlassform 2.10.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 2.10.5 Verhältnis zum europäischen Recht

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Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes (Vorlage 2)

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61 61 62 62 62 70 71 71 75 76 77 78 78 79 79 80 80 84 85 85 85 86 86 87 87

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3.4 3.5

Ausgangslage 3.1.1 Handlungsbedarf und Ziele 3.1.2 Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrates 3.2.1 Erweiterung der Zugriffe 3.2.2 Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen 3.2.3 Koordination mit dem BAZG-VG Grundzüge der Vorlage 3.3.1 Die beantragte Neuregelung 3.3.2 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln Finanzielle Auswirkungen Rechtliche Aspekte 3.5.1 Verfassungsmässigkeit 3.5.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 3.5.3 Erlassform 3.5.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 3.5.5 Verhältnis zum europäischen Recht

87 87 92 92 92 93 94 95 95 95 97 97 97 97 97 98 98

Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung der Notenaustausche zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Verordnungen (EU) 2021/1133 und (EU) 2021/1134 zur Reform des Visa-Informationssystems und der damit verbundenen Bedingungen für den Zugang zu anderen EU-Informationssystemen für VIS-Zwecke (Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands) (Entwurf) BBl 2022 1422 Notenaustausch vom 11. August 2021 zwischen der Schweiz und der Europäischen Union betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) 2021/1134 zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 767/2008, (EG) Nr. 810/2009, (EU) 2016/399, (EU) 2017/2226, (EU) 2018/1240, (EU) 2018/1860, (EU) 2018/1861, (EU) 2019/817 und (EU) 2019/1896 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Entscheidung 2004/512/EG und des Beschlusses 2008/633/JI des Rates zur Reform des Visa-Informationssystems (Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands) BBl 2022 1423 Notenaustausch vom 11. August 2021 zwischen der Schweiz und der Europäischen Union betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) 2021/1133 zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 603/2013, (EU) 2016/794, (EU) 2018/1862, (EU) 2019/816 und (EU) 2019/818 hinsichtlich der Festlegung der

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Voraussetzungen für den Zugang zu anderen Informationssystemen der EU für Zwecke des Visa-Informationssystems (Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands BBl 2022 1424 Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG) (Zugriff auf den CIR und Zugang zu den Daten von drei EU-Informationssystemen) (Entwurf) BBl 2022 1425

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Botschaft 1

Einleitung

Die vorliegende Botschaft umfasst zwei Vorlagen. Die erste Vorlage betrifft die Übernahme und Umsetzung der Verordnungen (EU) 2021/11331 und (EU) 2021/11342 zwecks Reform des VIS-Informationssystems und der damit verbundenen Bedingungen für den Zugang zu anderen EU-Informationssystemen für VIS-Zwecke (vgl.

Ziff. 2).

Die zweite Vorlage betrifft eine Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes vom 16. Dezember 20053 (AIG), um dem BAZG in seiner Funktion als Strafverfolgungsbehörde des Bundes den Zugriff auf den CIR und den Zugang zu drei zugrundeliegenden EU-Systemen (EES, ETIAS, VIS) zum Zwecke der Verhütung, Aufdeckung oder Ermittlung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten zu ermöglichen (vgl. Ziff. 3).

2

Übernahme und Umsetzung der Verordnungen (EU) 2021/1133 und (EU) 2021/1134

2.1

Ausgangslage

2.1.1

Handlungsbedarf und Ziele

Im Rahmen des Schengen-Assoziierungsabkommens (SAA)4 hat sich die Schweiz grundsätzlich zur Übernahme aller Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands verpflichtet (Art. 2 Abs. 3 und Art. 7 SAA). Die Übernahme eines neuen Rechtsakts erfolgt dabei im Rahmen eines besonderen Verfahrens, das die Notifikation der Weiterentwicklung durch die zuständigen EU-Organe und die Übermittlung einer Antwortnote seitens der Schweiz umfasst.

Die Verordnungen (EU) 2021/1133 und (EU) 2021/1134 wurden am 7. Juli 2021 vom Europäischen Parlament und vom Rat der EU verabschiedet. Am 8. Juli 2021 hat die 1

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3 4

Verordnung (EU) 2021/1133 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juli 2021 zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 603/2013, (EU) 2016/794, (EU) 2018/1862, (EU) 2019/816 und (EU) 2019/818 hinsichtlich der Festlegung der Voraussetzungen für den Zugang zu anderen Informationssystemen der EU für Zwecke des Visa-Informationssystems, ABl. L 248 vom 13.7.2021, S. 1.

Verordnung (EU) 2021/1134 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juli 2021 zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 767/2008, (EG) Nr. 810/2009, (EU) 2016/399, (EU) 2017/2226, (EU) 2018/1240, (EU) 2018/1860, (EU) 2018/1861, (EU) 2019/817 und (EU) 2019/1896 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Entscheidung 2004/512/EG und des Beschlusses 2008/633/JI des Rates zur Reform des Visa-Informationssystems, ABl. L 248 vom 13.7.2021, S. 11.

SR 142.20 Abkommen vom 26. Oktober 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, der Europäischen Union und der Europäischen Gemeinschaft über die Assoziierung dieses Staates bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands, SR 0.362.31.

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EU der Schweiz diese zwei Schengen-Weiterentwicklungen notifiziert. Der Bundesrat hat die Übernahme der zwei Verordnungen am 11. August 2021 unter Vorbehalt der parlamentarischen Genehmigung gutgeheissen.

2.1.2

Verlauf der Verhandlungen und Verhandlungsergebnis

Gestützt auf Artikel 4 SAA ist die Schweiz im Rahmen ihres Mitspracherechts berechtigt, im Schengen-Bereich in den zuständigen Arbeitsgruppen des Rates der EU mitzuwirken. Sie kann insbesondere Stellung nehmen und Anregungen anbringen.

Über die zwei Verordnungen wurden während rund zweieinhalb Jahren Beratungen in Brüssel geführt. Die Beratungen wurden in den zuständigen Arbeitsgruppen des Rates, in der Arbeitsgruppe «Visa» (Expertenstufe) sowie zwischen Beraterinnen und Beratern im Bereich Justiz und Inneres (JI-Beraterinnen und -Berater) und im Rat für Justiz und Inneres (JI-Rat, Ministerebene) geführt. Diese Gremien tagten als Gemischter Ausschuss (COMIX-Format), das heisst im Beisein der Vertreterinnen und Vertreter der bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands assoziierten Staaten. Die Vertreterinnen und Vertreter des Bundes und der Kantone konnten ihre Haltung zum Verordnungsentwurf im Rahmen dieser Sitzungen aktiv einbringen. Die förmliche Beschlussfassung erfolgte durch die zuständigen Organe der EU. Das Europäische Parlament verabschiedete die Verordnungen am 7. Juli 2021, der Ministerrat am 27. Mai 2021. Die Unterzeichnung erfolgte am 7. Juli 2021.

2.1.3

Verfahren zur Übernahme von Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands

Für die Übernahme und Umsetzung von Schengen-Weiterentwicklungen ist in Artikel 7 SAA folgendes Verfahren vorgesehen: Die EU notifiziert der Schweiz unverzüglich die Annahme der Rechtsakte, die eine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands darstellen. Die Schweiz entscheidet, ob sie deren Inhalt akzeptiert und in ihre innerstaatliche Rechtsordnung umsetzt. Der diesbezügliche Beschluss wird der EU innerhalb von 30 Tagen nach Annahme des betreffenden Rechtsakts durch die zuständigen Organe der EU notifiziert.

Die Notifizierung eines Rechtsakts durch die EU und die Antwortnote der Schweiz bilden einen Notenaustausch, der aus Sicht der Schweiz einen völkerrechtlichen Vertrag darstellt. Für die Genehmigung dieses Vertrags ist je nach Inhalt des zur Übernahme anstehenden EU-Rechtsakts der Bundesrat oder das Parlament (und das Volk im Rahmen des fakultativen Referendums) zuständig.

Ist die Bundesversammlung zuständig oder sind zur Umsetzung Gesetzesanpassungen notwendig, so setzt der Bundesrat die EU in seiner Antwortnote darüber in Kenntnis, dass die Übernahme der Weiterentwicklung für die Schweiz erst nach Erfüllung der verfassungsrechtlichen Voraussetzungen rechtsverbindlich werden kann (Art. 7 Abs. 2 Bst. b SAA). In diesem Fall verfügt die Schweiz für die parlamentarische Ge-

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nehmigung, einschliesslich eines allfälligen Referendums, über eine Frist von maximal zwei Jahren. Der Fristenlauf beginnt mit der Notifikation der Weiterentwicklung durch die EU. Sind alle verfassungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, teilt die Schweiz dies dem Rat der EU und der Europäischen Kommission mit. Sofern kein Referendum ergriffen wird, erfolgt diese Mitteilung direkt nach Ablauf der Referendumsfrist. Der Notenaustausch betreffend die Übernahme der Verordnung tritt zum Zeitpunkt der Übermittlung dieser Mitteilung in Kraft, die der Ratifizierung des Notenaustauschs gleichkommt.

Im vorliegenden Fall notifizierte die EU der Schweiz die Verordnungen (EU) 2021/1133 und (EU) 2021/1134 am 8. Juli 2021. Der Bundesrat beschloss am 11. August 2021, die Verordnungen unter Vorbehalt der Erfüllung der verfassungsmässigen Voraussetzungen zu übernehmen, und notifizierte der EU seine Beschlüsse am selben Tag. Die Zweijahresfrist läuft somit ordentlich am 8. Juli 2023 ab. Da dieser Tag jedoch auf einen Samstag fällt, endet die Frist bereits am 7. Juli 2023.

Werden die Verordnungen (EU) 2021/1133 und (EU) 2021/1134 nicht innerhalb dieser Maximalfrist übernommen, würde das in Artikel 7 Absatz 4 SAA vorgesehene Spezialverfahren ausgelöst, bei dem im Rahmen des Gemischten Ausschusses innerhalb von 90 Tagen eine einvernehmliche Lösung gefunden werden muss. Gelingt dies nicht, wird das SAA drei Monate später automatisch beendet ­ und infolgedessen auch die Zusammenarbeit von Dublin (Art. 14 Abs. 2 des Dublin-Assoziierungsabkommens5).6

2.1.4

Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist in der Botschaft vom 29. Januar 20207 zur Legislaturplanung 2019­ 2023 nicht angekündigt. Es handelt sich um Schengen-Weiterentwicklungen, die im Rahmen von Ziel Nr. 13 fristgerecht zu übernehmen sind. Gemäss diesem Ziel steuert die Schweiz die Migration, nutzt deren wirtschaftliches und soziales Potenzial und setzt sich für die internationale Zusammenarbeit ein.

Auch die Anpassungen des AIG sind nicht in der Legislaturplanung vorgesehen. Sie erfolgen jedoch ebenfalls im Rahmen von Ziel Nr. 13.

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Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft vom 26. Oktober 2004 über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags, SR 0.142.392.68.

Vgl. Botschaft zur Genehmigung der bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union, einschliesslich der Erlasse zur Umsetzung der Abkommen («Bilaterale II»), BBl 2004 6133 ff.

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2.2

Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrates

Gestützt auf Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben b und c des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 20058 (VlG) wurde vom 11. August bis zum 18. November 2021 eine Vernehmlassung zur Übernahme der Verordnungen (EU) 2021/1133 und (EU) 2021/1134 zur Reform des Visa-Informationssystems sowie zur Änderung des AIG durchgeführt.

Zur Stellungnahme eingeladen wurden die Kantone, die politischen Parteien, die gesamtschweizerischen Dachverbände und weitere interessierte Kreise. Für die detaillierten Ergebnisse der Vernehmlassung sei auf den Ergebnisbericht verwiesen.9 Es sind 44 Stellungnahmen eingegangen. Insgesamt haben sich 26 Kantone, zwei politische Parteien (FDP und SP), der Schweizerische Gemeindeverband (SGV), der Schweizerische Städteverband (SVV), der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV), das Bundesgericht (BGer) und das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) sowie elf weitere interessierte Kreise schriftlich geäussert. Davon haben vier Kantone (GR, OW, SZ und ZH) sowie sieben Vernehmlassungsteilnehmende ausdrücklich auf eine Stellungnahme verzichtet (BGer, BVGer, Flughafen Zürich, Konferenz der kantonalen, kommunalen und regionalen Integrationsdelegierten, SAV, SGV und SSV).

Die Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden begrüsst beide Vorlagen: alle Kantone, die sich zur Vernehmlassung geäussert haben, die FDP, die SP, das Centre Patronal, der Flughafen Genf, die Konferenz der Kantonalen Polizeikommandanten, die Vereinigung der Kantonalen Migrationsbehörden (VKM) und die Young European Swiss (yes).

Die nachfolgenden Vernehmlassungsteilnehmenden bringen Anmerkungen vor: BE, FR, GE, JU, NE, SO, TI, VS, die FDP, die SP, das Centre Patronal, die yes, der Flughafen Genf und die VKM.

Die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) begrüsst die Vorlage 1 vollumfänglich. Der Vorlage 2 steht sie kritisch gegenüber und unterstützt diese nur bedingt.

AsyLex, die Demokratischen Juristinnen und Juristen der Schweiz (DJS) und Solidarité sans frontières (Sofs) lehnen die Reform des VIS ab.

2.2.1

Mehraufwand für die Kantone

Mehrere Kantone und die VKM weisen darauf hin, dass bei den kantonalen Behörden aufgrund der neu zu erfassenden Daten und der Interoperabilität der Informationssysteme zusätzliche Aufgaben anfallen werden. Diesbezüglich wird festgehalten, dass Synergien mit dem Staatssekretariat für Migration (SEM) eine effiziente Fallbearbei-

8 9

SR 172.061 www.admin.ch > Bundesrecht >Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2021 > EJPD

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tung, namentlich im Polizeibereich, gewährleisten müssten. Zudem wird vorgeschlagen, die Gebühren für die Ausstellung eines Aufenthaltstitels in der Gebührenverordnung AIG vom 24. Oktober 200710 (GebV-AIG) zu erhöhen. Die Vernehmlassungsteilnehmenden unterstreichen jedoch, dass diese Weiterentwicklungen Erleichterungen bei der Überprüfung mit sich bringen werden und dass die innere Sicherheit und die Terrorismusbekämpfung verbessert werden könnten.

Haltung des Bundesrates Die Zuständigkeit für die manuelle Überprüfung der Übereinstimmungen (Treffer) zwischen den verschiedenen europäischen Datenbanken liegt teilweise bei den kantonalen Behörden und teilweise bei der VIS-Zentralstelle. Bei einer Übereinstimmung mit einer Ausschreibung im Migrationsbereich im Schengener Informationssystem (SIS) zur Rückkehr, zur Einreiseverweigerung oder zu den Reisedokumenten ist die Visumbehörde zuständig. Für alle SIS-Ausschreibungen im Polizeibereich (gesuchte, vermisste oder schutzbedürftige Personen, Ausschreibung von Personen oder Reisedokumenten zur verdeckten Kontrolle, Ermittlungsanfrage oder gezielten Kontrolle) ist die nationale VIS-Stelle zuständig. Dabei arbeitet sie mit dem SIRENE-Büro des Bundesamts für Polizei (fedpol) zusammen. Diese neuen Prozesse werden die Kantone und die Visumbehörden unterstützen mit dem Ziel, die laufenden Verfahren nicht unverhältnismässig zu verlängern.

Falls die Zusatzaufgaben, die bei der Ausstellung eines Aufenthaltstitels anfallen, beträchtlich sind, könnte eine Erhöhung der dafür vorgesehenen Gebühren gemäss der GebV-AIG in Betracht gezogen werden.

2.2.2

Verzicht auf die Variante mit einer Datenübermittlung vom ORBIS an das ZEMIS

Im Vernehmlassungsverfahren wurde eine Variante vorgeschlagen, welche die Übermittlung biometrischer Daten vom nationalen Visumsystem (ORBIS) an das Zentrale Migrationsinformationssystem (ZEMIS) erlaubt. Dies um zu vermeiden, dass Personen, die ein Visum für einen längerfristigen Aufenthalt beantragen, ihre biometrischen Daten (zehn Fingerabdrücke, direkt vor Ort aufgenommenes Gesichtsbild und Unterschrift) zweimal abgeben müssen ­ zuerst im Ausland bei Erteilung des Visums und dann nochmals in der Schweiz im Rahmen des Bewilligungsverfahren (kantonale Biometrieerfassungszentren).

Haltung des Bundesrates Obwohl die Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden sich nicht zu dieser Variante geäussert und einige deren Nutzen hervorgehoben haben (GE, TI, VKM), ist darauf zu verzichten. Eine Datenübermittlung vom ORBIS an das ZEMIS wäre mit zusätzlichen Kosten verbunden und nur in gewissen Fällen der Erteilung von Visa für einen längerfristigen Aufenthalt sinnvoll, wenn die biometrischen Daten bereits heute im Ausland erfasst werden. Eine systematische Erfassung der biometrischen Daten 10

SR 142.209

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sämtlicher Visa für einen längerfristigen Aufenthalt würde für die Schweizer Vertretungen einen erheblichen Zusatzaufwand bedeuten. Ausserdem wären Visumgesuchstellerinnen und -gesuchsteller mit dieser Variante zum persönlichen Erscheinen bei der zuständigen Schweizer Vertretung verpflichtet, was heute nicht der Fall ist. Die Kosten wären im Vergleich zu den Vorteilen unverhältnismässig hoch. Und schliesslich müssten die betroffenen Personen dennoch persönlich bei der kantonalen Behörde erscheinen, um den Aufenthaltstitel ausstellen zu lassen.

Infolgedessen wird der im Rahmen der Vernehmlassung vorgeschlagene Artikel 109cbis VE-AIG aus der Botschaft entfernt.

2.2.3

Erfassung der biometrischen Daten ab sechs Jahren

Die DJS, Sosf und AsyLex wehren sich im Einzelnen dagegen, dass schon sechsjährige Kinder daktyloskopiert und alle Angehörigen von Drittstaaten, die sich länger im Schengen-Raum aufhalten wollen, registriert und überprüft werden sollen. Dass Kindesschutz tatsächlich das Ziel dieser Änderung sei, sei zu bezweifeln und werde als Legitimierungsargument vorgeschoben. Vielmehr schienen die Rechte der Kinder dadurch mehr gefährdet. Der Kanton Genf ist diesbezüglich ebenfalls kritisch eingestellt.

Haltung des Bundesrates Die Erfassung der Fingerabdrücke und des Gesichtsbilds von Kindern ab sechs Jahren dient im Wesentlichen dazu, nicht bewilligte Reisen oder die Entführung von Kindern zu verhindern. Die Schweiz kann von dieser neuen Regelung, die eine umfassendere Identifizierung der in den Schengen-Raum einreisenden Personen verlangt, nicht abweichen.

Die Fingerabdrücke von Kindern sind zuverlässige Daten, die eine genaue Identifizierung ermöglichen. Sie werden zudem im Informationssystem gelöscht, sobald die Kinder aus dem Schengen-Raum ausreisen. Ausserdem ist das Kindeswohl gewährleistet und das Konsulatspersonal wird angemessen geschult.

2.2.4

Datenschutz

Einige Vernehmlassungsteilnehmende haben das Problem der IT-Grosssysteme, die besonders schützenswerte Daten enthalten, angesprochen. Der Zugriff auf diese Daten sei stark einzuschränken, der Datenschutz sei zu gewährleisten, und die Rechte der betroffenen Personen seien zu wahren. Der Umfang des neuen Systems und der Datenaustausch würden ein erhöhtes Missbrauchsrisiko in sich bergen.

Haltung des Bundesrates Der Bundesrat ist ebenfalls der Ansicht, dass der Datenschutz in Zusammenhang mit IT-Grosssystemen und der Interoperabilität wichtig ist. Daher sind die Zugriffe genau und im Detail zu regeln (Gesetz und Verordnungen) entsprechend den Bestimmungen der Schengen-Verordnungen.

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Ausserdem gewährleisten die Aufgaben des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB), dass die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen auf schweizerischer Ebene kontrolliert und koordiniert wird. Die im Bundesgesetz vom 19. Juni 199211 über den Datenschutz (DSG) vorgesehenen Rechte wie das Recht auf Berichtigung oder Löschung der Daten oder das Auskunftsrecht sind anwendbar.

Ausserdem sind Sanktionen bei Missbrauch vorgesehen (Art. 120d AIG).

2.2.5

Datenübermittlung an Drittstaaten

Die SP wünscht eine Neuformulierung von Artikel 109equater VE-AIG. Ausserdem müsse garantiert sein, dass eine Bekanntgabe von Daten des zentralen Visa-Informationssystems (C-VIS) an Dritte nach Artikel 109equater Absatz 2 E-AIG nicht dazu führe, dass die Grundrechte von rückkehrpflichtigen Drittstaatsangehörigen oder von Asylsuchenden in ihrem Ursprungsland verletzt werden. Zusätzlich zur expliziten Zustimmung des Drittstaats, die Daten nur zur Erfüllung ihres Zwecks zu verwenden, müsse die zuständige Schweizer Stelle evaluieren, ob eine solche Zusage hinreichend glaubwürdig sei. Nur wenn dies gegeben sei, dürften die Daten des C-VIS nach Artikel 109equater E-AIG an Dritte weitergegeben werden.

Haltung des Bundesrates Bei einer Datenübermittlung an Drittstaaten müssen die in Artikel 31 Absätze 1 und 2 der Verordnung (EU) 2021/1134 genannten Bedingungen erfüllt sein. Absatz 2 hält ausdrücklich fest, dass die Übermittlung personenbezogener Daten an Drittstaaten oder internationale Organisationen die Rechte von Personen, die internationalen Schutz beantragen oder geniessen, insbesondere hinsichtlich der Nichtzurückweisung, unberührt lassen. Zudem sieht die vorgeschlagene Bestimmung vor, dass nur das SEM solche Daten weitergeben darf. Das SEM muss daher sicherstellen, dass die erhaltene Zusage glaubwürdig ist.

Um genauer festzulegen, welche Behörden zur Weitergabe von Informationen berechtigt sind, wird die in die Vernehmlassung gegebene Bestimmung leicht angepasst. Sie regelt nun auch die Datenbekanntgabe im Rahmen der Bekämpfung von Terrorismus und sonstiger schwerer Straftaten.

2.2.6

Begrenzte Zugriffsrechte

Zugriffs- und Abfragerechte sollten gemäss einigen Vernehmlassungsteilnehmenden nur denjenigen Behörden gewährt werden, für welche diese unabdingbar sind. Die Möglichkeit eines Zugriffs durch private Unternehmen wird höchst kritisch gesehen.

Solche Zugriffe sollten nur im absoluten Ausnahmefall erfolgen.

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SR 235.1

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Haltung des Bundesrates Gemäss Artikel 45c der Verordnung (EG) Nr. 767/200812 (VIS-Verordnung), geändert durch die Verordnung (EU) 2021/1134, müssen im Luft- und Seeverkehr tätige Beförderungsunternehmer sowie Beförderungsunternehmer, die im internationalen Linienverkehr Gruppen von Personen in Autobussen befördern, zur Erfüllung ihrer Verpflichtung aus Artikel 26 Absatz 1 Buchstabe b des Schengener Durchführungsübereinkommens vom 19. Juni 199013 (SDÜ) eine Abfrage an das VIS senden, um zu verifizieren, ob Drittstaatsangehörige, die einer Visumpflicht unterliegen oder Inhaberinnen oder Inhaber eines Visums für einen längerfristigen Aufenthalt oder eines Aufenthaltstitels sein müssen, beim Überschreiten der Schengen-Aussengrenzen im Besitz eines gültigen Visums, eines gültigen Visums für einen längerfristigen Aufenthalt oder eines gültigen Aufenthaltstitels sind. Die in der Verordnung (EU) 2021/1134 vorgesehenen Zugriffe werden strikt umgesetzt. Zudem ist zu präzisieren, dass es sich bei den erhaltenen Informationen nicht um besonders schützenswerte Daten handelt. Diese Daten beziehen sich lediglich auf die Gültigkeit der Dokumente.

Ausserdem erfolgt der Zugriff über ein Portal, das nur von Transportunternehmern genutzt werden kann, die einer Sorgfaltspflicht unterliegen (Art. 92 AIG).

2.2.7

Kosten

Die FDP erachtet die Kostenexplosion bei der Weiterentwicklung der VISVerordnung als kritisch. Die Gründe, die zur Verdreifachung der Projektkosten von 6 auf 18 Millionen Franken geführt haben, sollen präzisiert werden.

Haltung des Bundesrates Erste Kostenschätzungen sind ohne genaue Kenntnis des endgültigen Entwurfs der Verordnung (EU) 2021/1134 erfolgt. Im Mai 2018 hatte die Europäische Kommission ihren Vorschlag für die Verordnung vorgelegt, worauf die Beratungen in den Arbeitsgruppen des Rates der Europäischen Union begannen. Dabei wurden die Änderungen erweitert, namentlich durch den Einbezug der Visa für einen längerfristigen Aufenthalt und der Aufenthaltstitel in die Interoperabilität, was beträchtliche Änderungen im ZEMIS und ORBIS bedingt, sowie die Notwendigkeit, eine neue nationale VIS-Stelle zu errichten für die Bearbeitung und Überwachung von bestimmen heiklen Treffern, die sich aus der Interoperabilität ergeben. Daher mussten neue Funktionen und neue Kosten berücksichtigt werden. Deshalb hat das SEM im Jahr 2021 erneut eine genaue Kostenanalyse durchführen lassen (vgl. Ziff. 2.9.1).

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13

Verordnung (EG) Nr. 767/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 über das Visa-Informationssystem (VIS) und den Datenaustausch zwischen den Mitgliedstaaten über Visa für einen kurzfristigen Aufenthalt (VIS-Verordnung), ABl. L 218 vom 13.8.2008, S. 60; zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2019/817, ABl. L 135 vom 22.5.2019, S. 27.

Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, ABl. L 239 vom 22.9.2000, S. 19 (siehe Anhang A SAA).

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2.3

Grundzüge der Verordnung (EU) 2021/1134

Mit der Verordnung (EU) 2021/1134 wird das VIS aktualisiert und an die technischen Fortschritte angepasst. Seit 2011 ist das VIS die technische Lösung, die das Verfahren für Visa für einen kurzfristigen Aufenthalt erleichtert und es den Visum-, Grenz-, Asyl- und Migrationsbehörden ermöglicht, schnell und wirksam die notwendigen Informationen über Drittstaatsangehörige, die ein Visum für die Einreise in den Schengen-Raum benötigen, zu prüfen.

Die migrations- und sicherheitspolitischen Herausforderungen in Europa haben dazu geführt, dass die Europäische Kommission seit 2015 zahlreiche Vorschläge gemacht hat, um die Möglichkeiten zur Bekämpfung der illegalen Migration und zum Schutz der inneren Sicherheit zu optimieren. Ziel ist es, die heutigen Schengen-Instrumente (Eurodac, VIS, Advance Passenger Information [API] und SIS) zu stärken und zu verbessern, aber auch neue Möglichkeiten (EES und ETIAS) zu schaffen.

Am 20. Mai 2019 verabschiedeten das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union die Verordnungen (EU) 2019/81714 und (EU) 2019/81815 (IOPVerordnungen), welche die Herstellung der Interoperabilität zwischen den EUInformationssystemen ermöglichen. Mit der Interoperabilität wird das Europäische Suchportal (ESP) geschaffen, das die gleichzeitige Abfrage in allen relevanten Informationssystemen ermöglicht.

Dank der Interoperabilität zwischen den EU-Informationssystemen werden künftig Identitätsdaten, Daten zu Reisedokumenten und biometrische Daten (Fingerabdrücke und direkt vor Ort aufgenommene Gesichtsbilder) automatisiert abgeglichen. Personen, die falsche Identitäten benutzen, können dadurch leichter identifiziert werden.

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15

Verordnung (EU) 2019/817 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 zur Errichtung eines Rahmens für die Interoperabilität zwischen EU-Informationssystemen in den Bereichen Grenzen und Visa und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 767/2008, (EU) 2016/399, (EU) 2017/2226, (EU) 2018/1240, (EU) 2018/1726 und (EU) 2018/1861 des Europäischen Parlaments und des Rates, der Entscheidung 2004/512/EG des Rates und des Beschlusses 2008/633/JI des Rates, ABl. L 135 vom 22.5.2019, S. 27.

Verordnung (EU) 2019/818 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 zur Errichtung eines Rahmens für die Interoperabilität zwischen EU-Informationssystemen (polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit, Asyl und Migration) und zur Änderung der Verordnungen (EU) 2018/1726, (EU) 2018/1862 und (EU) 2019/816, ABl. L 135 vom 22.5.2019, S. 85.

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Über das ESP können alle Informationssysteme, auf welche die jeweiligen Behörden Zugriff für Abfragen haben, gleichzeitig und mit nur einer Abfrage konsultiert werden. Schliesslich wird mit den beiden IOP-Verordnungen die Möglichkeit geschaffen, mithilfe des Detektors für Mehrfachidentitäten (MID) Identitätsbetrug aufzudecken.

Der MID soll dazu beitragen, Personen zu erkennen, die mehrere oder falsche Identitäten benutzen; dies mit dem doppelten Ziel, Identitätsprüfungen zu vereinfachen und Identitätsbetrug zu bekämpfen.

Damit die berechtigten Behörden mittels einer Abfrage künftig rasch und effizient ein umfassendes Bild einer Person erhalten, wird mit der Verordnung (EU) 2021/1134 die VIS-Verordnung dahingehend geändert, dass das VIS nach Umsetzung der vorliegenden Neuerungen zusammen mit dem EES, dem ETIAS und Eurodac Teil eines Systemverbunds wird, der die Interoperabilität gewährleistet. Damit verfügen die Behörden stets über die für ihre Aufgaben relevanten Informationen und können so unter anderem verhindern, dass ein Visum an eine Person, die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, ausgestellt wird.

Im Weiteren hat sich gezeigt, dass bei Dokumenten, mit denen sich Drittstaatsangehörige länger als 90 Tage in einem Zeitraum von 180 Tagen in einem Schengen-Staat aufhalten dürfen, eine Informationslücke besteht. Davon betroffen sind sowohl Visa für einen längerfristigen Aufenthalt (Visa D) als auch Aufenthaltstitel, die es den Inhaberinnen und Inhabern erlauben, sich im Rahmen des SDÜ während höchstens 90 Tagen innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen frei im Schengen-Raum zu bewegen. Um dieser Sicherheitslücke entgegenzuwirken, sieht die oben genannte EUVerordnung folgende Massnahmen vor: Die Aufnahme von Visa für einen längerfristigen Aufenthalt sowie Aufenthaltsdokumenten in das VIS unter Einhaltung derselben Vorschriften, sodass neben der ausstellenden Behörde auch andere Behörden der Schengen-Staaten diese Dokumente sowie deren Inhaberin oder Inhaber überprüfen können. Mit dem Zugang zu diesen Dokumenten kann künftig jeder Schengen-Staat, der eine solche Kontrolle durchführt, anhand der Daten im System das Sicherheitsrisiko besser einschätzen und dadurch die innere Sicherheit im Schengen-Raum erhöhen. Zusätzlich wird ein allfälliger Dokumentenbetrug früher aufgedeckt werden können.

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Zur Förderung des Rückkehrverfahrens sollen die im Rahmen des Visumgesuchs und der Aufenthaltsgenehmigung vorgelegten Reisedokumente der Antragstellerinnen und Antragsteller künftig ebenfalls im VIS gespeichert werden. Dadurch können Personen, welche die Voraussetzungen für die Einreise in das Hoheitsgebiet der Schengen-Staaten oder den dortigen Aufenthalt nicht oder nicht mehr erfüllen, frühzeitig identifiziert werden. Des Weiteren können Drittstaaten bei der Rückübernahme irregulärer Migrantinnen und Migranten besser mitwirken, indem die sich illegal im Hoheitsgebiet aufhaltenden Drittstaatsangehörigen einfacher in ihr Heimatland zurückkehren können.

Ausserdem soll das Alter für die Abnahme von Fingerabdrücken bei Kindern von bisher zwölf Jahren neu auf sechs Jahre herabgesetzt werden. Mit dieser Massnahme fällt es der zuständigen Behörde leichter, im Rahmen des Visumverfahrens die Identität eines Kindes festzustellen. Durch die eindeutige Identifikation der Kinder werden diese in Zukunft besser geschützt (zum Beispiel Entführung), und dem Menschenhandel sowie der irregulären Migration kann entsprechend entgegengewirkt werden. Dafür müssen jedoch zusätzliche Rechtsgarantien eingeführt werden, um das Interesse des Kindes bestmöglich zu wahren. Zu diesem Zweck werden die biometrischen Daten (Fingerabdrücke und Gesichtsbild) von Kindern unter zwölf Jahren bei Ablauf des Visums oder des Aufenthaltstitels und bei der Ausreise aus dem Schengen-Raum gelöscht. Darüber hinaus ist vorgesehen, von Personen über 75 Jahren keine Fingerabdrücke mehr abzunehmen.

Überdies wird zum vereinfachten Datenaustausch zwischen dem C-VIS und den nationalen Systemen der jeweiligen Schengen-Staaten der VISMail-Konsultationsmechanismus in das VIS integriert. Eine mangelhafte Datenqualität kann künftig vermieden werden, indem das VIS das Ersuchen einer Konsultation solange verweigert, bis alle erforderlichen Angaben korrekt ins System eingegeben wurden. Zudem wird die Qualität der biometrischen Daten insofern verbessert, als die Gesichtsbilder neu für die C-Visa, aber auch für D-Visa und Aufenthaltstitel direkt vor Ort aufgenommen werden.

2.3.1

Neuerungen betreffend Aufenthaltstitel und Visa für einen längerfristigen Aufenthalt

Interoperabilität für Anträge auf Visa für einen längerfristigen Aufenthalt und Aufenthaltstitel Die IOP-Vorlage16 wurde vom Parlament in der Frühlingssession 2021 genehmigt.

Diese Vorlage sieht auch die Interoperabilität des VIS vor, aber in seiner aktuellen Ausgestaltung, das heisst ohne Visa für einen längerfristigen Aufenthalt und Aufenthaltstitel. Nur Visa für einen kurzfristigen Aufenthalt sind darin berücksichtigt. Mit der Änderung der IOP-Verordnungen im Rahmen der vorliegenden Revision der VISVerordnung soll die Interoperabilität auf Visa für einen längerfristigen Aufenthalt und Aufenthaltstitel erweitert werden. Dank der Interoperabilität können bei der Erstellung eines Antragsdatensatzes im VIS die anderen Schengen-Systeme im Migrations16

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und Polizeibereich automatisch abgefragt werden; die Abfrage erfolgt über eine alphanumerische und biometrische Suche. Diese Weiterentwicklung sieht somit einen Automatismus bei den Verifizierungen vor, die im Verfahren zur Prüfung der Aufenthaltstitel und der Visa für einen längerfristigen Aufenthalt vorzunehmen sind.

Heute ist es möglich, bei innerstaatlichen Verfahren das SIS (Art. 7 der N-SISVerordnung vom 8. März 201317, SIS-Vorlage18) abzufragen. Nach Inbetriebnahme der europäischen Systeme EES (Art. 103c Abs. 2 Bst. b und c AIG gemäss EESVorlage19) und ETIAS (Art. 108e Abs. 2 Bst. a AIG gemäss ETIAS-Vorlage20) wird die Abfrage auch in diesen Systemen möglich sein. Diese Abfragen können künftig über das ESP erfolgen; dies ist in der IOP-Vorlage geregelt, die voraussichtlich im Jahr 2023 in Kraft treten wird. Die Verordnung (EU) 2021/1134 erhöht die Interoperabilität der Schengen-Systeme, indem sie bei der Erstellung oder Änderung von nationalen Datensätzen zu Visa für einen längerfristigen Aufenthalt und Aufenthaltstiteln im VIS einen Automatismus zur Suche in anderen Schengen-Systemen schafft.

Nationale Kompetenzen bezüglich Visa für einen längerfristigen Aufenthalt und Aufenthaltstitel Die Form der Visa für einen längerfristigen Aufenthalt und der Aufenthaltstitel ist namentlich in folgenden Schengen-Rechtsakten geregelt: ­

Verordnung (EU) Nr. 265/201021;

­

Verordnung (EG) Nr. 1030/200222

Die Rechtswirkungen dieser Dokumente im Schengen-Raum sind namentlich in Artikel 21 SDÜ und in der Verordnung (EU) 2016/39923 (Schengener Grenzkodex) geregelt. Die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung eines Visums für einen längerfristigen Aufenthalt oder eines Aufenthaltstitels bleiben jedoch eine rein innerstaatliche Angelegenheit (vgl. 6. Kap. AIG für Aufenthaltsbewilligungen und 4. Abschnitt der Verordnung vom 15. August 201824 über die Einreise und die Visumerteilung für Visa für längerfristige Aufenthalte). Die Verordnung (EU) 2021/1134 führt ein Verfahren für die Datenbekanntgabe ein, sodass die Schengen-Staaten über alle benötigten Informationen verfügen, um über die Ausstellung dieser Dokumente zu

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22

23

24

SR 362.0 BBl 2020 10033 BBl 2019 4573 BBl 2020 7911 Verordnung (EU) Nr. 265/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. März 2010 zur Änderung des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen und der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 in Bezug auf den Verkehr von Personen mit einem Visum für einen längerfristigen Aufenthalt, ABl. L 85 vom 31.3.2010, S. 1.

Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 des Rates vom 13. Juni 2002 zur einheitlichen Gestaltung des Aufenthaltstitels für Drittstaatenangehörige, ABl. L 157 vom 15.6.2002, S. 1; zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2017/1954, ABl. L 286 vom 1.11.2017, S. 9.

Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex), ABl. L 77 vom 23.3.2016, S. 1.

SR 142.204

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entscheiden. Dabei soll geprüft werden, ob sich durch die Übereinstimmungen (Treffer) zwischen den Personendaten der Antragstellerinnen und Antragsteller und den Daten in den Schengen-Systemen weitere nützliche Elemente für die materielle Prüfung auf nationaler Ebene ergeben. Die Verordnung (EU) 2021/1134 nennt diesbezüglich zwei spezifische Ziele: einerseits die Beurteilung einer möglichen Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit oder die öffentliche Gesundheit und andererseits die korrekte Identifizierung von Personen (vgl. Erwägungen 13 und 14).

Dies erfolgt im Rahmen der üblichen Überprüfungen auf nationaler Ebene.

Neue Dokumente in der Datenbank VIS Mit der Aufnahme von Visa für einen längerfristigen Aufenthalt und Aufenthaltstiteln im VIS ist sichergestellt, dass die Daten zu diesen Dokumenten und zu ihren Inhaberinnen und Inhabern in einem der IT-Grosssysteme der Schengen-Zusammenarbeit enthalten sind. Diese ergänzen die bereits im System registrierten Daten der visumpflichtigen Drittstaatsangehörigen. Dadurch können die Behörden der Mitgliedstaaten, die nicht die ausstellenden Behörden sind, die Dokumente und die Identität der Inhaberin oder des Inhabers an der Grenze oder im Hoheitsgebiet der Schengen-Staaten überprüfen. Die Datenbanken der Schengen-Zusammenarbeit enthalten somit Informationen zu allen Dokumenten, die für im Schengen-Raum aufhältige Drittstaatsangehörige ausgestellt wurden.

2.3.2

Gewählte Variante

Die Verordnung (EU) 2021/1134 sieht vor, dass die Behörden der Schengen-Staaten die Daten in die Datenbank VIS aufnehmen, sofern diese Daten gemäss den massgeblichen Rechtsvorschriften der EU oder gemäss den nationalen Rechtsvorschriften der Schengen-Staaten durch die Antragstellerin oder den Antragsteller bereitgestellt werden müssen. Die Schweiz verfügt also über einen gewissen Spielraum und entscheidet selber, wie sie die Datenübermittlung umsetzt (Art. 22a Abs. 1 der VIS-Verordnung, geändert durch die Verordnung [EU] 2021/1134). Um einen Mehrwert aus dieser Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands zu erzielen ­ das heisst, um noch vor der Einreise der betreffenden Person eine vollständige und vertiefte Überprüfung durchführen zu können ­, wird vorgeschlagen, im Rahmen der Interoperabilität die Möglichkeiten zur Erfassung der biometrischen Daten bei der Prüfung der Anträge auf Visa für einen längerfristigen Aufenthalt zu nutzen. Die Interoperabilität wird auch im Fall von Aufenthaltsbewilligungen genutzt, einschliesslich der Bewilligungen für Aufenthalte gestützt auf das Gaststaatgesetz vom 22. Juni 200725 und die Sitzabkommen, die der Bundesrat mit zwischenstaatlichen Organisationen und internationalen Institutionen abgeschlossen hat. Welche Daten an das VIS übermittelt werden, ist jedoch von Fall zu Fall unterschiedlich.

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SR 192.12

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Die vorgeschlagene Variante umfasst folgende wesentlichen Elemente:

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­

Die im ORBIS enthaltenen Daten zu Visa für einen längerfristigen Aufenthalt werden auf die gleiche Art und Weise an das C-VIS übermittelt wie dies bereits für Visa C erfolgt, sofern die betroffene Person persönlich bei der Schweizer Vertretung erscheinen muss, das heisst bei Antragseinreichung und der ersten Erfassung der personenbezogenen Daten der Antragstellerin oder des Antragstellers und dann bei der Ausstellung des Visums. Das C-VIS enthält bereits heute die zehn Fingerabdrücke der Personen, die ein Visum C beantragen. Die im System gespeicherten Fingerabdrücke können während fünf Jahren wiederverwendet werden.

­

Die Daten des ZEMIS betreffend Aufenthaltsbewilligungen werden an das C-VIS übermittelt, sobald das SEM oder die kantonalen Migrationsbehörden darin die personenbezogenen Daten der Gesuchstellerinnen und Gesuchsteller erfasst haben. Diese werden danach bei der Ausstellung des Aufenthaltstitels im System aktualisiert. Bei Ablehnung des Gesuchs werden die Daten des C-VIS gelöscht, sofern die Schweiz die betreffende Person nicht als Sicherheitsrisiko einstuft. In diesem Fall werden entsprechende Präzisierungen im System vorgenommen.

­

Bei allen Visa für einen längerfristigen Aufenthalt wird neu die Biometrie erfasst, das heisst das direkt vor Ort aufgenommene Gesichtsbild und die zehn Fingerabdrücke, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller persönlich bei der zuständigen Behörde erscheint. Die Pflicht zum persönlichen Erscheinen beschränkt sich auf bestimmte Personengruppen. Ist die Antragstellerin oder der Antragsteller bei Einreichung des Antrags auf ein Visum für einen längerfristigen Aufenthalt (noch) nicht persönlich erschienen, wird das Papierfoto wie bisher gescannt und das C-VIS anhand der alphanumerischen Personaldaten abgefragt. Massgebend ist das aktuelle Verfahren gestützt auf Artikel 102 Absätze 1 und 2 AIG. Die Personengruppen, die ihre biometrischen Daten abgeben müssen, werden vom Bundesrat auf Verordnungsstufe bestimmt (Art. 87 Abs. 1bis der Verordnung vom 24. Oktober 200726 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit [VZAE]). Eine verworfene Untervariante wäre gewesen, die Personengruppen, die zur Beantragung eines Visums D persönlich vorstellig werden müssen, namentlich auf Antragstellerinnen und Antragsteller aus Ländern zu erweitern, deren Staatsangehörige ein Schengen-Visum C benötigen (ausser wenn die Schweiz vertreten wird).

­

Bei allen Verfahren zur Erteilung einer ausländerrechtlichen Aufenthaltsbewilligung werden wie bereits heute die biometrischen Daten erfasst, das heisst das direkt vor Ort aufgenommene Gesichtsbild und die Fingerabdrücke für die Erstellung des biometrischen Schengen-Aufenthaltstitels. Eine verworfene Variante wäre die Erfassung der zehn Fingerabdrücke gewesen. Dies ginge über die Mindestanforderung hinaus, wonach die zwei für die Ausstellung des Aufenthaltstitels benötigten Fingerabdrücke abzunehmen sind.

SR 142.201

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­

Sofern das ZEMIS keine biometrischen Daten enthält, hat bei der Entscheidung über die Aufenthaltsbewilligung eine Dateneingabe zu erfolgen. Dabei werden die zwei Fingerabdrücke, das Gesichtsbild und die Unterschrift erfasst. Die massgebenden Daten werden an das C-VIS übermittelt und im ZEMIS gespeichert. Die zwei Fingerabdrücke, das Gesichtsbild und die Unterschrift werden auch an die für die Erstellung des einheitlichen Aufenthaltstitels zuständige Stelle gemäss der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 übermittelt.

­

Die personenbezogenen Daten des Informationssystems Ordipro sind im Rahmen der Prüfverfahren vor der Ausstellung einer Legitimationskarte für Drittstaatsangehörige an das C-VIS zu übermitteln. Bei allen vom Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) ausgestellten Legitimationskarten wird das Papierfoto gescannt und an das C-VIS übermittelt. Es werden wie bisher keine Fingerabdrücke und keine direkt vor Ort aufgenommenen Gesichtsbilder verlangt.

­

In jedem Fall ist die Personaldatenseite des Reisedokuments zu scannen, wenn dieses bei der Antragseinreichung der zuständigen Behörde vorgelegt wird.

Ist dies nicht der Fall, wird eine Kopie des Dokuments verlangt. Die gescannte oder kopierte Seite wird danach im ORBIS, ZEMIS und Ordipro registriert und an das C-VIS übermittelt.

Somit beteiligt sich die Schweiz vollumfänglich an dieser Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands zur Übernahme und Umsetzung der Verordnung (EU) 2021/1134. Dies umfasst auch eine Zusammenarbeit in Bezug auf die Bewilligungsverfahren, ohne dass die geltenden innerstaatlichen Verfahren oder die kantonalen Systeme grundlegend geändert werden müssen. Die Schweiz sieht eine Übermittlung der Daten zu Aufenthaltsbewilligungen vor, wenn die Kantone oder das SEM diese im ZEMIS eingetragen haben. Die Eintragung im ZEMIS erfolgt mit der Erfassung der Personendaten bei Eröffnung des Bewilligungsverfahrens und auf jeden Fall vor dem Entscheid. Dies gilt auch für das Ordipro. Somit erfolgt die Übermittlung der massgebenden Daten des ZEMIS, des ORBIS und des Ordipro in technischer Hinsicht durch die gleiche nationale Zugangskomponente.

2.4

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln der Verordnung (EU) 2021/1134 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 767/2008

In der Verordnung (EG) Nr. 767/2008 (VIS-Verordnung) sind Zweck, Funktionen und Zuständigkeiten in Bezug auf das VIS festgehalten. Zudem sind die Bedingungen und Verfahren für den Datenaustausch zwischen den Schengen-Staaten darin festgelegt, um die Prüfung von Visumanträgen für einen kurzfristigen Aufenthalt (Visa C) und die damit verbundenen Entscheide zu erleichtern.

Der Titel dieser Verordnung wurde wie folgt geändert: Verordnung (EG) Nr. 767/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 über das

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Visa-Informationssystem (VIS) und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten über Visa für einen kurzfristigen Aufenthalt, Visa für einen längerfristigen Aufenthalt und Aufenthaltstitel (VIS-Verordnung).

2.4.1 Art. 1

Kapitel I: Allgemeine Bestimmungen Gegenstand und Anwendungsbereich

Zusätzlich zu den Visa für einen kurzfristigen Aufenthalt (Visa C und A) werden neu Visa für einen längerfristigen Aufenthalt (Visa D) und Aufenthaltstitel für Drittstaatsangehörige im VIS gespeichert.

Art. 2

Zweck des VIS

Der Zweck des VIS wird dahingehend erweitert, dass das System neben der Identifizierung neu auch zur Rückkehr von Personen genutzt werden kann, welche die Voraussetzungen für die Einreise oder den Aufenthalt im Schengen-Raum nicht oder nicht mehr erfüllen (Ziff. 1 Bst. e). Ebenfalls kommt das VIS neu bei der Sicherstellung der korrekten Identifizierung von Personen (Abs. 1 Bst. j) wie auch bei der Identifizierung von Personen, bei denen besondere Umstände vorliegen (Ziff. 1 Bst. f), zum Tragen. Das VIS unterstützt im Weiteren die Ziele des Schengener Informationssystems (Abs. 1 Bst. k). Hinsichtlich der Visa für einen längerfristigen Aufenthalt und Aufenthaltstitel dient das VIS neu auch dem erleichterten Datenaustausch zwischen den Schengen-Staaten (Abs. 2).

Art. 2a

Systemarchitektur

Diese neue Bestimmung hält fest, dass die VIS-Architektur die folgenden Komponenten beinhaltet: ­

einen eingerichteten gemeinsamen Speicher für Identitätsdaten (CIR),

­

ein zentrales Visa-Informationssystem (C-VIS),

­

eine nationale einheitliche Schnittstelle (NUI),

­

eine Kommunikationsinfrastruktur zwischen dem C-VIS und den nationalen Schnittstellen (NI-VIS),

­

einen Kommunikationskanal zwischen dem C-VIS und dem Zentralsystem des EES (C-EES),

­

eine Kommunikationsinfrastruktur zwischen dem C-VIS und dem ESP, dem gemeinsamen Dienst für den Abgleich biometrischer Daten, dem CIR und dem eingerichteten Detektor für Mehrfachidentitäten (MID),

­

einen Mechanismus für Konsultationen zu Anträgen und für den Informationsaustausch zwischen den zentralen Visumbehörden (VISMail),

­

einen Zugang für Beförderungsunternehmen,

­

einen sicheren Web-Dienst, 25 / 98

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­

einen Datenspeicher zur Erstellung von Berichten und Statistiken (CRRS).

Um die Ausfallsicherheit zu gewährleisten, sind das NUI und das VIS zweifach (redundant) ausgelegt. Die zwei NUI sind im Rechenzentrum des Informatik Service Centers des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (ISC-EJPD) installiert.

Das Hauptzentralsystem (VIS-Informationssystem) befindet sich in Strassburg, während sich das VIS-Informationssystem-Backup in St. Johann im Pongau (Österreich) befindet.

Art. 3

Verfügbarkeit von Daten zum Zwecke der Verhütung, Aufdeckung und Ermittlung terroristischer und sonstiger schwerwiegender Straftaten

Diese Bestimmung wird gestrichen.

Art. 4

Begriffsbestimmungen

Neu weist diese Bestimmung weitere Definitionen von Begriffen im Bereich Identifikation und Sicherheit auf (vgl. Abs. 3a­3c und 15­23). Zusätzlich werden die Definitionen der Begriffe Visumbehörde (Abs. 3), Antragsformular (Abs. 4), Antragsteller (Abs. 5), VIS-Daten (Abs. 12), Identitätsdaten (Abs. 13) und Fingerabdruckdaten (Abs. 14) angepasst.

Art. 5

Kategorien von Daten

Diese Bestimmung beinhaltet in Absatz 1 die Kategorien der Daten, die im VIS gespeichert werden. Der Begriff «Foto» wird durch den Begriff «Gesichtsbild» ersetzt.

Es handelt sich dabei um ein digitales Bild des Gesichts in ausreichender Bildauflösung und Qualität für den automatischen biometrischen Abgleich. Zudem werden nach Absatz 1a die Daten des VIS im Bereich Identität, Reisedokumente und biometrische Daten neu auch im CIR gespeichert.

Art. 5a

Liste der anerkannten Reisedokumente

Diese neue Bestimmung hält fest, dass die visierfähigen Reisedokumente im VIS integriert werden. Die Kommission wird Durchführungsrechtsakte betreffend die Verwaltung dieser neuen Funktion erlassen. Für die Schweiz stellt dies eine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands dar.

Art. 6

Zugang zur Eingabe, Änderung, Löschung oder Abfrage von Daten

Absatz 1 dieser Bestimmung hält neu fest, dass der Zugang zu den Daten des VIS ausschliesslich den dazu ermächtigten Bediensteten der Visumbehörden und den Behörden vorbehalten ist, die über Anträge auf ein Visum für einen längerfristigen Aufenthalt oder Aufenthaltstitel gemäss Artikel 22a­22f entscheiden. Absatz 2 ergänzt, dass der Zugang zu den Daten des VIS für Datenabfragen ausschliesslich den dazu ermächtigten Bediensteten der nationalen Behörden der einzelnen SchengenStaaten und der EU-Einrichtungen vorbehalten ist, die für die in den Artikeln 15­22,

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22g­22m und 45e genannten Zwecke sowie für die Zwecke gemäss den Artikeln 20 und 21 der Verordnung (EU) 2019/817 zuständig sind.

Der neue Absatz 2a hält fest, dass die Fingerabdruckdaten und Gesichtsbilder von Kindern nur für die Abfrage des VIS und im Trefferfall für die Überprüfung der Identität des Kindes im Visumantragsverfahren gemäss Artikel 15 sowie für Kontrollen an den Aussengrenzen und auf dem Hoheitsgebiet der Schengen-Staaten verwendet werden dürfen. Sofern die Suchen anhand alphanumerischer Daten wegen fehlender Reisedokumente nicht durchgeführt werden, können im Asylverfahren auch die Fingerabdruckdaten von Kindern für Suchen im VIS verwendet werden.

Absatz 3 bestimmt, dass jeder Schengen-Staat die zuständigen Behörden benennt, deren Mitarbeitende, die dazu ermächtigt sind, Zugang zur Eingabe, Änderung, Löschung oder Abfrage von Daten im VIS haben. Ebenfalls sind die Schengen-Staaten verpflichtet, der Europäischen Kommission und eu-LISA unverzüglich eine Liste dieser Behörden gemäss Artikel 45b zu übermitteln. In dieser Liste wird angegeben, zu welchem Zweck jede Behörde Daten im VIS verarbeiten darf. Die Mitgliedstaaten können ihre Meldungen jederzeit ändern oder ersetzen.

Absatz 5 hält fest, dass die Europäische Kommission Durchführungsrechtsakte zur Festlegung detaillierter Bestimmungen für die in Absatz 3 dieses Artikels genannte Liste erlässt.

Art. 7

Allgemeine Grundsätze

In Absatz 2 werden neu Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden im VIS aufgenommen. Gesuchstellerinnen und Gesuchsteller dürfen nicht diskriminiert werden. Zudem sind die Grundrechte einzuhalten. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei Kindern und Personen, die Unterstützung oder besonderen Schutz benötigen.

Diese Bestimmung wird um einen neuen Absatz 3 ergänzt, der festhält, dass das Kindeswohl in allen Verfahren vorrangig zu berücksichtigen ist.

2.4.2 Art. 8

Kapitel II: Eingabe und Verwendung von Daten zu Visa durch Visumbehörden Verfahren für die Eingabe von Daten bei der Antragstellung

Die zuständige Visumbehörde ist neu verpflichtet, den Antragsdatensatz durch Eingabe der Daten innerhalb von drei Arbeitstagen zu erstellen, wenn das Gesuch die Voraussetzungen nach Artikel 19 der Verordnung (EG) Nr. 810/200927 erfüllt.

Absatz 5 legt dar, wie vorzugehen ist, wenn gewisse Daten aus rechtlichen Gründen nicht angegeben werden müssen oder faktisch nicht angegeben werden können. Ist dies der Fall, wird das spezifische Datenfeld als «entfällt» gekennzeichnet. Liegen 27

Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (Visakodex), ABl. L 243 vom 15.9.2009, S. 1, berichtigt in ABl. L 284 vom 12.11.2018, S. 38.

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keine Fingerabdrücke vor, so ist «VIS 0» anzugeben. Weiter legt dieser Absatz fest, dass nach Eingabe des Antragsdatensatzes das VIS eine automatische Abfrage gemäss Artikel 9a durchführt und im Trefferfall entsprechende Ergebnisse liefert.

Art. 9

Bei der Antragstellung einzugebende Daten

Hier handelt es sich um eine Anpassung der Daten auf dem Antragsformular, welche die Visumbehörde bei der Antragstellung erfassen muss. Im Weiteren werden neu ein Scan der Seite mit den Personaldaten des Reisedokuments und ein Gesichtsbild in den Antragsdatensatz aufgenommen. In Bezug auf das Gesichtsbild ist zudem festzuhalten, ob dieses bei der Einreichung des Antrags direkt vor Ort aufgenommen wurde.

Es ist auch anzugeben, ob die Antragstellerin oder der Antragsteller ein Familienmitglied ist, das Freizügigkeit geniesst.

Art. 9a

Abfragen in anderen Informationssystemen und Datenbanken

Diese neue Bestimmung hält fest, dass das VIS jeden Antragsdatensatz einzeln prüft.

Die Prüfung erfolgt anhand der biometrischen und alphanumerischen Daten. Das VIS überprüft über das ESP, ob es sich um ein anerkanntes Reisedokument handelt. Danach führt das VIS über das ESP einen Abgleich durch mit den Daten im SIS, im EES, im ETIAS, in Eurodac, im Europäischen Strafregisterinformationssystem ­ Informationen zu Verurteilungen von Drittstaatsangehörigen (ECRIS-TCN), in den EuropolDatenbanken, in der Interpol-Datenbank für gestohlene und verlorene Reisedokumente (Interpol-SLTD) und in der Interpol-Datenbank zur Erfassung von Ausschreibungen zugeordneten Reisedokumenten (Interpol-TDAWN). Im Anschluss an die Abfrage fügt das VIS dem entsprechenden Antragsdatensatz einen Hinweis bezüglich der in den erwähnten Datenbanken erzielten Treffer bei.

Es ist zu unterstreichen, dass die Schweiz sich nicht am ECRIS-TCN beteiligt und keine Treffer aus dieser Datenbank erhält. Zudem sind die Daten von Europol für die Schweiz nur indirekt zugänglich über das Abkommen vom 24. September 200428 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Europäischen Polizeiamt. Die Modalitäten der Teilnahme von Interpol an der Interoperabilität sind zurzeit noch Gegenstand von Verhandlungen in der EU.

Eine Neuerung gegenüber dem aktuellen VIS sind spezifische Risikoindikatoren, die bei Eröffnung eines Datensatzes im System automatisch aktiviert werden.

Dieser Artikel legt auch fest, welche Behörden über die Ergebnisse des Abgleichs informiert werden und welche Daten sie erhalten. Namentlich soll bei jedem Treffer in der ETIAS-Überwachungsliste eine automatische Information vom VIS an die nationale ETIAS-Stelle erfolgen zwecks Verifizierung (vgl. Art. 9e der VIS-Verordnung, geändert durch die Verordnung [EU] 2021/1134).

28

SR 0.362.2

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Art. 9b

Besondere Bestimmungen zu Familienangehörigen von Unionsbürgern oder von anderen Drittstaatsangehörigen, die nach Unionsrecht das Recht auf Freizügigkeit geniessen

Neu wird eine automatisierte Kontrolle durchgeführt um festzustellen, ob Anhaltspunkte vorliegen, dass mit der Anwesenheit der oder des überprüften Drittstaatsangehörigen im Schengen-Raum eine Gefahr für die Sicherheit oder ein hohes Epidemierisiko einhergeht.

Das VIS überprüft jedoch für diese Personenkategorie nicht, ob die antragstellende Person im EES als Aufenthaltsüberzieherin gemeldet ist oder war. Ebenfalls überprüft es nicht, ob die Daten der Gesuchstellerin oder des Gesuchstellers in Eurodac gespeichert sind.

Hat die Abfrage einen Treffer ergeben, der eine Ausschreibung zur Einreiseverweigerung im SIS betrifft, überprüft die Visumbehörde den Grund dafür. Bezieht sich der Grund für die Ausschreibung auf das Risiko der illegalen Einwanderung, so wird diese Ausschreibung bei der Prüfung des Antrags nicht berücksichtigt. Die spezifischen Risikoindikatoren in Bezug auf die illegale Einwanderung finden hier ebenfalls keine Anwendung (Art. 9j).

Art. 9c

Manuelle Verifizierung und Folgemassnahmen in Bezug auf Treffer durch die zuständigen Visumbehörden

Neu werden Treffer, die sich aus Abfragen in anderen Systemen gemäss dem neuen Artikel 9a ergeben, von der Visumbehörde des Schengen-Staats, der für das Gesuch zuständig ist, manuell überprüft. Diese Behörde hat Zugriff auf den Antragsdatensatz und die damit verknüpften Antragsdatensätze sowie auf die Treffer, die während der automatischen Verarbeitung ausgelöst wurden. Für die Dauer der Überprüfung erhält sie zudem Zugriff auf die Daten im EES, im ETIAS, im SIS, in Eurodac oder in Interpol-SLTD, die den Treffer ausgelöst haben. Es geht darum zu prüfen, ob die Visumantragstellerin oder der Visumantragsteller die Person ist, die in einer oder mehreren dieser Datenbanken registriert ist.

Dieser Artikel regelt weiter, wie vorzugehen ist, wenn die Daten im Antragsdatensatz mit den Daten im VIS oder einer anderen abgefragten Datenbank übereinstimmen oder wenn es Abweichungen gibt. Korrekte Treffer, die sich beispielsweise durch die spezifischen Risikoindikatoren ergeben haben, werden bei der Prüfung der Visumanträge nach Artikel 21 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 berücksichtigt. Die zuständige Visumbehörde entscheidet in keinem Fall automatisch auf der Grundlage eines auf spezifischen Risikoindikatoren basierenden Treffers, sondern nimmt in allen Fällen eine individuelle Bewertung des Risikos für die Sicherheit, des Risikos der illegalen Einwanderung und des hohen Epidemierisikos vor.

Art. 9d

Manuelle Verifizierung der Treffer durch die benannten VISBehörden

Es wird festgehalten, dass jeder Schengen-Staat mindestens eine Behörde zu benennen hat, die für die Zwecke der manuellen Verifizierung sowie die Folgemassnahmen

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in Bezug auf Treffer, die den polizeilichen Bereich betreffen, zuständig ist. Diese Behörde erhält für die Dauer der Verifizierung vorübergehend Zugriff auf die Daten im SIS, ECRIS-TCN, in Interpol-TDAWN oder in den Europol-Datenbanken, die den Treffer ausgelöst haben. Weiter wird festgehalten, dass die benannte VIS-Behörde innerhalb von zwei Arbeitstagen nach der Benachrichtigung des VIS prüft, ob die im Antragsdatensatz gespeicherte Identität der Gesuchstellerin oder des Gesuchstellers mit den Daten in einem der abgefragten Informationssysteme oder einer der abgefragten Datenbanken übereinstimmt. Stimmen die personenbezogenen Daten im Antragsdatensatz nicht mit den in den betreffenden Informationssystemen oder Datenbanken gespeicherten Daten überein, so löscht die benannte VIS-Behörde den Eintrag, dass eine weitere Verifizierung erforderlich ist, aus dem Antragsdatensatz.

Die zu verifizierenden Treffer fallen in den Polizeibereich, weshalb die geänderte Verordnung die Möglichkeit vorsieht, das SIRENE-Büro als VIS-Behörde zu benennen.

Es steht den Schengen-Staaten jedoch frei, für diese Aufgabe eine andere nationale Behörde zu wählen.

Art. 9e

Manuelle Verifizierung und Folgemassnahmen in Bezug auf Treffer in der ETIAS-Überwachungsliste

Dieser neue Artikel regelt, wie mit Treffern umgegangen wird, die in die ETIASÜberwachungsliste aufgenommen wurden. Die betreffende nationale ETIAS-Stelle verifiziert innerhalb von zwei Arbeitstagen nach der Absendung der Benachrichtigung durch das VIS, ob die im Antragsdatensatz gespeicherten Daten mit den Daten in der ETIAS-Überwachungsliste übereinstimmen. Die nationale ETIAS-Stelle hat die Visumbehörden innert sieben Tagen nach Eingang der Meldung im VIS mittels einer Stellungnahme zu informieren. Erhalten die Behörden keine Stellungnahme, bedeutet dies, dass nichts gegen eine Visumerteilung spricht. Stimmen die Daten im Antragsdatensatz nicht mit den Daten in der ETIAS-Überwachungsliste überein, so unterrichtet die nationale ETIAS-Stelle die Visumbehörde, die den Visumantrag bearbeitet.

Diese löscht den Eintrag, dass eine weitere Verifizierung erforderlich ist, aus dem Antragsdatensatz.

Art. 9f

Folgemassnahmen in Bezug auf bestimmte Treffer durch das SIRENE-Büro

Nach der manuellen Überprüfung eines Treffers im Sinne von Artikel 9a Absatz 4 Buchstabe a Ziffern iii­vii hat die zuständige Visumbehörde oder die benannte VISBehörde den Treffer dem SIRENE-Büro des Schengen-Staats mitzuteilen, der den Antrag bearbeitet. Das SIRENE-Büro übernimmt verschiedene Aufgaben in Zusammenhang mit Ausschreibungen. Bei einer SIS-Ausschreibung zur Rückkehr verbunden mit einem Einreiseverbot unterrichtet das SIRENE-Büro den ausschreibenden Schengen-Staat, damit dieser die Ausschreibung zur Rückkehr umgehend löscht und eine Ausschreibung zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung eingibt. Bei einer SIS-Ausschreibung zur Rückkehr ohne Bezug zu einer Ausschreibung zur Einreiseund Aufenthaltsverweigerung ist der ausschreibende Staat über das SIRENE-Büro zu informieren, damit die Ausschreibung unverzüglich gelöscht wird.

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Bei Treffern im Polizeibereich, die durch die benannte VIS-Behörde (Art. 9d) verifiziert worden sind, muss das SIRENE-Büro alle geeigneten Folgemassnahmen gemäss der Verordnung (EU) 2018/186229 treffen.

Art. 9g

Folgemassnahmen in Bezug auf bestimmte Treffer durch die benannten VIS-Behörden

Es wird dargelegt, wie bei Vorliegen eines überprüften Treffers hinsichtlich der Ergreifung von allfälligen Folgemassnahmen durch die benannte VIS-Behörde vorgegangen wird.

Dieser neue Artikel sieht namentlich vor, dass die benannte VIS-Behörde den Visumbehörden eine mit Gründen versehene Stellungnahme dazu übermittelt, ob eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit besteht, die bei der Prüfung des Antrags nach Artikel 21 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 zu berücksichtigen ist. Diese Information wird im System gespeichert und ist nur für die zentralen Visumbehörden und die benannte VIS-Behörde zugänglich. Sie ist innert sieben Tagen nach der Meldung des VIS an die benannte VIS-Behörde zu übermitteln.

Art. 9h

Durchführung und Handbuch

Dieser neue Artikel hält fest, dass eu-LISA in Zusammenarbeit mit den SchengenStaaten und Europol geeignete Kommunikationskanäle einrichtet, um die Zwecke der Artikel 9a­9g der vorliegenden Verordnung zu erfüllen. Die Europäische Kommission legt in einem delegierten Rechtsakt, welcher der Schweiz als Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands notifiziert wird, entsprechende Verfahren und Vorschriften fest.

Art. 9i

Aufgaben von Europol

Dieser Artikel hält lediglich fest, dass Europol sein Informationssystem entsprechend anpasst, damit Abfragen nach den Artikeln 9a Absatz 3 und 22b Absatz 2 der VISVerordnung automatisiert bearbeitet werden können.

Art. 9j

Spezifische Risikoindikatoren

Die spezifischen Risikoindikatoren, die auf Sicherheitsrisiken, illegale Einwanderung oder hohe Epidemierisiken hinweisen und im VIS registriert werden, werden von der ETIAS-Zentralstelle nach Anhörung des VIS-Überprüfungsausschusses definiert, festgelegt, ex ante bewertet, angewandt, ex post beurteilt, überarbeitet und gelöscht.

29

Verordnung (EU) 2018/1862 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. November 2018 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems (SIS) im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit und der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen, zur Änderung und Aufhebung des Beschlusses 2007/533/JI des Rates und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1986/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und des Beschlusses 2010/261/EU der Kommission, ABl. L 312 vom 7.12.2018, S. 56.

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Die Europäische Kommission hält in einem delegierten Rechtsakt eine genauere Definition der Risiken fest und stützt sich dabei namentlich auf Statistiken des VIS und des EES. Sie muss auch in einem Durchführungsrechtsakt die Risiken erläutern, auf denen die spezifischen Risikoindikatoren beruhen. Diese werden alle sechs Monate überprüft.

Art. 9k

VIS-Überprüfungsausschuss

In diesem neuen Artikel wird festgelegt, dass innerhalb der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) ein VIS-Überprüfungsausschuss eingerichtet wird, dem eine Beratungsfunktion zukommt. Es wird zudem festgelegt, dass der Ausschuss bei Bedarf, mindestens jedoch zweimal jährlich zusammenkommt. Weiter wird festgehalten, dass der Ausschuss in seiner ersten Sitzung mit einfacher Mehrheit seiner Mitglieder seine Geschäftsordnung annimmt. Die ETIAS-Zentralstelle konsultiert diesen Ausschuss unter anderem zur Festlegung der Risikoindikatoren.

Art. 9l

VIS-Beratungsgremium für Grundrechte

In diesem neuen Artikel wird festgehalten, wie sich das VIS-Beratungsgremium für Grundrechte zusammensetzt und welche Aufgaben es innehat. Zudem wird geregelt, wie regelmässig dieser Ausschuss zusammentritt und mit welchem Quorum er seine Beschlüsse fällt. Dieser Ausschuss wird namentlich vom VIS-Überprüfungsausschuss zu spezifischen Fragen in Bezug auf Grundrechte konsultiert, insbesondere hinsichtlich des Schutzes der Privatsphäre, des Schutzes personenbezogener Daten und der Nichtdiskriminierung. Er erstellt einen jährlichen Bericht.

Art. 10

Zusätzliche Daten bei der Visumerteilung

Absatz 1 Buchstabe f erfährt eine rein sprachliche und redaktionelle Anpassung aufgrund von Änderungen in anderen Artikeln, auf die hier verwiesen wird.

Art. 11

Zusätzliche Daten bei Nichtfortführung der Prüfung des Antrags

Diese Bestimmung wird aufgehoben.

Art. 12

Zusätzliche Daten bei Ablehnung der Visumerteilung

Absatz 2 hält fest, dass im Antragsdatensatz die Gründe für die Ablehnung der Visumerteilung anzugeben sind. Neu wird in Absatz 2 Buchstabe a unter Ziffer iia ein neuer Grund für die Verweigerung des Visums eingefügt, welcher festhält, dass die Antragstellerin oder der Antragsteller den Zweck und die Bedingungen des geplanten Flughafentransits nicht begründet. Des Weiteren wird in Absatz 2 ein Unterabsatz eingefügt, der festhält, dass die Nummerierung der Verweigerungsgründe im VIS der Nummerierung der Verweigerungsgründe im Standardformular in Anhang VI der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 entspricht.

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Art. 13

Zusätzliche Daten bei Annullierung oder Aufhebung eines Visums bzw. bei Verkürzung seiner Gültigkeitsdauer

In einem neuen Absatz wird festgehalten, dass bei einer Aktualisierung der Antragsdatensätze das VIS dem Schengen-Staat, der das Visum erteilt hat, neu eine vom CVIS automatisch generierte und mit VISMail übermittelte Nachricht über den Entscheid betreffend Annullierung oder Aufhebung des Visums sendet.

Art. 15

Verwendung des VIS zur Antragsprüfung

Absatz 1 hält neu fest, dass die zuständige Visumbehörde zum Zwecke der Prüfung der Anträge und der Entscheidung über diese Anträge eine Abfrage im VIS durchführt. Es wird festgestellt, ob gegen die Antragstellerin oder den Antragsteller eine Entscheidung zur Verweigerung, zur Annullierung, zur Aufhebung oder zur Verlängerung eines Visums ergangen ist (Bst. a) und ob in Bezug auf die Antragstellerin oder den Antragsteller eine Entscheidung zur Erteilung, zur Verweigerung, zum Entzug, zur Aufhebung, zur Annullierung, zur Verlängerung oder zur Erneuerung eines Visums für einen längerfristigen Aufenthalt oder eines Aufenthaltstitels ergangen ist (Bst. b).

In Absatz 2 Buchstabe c wird der Verweis auf Artikel 9 (Daten des Reisedokuments) entfernt, ohne Inhaltsänderung. Stattdessen werden die erforderlichen Daten des Reisedokuments genannt. Neu werden in Absatz 2 Buchstabe f das Visum für einen längerfristigen Aufenthalt und der Aufenthaltstitel genannt. Der Begriff «Gesichtsbild» wird neu in Absatz 2 Buchstabe ea eingefügt. Im Weiteren wird im neuen Absatz 2a festgehalten, dass das Gesichtsbild nicht das einzige Suchkriterium sein darf (Abs. 2a).

Absatz 3 erfährt eine rein redaktionelle Anpassung aufgrund von Änderungen in anderen Artikeln, auf die hier verwiesen wird.

Art. 16

Verwendung des VIS zur Konsultation und für Ersuchen um Dokumente

Die Liste der Schengen-Staaten, die bei der Erstellung eines Antragsdatensatzes im VIS für Staatsangehörige eines spezifischen Drittstaats oder Angehörige einer spezifischen Kategorie dieser Staatsangehörigen eine vorgängige Konsultation verlangen, wird ausschliesslich zum Zweck des Konsultationsverfahrens neu in das VIS integriert. Das VIS übermittelt das Ersuchen um Konsultation automatisch über VISMail.

Dieses Vorgehen gilt neu auch für weitere Datenübermittlungen etwa betreffend die Erteilung von Visa mit räumlich beschränkter Gültigkeit oder sämtliche Mitteilungen im Zusammenhang mit der konsularischen Zusammenarbeit, die eine Übermittlung von im VIS gespeicherten oder damit zusammenhängenden personenbezogenen Daten enthalten.

Art. 17

Verwendung von Daten zur Erstellung von Berichten und Statistiken

Dieser Artikel wird gestrichen.

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2.4.3 Art. 17a

Kapitel III: Zugang zu Visadaten durch andere Behörden Interoperabilität mit dem EES

In Absatz 3 erhält der Buchstabe e eine neue Fassung. Dieser regelt, dass die Gesichtsbilder bei der Überprüfung der Identität einer Visuminhaberin oder eines Visuminhabers nur überprüft werden, sofern sie bei der Einreichung des Gesuchs direkt vor Ort aufgenommen worden sind.

Es wird ein neuer Absatz 3a eingefügt, wonach dem VIS aufgrund der Interoperabilität ermöglicht wird, den Prozess zur Löschung eines Gesichtsbilds aus dem persönlichen Dossier im EES einzuleiten, wenn das Gesichtsbild im VIS bei der Einreichung des Gesuchs direkt vor Ort aufgenommen wurde.

Ebenfalls wird durch die Interoperabilität ermöglicht, dass das VIS durch das EES automatisch benachrichtigt wird, sobald ein Kind unter zwölf Jahren bei der Ausreise im EES erfasst wird (neuer Absatz 3b).

Art. 18

Zugang zu Daten zum Zwecke der Verifizierung an Grenzen, an denen das EES eingesetzt wird

In Absatz 4 Buchstabe b und Absatz 5 Buchstabe b wird der Begriff «Fotos» durch «Gesichtsbilder» ersetzt.

In Absatz 6 wird Unterabsatz 1 Buchstabe a Ziffer ii wie folgt geändert: Die Identität an der betreffenden Grenzübergangsstelle wird anhand von Fingerabdrücken oder des direkt vor Ort aufgenommenen Gesichtsbilds verifiziert. In Unterabsatz 2 wird festgehalten, dass bei Kontrollen an den Grenzen, bei welchen das EES eingesetzt wird, die zuständigen Behörden die Fingerabdrücke oder das Gesichtsbild der Visuminhaberin oder des Visuminhabers anhand der im VIS gespeicherten Fingerabdrücke oder des Gesichtsbildes verifizieren. Können die Fingerabdrücke oder das Gesichtsbild nicht verwendet werden, wird eine Suche anhand der alphanumerischen Daten gemäss Absatz 1 durchgeführt.

In Absatz 7 wird geregelt, dass die zuständige Behörde zum Zweck der Überprüfung der Fingerabdrücke und neu auch des Gesichtsbilds eine Abfrage des VIS über das EES durchführen kann.

Art. 19

Zugang zu Daten für Verifizierungen im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten

Unterabsatz 2 von Absatz 1 wird dahingehend angepasst, dass die Verifizierung der Identität von Inhaberinnen und Inhabern eines Visums für einen längerfristigen Aufenthalt oder eines Aufenthaltstitels mit deren Gesichtsbild erfolgen kann, sofern die vorgängige Abnahme der Fingerabdrücke zu keiner Identifizierung geführt hat.

In Absatz 2 Buchstabe b wird der Begriff «Fotos» durch «Gesichtsbilder» ersetzt.

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Art. 19a

Nutzung des VIS vor dem Anlegen der persönlichen Dossiers von Drittstaatsangehörigen, die von der Visumpflicht befreit sind, im EES

Absatz 4 erfährt rein sprachliche und redaktionelle Anpassungen, indem die Verifizierung von Drittstaatsangehörigen durch Abgleich der im VIS erfassten Fingerabdrücke und neu auch der direkt vor Ort aufgenommenen Gesichtsbilder erfolgen kann.

Art. 20

Zugang zu Daten zur Identifizierung

Absatz 1 erfährt eine rein sprachliche und redaktionelle Anpassung aufgrund von Änderungen in anderen Artikeln, auf die hier verwiesen wird. Weiter wird neu erwähnt, dass das Gesichtsbild nicht das einzige Suchkriterium darstellen darf.

In Absatz 2 Buchstabe c wird der Begriff «Fotos» durch «Gesichtsbilder» ersetzt. Im Weiteren erhält Absatz 2 Buchstabe c eine redaktionelle Anpassung.

Art. 21

Zugriff auf VIS-Daten zur Bestimmung der Zuständigkeit für Anträge auf internationalen Schutz

Absatz 1 erfährt rein sprachliche und redaktionelle Anpassungen, indem die darin enthaltenen Verweise angepasst werden und das Wort «Asylbewerber» durch «Person, die internationalen Schutz beantragt» ersetzt wird. Weiter wird neu erwähnt, dass das Gesichtsbild nicht das einzige Suchkriterium darstellen darf.

Die Absätze 2 und 3 erfahren eine rein sprachliche und redaktionelle Anpassung aufgrund von Änderungen in anderen Artikeln, auf die hier verwiesen wird.

Art. 22

Zugriff auf VIS-Daten zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

Absatz 1 erfährt rein sprachliche und redaktionelle Anpassungen, indem die darin enthaltenen Verweise angepasst werden und das Wort «Asylbewerber» durch «Person, die internationalen Schutz beantragt» ersetzt wird. Weiter wird neu erwähnt, dass das Gesichtsbild nicht das einzige Suchkriterium darstellen darf.

Die Absätze 2 und 3 erfahren grösstenteils rein sprachliche und redaktionelle Anpassungen aufgrund von Änderungen in anderen Artikeln, auf die hier verwiesen wird.

In Absatz 2 Buchstabe c wird beispielsweise das Wort «Fotos» durch «Gesichtsbilder» ersetzt. Es wird zudem ein neuer Buchstabe d eingefügt, wonach auch Scans der biometrischen Daten des Reisepasses konsultiert werden können.

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2.4.4

Art. 22a

Kapitel IIIa: Eingabe und Verwendung von Daten zu Visa für einen längerfristigen Aufenthalt und Aufenthaltstiteln Verfahren für die Eingabe von Daten bei der Beantragung eines Visums für einen längerfristigen Aufenthalt oder eines Aufenthaltstitels

Dieser Artikel hält fest, dass im Verfahren zur Erteilung eines Visums für einen längerfristigen Aufenthalt oder eines Aufenthaltstitels die zuständige Behörde einen Antragsdatensatz zur Gesuchstellerin oder zum Gesuchsteller erstellt. Bei den in das System einzugebenden Daten handelt es sich um die im innerstaatlichen Recht vorgesehenen Daten, die auch im vorliegenden Artikel genannt sind. Weiter wird festgehalten, unter welchen Bedingungen die Daten von Minderjährigen neu ab sechs Jahren ins VIS eingegeben werden dürfen.

Art. 22b

Abfragen in Informationssystemen und Datenbanken

Es wird festgehalten, dass im VIS eine automatisierte Prüfung der Antragsdatensätze erfolgt.

Es wird geregelt, in welchen Datenbanken zum Zweck der Beurteilung, ob eine Person eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit oder die öffentliche Gesundheit darstellt, eine automatisierte Abfrage über das ESP erfolgt und welche Informationen danach in der Antragsdatei vermerkt werden. Bei den Datenbanken handelt es sich um die gleichen wie beim kurzfristigen Aufenthalt (SIS, EES, VIS, ETIAS, ECRIS-TCN, Europol-Datenbanken, Interpol-SLTD und Interpol-TDAWN) ­ bis auf Eurodac, das nicht abgefragt wird. Die automatisierte Prüfung erfolgt anhand alphanumerischer und biometrischer Daten. Wie bereits erwähnt, wird die Schweiz keine Treffer der Datenbank ECRIS-TCN erhalten. Sie wird indirekt bestimmte Informationen von Europol erhalten.

Art. 22c

Zusätzlich aufzunehmende Daten bei Erteilung eines Visums für einen längerfristigen Aufenthalt oder eines Aufenthaltstitels

Es wird festgehalten, welche Daten bei der Erteilung eines Visums für einen längerfristigen Aufenthalt oder eines Aufenthaltstitels in den Antragsdatensatz aufgenommen werden. Neben der Behörde, die den Entscheid getroffen hat, werden die Statusinformationen (Visum erteilt), der Ort und das Datum des Entscheids über die Erteilung, die Nummer sowie die Gültigkeitsdauer des ausgestellten Dokuments darin gespeichert.

Art. 22d

Zusätzlich aufzunehmende Daten in bestimmten Fällen der Verweigerung eines Visums für einen längerfristigen Aufenthalt oder eines Aufenthaltstitels

Dieser Artikel regelt, welche Daten im Antragsdatensatz im persönlichen Dossier gespeichert werden, wenn ein entsprechendes Visum oder ein Aufenthaltstitel verweigert wird, weil die gesuchstellende Person eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, 36 / 98

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die innere Sicherheit oder die öffentliche Gesundheit darstellt oder das Visum mit unerlaubten Mitteln erlangen wollte. Zu erwähnen sind auch die Behörde, die den Entscheid getroffen hat, sowie der Ort und das Datum des Entscheids.

Wird das Gesuch aus anderen Gründen abgelehnt, ist der Antragsdatensatz unverzüglich aus dem VIS zu löschen.

Die Schweiz kann hier anhand der ihr zur Verfügung stehenden Informationen frei bestimmen, ob eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit besteht und ob dies allein die Verweigerung einer Aufenthaltsbewilligung begründet und im VIS einzutragen ist. Es ist jedoch festzuhalten, dass eine mögliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und die innere Sicherheit vor der Einreise der betreffenden Person in die Schweiz festgestellt werden sollte; dies gilt sowohl bei einer Visumerteilung als auch im Rahmen von ETIAS.

Art. 22e

Zusätzlich aufzunehmende Daten bei Entzug, Aufhebung oder Annullierung eines Visums für einen längerfristigen Aufenthalt oder eines Aufenthaltstitels

Bei Rückzug, Widerruf oder Annullierung eines Visums für einen längerfristigen Aufenthalt oder eines Aufenthaltstitels sind die Gründe dafür im Antragsdatensatz durch die zuständige Behörde zu ergänzen.

Art. 22f

Zusätzlich aufzunehmende Daten bei Verlängerung eines Visums für einen längerfristigen Aufenthalt oder Erneuerung eines Aufenthaltstitels

Bei Verlängerung eines Visums oder Erneuerung eines Aufenthaltstitels sind die Angaben und Gründe für die Verlängerung oder die Erneuerung durch die zuständige Behörde im persönlichen Dossier zu ergänzen.

Art. 22g

Zugriff auf VIS-Daten zur Verifizierung von Visa für einen längerfristigen Aufenthalt und Aufenthaltstiteln an Aussengrenzübergangsstellen

Dieser Artikel regelt, unter welchen Umständen ­ Identitäts- und Dokumentenprüfung und Gefahrenabwehr ­ die für die Aussengrenzübergangsstellen zuständigen Behörden eine Suchabfrage im VIS durchführen dürfen. Er regelt ferner, welche Daten im Antragsdatensatz abgefragt werden dürfen, wenn die Suchabfrage ergeben hat, dass Daten im VIS gespeichert sind.

Art. 22h

Zugriff auf VIS-Daten zur Verifizierung im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten

Analog zu den in Artikel 22g aufgeführten Zwecken dürfen die für solche Kontrollen zuständigen Behörden des jeweiligen Schengen-Staats in ihrem Hoheitsgebiet überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt im dortigen Mitgliedstaat erfüllt sind. Dieser Artikel regelt ferner, welche Daten abgefragt werden dürfen, wenn die Suchabfrage ergeben hat, dass Daten im VIS gespeichert sind. Ist 37 / 98

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die Verifizierung der Inhaberin oder des Inhabers des Visums für einen längerfristigen Aufenthalt oder des Aufenthaltstitels nicht erfolgreich oder bestehen Zweifel an der Identität der Inhaberin oder des Inhabers oder der Echtheit des Visums für einen längerfristigen Aufenthalt oder des Aufenthaltstitels oder des Reisedokuments, so haben die dazu ermächtigten Bediensteten der zuständigen Behörden Zugriff auf die VISDaten.

Art. 22i

Zugriff auf VIS-Daten zur Identifizierung

Diese Bestimmung regelt, unter welchen Bedingungen die Behörden, die mit der Durchführung der Kontrollen an den Aussengrenzübergangsstellen oder im Hoheitsgebiet der Schengen-Staaten betraut sind, eine Suchabfrage im VIS durchführen und welche Daten abgefragt werden dürfen, wenn die Suchabfrage erfolgreich war.

Art. 22j

Zugriff auf VIS-Daten zur Bestimmung der Zuständigkeit für Anträge auf internationalen Schutz

Es wird geregelt, dass die zuständige Asylbehörde zur Prüfung der Zuständigkeit eines Antrags auf internationalen Schutz mit den Fingerabdrücken der ersuchenden Person eine Suchabfrage im VIS durchführen kann. Ergibt diese Suchabfrage, dass ein Visum für einen längerfristigen Aufenthalt oder ein Aufenthaltstitel im VIS gespeichert ist, kann die Asylbehörde ausschliesslich zwecks Prüfung der Dublin-Zuständigkeit gewisse Daten aus dem Antragsdatensatz abfragen.

Art. 22k

Zugriff zu VIS-Daten zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

Zum Zweck der Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz haben die zuständigen Asylbehörden Zugang zu den Daten des VIS für Suchen anhand der Fingerabdrücke der Person, die internationalen Schutz beantragt. Ergibt die Suche anhand der Fingerabdrücke, dass Daten zu der Person, die internationalen Schutz beantragt, im VIS gespeichert sind, so hat die zuständige Asylbehörde Zugang zu den Daten des VIS für die Abfrage gewisser Daten, beispielsweise Personendaten und Daten zu den Reisedokumenten.

2.4.5

Art. 22l

Kapitel IIIb: Verfahren und Bedingungen für den Zugang zum VIS zu Gefahrenabwehrund Strafverfolgungszwecken Benannte Behörden der Mitgliedstaaten

Es wird festgehalten, dass die Schengen-Staaten die Behörden zu benennen haben, die berechtigt sind, die VIS-Daten zur Verhütung, Aufdeckung und Untersuchung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten abzufragen. Dabei dürfen diese Behörden die Daten lediglich für die Zwecke des Einzelfalls verarbeiten, für den die Daten abgerufen werden. Zudem benennt jeder Schengen-Staat eine zentrale Zugangsstelle, welche die Gesuche um Zugang zu den Daten des VIS gemäss Artikel 22o prüft. Jeder 38 / 98

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Schengen-Staat führt auf nationaler Ebene eine Liste der operativen Stellen innerhalb der benannten Behörden, die berechtigt sind, über die zentrale Zugangsstelle Zugang auf VIS-Daten zu beantragen. Die von den Schengen-Staaten ausgewählten Behörden und die zentrale Zugangsstelle sind eu-LISA und der Europäischen Kommission mitzuteilen. Nur ermächtigte Bedienstete der zentralen Zugangsstelle sind zum Zugang zu VIS-Daten gemäss den Artikeln 22n und 22o berechtigt.

Art. 22m

Europol

Europol hat eine seiner operativen Stellen als «benannte Europol-Stelle» zu benennen.

Diese ist berechtigt, über die zentrale VIS-Zugangsstelle Zugang zu den Daten des VIS zu beantragen, um die Massnahmen der Schengen-Staaten zur Verhütung, Aufdeckung und Ermittlung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten zu unterstützen. Dabei dürfen die Daten, auf die Europol zugreift, nur für die Zwecke des Einzelfalls verarbeitet werden, für den die Daten abgerufen wurden.

Europol benennt zudem eine mit Europol-Beamtinnen und -Beamten ausgestattete Fachstelle als zentrale Zugangsstelle, welche prüft, ob die Bedingungen für den Zugang zu VIS-Daten gemäss Artikel 22r erfüllt sind. Diese zentrale Zugangsstelle nimmt ihre Aufgaben unabhängig wahr und nimmt keine Anweisungen von der benannten Europol-Stelle entgegen.

Art. 22n

Verfahren für den Zugang zu VIS-Daten zu Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungszwecken

Die in Artikel 22l Absatz 5 genannten operativen Stellen übermitteln einen begründeten elektronischen oder schriftlichen Antrag auf Zugang zu VIS-Daten an die zentrale Zugangsstelle, welche die Zugangsvoraussetzungen gemäss Artikel 22o prüft. Sind die Voraussetzungen erfüllt, so bearbeitet die zentrale Zugangsstelle den Antrag und übermittelt der operativen Stelle die VIS-Daten. In Fällen von aussergewöhnlicher Dringlichkeit ist die Überprüfung aller Zugangsvoraussetzungen erst im Nachhinein möglich. Sollte die nachträgliche Prüfung ergeben, dass keine Berechtigung für den Zugriff auf die VIS-Daten bestand, sind sämtliche erhaltenen Daten von den Behörden zu löschen.

Art. 22o

Bedingungen für den Zugriff der benannten Behörden der Mitgliedstaaten auf VIS-Daten

Der Zugang der benannten Behörden zu den Daten des VIS muss im Einzelfall erforderlich und verhältnismässig sein, die Abfrage der VIS-Daten muss erheblich zur Erfüllung des vorgesehenen Zwecks beitragen, und grundsätzlich muss eine vorherige Abfrage über das ESP im CIR ergeben haben, dass Daten im VIS gespeichert sind.

Die Abfrage im VIS ist auf die Suche gewisser Daten inklusive Fingerabdrücke und Gesichtsbild, die im Antragsdatensatz gespeichert sind, begrenzt. Ergibt sich daraus ein Treffer, wird der Zugang auf die in Absatz 3 genannten Daten sowie auf alle sonstigen Daten aus dem Antragsdatensatz ermöglicht. Für Daten von Kindern unter 14 Jahren gelten für Suchanfragen im VIS und im Falle eines Treffers zusätzliche Anforderungen.

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Art. 22p

Zugang zu VIS-Daten zur Identifizierung von Personen, die sich in einer besonderen Situation befinden

Die in Artikel 22o Absatz 1 festgelegten Bedingungen müssen nicht erfüllt sein, wenn die benannten Behörden zum Zweck der Identifizierung von vermissten oder entführten Personen sowie von Opfern von Menschenhandel auf das VIS zugreifen.

Art. 22q

Verwendung von VIS-Daten zum Zwecke der Eingabe von Ausschreibungen in das SIS zu vermissten Personen oder schutzbedürftigen Personen, die an einer Reise gehindert werden müssen, und Zugriff auf diese Daten

Die neue Bestimmung legt fest, dass VIS-Daten von vermissten oder schutzbedürftigen Personen zur Ausschreibung in das SIS verwendet werden können, sofern diese Personen nach Artikel 32 der Verordnung (EU) 2018/1862 an einer Reise gehindert werden müssen. Die zentrale Zugangsstelle stellt sicher, dass die Daten über gesicherte Mittel übertragen werden. Weiter legt diese Bestimmung fest, wann eine Behörde, die Zugang zu den Daten des VIS hat, von einer weiteren Behörde um Zugang zu diesen Daten ersucht werden kann. Bei einem Treffer können die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörden oder die Justizbehörden eine Behörde mit Zugang zum VIS ersuchen, ihr Zugriff auf die massgebenden Daten zu gewähren, damit sie ihre Aufgaben erfüllen kann.

Art. 22r

Verfahren und Bedingungen für den Zugriff Europols auf VIS-Daten

Europol hat für Abfragezwecke Zugang zu den Daten des VIS, wenn die Abfrage die Massnahmen der Schengen-Staaten zur Verhütung, Aufdeckung und Ermittlung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten unterstützt sowie im Einzelfall erforderlich und verhältnismässig ist. Zudem müssen hinreichende Gründe für die Annahme vorliegen, dass die Abfrage der VIS-Daten erheblich zur Erfüllung des vorgesehenen Zwecks beitragen wird, und eine vorherige Abfrage im CIR muss ergeben haben, dass Daten im VIS gespeichert sind. Für Daten von Kindern unter 14 Jahren gelten für Suchanfragen im VIS und im Falle eines Treffers zusätzliche Anforderungen.

Die benannte Stelle bei Europol kann der zentralen Zugangsstelle von Europol einen begründeten elektronischen Antrag auf Abfrage sämtlicher oder auch nur bestimmter VIS-Daten stellen. Die Weiterverwendung der von Europol dadurch erlangten Informationen unterliegt der Zustimmung des jeweiligen Herkunftsmitgliedstaats.

Art. 22s

Führen von Protokollen zu Anträgen auf Abfrage von VIS-Daten zum Zwecke der Verhütung, Aufdeckung und Ermittlung terroristischer Straftaten oder sonstiger schwerer Straftaten

Die Agentur eu-LISA führt über alle Datenverarbeitungsvorgänge im VIS im Bereich Gefahrenabwehr und Strafverfolgung Protokoll. Sämtliche Vorgänge, die aus Anträgen auf Zugriff auf VIS-Daten resultieren, sind zu Prüf- und Überwachungszwecken durch die Mitgliedstaaten und Europol zu protokollieren. In Absatz 3 wird bestimmt,

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welche Angaben das Protokoll enthält. Die Protokolle dürfen ausschliesslich zur Prüfung der Zulässigkeit des Antrags zur Überwachung der Rechtmässigkeit der Datenverarbeitung und zur Gewährleistung der Datenintegrität und -sicherheit verwendet werden.

Art. 22t

Bedingungen für den Zugriff der benannten Behörden eines Mitgliedstaats, für den diese Verordnung noch nicht in Kraft gesetzt wurde, auf VIS-Daten

Die benannten Behörden eines Schengen-Staats, für den diese Verordnung noch nicht in Kraft ist, erhalten Zugang zu den VIS-Daten, wenn der Zugang im Rahmen ihrer Befugnisse liegt, die Voraussetzungen nach Artikel 22o Absatz 1 erfüllt sind und ein hinreichend begründeter schriftlicher oder elektronischer Antrag erfolgt ist. Die benannte Behörde ersucht daraufhin die nationale zentrale Zugangsstelle, eine Abfrage im VIS durchzuführen.

Art. 23

Aufbewahrungsfrist für die Datenspeicherung

Die Aufbewahrungsfrist von höchstens fünf Jahren bleibt unverändert, sie gilt neu aber auch für Anträge auf Visa für einen längerfristigen Aufenthalt und Aufenthaltstitel. Nach Ablauf der genannten Frist löscht das VIS automatisch den Antragsdatensatz und die Verknüpfungen zu diesem Datensatz.

In Absatz 3 wird festgehalten, dass die Fingerabdrücke und Gesichtsbilder von Kindern unter zwölf Jahren gelöscht werden, sobald sie über die Aussengrenzen ausgereist sind und ihr Visum oder Aufenthaltstitel abgelaufen ist. Um diese Löschung zu gewährleisten, benachrichtigt das EES automatisch das VIS, sobald die Ausreise des Kindes in den Einreise-/Ausreisedatensatz eingegeben wird.

Art. 24

Änderung von Daten

Nur der verantwortliche Schengen-Staat darf Daten, die er an das VIS übermittelt hat, korrigieren, löschen oder ändern. Stellt ein Schengen-Staat fest, dass Daten unrichtig sind, teilt er das dem verantwortlichen Schengen-Staat umgehend über VISMail mit.

Betreffen die unrichtigen Daten Verknüpfungen, prüft der verantwortliche SchengenStaat die betreffenden Daten, übermittelt innerhalb von drei Arbeitstagen eine Antwort an den ersuchenden Schengen-Staat und berichtigt gegebenenfalls die Verknüpfung. Erfolgt innerhalb dieser Frist keine Antwort, berichtigt der ersuchende Schengen-Staat die Verknüpfung und informiert den verantwortlichen Schengen-Staat über VISMail darüber.

Art. 25

Vorzeitige Löschung von Daten

Diese Bestimmung erfährt redaktionelle Anpassungen, indem auf andere Artikel dieser Verordnung verwiesen und der Ausdruck «Infrastruktur des VIS» durch «VISMail» ersetzt wird.

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Art. 26

Betriebsmanagement

In Absatz 1 wird neu eu-LISA als zuständige Verwaltungsbehörde für das technische Management und Betriebsmanagement des VIS bezeichnet.

Absatz 8a hält fest, dass eu-LISA zu Testzwecken bei der Störungsbehebung im C-VIS wie auch beim Einsatz neuer Technologien und Methoden zwecks Leistungssteigerung der Infrastruktur anonymisierte echte Personendaten aus dem VIS verwenden darf.

Absatz 10 ist neu. Er regelt die Zusammenarbeit zwischen eu-LISA und externen Auftragnehmern hinsichtlich VIS-bezogener Arbeiten. Die Agentur eu-LISA überwacht dabei die Tätigkeiten des externen Auftragnehmers.

Art. 27

Standort des zentralen Visa-Informationssystems

Diese Bestimmung wird aufgehoben.

Art. 27a

Interoperabilität mit anderen EU-Informationssystemen und den Europol-Daten

Dieser Artikel bestimmt, wie die Interoperabilität zwischen dem VIS und den anderen Systemen (SIS, EES, ETIAS, Eurodac, Europol-Datenbanken und ECRIS-TCN, wobei sich die Schweiz nicht an ECRIS-TCN beteiligt) hergestellt wird, um die automatische Verarbeitung der Abfragen in anderen Systemen zu ermöglichen. Dabei stützt sich die Interoperabilität auf das ESP. Hier wird auf die automatisierten Abfragen nach den neuen Artikeln 9a­9g und 22b verwiesen.

Art. 28

Verbindung zu den nationalen Systemen

Die Absätze 1 und 2 sowie die Buchstaben a und d des Absatzes 4 erfahren rein sprachliche und redaktionelle Anpassungen.

Art. 29

Verantwortlichkeit für die Verwendung und die Qualität von Daten

Die Absätze 1­3 erfahren rein sprachliche Anpassungen. So wird unter anderem die Verwaltungsbehörde durch eu-LISA ersetzt. Der neu eingefügte Absatz 2a hält fest, dass eu-LISA für die Qualitätskontrollen zusammen mit der Europäischen Kommission klar definierte Abläufe entwickelt und pflegt und den Schengen-Staaten Bericht erstattet. Der neue Absatz 4 bestimmt, dass jeder Schengen-Staat hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten im VIS eine Behörde zu benennen hat, welche die zentrale Zuständigkeit für die Verarbeitung der Daten durch diesen SchengenStaat hat. Die Europäische Kommission ist über die Ernennung zu informieren.

Art. 29a

Besondere Vorschriften für die Eingabe von Daten

Dieser Artikel hält neu fest, dass die in den Artikeln 6 Absatz 4, 9­14, 22a und 22c­ 22f genannten Daten erst nach einer von den verantwortlichen nationalen Behörden vorgenommenen Qualitätskontrolle in das VIS eingegeben und vom VIS nach einer

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vom VIS vorgenommenen Qualitätskontrolle verarbeitet werden. Ergibt die Kontrolle, dass die festgelegten Qualitätskriterien nicht erfüllt sind, informiert das VIS die zuständigen Behörden automatisch.

Art. 31

Übermittlung von Daten an Drittstaaten oder internationale Organisationen

Absatz 1 hält neu Ausnahmen für die Übermittlung von im VIS verarbeiteten Daten fest. Es handelt sich um Datenlieferungen an Interpol, die erlaubt sind.

Die bisherigen Absätze 2 und 3 werden neu in einem Absatz zusammengefasst und redaktionell überarbeitet.

Das grundsätzliche Verbot der Datenbekanntgabe an Drittstaaten oder internationale Organisationen gilt weiterhin. Ausnahmen sind wie bereits heute bei der Rückkehr von illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen vorgesehen. Neu sollen auch im Rahmen des Resettlement (Neuansiedlung von Drittstaatsangehörigen) Informationen an internationale Organisationen übermittelt werden können. Die entsprechenden Voraussetzungen müssen erfüllt sein (Abs. 2). In Bezug auf die Rückkehr ist festzuhalten, dass nur in Fällen, in denen ein gemäss der Richtlinie 2008/115/EG30 erlassener Rückkehrentscheid nicht ausgesetzt und kein Rechtsmittel eingelegt wurde, eine Datenübermittlung erfolgen darf. Absatz 3 hält fest, dass die Übermittlung personenbezogener Daten an Drittstaaten nicht die Rechte von Personen berühren darf, die internationalen Schutz beantragen.

Demgegenüber dürfen personenbezogene Daten, die ein Schengen-Staat oder Europol zu Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungszwecken aus dem VIS erhält, nicht an Drittstaaten, internationale Organisationen oder private Stellen innerhalb oder ausserhalb der EU übermittelt werden (Abs. 4). Dieses Verbot gilt auch, wenn die Daten auf nationaler Ebene im Rahmen eines Strafverfahrens verwendet werden. Absatz 5 hält abweichend von Absatz 4 die Bedingungen fest, unter denen im Einzelfall dennoch Daten an Drittstaaten übermittelt werden dürfen. Die Datenübermittlung ist namentlich zur Verhütung einer unmittelbar bevorstehenden terroristischen Straftat oder einer sonstigen schweren Straftat möglich (Abs. 5 Bst. a). Ausserdem müssen weitere Voraussetzungen erfüllt sein (Abs. 5 Bst. b­f), namentlich ein gegenseitiger Informationsaustausch mit dem ersuchenden Staat.

Art. 32

Datensicherheit

In Absatz 2 werden die Buchstaben ea, ja und jb eingefügt. Zum einen soll verhindert werden, dass Unbefugte die Datenverarbeitungssysteme benutzen (Bst. ea). Zudem muss bei einer Störung der installierten Systeme sichergestellt werden, dass diese wieder in den Normalbetrieb zurückgesetzt werden können (Bst. ja). Funktionsstörungen der Systeme sind ordnungsgemäss zu melden, und bei einer Fehlfunktion der Systeme

30

Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 98.

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muss die Wiederherstellung der personenbezogenen Daten möglich sein (Bst. jb). Absatz 3 erfährt eine rein sprachliche Anpassung, indem die Verwaltungsbehörde durch eu-LISA ersetzt wird.

Art. 32a

Sicherheitsvorfälle

Diese Bestimmung regelt das Vorgehen der Behörden bei einem Vorfall, der sich auf die Sicherheit des VIS auswirkt oder auswirken könnte.

Art. 33

Haftung

Dieser Artikel erfährt redaktionelle und strukturelle Anpassungen. Absatz 1 wird neu in die Buchstaben a und b unterteilt, welche die Haftung für Schäden, die durch eine rechtswidrige Verarbeitung personenbezogener Daten entstehen (Bst. a), sowie die Organhaftung (Bst. b) regeln. Absatz 2 beinhaltet die Haftung im Falle der Nichterfüllung. In Absatz 3 wird neu zusätzlich festgehalten, dass sich der Schadenersatzanspruch gegen Organe nach den jeweiligen Verträgen richtet.

Art. 34

Führen von Protokollen

In Absatz 1 wird neu erwähnt, dass alle Schengen-Staaten, die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) und eu-LISA sämtliche Datenverarbeitungsvorgänge im VIS protokollieren. Ansonsten sind rein redaktionelle und strukturelle Anpassungen vorgenommen worden.

Art. 36

Sanktionen

Dieser Artikel erfährt redaktionelle Anpassungen aufgrund von Anpassungen in anderen Verordnungen. Neu wird hervorgehoben, dass auch eine unter Verstoss gegen diese Verordnung erfolgte Verarbeitung personenbezogener Daten sanktioniert wird.

Die vorgesehenen Sanktionen müssen wirksam, verhältnismässig und abschreckend sein.

2.4.6 Art. 36a

Kapitel VI: Datenschutzrechte und Kontrolle des Datenschutzes Datenschutz

Diese Bestimmung nimmt Bezug auf die Verarbeitung personenbezogener Daten und verweist dabei auf weitere EU-Rechtsakte. In diesem Zusammenhang wird namentlich auf die Richtlinie (EU) 2016/68031 verwiesen in Bezug auf die Aufgaben der 31

Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates, ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 89.

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Strafverfolgungsbehörden. Diese Richtlinie wurde von der Schweiz im Schengen-Datenschutzgesetz vom 28. September 201832 (SDSG) übernommen. Es wird auch auf die Verordnung (EU) 2016/67933 verwiesen in Bezug auf die Aufgaben der anderen Behörden gemäss der vorliegenden Verordnung.

Art. 37

Recht auf Auskunft

In Absatz 1 werden neu Verweise auf andere Bestimmungen aufgenommen. Die Buchstaben a und c erfahren rein redaktionelle Anpassungen aufgrund von Änderungen in anderen Artikeln, auf die hier verwiesen wird. Zusätzlich werden neu die Buchstaben ca und ea eingefügt. Es wird festgehalten, dass die Schengen-Staaten und Europol zu Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungszwecken auf das VIS zugreifen können (Bst. ca) und dass die gespeicherten Daten an einen Drittstaat, eine internationale Organisation und an Mitgliedstaaten übermittelt werden dürfen (Bst. ea).

Absatz 2 wird dahingehend ergänzt, dass die Informationen den betroffenen Personen in einer für sie verständlichen Sprache und Form mitgeteilt werden müssen. Bei Kindern ist die Information mithilfe von Merkblättern oder Infografiken sicherzustellen.

Absatz 3 erfährt eine rein redaktionelle Anpassung.

Art. 38

Recht auf Zugang zu personenbezogenen Daten, ihre Berichtigung, Vervollständigung und Löschung sowie auf Beschränkung ihrer Verarbeitung

Der ganze Artikel 38 wird sprachlich und redaktionell angepasst. In Absatz 7 wird festgehalten, unter welchen Umständen ein Schengen-Staat ausnahmsweise beschliessen kann, einer betroffenen Person keine Informationen zu übermitteln. Der Entscheid muss vom Schengen-Staat begründet und der Aufsichtsbehörde zur Verfügung gestellt werden. Die betroffene Person kann ihre Rechte durch die zuständigen Aufsichtsbehörden ausüben.

Art. 39

Zusammenarbeit zur Gewährleistung der Datenschutzrechte

Absatz 1 legt neu fest, dass die zuständigen Behörden der Schengen-Staaten aktiv zusammenarbeiten, um die in Artikel 38 aufgeführten Rechte durchzusetzen. Die bisherigen Absätze 2 und 3 werden zu Absatz 2 zusammengefügt und sprachlich sowie redaktionell angepasst.

Wie dies bereits heute der Fall ist, muss in jedem Schengen-Staat die gemäss der Verordnung (EU) 2016/679 benannte Aufsichtsbehörde Personen, die ihr Recht auf Berichtigung, Vervollständigung oder Löschung der sie betreffenden personenbezogenen Daten ausüben möchten, auf deren Ersuchen unterstützen.

32 33

SR 235.3 Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1.

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Art. 40

Rechtsbehelfe

In Absatz 1 wird neu erwähnt, dass eine Klage auch erhoben werden kann, wenn ein Antrag auf Auskunft, Berichtigung, Vervollständigung oder Löschung nicht innerhalb der in Artikel 38 vorgesehenen Frist beantwortet wird. Absatz 2 legt neu fest, dass die Unterstützung durch die Aufsichtsbehörde während des gesamten Verfahrens bestehen bleibt.

Art. 41

Kontrolle durch die Aufsichtsbehörden

Die vorliegende Bestimmung wird aufgrund von Änderungen in anderen Verordnungen sprachlich und redaktionell angepasst.

Art. 42

Kontrolle durch den Europäischen Datenschutzbeauftragten

Dieser Artikel erfährt redaktionelle Anpassungen aufgrund von Änderungen in anderen Artikeln, auf die hier verwiesen wird. Zudem wird in Absatz 3 die Verwaltungsbehörde durch eu-LISA ersetzt.

Art. 43

Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsbehörden und dem Europäischen Datenschutzbeauftragten

In Absatz 1 wird ergänzt, in welchen Fällen der Europäische Datenschutzbeauftragte insbesondere mit den Aufsichtsbehörden zusammenarbeitet, um die koordinierte Kontrolle des VIS und der nationalen Systeme sicherzustellen.

Die Absätze 2 und 3 regeln die Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsbehörden und dem Europäischen Datenschutzbeauftragten.

Absatz 4 hält fest, dass der Europäische Datenschutzausschuss alle zwei Jahre einen Bericht an das Europäische Parlament, den Rat, die Europäische Kommission, Europol, die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache und eu-LISA übermittelt. Dieser Bericht enthält Informationen über die in diesem Bereich unternommenen Tätigkeiten.

Art. 44

Datenschutz während der Übergangszeit

Dieser Artikel wird aufgehoben, da er infolge des Ablaufs der Übergangszeit obsolet geworden ist.

Art. 45

Durchführung durch die Kommission

Dieser Artikel legt fest, in welchen Fällen die Europäische Kommission Durchführungsrechtsakte erlassen kann; diesbezüglich wird Absatz 1 mit den Buchstaben a­d erweitert.

Absatz 2 hält fest, dass Massnahmen zur technischen Umsetzung des C-VIS in Durchführungsrechtsakten festgelegt werden. Die Buchstaben a­e erfahren rein redaktionelle Änderungen aufgrund von Anpassungen in anderen Bestimmungen, auf die hier verwiesen wird. Zusätzlich wird der Buchstabe f für den Zugriff auf die Daten zum Zweck der Berichterstattung eingefügt.

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In Absatz 3 wird festgehalten, dass die Europäische Kommission zur Festlegung der technischen Spezifikationen für die Qualität, Auflösung und Verwendung von Fingerabdrücken und des Gesichtsbilds für die biometrische Verifizierung und Identifizierung im VIS Durchführungsrechtsakte erlässt. Sämtliche in diesem Artikel genannten Durchführungsrechtsakte unterliegen dem Prüfverfahren nach Artikel 49 Absatz 2 dieser Verordnung (Abs. 4).

Art. 45a

Verwendung von VIS-Daten zur Erstellung von Berichten und Statistiken

Diese Bestimmung ist neu. Sie legt fest, dass die zuständigen Behörden der SchengenStaaten, die Europäische Kommission, das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen, eu-LISA, Frontex und die ETIAS-Zentraleinheit ausschliesslich zur Erstellung von Berichten und Statistiken gewisse Daten ­ wie etwa Statusinformationen, Geschlecht sowie derzeitige Staatsangehörigkeit der Antragstellerin oder des Antragsstellers, Art des ausgestellten Dokuments ­ abfragen dürfen, sofern damit keine Identifikation der einzelnen Personen möglich ist. Die ermächtigten Bediensteten der Frontex können die in Absatz 1 erwähnten Daten auch zur Durchführung von Risikoanalysen und Schwachstellenbeurteilungen abfragen.

Des Weiteren wird festgehalten, dass eu-LISA zur Erfüllung des Zwecks nach Absatz 1 die erwähnten Daten entsprechend speichert und regelmässig Statistiken auf der Grundlage der VIS-Daten über Visa für einen längerfristigen Aufenthalt und Aufenthaltstitel erstellt.

Art. 45b

Mitteilungen

Die Bestimmung definiert die Behörden der Schengen-Staaten, einschliesslich deren Aufgaben, die der Europäischen Kommission und eu-LISA gemeldet werden müssen.

Art. 45c

Datenzugriff zur Verifizierung durch Beförderungsunternehmer

Im Luft- und Seeverkehr wie auch im internationalen Linienverkehr mit Autobussen tätige Beförderungsunternehmer müssen neu im VIS eine Abfrage vornehmen, um zu überprüfen, ob die von ihnen beförderten Drittstaatsangehörigen im Besitz eines gültigen Visums oder Aufenthaltstitels sind.

Diese Datenverarbeitungsvorgänge sind von den Beförderungsunternehmern innerhalb des sicheren Zugangs für Beförderungsunternehmen vorzunehmen. Diese Protokolle werden zwei Jahre lang von eu-LISA gespeichert.

Art. 45d

Ausweichverfahren für den Fall, dass der Datenzugriff durch Beförderungsunternehmer technisch nicht möglich ist

Ist es aus technischen Gründen nicht möglich, die Abfragen vorzunehmen, sind die Beförderungsunternehmer von der Pflicht befreit, den Besitz eines gültigen Visums oder Aufenthaltstitels über den Zugang für Beförderungsunternehmen zu überprüfen.

Die Europäische Kommission erlässt einen Durchführungsrechtsakt zur Festlegung

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der Einzelheiten der Ausweichverfahren für den Fall, dass der Datenzugriff durch Beförderungsunternehmer technisch nicht möglich ist.

Art. 45e

Zugriff auf VIS-Daten durch Teams der Europäischen Grenz- und Küstenwache

Die Mitglieder der Teams der Europäischen Grenz- und Küstenwache sowie die Teams von an rückkehrbezogenen Aktivitäten beteiligtem Personal dürfen zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben auf die in das VIS eingegebenen Daten zugreifen und sie durchsuchen.

Art. 45f

Voraussetzungen und Verfahren für den Zugriff auf VIS-Daten durch Teams der Europäischen Grenz- und Küstenwache

Dieser Artikel regelt, unter welchen Voraussetzungen die Teams der Europäischen Grenz- und Küstenwache den Zugriff gemäss Artikel 45e Absatz 1 dieser Verordnung erhalten. Die zentrale Zugangsstelle der Europäischen Grenz- und Küstenwache prüft, ob die Zugangsvoraussetzungen erfüllt sind.

Der Artikel regelt im Weiteren, wie die VIS-Daten von den Teammitgliedern abgefragt werden können und dass bei einem Treffer im VIS der Einsatzmitgliedstaat darüber in Kenntnis gesetzt wird.

Jeder Zugriff und jede Datenverwendung durch die Teams der Europäischen Grenzund Küstenwache wird protokolliert, und es muss sichergestellt werden, dass die aus dem VIS erhobenen Daten nicht in andere Systeme übertragen werden.

Art. 46­48 Diese Artikel, die rein technischer Natur sind, werden gestrichen.

Art. 48a

Ausübung der Befugnisübertragung

Diese Bestimmung legt die Bedingungen für die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte seitens der Europäischen Kommission fest. Zudem wird festgehalten, dass diese Befugnisübertragung jederzeit vom Europäischen Parlament oder vom Europäischen Rat widerrufen werden kann.

Art. 49

Ausschussverfahren

Es handelt sich um eine rein redaktionelle Anpassung aufgrund der sonstigen Änderungen dieser Verordnung.

Art. 49a

Beratergruppe

Diese neue Bestimmung hält fest, dass eu-LISA eine Beratergruppe einsetzen wird, die insbesondere bei der Vorbereitung ihres Jahresarbeitsprogramms und ihres Jahrestätigkeitsberichts unterstützend mitwirkt.

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Art. 50

Überwachung und Bewertung

Im gesamten Artikel wird der Ausdruck der Verwaltungsbehörde durch eu-LISA ersetzt (Abs. 1­3, 6 und 7).

In Absatz 3 wird neu festgehalten, dass eu-LISA anstelle der Verwaltungsbehörde alle zwei Jahre einen Bericht über die technische Funktionsweise des VIS zuhanden des Europäischen Parlaments, des Rates und der Europäischen Kommission erstellt. Der Bericht enthält zudem eine Bewertung im Hinblick auf die Verwendung der Gesichtsbilder zur Identifizierung von Personen.

Absatz 4 hält neu fest, dass die Mitgliedstaaten und Europol Jahresberichte über die Wirksamkeit des Zugriffs auf VIS-Daten für die Gefahrenabwehr und für Strafverfolgungszwecke erstellen.

Absatz 5 stellt neu den früheren Absatz 4 dar und erfährt zudem rein sprachliche und redaktionelle Anpassungen aufgrund von Änderungen in anderen Bestimmungen.

2.5

Änderung und Aufhebung anderer EU-Rechtsakte durch die Verordnung (EU) 2021/1134

2.5.1

Änderung der Verordnung (EG) Nr. 810/2009

Die Verordnung Nr. 810/2009 (Visakodex) legt die Verfahren und die Voraussetzungen für die Erteilung von Visa für Kurzaufenthalte (höchstens 90 Tage in einem Zeitraum von 180 Tagen) der Schengen-Staaten fest. Die Verordnung gilt für Drittstaatsangehörige, die beim Überschreiten der Aussengrenzen der EU im Besitz eines Visums sein müssen (gemäss Verordnung [EU] 2018/180634). Im Weiteren bestimmt die Verordnung die Drittstaaten, deren Staatsangehörige zur Durchreise durch die internationalen Transitzonen der Schengen-Flughäfen im Besitz eines Visums für den Flughafentransit sein müssen (Anhang IV). Ebenfalls regelt der Visakodex die Erfassung biometrischer Identifikatoren im VIS.

Art. 10

Allgemeine Regeln für das Einreichen eines Antrags

In Absatz 1 wird festgehalten, dass die Antragstellerinnen und Antragsteller bei der Einreichung eines Antrags persönlich zu erscheinen haben, sofern Fingerabdrücke abgenommen und Gesichtsbilder erstellt werden müssen.

Absatz 3 Buchstabe c erfährt eine redaktionelle Anpassung aufgrund von Anpassungen in anderen Verordnungen. Zudem wird ein Unterabsatz eingefügt, der festhält,

34

Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Aussengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind, ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39.

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dass die Schengen-Staaten verlangen können, dass die Antragstellerin oder der Antragsteller bei jedem Antrag ein Lichtbild vorlegt, das den Normen nach der Verordnung (EG) Nr. 1683/9535 entspricht.

Art. 13

Biometrische Identifikatoren

Die Absätze 1 und 4 erfahren eine rein terminologische Anpassung, indem das Wort «Lichtbild» durch «Gesichtsbild» ersetzt wird.

Absatz 2 hält neu fest, dass die Antragstellerin oder der Antragsteller bei der Einreichung eines ersten Antrags und anschliessend mindestens alle 59 Monate zum persönlichen Erscheinen verpflichtet wird. Zusätzlich ist neu geregelt, dass ein Gesichtsbild direkt vor Ort erfasst wird. Der neue Absatz 2a legt fest, dass die Gesichtsbilder und Fingerabdrücke ausschliesslich zum Zweck der Visumverarbeitung im VIS gespeichert werden dürfen. Absatz 3 wird dahingehend ergänzt, dass die Daten für einen Folgeantrag kopiert werden müssen, sofern Fingerabdrücke und ein direkt vor Ort aufgenommenes Gesichtsbild von ausreichender Qualität vorhanden sind. Im neu eingefügten Absatz 6a wird festgehalten, welche Bedingungen bei der Erfassung biometrischer Identifikatoren von Minderjährigen erfüllt sein müssen. Absatz 7 dieser Bestimmung reduziert schliesslich das Alter von Kindern, die von der Abgabe von Fingerabdrücken befreit sind, von zwölf Jahren auf sechs Jahre. Personen über 75 Jahren sind neu ebenfalls von der Abgabe von Fingerabdrücken befreit. Absatz 8 wird gestrichen, da diese Regelung bereits in der VIS-Verordnung (Art. 8 Abs. 5) enthalten ist.

Art. 21

Prüfung der Einreisevoraussetzungen und Risikobewertung

Der neue Absatz 3a hält fest, dass bei der Prüfung der Einreisevoraussetzungen das Ergebnis der Überprüfung der Treffer im SIS, in Interpol-SLTD, im ETIAS, im VIS, im EES, in Eurodac, in den Europol-Datenbanken und im ECRIS-TCN berücksichtigt wird. Der ebenfalls neu eingeführte Absatz 3b hält fest, dass bei Vorliegen einer roten Verknüpfung gemäss Artikel 32 der Verordnung (EU) 2019/817 das Konsulat und die zentralen Behörden die Unterschiede bei den verknüpften Identitäten berücksichtigen und bewerten. Im neuen Absatz 3c wird festgehalten, dass Treffer in Bezug auf die in Artikel 9j der Verordnung (EG) Nr. 767/2008 erwähnten Risikoindikatoren bei der Prüfung eines Visumgesuchs berücksichtigt werden. Absatz 4 erfährt zudem eine sprachliche Anpassung. Der neue Absatz 8a weist darauf hin, dass die Konsulate zur Verhinderung des Kinderhandels besonders auf die korrekte Überprüfung der Identität der Minderjährigen Acht geben.

Art. 25

Erteilung eines Visums mit räumlich beschränkter Gültigkeit

Die unter Absatz 1 Buchstabe a neu eingefügte Ziffer iv hält fest, dass bei Dringlichkeit ein Visum auch ausgestellt werden kann, wenn die Überprüfung der Treffer gemäss den Artikeln 9a­9g der VIS-Verordnung, geändert durch die Verordnung (EU) 2021/1134, nicht abgeschlossen ist.

35

Verordnung (EG) Nr. 1683/95 des Rates vom 29. Mai 1995 über eine einheitliche Visagestaltung, ABl. L 164 vom 14.7.1995, S 1.

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Art. 35

An den Aussengrenzen beantragte Visa

Es wird ein neuer Absatz 5a eingefügt. Dieser regelt die Erteilung eines Visums mit räumlich beschränkter Gültigkeit, das für das Hoheitsgebiet des ausstellenden Mitgliedstaats gilt. Ein solches Visum kann nur in Ausnahmefällen an der Aussengrenze ausgestellt werden.

Art. 36

Erteilung von Visa an der Aussengrenze an Seeleute auf der Durchreise

In dieser Bestimmung wird nun auch der in Artikel 35 neu geschaffene Absatz 5a erwähnt.

Art. 39

Verhalten des Personals

Absatz 2 erfährt rein sprachliche Anpassungen. In Absatz 3 wird neu das Kindeswohl explizit genannt.

Art. 46

Erstellung von Statistiken

Artikel 46 wird gestrichen.

Art. 57

Überwachung und Bewertung

Absatz 1 erfährt rein redaktionelle Anpassungen. Die Absätze 3 und 4 werden ersatzlos gestrichen. Somit muss die Europäische Kommission keine Berichte mehr vorlegen zur Umsetzung der Verordnung betreffend die biometrischen Identifikatoren (Art. 13), die zusätzliche Dienstleistungsgebühr, die aufgrund von externen Dienstleistungserbringern erhoben wird (Art. 17), die Modalitäten der Zusammenarbeit bei der Bearbeitung der Anträge durch die Mitgliedstaaten, einschliesslich der Zusammenarbeit mit den externen Dienstleistungserbringern, die mit der Erfassung der Visumantragsdaten beauftragt sind, sowie die verschlüsselte und sichere Datenübermittlung (Art. 40­44).

Anhang X In Teil C Buchstabe b wird neu eingefügt, dass die Vorschriften über die Aufnahme biometrischer Identifikatoren gemäss Artikel 13 eingehalten werden müssen.

Anhang XII Dieser Anhang wird gelöscht, weil Artikel 46 aufgehoben wurde.

2.5.2

Änderung der Verordnung (EU) 2016/399

Die Verordnung (EU) 2016/399, auch bekannt als «Schengener Grenzkodex», regelt unter anderem das Überschreiten der Schengen-Aussengrenze und das Ausbleiben der

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Grenzkontrollen an den Binnengrenzen. Somit legt der Kodex die Vorschriften hinsichtlich der Personenkontrollen an der Schengen-Aussengrenze fest und bestimmt die Einreisebedingungen sowie die Voraussetzungen für eine vorübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen des Schengen-Raums.

Art. 8

Grenzübertrittskontrollen von Personen

In Absatz 3 wird ein neuer Buchstabe bb eingefügt. Dieser regelt, dass bei Drittstaatsangehörigen mit einem Visum für einen längerfristigen Aufenthalt oder einem Aufenthaltstitel bei der Einreisekontrolle auch die Identität der Inhaberin oder des Inhabers sowie die Echtheit und Gültigkeit des Dokuments überprüft werden und hierfür eine Abfrage im VIS vorgenommen wird.

In Absatz 3 werden zudem die Buchstaben c­f betreffend die Abfragen des VIS anhand der Nummer der Visummarke und stichprobenartig anhand der Nummer der Visummarke in Kombination mit der Verifizierung der Fingerabdrücke ersatzlos gestrichen.

Anhang VII Es wird die neue Nummer 6.6. eingefügt. Darin wird festgehalten, dass die Grenzkontrollbehörden speziell geschult werden müssen, sofern sie für die Überprüfung der biometrischen Daten von Kindern eingesetzt werden. Das Kindeswohl muss immer gewahrt werden.

2.5.3

Änderung der Verordnung (EU) 2017/2226

Mit der Verordnung (EU) 2017/222636 wird die Effektivität und Effizienz von Kontrollen an den Aussengrenzen des Schengen-Raums durch das EES bei der Ein- und Ausreise von Drittstaatsangehörigen, die für einen Kurzaufenthalt zugelassen sind, erhöht. Beim EES handelt es sich um ein automatisiertes IT-System, das Ein- und Ausreisen von Reisenden aus Drittstaaten an den Aussengrenzen registriert. Es gilt für Reisende, die ein Visum für einen kurzfristigen Aufenthalt benötigen, sowie für Drittstaatsangehörige, die von der Visumpflicht befreit sind. Das EES ersetzt das aktuelle manuelle Abstempeln der Reisepässe. Das System wird zudem zur Bekämpfung terroristischer und sonstiger schwerer Straftaten beitragen. Es wird voraussichtlich Ende 2022 in Betrieb genommen.

36

Verordnung (EU) 2017/2226 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2017 über ein Einreise-/Ausreisesystem (EES) zur Erfassung der Ein- und Ausreisedaten sowie der Einreiseverweigerungsdaten von Drittstaatsangehörigen an den Aussengrenzen der Mitgliedstaaten und zur Festlegung der Bedingungen für den Zugang zum EES zu Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungszwecken und zur Änderung des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen sowie der Verordnungen (EG) Nr. 767/2008 und (EU) Nr. 1077/2011, ABl. L 327 vom 9.12.2017, S. 20.

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Art. 8

Interoperabilität mit dem VIS

In Absatz 2 wird der Buchstabe e geändert. Dieser regelt, dass Gesichtsbilder bei der Überprüfung der Identität einer Visuminhaberin oder eines Visuminhabers nur überprüft werden, wenn diese bei der Einreichung des Antrags direkt vor Ort aufgenommen wurden. Es wird zudem ein neuer Absatz 3a eingefügt, wonach dem VIS aufgrund der Interoperabilität ermöglicht wird, den Prozess zur Löschung eines Gesichtsbilds aus der EES-Einzeldatei einzuleiten, wenn dieses bei der Einreichung des Gesuchs direkt vor Ort aufgenommen wurde. Die Interoperabilität ermöglicht zudem, dass das VIS durch das EES automatisch benachrichtigt wird, sobald ein Kind unter zwölf Jahren bei der Ausreise im EES erfasst wird (neuer Absatz 3b). Mit dem neuen Absatz 5 wird der Zeitpunkt der Verbindung zwischen dem EES und dem ESP festgelegt, um die automatisierte Verarbeitung zu ermöglichen. Dieser Zeitpunkt entspricht dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme des VIS.

Art. 9

Zugang zum EES zwecks Eingabe, Änderung, Löschung und Abfrage von Daten

Absatz 2 wird dahingehend ergänzt, dass das EES die Funktion für die zentrale Verwaltung der Liste der für die Datenbearbeitung im EES zuständigen Behörden bereitstellt. Die Details zu dieser neuen Funktionalität werden in Durchführungsrechtsakten festgelegt werden.

Art. 13

Web-Dienst

Absatz 3 hält fest, dass die Beförderungsunternehmer künftig einen Webdienst nutzen müssen, um die Gültigkeit von Visa für einen kurzfristigen Aufenthalt zu prüfen; sie müssen auch prüfen, ob die betreffende Person die Höchstdauer des zulässigen Aufenthalts im Schengen-Raum erreicht hat, vor allem, wenn sie ein Visum für die mehrfache Einreise besitzt. Bei der Eingabe bestimmter Daten erhält der Beförderungsunternehmer die Antwort «OK» oder «not OK». Die Beförderungsunternehmer teilen den Drittstaatsangehörigen neu die Gründe für die Verweigerung einer Mitnahme mit.

Zusätzlich werden sie über ihre Rechte hinsichtlich der Berichtigung oder Löschung der im EES gespeicherten Daten aufgeklärt.

Art. 15

Gesichtsbild von Drittstaatsangehörigen

Absatz 1 legt neu fest, dass das Gesichtsbild direkt vor Ort aufgenommen wird, wenn ein persönliches Dossier erstellt oder das Gesichtsbild aktualisiert werden muss. Dies gilt jedoch nicht, wenn im VIS vermerkt wurde, dass das Gesichtsbild einer oder eines Drittstaatsangehörigen bereits bei der Einreichung des Gesuchs aufgenommen wurde.

Zudem wird Absatz 5 gestrichen.

Art. 16

Personenbezogene Daten von visumpflichtigen Drittstaatsangehörigen

Absatz 1 Buchstabe d wird dahingehend ergänzt, dass das Gesichtsbild nicht ins persönliche Dossier aufgenommen wird, wenn es bei der Einreichung des Gesuchs direkt vor Ort aufgenommen wurde.

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Es wird ein neuer Absatz 1a eingefügt. Dieser hält fest, unter welchen Bedingungen das EES das Gesichtsbild aus dem persönlichen Dossier löscht.

Art. 18

Personenbezogene Daten von Drittstaatsangehörigen, denen die Einreise verweigert wurde

Absatz 2 wird angepasst und hält fest, dass ein Gesichtsbild direkt vor Ort aufgenommen wird, sofern eine Drittstaatsangehörige oder ein Drittstaatsangehöriger in Besitz eines falschen, gefälschten oder verfälschten Reisedokuments, Visums oder Aufenthaltstitels ist und Zweifel an der Echtheit des im VIS gespeicherten Gesichtsbilds bestehen.

Art. 23

Verwendung der Daten zum Zwecke der Verifizierung an den Grenzen, an denen das EES eingesetzt wird

Absatz 2 Unterabsatz 3 und der in Absatz 4 Unterabsatz 2 enthaltene Buchstabe a erfahren rein sprachliche und redaktionelle Änderungen aufgrund von Anpassungen in anderen Verordnungen.

Art. 24

Nutzung des EES zur Prüfung und Bescheidung von Visumanträgen

Absatz 5 wird neu eingefügt. Er hält fest, dass die zuständigen Visumbehörden und die Behörden, die über einen Antrag auf Erteilung eines Visums für einen längerfristigen Aufenthalt oder eines Aufenthaltstitels entscheiden, zum Zwecke der manuellen Verifizierung von Treffern, die sich aus den Abfragen im EES ergeben, sowie zum Zwecke der Prüfung und Entscheidung über dieses Gesuch Zugriff auf die einschlägigen Daten im EES haben.

Art. 35

Änderung und vorzeitige Löschung von Daten

In Absatz 4 wird der Ausdruck «über die Infrastruktur des VIS» gestrichen.

2.5.4

Änderung der Verordnung (EU) 2018/1240

Die Verordnung (EU) 2018/124037 regelt das Europäische Reiseinformationsund -genehmigungssystem ETIAS. Mit dem System wird geprüft, ob die Einreise einer oder eines visumbefreiten Drittstaatsangehörigen in den Schengen-Raum ein Sicherheitsrisiko für die Mitgliedstaaten darstellt. Somit stellt die ETIAS-Reisegenehmigung neben den bereits bestehenden Einreisebedingungen des Schengener Grenzkodex (gültiges Reisedokument, ausreichende Mittel usw.) eine weitere Voraussetzung für die Einreise von visumbefreiten Drittstaatsangehörigen in den Schengen-Raum dar.

37

Verordnung (EU) 2018/1240 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. September 2018 über die Einrichtung eines Europäischen Reiseinformations- und -genehmigungssystems (ETIAS) und zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1077/2011, (EU) Nr. 515/2014, (EU) 2016/399, (EU) 2016/1624 und (EU) 2017/2226, ABl. L 236 vom 19.9.2018, S. 1.

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Art. 4

Ziele von ETIAS

Im neu hinzugefügten Buchstaben da wird festgehalten, wie mithilfe von ETIAS die Ziele des VIS unterstützt werden, indem Abfragen im ETIAS, einschliesslich der in Artikel 34 genannten ETIAS-Überwachungsliste, automatisch erfolgen.

Art. 7

ETIAS-Zentralstelle

In Absatz 2 wird ein neuer Buchstabe ca eingefügt. Dieser legt die Zuständigkeit der ETIAS-Zentralstelle im Hinblick auf die in Artikel 9j der Verordnung (EG) Nr.

767/2008 genannten spezifischen Risikoindikatoren fest. Die in Absatz 2 enthaltenen Buchstaben e und h erfahren rein sprachliche und redaktionelle Anpassungen aufgrund von Änderungen in anderen Verordnungen. In Absatz 3 wird ein neuer Buchstabe aa eingefügt, wonach die Statistiken auch Informationen über das Funktionieren der spezifischen Risikoindikatoren für das VIS enthalten.

Art. 8

Nationale ETIAS-Stellen

In Absatz 2 wird Buchstabe h eingefügt. Dieser regelt, inwieweit die Treffer in der ETIAS-Überwachungsliste, die aus der automatisierten Abfrage durch das VIS resultieren, weiterverfolgt werden. Hierbei handelt es sich um eine neue Rolle für die nationale ETIAS-Stelle, die neu die Treffer in der von der Schweiz erstellten Überwachungsliste manuell verifizieren muss.

Art. 11a

Interoperabilität mit dem VIS

Diese neue Bestimmung hält fest, dass ab dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme des VIS gemäss Artikel 11 der Verordnung (EU) 2021/1134 das ETIAS-Zentralsystem und der CIR mit dem ESP verbunden werden, um die automatisierte Verarbeitung zu ermöglichen. Solange das neue VIS nicht in Betrieb ist, besteht keine Interoperabilität mit dem ETIAS. Nach der Inbetriebnahme des ETIAS (voraussichtlich im Jahr 2022) kann die nationale ETIAS-Stelle jedoch auf das bestehende VIS zugreifen, das nur die Visa C enthält. Dieser Zugang ist im Rahmen der neuen ETIAS-Änderungen vorgesehen. Diese sind Gegenstand einer separaten Vorlage, die später in die Vernehmlassung gegeben und dem Parlament vorgelegt wird.

Art. 13

Zugriff auf ETIAS-Daten

Der neue Absatz 4b hält fest, dass sich der Zugang der Visumbehörden und der für die Entscheidung über einen Antrag auf ein Visum für einen längerfristigen Aufenthalt oder einen Aufenthaltstitel zuständigen Behörden zum ETIAS-Zentralsystem darauf beschränkt zu verifizieren, ob die gesuchstellende Person oder ihr Reisedokument mit einer erteilten, verweigerten, aufgehobenen oder annullierten Reisegenehmigung übereinstimmt.

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Kapitel IXa: Nutzung von ETIAS durch Visumbehörden und die für die Entscheidung über einen Antrag auf ein Visum für einen längerfristigen Aufenthalt oder einen Aufenthaltstitel zuständigen Behörden Art. 49a

Datenzugriff durch Visumbehörden und die für die Entscheidung über einen Antrag auf ein Visum für einen längerfristigen Aufenthalt oder einen Aufenthaltstitel zuständigen Behörden

Es wird festgehalten, dass diese Behörden zum Zweck der Überprüfung das Recht erhalten, auf die einschlägigen Daten im ETIAS-Zentralsystem und im CIR zuzugreifen.

Art. 69

Führen von Protokollen

In Absatz 1 wird Buchstabe h neu eingefügt. Diese Bestimmung regelt, welche Treffer ins Protokoll aufzunehmen sind. Hier ist namentlich die Datenbearbeitung durch die nationale ETIAS-Stelle zu erwähnen.

Art. 75

Aufgaben der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache

Der in Absatz 1 neu eingefügte Buchstabe d hält fest, dass Frontex für die in Artikel 9j der Verordnung (EG) Nr. 767/2008 genannten spezifischen Risikoindikatoren zuständig ist.

2.5.5

Änderung der Verordnung (EU) 2018/1860

Die Verordnung (EU) 2018/186038 regelt die Ausschreibung aller Rückkehrentscheide im SIS, die gegenüber Drittstaatsangehörigen verfügt werden. Die biometrischen Daten der ausgeschriebenen Personen sind an das SIS zu übermitteln, sofern sie vorhanden sind. Nach erfolgter Ausreise sind die Ausschreibungen der Rückkehrentscheide im SIS zu löschen und allfällige Ausschreibungen zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung gemäss Verordnung (EU) 2018/186139 zu aktivieren. Diese Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands wurde vom Parlament im Dezember 2020 in der Schlussabstimmung angenommen und wird voraussichtlich im September 2022 in Kraft treten.

38

39

Verordnung (EU) 2018/1860 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. November 2018 über die Nutzung des Schengener Informationssystems für die Rückkehr illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, ABl. L 312 vom 7.12.2018, S. 1.

Verordnung (EU) 2018/1861 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. November 2018 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems (SIS) im Bereich Grenzkontrollen, zur Änderung des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen und zur Änderung und Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1987/2006, ABl. L 312 vom 7.12.2018, S. 14.

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Art. 19

Anwendbarkeit der Bestimmungen der Verordnung (EU) 2018/1861

Es gibt redaktionelle und sprachliche Anpassungen. Des Weiteren wird neu auch Artikel 36a der Verordnung (EU) 2018/1861 erwähnt, der den Zeitpunkt der Verbindung zwischen dem SIS-Zentralsystem und dem ESP festlegt, um die automatisierte Verarbeitung zu ermöglichen.

2.5.6

Änderung der Verordnung (EU) 2018/1861

Die Verordnung (EU) 2018/1861 regelt die Ausschreibungen im SIS zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung im Schengen-Raum. Es wird festgehalten, dass bei einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ein nationales Einreiseverbot im SIS ausgeschrieben wird. Ausserdem ist neu auch eine Ausschreibung im SIS vorzunehmen, wenn ein Schengen-Staat gemäss Verfahren, die mit der Richtlinie 2008/115/EG in Einklang stehen, ein Einreiseverbot gegen eine Drittstaatsangehörige oder einen Drittstaatsangehörigen verhängt hat. Bis jetzt war dies möglich, jedoch keine Pflicht. Die Schengen-Staaten müssen prüfen, ob Angemessenheit, Relevanz und Bedeutung des Falls eine Ausschreibung im SIS hinreichend rechtfertigen. Diese Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands wurde vom Parlament im Dezember 2020 in der Schlussabstimmung angenommen und wird voraussichtlich im September 2022 in Kraft treten.

Art. 18a

Führen von Protokollen für die Zwecke der Interoperabilität mit dem VIS

Dieser neue Artikel hält fest, dass über jede im SIS und VIS durchgeführte Datenverarbeitung gemäss Artikel 36c Protokoll geführt wird.

Art. 36a

Interoperabilität mit dem VIS

Diese neue Bestimmung hält fest, dass ab dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme des VIS gemäss Artikel 11 der Verordnung (EU) 2021/1134 das SIS mit dem ESP verbunden wird, um die automatisierte Verarbeitung zu ermöglichen. Solange das neue VIS nicht in Betrieb ist, besteht keine Interoperabilität mit dem SIS nach den Artikeln 9a und 22b der Verordnung (EG) Nr. 767/2008.

2.5.7

Änderung der Verordnung (EU) 2019/817

Die Verordnung (EU) 2019/817 stellt die Interoperabilität zwischen dem SIS, dem VIS, Eurodac, dem EES, dem ETIAS und dem ECRIS-TCN (nicht anwendbar für die Schweiz) in den Bereichen Grenzen und Visa sicher. Mit der Interoperabilität können bestehende Daten aus mehreren Systemen gleichzeitig abgefragt und die biometrischen Daten einer zu überprüfenden Person gleichzeitig abgeglichen werden. Dadurch erhalten die Behörden zeitnah umfassende Informationen zu einer Person, und die Identitätsprüfung einer Person sowie die Aufdeckung von Identitätsbetrug an den

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Grenzen werden vereinfacht. Das Parlament hat die IOP-Vorlage in ihrer ursprünglichen Fassung in der Frühlingssession 2021 angenommen.

Art. 4

Begriffsbestimmungen

Nummer 20 erfährt eine rein redaktionelle Anpassung aufgrund von Änderungen in anderen Verordnungen.

Art. 13

Speicherung biometrischer Templates im gemeinsamen Dienst für den Abgleich biometrischer Daten

Dabei handelt es sich um eine rein redaktionelle Anpassung von Absatz 1 Buchstabe b aufgrund von Anpassungen in anderen Verordnungen.

Art. 18

Im gemeinsamen Speicher für Identitätsdaten gespeicherte Daten

Dabei handelt es sich um eine rein redaktionelle Anpassung von Absatz 1 Buchstabe b aufgrund von Anpassungen der VIS-Verordnung.

Art. 26

Zugriff auf den Detektor für Mehrfachidentitäten

Bei dieser Änderung handelt es sich um eine rein redaktionelle Anpassung von Absatz 1 Buchstabe b aufgrund von Anpassungen in anderen Verordnungen. Des Weiteren wird eine sprachliche Präzisierung im Hinblick auf das Visum für einen längerfristigen Aufenthalt oder einen Aufenthaltstitel für eine Drittstaatsangehörige oder einen Drittstaatsangehörigen nach Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 767/2008 vorgenommen. Zudem wird in Absatz 1 der Buchstabe ba eingefügt, der festhält, dass die in den Artikeln 9d und 22b der Verordnung (EG) Nr. 767/2008 genannten VISBehörden auch Zugriff auf den MID für die manuelle Verifizierung von Treffern haben, die durch die automatische Abfrage des VIS über das ECRIS-TCN ausgelöst wurden.

Art. 27

Prüfung auf Mehrfachidentitäten

Diese Bestimmung erfährt in Absatz 3 Buchstabe b eine rein redaktionelle Anpassung aufgrund von Anpassungen in anderen Verordnungen.

Art. 29

Manuelle Verifizierung verschiedener Identitäten und zuständige Behörden

Absatz 1 Buchstabe b wird ergänzt, indem die für die Entscheidung über ein Gesuch für ein Visum für einen längerfristigen Aufenthalt oder einen Aufenthaltstitel zuständigen Behörden neu erwähnt werden. Diese Behörden sollen neu im Rahmen einer manuellen Verifizierung auf den MID zugreifen. Der neue Buchstabe ba in Absatz 1 legt fest, dass für die manuelle Verifizierung verschiedener Identitäten, die in den Artikeln 9d und 22b der Verordnung (EG) Nr. 767/2008 benannten VIS-Behörden nur für die gelben Verknüpfungen zwischen den Daten aus dem VIS und dem ECRISTCN einen Zugriff auf den MID erhalten sollen.

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Art. 39

Zentraler Speicher für Berichte und Statistiken

Absatz 2 erfährt rein sprachliche und redaktionelle Anpassungen aufgrund von Änderungen in anderen Verordnungen.

Art. 72

Aufnahme des Betriebs

Der neue Absatz 1a legt unbeschadet des Absatzes 1 fest, wann das ESP nur zum Zweck der automatisierten Verarbeitung nach den Artikeln 9a und 22b der Verordnung (EG) Nr. 767/2008 den Betrieb aufnimmt. Dieser Zeitpunkt entspricht dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme des neuen VIS gemäss Artikel 11 der Verordnung (EU) 2021/1134.

2.5.8

Änderung der Verordnung (EU) 2019/1896

Die Verordnung (EU) 2019/189640 regelt die Funktion von Frontex an den Aussengrenzen. Sie stellt zudem sicher, dass die Grundrechte innerhalb des Schengen-Raums uneingeschränkt geachtet werden und die Wahrung der Freizügigkeit gewährleistet ist. Weiter trägt sie zur Aufdeckung, Verhütung und Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität an den Aussengrenzen bei.

Art. 10

Aufgaben der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache

In Absatz 1 wird ein neuer Buchstabe afa eingefügt, wonach Frontex die Aufgaben und Verpflichtungen zu erfüllen hat, die der Agentur gemäss der Verordnung (EG) Nr. 767/2008 übertragen wurden.

2.5.9

Aufhebung der Entscheidung 2004/512/EG

Das VIS wurde mit der Entscheidung 2004/512/EG41 als technische Lösung für den Austausch von Visadaten zwischen den Schengen-Staaten eingerichtet. Der Inhalt dieses Rechtsakts wird in die Verordnung (EG) Nr. 767/2008 integriert, um die Vorschriften über die Einrichtung des VIS in einer einzigen Verordnung zu konsolidieren.

Bezugnahmen auf die aufgehobene Entscheidung sollten als Bezugnahmen auf die Verordnung (EG) Nr. 767/2008 gelten und gemäss der Entsprechungstabelle in Anhang I der Verordnung (EU) 2021/1134 gelesen werden.

40

41

Verordnung (EU) 2019/1896 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2019 über die Europäische Grenz- und Küstenwache und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) Nr. 1052/2013 und (EU) 2016/1624, ABl. L 295 vom 14.11.2019, S. 1.

Entscheidung 2004/512/EG des Rates vom 8. Juni 2004 zur Einrichtung des Visa-Informationssystems (VIS), ABl. L 213 vom 15.6.2004, S. 5; zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2019/817, ABl. L 135 vom 22.5.2019, S. 27.

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2.5.10

Aufhebung des Beschlusses 2008/633/JI des Rates

Der Beschluss 2008/633/JI42 legt die Bedingungen fest, unter denen die benannten Behörden der Mitgliedstaaten und Europol für Datenabfragen zum Zwecke der Verhütung, Aufdeckung und Ermittlung terroristischer und sonstiger schwerwiegender Straftaten Zugang zu den Daten des VIS erhalten können. Der Inhalt dieses Rechtsakts wird in die Artikel 22l­22t des Kapitels IIIb der Verordnung (EG) Nr. 767/2008 aufgenommen, womit dieser Beschluss mit der Inkraftsetzung dieser Verordnung aufgehoben wird. Bezugnahmen auf den aufgehobenen Beschluss sollten als Bezugnahmen auf die Verordnung (EG) Nr. 767/2008 gelten und gemäss der Entsprechungstabelle in Anhang II der Verordnung (EU) 2021/1134 gelesen werden.

2.5.11

Inkrafttreten der Verordnung (EU) 2021/1134

Die Verordnung trat am 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union, also am 2. August 2021, in Kraft. Die Europäische Kommission erlässt spätestens am 31. Dezember 2023 in Form eines Durchführungsrechtsakts einen Beschluss, in dem sie ein Datum für die Aufnahme des Betriebs des VIS festlegt.

Mehrere Verordnungsbestimmungen sind bereits seit dem 2. August 2021 auf europäischer Ebene anwendbar. Dabei handelt es sich um Bestimmungen, die der Europäischen Kommission Durchführungsbefugnisse übertragen. Auf dieser Grundlage werden den Schengen-Staaten Durchführungsrechtsakte als Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands notifiziert. Zudem sind ab dem 3. August 2022 gewisse Bestimmungen zum Datenschutz, zu den Rechten der betroffenen Personen und zum Europäischen Datenschutzbeauftragten anwendbar. Und schliesslich werden am 3. August 2023 einige Bestimmungen betreffend die europäischen Agenturen anwendbar.

Nach Artikel 7b Absatz 1 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 199743 (RVOG) kann der Bundesrat die vorläufige Anwendung eines völkerrechtlichen Vertrags, der von der Bundesversammlung zu genehmigen ist, beschliessen oder vereinbaren, wenn die Wahrung wichtiger Interessen der Schweiz und eine besondere Dringlichkeit es gebieten. Im vorliegenden Fall sind die neuen Bestimmungen betreffend die Befugnisübertragung der Europäischen Kommission auf europäischer Ebene bereits seit dem 2. August 2021 in Kraft. Die Schweiz wird diese delegierten Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte unter Vorbehalt der parlamentarischen Zustimmung der Basisrechtsakte annehmen. Eine vorübergehende Anwendung dieser Bestimmungen drängt sich daher nicht auf.

In Bezug auf die Datenschutzbestimmungen, die am 3. August 2022 in Kraft treten, ist eine vorübergehende Anwendung im Hinblick auf die korrekte Umsetzung der geltenden VIS-Verordnung denkbar. Eine vorläufige Anwendung dieser Bestimmungen 42

43

Beschluss 2008/633/JI des Rates vom 23. Juni 2008 über den Zugang der benannten Behörden der Mitgliedstaaten und von Europol zum Visa-Informationssystem (VIS) für Datenabfragen zum Zwecke der Verhütung, Aufdeckung und Ermittlung terroristischer und sonstiger schwerwiegender Straftaten, ABl. L 218 vom 13.8.2008, S. 129.

SR 172.010

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ist jedoch nicht notwendig, da es im Wesentlichen darum geht zu gewährleisten, dass die Verordnung (EU) 2016/679 für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Visum-, Grenz-, Asyl- und Einwanderungsbehörden gilt, wenn sie Aufgaben im Rahmen der vorliegenden Verordnung wahrnehmen. Ebenso gilt die Richtlinie (EU) 2016/680 für die Verarbeitung personenbezogener Daten, die im VIS gespeichert sind, einschliesslich des Zugriffs auf diese Daten, für die in Kapitel IIIb der vorliegenden Verordnung genannten Zwecke durch die gemäss Kapitel IIIb benannten Behörden der Mitgliedstaaten. Das neue DSG44 setzt jedoch die Anforderungen der Richtlinie (EU) 2016/680 zum Datenschutz für alle Bundesbehörden um. Zudem bleibt das SDSG, das seit dem 1. März 2019 in Kraft ist und nur als vorübergehende Lösung gedacht war, bis zum Inkrafttreten der Totalrevision des DSG anwendbar.

2.6

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln der Verordnung (EU) 2021/1133 zur Änderung der Verordnung (EU) 2018/1862

Die Verordnung trat am 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union, also am 2. August 2021, in Kraft. Die Europäische Kommission erlässt spätestens am 31. Dezember 2023 in Form eines Durchführungsrechtsakts einen Beschluss, in dem sie ein Datum für die Aufnahme des Betriebs des VIS festlegt.

2.6.1

Änderung der Verordnung (EU) 2018/1862

Die Verordnung (EU) 2018/1862 regelt die Nutzung des SIS zum Zweck der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen. Weiter legt sie die Voraussetzungen für die Ausschreibung von Personen im SIS fest. Die Ausschreibung ist unter anderem für Personen vorgesehen, die zur Verhaftung und zum Zweck der Auslieferung gesucht werden, die vermisst werden oder die verdeckt registriert, gezielt kontrolliert oder zu Ermittlungszwecken befragt werden sollen.

Art. 18a

Führen von Protokollen für die Zwecke der Interoperabilität mit dem VIS

Dieser neue Artikel bestimmt, dass jeder Datenverarbeitungsvorgang im SIS und im VIS unter anderem gemäss Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 767/2008 protokolliert werden muss.

Art. 44

Zum Zugriff auf Daten im SIS berechtigte nationale zuständige Behörden

Absatz 1 erhält neu den Buchstaben g. Dieser bestimmt, dass die berechtigten nationalen zuständigen Behörden Zugriff auf die SIS-Datenbank haben, um die aus der automatisierten Abfrage im VIS resultierenden Treffer manuell zu verifizieren und 44

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um zu beurteilen, ob von einer Antragstellerin oder einem Antragsteller eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit ausgeht.

Art. 50a

Interoperabilität mit dem VIS

Dieser neue Artikel bestimmt, dass ab dem Tag des Beginns der Anwendung des VIS gemäss Artikel 11 der Verordnung (EU) 2021/1134 des Europäischen Parlaments und des Rates das zentrale System des SIS mit dem ESP verbunden wird, damit die automatische Verarbeitung ermöglicht wird.

2.6.2

Inkrafttreten der Verordnung (EU) 2021/1133

Die Verordnung trat am 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union, also am 2. August 2021, in Kraft. Diese Verordnung gilt ab dem Tag des Beginns der Anwendung des VIS gemäss Artikel 11 der Verordnung (EU) 2021/1134. Die Europäische Kommission erlässt spätestens am 31. Dezember 2023 in Form eines Durchführungsrechtsakts einen Beschluss, in dem sie ein Datum für die Aufnahme des Betriebs des VIS festlegt.

2.7

Grundzüge des Umsetzungserlasses

2.7.1

Die beantragte Neuregelung

Die meisten Bestimmungen der Verordnung (EU) 2021/1133 und der Verordnung (EU) 2021/1134 sind direkt anwendbar und bedürfen keiner Umsetzung in das nationale Recht. Einige Bestimmungen erfordern jedoch Änderungen im AIG, im Bundesgesetz vom 20. Juni 200345 über das Informationssystem für den Ausländer- und den Asylbereich (BGIAA) und im Bundesgesetz vom 13. Juni 200846 über die polizeilichen Informationssysteme des Bundes (BPI).

Die Verordnung (EG) Nr. 767/2008 sowie der Beschluss 2008/633/JI (VISBeschluss)47 wurden von der Schweiz am 8. April 2010 übernommen. Im Rahmen dieser Übernahme wurden die nicht direkt anwendbaren Bestimmungen der Verordnung im schweizerischen Recht umgesetzt. Dabei handelt es sich um die Artikel 109a­109e AIG. Diese Bestimmungen traten am 11. Oktober 2011 in Kraft.

Im Wesentlichen ging es darum, die von der Schweiz benannten Behörden zu bestimmen, die gestützt auf die VIS-Verordnung und den VIS-Beschluss berechtigt sind, im VIS Daten zu erfassen oder abzufragen. Die Ernennung der betreffenden Behörden sollte auf Gesetzesstufe geregelt werden, falls diese besonders schützenswerte Daten bearbeiten oder übermitteln müssen (Art. 17 Abs. 2 und 19 Abs. 3 DSG). Das VIS 45 46 47

SR 142.51 SR 361 Beschluss 2008/633/JI des Rates vom 23. Juni 2008 über den Zugang der benannten Behörden der Mitgliedstaaten und von Europol zum Visa-Informationssystem (VIS) für Datenabfragen zum Zwecke der Verhütung, Aufdeckung und Ermittlung terroristischer und sonstiger schwerwiegender Straftaten, ABl. L 218 vom 13.8.2008, S. 129.

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enthält besonders schützenswerte Daten, beispielsweise biometrische Daten oder die Gründe für die Visumverweigerung. Neben einer neuen Gesetzesbestimmung betreffend die nationale Visumdatenbank wurden die Rechtsgrundlagen geschaffen zur Bezeichnung der Behörden, die berechtigt sind, einerseits die Daten des ORBIS und andererseits die Daten des C-VIS abzufragen.

Die aktuelle Revision der Verordnung (EG) Nr. 767/2008 bringt neue Elemente mit sich, die eine Überprüfung der bereits bestehenden Gesetzesbestimmungen erfordern.

Davon betroffen sind insbesondere nachfolgende Themen: Interoperabilität Die Verordnung (EU) 2021/1134 sieht vor, dass das VIS mit den anderen SchengenSystemen interoperabel ist. Die entsprechenden Gesetzesanpassungen sind bereits im Rahmen der IOP-Vorlage vorgesehen.

Die Bestimmungen der Verordnung (EU) 2021/1134 betreffend die Interoperabilität, die Meldung von Treffern und deren Überprüfung durch die zuständigen Visumbehörden sind direkt anwendbar.

Der CIR erfährt mit der Umsetzung der Verordnung (EU) 2021/1134 insofern eine inhaltliche Änderung, als die personenbezogenen und biometrischen Daten von Personen, die ein Visum für einen längerfristigen Aufenthalt oder eine Aufenthaltsbewilligung beantragen, darin gespeichert werden. Artikel 110a Absatz 1 AIG der IOPVorlage erwähnt das VIS. Dieser bleibt unverändert, obwohl er sich nach Inkraftsetzung der Verordnung (EU) 2021/1134 auf das neue System bezieht. Zudem ist der im Rahmen der Interoperabilität vorgesehene Artikel 109a Absatz 1bis AIG anzupassen, indem die Aufenthaltstitel neu erwähnt werden.

Die IOP-Vorlage ist dahingehend zu ändern, dass der Zugriff der Behörden, die Aufenthaltstitel oder Visa für einen längerfristigen Aufenthalt ausstellen, auf den CIR und den MID gewährleistet ist. Damit können Fragen im Zusammenhang mit Mehrfachidentitäten oder bei zu verifizierenden Verknüpfungen zwischen verschiedenen Schengen-Systemen geklärt werden. Daher ist der künftige Artikel 110c Absatz 1 AIG mit einem neuen Buchstaben cbis zu ergänzen (Abfrage des CIR zwecks Aufdeckung von Mehrfachidentitäten). Der geltende Buchstabe c gewährleistet einen Zugriff der Visumbehörden. Artikel 110g Absatz 1 AIG (Manuelle Verifizierung verschiedener Identitäten im MID) erfährt ebenfalls indirekt eine inhaltliche Änderung, da er auf Artikel
110c Absatz 1 AIG verweist.

Übermittlung von Daten zu Visa für einen längerfristigen Aufenthalt und zu Aufenthaltstiteln an das Zentralsystem Der Inhalt des VIS wird geändert, da Visa für einen längerfristigen Aufenthalt nach Artikel 18 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen sowie Aufenthaltstitel nach der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 und Artikel 2 Ziffer 16 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2016/399 neu im VIS eingetragen werden. Daher ist die Bestimmung des AIG betreffend den Inhalt des Systems anzupassen. Zudem sind zusätzliche Behörden berechtigt, Daten im VIS abzufragen und zu bearbeiten; diese sind im AIG zu erwähnen (Art. 109a Abs. 1 und 2 AIG).

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Das neue Kapitel IIIa der VIS-Verordnung, das sich mit Aufenthaltstiteln und Visa für einen längerfristigen Aufenthalt befasst, sieht die Übermittlung der Daten zu Gesuchen bzw. zu ausgestellten oder verweigerten Dokumenten im VIS vor, soweit dies im innerstaatlichen oder europäischen Recht vorgesehen ist. Die Fälle einer Aufhebung oder Annullierung sind ebenfalls abzudecken. Dies bedeutet, dass die zuständige Behörde diese Informationen im VIS erfassen muss. Was die Frage der direkten Erfassung des Gesichtsbilds und der Fingerabdrücke im Rahmen dieser Datenübermittlung betrifft, so gilt der Grundsatz, dass diese erfolgen soll, sobald die gesuchstellende Person anwesend ist.

Visa für einen längerfristigen Aufenthalt In Bezug auf Visa für einen längerfristigen Aufenthalt sind die betroffenen Behörden die Schweizer Vertretungen, die kantonalen Behörden oder, bei humanitären Visa für einen längerfristigen Aufenthalt, das SEM. In bestimmten Fällen stellen die Grenzkontrollbehörden ebenfalls Visa für einen längerfristigen Aufenthalt aus (auf Anweisung des SEM). Bei Visa für einen längerfristigen Aufenthalt werden die massgebenden Daten im ORBIS erfasst (Art. 109b AIG). Die Übermittlung der ORBIS-Daten an das C-VIS durch die zuständigen Behörden ist im Gesetz bereits vorgesehen (Art. 109b Abs. 1­3 AIG).

Aufenthaltstitel Die Verordnung (EU) 2021/1134 definiert in Artikel 4 den Begriff «Aufenthaltstitel» als alle von einem Schengen-Staat ausgestellten Aufenthaltstitel im einheitlichen Format gemäss der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 und alle in Artikel 2 Absatz 16 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2016/399 genannten Dokumente.

Die in Artikel 2 Absatz 16 Buchstabe b des Schengener Grenzkodex definierten Aufenthaltstitel sind sämtliche von einem Schengen-Staat für eine Drittstaatsangehörige oder einen Drittstaatsangehörigen ausgestellten Dokumente, die nicht dem einheitlichen Format entsprechen und die zum Aufenthalt in seinem Hoheitsgebiet berechtigen, sofern sie gemäss Artikel 39 mitgeteilt und veröffentlicht wurden. Ausgenommen bleiben folgende Aufenthaltstitel: ­

vorläufige Aufenthaltstitel, die für die Dauer der Prüfung eines Erstantrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Buchstabe a oder eines Asylantrags ausgestellt worden sind; und

­

Visa, welche die Schengen-Staaten nach dem einheitlichen Format gemäss der Verordnung (EG) Nr. 1683/95 des Rates ausgestellt haben.

Bei den Dokumenten, die von der Schweiz nach Artikel 39 Absatz 1 Buchstabe a des Schengener Grenzkodex (i. V. m. Art. 2 Punkt 16 Bst. b) zu notifizieren sind, handelt es sich um die gemäss der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 ausgestellten Aufenthaltstitel (Ausweise B, L und C) sowie die Legitimationskarten des EDA und die Ausweise Ci. Die Schweiz hat diese Aufenthaltstitel erstmals im Jahr 2008 notifiziert. Sie lässt der EU regelmässig eine aktualisierte Liste dieser Aufenthaltstitel sowie entsprechende Muster zukommen.

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Nach der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 ausgestellte Aufenthaltstitel Für Aufenthaltstitel, die gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 ausgestellt werden, wird das ZEMIS dem C-VIS die notwendigen Daten übermitteln.

Das BGIAA regelt bereits heute den Zugriff der Behörden auf das System sowie die Möglichkeit, die für einen Aufenthaltstitel massgebenden Daten im System zu speichern, einschliesslich der biometrischen Daten (Art. 3 Abs. 2 Bst. b und Art. 4 Abs. 1 Bst. a und abis BGIAA). Die Datenerfassung beim Gesuch, bei der Ausstellung, der Verweigerung, dem Widerruf oder der Annullierung eines biometrischen Aufenthaltstitels hat im ZEMIS durch die zuständigen Behörden zu erfolgen. Die erfassten Daten werden auch an das C-VIS übermittelt. Es wird eine Bestimmung im BGIAA vorgeschlagen, welche die automatisierte Übermittlung der ZEMIS-Daten an das C-VIS regelt (Art. 15a BGIAA). Zu erwähnen ist auch, dass der Artikel 7a Absatz 1 Buchstabe c BGIAA, der am 1. April 2020 in Kraft getreten ist, ebenfalls die Erfassung der Fingerabdrücke und des Gesichtsbilds bei der Ausstellung des Aufenthaltstitels vorsieht.

Weitere Aufenthaltstitel, die der EU mitgeteilt wurden: Aufenthaltstitel für Familienangehörige von Diplomatinnen und Diplomaten, die in der Schweiz erwerbstätig sind (Ci) Hier finden die gleichen Rechtsgrundlagen Anwendung, obwohl diese Dokumente nicht mit einem Chip mit biometrischen Daten versehen sind. Für diese Dokumente wird lediglich eine Fotografie erfasst. Die personenbezogenen Daten des ZEMIS können an das C-VIS übermittelt werden.

Legitimationskarte Bei den vom Ordipro an das C-VIS zu übermittelnden Daten handelt es sich um personenbezogene Daten. Es ist keine Übermittlung von besonders schützenswerten Daten vorgesehen. Daher ist keine Revision des Bundesgesetzes vom 18. Dezember 202048 über die Bearbeitung von Personendaten durch das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten erforderlich. Die Datenübermittlung an das C-VIS ist in Artikel 6 der Ordipro-Verordnung vom 22. März 201949 zu regeln.

Zudem werden die vom Ordipro an das C-VIS übermittelten Daten letztlich automatisiert mit den Daten abgeglichen, die im VIS und in den anderen Schengen-Systemen wie dem SIS, dem EES oder dem ETIAS bereits vorhanden sind. Ein Treffer sollte gegebenenfalls eine zusätzliche
manuelle Verifizierung der im C-VIS oder in einem anderen System gespeicherten Daten auslösen. Dies gewährleistet, dass die mit der Bearbeitung des Aufenthaltstitels beauftragten Behörden alle massgebenden Informationen erhalten, die sie für ihren Entscheid benötigen. Dieser Informationsfluss muss dann auf Verordnungsstufe ersichtlich sein. Dies bedingt letztlich auch einen Zugriff auf den CIR und den MID, damit die Behörden, die Legitimationskarten ausstellen,

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SR 235.2 SR 235.21

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Mehrfachidentitäten verifizieren können (siehe Interoperabilität unter derselben Ziffer).

Neuerungen beim Zugriff auf das VIS Die Behörden, die Visa für einen längerfristigen Aufenthalt und Aufenthaltstitel ausstellen, sollen neu Abfragen im VIS vornehmen können. Zudem wird der Zugriff auf das System namentlich auf Fluggesellschaften erweitert. Im Rahmen der Zugriffe auf das VIS zur Verhinderung, Aufdeckung und Ermittlung terroristischer und sonstiger schwerer Straftaten können die benannten Behörden neu auf die Daten zugreifen, um Opfer von Menschenhandel, Unfällen oder Naturkatastrophen oder verschwundene Personen zu identifizieren. Artikel 109a AIG wird entsprechend ergänzt.

Ausserdem erfolgt das Verfahren für den Erhalt der VIS-Daten zum Zweck der Verhinderung, Aufdeckung und Ermittlung terroristischer und sonstiger schwerer Straftaten erst nach Abfrage des CIR. Dieses zweistufige Verfahren ist in Artikel 110d der IOP-Vorlage vorgesehen. Dieser Artikel wird auch auf das VIS anwendbar sein in seiner neuen Ausgestaltung mit Visa für einen längerfristigen Aufenthalt und Aufenthaltstiteln.

Im Weiteren soll ein Zugang zu den Daten des VIS zum Zweck der Verhinderung, Aufdeckung und Ermittlung terroristischer und sonstiger schwerer Straftaten neu auch dem BAZG in seiner Funktion als Strafverfolgungsbehörde des Bundes erteilt werden.

Dies wird in der Vorlage 2 genauer ausgeführt.

Alter für die Erfassung der Fingerabdrücke im VIS Mit der Verordnung (EU) 2021/1134 wird das Alter für die Erfassung der Fingerabdrücke von Kindern von zwölf auf sechs Jahre herabgesetzt. Diese Änderung ist direkt anwendbar und muss nicht auf Gesetzesstufe umgesetzt werden. Bei der Ausstellung eines Aufenthaltstitels für Kinder werden die Fingerabdrücke bereits heute ab dem Alter von sechs Jahren erfasst (Art. 71e Abs. 5 VZAE). Da das Höchstalter für die Abnahme von Fingerabdrücken auf 75 Jahre festgelegt wurde, sollten weiterhin Fingerabdrücke für den Aufenthaltstitel abgenommen, aber für diese Personen nicht an das VIS übermittelt werden. Diese Anpassungen werden auf Verordnungsstufe vorgesehen.

Terminologie und Fussnoten Der Begriff «Foto» wird in den einschlägigen Bestimmungen durch den Begriff «Gesichtsbild» ersetzt, da es nunmehr um das Gesichtsbild geht. Zudem sind die Fussnoten betreffend den Schengener Grenzkodex
(Art. 7 AIG), die VIS-Verordnung und den VIS-Beschluss (Art. 109a AIG) sowie betreffend die Verordnung (EU) 2017/2226 (Art. 103b Abs. 1 AIG50) und die Verordnung (EU) 2019/817 (Art. 110 Abs. 1 AIG51) anzupassen.

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Kompetenzdelegation an den Bundesrat Die geltende Ausführungsbestimmung, die den Bundesrat beauftragt, verschiedene Aspekte, insbesondere in Bezug auf die Zugriffe und den Datenschutz, zu regeln, bleibt anwendbar und ist nicht anzupassen (Art. 109e AIG). Es ist eine neue Delegation in Bezug auf mögliche Einschränkungen des Rechts auf Auskunft vorgesehen.

Gemäss der neuen Verordnung kann die Datenübermittlung in Zusammenhang mit Analysen, die bestimmte Behörden im Verfahren für Visa für einen kurzfristigen Aufenthalt oder vor Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung oder eines Visums für einen längerfristigen Aufenthalt vornehmen, eingeschränkt werden. Zur Präzisierung von Artikel 38 Absatz 7 der VIS-Verordnung, zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2021/1134, muss der Bundesrat regeln, welche Daten unter welchen Umständen ausnahmsweise nicht bekanntgegeben werden können (Art. 109e Bst. k AIG).

Neuer Zugriff auf Eurodac für die Behörden, die Visa ausstellen Der Zugang zu Eurodac ist nur für Behörden vorgesehen, die Visa C ausstellen. Aufgrund der Verhandlungen wurde darauf verzichtet, den für das Bewilligungsverfahren zuständigen Behörden einen solchen Zugriff zu gewähren, da diese ein allfälliges Migrationsrisiko nicht in dieser Datenbank überprüfen müssen (neuer Art. 9c der Verordnung [EU] 2021/1134). Daher ist ein Zugang zu Eurodac vorzusehen, sobald das System interoperabel ist. Die neuen Zugriffe, die im schweizerischen Recht zu regeln sind, werden in die Übernahme der Verordnung zur Revision der Verordnung (EU) Nr. 603/201352, die zurzeit stattfindet, integriert.

Neuer Zugriff auf ETIAS für die Behörden, die Visa für einen längerfristigen Aufenthalt und Aufenthaltstitel ausstellen Im Rahmen der Interoperabilität werden ETIAS und die ETIAS-Überwachungsliste abgefragt. Bei Personen, die ein Visum C beantragen, stützt sich diese Abfrage auf den Visakodex und die Zwecke des SIS (neuer Art. 9a der VIS-Verordnung, zuletzt geändert durch die Verordnung [EU] 2021/1134). Bei Personen, die ein Visum für einen längerfristigen Aufenthalt oder eine Aufenthaltsbewilligung nach dem AIG oder dem Gaststaatgesetz beantragen, beschränkt sich diese Abfrage auf die Elemente, die nötig sind um zu prüfen, ob eine Person ein Problem in Zusammenhang mit der öffentlichen Ordnung, der inneren Sicherheit oder der öffentlichen Gesundheit darstellt (Art. 22b Abs. 2 der VIS-Verordnung, zuletzt geändert durch die Verordnung [EU] 2021/1134).

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Verordnung (EU) Nr. 603/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über die Einrichtung von Eurodac für den Abgleich von Fingerabdruckdaten zum Zwecke der effektiven Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist und über der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung dienende Anträge der Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten und Europols auf den Abgleich mit Eurodac-Daten sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, ABl. L 180, 29.6.2013, S. 1.

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Die ETIAS-Vorlage wurde vom Parlament im September 2020 genehmigt. Die Verordnung (EU) 2021/1134 bringt folgende Neuerungen mit sich: Zunächst ist die neue Rolle der nationalen ETIAS-Stelle in Zusammenhang mit der manuellen Verifizierung der Treffer beim Datenabgleich mit der ETIAS-Überwachungsliste festzulegen.

Zudem ist ein neuer Zugang zum ETIAS vorzusehen für Behörden, die Visa und Aufenthaltsbewilligungen (einschliesslich Legitimationskarten) erteilen. Die entsprechenden Gesetzesanpassungen werden mit dieser Vorlage vorgenommen (Art. 108c Abs. 3 und 108e Abs. 2 Bst. d und e AIG).

Benennung der nationalen VIS-Stelle Die Artikel 9d und 9g der VIS-Verordnung, zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2021/1134, sehen neu die Benennung von mindestens einer nationalen VISBehörde oder VIS-Stelle vor, die besondere Aufgaben übernimmt wie die manuelle Verifizierung von Treffern nach Abfragen der Polizeidatenbanken und vor allem des SIS. In der Schweiz übernimmt diese neue Aufgabe das SEM. Diese neue Behörde und deren Aufgaben sollen in Artikel 109ebis AIG geregelt werden.

In gewissen Fällen machen die Treffer eine Meldung an das SIRENE-Büro von fedpol erforderlich (Art. 9f der Verordnung [EU] 2021/1134). Diese Aufgaben sind jedoch in den Verordnungen (EU) 2018/1862, (EU) 2018/1860 und (EU) 2018/1861 geregelt.

Vorliegend sind keine weiteren Anpassungen notwendig, da diese bereits im Zusammenhang mit der Übernahme der oben genannten Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands vorgesehen wurden.

Zugriff auf den CIR und den MID für die nationale VIS-Stelle Jede Behörde, die Treffer in den Datenbanken und namentlich im SIS verifiziert, sei dies im Rahmen von Visa für einen kurzfristigen oder langfristigen Aufenthalt oder von Aufenthaltsbewilligungen, muss auf den CIR und den MID zugreifen können. In Bezug auf den CIR hält die Verordnung fest, dass ein solcher Zugriff für die nationale VIS-Stelle nur bei Treffern im ECRIS-TCN vorzusehen ist. Die Schweiz beteiligt sich nicht an der Zusammenarbeit bezüglich des ECRIS-TCN, die nicht unter den Schengen-Besitzstand fällt. Deshalb kann der nationalen VIS-Stelle der Schweiz kein Zugriff gewährt werden (Art. 26 Abs. 1 Bst. bbis der geänderten Verordnung (EU) 2019/817). Für den MID gilt die gleiche Regelung. Ein Zugriff wird nur gewährt, wenn gelbe (d. h. zu
prüfende) Verknüpfungen zwischen den Daten im VIS und im ECRIS-TCN bestehen (Art. 29 Abs. 1 Bst. bbis der geänderten Verordnung [EU] 2019/817). Daher ist für die nationale VIS-Stelle kein Zugriff auf diese Datenbanken vorzusehen.

Zugriff auf die Daten des VIS für die Ausschreibung von vermissten oder schutzbedürftigen Personen im SIS Der neue Artikel 22q der VIS-Verordnung, zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2021/1134, sieht die Nutzung der VIS-Daten im Rahmen der Verordnung (EU) 2018/1862 vor. Es ist zu regeln, wer diese Daten an die für Ausschreibungen zuständigen Behörden übermittelt. Ausserdem ist die Übermittlung der Daten des VIS an

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die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden sowie die Justizbehörden zu genehmigen, wenn diese die Daten zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen und wenn sie eine Ausschreibung im SIS gestützt auf die Daten des VIS feststellen (Art. 109eter AIG).

Datenbekanntgabe Die Datenbekanntgabe an andere Staaten oder Organisationen ist grundsätzlich ausgeschlossen. Gewisse Ausnahmen namentlich im Rahmen des Resettlements oder der Rückkehr von illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen sind jedoch neu vorgesehen (Art. 109equater AIG). Das AIG enthält bereits Bestimmungen betreffend die Datenbekanntgabe (Art. 111a und 111d). Artikel 109equater stellt eine Sonderregelung in Bezug auf das VIS dar, die auch für Legitimationskarten gilt.

Zugang zum EES Die Verordnung (EU) 2021/1134 sieht die automatisierte Abfrage der Datenbank EES vor. Falls eine Person in dieser Datenbank registriert ist, sollen die für die Visa und die Verfahren zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zuständigen Behörden auf dieses System zugreifen können, um zu überprüfen, ob es sich bei der Antragstellerin oder dem Antragsteller um dieselbe Person handelt. Die EES-Vorlage sieht bereits einen Zugriff vor für Behörden, die Visa für einen kurzfristigen Aufenthalt ausstellen (Art. 103c Abs. 2 Bst. b AIG53). Diese Bestimmung ist allgemein formuliert und erwähnt einen Zugriff im Rahmen des Verfahrens zur Visumerteilung über das VIS (Art. 109a AIG). Somit kann sie neu auch für Verfahren zur Erteilung von Visa für einen längerfristigen Aufenthalt gelten.

Ebenso ist bereits ein Zugriff des SEM und anderer Migrationsbehörden vorgesehen, damit diese namentlich die Einreise- und Aufenthaltsvoraussetzungen überprüfen können (Art. 103c Abs. 2 Bst. c AIG). Die manuelle Verifizierung erfolgt im Rahmen der Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Erteilung eines Visums für einen kurzfristigen Aufenthalt oder für die Einreise und den Aufenthalt in der Schweiz erfüllt sind (ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligungen).

Was die Aufenthaltsbewilligungen für diplomatisches und konsularisches Personal (bilateraler Bereich) und Mitarbeitende von internationalen Organisationen (multilateraler Bereich) betrifft, so ist ein neuer Zugriff auf das EES für das EDA vorzusehen (Art. 103c Abs. 2 Bst. d AIG).

Zugang zum nationalen Teil des Schengener Informationssystems
(N-SIS) Die für Visa und Aufenthaltstitel zuständigen Behörden müssen auf das SIS zugreifen können, um die Treffer in diesem System zu verifizieren (Art. 44 Abs. 1 Bst. g der Verordnung [EU] 2018/1862, geändert durch die Verordnung [EU] 2021/1133). Eine manuelle Verifizierung der Ergebnisse der automatisierten Abfragen des VIS hat durch die zuständigen Behörden zu erfolgen, einschliesslich des SEM als nationale VIS-Stelle. Die kantonalen Behörden und das SEM haben Zugang zum N-SIS, um die Einreise- und Aufenthaltsvoraussetzungen sowie die entsprechenden Entscheide zu prüfen (Art. 16 Abs. 5 Bst. f Ziff. 1 BPI54). Eine besondere Bestimmung sieht bereits 53 54

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heute den Zugang zum N-SIS vor für Behörden, die Visa für einen kurzfristigen Aufenthalt ausstellen (Art. 16 Abs. 5 Bst. e BPI). Das Protokoll des EDA und die Ständige Mission der Schweiz beim Büro der Vereinten Nationen und den anderen internationalen Organisationen in Genf (Schweizer Mission in Genf) sollten zur Ausstellung von Legitimationskarten ebenfalls auf das SIS zugreifen können. Daher ist der entsprechende Zugang zu schaffen (Art. 16 Abs. 5 Bst. fbis BPI).

Delegation an externe Dienstleistungsanbieter Bekanntlich sieht Artikel 98b AIG vor, dass das EDA im Einvernehmen mit dem SEM Dritte ermächtigen kann, Aufgaben im Rahmen des Visumverfahrens zu erfüllen.

Diese Bestimmung bleibt unverändert.

2.7.2

Umsetzungsfragen

Aktuelle Situation Das VIS besteht aus einem zentralen Visa-Informationssystem (C-VIS) und einer Kommunikationsinfrastruktur, die das C-VIS mit den nationalen Systemen verbindet.

Das C-VIS enthält Informationen über sämtliche Visa aller Schengen-Staaten, das heisst Informationen für den kurzfristigen Aufenthalt (Visa C, A).

Die Übermittlung der relevanten Daten an das C-VIS erfolgt in der Schweiz über die nationale Schnittstelle (N-VIS) direkt aus dem nationalen Visumsystem (ORBIS). Die nationalen Bestimmungen halten fest, welche Behörden Daten erfassen und welche auf die Daten zugreifen dürfen.

Gestützt auf Artikel 109b AIG betreibt das SEM das ORBIS. Dieses dient der Erfassung und Speicherung der Daten zu Visumgesuchen und der Ausstellung der von der Schweiz erteilten Visa. Bis auf wenige Ausnahmen werden die Daten direkt an das CVIS übermittelt. Daten, die nicht an das C-VIS übermittelt werden und sich ausschliesslich an die schweizerischen Behörden richten, betreffen Informationen zur familiären Situation der betreffenden Person sowie zu ihrem Aufenthalt in der Schweiz.

In der Schweiz können gestützt auf Artikel 109a Absatz 2 AIG folgende Behörden die Daten des C-VIS abfragen: das SEM, die schweizerischen Auslandvertretungen und Missionen, die für die Visa zuständigen kantonalen Migrationsbehörden und die Gemeindebehörden, auf welche die Kantone diese Kompetenzen übertragen haben, das Staatssekretariat und die Politische Direktion des EDA sowie die für die Personenkontrolle eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BAZG (ehemals Grenzwachtkorps) und die für die Kontrolle der Schengen-Aussengrenzen sowie für die Inlandkontrollen verantwortlichen kantonalen Polizeibehörden.

Gewisse Behörden dürfen heute schon zur Verhütung, Aufdeckung oder Ermittlung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten Daten des C-VIS beantragen: fedpol, der Nachrichtendienst des Bundes (NDB), die Bundesanwaltschaft, die kantonalen Polizei- und Strafverfolgungsbehörden und die Polizeibehörden der Städte Zürich, Winterthur, Lausanne, Chiasso und Lugano. Das BAZG möchte auch in seiner Funk-

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tion als Strafverfolgungsbehörde des Bundes analog zu den oben genannten Strafverfolgungsbehörden diese Daten erhalten. Dieses Anliegen wird in der Vorlage 2 behandelt (vgl. Ziff. 3).

Übermittlung der Daten betreffend Visa für einen längerfristigen Aufenthalt und Aufenthaltstitel an das VIS Die Verordnung (EU) 2021/1134 sieht vor, dass bestimmte Daten betreffend Visa für einen längerfristigen Aufenthalt und Aufenthaltstitel an das europäische Informationssystem zu übermitteln sind, sofern diese Daten nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften den zuständigen Behörden bereitgestellt werden müssen (Kap. IIIa, Art. 22a Verordnung [EU] 2021/1134). Bei diesen Daten handelt es sich um die Antragsnummer, den Status, der anzeigt, dass ein Antrag eingereicht wurde, die zuständige Behörde und den Ort, an dem sich diese befindet, die Personendaten der Antragstellerin oder des Antragstellers, die Art und Nummer des Reisedokuments und dessen Ablaufdatum, das Ausstellungsdatum und das Land, in dem das Reisedokument ausgestellt wurde, ein Scan der Seite mit den Personaldaten des Reisedokuments, Daten zur Inhaberin oder zum Inhaber der elterlichen Sorge im Fall von Minderjährigen, ein Gesichtsbild und die Fingerabdrücke. Die Datenübermittlung an das VIS hat bei Eröffnung eines innerstaatlichen Verfahrens zur Erteilung eines Visums für einen längerfristigen Aufenthalt oder einer Aufenthaltsbewilligung (L, B, C, Ci, Legitimationskarte) zu erfolgen. Bei Verweigerung oder Ausstellung eines Dokuments werden die Daten aktualisiert.

2.8

Erläuterungen zu den Artikeln des Umsetzungserlasses

2.8.1

Ausländer- und Integrationsgesetz

Art. 7 Abs. 3 erster Satz Fussnote Die Fussnote von Artikel 7 ist zu aktualisieren gemäss der letzten Anpassung des Schengener Grenzkodex durch die Verordnung (EU) 2021/1134. Die mit der ETIASVorlage verabschiedete Fassung ist hier zu übernehmen, da diese neue Formulierung nicht mehr auf einen bestimmten Artikel des Schengener Grenzkodex verweist.

Art. 109a Abs. 1, 2 Einleitungssatz und Bst. e­g, 3 Einleitungssatz und Bst. a, 4 und 5 Absatz 1 befasst sich mit dem C-VIS und dessen Inhalt. Neu ist die Speicherung der Aufenthaltstitel zu erwähnen, und der Verweis auf die VIS-Verordnung, zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2021/1134, ist zu aktualisieren. Der entsprechende Absatz in der IOP-Vorlage wird ab Inbetriebnahme des reformierten C-VIS durch den vorliegenden Absatz geändert.

Absatz 2 nennt die Behörden, die Daten des C-VIS nach Artikel 6 der VISVerordnung, zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2021/1134, online abfragen können.

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Buchstabe e erwähnt neu die kantonalen Migrationsbehörden und die kommunalen Behörden, die über Aufenthalts-, Kurzaufenthalts- und Niederlassungsbewilligungen für Drittstaatsangehörige entscheiden (Art. 32­34 AIG). Diese Behörden entscheiden somit über die Erteilung von biometrischen Aufenthaltstiteln gemäss der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 und die Ausstellung eines Ausweises Ci an Personen, die über eine Legitimationskarte verfügen (Art. 41 AIG).

Der Buchstabe f erwähnt neu das Protokoll des EDA und die Schweizer Mission in Genf, die zur Ausstellung von Legitimationskarten auf das C-VIS zugreifen dürfen.

Buchstabe g erwähnt die Transportunternehmen, die einer Sorgfaltspflicht unterliegen und neu berechtigt sind, die Gültigkeit des Visums oder des Aufenthaltstitels der Reisenden zu prüfen. Diese Unternehmen erhalten minimale Informationen in Bezug auf die Gültigkeit der Dokumente und können nicht auf besonders schützenswerte Daten des Informationssystems zugreifen.

Absatz 3 muss auf die VIS-Verordnung, zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2021/1134, verweisen und nicht mehr auf den Beschluss 2008/633/JAI, der aufgehoben wird. Dieser Absatz bleibt materiell unverändert.

Absatz 4 muss auf Artikel 22l Absatz 3 der VIS-Verordnung, zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2021/1134, verweisen. Zudem wird die Einsatzzentrale von fedpol neu als Einsatz- und Alarmzentrale bezeichnet. Die neue VIS-Verordnung sieht vor, dass die benannten Behörden die Daten des VIS grundsätzlich nach Abfrage des CIR erhalten, wie im Rahmen der Interoperabilität vorgesehen (Art. 110d AIG).

Absatz 5 ist neu. Er sieht vor, dass einige der in Absatz 3 genannten Behörden Zugriff auf das C-VIS erhalten können, um Opfer von Menschenhandel, Unfällen und Naturkatastrophen sowie verschwundene Personen zu identifizieren (Art. 22p der VISVerordnung, geändert durch die Verordnung [EU] 2021/1134). Dabei handelt es sich um den NDB, fedpol und die kantonalen Strafverfolgungsbehörden sowie gewisse kommunale Behörden. In diesem Fall können die Behörden direkt auf das C-VIS zugreifen, ohne einen Antrag bei der zentralen Zugangsstelle einzureichen.

Art. 109b Abs. 1, 2 Einleitungssatz und Bst. b und e und 2bis­4 Absatz 1 hält neu fest, dass das ORBIS auch die Daten enthält, die nach dem Abgleich bei der Erfassung eines Dossiers
vom C-VIS zurückkommen. Dies können auch Daten sein, die sich aus den verschiedenen Abgleichen mit den europäischen Systemen ergeben.

Absatz 2 Buchstabe b nennt neu das Gesichtsbild und nicht mehr die Fotografie; dies entspricht der Verordnung (EU) 2021/1134. Buchstabe e übernimmt die neuen Verordnungen (EU) 2018/1862, (EU) 2018/1860 und (EU) 2018/1861, wie in der vom Parlament am 20. Dezember 2020 genehmigten SIS-Vorlage vorgesehen. Die Fussnote bezüglich der Verordnung (EU) 2018/1860 ist in Buchstabe e anzupassen, da diese durch die neue Verordnung (EU) 2021/1134 geändert wird.

Absatz 2bis übernimmt die in der IOP-Vorlage vorgesehene Formulierung ohne materielle Änderung.

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Die Absätze 3 und 4 übernehmen ausdrücklich die Bestimmungen, die im Rahmen der IOP-Vorlage genehmigt wurden. Dabei handelte es sich um rein formelle und nicht materielle Änderungen. Im Rahmen der IOP-Vorlage wurde in Absatz 3 die Zugriffsbezeichnung «Grenzwachtkorps» auf «Eidgenössische Zollverwaltung (EZV)» geändert. Die am 1. Januar 2022 erfolgte Umbenennung der EZV in BAZG hat vorliegend eine rein formelle Anpassung von Absatz 3 Buchstabe e zur Folge. Vorlage 1 erwähnt das BAZG jedoch nicht, da diese Änderung im Rahmen der Vorlage zum BAZG-Vollzugsaufgabengesetz55 vorgenommen wird. Unter Berücksichtigung der neuen Funktionen der Mitarbeitenden des BAZG werden die Formulierungen zum Zugriff des BAZG im AIG gesamtheitlich überarbeitet, vereinheitlicht und präzisiert.

Absatz 4 verweist neu auf die durch die Verordnung (EU) 2021/1134 angepasste VISVerordnung.

Art. 109d Fussnote Artikel 109d AIG muss neu auf die VIS-Verordnung, zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2021/1134, verweisen. Die Fussnote ist entsprechend anzupassen. Dieser Artikel konkretisiert den neuen Artikel 22t der VIS-Verordnung.

Art. 109e Bst. k und l Die Delegationsklausel nach Artikel 109e wird dahingehend ergänzt, dass der Bundesrat Einschränkungen des Rechts auf Auskunft oder des Zugriffsrechts zu bestimmten sensiblen Daten in Zusammenhang mit der Sicherheitsüberprüfung der nationalen VIS-Stelle oder der nationalen ETIAS-Stelle regeln kann (Bst. k).

Ausserdem ist genau zu bestimmen, welche Daten bei der Einreichung von Anträgen auf Visa für einen längerfristigen Aufenthalt oder von Gesuchen um Kurzaufenthalts-, Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung automatisch an das C-VIS übermittelt werden. Ebenso werden die Daten genannt, die bei der Ausstellung eines Dokuments übermittelt werden. Somit können die Daten im Rahmen der Visa-Informationssystem-Verordnung vom 18. Dezember 201356 (Bst. l) angegeben werden.

Art. 109ebis

Nationale VIS-Stelle

Dieser neue Artikel soll die Bestimmungen 9d und 9g der VIS-Verordnung, geändert durch die Verordnung (EU) 2021/1134 präzisieren. Das SEM wird als nationale Behörde benannt, die bei Anträgen auf Visa für einen kurzfristigen Aufenthalt die Treffer in den Polizeidatenbanken (SIS, Interpol-TDAWN) verifiziert. Ausschreibungen im SIS können in diesem Fall Personen betreffen, die zum Zweck der Übergabe- und Auslieferungshaft gesucht werden, vulnerable oder schutzbedürftige Personen oder Personen, die im Rahmen eines Gerichtsverfahrens gesucht werden. Die betreffenden Personen oder ihre Reisedokumente können auch zur verdeckten Kontrolle, Ermittlungsanfrage oder gezielten Kontrolle ausgeschrieben werden. Allfällige Übereinstimmungen mit dem ECRIS-TCN betreffen die Schweiz jedoch nicht, da sie nicht an 55 56

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der Zusammenarbeit in Bezug auf diese Datenbank beteiligt ist. Die Schweiz wird daher keine Informationen in Zusammenhang mit diesem System erhalten. Was Europol betrifft, so wird der Schweiz nur auf Ersuchen Zugang gewährt, damit sie Verifizierungen vornehmen kann.

Bezüglich der Verfahren zu Visa für einen längerfristigen Aufenthalt und zu Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligungen ist Folgendes zu unterstreichen: Als nationale VIS-Stelle wird das SEM nur dann eine Beurteilung der Sicherheitsrisiken vornehmen, wenn die betreffende Person zum Zweck der Übergabe- und Auslieferungshaft ausgeschrieben ist oder wenn das Reisedokument in InterpolTDAWN von Interpol registriert ist (Art. 22b Abs. 9 zweiter Unterabsatz der VISVerordnung, geändert durch die Verordnung [EU] 2021/1134).

Absatz 1 bestimmt, dass das SEM die nationale VIS-Stelle ist.

Absatz 2 erläutert die wichtigsten Aufgaben dieser Behörde gemäss der revidierten VIS-Verordnung.

Absatz 3 hält fest, dass bei falschen Treffern diese unverzüglich zu löschen sind.

Art. 109eter

Verwendung von Daten des C-VIS im Rahmen des SIS

Gemäss Absatz 1 dieses neuen Artikels kann die EAZ fedpol auf Ersuchen der Behörden, die schutzbedürftige Personen ausschreiben dürfen, um sie so am Reisen zu hindern, Daten des C-VIS gesichert an die Behörden übermitteln (Art. 22q Abs. 1 der VIS-Verordnung, geändert durch die Verordnung [EU] 2021/1134). Dies setzt voraus, dass die betreffende Person als schutzbedürftig identifiziert worden ist und gemäss Artikel 32 der Verordnung (EU) 2018/1862 im SIS ausgeschrieben werden muss und dass die Behörden diese Daten für die Ausschreibung benötigen. Eine Ausschreibung von vermissten Personen ist auch möglich.

Absatz 2 sieht vor, dass die schweizerischen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden und die Justizbehörden beim SEM Daten des C-VIS anfordern können, wenn sie ihnen zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben dienen (Art. 22q Abs. 2 der Verordnung [EU] 2021/1134). Dieser Zugang zu den Daten erfolgt in Fällen, in denen die Behörde eine Ausschreibung im SIS gestützt auf die Daten des C-VIS feststellt.

Art. 109equater Bekanntgabe von Daten des C-VIS an Dritte Zurzeit besteht im schweizerischen Recht keine spezifische Bestimmung zur Bekanntgabe der Daten des C-VIS an internationale Organisationen oder an Staaten, die nicht durch ein Schengen-Assoziierungsabkommen gebunden sind. Die Verordnung (EU) 2021/1134 hat die Regelung der Datenbekanntgabe übernommen und neu formuliert.

Es sind auch ähnliche Vorschriften namentlich im Rahmen des EES und des SIS vorgesehen und im AIG verankert. Daher wird vorgeschlagen, auch für das C-VIS die Weiterleitung von Daten an Dritte zu regeln. Diese Datenbekanntgabe ist möglich im Rahmen der Rückkehr von illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen gemäss der Richtlinie 2008/115/EG sowie im Rahmen der Resettlement-Verfahren. Das Resettlement im Sinne der Verordnung (EU) 2021/1134 bezieht sich auf die europäischen und nationalen Programme zur Neuansiedlung von Flüchtlingen. Die Schweiz kann

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gestützt auf Artikel 56 des Asylgesetzes vom 26. Juni 199857 (AsylG) Flüchtlingsgruppen aufnehmen und beteiligt sich aus eigener Initiative an bestimmten europäischen Programmen. Die neue Bestimmung verweist auf die einschlägigen Bestimmungen der VIS-Verordnung, zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2021/1134, bezüglich der Bedingungen für die Datenbekanntgabe. Es handelt sich um zwei spezielle Fälle der Datenübermittlung. Der erste betrifft den Rückkehrbereich, wobei nur das SEM die Daten übermitteln darf. Im zweiten Fall besteht eine unmittelbar bevorstehende Gefahr einer terroristischen oder sonstigen schweren Straftat.

Die benannten Behörden nach Artikel 109a Absatz 3 können die erforderlichen Daten gemäss der Verordnung übermitteln.

2.8.2

Ausländer- und Integrationsgesetz, geändert durch die EES-Vorlage

Art. 103b Abs. 1 Fussnote Die Fussnote zur Verordnung (EU) 2017/2226 ist aufgrund der Übernahme der Verordnung (EU) 2021/1134 zu ändern. Es ist auf den letzten Rechtsakt zu verweisen, durch den die EES-Verordnung geändert wurde.

Art. 103c Abs. 2 Einleitungssatz und Bst. d und e sowie 3 Absatz 2 von Artikel 103c wird durch einen Buchstaben d ergänzt. Dieser ermöglicht dem Protokoll des EDA und der Schweizer Mission in Genf, im Rahmen der Ausstellung von Legitimationskarten das EES abzufragen. Buchstabe e bestimmt, dass die Transportunternehmen Zugang zum EES haben, um die Gültigkeit von Visa für einen kurzfristigen Aufenthalt zu überprüfen gemäss Artikel 13 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2017/2226, geändert durch die Verordnung (EU) 2021/1134. Diese Präzisierung erfolgt aus Gründen der Transparenz im Sinne von Artikel 109a AIG.

Absatz 3 dieser Bestimmung sieht einen Zugriff auf den Online-Rechner vor, der die Dauer des zulässigen Aufenthalts im Schengen-Raum berechnet. Dieser Absatz wird dahingehend geändert, dass das EDA keinen Zugriff auf das automatisierte Berechnungssystem hat, sondern nur die in der EES-Vorlage ermächtigten Behörden. Das EDA muss weder prüfen, ob die zulässige Dauer des Aufenthalts im Schengen-Raum überschritten ist, noch muss es ausrechnen, wie lange die betreffende Person sich noch im Schengen-Raum aufhalten darf.

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2.8.3

Ausländer- und Integrationsgesetz, geändert durch die ETIAS-Vorlage

Art. 5 Abs. 1 Bst. abis Fussnote Die Verordnung (EU) 2018/1240 wird im Rahmen der Übernahme und Umsetzung der Verordnung (EU) 2021/1134 geändert. Daher ist die entsprechende Fussnote neu zu formulieren und an die Änderungen gemäss der ETIAS-Vorlage anzupassen.

Art. 108c Abs. 3 Artikel 108c AIG regelt die Aufgaben der nationalen ETIAS-Stelle. Das Parlament hat diese Bestimmung in der Herbstsession 2020 bereits genehmigt. Hier ist eine neue Aufgabe zu nennen für den Fall, dass der automatische Abgleich mit der ETIASÜberwachungsliste einen Treffer ergibt. Zu diesem Zweck wird ein neuer Absatz 3 geschaffen. Die nationale ETIAS-Stelle muss die Treffer verifizieren und den zuständigen Behörden eine Risikoeinschätzung abgeben, damit diese über die Einreise und den Aufenthalt entscheiden können. Bei Anträgen auf Visa für einen kurzfristigen Aufenthalt ist das SEM als für die Visa zuständige zentrale Visumbehörde zu informieren (Art. 9d Abs. 3 der VIS-Verordnung, zuletzt geändert durch die Verordnung [EU] 2021/1134). Bei Anträgen auf Visa für einen längerfristigen Aufenthalt oder bei Gesuchen um Aufenthaltsbewilligung sind je nach Fall die kantonalen Behörden, das SEM oder das EDA zu informieren (Art. 22b Abs. 15 der VIS-Verordnung, zuletzt geändert durch die Verordnung [EU] 2021/1134). Bei falschen Treffern werden die Daten unverzüglich gelöscht.

Art. 108e Abs. 2 Bst. c­e Artikel 108e AIG regelt die Zugriffe auf das ETIAS-System.

Die Buchstaben a und b von Absatz 2 sind nur im Rahmen der Überprüfung der Gültigkeit einer Reisegenehmigung und der Grenzkontrolle vorgesehen. Mit der Revision der VIS-Verordnung sind die Zugriffe zur Verifizierung von Treffern, die sich aus dem automatischen Abgleich der Datenbanken im Rahmen der Interoperabilität ergeben, zu regeln. Daher ist ein neuer Zugriff für die Prüfung von Visumanträgen und das Fällen der entsprechenden Entscheide gemäss dem Visakodex vorzusehen (Bst.

d). Buchstabe c regelt bereits heute den Zugriff auf bestimmte Daten durch Transportunternehmen oder Beförderungsunternehmer, die Drittstaatsangehörige in den Schengen-Raum befördern. Auf Daten zu Reisegenehmigungen kann über ein spezifisches Portal zugegriffen werden. Der Zugriff ist für jedes Transportunternehmen, das einer Sorgfaltspflicht unterliegt (Art. 95 i. V. m. Art. 92 AIG), möglich, nicht
nur für Fluggesellschaften. Deshalb wird die Terminologie entsprechend angepasst. Es werden keine besonders schützenswerten Daten übermittelt.

Ausserdem ist ein Zugriff für das SEM, das Protokoll des EDA, die Schweizer Mission in Genf sowie die kantonalen und kommunalen Migrationsbehörden zu schaffen, damit diese die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen in der Schweiz überprüfen und die entsprechenden Entscheide fällen

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können (Bst. e). Hier geht es um die Erteilung von Visa für einen längerfristigen Aufenthalt und von Aufenthaltstiteln. Dieser Zugriff ermöglicht eine Kontrolle des ETIAS-Datensatzes bei Treffern, die der Abgleich durch die Behörden ergeben hat.

2.8.4

Ausländer- und Integrationsgesetz, geändert durch die IOP-Vorlage

Das Parlament hat die IOP-Vorlage in der Frühlingssession 2021 genehmigt. Die Verordnung (EU) 2021/1134 bedingt eine Anpassung dieser Vorlage, da die Interoperabilität neu die Anträge auf Visa für einen längerfristigen Aufenthalt und die Erteilung von Aufenthaltstiteln sowie die mitunter sensiblen Personendaten der Antragstellerinnen und Antragsteller umfasst.

Art. 109a Abs. 1bis Dieser Absatz regelt im Rahmen der IOP-Vorlage, welche Daten des C-VIS auch im CIR eingetragen werden. Er ist dahingehend zu ergänzen, dass auch die Identitätsdaten der Personen, die einen Aufenthaltstitel beantragen, erwähnt werden.

Art. 110 Abs. 1 Einleitungssatz erste Fussnote Der gemeinsame Dienst für den Abgleich biometrischer Daten (sBMS) nach den Verordnungen (EU) 2019/817 und (EU) 2019/818 wird in Artikel 110 AIG erläutert. Die Fussnote der Verordnung (EU) 2019/817, die durch die Verordnung (EU) 2021/1134 geändert wird, ist zu aktualisieren. Neu werden auch die biometrischen Daten der Personen, die ein Visum für einen längerfristigen Aufenthalt beantragen oder die über einen Aufenthaltstitel verfügen, abgefragt und in den sBMS aufgenommen. Die Verordnung (EU) 2019/818 ist nicht Gegenstand einer für die Schweiz massgebenden Revision im Rahmen der vorliegenden Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands. Deshalb bleibt die entsprechende Fussnote unverändert.

Der CIR enthält künftig die Daten der Personen, die ein Visum für einen längerfristigen Aufenthalt oder einen Aufenthaltstitel beantragen (Art. 110a AIG). Die in Artikel 110a vorgesehene Fussnote zur Verordnung (EU) 2019/817 verweist auf jene von Artikel 110 Absatz 1. Deshalb muss diese Bestimmung nicht mehr geändert werden.

Artikel 110a erfährt lediglich eine indirekte materielle Änderung im Rahmen der Übernahme und Umsetzung der Verordnung (EU) 2021/1134 bezüglich der neu aufzunehmenden Daten im C-VIS.

Art. 110c Abs. 1 Bst. cbis Artikel 110c Absatz 1 nennt die Behörden, die zur Aufdeckung von Mehrfachidentitäten von Drittstaatsangehörigen die im CIR gespeicherten Daten und Verweise abfragen dürfen. Der bereits vorgesehene und im Rahmen der IOP-Vorlage angepasste Buchstabe c erwähnt die Visumbehörden, falls eine Verknüpfung mit einem Datensatz des C-VIS geschaffen wird. Es ist ein neuer Zugriff auf den CIR vorzusehen für die Behörden, die Aufenthaltstitel oder Legitimationskarten ausstellen (Bst. d). Das SEM, 77 / 98

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das Protokoll des EDA und die Schweizer Mission in Genf sowie die zuständigen kantonalen Migrationsbehörden können daher auf den CIR zugreifen, wenn eine Verknüpfung mit einem Datensatz des C-VIS besteht.

Artikel 110c Absatz 2 sieht vor, dass diese Behörden die im CIR gespeicherten Daten und Verweise abfragen können, soweit sie Zugang zum EES, C-VIS, zu Eurodac oder zum SIS haben. Ein Zugriff auf das N-SIS ist für das SEM und die Visumbehörden bereits im BPI vorgesehen. Daher ist für diese Behörden ein Zugriff auf das SIS möglich. Es ist jedoch ein neuer Zugriff auf das N-SIS für die zuständigen Behörden des EDA vorzusehen (vgl. Ziff. 2.8.7).

Ausserdem müssen diese Behörden auch auf den MID zugreifen können, der die verschiedenen Verknüpfungen zwischen Schengen-Systemen bei gleichen Identitäten enthält. Die IOP-Vorlage ist diesbezüglich nicht zu ändern. Artikel 110g Absatz 1 AIG (manuelle Verifizierung der verschiedenen Identitäten im MID) verweist auf die Behörden nach Artikel 110c Absatz 1 AIG. Diese können künftig ebenfalls auf den MID zugreifen.

2.8.5

Ausländer- und Integrationsgesetz, geändert durch die SIS-Vorlage

Die Vorlage zur Übernahme der Verordnungen (EU) 2018/1862, (EU) 2018/1860 und (EU) 2018/1861 wurde vom Parlament im Dezember 2020 genehmigt und wird im September 2022 in Kraft treten.

Art. 68a Abs. 2 Fussnote Artikel 68a Absatz 2 enthält einen Verweis auf die Verordnung (EU) 2018/1861, die durch die vorliegende Verordnung (EU) 2021/1133 geändert wird. Daher ist die entsprechende Fussnote anzupassen.

2.8.6 Art. 15a

Bundesgesetz über das Informationssystem für den Ausländer- und den Asylbereich Übermittlung von Daten an das C-VIS

Das BGIAA wird dahingehend angepasst, dass die massgebenden Daten in Anwendung der Verordnung (EU) 2021/1134 automatisiert an das C-VIS übermittelt werden (Abs. 1). Damit können die Behörden die zum Aufenthaltstitel gehörigen Daten übermitteln, allenfalls mit den biometrischen Daten (Fingerabdrücke und Gesichtsbild), wenn dies im nationalen Recht vorgesehen ist. Es handelt sich hier ausschliesslich um Identitätsdaten sowie Daten in Bezug auf Entscheide über eine Aufenthaltsbewilligung und die dazugehörigen Aufenthaltstitel für Drittstaatsangehörige (B, L, C, Ci).

Der Bundesrat ist zudem beauftragt zu bestimmen, welche Daten bei Einreichung eines Gesuchs um Kurzaufenthalts-, Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung und bei Erteilung eines Aufenthaltstitels übermittelt werden (Abs. 2).

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2.8.7

Bundesgesetz über die polizeilichen Informationssysteme des Bundes

Art. 16 Abs. 5 Bst. ebis Artikel 16 BPI stellt die formale Rechtsgrundlage für das N-SIS dar. Damit das Protokoll des EDA und die Schweizer Mission in Genf zur Ausstellung der Legitimationskarten auf das System zugreifen können, ist Absatz 5 dieses Artikels mit einem neuen Buchstaben zu ergänzen. Dieser Zugriff muss die erforderliche manuelle Verifizierung ermöglichen, wenn die gesuchstellende Person im SIS ausgeschrieben ist.

Diese Anpassung stützt sich auf die revidierte Fassung des BPI gemäss SIS-Vorlage zur Übernahme der Verordnungen (EU) 2018/1860, (EU) 2018/1861 und (EU) 2018/1862. Das Parlament hat diese Vorlage im Dezember 2020 genehmigt. Sie wird voraussichtlich im September 2022 in Kraft treten.

Art. 16a Abs. 1 Einleitungssatz erste Fussnote Artikel 16a BPI wurde im Rahmen der IOP-Vorlage geschaffen und vom Parlament im Frühling 2021 genehmigt. Der in den Verordnungen (EU) 2019/817 und (EU) 2019/818 vorgesehene sBMS ist darin wie auch in Artikel 110 Absatz 1 AIG definiert.

Die Fussnote der Verordnung 2019/817, die durch die vorliegende Verordnung (EU) 2021/1134 geändert wird, ist zu aktualisieren.

2.8.8

Besonderer Koordinationsbedarf

Diese Vorlage zur Übernahme der Verordnungen (EU) 2021/1134 und (EU) 2021/1133 ist mit verschiedenen weiteren Vorlagen zu koordinieren. Dies betrifft vor allem die Totalrevision des Zollgesetzes vom 18. März 200558 (ZG). Das neue Gesetz dürfte im Januar 2024 in Kraft treten.

In den Bestimmungen, die den aktuellen Begriff «Grenzwachtkorps» enthalten, ist die Terminologie anzupassen, wenn diese Vorlage gleichzeitig mit der Totalrevision des Zollgesetzes oder zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft tritt. Die neue Terminologie soll den Begriff «Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG)» in Artikel 109b Absatz 3 Buchstabe e dieser Vorlage wie auch den Begriff «Grenzwachtkorps» in allen massgebenden Artikeln des AIG ersetzen. Der genaue Wortlaut sollte wie folgt sein: das BAZG für die Funktionen «Kontrolle von Waren, Personen und Transportmitteln», «Kontrollexpertise», «Einsatzkoordination» und «Risikoanalyse».

Zudem ist diese Vorlage mit der IOP-Vorlage zu koordinieren. Für eine erleichterte Koordination wurden die massgebenden Bestimmungen zur Interoperabilität bereits berücksichtigt, da diese Vorlage gleichzeitig mit der IOP-Vorlage oder zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft treten dürfte.

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SR 631.0

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Darüber hinaus ist die Vorlage 2 zu berücksichtigen. Diese soll, sofern sie genehmigt wird, die Vorlage 1 ändern in Bezug auf die Behörden, die zu Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungszwecken auf die Daten des VIS zugreifen dürfen (Art. 109a Abs. 3).

2.9

Auswirkungen der Verordnung (EU) 2021/1134 und des Umsetzungserlasses

2.9.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen auf den Bund

IT-Projektkosten SEM Der Verpflichtungskredit für die Umsetzung von Schengen/Dublin im SEM (VK III) für den Zeitraum 2018­2021 umfasste insgesamt 37 Millionen Franken. Aufgrund von Verzögerungen seitens der EU konnten bisher nicht alle Teilprojekte wie geplant vorangetrieben werden, weshalb sich die Umsetzung voraussichtlich bis ins Jahr 2025 erstrecken wird.

Im VK III ebenfalls enthalten sind 5,9 Millionen Franken für die vorliegenden Weiterentwicklungen der Verordnungen (EU) 2021/1133 und (EU) 2021/1134. Das Projekt befindet sich in der Initialisierungsphase, und die Studie konnte im Juli 2021 abgeschlossen werden. Die aktuellen Schätzungen zeigen, dass sich die Projektkosten voraussichtlich auf gut 18 Millionen Franken belaufen werden, zuzüglich Eigenleistungen des SEM von 5,8 Millionen Franken. In den Projektkosten enthalten sind die Aufwände des Informatikleistungserbringers ISC-EJPD von 11,1 Millionen, die externen Projektressourcen von 5,7 Millionen und die Aufwände für die neue Hardware von 1,7 Millionen Franken. Grund für diese höhere Schätzung der Gesamtprojektkosten ist, dass bei der Berechnung des Verpflichtungskredits im Herbst 2016 viele Faktoren noch unbekannt waren. Insbesondere stellt die neue Schengen-Interoperabilitätsplattform zusätzliche Anforderungen an die einzelnen Systeme, die vor fünf Jahren noch nicht absehbar waren.

IT-Projektkosten Ordipro Was die finanziellen Auswirkungen in Zusammenhang mit den Anpassungen des Ordipro betrifft, so hat eine erste Schätzung IT-Kosten zwischen 200 000 und 350 000 Franken ergeben. Für diese Anpassungen wird auf die bereits verfügbaren Mittel zurückgegriffen.

Personelle Auswirkungen auf das SEM: Neue nationale VIS-Stelle Das SEM wird neue Aufgaben übernehmen als nationale VIS-Stelle, die in bestimmten Fällen Treffer in den Polizeidatenbanken manuell verifizieren muss (vgl. Erläuterung zu Art. 109ebis AIG). Für die Verifizierung von Ausschreibungen im SIS zur Rückkehr oder zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung oder aufgrund eines missbräuchlich verwendeten oder gesuchten Reisedokuments sind jedoch weiterhin die Behörden zuständig, die Verfahren zur Erteilung von Visa oder Aufenthaltsbewilligungen durchführen. Bei einer Ausschreibung im SIS werden über das SIRENE-Büro 80 / 98

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von fedpol weitere Informationen ausgetauscht. Die Zusatzaufgaben für die neue benannte VIS-Behörde werden zu einem zusätzlichen Personalbedarf führen. Die Betriebskosten der nationalen VIS-Stelle belaufen sich auf 1,2 Millionen Franken pro Jahr. Das Personal der nationalen VIS-Stelle müsste zudem auf acht Vollzeitstellen aufgestockt werden.

Die nationale VIS-Stelle agiert als «Single Point of Contact» für die ihr zugewiesenen Treffer für die manuelle Überprüfung und deren Weiterverfolgung. Wenn sich aus dem automatisierten Datenabgleich über das ESP Treffer aus dem SIS, InterpolTDAWN und Europol-Datenbanken ergeben, sendet das VIS eine automatisierte Meldung an die nationale VIS-Stelle des betroffenen Mitgliedstaats, die den Antrag verifiziert und bearbeitet. Die nationale VIS-Stelle muss mindestens während der regulären Arbeitszeiten in Betrieb sein. Sie prüft innerhalb von zwei Arbeitstagen nach Erhalt der Meldung über einen Treffer, ob die im Antragsdossier gespeicherte Identität der Antragstellerin oder des Antragstellers mit den Daten in einer der abgefragten Datenbanken übereinstimmt.

Die nationale VIS-Stelle ist voraussichtlich für folgende Basisaufgaben zuständig: ­

manuelle Überprüfung von zugewiesenen Treffern;

­

Konsultationen mit den nationalen VIS-Stellen der anderen Mitgliedstaaten;

­

Abklärungen und Konsultationen mit nationalen Behörden;

­

Nachfordern und Analysieren von zusätzlichen Informationen und Dokumenten;

­

Bearbeitung der Konsultationsanfragen eines anderen Mitgliedstaats;

­

statistische Informationen erheben und auswerten, Berichte und Statistiken erstellen.

Der Personalbedarf von acht Vollzeitstellen (FTE) wurde anhand der oben genannten Tätigkeiten sowie der potenziellen Anzahl an Schengen-Visa, nationalen Visa und Aufenthaltstiteln (einschliesslich der Legitimationskarten des EDA) ermittelt.

Für die Schweiz wird nach Inkrafttreten der neuen Verordnungen (EU) 2021/1133 und (EU) 2021/1134 ab 2023 ein reguläres jährliches Volumen (ohne Berücksichtigung von Corona) von rund 790 000 Visumgesuchen und 60 000 Aufenthaltstiteln erwartet. Von diesen 850 000 Gesuchen dürften in etwa 3,5 Prozent durch die nationale VIS-Stelle bearbeitet werden, was 30 000 Überprüfungen pro Jahr entspricht (rund 20 Minuten pro Fall). Zudem ist mit rund 6000 Konsultationsanfragen von anderen Mitgliedstaaten zu rechnen. Die errechnete Anzahl der anfallenden Treffer auf Anträge für die nationale VIS-Stelle der Schweiz wurde auf der Grundlage der Schätzung der Europäischen Kommission für die nationale ETIAS-Stelle sowie von weiteren für das VIS relevanten Kriterien (z. B. Biometrie) geschätzt.

Im Laufe des Jahres 2024 sollte der Aufbau der nationalen VIS-Stelle vorangetrieben werden, damit sie spätestens Anfang 2025 ihren Betrieb aufnehmen kann. Damit die Mitarbeitenden bei Inkrafttreten der neuen Verordnungen (EU) 2021/1133 und (EU) 2021/1134 (zurzeit für zwischen Ende 2024 und Anfang 2025 geplant) einsatzbereit sind, sollten ab 2023 drei FTE für Aufbauarbeiten angestellt werden. Diese drei Personen (zwei Fachreferentinnen oder Fachreferenten und eine Fachspezialistin oder ein 81 / 98

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Fachspezialist) würden rechtliche Abklärungen im Auftrag der Leitung vornehmen und erste operative Datenbearbeitungsaufgaben durchführen. Für die personelle und fachliche Führung würde im Laufe des Jahres 2024 eine Leitung für die nationale VIS-Stelle in der Funktion Sektionschefin oder Sektionschef und Stellvertreterin oder Stellvertreter benötigt. Für die operativen Aufgaben würden ab 2025 drei zusätzliche Mitarbeitende (Fachspezialistinnen oder Fachspezialisten) benötigt.

Neue Aufgaben der nationalen ETIAS-Stelle Die nationale ETIAS-Stelle wird ebenfalls zusätzliche Aufgaben übernehmen, falls sich bei einer im C-VIS registrierten Person ein Treffer in der ETIAS-Überwachungsliste ergibt (Art. 108c Abs. 3 AIG). Die Anzahl Fälle lässt sich gegenwärtig nicht bestimmen.

Bekanntgabe von Daten des C-VIS an die Justizbehörden Die Bekanntgabe von Daten des C-VIS durch das SEM an die Justizbehörden, die für den Schutz von vulnerablen Personen und die Verfolgung von entsprechenden Straftaten zuständig sind, dürfte keine grösseren personellen Auswirkungen haben (Art. 109eter Abs. 2 AIG). Diese Aufgaben gehören zur Amtshilfe und sollten ohne zusätzliches Personal bewältigt werden können.

Personelle Auswirkungen auf fedpol: SIRENE-Büro Mit der Umsetzung der Verordnung (EU) 2021/1134 werden Daten aus dem C-VIS automatisiert mit dem SIS abgeglichen. Bei gewissen Treffern erhält das SIRENEBüro von fedpol Zusatzinformationen, was einen Informationsaustausch mit anderen Schengen-Staaten zur Folge hat (Art. 9f der Verordnung [EU] 2021/1134). Hierbei geht es um Ausschreibungen zur Rückkehr oder zum Zweck der Übergabe- und Auslieferungshaft, die Ausschreibung von schutzbedürftigen Personen oder Personen, die im Rahmen eines Gerichtsverfahrens gesucht werden sowie die Ausschreibung von Personen oder Sachen im Rahmen einer verdeckten Registrierung. Diese verschiedenen Aufgaben entsprechen jenen, die in den Verordnungen (EU) 2018/1862, (EU) 2018/1861 und (EU) 2018/1860 geregelt sind. Deshalb ist auch beim SIRENE-Büro mit einem geringfügigen zusätzlichen Aufwand zu rechnen.

EAZ fedpol Die EAZ fedpol übernimmt neue Aufgaben in Zusammenhang mit der Nutzung von Daten des C-VIS, um mit einer Ausschreibung im SIS schutzbedürftige Personen am Reisen zu hindern (Art. 109eter Abs. 1 AIG, Art. 22q der Verordnung [EU]
2021/1134). Sie wird als zentrale Zugangsstelle die Daten des C-VIS gesichert an die für solche Ausschreibungen zuständigen Kantonspolizeien übermitteln müssen. Mit dem Vorhaben VIS-Recast werden die Prozesse so überarbeitet, dass die Zugriffe über die zentrale Zugangsstelle einen klaren Mehrwert für die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden darstellen. Diese neuen Prozesse sowie die zusätzliche Automatisierung und Verknüpfung mit anderen Informationssystemen werden gemäss heutigen Berechnungen zu einer deutlichen Zunahme der Anfragen auf das C-VIS via die EAZ fedpol führen.

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Abteilung Biometrische Identifikation Die Abteilung Biometrische Identifikation von fedpol (BiomID) ist das Kompetenzzentrum der Schweiz für Biometrische Identifikationen. Gestützt auf Artikel 102ater AsylG und Artikel 25 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 überprüfen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Abteilung bereits heute die Vergleichsresultate von Suchläufen, wenn die Abfrage im Eurodac-System einen automatisch generierten Treffer ergeben hat. Sie müssen dabei manuell überprüfen, ob die dem Treffer zugrundeliegenden Fingerabdrücke tatsächlich von derselben Person stammen (Personendaten werden keine übermittelt).

Neu soll diese Qualitätskontrolle für alle Schengen/Dublin-Informationssysteme, auch für das C-VIS, möglich sein. Durch diese Qualitätskontrolle sollen «falsch-positive» Resultate ­ also falsche, systemgenerierte Meldungen über biometrische Übereinstimmungen ­ korrigiert werden. Damit werden betroffene Personen im Rahmen der Inlandkontrolle nicht unnötig festgehalten, es werden keine falschen Verbindungen zwischen offenen Tatortspuren von Unbekannten und Personen übermittelt, und die hochstehende Reputation bei der biometrischen Personenüberprüfung wird weiter gestärkt. Mit dieser neuen Aufgabe nimmt der Arbeitsaufwand der Abteilung BiomID zu.

Die Weiterentwicklung des C-VIS wird, je nach Anzahl an Treffern, bei fedpol (SIRENE-Büro, EAZ und BiomID) ab 2024 einen spürbaren Mehraufwand generieren. Der personelle Bedarf hängt einerseits von der jährlichen Zahl der Treffer und deren Qualität, andererseits von den damit verbundenen Aufgaben, Abläufen und Fristen ab. Diese Berechnungen müssen im weiteren Verlauf der Projektentwicklung verfeinert und quantifiziert werden.

Personelle Auswirkungen auf die Konsularische Direktion und die Schweizer Auslandvertretungen (EDA): In der Regel müssen die Konsulate und Botschaften bei der Ausstellung von Visa C gewisse Überprüfungen vornehmen. Alle Treffer in Datenbanken im Migrationsbereich (ETIAS, ohne die Überwachungsliste, EES und künftig auch Eurodac) müssen verifiziert werden. Für die Überprüfung von Ausschreibungen im SIS zur Rückkehr, zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung oder aufgrund eines missbräuchlich verwendeten oder gesuchten Reisedokuments sind die Behörden zuständig, die Verfahren zur Erteilung von Visa (SEM,
Kantone und EDA) oder Aufenthaltsbewilligungen durchführen. Eurodac wird jedoch bei der Erteilung von Visa für einen längerfristigen Aufenthalt und Aufenthaltstiteln (einschliesslich Legitimationskarten) nicht konsultiert.

In Bezug auf die Verfahren zur Erteilung von Visa für einen längerfristigen Aufenthalt und Aufenthaltsbewilligungen ist Folgendes zu unterstreichen: Als nationale VISStelle wird das SEM nur dann eine Beurteilung der Sicherheitsrisiken vornehmen, wenn die betreffende Person zum Zweck der Übergabe- und Auslieferungshaft ausgeschrieben ist oder wenn das Reisedokument in Interpol-TDAWN registriert ist. Ein zusätzlicher Personalbedarf für die Ausstellung der Legitimationskarten des EDA kann daher nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden. Dieser dürfte sich jedoch in Grenzen halten, da bereits im Rahmen der Visumerteilung eine Überprüfung vorgenommen wird.

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Die durch die Abfragen der verschiedenen Datenbanken erhaltenen Informationen sind zusätzliche Elemente, die im Rahmen der nationalen Verfahren für Visa für einen längerfristigen Aufenthalt und Aufenthaltsbewilligungen zu berücksichtigen sind.

Aus der Verordnung (EU) 2021/1134 ergibt sich für die Schweiz jedoch keine zwingende Vorschrift bezüglich des Ausgangs eines Verfahrens.

2.9.2

Finanzielle und personelle Auswirkungen auf die Kantone

Kantone als zuständige Behörden im Bereich Visa und Aufenthaltstitel Durch die Ausweitung des Anwendungsbereichs des C-VIS auf Visa für einen längerfristigen Aufenthalt sowie Aufenthaltsbewilligungen werden neu die kantonalen Migrationsämter sowie das EDA Daten über die zentrale Zugangsstelle an das C-VIS liefern. Entsprechend muss diesen Behörden, die im Hoheitsgebiet Visa für einen längerfristigen Aufenthalt und Aufenthaltsbewilligungen (einschliesslich Legitimationskarten) erteilen, Zugang zu den Daten des C-VIS verschafft werden. Die Anpassungen an den Systemen zur Nutzung des Zugangs zum C-VIS, die aufgrund der vorgesehenen Änderungen notwendig sind, sowie die Anpassungen der damit verbundenen Prozesse obliegen der Verantwortung dieser Behörden. Sie werden einerseits neue Aufgaben und andererseits einen zusätzlichen zeitlichen Aufwand mit sich bringen.

Die kantonalen Migrationsbehörden, die Visa für einen längerfristigen Aufenthalt und Aufenthaltsbewilligungen erteilen, müssen in gewissen Fällen die erhaltenen Treffer bei der Übermittlung der Daten der Antragstellerinnen und Antragsteller im C-VIS analysieren. In bestimmten Fällen im Polizeibereich nimmt das SEM als Fachbehörde die erforderliche Verifizierung vor (vgl. Ziff. 2.6.1). Bei Treffern in der ETIASÜberwachungsliste übernimmt die nationale ETIAS-Stelle des SEM diese Aufgabe.

Durch diese Delegation verringert sich der Aufwand der kantonalen Behörden.

Vorteile der Interoperabilität Beim Entscheid über die Ausstellung oder Verlängerung eines Visums für einen längerfristigen Aufenthalt oder einer Aufenthaltsbewilligung wird das C-VIS künftig über das ESP als Interoperabilitätskomponente automatisiert eine Reihe von Kontrollen durchführen. Die Behörde, die das Dokument ausstellt, muss im Einklang mit den geltenden Rechtsvorschriften der EU und des jeweiligen Mitgliedstaats allen Treffern nachgehen. Durch die Interoperabilität sollen zudem Mehrfachidentitäten mithilfe des MID schneller festgestellt werden, um gegen Identitätsbetrug vorzugehen. Die Visum- und Migrationsbehörde, die einen Antrag bearbeitet, wird damit automatisch informiert, wenn die Gesuchstellerin oder der Gesuchsteller unter verschiedenen Identitäten bekannt ist, und kann so entsprechend handeln.

Die kantonalen Behörden als Grenzkontrollbehörden Die Kantons- und
Bundesbehörden, die für die Kontrolle der Schengen-Aussengrenzen verantwortlich sind und überprüfen müssen, ob die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt erfüllt sind, haben heute die Möglichkeit, Daten aus dem C-VIS zu erhalten. Im Kontext des neuen C-VIS verfügen diese Behörden künftig 84 / 98

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über zusätzliche Informationen für die Identitätskontrolle. Dadurch werden die innere Sicherheit und die Terrorismusbekämpfung verbessert.

Qualität des Gesichtsbilds Durch die angestrebte Verbesserung der Qualität biometrischer Daten, wie die Erfassung von Gesichtsbildern direkt vor Ort, ergeben sich für Behörden, die Aufenthaltsbewilligungen ausstellen, ebenfalls neue Anforderungen. Die finanziellen Mittel, die erforderlich sind, damit diese Behörden künftig das digitale Gesichtsbild einer oder eines Drittstaatsangehörigen mit ausreichender Bildauflösung und Qualität aufnehmen können, werden vom SEM bereitgestellt. Eine erste Kosteneinschätzung wird zurzeit in Zusammenarbeit mit dem EDA vorgenommen.

2.9.3

Finanzierungsbeitrag der EU

Die Europäische Union leistet einen beträchtlichen finanziellen Beitrag in Höhe von 75 Prozent der Kosten über Instrumente wie den Fonds für die innere Sicherheit oder ein Nachfolgeinstrument (z. B. Fonds für integriertes Grenzmanagement). Von diesem Beitrag profitiert unter anderem das Projekt VIS des SEM bereits heute.

2.10

Rechtliche Aspekte

2.10.1

Verfassungsmässigkeit

Der Bundesbeschluss über die Genehmigung der entsprechenden Notenaustausche zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der beiden Verordnungen stützt sich auf Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV)59, wonach auswärtige Angelegenheiten Sache des Bundes sind. Artikel 184 Absatz 2 BV gibt dem Bundesrat die Kompetenz, völkerrechtliche Verträge zu unterzeichnen und zu ratifizieren.

Nach Artikel 166 Absatz 2 BV genehmigt die Bundesversammlung die völkerrechtlichen Verträge; ausgenommen sind die Verträge, für deren Abschluss aufgrund von Gesetz oder völkerrechtlichem Vertrag der Bundesrat zuständig ist (Art. 7a Abs. 1 RVOG). Artikel 100 Absatz 2 Buchstabe a AIG verleiht dem Bundesrat zwar die Kompetenz zum Abschluss von internationalen Abkommen über die Visumpflicht und die Durchführung der Grenzkontrollen. Im vorliegenden Fall bedingt die Umsetzung der beiden EU-Verordnungen jedoch Änderungen des AIG, des BGIAA und des BPI. Deshalb sind die Notenaustausche betreffend die Übernahme der beiden EUVerordnungen sowie die Änderungen der drei oben genannten Bundesgesetze gemeinsam dem Parlament zur Genehmigung zu unterbreiten.

59

SR 101

85 / 98

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2.10.2

Vereinbarkeit mit anderen internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Übernahme der beiden Verordnungen und die damit verbundenen Gesetzesänderungen sind mit dem Völkerrecht vereinbar.

2.10.3

Erlassform

Die Übernahme der beiden EU-Verordnungen stellt keinen Beitritt der Schweiz zu einer Organisation für kollektive Sicherheit oder zu einer supranationalen Gemeinschaft dar. Der Bundesbeschluss über die Genehmigung der entsprechenden Notenaustausche ist deshalb nicht dem obligatorischen Referendum nach Artikel 140 Absatz 1 Buchstabe b BV zu unterstellen.

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie unbefristet und unkündbar sind (Ziff. 1), den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen (Ziff. 2) oder wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder wenn deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert (Ziff. 3). Nach Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200260 (ParlG) sind unter rechtsetzenden Normen Bestimmungen zu verstehen, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen: Als wichtig gelten Bestimmungen, die auf der Grundlage von Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form eines Bundesgesetzes erlassen werden müssen.

Die vorliegenden Notenaustausche werden auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, können aber jederzeit gekündigt werden und sehen keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor. Jedoch führt die Übernahme der Verordnungen (EU) 2021/1133 und (EU) 2021/1134 zu Gesetzesanpassungen. Demzufolge ist der Bundesbeschluss über die Genehmigung des Vertrags dem fakultativen Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV zu unterstellen.

Die Bundesversammlung genehmigt völkerrechtliche Verträge, die dem Referendum unterliegen, in der Form eines Bundesbeschlusses (Art. 24 Abs. 3 ParlG).

Nach Artikel 141a Absatz 2 BV können Gesetzesänderungen, die der Umsetzung eines völkerrechtlichen Vertrags dienen, in den Genehmigungsbeschluss aufgenommen werden, wenn dieser dem fakultativen Referendum untersteht.

Die vorgeschlagenen Gesetzesbestimmungen dienen der Umsetzung der Verordnungen (EU) 2021/1133 und (EU) 2021/1134 und ergeben sich unmittelbar aus den darin enthaltenen Verpflichtungen. Der Entwurf des Umsetzungserlasses kann deshalb in den Genehmigungsbeschluss aufgenommen werden.

60

SR 171.10

86 / 98

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2.10.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Mit der Vorlage werden keine neuen Verpflichtungskredite oder Zahlungsrahmen beschlossen, die einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken nach sich ziehen. Die Vorlage ist somit nicht der Ausgabenbremse (Art. 159 Abs. 3 Bst. b BV) unterstellt.

2.10.5

Verhältnis zum europäischen Recht

Mit der Übernahme der vorliegenden zwei Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands erfüllt die Schweiz ihre Verpflichtungen gegenüber der EU, die sie im Rahmen des SAA eingegangen ist. Mit der Übernahme dieser Verordnungen gewährleistet die Schweiz einheitliche Kontrollen an den Schengen-Aussengrenzen. Die übernommenen Verordnungen (EU) 2021/1133 und (EU) 2021/1134 wirken sich auf weitere Schengen-Rechtsakte aus. Davon betroffen sind die Verordnungen (EG) Nr.

767/2008, (EG) Nr. 810/2009, (EU) 2017/2226, (EU) 2016/399, (EU) 2019/817, (EU) 2018/1240, (EU) 2018/1860, (EU) 2018/1861, (EU) 2019/1896, (EU) 2018/1862 sowie die Entscheidung 2004/512/EG und der Beschluss 2008/633/JI des Rates.

3

Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes (Vorlage 2)

3.1

Ausgangslage

3.1.1

Handlungsbedarf und Ziele

Das BAZG beantragt in seiner Funktion als Strafverfolgungsbehörde den Zugang zu den Daten des EES, des ETIAS und des VIS sowie den Zugriff auf den CIR zum Zwecke der Verhütung, Aufdeckung oder Ermittlung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten.

Informationssysteme und Zentralkomponenten der Interoperabilität Das EES dient der elektronischen Erfassung der Ein- und Ausreisen von Drittstaatsangehörigen, die für einen kurzfristigen Aufenthalt in den Schengen-Raum einreisen, sowie der Erfassung von Einreiseverweigerungen. Das EES ersetzt somit die Abstempelung der Reisedokumente von Drittstaatsangehörigen sowie die manuelle Überprüfung der zulässigen Aufenthaltsdauer und soll effizientere und zuverlässigere Kontrollen ermöglichen. Die im EES gespeicherten Daten können daher in einem Strafverfahren wichtige Informationen über den Aufenthalt einer mutmasslichen Täterin oder eines mutmasslichen Täters im Schengen-Raum liefern.

Mit dem ETIAS wird geprüft, ob die Einreise einer oder eines visumbefreiten Drittstaatsangehörigen in den Schengen-Raum ein Sicherheitsrisiko für die SchengenStaaten darstellt. Die ETIAS-Reisegenehmigung stellt neben den bereits bestehenden Einreisebedingungen des Schengener Grenzkodex (gültiges Reisedokument, ausreichende Mittel usw.) eine weitere Voraussetzung für die Einreise von visumbefreiten 87 / 98

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Drittstaatsangehörigen in den Schengen-Raum dar. Das ETIAS beinhaltet die Identitätsdaten, die Daten der Reisedokumente sowie die bewilligten oder abgelehnten Gesuche und kann damit insbesondere den Strafverfolgungsbehörden wichtige Informationen über die Täterschaft geben.

Das VIS ermöglicht den Visum-, Grenz-, Asyl- und Einwanderungsbehörden, schnell und wirksam die notwendigen Informationen über Drittstaatsangehörige, die ein Visum für die Einreise in den Schengen-Raum beantragen, zu prüfen. Das VIS enthält neben den Personalien und Angaben zum Wohn- und Arbeitsort sowie zur Staatsangehörigkeit unter anderem folgende Daten, die insbesondere auch für die Strafverfolgungsbehörden zentral sind: ­

Angaben zur Person, die eine Einladung ausgesprochen hat oder verpflichtet ist, die Kosten für den Lebensunterhalt der Antragstellerin oder des Antragstellers während des Aufenthalts zu tragen;

­

Hauptreiseziel und Dauer des geplanten Aufenthalts;

­

geplanter Tag und geplanter Grenzpunkt der Ein- und Ausreise oder geplante Durchreiseroute.

Der CIR speichert die Identitätsdaten sowie, falls vorhanden, die Daten zu den Reisedokumenten und die biometrischen Daten aus dem EES, dem ETIAS, dem VIS und dem ECRIS-TCN. Zu einem späteren Zeitpunkt sollen auch die Daten aus Eurodac gespeichert werden. Der CIR kann von den Migrations- und Grenzkontrollbehörden zwecks Identifikation oder Aufdeckung von Mehrfachidentitäten abgefragt werden.

Auch die Strafverfolgungsbehörden können zum Zwecke der Verhütung, Aufdeckung oder Ermittlung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten den CIR abfragen.

In diesem Fall zeigt er den abfragenden Behörden an, in welchen der zugrundeliegenden Informationssysteme Daten zur jeweiligen Person gespeichert sind. In einem zweiten Schritt kann die Behörde dann via Antrag an die zentrale Zugangsstelle den uneingeschränkten Zugang zu den Daten im angezeigten Informationssystem verlangen (zweistufiges Verfahren).

Voraussetzungen für den Zugriff für Abfragen als Strafverfolgungsbehörde Gemäss Artikel 22 der IOP-Verordnungen wird den Strafverfolgungsbehörden ein Zugriff auf den CIR für Abfragen zum Zweck der Verhütung, Aufdeckung oder Ermittlung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten gewährt. Die benannten Behörden haben bei einem solchen Zugriff weder Zugang zu den im CIR gespeicherten Identitätsdaten (im Gegensatz zum Zugriff auf den CIR für Abfragen zwecks Identifikation nach Art. 21 IOP-Verordnungen), noch haben sie direkten Zugriff auf die Daten in den zugrundeliegenden Informationssystemen EES, VIS, ETIAS oder Eurodac. Es wird ihnen nur angezeigt, ob und in welchem Informationssystem Daten zur betroffenen Person vorhanden sind (Treffer/Nicht-Treffer-Verfahren). Die entsprechenden Daten aus den zugrundeliegenden Informationssystemen müssen dann jeweils bei der zentralen Zugangsstelle ­ in der Schweiz ist dies die EAZ fedpol ­ separat beantragt werden (zweistufiges Verfahren).

Um mittels eines solchen Antrags Zugang zu den Daten des EES, des ETIAS oder des VIS zu erhalten, muss belegt werden, dass die Datenabfrage im konkreten Einzelfall 88 / 98

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erforderlich und verhältnismässig ist und zur Verhütung, Aufdeckung oder Ermittlung einer terroristischen oder sonstigen schweren Straftat beitragen wird (Art. 32 der Verordnung (EU) 2017/2226, Art. 52 der Verordnung (EU) 2018/1240, Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 767/2008). Dass die betroffene Person im entsprechenden Informationssystem gespeichert ist, wird durch den erhaltenen Verweis auf das Informationssystem aus der Abfrage des CIR belegt.

Das BAZG in seiner Funktion als Strafverfolgungsbehörde Der Zugang einer Strafverfolgungsbehörde zu den Daten der EU-Informationssysteme und der Zugriff auf den CIR zum Zwecke der Verhütung, Aufdeckung oder Ermittlung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten setzt voraus, dass diese Kompetenzen in diesem Bereich besitzt.

Das BAZG ist sowohl Grenzkontrollbehörde als auch Strafverfolgungsbehörde des Bundes gemäss Artikel 4 Buchstabe c des Strafbehördenorganisationsgesetzes vom 19. März 201061.

Es unterstützt gemäss Artikel 95 Abs. 1bis ZG im Rahmen seiner Aufgaben die Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung. In seiner Funktion als Strafverfolgungsbehörde hat es gemäss Artikel 96 ZG eine direkte Kompetenz im Bereich der Aufdeckung und Ermittlung sonstiger schwerer Straftaten, was nachfolgend dargelegt wird.

Die EU-Verordnungen zu den jeweiligen EU-Informationssystemen sowie zur Interoperabilität (Art. 3 Ziff. 25 der Verordnung (EU) 2017/2226, Art. 3 Ziff. 14 der Verordnung (EU) 2018/1240, Art. 2 Bst. d des Beschlusses 2008/633/JI des Rates und Art. 4 Ziff. 22 der IOP-Verordnungen) verweisen für den Begriff der «schweren Straftat» auf den Artikel 2 Absatz 2 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI62. Dieser legt fest, dass eine Straftat dann als schwer gilt, wenn sie nach dem nationalen Recht mit einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Massnahme im Höchstmass von mindestens drei Jahren bedroht ist. Eine Liste der Straftaten nach schweizerischem Recht, die der Definition einer schweren Straftat nach dem Rahmenbeschluss 2002/584/JI entspricht, findet sich in Anhang 1 des Schengen-InformationsaustauschGesetzes vom 12. Juni 200963 sowie in Anhang 1b der N-SIS-Verordnung.

Das BAZG in seiner Funktion als Strafverfolgungsbehörde ist zuständig für die Aufdeckung, Ermittlung und Beurteilung von Zollwiderhandlungen gemäss den
Artikeln 117­122 und 127 ZG gestützt auf Artikel 128 ZG sowie von Mehrwertsteuerwiderhandlungen gemäss den Artikeln 96­100 des Mehrwertsteuergesetzes vom 12. Juni 200964 (MWSTG) bei der Einfuhrsteuer gestützt auf Artikel 103 Absatz 2 MWSTG.

Das bedeutet, es deckt die jeweiligen Straftaten auf, ermittelt den Sachverhalt, ist zuständig für die Beweisführung und urteilt in erster Instanz. Daneben ist das BAZG

61 62

63 64

SR 173.71 Rahmenbeschluss des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (2002/584/JI), ABl. L 190 vom 18.07.2002, S. 1.

SR 362.2 SR 641.20

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aber auch zuständig für die Aufdeckung, Ermittlung und Beurteilung von Widerhandlungen in anderen Bereichen, wenn diese in Zusammenhang mit einer Zoll- oder Mehrwertsteuerwiderhandlung stehen. Insbesondere werden folgende Straftaten durch die mit der Strafverfolgung betrauten Mitarbeitenden des BAZG aufgedeckt, ermittelt und beurteilt: ­

Leistungs- und Abgabebetrug gemäss Artikel 14 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht vom 22. März 197465 (VStrR). Die Zuständigkeit des BAZG hierfür ergibt sich aus Artikel 1 VStrR. Der gewerbsmässige Leistungs- und Abgabebetrug (Art. 14 Abs. 4 VStrR) entspricht den im Rahmenbeschluss 2002/584/JI genannten Betrugsdelikten und stellt mit seiner maximalen Strafandrohung von fünf Jahren Freiheitsstrafe eine schwere Straftat dar.

­

Vergehen und Verbrechen gemäss Artikel 86 des Heilmittelgesetzes vom 15. Dezember 200066 (HMG). Die Zuständigkeit des BAZG hierfür ergibt sich aus Artikel 90 Absatz 1 HMG. Diese Widerhandlung entspricht dem im Rahmenbeschluss 2002/584/JI genannten illegalen Handel mit Hormonen und anderen Wachstumsförderern und stellt mit seiner maximalen Strafandrohung von drei Jahren Freiheitsstrafe eine schwere Straftat dar.

­

Illegaler Handel mit bedrohten Tierarten oder mit bedrohten Pflanzen und Baumarten nach Artikel 26 Absatz 2 des Bundesgesetzes vom 16. März 201267 über den Verkehr mit Tieren und Pflanzen geschützter Arten (BGCITES). Die Zuständigkeit des BAZG hierfür ergibt sich aus Artikel 27 Absatz 1 BGCITES. Der illegale Handel nach dem BGCITES entspricht der im Rahmenbeschluss 2002/584/JI genannten Umweltkriminalität und stellt mit seiner maximalen Strafandrohung von drei Jahren Freiheitsstrafe eine schwere Straftat dar.

Aus den oben aufgeführten Beispielen ergibt sich, dass das BAZG in seiner Funktion als Strafverfolgungsbehörde Kompetenzen im Bereich der Aufdeckung, Ermittlung und Beurteilung schwerer Straftaten hat. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass im Rahmen der Zollrechtrevision68 die Erhöhung der maximalen Strafandrohung für eine qualifizierte Zollgefährdung oder -hinterziehung neu auf drei Jahre vorgesehen ist, wodurch diese Zollwiderhandlung auch als schwere Straftat zu qualifizieren wäre.

Das BAZG nimmt somit Aufgaben wahr, für welche nach den EU-Verordnungen ein Zugang als Strafverfolgungsbehörde zu den Daten des EES, des ETIAS und des VIS sowie ein Zugriff auf den CIR erforderlich ist.

65 66 67 68

SR 313.0 SR 812.21 SR 453 www.admin.ch > Bundesrecht >Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2020 > EFD > Vernehmlassung 2020/50

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Nutzen des Zugriffs auf den CIR und des Zugangs zu drei zugrundeliegenden EUInformationssystemen für das BAZG in seiner Funktion als Strafverfolgungsbehörde Neue Formen der internationalen Kriminalität und die immer besser organisierten kriminellen Strukturen mit veränderten Vorgehensweisen erfordern heute eine voll funktionsfähige und effiziente Strafverfolgung sowie eine verstärkte Zusammenarbeit aller Strafverfolgungsbehörden. Das Parlament hat darauf mit der Erhöhung der maximalen Strafandrohung bei schweren Delikten beispielsweise im BGCITES reagiert, aber auch mit der Zuweisung neuer gesetzlicher Aufgaben an das BAZG im Bereich der Strafverfolgung, beispielsweise im Heilmittelrecht (Art. 90 Abs. 1 HMG). Das BAZG hat auf diese Veränderungen und die neuen Aufgaben mit einer Strategieänderung und dem Aufbau einer verstärkten und professionalisierten Strafverfolgung geantwortet.

Um mit den anderen Strafverfolgungsbehörden, die für die Verhütung, Aufdeckung oder Ermittlung von schweren Straftaten zuständig sind, optimal und effizient zusammenzuarbeiten, benötigt das BAZG in seiner Funktion als Strafverfolgungsbehörde die gleichen Zugriffe für Abfragen wie diese. Nur so kann die Effektivität der Ermittlung des BAZG im Bereich der schweren Straftaten erhöht und die Zusammenarbeit mit den anderen Strafverfolgungsbehörden in der Kriminalitätsbekämpfung massgeblich verbessert werden. Dabei ist zu unterstreichen, dass der beantragte Zugriff auf den CIR und der Zugang zu den Daten des EES, des ETIAS und des VIS nicht zu einer Kompetenzerweiterung des BAZG führen.

Auch in der EU bestehen starke Bestrebungen, dass Polizei und Zoll gemeinsam gegen die schwere Kriminalität vorgehen. Die Zusammenarbeit dieser Behörden wird auch durch Europol gefordert. Das BAZG arbeitet in seiner Funktion als Strafverfolgungsbehörde bereits heute in mehreren Bereichen von schwerer Kriminalität mit Europol zusammen. Diese Zusammenarbeit ist unerlässlich, um im Kampf gegen die internationale Schwerstkriminalität erfolgreich vorgehen zu können.

Konkret benötigt das BAZG im Rahmen seiner Strafverfolgungstätigkeit den Hinweis aus dem CIR, ob und in welchen Informationssystemen Daten zu einer verdächtigten Person vorhanden sind, sowie den Zugang zu den Daten der zugrundeliegenden Informationssysteme, um durch Antrag bei der EAZ
fedpol schneller und effizienter auf die notwendigen Daten zugreifen zu können. Diese Daten aus den zugrundeliegenden Informationssystemen sind ­ neben der eindeutigen Identifikation einer verdächtigten Person ­ für das Erkennen von Zusammenhängen, die Generierung von weiteren Ermittlungsansätzen sowie die Einleitung weiterer strafrechtlich relevanter Massnahmen notwendig. Durch die Informationen aus dem EES hätte das BAZG in seiner Funktion als Strafverfolgungsbehörde Kenntnis darüber, ob und wann eine Person in den Schengen-Raum eingereist ist. Es könnte dies in aktiven Fahndungs- oder Untersuchungsmassnahmen oder im Rahmen der Sachverhaltsklärung oder der Beweisführung in einer Strafuntersuchung nutzen. Durch einen effizienteren Zugang zu den Daten des ETIAS oder des VIS könnten bei verdächtigten Personen aufgrund ihrer Angaben die Abklärungen über mögliche Aufenthaltsorte und Gastfamilien eingeschränkt werden. Dadurch könnten einerseits die bestehenden Ressourcen zielgerichteter eingesetzt werden; andererseits liesse sich das Risiko minimieren, dass sich verdächtigte Personen der Strafverfolgung entziehen, weil das BAZG die Informationen nicht oder infolge zeitaufwendiger Abklärungen bei in- und ausländischen Partnerbehörden zu spät erhält. Zudem könnten aus den Angaben aus dem ETIAS oder dem 91 / 98

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VIS auch Rückschlüsse auf andere beteiligte Personen wie Gastgeberinnen und Gastgeber, Finanzgeberinnen und Finanzgeber oder Bürginnen und Bürgen gezogen werden, was eine gründliche Aufdeckung der inkriminierten Tätigkeiten und aller beteiligten Personen ermöglichen würde.

Eine effiziente Informationsgewinnung spielt für das BAZG in seiner Funktion als Strafverfolgungsbehörde insofern eine zentrale Rolle, als die verfolgten und untersuchten schweren Straftaten stets einen Bezug zum Grenzübertritt von Waren haben und daher die Gefahr, dass sich die meist international organisierte Täterschaft ins Ausland absetzt und sich so der Schweizer Strafverfolgung entzieht, gross ist.

Im Weiteren helfen der Zugang zu den Daten der Informationssysteme und der Zugriff auf den CIR dem BAZG auch in seiner Funktion als Strafverfolgungsbehörde, eine Person eindeutig zu identifizieren und infolgedessen ein allfälliges Gefährdungsrisiko besser einschätzen zu können. Dies verbessert die Sicherheit der in der Strafverfolgung eingesetzten Mitarbeitenden des BAZG.

3.1.2

Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

Die vorliegende Änderung ist nicht explizit in der Botschaft vom 29. Januar 2020 zur Legislaturplanung 2019­202369 angekündigt. Sie ist erforderlich, damit das BAZG in seiner Funktion als Strafverfolgungsbehörde den Zugang zu den Informationssystemen EES, ETIAS, VIS und den Zugriff auf den CIR zum Zwecke der Verhütung, Aufdeckung oder Ermittlung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten erhält, um auch im Bereich der Strafverfolgung seinen gesetzlichen Auftrag vollständig und effizient erfüllen zu können.

3.2

Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrates

Unter Ziffer 1.2 wurde bereits festgehalten, welche Teilnehmenden sich im Rahmen der Vernehmlassung geäussert haben. Deswegen wird unter den nachfolgenden Ziffern nur noch auf die Vernehmlassungsantworten derjenigen Teilnehmenden eingegangen, die sich explizit zur Vorlage 2 geäussert haben.

3.2.1

Erweiterung der Zugriffe

Die Kantone BS, GE, JU, NW, SO, TI und UR sowie die FDP begrüssen explizit die Änderung des AIG. Der Kanton GE weist zudem darauf hin, dass die Zugriffe zu keiner Erweiterung der Kompetenzen des BAZG führen würden. Der Kanton SO erachtet die Gewährung des Zugangs zu den spezifischen Systemen als eine logische

69

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Konsequenz, damit das BAZG seine bisherigen Aufgaben weiterhin in vollem Umfang wahrnehmen kann.

Auch nach Ansicht einiger Mitglieder der VKM spricht nichts gegen die neuen Zugriffsrechte des BAZG. Dennoch müsse mittels aufsichtsrechtlicher und organisatorischer Instrumente sichergestellt werden, dass das BAZG seine Abfragemöglichkeiten gesetzeskonform und ausschliesslich zur Erfüllung seiner originären Aufgaben als Grenzkontroll- oder Strafverfolgungsorgan nutze.

Haltung des Bundesrates In den EU-Verordnungen und den nationalen gesetzlichen Grundlagen wird zwischen dem Zugriff von Grenzkontrollbehörden und dem Zugriff von Strafverfolgungsbehörden auf den CIR und die Daten des EES, des ETIAS und des VIS unterschieden. Dabei werden die unterschiedlichen Voraussetzungen (namentlich die verschiedenen Zwecke für die Zugriffe) genau geregelt.

Das interne Kontrollsystem des BAZG stellt mit organisatorischen und methodischen Massnahmen sicher, dass die jeweils zugriffsberechtigte Personengruppe des BAZG die Abfragen stets nur in Ausübung ihrer Kompetenzen und zum jeweils erlaubten Zweck durchführt. Dabei ist jeder Zugriff mittels Logfiles sichtbar und nachvollziehbar, so wie bei den anderen zugriffsberechtigten Behörden auch. In seiner Funktion als Strafverfolgungsbehörde hat das BAZG keinen direkten Zugang auf die EUInformationssysteme EES, ETIAS und VIS. Vielmehr erhält es bei einer Abfrage des CIR nur einen Verweis auf das jeweilige EU-Informationssystem. Die vorhandenen Daten aus dem entsprechenden EU-Informationssystem kann es nur mittels eines begründeten Antrags an die EAZ fedpol erhalten. Die EAZ fedpol prüft jeden Antrag auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben.

3.2.2

Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen

Die KKJPD steht der Vorlage kritisch gegenüber. Der Vorstand der KKJPD habe bereits in seiner Stellungnahme vom 16. Dezember 2020 zum Vorentwurf für ein BAZG-Vollzugsaufgabengesetz (VE-BAZG-VG)70 betont, dass polizeiliche Aufgaben in der Kompetenz der Kantone lägen, sofern sie nicht explizit dem Bund zugeordnet seien, und dass die verfassungsrechtliche Aufteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Kantonen auf jeden Fall zu beachten sei. Vor diesem Hintergrund habe die KKJPD damals angeregt, die Formulierung im Zweckartikel des VE-BAZGVG zu überprüfen und die Aufgaben des BAZG im Gesetz präzise zu umschreiben.

Deshalb erachte es die KKJPD als unglücklich, wenn dem BAZG nun im Rahmen einer Revision des AIG neue Rechte für Datenabfragen in den Systemen ESP, EES, ETIAS und C-VIS zugestanden würden, bevor die Kompetenzen des BAZG im Bereich der Strafverfolgung im BAZG-VG präzise festgelegt seien. Es sei aufgrund der verfassungsrechtlichen Aufgabenverteilung zu verhindern, dass das BAZG zu einer eigentlichen Strafverfolgungsbehörde ausgebaut werde.

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www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2020 > EFD > Vernehmlassung 2020/50

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Haltung des Bundesrates Das BAZG verfügt in seiner Funktion als Strafverfolgungsbehörde des Bundes bereits heute über direkte Kompetenzen im Bereich der Aufdeckung und Ermittlung sonstiger schwerer Straftaten (vgl. Ziff. 3.1.1). Die beantragten Zugriffe auf die EUInformationssysteme und den CIR führen daher nicht zu einer Kompetenzerweiterung des BAZG oder zu einer Änderung der verfassungsmässigen Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Kantonen. Vielmehr geht es darum, dass das BAZG seine bereits unter dem geltenden Recht bestehenden Kompetenzen sowie seinen gesetzlichen Auftrag zielgerichtet und effizient wahrnehmen kann. Um keine Lücke in der inneren Sicherheit der Schweiz zu haben, ist es notwendig, dem BAZG in seiner Funktion als Strafverfolgungsbehörde ­ wie den anderen eidgenössischen, kantonalen und kommunalen Strafverfolgungsbehörden ­ den Zugriff auf den CIR für Abfragen und den Zugang zu den Daten des EES, des ETIAS und des VIS einzuräumen.

3.2.3

Koordination mit dem BAZG-VG

Die KKJPD weist zudem darauf hin, dass die Änderung des AIG keinen direkten Zusammenhang mit den beiden Schengen-Weiterentwicklungen aufweise. Neue Datenabfragerechte müssten mit den Strafverfolgungskompetenzen des BAZG im E-BAZG-VG koordiniert sein.

Haltung des Bundesrates Wie in der Übersicht erwähnt, ersuchte das BAZG in seiner Funktion als Strafverfolgungsbehörde bereits im Rahmen der Übernahme und Umsetzung der Rechtsgrundlagen für die Herstellung der Interoperabilität zwischen den EU-Informationssystemen in den Bereichen Grenze, Migration und Polizei um einen Zugriff auf den CIR für Abfragen sowie den Zugang zu den Daten des EES, des ETIAS und des VIS.

Der Bundesrat hat am 2. September 2020 entschieden, die Frage des Zugriffs des BAZG auf den CIR im Rahmen der IOP-Vorlage auszusparen und hierzu im Rahmen der Übernahme und Umsetzung der vorliegenden Vorlagen die notwendigen Anpassungen vorzusehen.

Da es sich bei dem beantragten Zugriff und dem Zugang zu Daten nicht um eine Kompetenzerweiterung des BAZG in seiner Funktion als Strafverfolgungsbehörde handelt, sondern um die effiziente und zielgerichtete Ausübung bestehender Kompetenzen im Bereich der Aufdeckung und Ermittlung schwerer Straftaten, ist diesbezüglich auch keine spezielle Koordination mit dem BAZG-VG notwendig.

Weiter kann erwähnt werden, dass den Bedenken der KKJPD im Rahmen der Vernehmlassung zum BAZG-VG im E-BAZG-VG weitgehend Rechnung getragen werden kann.

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3.3

Grundzüge der Vorlage

3.3.1

Die beantragte Neuregelung

Um dem BAZG im Bereich der Strafverfolgung den benötigten Zugriff auf den CIR und den Zugang zu den Daten von drei zugrundeliegenden EU-Informationssystemen zu gewähren, bedarf es Anpassungen im AIG.

3.3.2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

Art. 103c Abs. 4 Einleitungssatz (Betrifft nur den französischen Text) und Bst. e AIG Mit der Übernahme und Umsetzung der Verordnung (EU) 2017/2226 wurde Artikel 103c ins AIG eingefügt und durch das Parlament am 21. Juni 2019 gutgeheissen.71 Dieser Artikel regelt die verschiedenen Zugangsarten zum EES. In Absatz 4 werden die Strafverfolgungsbehörden aufgezählt, die zur Verhütung, Aufdeckung oder Ermittlung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten bei der EAZ fedpol Daten aus dem EES beantragen können. In der französischen Fassung erfolgt im Einleitungssatz von Absatz 4 eine rein redaktionelle Anpassung. Buchstabe e erwähnt neu die mit der Strafverfolgung betrauten Mitarbeitenden des BAZG, analog zu den in den Buchstaben a­d genannten eidgenössischen, kantonalen und kommunalen Behörden, damit diese im Rahmen ihrer Kompetenzen zur Aufdeckung oder Ermittlung sonstiger schwerer Straftaten mittels Antrag an die EAZ fedpol Zugriff auf die Daten des EES erhalten können. Die mit der Strafverfolgung betrauten Mitarbeitenden des BAZG benötigen diese Daten zum genannten Zweck um zu wissen, ob und wann eine Person in den Schengen-Raum eingereist ist, und um gestützt auf diese Information aktive Fahndungs- oder Untersuchungsmassnahmen ergreifen oder die Daten im Rahmen der Sachverhaltsklärung oder der Beweisführung in einer Strafuntersuchung nutzen zu können.

Art. 108e Abs. 3 Einleitungssatz (Betrifft nur den französischen Text) und Bst. e AIG Mit der Übernahme und Umsetzung der Verordnung (EU) 2018/1240 wurde der Artikel 108e ins AIG eingefügt und durch das Parlament am 25. September 2020 gutgeheissen.72 Der Artikel 108e regelt die verschiedenen Zugangsarten zum ETIAS. In Absatz 3 werden die Strafverfolgungsbehörden genannt, die zur Verhütung, Aufdeckung oder Ermittlung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten bei der EAZ fedpol Daten aus dem ETIAS beantragen können. In der französischen Fassung erfolgt im Einleitungssatz von Absatz 3 eine rein redaktionelle Anpassung. Buchstabe e erwähnt neu die mit der Strafverfolgung betrauten Mitarbeitenden des BAZG, analog zu den in den Buchstaben a­d genannten eidgenössischen, kantonalen und kommunalen Behörden, damit diese im Rahmen ihrer Kompetenzen zur Aufdeckung oder Ermittlung sonstiger schwerer Straftaten mittels Antrag an die EAZ fedpol Zugriff auf die Daten aus dem ETIAS erhalten können. Die mit der Strafverfolgung betrauten 71 72

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Mitarbeitenden des BAZG sind dank dieser Daten beispielsweise in der Lage, mögliche Aufenthaltsorte einzuschränken und so Ressourcen zielgerichtet und effizient einzusetzen, damit sich mutmassliche Täter nicht durch Ausreise der Strafverfolgung entziehen können.

Art. 109a Abs. 3 Einleitungssatz und Bst. e AIG Artikel 109a regelt die Abfrage der Daten aus dem C-VIS. Absatz 3 zählt die Strafverfolgungsbehörden auf, die zur Verhütung, Aufdeckung oder Ermittlung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten bei der EAZ fedpol Daten aus dem C-VIS beantragen können. Neu erwähnt Buchstabe e die mit der Strafverfolgung betrauten Mitarbeitenden des BAZG, analog zu den in den Buchstaben a­d genannten eidgenössischen, kantonalen und kommunalen Behörden, damit diese im Rahmen ihrer Kompetenzen zur Aufdeckung oder Ermittlung sonstiger schwerer Straftaten mittels Antrag an die EAZ fedpol Zugriff auf die Daten aus dem C-VIS erhalten können.

Diese Informationen können den mit der Strafverfolgung betrauten Mitarbeitenden des BAZG für den genannten Zweck dienen, um beispielsweise anhand der Daten über die Gastfamilie, Finanzgeberinnen und Finanzgeber oder Bürginnen und Bürgen weitere in den internationalen Schmuggelfall involvierte Personen zu erkennen und der Strafverfolgung zuzuführen.

Art. 110d Abs. 2 Bst. e AIG Mit der Übernahme und Umsetzung der Verordnungen (EU) 2019/817 und (EU) 2019/818 wurde Artikel 110d ins AIG eingefügt und durch das Parlament am 19. März 2021 gutgeheissen.73 Artikel 110d behandelt den Zugriff der Strafverfolgungsbehörden auf den CIR zwecks Verhütung, Aufdeckung oder Ermittlung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten. In Absatz 2 Buchstabe e werden die zugriffsberechtigten Strafverfolgungsbehörden aufgezählt. Neu erwähnt Buchstabe e die mit der Strafverfolgung betrauten Mitarbeitenden des BAZG ­ analog zu den in den Buchstaben a­d genannten eidgenössischen, kantonalen und kommunalen Behörden ­ damit diese im Rahmen ihrer Kompetenzen zur Aufdeckung und Ermittlung sonstiger schwerer Straftaten Zugriff auf den CIR erhalten können. Der Zugriff des BAZG erfolgt wie bei den anderen zugriffsberechtigten Strafverfolgungsbehörden gemäss einem zweistufigen Verfahren (Abs. 3 und 4 von Art. 110d). Er dient den mit der Strafverfolgung betrauten Mitarbeitenden des BAZG primär, um
die Effizienz der Informationsgewinnung zu steigern, was im Rahmen der entdeckten und untersuchten schweren Straftaten der meist international organisierten Täterschaft wichtig ist, damit sich diese nicht ins Ausland absetzen und so der Schweizer Strafverfolgung entziehen kann.

Besonderer Koordinationsbedarf Es besteht Koordinationsbedarf mit der Vorlage 1, da diese die Anpassungen in der Vorlage 2 berücksichtigen muss. Die mit der Strafverfolgung betrauten Mitarbeitenden des BAZG sollen in diesem Rahmen Zugang zu den Daten des C-VIS erhalten.

Zudem besteht ein Koordinationsbedarf mit dem E-BAZG-VG, weil dieses das BAZG 73

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und seine verschiedenen Organisationseinheiten neu benennt. Insbesondere muss die Formulierung «die für die Strafverfolgung eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesamtes für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG)» ersetzt werden durch eine Formulierung, in der die entsprechende Funktionsbezeichnung genannt wird («das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) für die Funktion »), die durch das E-BAZG-VG eingeführt wird.

3.4

Finanzielle Auswirkungen

Der Zugriff des BAZG auf den CIR erfolgt via das ESP, das für die Grenzkontrollfunktion des BAZG bereits implementiert wurde. Diese zusätzliche Schnittstelle für das BAZG in seiner Funktion als Strafverfolgungsbehörde wird zu Mehrkosten führen, die bereits im Rahmen der Kosten der IOP-Vorlage berücksichtigt wurden.

Die Anfragen, die das BAZG im zweiten Schritt zwecks Zugang zu den Daten des VIS, des EES oder des ETIAS an die EAZ fedpol richten wird, werden bei dieser nur einen geringen Mehraufwand verursachen (schätzungsweise 50 Anfragen pro Jahr).

3.5

Rechtliche Aspekte

3.5.1

Verfassungsmässigkeit

Der Entwurf zur Änderung des AIG stützt sich auf Artikel 121 Absatz 1 BV (Kompetenz des Bundes zur Gesetzgebung über die Gewährung von Asyl sowie den Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern). Sie ist mit der Verfassung vereinbar.

3.5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Änderung des AIG, die unabhängig von der Übernahme der vorliegenden Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands (Vorlage 1) erfolgt, ist mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar.

3.5.3

Erlassform

Die Vorlage beinhaltet wichtige rechtsetzende Bestimmungen, die nach Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen sind. Die Revision des AIG erfolgt demzufolge im normalen Gesetzgebungsverfahren.

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3.5.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Mit der Vorlage werden keine neuen Verpflichtungskredite oder Zahlungsrahmen beschlossen, die einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken nach sich ziehen. Die Vorlage ist somit nicht der Ausgabenbremse (Art. 159 Abs. 3 Bst. b BV) unterstellt.

3.5.5

Verhältnis zum europäischen Recht

Die Änderung des AIG, die unabhängig von der Übernahme der beiden Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands ist, setzt EU-rechtliche Vorgaben um, die für die Schweiz im Rahmen des SAA verbindlich sind.

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