BBl 2022 www.bundesrecht.admin.ch Massgebend ist die signierte elektronische Fassung

21.501 Parlamentarische Initiative Indirekter Gegenentwurf zur Gletscher-Initiative.

Netto-Null-Treibhausgasemissionen bis 2050 Bericht der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates vom 25. April 2022

Sehr geehrte Frau Präsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zum Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz und die Entwürfe zu zwei Bundesbeschlüssen über die Finanzierung der Förderung von neuartigen Technologien und Prozessen sowie die Finanzierung des Sonderprogrammes zum Ersatz von Heizungsanlagen. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Gesetzesentwurf und den beiden Bundesbeschlüssen zuzustimmen.

25. April 2022

Im Namen der Kommission Der Präsident: Jacques Bourgeois

2022-1668

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Übersicht Der Gletscher-Initiative will die Umweltkommission des Nationalrates eine Gesetzesvorlage gegenüberstellen. Der Entwurf gibt zusätzlich zum Netto-Null-Ziel bis 2050 Zwischenziele und sektorielle Richtwerte vor. Die Dekarbonisierung der Industrie und des Gebäudeparks wird während sechs Jahren insgesamt mit 1,2 Milliarden Franken respektive mit insgesamt 2 Milliarden Franken während zehn Jahren gefördert. Bund, Kantone und Gemeinden sollen beim Klimaschutz ihre Vorbildfunktion wahrnehmen.

Ende November 2019 wurde die Volksinitiative «Für ein gesundes Klima (GletscherInitiative)» eingereicht. Die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates (UREK-N) will einen indirekten Gegenentwurf verfolgen. Dafür reichte sie im Oktober 2021 eine parlamentarische Initiative ein, der ihre Schwesterkommission im November 2021 Folge gab. Der vorliegende Entwurf, den die UREK-N am 25. April 2022 verabschiedete, hat den Charakter eines Rahmengesetzes, dessen Ziele in Massnahmengesetzen ­ in erster Linie im CO2-Gesetz ­ umgesetzt werden sollen.

Der Bundesrat wird beauftragt, rechtzeitig Vorschläge zu unterbreiten.

Der Entwurf nimmt das Kernanliegen der Gletscher-Initiative auf, die Treibhausgasemissionen der Schweiz bis 2050 auf Netto-Null zu senken, und setzt Zwischenziele für das Jahr 2040 sowie für die beiden Dekaden 2031­2040 und 2041­2050. Ferner sind Richtwerte für die Sektoren Gebäude, Verkehr und Industrie vorgegeben. Im Einklang mit der internationalen Verpflichtung gemäss Übereinkommen von Paris enthält der Entwurf auch Ziele zur Anpassung an den Klimawandel und zur klimaverträglichen Ausrichtung der Finanzmittelflüsse.

Netto-Null-Fahrpläne von Unternehmen und Branchen sollen die Dekarbonisierung in der Industrie beschleunigen. Für die Förderung neuartiger Technologien und Prozesse sollen während sechs Jahren befristet bis 2030 aus dem allgemeinen Bundeshaushalt 1,2 Milliarden Franken bereitstehen, mit denen auch Risiken von Investitionen in öffentliche Infrastrukturbauten abgesichert werden können. Pilot- und Demonstrationsanlagen erhalten höhere Finanzhilfen.

Mit bis zu 200 Millionen Franken pro Jahr unterstützt der Bund in einem Sonderprogramm mit einer Laufzeit von zehn Jahren ergänzend zum Gebäudeprogramm den Heizungsersatz und gewährt Bürgschaften für eine gleichzeitige
Wärmedämmung des Gebäudes.

Bund, Kantone und Gemeinden sollen bei der Verminderung der Treibhausgasemissionen und der Anpassung an den Klimawandel eine Vorbildfunktion einnehmen. Für die zentrale Bundesverwaltung gilt bis 2040 ein Netto-Null-Ziel für die direkten als auch die indirekten Emissionen der bezogenen Energie sowie die Emissionen aus vorund nachgelagerten Prozessen.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

2

1

5 5

2

Entstehungsgeschichte 1.1 Volksinitiative «Für ein gesundes Klima (Gletscher-Initiative)» 1.2 Direkter Gegenentwurf des Bundesrates zur Volksinitiative «Für ein gesundes Klima (Gletscher-Initiative)» 1.3 Ratifikation des Übereinkommens von Paris 1.4 Die Klimapolitik der Schweiz 1.5 Beratung in der Kommission 1.6 Verzicht auf eine Vernehmlassung

5 6 6 7 8

Grundzüge der Vorlage 2.1 Der indirekte Gegenentwurf als Rahmengesetz 2.2 Die Ziele aus dem Übereinkommen von Paris 2.2.1 Ziele zur Verminderung der Treibhausgasemissionen 2.2.1.1 Netto-Null bis 2050 2.2.1.2 Absenkpfad und Aufbau negativer Emissionen 2.2.1.3 Richtwerte für einzelne Sektoren 2.2.2 Ziele zur Anpassung an den Klimawandel 2.2.3 Ziele zur klimafreundlichen Ausrichtung der Finanzmittelflüsse 2.3 Finanzhilfen an Unternehmen mit Netto-Null-Fahrplänen 2.3.1 Netto-Null-Fahrpläne 2.3.2 Ausgestaltung der Finanzhilfen 2.3.3 Schnittstellen zu bestehenden Instrumenten und Förderungen 2.3.4 Absicherung von öffentlichen Infrastrukturen 2.4 Sonderprogramm zum Ersatz von Heizungsanlagen 2.5 Vorbildfunktion von Bund, Kantonen und Gemeinden

9 9 10 10 10 11 13 14

3

Erläuterungen 3.1 Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz 3.2 Energiegesetz

21 21 31

4

Auswirkungen 4.1 Auswirkungen auf die Treibhausgasemissionen 4.2 Volkswirtschaftliche Auswirkungen 4.3 Finanzielle und personelle Auswirkungen 4.3.1 Finanzielle Auswirkungen 4.3.2 Personelle Auswirkungen 4.4 Vollzugstauglichkeit

33 33 35 38 38 39 40

5

Verhältnis zum europäischen Recht

41

14 15 15 17 18 19 20 20

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6

Rechtliche Aspekte 6.1 Verfassungs- und Gesetzmässigkeit 6.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 6.3 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 6.4 Erlassform 6.5 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen 6.5.1 Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz 6.5.2 Energiegesetz

41 41 41 42 42 42 43 44

Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz (KlG) (Entwurf)

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Bundesbeschluss über die Finanzierung der Förderung von neuartigen Technologien und Prozessen (Entwurf)

BBl 2022 1538

Bundesbeschluss über die Finanzierung des Sonderprogrammes zum Ersatz von Heizungsanlagen (Entwurf) BBl 2022 1539

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

1.1

Volksinitiative «Für ein gesundes Klima (Gletscher-Initiative)»

Die Volksinitiative «Für ein gesundes Klima (Gletscher-Initiative)» wurde am 27. November 2019 vom Verein Klimaschutz Schweiz mit 113 125 gültigen Unterschriften eingereicht. Die Initiative sieht die Einfügung eines neuen Verfassungsartikels zur Klimapolitik vor (Art. 74a BV), der verlangt, dass die Schweiz ab 2050 nicht mehr Treibhausgase ausstossen soll, als in sicheren Treibhausgassenken dauerhaft gespeichert werden können. Auch sollen ab diesem Zeitpunkt in der Schweiz grundsätzlich keine fossilen Brenn- und Treibstoffe mehr in Verkehr gebracht werden dürfen. Ausnahmen sind nur möglich bei Anwendungen, für die es keine technischen Alternativen gibt.

1.2

Direkter Gegenentwurf des Bundesrates zur Volksinitiative «Für ein gesundes Klima (Gletscher-Initiative)»

Mit seinem Beschluss vom 28. August 2019, bis 2050 über alle Treibhausgasemissionen eine ausgeglichene Klimabilanz anzustreben (Netto-Null), verfolgt der Bundesrat grundsätzlich das gleiche Ziel wie die Initiative. Er begrüsst deshalb die von ihr verfolgte Stossrichtung, das Netto-Null-Ziel in die Verfassung aufzunehmen. Weil die Initiative dem Bundesrat punktuell zu weit geht, hat er am 11. August 20211 einen direkten Gegenentwurf vorgeschlagen, der das grundsätzliche Verbot fossiler Energieträger ersetzt durch eine Pflicht zur Verminderung des Verbrauchs dieser Energieträger. Armee, Polizei oder Rettungsdienste sollen für Schutz- und Rettungseinsätze bei Bedarf auf fossile Treibstoffe zurückgreifen können. Auch sollen Ausnahmen möglich sein, wenn alternative Technologien wirtschaftlich nicht tragbar oder nur in ungenügendem Ausmass vorhanden sind. Neben der Sozialverträglichkeit soll die besondere Situation von Berg- und Randgebieten berücksichtigt werden, die in der Regel durch den öffentlichen Verkehr weniger gut erschlossen sind. Weil das Potenzial in der Schweiz für die dauerhafte Speicherung von CO2 (z. B. Wälder, Böden, CO2-Speicherung in geologischen Lagerstätten) aufgrund von technischen, wirtschaftlichen, ökologischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen begrenzt ist, will der Bundesrat offenlassen, ob die im Jahr 2050 verbleibenden Emissionen aus fossiler Energie mit Senken im In- oder Ausland ausgeglichen werden.

1

21.055 Botschaft des Bundesrates vom 11. August 2021 zur Volksinitiative «Für ein gesundes Klima (Gletscher-Initiative)» und zum direkten Gegenentwurf (Bundesbeschluss über die Klimapolitik); BBl 2021 1972.

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1.3

Ratifikation des Übereinkommens von Paris

Als Antwort auf die Bedrohung von Mensch und Ökosystemen infolge des Klimawandels hat die Staatengemeinschaft im Dezember 2015 das Übereinkommen von Paris verabschiedet, das erstmals alle Staaten verpflichtet, Massnahmen zur Verminderung der Treibhausgasemissionen in erster Linie im eigenen Land zu ergreifen und langfristig Netto-Null zu erreichen. Dies mit dem Ziel, die globale Erwärmung deutlich unter der kritischen Schwelle von 2 Grad Celsius zu halten, wobei eine Begrenzung auf 1,5 Grad angestrebt wird. Das Übereinkommen von Paris trat am 4. November 2016 in Kraft. Inzwischen haben es 193 von 197 Staaten ratifiziert.

Die Schweiz hat am 6. Oktober 2017 die Ratifikation hinterlegt, nachdem die Bundesversammlung das Übereinkommen von Paris am 16. Juni 2017 genehmigt hatte.

Im zugehörigen Bundesbeschluss2 hat das Parlament auch dem Verminderungsziel von 50 Prozent bis 2030 gegenüber 1990 und dem Durchschnittsziel von 35 Prozent für die Jahre 2021­2030 zugestimmt, aber bewusst auf eine Einschränkung des Inund Auslandanteils an den Verminderungen verzichtet.

Als indikatives Ziel hat die Schweiz international angekündigt, bis 2050 klimaneutral zu werden. Dieses Netto-Null-Ziel hat der Bundesrat am 28. August 2019 beschlossen und mit der Botschaft vom 11. August 2021 zur Volksinitiative «Für ein gesundes Klima (Gletscher-Initiative)» und zum direkten Gegenentwurf bekräftigt.

1.4

Die Klimapolitik der Schweiz

Die Klimagesetzgebung der Schweiz wird im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen periodisch weiterentwickelt. In Umsetzung des Kyoto-Protokolls verlangt das geltende CO2-Gesetz, dass die Treibhausgasemissionen in der Schweiz bis 2020 um 20 Prozent unter das Niveau von 1990 sinken. Das am 11. April 2022 veröffentlichte Treibhausgasinventar für das Jahr 2020 zeigt, dass das gesetzliche Verminderungsziel trotz der pandemiebedingt ungewöhnlich tiefen Verkehrsemissionen und der warmen Witterung, die den Heizbedarf und somit die CO2-Emissionen im Gebäudepark verringern, mit 19 Prozent knapp verfehlt wurde.

Zur Umsetzung der internationalen Verpflichtung aus dem Übereinkommen von Paris (vgl. Ziffer 1.3) unterbreitete der Bundesrat dem Parlament mit Botschaft vom 1. Dezember 2017 eine Totalrevision des CO2-Gesetzes, um Ziele und Massnahmen bis 2030 festzulegen.3 Gegen diese vom Parlament am 25. September 2020 beschlossene Totalrevision wurde das Referendum ergriffen.4 Die Stimmbevölkerung hat die Vorlage am 13. Juni 2021 mit 51,6 Prozent knapp abgelehnt.

2 3 4

AS 2017 5735 BBl 2018 247 BBl 2020 7847

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Weil damit wichtige Instrumente per Ende 2021 auslaufen würden, hat das Parlament gestützt auf eine parlamentarische Initiative der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrats (UREK-N)5 am 17. Dezember 2021 eine Teilrevision des CO2-Gesetzes beschlossen6, die rückwirkend auf Anfang 2022 in Kraft trat, nachdem die Referendumsfrist unbenutzt verstrichen ist. Um die internationale Verpflichtung bis 2030 unter dem Übereinkommen von Paris einzuhalten, reichen die mit der Verlängerung des CO2-Gesetzes beschlossenen Ziele und Massnahmen jedoch nicht aus. Die Anstrengungen müssen nach 2024 beträchtlich gesteigert werden, so dass die Treibhausgasemissionen schneller sinken. Zudem muss das Engagement im Ausland ausgebaut werden. Vor diesem Hintergrund hat der Bundesrat auch in Ausführung von Artikel 3 Absatz 5 des geltenden CO2-Gesetzes am 17. Dezember 2021 eine neue Vorlage in die Vernehmlassung geschickt, die bis am 4. April 2022 dauerte.7 Diese Gesetzesrevision soll die vom Parlament am 17. Dezember 2021 beschlossene Verlängerung des CO2-Gesetzes bis 2024 ablösen. Parallel dazu soll der vorliegende indirekte Gegenentwurf zur Gletscher-Initiative den Rahmen für die kommenden Revisionen des CO2-Gesetzes abstecken und die Ambition der Klimapolitik der Schweiz prägen.

1.5

Beratung in der Kommission

Die UREKN hat die Beratungen zur Volksinitiative «Für ein gesundes Klima (Gletscher-Initiative)» gestützt auf die Botschaft des Bundesrates (21.055) am 12. Oktober 2021 aufgenommen und das Initiativkomitee angehört. Die UREK-N beschloss mit 15 zu 9 Stimmen bei einer Enthaltung, der Volksinitiative einen indirekten Gegenentwurf gegenüberzustellen, damit rasch eine griffige Lösung auf Gesetzesstufe vorliegt.

Sie hat dafür die Kommissionsinitiative 21.501 «Indirekter Gegenentwurf zur Gletscher-Initiative. Netto-Null-Treibhausgasemissionen bis 2050» eingereicht. Dieser hat die UREK-S am 15. November 2021 mit 7 zu 4 Stimmen bei 2 Enthaltungen Folge gegeben.

An ihrer Sitzung vom 15. Februar 2022 empfahl die UREK-N die Gletscher-Initiative mit 14 zu 9 Stimmen bei 2 Enthaltungen zur Ablehnung und sprach sich mit 14 zu 11 Stimmen für einen gegenüber dem Vorschlag des Bundesrates modifizierten direkten Gegenentwurf8 aus, um sich alle Optionen offenzuhalten. Die Kommission teilte grundsätzlich das Ziel «Netto-Null» bis 2050, die Treibhausgasemissionen möglichst weit zu reduzieren und die verbleibenden Emissionen bis ins Jahr 2050 auszugleichen.

Einer Mehrheit der Kommission ging die Initiative jedoch zu weit, insbesondere das grundsätzliche Verbot von fossilen Brenn- und Treibstoffen wurde als zu einschneidend erachtet. Eine Minderheit befürwortete die Initiative, unterlag aber am 3. März 2022 im Plenum des Nationalrats. Auf den direkten Gegenentwurf zur Gletscher-Initiative ist der Nationalrat mit 108 zu 70 Stimmen bei 14 Enthaltungen eingetreten und 5 6 7 8

21.477 Pa.Iv. UREK-N. Verlängerung des Reduktionszieles im geltenden CO2-Gesetz.

BBl 2021 2994 https://fedlex.data.admin.ch/eli/dl/proj/2021/123/cons_1 Der Nationalrat folgte am 3. März 2022 grösstenteils der Mehrheit seiner Kommission, vgl. Fahne N11 D.pdf (parlament.ch).

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hat diesen in der Gesamtabstimmung mit 104 zu 67 Stimmen bei 21 Enthaltungen angenommen. Zudem hat sich der Nationalrat einstimmig für eine Verlängerung der Behandlungsfrist der Volksinitiative um ein Jahr ausgesprochen, diese bedarf nun noch eines gleichlautenden Entscheides des Ständerates. Die UREK-S entschied an ihrer Sitzung vom 1. April 2022 einstimmig, dem Ständerat eine Verlängerung der Behandlungsfrist zu beantragen, hat die Beratungen zur Gletscher-Initiative aber zurückgestellt, um die Arbeiten der UREK-N zum vorliegenden indirekten Gegenentwurf abzuwarten.

Entsprechend hat die UREK-N die Arbeiten gestützt auf den am 15. Februar 2022 mit 22 Ja-Stimmen ohne Gegenstimme bei einer Enthaltung gefällten Grundsatzentscheid, der Gletscher-Initiative ein Rahmengesetz gegenüberzustellen, am 21. März 2022 fortgesetzt und den Erlassentwurf sowie den zugehörigen erläuternden Bericht am 25. April 2022 mit 17 zu 7 Stimmen verabschiedet. Der Bundesbeschluss über die Finanzierung der Förderung von neuartigen Technologien und Prozessen wurde mit 17 zu 7 Stimmen gutgeheissen; derjenige über die Finanzierung des Sonderprogrammes zum Ersatz von Heizungsanlagen mit 16 zu 8 Stimmen. Eine Minderheit der Kommission beantragt, nicht auf den Gesetzesentwurf und die beiden Bundesbeschlüsse einzutreten.

Bei der Detailberatung des Entwurfs stimmte die Kommission über eine Vielzahl von Anträgen ab. Von den abgelehnten Anträgen wurden 15 als Minderheiten eingereicht (vgl. Erläuterungen Ziffer 3). Einzelne Minderheiten wollen die sektoriellen Richtwerte, das Ziel zur klimaverträglichen Ausrichtung der Finanzmittelflüsse, die Umsetzung der Ziele in einem Massnahmengesetz oder das Sonderprogramm zum Ersatz von Heizungsanlagen streichen. Weitere Minderheiten wollen die klimapolitischen Ambitionen steigern, indem sie das Netto-Null-Ziel bereits bis 2040 anstreben oder zusätzliche Massnahmen im Gebäude- oder Verkehrsbereich vorschlagen. Schliesslich wollen mehrere Minderheiten die Zwischenziele der Mehrheit abschwächen, einzelne Massnahmen streichen oder bei der Zielerreichung auch das Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum betrachten.

1.6

Verzicht auf eine Vernehmlassung

Das Vorhaben fällt grundsätzlich unter Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b des Bundesgesetzes über das Vernehmlassungsverfahren (VlG)9 vom 18. März 2005 und wäre damit «Gegenstand des Vernehmlassungsverfahrens». Gestützt auf Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe b VlG verzichtet die UREK-N auf eine Vernehmlassung, da keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind und die Positionen der interessierten Kreise bekannt sind.

Der Bundesrat hat über den direkten Gegenentwurf zur Gletscher-Initiative im Jahr 2020 eine Vernehmlassung durchgeführt.10 Dieser enthielt die wesentlichen Elemente, die im Kern auch in den vorliegenden Entwurf eingeflossen sind, so zum Bei-

9 10

SR 172.061 https://fedlex.data.admin.ch/eli/dl/proj/6020/47/cons_1

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spiel das Netto-Null-Ziel bis 2050, die Anwendung von Negativemissionstechnologien, die mindestens lineare Absenkung der Treibhausgasemissionen bis 2050 und die Berücksichtigung der Berg- und Randregionen bei der Ausgestaltung der Klimapolitik.

Mit der Förderung von neuartigen Technologien und Prozessen in den Unternehmen und dem Sonderprogramm zum Ersatz von Heizungsanlagen enthält der Entwurf zwei neue Subventionstatbestände. Auch diesbezüglich sind keine neuen Erkenntnisse aus einer Vernehmlassung zu erwarten, da diese Elemente auch teilweise im Rahmen der am 25. September 2020 verabschiedeten Totalrevision des CO2-Gesetzes diskutiert wurden. Zusätzliche Fördermittel für den Ersatz von Heizungsanlagen schlägt zudem auch der Bundesrat für die Teilrevision des CO2-Gesetzes vor, über die vom 17. Dezember 2021 bis 4. April 2022 eine Vernehmlassung stattfand. Mit dieser Vorlage wurde auch eine Änderung von Artikel 53 des Energiegesetzes (EnG)11 betreffend Pilot- und Demonstrationsanlagen zur Diskussion gestellt.

2

Grundzüge der Vorlage

2.1

Der indirekte Gegenentwurf als Rahmengesetz

Der indirekte Gegenentwurf nimmt die Anliegen der Gletscher-Initiative auf, bietet aber eine schnellere und griffigere Lösung. Der vorliegende Entwurf für ein «Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz» ist als Rahmengesetz konzipiert und soll die Zielsetzungen für die Schweizer Klimapolitik auf Basis des Übereinkommens von Paris konkretisieren.

Das Übereinkommen von Paris12 verfolgt gemäss Artikel 2 Absatz 1 drei Ziele: a.

den Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich unter 2 °C über dem vorindustriellen Niveau zu halten und Anstrengungen zu unternehmen, um den Temperaturanstieg auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen;

b.

die Fähigkeit zur Anpassung an die nachteiligen Auswirkungen der Klimaänderungen erhöhen;

c.

die Finanzmittelflüsse in Einklang zu bringen mit einem Weg hin zu einer hinsichtlich der Treibhausgase emissionsarmen und gegenüber Klimaänderungen widerstandsfähigen Entwicklung.

Die Schweiz hat sich mit der Ratifikation des Übereinkommens von Paris zu diesen drei Zielen bekannt. Das Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz soll deshalb alle drei Ziele präzisieren und so einen Rahmen setzen für die zukünftige Ausgestaltung der Klima- und Energiepolitik.

Das Rahmengesetz enthält nur wenige, zielgerichtete Massnahmen, welche die langfristig nötige Transition Richtung Netto-Null einleiten. Grundsätzlich sollen Massnahmen zur Erreichung der Ziele in einem Massnahmengesetz verankert werden. Das 11 12

SR 730.0 SR 0.814.012

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Rahmengesetz verpflichtet den Bundesrat in Artikel 11 Absatz 1, der Bundesversammlung nach vorgängiger Anhörung der betroffenen Kreise und unter Berücksichtigung der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse für folgende Perioden rechtzeitig Vorschläge zur Umsetzung der Ziele dieses Gesetzes zu unterbreiten: a.

für die Periode 2025­2030;

b.

für die Periode 2031­2040;

c.

für die Periode 2041­2050.

Massnahmengesetz ist gemäss Artikel 11 Absatz 2 primär das CO2-Gesetz, das bereits heute den Grossteil der klimapolitischen Massnahmen regelt. Eine Teilrevision des CO2-Gesetzes für die Zeit nach 2024, die Ziele und Massnahmen bis 2030 enthält, wird der Bundesrat dem Parlament gestützt auf die Ergebnisse der Vernehmlassung voraussichtlich im Herbst 2022 vorschlagen.

Aber nicht nur das CO2-Gesetz soll zur Erreichung der Ziele des Rahmengesetzes beitragen. Auch Vorschriften anderer Bundeserlasse sowie kantonale Erlasse sind gemäss Artikel 12 so auszugestalten und anzuwenden, dass sie einen Zielbeitrag leisten.

Besteht eine besondere Ausgangslage für Berg- und Randgebiete, soll solchen Eigenheiten nach Möglichkeit Rechnung getragen werden.

2.2

Die Ziele aus dem Übereinkommen von Paris

2.2.1

Ziele zur Verminderung der Treibhausgasemissionen

2.2.1.1

Netto-Null bis 2050

Im indirekten Gegenentwurf zur Gletscher-Initiative werden die Ziele für die Verminderung von Treibhausgasemissionen und für die Anwendung von Negativemissionstechnologien präzisiert, mit welchen die Schweiz einen angemessenen Beitrag leistet, die globale Erwärmung auf 2 Grad Celsius respektive 1,5 Grad Celsius zu beschränken. Damit soll erstmals das Netto-Null-Ziel in einem Bundesgesetz verankert werden.

Die Ziele und Zwischenziele im Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz leiten sich ab aus der langfristigen Klimastrategie 2050 des Bundesrates vom 27. Januar 2021. Diese zeigt ­ gestützt auf die Energieperspektiven 2050+ des Bundesamtes für Energie13 ­ mögliche Emissionsentwicklungen in den verschiedenen Sektoren im Hinblick auf das Netto-Null-Ziel im Jahr 2050 auf.

Neben der Abkehr von fossilen Energien und der möglichst vollständigen Ausschöpfung der Potenziale zur Steigerung der Energieeffizienz müssen nicht vermeidbare Restemissionen durch die Abscheidung und anschliessende Speicherung von fossilen

13

vgl. www.bfe.admin.ch/bfe/de/home/politik/energieperspektiven-2050-plus.html

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oder prozessbedingten CO2-Emissionen (Carbon Capture and Storage, CCS14) vermindert und durch Negativemissionstechnologien (NET15) ausgeglichen werden.

Den NET kommt die Funktion zu, schwer vermeidbare Emissionen auszugleichen, etwa aus der Landwirtschaft, aus Industrieanlagen, die ihre Emissionen nicht mit CCS vermindern können, oder aus Deponien. Im Jahr 2050 muss die Bilanz zwischen diesen Restemissionen einerseits und den negativen Emissionen anderseits ausgeglichen sein, damit das Netto-Null-Ziel erreicht ist. Die langfristige Klimastrategie geht von einem Bedarf von jährlich rund 7 Millionen Tonnen CO2 an negativen Emissionen im Jahr 2050 aus.

Negative Emissionen können grundsätzlich sowohl im Inland wie auch im Ausland ­ etwa via Export von biogenen CO2 Emissionen zur dauerhaften Speicherung im Untergrund oder vor Ort via direkte CO2-Luftabscheidung und Speicherung (Direct Air Capture and Storage DACCS) ­ erzeugt werden. Limitierend im Inland sind primär die Speicherkapazitäten (dies gilt auch für CCS). Die Energieperspektiven 2050+ gehen davon aus, dass die Kapazitäten im Untergrund bis 2050 rund 3 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr betragen, sofern solche CO2-Speicher erschlossen werden können. Das reicht nicht aus, um das Netto-Null-Ziel einzuhalten. Die Schweiz wird daher auch auf CO2-Speicherkapazitäten im Ausland angewiesen sein; ­ sei es, um im Inland abgeschiedenes CO2 aus biogenen, fossilen und prozessbedingten Quellen zu speichern (im biogenen Fall würden negative Emissionen erzeugt), oder um negative Emissionen direkt im Ausland zu finanzieren.

2.2.1.2

Absenkpfad und Aufbau negativer Emissionen

Der Aufbau der notwendigen Kapazitäten für negative Emissionen wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Die Kehrichtverwertungsanlagen und die Zementindustrie gehen davon aus, dass sie bis 2030 erste Pilotanlagen zur Abscheidung von CO2 in Betrieb nehmen können. Und auch die Anrechnung negativer Emissionen im Ausland ist im Rahmen des Übereinkommens von Paris erst noch zu pilotieren.

Die nachfolgende Abbildung zeigt neben dem Absenkpfad für die inländischen Treibhausgasemissionen inklusive CCS (durchgezogene Linie), der ab 2030 der langfristigen Klimastrategie des Bundesrates folgt, mögliche Aufbaupfade für die Erzeugung negativer Emissionen im Inland (gepunktete Linie) sowie die insgesamt erforderlichen negativen Emissionen (kurz gestrichelte Linie). Die Differenz zwischen diesen beiden Linien entspricht den negativen Emissionen im Ausland. Diese Aufbaupfade sind wiederum den Energieperspektiven 2050+ beziehungsweise der langfristigen Klimastrategie des Bundesrates entnommen.

14

15

CCS sind Massnahmen, die an Punktquellen wie Zementfabriken oder Kehrichtverbrennungsanlagen CO2 abscheiden und speichern. Mit CCS gelangen die Treibhausgase nicht erst in die Atmosphäre.

Negativemissionstechnologien sind Massnahmen, um mit biologischen und technischen Verfahren CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen und dauerhaft zu speichern.

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­

Ausgangpunkt für den Absenkpfad und die Zwischenziele im Erlassentwurf bildet die internationale Verpflichtung der Schweiz, die Treibhausgasemissionen bis 2030 zu halbieren und im Durchschnitt der Jahre 2021­2030 um 35 Prozent gegenüber 1990 zu vermindern. Mit der Verlängerung des CO2Gesetzes bis Ende 2024 und dem ersten Massnahmengesetz dürften bis 2030 die inländischen Treibhausgasemissionen um rund 33 Prozent gegenüber 1990 sinken. Die fehlenden Verminderungen sollen durch Massnahmen im Ausland kompensiert werden (lang gestrichelte Linie).

­

Die durchgezogene Linie folgt ab 2030 jenem Pfad, den der Bundesrat in seiner langfristigen Klimastrategie beschrieben hat. Bis zum Jahr 2050 ist eine Verminderung um knapp 90 Prozent gegenüber 1990 möglich. Dies setzt wie erwähnt neben der Umsetzung der technisch verfügbaren Reduktionspotenziale in allen Sektoren auch den Einsatz von CCS in der Industrie voraus, um fossile und prozessbedingte Emissionen zu vermeiden.

­

Die gestrichelte Linie zeigt einen Absenkpfad für die Treibhausgasemissionen unter Berücksichtigung von Verminderungsleistungen im Ausland und von NET im In- und Ausland. Der Absenkpfad verläuft ab 2030 linear bis zum Endpunkt von Netto-Null Emissionen (d.h. minus 100 Prozent) im Jahr 2050.

Die Fläche zwischen den beiden Linien entspricht dem Bedarf an Verminderungen im Ausland sowie an NET im In- und Ausland.

­

Die gepunktete Linie zeigt mögliche Aufbaupfade für die Erzeugung negativer Emissionen im Inland.

­

Die kurz gestrichelte Linie zeigt mögliche Aufbaupfade für die Erzeugung negativer Emissionen im In- und Ausland.

Langfristig, d.h. über 2050 hinaus, muss die weltweite Emissionsbilanz insgesamt negativ werden, so dass die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre wieder sinkt.

Nur dann kann die globale Erwärmung mit einer genügend hohen Wahrscheinlichkeit

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auf 1,5 Grad Celsius begrenzt werden. Die Vorlage präzisiert, dass die Schweiz hier einen Beitrag leisten muss.

2.2.1.3

Richtwerte für einzelne Sektoren

Der Bundesrat hat in seiner langfristigen Klimastrategie auch Zielsetzungen für die einzelnen Sektoren festgelegt. Demnach sollen der Gebäudesektor und der Verkehr im Jahr 2050 keine Treibhausgasemissionen mehr verursachen. Der Industriesektor (inklusive Kehrichtverwertungsanlagen) soll seine Emissionen um mindestens 90 Prozent gegenüber 1990 vermindern (inkl. fossiles/prozessbedingtes CCS). Diese Zielsetzungen bilden die Grundlage für die sektoriellen Richtwerte gemäss Artikel 4 des Rahmengesetzes.

Die nachfolgende Tabelle fasst die möglichen Emissionsreduktionen insgesamt sowie nach Sektoren für die Jahre 2020, 2030, 2040 und 2050 zusammen. Sie zeigt zudem die Ausgangswerte für das Jahr 1990 sowie die im Jahr 2020 erzielten Emissionsverminderungen gemäss dem im April 2022 veröffentlichten Treibhausgasinventar. Die Werte für 2030 sind der Vernehmlassungsvorlage für die vom Bundesrat vorgeschlagene Revision des CO2-Gesetzes entnommen. Die Werte für die weiteren Jahre stammen aus der langfristigen Klimastrategie des Bundesrates und den dort beschriebenen Entwicklungen in den einzelnen Sektoren. Für die Industrie sind zur Verdeutlichung der Bedeutung von CCS die Verminderungen mit und ohne CCS aufgeführt. Ohne CCS wären die Emissionen im Jahr 2050 um 34 Prozentpunkte höher; CCS vermeidet 2050 geschätzt 5 Millionen Tonnen fossile und prozessbedingte Emissionen.

Prozentuale Verminderung gegenüber 199016

1990

2020

2030

2035

2040

2045

2050

Emissionen insgesamt (inkl. Verminderungen Ausland und NET)17

53,7

­20 %

­50 %

­62 %

­75 %

­87 %

­100 %

Emissionen Inland

53,7

­19 %

­34 %

­47 %

­60 %

­73 %

­90 %

Gebäude

17,1

­39 %

­54 %

­74 %

­82 %

­90 %

­100 %

Verkehr

14,9

­8 %

­27 %

­39 %

­57 %

­78 %

­100 %

Industrie (mit CCS)

13,0

­17 %

­28 %

­38 %

­50 %

­72 %

­90 %

Industrie (ohne CCS)

13,0

­17 %

­28 %

­36 %

­43 %

­49 %

­56 %

16 17

Werte für 1990 in Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten.

Wert für das Jahr 2020 inklusive anrechenbare Senkenleistung (CO2-Speicherung in Schweizer Wäldern und in Schweizer Holzprodukten), ohne Verminderungen im Ausland. Siehe dazu auch Überprüfung Ziel 2020 (für die Jahre 2013­2020) (admin.ch).

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2.2.2

Ziele zur Anpassung an den Klimawandel

Mit dem fortschreitenden Klimawandel nimmt auch in der Schweiz die Notwendigkeit zu, sich den immer stärker werdenden klimabedingten Veränderungen anzupassen. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts sind die durchschnittlichen Temperaturen hierzulande um 2,1 Grad Celsius gestiegen. Das ist in etwa doppelt so stark wie im weltweiten Mittel. Damit einhergehend haben sich Extremereignisse wie Hitzewellen, Trockenperioden und Starkniederschläge in den letzten Jahrzehnten gehäuft, Lebensräume und die Artenzusammensetzung haben sich verändert.

Die Anpassung an den Klimawandel ist als zweiter, komplementärer Bestandteil zur Verminderung der Treibhausgasemissionen in der Schweizer Klimapolitik verankert.

Das bestehende CO2-Gesetz beauftragt den Bund, die Aktivitäten zur Anpassung an den Klimawandel zu koordinieren und die notwendigen Grundlagen bereitzustellen.

Den Rahmen für ein koordiniertes Vorgehen auf Bundesebene bildet die Strategie «Anpassung an den Klimawandel in der Schweiz» des Bundesrates.18 Die im Rahmengesetz präzisierten Ziele sollen dabei helfen, die Anpassungsaktivitäten und -strategien in Zukunft noch stärker auf das Minimieren von klimabedingten Risiken wie beispielsweise die zunehmende Hitzebelastung, die zunehmende Sommertrockenheit, das zunehmende Hochwasserrisiko, die abnehmende Hangstabilität und zunehmenden Massenbewegungen, die Veränderung der Lebensräume, Artenzusammensetzung und Landschaft oder die Ausbreitung von Schadorganismen, Krankheiten und gebietsfremden Arten auszurichten. Im Vordergrund steht der Schutz des Menschen sowie der Lebensgrundlagen und Sachwerten. Dazu muss die Umsetzung von Anpassungsmassnahmen auf allen Ebenen gefördert werden. Zudem müssen die sich gegenseitig verstärkenden Entwicklungen von Klimawandel und Biodiversitätsverlust sowie die Verletzlichkeit der Schweiz aufgrund ihrer internationalen Verflechtung gegenüber Klimaveränderungen in anderen Weltregionen berücksichtigt werden.

2.2.3

Ziele zur klimafreundlichen Ausrichtung der Finanzmittelflüsse

Heutige Investitionsentscheide ­ beispielsweise zur Energieversorgung oder Verkehrs- und Gebäudeinfrastruktur ­ sind mitentscheidend, wie viele Treibhausgase zukünftig emittiert werden. Eines der drei Hauptziele des Übereinkommens von Paris ist, dass «die Finanzmittelflüsse in Einklang gebracht werden mit einem Weg hin zu einer hinsichtlich der Treibhausgase emissionsarmen und gegenüber Klimaänderungen widerstandsfähigen Entwicklung». Daher wird dieses allgemein formulierte Ziel auch im Rahmengesetz verankert.

Der Schweizer Finanzsektor ist mit einem Anteil von über 9 Prozent am Bruttoinlandprodukt ein wichtiger Sektor für die Schweizer Volkswirtschaft. Durch die enge Verknüpfung mit den realwirtschaftlichen Sektoren im In- und Ausland besteht über die klimaverträgliche Ausrichtung der Finanzflüsse ein erheblicher Hebel. Bereits 2020 18

Anpassung an den Klimawandel in der Schweiz - Erster Teil der Strategie des Bundesrates vom 2. März 2012 (admin.ch).

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hat der Bundesrat das Ziel formuliert, dass der Schweizer Finanzplatz ein global führender Standort für nachhaltige Finanzdienstleistungen sein soll. Insbesondere soll er einen effektiven Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten und damit seine Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Im November 2021 empfahl der Bundesrat den Akteuren, auf allen Finanzprodukten und Kundenportfolien freiwillig Transparenz zur Klimaverträglichkeit zu schaffen. Mit vergleichbaren Klimatests misst der Bund zudem die Fortschritte der Finanzbranchen regelmässig. Zunehmend bekennen sich verschiedene Finanzinstitute und -verbände auch öffentlich zum Netto-Null-Ziel, wobei die Zwischenziele und konkreten Massnahmen heute noch kaum vergleichbar sind. Mit konkreten Vereinbarungen mit dem Bund können solche Versprechen und deren wirksame Umsetzung für eine ganze Finanzbranche (Banken, Vermögensverwaltende, Versicherungen, Vorsorgeeinrichtungen) transparent und vergleichbar gemacht sowie mit den Zielen der Schweiz in Einklang gebracht werden. Beispielsweise ist der Finanzmarkt über Hypotheken sehr eng mit dem Gebäudesektor Schweiz verflochten und könnte dessen Ziele aktiv unterstützen. Werden die Vereinbarungen ergebnisorientiert als messbarer Beitrag zum Klimaziel verfasst, ermöglichen sie den betroffenen Finanzmarktakteuren eine eigenständige Umsetzung der vereinbarten Ziele. Gleichzeitig erlangen die Reduktionsversprechen der Branche eine höhere Verbindlichkeit und damit auch eine verbesserte Glaubwürdigkeit.

2.3

Finanzhilfen an Unternehmen mit Netto-NullFahrplänen

Mit dem indirekten Gegenentwurf zur Gletscher-Initiative sollen Unternehmen, welche bereits in einer frühen Phase bereit sind, Netto-Null-Fahrpläne auszuarbeiten und Massnahmen umzusetzen, Finanzhilfen bei der Anwendung neuartiger Technologien oder Prozesse beantragen können. Damit soll ein Anreiz geschaffen werden, dass sich die einzelnen Unternehmen in der Wirtschaft frühzeitig damit auseinandersetzen, wie die Dekarbonisierung angegangen werden kann.

2.3.1

Netto-Null-Fahrpläne

Der Gesetzesentwurf verlangt von den Unternehmen, dass diese spätestens im Jahr 2050 Netto-Null-Emissionen aufweisen. Die Vorgabe bezieht sich auf die direkten und indirekten Emissionen (Scope 1 und 2) in der Schweiz.19 Angesprochen sind Unternehmen aus der Industrie, dem Gewerbe und der Dienstleistung, nicht aber Landwirtschaftsbetriebe.

Zur Erreichung dieses Ziels erstellen die Unternehmen oder auch Branchen sinnvollerweise Fahrpläne. Die Erstellung solcher Netto-Null-Fahrpläne bleibt freiwillig. In diesen Fahrplänen können die Unternehmen und Branchen auch über die Zielvorgabe 19

Direkte Emissionen (Scope 1): durch den Betrieb verursachte Treibhausgasemissionen, die insbesondere durch die Verbrennung von Energieträgern sowie durch Prozesse entstehen. Indirekte Emissionen (Scope 2): Treibhausgasemissionen, die bei der Bereitstellung der eingekauften Energie verursacht werden.

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hinausgehen. Beispielsweise können sie neben den Emissionen nach Scope 1 und 2 auch die Emissionen nach Scope 3 für das Netto-Null-Ziel berücksichtigen.20 Global existieren unterschiedliche Ansätze für die Erstellung von Netto-Null-Fahrplänen für Unternehmen. Ein bekanntes Beispiel ist etwa der Ansatz der «Science Based Target Initiative» SBTI21, bei der die Unternehmen für ihre Treibhausgasemissionen top-down Verminderungsschritte planen. Andere Ansätze sind massnahmenorientiert (bottom-up). Verschiedene Ansätze sind miteinander kombinierbar.

Viele Unternehmen, insbesondere treibhausgasintensive, dürften ein Interesse daran haben, mit der Erstellung eines Netto-Null-Fahrplans nicht weiter zuzuwarten. Dies gilt auch für Unternehmen, die zur Umsetzung eines Netto-Null-Fahrplanes konkrete Massnahmen mit neuartigen Technologien und Prozessen planen und an einer finanziellen Förderung durch den Bund interessiert sind, wie sie unten unter Ziffer 2.3.2 beschrieben wird.

Der Bund wird deshalb Unternehmen und Branchen, die bis zum Jahr 2029 NettoNull-Fahrpläne mit konkreten Massnahmen ausarbeiten, Grundlagen und Standards zur Verfügung stellen. Mit der Entwicklung einer einheitlichen und verbindlichen Methodik, dem Aufbau eines Beratungsnetzwerks und der Schulung von Fachleuten trägt er dazu bei, dass eine fachkundige Beratung angeboten wird. Die Methodik und die Beratung sollten sowohl für grosse wie für kleine Unternehmen (z.B. zusammengefasst in Branchen) angemessen sein und auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens bereitstehen. Zu diesem Zweck soll der Bund die Kosten für die Entwicklung der Systematik sowie für die diesbezügliche Ausbildung der Beraterinnen und Berater übernehmen. Diese Entwicklung kann über die Ausweitung bestehender bereits vom Bund geförderten Beratungsprogramme wie Pinch, PEIK und Reffnet.ch22 zur Steigerung der Ressourcen- und Energieeffizienz in Unternehmen oder dasjenige zur Umsetzung von CO2-Verminderungsverpflichtungen sichergestellt werden. Die Beratung selbst wird von privaten Organisationen angeboten und umgesetzt. Danach werden die Kosten für die Entwicklung der Fahrpläne von den Unternehmen oder Branchenverbänden getragen, wobei Unternehmen, die frühzeitig Fahrpläne vorlegen, in der Umsetzung mit Finanzhilfen unterstützt werden können (vgl. nachfolgende Ziffer 2.3.2).
Als indirekter Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen ­ zum Schutz von Mensch und Umwelt» (16.077 OR. Aktienrecht. Entwurf 2) sind Berichterstattungspflichten über nichtfinanzielle Belange vorgesehen, namentlich über die Themenbereiche Umwelt (insbesondere CO2-Ziele), Soziales, Arbeitnehmerbelange, Menschenrechte und Korruptionsbekämpfung. Der Bundesrat eröffnete am 30. März 2022 die Vernehmlassung über die dazugehörende Vollzugsverordnung.23 Sie dauert bis am 7. Juli 2022. Voraussichtlich ab dem 1. Januar 2023 müssen grosse Unternehmen der Real- und Finanzwirtschaft im Rahmen ihrer

20 21 22 23

Scope 3: Emissionen, die vor- und nachgelagert durch Dritte verursacht werden (ohne Emissionen aus Scope 2).

vgl. https://sciencebasedtargets.org/ vgl. https://pinch-analyse.ch, https://www.peik.ch, https://www.reffnet.ch vgl. www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-87790.html

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Berichterstattungspflichten auch einen Transitionsplan ausweisen. Dieser ist zwingender Bestandteil eines Klimaberichts und beschreibt den geplanten Weg zum Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft. Inhaltlich haben diese Transitionspläne viele Gemeinsamkeiten mit den Netto-Null-Fahrplänen im vorliegenden Gesetzesentwurf. Dies soll bei der Ausarbeitung der Methodik zu den Netto-Null-Fahrplänen berücksichtigt werden.

Im Rahmen der Teilrevision CO2-Gesetz nach 2025 schlägt der Bundesrat zudem vor, dass Unternehmen, die eine Verminderungsverpflichtung (Befreiung von der CO2Abgabe) eingehen wollen, gegenüber dem Bund glaubhaft darlegen, wie sie bis spätestens im Jahr 2040 keine Treibhausgasemissionen mehr aus der energetischen Nutzung von fossilen Brennstoffen verursachen.

2.3.2

Ausgestaltung der Finanzhilfen

Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass der Bund Unternehmen finanziell unterstützen kann, wenn diese bis 2030 zur Umsetzung eines Netto-Null-Fahrplanes neuartige Technologien und Prozesse anwenden möchten. Dem Bund sollen hierfür bis im Jahr 2030 insgesamt 1,2 Milliarden Franken zur Verfügung stehen. Für das Ersuchen von Finanzhilfen soll ein massnahmenorientierter Netto-Null-Fahrplan vorliegen (vgl.

Ziffer 2.3.1). Dieser Fahrplan muss unter anderem die Technologie- oder Prozessrisiken aufzeigen, für die im Rahmen der Fahrplan-Umsetzung eine Finanzhilfe ersucht wird.

Der Innovationszyklus von Technologien und Prozessen kann in sechs Phasen unterteilt werden: (1) Grundlagenforschung, (2) angewandte Forschung, (3) Laborprototyp, (4) Pilot und Demonstration, (5) Marktzulassung und -einführung, (6) Marktdiffusion und Export. Jede dieser Phasen ist gleich wichtig und dauert in der Regel ungefähr gleich lange. Weil der Bund in den ersten drei Phasen bereits heute finanziell stark engagiert ist, würde er sich im Rahmen der vorliegenden Förderung auf die Phasen 4­6 konzentrieren mit einem Schwerpunkt auf die Anwender der neuartigen Technologien und Prozessen, das heisst auf die Nachfrageseite. Durch die Förderung der Nachfrageseite entsteht auch eine positive Wirkung auf der Angebotsseite, so dass die Entwickler neuartiger Technologien und Prozesse den Markteintritt schneller schaffen.

Der vorliegende Entwurf respektive die Umsetzungserlasse werden den materiellen Rahmen für die Finanzhilfen abstecken (was darf der Bund fördern). Was die Förderbedingungen anbelangt (wie darf der Bund fördern), ist vorgesehen, dass die Finanzhilfen über ein bestehendes oder mehrere bestehende Förderinstrumente abgewickelt werden. Infrage kommen hierfür beispielsweise die Umwelttechnologieförderung, das Pilot- und Demonstrationsprogramm, Swiss Energy research for the Energy Transition (SWEET), der Technologiefonds oder EnergieSchweiz. Diese Förderprogramme sind in den oben erwähnten Innovationsphasen 4­6 tätig.

Damit die Mittel möglichst zielführend eingesetzt werden und weil für die Vergabe nur ein beschränkter Zeitraum und nur beschränkte Mittel vorhanden sind, sollte der Bund auch die Möglichkeit haben, wettbewerbliche Ausschreibungen durchzuführen.

Gesuche sollen dann unterstützt werden, wenn sie nicht nur die formalen Kriterien 17 / 44

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erfüllen, sondern auch bezüglich inhaltlicher Kriterien und/oder Effizienzkriterien möglichst gut abschneiden (gutes Kosten/Nutzen-Verhältnis, Treibhausgasvermeidungs- und Abscheidungspotential, zeitliche Umsetzungs- und Wirkungshorizonte, Multiplikationspotential und Wertschöpfung in der Schweiz, Möglichkeit der Wirkungsüberprüfung, zweckmässige Organisation, gesicherte Finanzierung, angemessene Eigenleistung etc.).

Parallel zur hier beschriebenen Förderung sieht der vorliegende Entwurf vor, beim bereits bestehenden Pilot- und Demonstrationsprogramm die Förderbedingungen über eine Änderung des Energiegesetzes (Art. 53) zu lockern. Diese Änderung ist generell angezeigt, sie ist vorliegend aber auch wichtig, damit das Pilot- und Demonstrationsprogramm ­ wie oben beschrieben ­ für die Förderung von Massnahmen zur Umsetzung der Netto-Null-Fahrpläne genutzt werden kann. Der Förderbetrag für Pilot- und Demonstrationsprojekte soll bei maximal 50 Prozent der anrechenbaren Kosten liegen (bisher maximal 40 Prozent), für bestimmte Ausnahmen bei maximal 70 Prozent (bisher 60 Prozent). Die anrechenbaren Kosten sollen sich auf die nicht amortisierbaren Kosten der innovativen Aspekte eines Projekts konzentrieren. Der Bundesrat hat diese Anpassung für das Pilot- und Demonstrationsprogramm bereits in der Vernehmlassungsvorlage zur Revision des CO2-Gesetzes vom 17. Dezember 2021 vorgeschlagen.

Sie werden nun als Fremderlassänderung zusätzlich in den vorliegenden Entwurf integriert, damit sie spätestens gleichzeitig mit diesem Rahmengesetz in Kraft treten.

2.3.3

Schnittstellen zu bestehenden Instrumenten und Förderungen

Eine finanzielle Förderung ist nur möglich, wenn eine Massnahme der Marktzulassung und -einführung bzw. der Marktdiffusion neuartiger Technologien und Prozesse dient, sie nicht bereits anderweitig gefördert wurde und nicht in ein Instrument zur Verminderung der Treibhausgasemissionen eingebunden ist. Das heisst:

24

­

Anlagen, die dem Emissionshandelssystem (EHS) unterstellt sind, erhalten keine Förderung für Massnahmen, welche die im EHS eingebundenen Treibhausgasemissionen betreffen.

­

Anlagen mit einer Verminderungsverpflichtung erhalten keine Förderung für Massnahmen, die Gegenstand der Verpflichtung sind. Möglich ist die Förderung von Massnahmen, die nicht Gegenstand der Verminderungsverpflichtung sind und die trotz der Förderung als unwirtschaftlich im Sinne von Artikel 39 Absatz 1bis der Energieverordnung24 gelten. Diese dürfen jedoch nicht an die Verminderungsverpflichtung angerechnet werden. Um den administrativen Aufwand gering zu halten, soll dieses Kriterium einheitlich für alle Unternehmen mit einer Zielvereinbarung gelten.

­

Massnahmen, die Gegenstand eines Kompensationsprojekts oder -programms sind, erhalten keine Förderung.

SR 730.01

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­

2.3.4

Unternehmen, die vom Gebäudeprogramm profitieren, erhalten keine Förderung.

Absicherung von öffentlichen Infrastrukturen

Bau und Betrieb von öffentlichen Infrastrukturen ­ wie von thermischen Netzen oder Leitungen für den Transport von abgeschiedenen, unvermeidbaren CO2-Emissionen und für die dauerhafte, geologische Speicherung ­ sind mit hohen Anfangsinvestitionen und langen Amortisationszeiten verbunden. Für die beteiligten Parteien bestehen zudem finanzielle Risiken, die einen Ausbau heute hemmen.

Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine zentrale Wärmequelle oder ein gewichtiger Bezüger ungeplant wegfällt, bevor die Investitionen amortisiert sind. Solche Risiken für den Neu- und Ausbau thermischer Netze ­ auch Fernwärme-, Nahwärme- oder Fernkältenetze genannt ­ inklusive der dazugehörenden Wärmeerzeugungsanlage, die mit erneuerbaren Energien und Abwärme gespeist werden, sollen staatlich abgesichert werden können. In der Vernehmlassungsvorlage zum CO2-Gesetz für die Zeit nach 2024 hat der Bundesrat eine solche Absicherung über den Technologiefonds vorgeschlagen.

Auch Leitungsinfrastrukturen (CO2-Pipelines) und die sichere und dauerhafte Speicherung der abgeschiedenen, auch längerfristig unvermeidbaren Treibhausgasemissionen (mittels CO2-Abscheidung und Speicherung sowie Negativemissionstechnologien) sind planungs- und ressourcenintensiv. Insbesondere in der Anfangsphase dieses Ausbaus im Inland inkl. der Verknüpfung mit den Nachbarstaaten sind der Bau und Betrieb solcher Leitungen für Investoren mit erheblichen Risiken belastet. Investoren können direkt mit dem Bund eine Bürgschaft abschliessen, um sich gegen ungeplante, finanzielle Risiken und Investitionsausfälle abzusichern.

Voraussetzung für die staatliche Absicherung ist, dass sie eine zusätzliche Emissionsverminderung bewirkt oder ermöglicht, die über den Privatmarkt und bestehende Massnahmen nicht abgedeckt ist, beziehungsweise, dass die öffentliche Infrastruktur zum Erreichen des Netto-Null Ziels unbedingt notwendig ist. Mit Bürgschaften greift der Staat weniger stark in den Markt ein, als wenn direkte Subventionen gesprochen würden. Die Risiken von Privatinvestoren werden reduziert, damit die Investitionsanreize verbessert und der Ausbau der zentralen öffentlichen Infrastruktur für das Erreichen der Klimaziele beschleunigt. Darunter fallen Anlagen, die der öffentlichen Hand zur Erfüllung verfassungs- und gesetzmässiger Aufgaben dienen. Sie nützen dem
Gemeinwesen nicht durch den finanziellen Wert, den sie verkörpern, sondern unmittelbar durch ihren Gebrauchswert.

Für die Absicherungen der Infrastrukturen soll ein Teil der Mittel verwendet werden, welche auch für die Umsetzung der Netto-Null-Fahrpläne eingesetzt wird und über den bestehenden Technologiefonds abgewickelt werden. Dafür muss mittelfristig die Höhe des Verpflichtungskredites für den Technologiefonds nach Artikel 118 der CO2Verordnung erhöht werden.

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2.4

Sonderprogramm zum Ersatz von Heizungsanlagen

Schweizweit sind heute alleine in Wohnbauten schätzungsweise noch 900 000 fossile Heizungen in Betrieb. Im Durchschnitt beträgt die Lebensdauer einer fossilen Wärmeerzeugungsanlage rund 20 Jahre. Damit der Gebäudepark bis 2050 CO2-frei wird, müssten in Wohnbauten jedes Jahr mindestens 30 000 fossile Heizungen durch erneuerbare Heizsysteme ersetzt werden. Dafür reichen die bestehenden Massnahmen nicht aus ­ wie anhand einer Studie von Infras (2020)25 für die Stadt Zürich aufgezeigt werden konnte. Im Jahre 2021 wurden im Rahmen des Gebäudeprogramms schweizweit rund 15 000 Heizungsanlagen ersetzt. Aus diesem Grund sieht die Vernehmlassungsvorlage des Bundesrates zum CO2-Gesetz für die Zeit nach 2024 zusätzliche Mittel aus der CO2-Abgabe für den Heizungsersatz vor. Diese Mittel sollen ins bestehende Gebäudeprogramm fliessen.

Das Rahmengesetz stellt aus denselben Überlegungen während zehn Jahren insgesamt 2 Milliarden Franken und bis zu 200 Millionen Franken pro Jahr an zusätzlichen Bundesmitteln für den Ersatz von fossilen Heizungsanlagen, elektrischen Widerstandsheizungen und Warmwasseraufbereitungsanlagen durch eine erneuerbare Wärmequelle, eine Wärmepumpe oder einen Anschluss an ein Fernwärmenetz zur Verfügung. Über den finanziellen Anreiz sollen möglichst rasch zusätzliche Heizungsanlagen ersetzt und so die Emissionen des Gebäudeparks weiter gesenkt werden.

2.5

Vorbildfunktion von Bund, Kantonen und Gemeinden

Das Rahmengesetz verlangt von Bund, Kantonen und Gemeinden, dass sie in Bezug auf die Erreichung von Netto-Null-Emissionen und auf die Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels eine Vorbildfunktion wahrnehmen. Die zentrale Bundesverwaltung soll bis zum Jahr 2040 mindestens Netto-Null-Emissionen aufweisen.

Neben den direkten und indirekten Emissionen sollen dabei auch die Emissionen berücksichtigt werden, die vor- und nachgelagert durch Dritte verursacht werden. Zusätzlich sollen die Kantone für ihre zentralen Verwaltungen und die bundesnahen Betriebe anstreben, ab 2040 mindestens Netto-Null-Emissionen aufzuweisen.

Die Initiative Vorbild Energie und Klima richtet sich bereits heute an die wichtigsten Schweizer Anbieter von öffentlich relevanten Dienstleistungen, die im Bereich Energie innovativ und vorbildlich handeln wollen.26 Mit der Unterzeichnung einer Absichtserklärung verpflichten sich die heutigen Akteure der Initiative ihren Beitrag zur Umsetzung des Übereinkommens von Paris zu leisten. Es handelt sich dabei um Bundesverwaltung, Skyguide, die Post, Postfinance, PostAuto, ETH-Rat, Flughafen Zürich, Géneve Aeroport, RUAG, SBB, SRG SSR, SIG und Swisscom. Die Initiative kann neue Akteure integrieren oder mit ihnen kooperieren. Für die kantonale Ebene ist eine Integrationsform erarbeitet worden; voraussichtlich im September 2022 wird eine Gruppe von Institutionen des Kantons Genf in die Initiative aufgenommen.

25 26

INFRAS & Quantis, 2020: Netto-Null Treibhausgasemissionen Stadt Zürich.

www.vorbild-energie-klima.admin.ch

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Auch spezifisch für die Bundesverwaltung kann auf bestehenden Massnahmen aufgebaut werden. Bereits seit 1999 bestehen das Raumordnungs- und Umweltmanagementsystem des Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport VBS (RUMS VBS) sowie das Ressourcen- und Umweltmanagementsystem der Bundesverwaltung (RUMBA) für alle weiteren Verwaltungseinheiten der zentralen Bundesverwaltung. Am 3. Juli 2019 hat der Bundesrat mit dem «Klimapaket Bundesverwaltung» deren Zielvorgaben verschärft. Gemäss aktuellem Stand gelten folgende Eckwerte: Bis Ende 2030 reduziert das VBS seine Treibhausgasemissionen um mindestens 40 Prozent gegenüber dem Ausgangsjahr 2001. Die übrige Bundesverwaltung reduziert ihre Treibhausgasemissionen um 50 Prozent gegenüber dem Ausgangsjahr 2006. Auch die dezentralen Einheiten wie zum Beispiel das Eidgenössische Institut für Metrologie METAS verfolgen dieses Absenkziel. Sämtliche Treibhausgasemissionen der zentralen und eines Grossteils der dezentralen Bundesverwaltung werden seit 2020 vollständig im Ausland kompensiert.

Die Fachstellen für RUMBA und RUMS VBS koordinieren die Umsetzungsarbeiten.

Ein besonders grosses Potenzial liegt für die Bundesverwaltung neben der Verbesserung der Energieeffizienz ihrer Gebäude im Bereich der Mobilität. Aus diesem Grund entscheidet der Bundesrat diesen Sommer, ob er ein bundesweites Mobilitätsmanagement aufbaut.

3

Erläuterungen

3.1

Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz

Art. 1

Zweck

Mit den Zielen zur Verminderung der Treibhausgasemissionen und der Anwendung von Negativemissionstechnologien soll die Schweiz ihren Beitrag an die Begrenzung der globalen Erwärmung auf 2 Grad respektive 1,5 Grad Celsius leisten (Bst. a). Zur Verminderung von Treibhausgasemissionen zählen Massnahmen, welche verhindern, dass Treibhausgase überhaupt in die Atmosphäre gelangen. Dies beinhaltet zum Beispiel Massnahmen zur Substitution von fossilen durch CO2-freie Energien oder die Abscheidung von fossilen oder prozessbedingten CO2-Emissionen an der Quelle (CCS). Massnahmen, welche der Atmosphäre dauerhaft CO2 entziehen, werden als Negativemissionstechnologien bezeichnet (vgl. Definition in Art. 2 Bst. a). Die Ziele zu Buchstabe a werden in den Artikeln 3 und 4 des Erlassentwurfs präzisiert.

Die Buchstaben b und c nehmen die beiden weiteren Zielsetzungen des Übereinkommens von Paris auf. Präzisiert werden diese dann in den Artikeln 8 (Anpassung) und 9 (Finanzmittelflüsse) des Erlassentwurfs.

Art. 2

Begriffe

In Artikel 2 werden Legaldefinitionen für wichtige und mehrfach verwendete Begriffe aufgenommen. Es sind dies die Folgenden: Negativemissionstechnologien (Bst. a) sind biologische und technische Verfahren, um CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen und dauerhaft in Wäldern, in Böden, in 21 / 44

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Holzprodukten oder in anderen Kohlenstoffspeichern zu binden. Negativemissionstechnologien (NET) verhindern nicht, dass CO2 in die Atmosphäre gelangt, sondern sie entziehen mittels natürlichen oder technischen Ansätzen CO2 aus der Atmosphäre.

Direkte Emissionen (Bst. b) sind Treibhausgasemissionen, die insbesondere ein Unternehmen durch den Betrieb verursacht. Dazu gehören beispielsweise die Treibhausgasemissionen, die bei Verbrennungsprozessen anfallen (inkl. Treibstoffe), aber auch anfallende Prozessemissionen (z.B. Lachgasemissionen in chemischen Prozessen oder geogene Emissionen bei der Herstellung von Zement). Im internationalen Sprachgebrauch werden diese Emissionen auch als «Scope 1» bezeichnet27.

Indirekte Emissionen (Bst. c) sind Treibhausgasemissionen, die bei der Bereitstellung (insbesondere bei der Produktion und beim Transport) der eingekauften Energie verursacht werden. Damit sind Energien wie elektrischer Strom aus Kohlekraftwerken oder auch fossile Fernwärme gemeint. Im internationalen Sprachgebrauch werden diese Emissionen auch als «Scope 2» bezeichnet.

Mit Netto-Null-Emissionen (Bst. d) ist gemeint, dass die Treibhausgasemissionen grundsätzlich zuerst vermindert werden müssen, also gar nicht erst in die Atmosphäre gelangen sollen. Dies beinhaltet auch die Anwendung von CCS bei fossilen und prozessbedingten CO2-Emissionen. Die Treibhausgasemissionen, welche technisch nicht vermieden werden können, müssen durch die Anwendung von Negativemissionstechnologien ausgeglichen werden.

Art. 3

Ziele für Verminderung und für Negativemissionstechnologien

Absatz 1 legt für das Netto-Null Ziel das Jahr 2050 fest. Dieses ist erreicht, wenn die Wirkung der von Menschen verursachten und in der Schweiz emittierten Treibhausgase bis 2050 Null beträgt. Dieses Ziel soll so umgesetzt werden, dass als erste Priorität die Treibhausgasemissionen möglichst umfassend vermindert werden, also gar nicht erst in die Atmosphäre gelangen (Bst. a). Die Wirkung der verbleibenden Treibhausgasemissionen, die nach heutigem Stand des Wissens mit technischen Massnahmen allein nicht vermieden werden können, soll durch die Anwendung von Negativemissionstechnologien ausgeglichen werden (Bst. b). Diese technisch schwer vermeidbaren Treibhausgasemissionen fallen vor allem in der Landwirtschaft, der Abfallverbrennung und bei gewissen industriellen Prozessen an.28 Langfristig, d.h. über 2050 hinaus, muss die weltweite Emissionsbilanz insgesamt negativ werden, so dass die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre wieder sinkt.

Nur dann kann die globale Erwärmung mit einer genügend hohen Wahrscheinlichkeit auf 1,5 Grad Celsius begrenzt werden. Absatz 2 präzisiert, dass dieses Prinzip auch für die Schweiz gilt.

Absatz 3 definiert die Zwischenziele, welche auf dem Weg zum Netto-Null-Ziel erreicht werden müssen. Diese leiten sich aus den in der langfristigen Klimastrategie beschriebenen Emissionsentwicklungen ab. Diese Zwischenziele verstehen sich inklusive CCS für fossile und prozessbedingte Emissionen, jedoch ohne den Einsatz von NET, und folgen dem Grundsatz, dass die Emissionen vorab in der Schweiz zu 27 28

vgl. Greenhouse Gas Protocol | (ghgprotocol.org).

vgl. Bundesrat (2021): Langfristige Klimastrategie der Schweiz.

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vermindern sind (Abs. 4). Dabei sollen die Verminderungen technisch möglich und wirtschaftlich tragbar sein. Im Allgemeinen soll der Abwägung eine gesamtwirtschaftliche Optik zugrunde gelegt werden, welche auch die internationale Wettbewerbsfähigkeit berücksichtigt. Dabei ist zu bestimmen, inwieweit auch weiterhin Anwendungen zulässig sind, für die bereits Ersatztechnologien vorhanden und erprobt sind. Entsprechend kann die wirtschaftliche Tragbarkeit nicht mit betriebswirtschaftlicher Vertretbarkeit (oder «Wirtschaftlichkeit») gleichgesetzt werden, sondern ist vielmehr im Sinne einer ökonomischen Zumutbarkeit, etwa hinsichtlich der Liquidität eines wirtschaftlich gesunden Modellbetriebs der betreffenden Branche, zu verstehen.

Mit Absatz 4 wird auch sichergestellt, dass klassische Kompensationsmassnahmen im Ausland längerfristig eine untergeordnete Rolle spielen dürften. Sie sollen zwar nicht ausgeschlossen werden, aber die Emissionsverminderung für die Erreichung des Netto-Null-Ziels soll soweit wie möglich mit Massnahmen in der Schweiz erfolgen.

Ausserdem wird das Potenzial für Auslandsreduktionen künftig abnehmen, da alle Vertragspartner des Übereinkommens von Paris Netto-Null-Emissionen anstreben.

Negative Emissionen können hingegen grundsätzlich sowohl im Inland wie auch im Ausland erzeugt werden. Im Ausland kann dies etwa via Export von biogenen CO2Emissionen zur dauerhaften Speicherung im Untergrund oder vor Ort via direkte CO2Luftabscheidung und Speicherung erfolgen. Limitierend im Inland sind primär die Speicherkapazitäten (dies gilt auch für CCS für fossile und prozessbedingte Emissionen). Absatz 5 hält deswegen fest, dass der Bund und die Kantone dafür sorgen sollen, dass spätestens bis 2050 Speicher für Kohlenstoff im In- und Ausland im notwendigen Umfang für die Erreichung des Netto-Null-Ziels zur Verfügung stehen. Dazu gehört auch die allenfalls notwendige Transportinfrastruktur und der Abschluss von bilateralen Staatsverträgen zur Anrechnung von exportiertem CO2 oder von im Ausland finanzierten negativen Emissionen an die Schweizer Klimaziele. Bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe sind die verfassungsmässigen Kompetenzen des Bundes und der Kantone zu berücksichtigen. So ist beispielsweise die Regulierung allfälliger CO2Pipelines in der Kompetenz der Kantone, da zurzeit keine
Verfassungsgrundlage für eine umfassende Regulierung durch den Bund besteht (das gleiche gilt für geologische CO2-Speicher im Inland). Der Bund ist natürlich gewillt ­ soweit möglich und von den Akteuren gewünscht ­ eine koordinierende Funktion einzunehmen. Der Bundesrat erhält die Kompetenz, für den Einsatz von NET Richtwerte festzulegen.

Das Netto-Null-Ziel in Absatz 1 und das Netto-Negativ-Ziel in Absatz 2 enthalten gemäss Absatz 6 auch die Klimabilanz der in der internationalen Luft- und Schifffahrt eingesetzten und in der Schweiz getankten Treibstoffe. Der Flugverkehr hat zwar überdies eine zusätzliche Klimawirkung, die in der Atmosphäre durch NOx, Wasserdampf, Sulfat- und Russpartikel entsteht. Dieser Effekt schwankt allerdings je nach Betrachtungszeitraum, Witterung und Flughöhe zwischen dem Ein- bis Dreifachen der CO2-Emissionen, die durch die Verbrennung von fossilem Flugtreibstoff entstehen.29 Diese Klimawirkung der Luftfahrt kann daher nicht pauschal mit einem einheitlichen Faktor belegt, sondern nur approximativ bestimmt werden. Der atmosphärische Effekt soll daher nicht einbezogen werden, sondern nur die eindeutig zu 29

Neu U. (2021): Die Auswirkungen der Flugverkehrsemissionen auf das Klima.

Swiss Academies Communications 16 (3).

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bestimmenden Emissionen aus dem Verbrauch fossiler Flugtreibstoffe, auf die auch der innereuropäische Emissionshandel und das globale CORSIA-System abstellen.

In den quantifizierten Zwischenzielen gemäss Absatz 3 ist die internationale Luft- und Schifffahrt übereinstimmend mit internationalen Regeln nicht enthalten, sondern analog zum geltenden CO2-Gesetz lediglich die Emissionen aus dem nationalen Luft- und Schiffverkehr.

Eine Minderheit will das Netto-Null-Ziel in Absatz 1 bis 2040 anstreben. Eine weitere Minderheit will, dass in Absatz 1 das Netto-Null-Ziel bis 2050 gegenüber dem Referenzjahr 1990 definiert wird und unter Berücksichtigung der Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung zu erreichen ist.

Eine Minderheit will die Zwischenziele in Absatz 3 gegenüber der Version der Mehrheit halbieren.

Eine Minderheit will auch die Emissionen aus in der Schweiz getankten Treibstoffen für internationale Flüge und Schifffahrten bei den Zwischenzielen nach Absatz 3 berücksichtigen.

Art. 4

Richtwerte für einzelne Sektoren

Der Bundesrat hat in seiner langfristigen Klimastrategie auf der Basis von technisch möglichen Absenkpfaden Zielsetzungen für einzelne Sektoren festgelegt. Aus diesen sind die Richtwerte in Artikel 4 abgeleitet, und zwar für die Zieljahre 2040 und 2050.

Demnach sollen der Gebäude- (Abs. 1 Bst. a) und der Verkehrssektor (Abs. 1 Bst. b) im Jahr 2050 keine Treibhausgasemissionen mehr verursachen. Der Industriesektor (Abs. 1 Bst. c) soll seine Emissionen um mindestens 90 Prozent gegenüber 1990 vermindern, inkl. CCS bei fossilen und prozessbedingten Quellen. Das geltende CO2Gesetz ermächtigt den Bundesrat, sektorielle Zwischenziele festzulegen. Er hat diese Kompetenz in der Verpflichtungsperiode 2013­2020 genutzt und in der CO2Verordnung30 dem Gebäude-, dem Verkehrs- und am Industriesektor für das Jahr 2015 Zwischenziele gesetzt.

Die Zielerreichung wird anhand des Treibhausgasinventars überprüft. Die Emissionen sind den einzelnen Sektoren somit deckungsgleich mit dem Treibhausgasinventar zugewiesen. Das bedeutet, dass der Sektor Verkehr ohne die internationale Luft- und Schifffahrt zu verstehen ist. Im Sektor Industrie ist auch die Kehrichtverwertung integriert. Unternehmen aus dem Dienstleistungsbereich, die lediglich Heizenergie benötigen, fallen unter den Sektor Gebäude.

Vor dem Hintergrund des langen Zeithorizonts scheint es wichtig, dass der Bundesrat reagieren kann, wenn sich beispielsweise wissenschaftliche Grundlagen oder internationale Vorgaben ändern. Dies betrifft insbesondere die Grundlagen und Metriken für die Beurteilung der Klimawirkung der einzelnen Treibhausgase. Der Bundesrat wird diese Grundlagen jeweils im Einklang mit den neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen nachführen. Es ist daher sinnvoll, eine Bestimmung einzuführen, wonach der Bundesrat beispielsweise Richtwerte für weitere Sektoren wie zum Beispiel die Land-

30

SR 641.711

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wirtschaft, die internationale Luftfahrt oder für Negativemissionstechnologien festlegen kann. Absatz 2 nimmt dieses Anliegen auf. Sollten sich aufgrund der neuen Erkenntnisse eine Anpassung der Richtwerte gemäss Buchstaben a­c aufdrängen, wäre eine Gesetzesrevision nötig.

Eine Minderheit will in Absatz 1 einen zusätzlichen Buchstaben d aufnehmen und Richtwerte für den Sektor Landwirtschaft verankern. Eine weitere Minderheit will ab 2027 CO2-Grenzwerte für Altbauten in Kantonen einführen, welche die Richtwerte gemäss Absatz 1 Buchstabe a voraussichtlich nicht einhalten können.

Eine weitere Minderheit will Artikel 4 streichen.

Art. 5

Fahrpläne für Unternehmen und Branchen

Absatz 1 hält den Grundsatz fest, dass alle Unternehmen für ihre direkten und indirekten Emissionen spätestens im Jahr 2050 Netto-Null-Emissionen aufweisen müssen. Netto-Null bedingt gemäss Definition in Artikel 2 Buchstabe d, dass die Wirkung nicht vermeidbarer Emissionen durch Negativemissionstechnologien ausgeglichen wird. Unternehmen können aber auch die Emissionen nach Scope 3 für das NettoNull-Ziel berücksichtigen. Angesprochen sind in diesem Absatz Unternehmen aus der Industrie, dem Gewerbe und der Dienstleistung, nicht aber Landwirtschaftsbetriebe.

Im Hinblick auf diese langfristige Zielsetzung ist es sinnvoll, wenn Unternehmen oder Branchen einen Fahrplan zur Erreichung von Netto-Null-Emissionen aufstellen. Dies soll aber freiwillig sein (Abs. 2). Es soll möglich sein, dass bei homogenen Branchen ein einziger Fahrplan erstellt wird, den alle Unternehmen ebendieser Branche nutzen können. Mit der Vorlage sollen die Rahmenbedingungen vom Bund aufgebaut werden, damit sich Unternehmen und Branchen, die bereits bis zum Jahr 2029 einen solchen Fahrplan zur Erreichung von Netto-Null erstellen, beraten und begleiten lassen können (Abs. 3). Der Bund stellt dafür einheitliche Grundlagen (Dokumenten, Methodiken, etc.) und fachkundige Beratungsleistungen sicher. Die Fahrpläne beziehen sich auf die Emissionen in der Schweiz, dürfen und sollen aber auch auf Emissionen im Ausland angewendet werden. International anerkannte Standards wie beispielsweise die «Science Based Targets» und die branchenspezifischen Empfehlungen der «Task Force on Climate Related Financial Disclosure» können berücksichtigt werden.

Eine Minderheit will in Absatz 1 festhalten, dass Unternehmen angehalten sind, bis zum Jahr 2050 ihre Treibhausgasemissionen so weit wie möglich zu reduzieren. Dabei sollen sie insbesondere die neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse sowie die Verfügbarkeit neuer Technologien berücksichtigen.

Art. 6

Förderung von neuartigen Technologien und Prozessen zur Verminderung von Treibhausgasen

Unternehmen, die über einen Fahrplan nach Artikel 5 Absatz 2 verfügen, können für die Umsetzung dieses Fahrplans oder einzelner Massnahmen davon Finanzhilfen beantragen, wenn die Zusicherung dafür bis spätestens im Jahr 2030 erfolgt (Early-Movers). Unterstützt werden nur neuartige Technologien und Prozesse (im Innovationszyklus Phasen 4­6), sprich solche, die entweder einen innovativen Charakter haben oder aber zwar bereits bestehen, sich aber in der Praxis noch nicht breit durchgesetzt 25 / 44

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haben (Abs. 1). So sind beispielsweise normale und erprobte Wärmepumpen nicht förderbar, hingegen Hochtemperaturwärmepumpen schon.

Es sind Finanzhilfen jeglicher Form denkbar, beispielsweise à-fonds-perdu-Beiträge, Absicherungen oder rückzahlbare Subventionen. Die Vergabe kann gestützt auf wettbewerbliche Ausschreibungen durchgeführt werden. Dafür werden bestehende Fördergefässe genutzt (Abs. 2). So soll die Bildung einer parallelen Förderstruktur vermieden und stattdessen auf gut etablierte Förderinstrumente und bestehendes Knowhow aufgebaut werden. Auch die Voraussetzungen für die Vergabe der Mittel sind in den jeweiligen Rechtserlassen geregelt. Sollte eine Massnahme materiell-rechtlich nicht unter eine der genannten Rechtsgrundlagen fallen, stellt Absatz 1 eine eigenständige, zusätzliche Rechtsgrundlage für eine entsprechende Erweiterung der Förderung in den bestehenden Gefässen dar (z.B. Förderzweck).

Der Bundesrat hat näher zu regeln, welche Massnahmen unter welchen Voraussetzungen Anspruch auf eine Förderung haben. Finanzhilfen sollen nur für effektiv emissionsvermindernde Massnahmen ausgerichtet werden, welche für die Erreichung von Netto-Null-Emissionen im Unternehmen zentral sind (Abs. 3 Bst. a). Da die Förderung befristet ist und eingegangene Gesuche die verfügbaren Mittel nicht zu lange blockieren sollen, kann er zudem Umsetzungsfristen vorsehen (Abs. 3 Bst. b).

Der erste Teil von Absatz 4 hält fest, dass keine Beiträge für Massnahmen ausgerichtete werden, die bereits anderweitig gefördert werden. Dass eine einzelne Massnahme mit einer spezifischen Wirkung nicht doppelt gefördert werden darf, entspricht einem Grundsatz des Subventionswesens; vgl. dazu Artikel 12 des Subventionsgesetzes vom 5. Oktober 1990 (SuG)31. Die Ausstellung von Bescheinigungen im Rahmen von Kompensationsprojekten gilt als Subvention, weshalb für Kompensationsprojekte keine Förderbeiträge nach Artikel 6 ausgerichtet werden können. Im Bereich des CO2Gesetzes gibt es aber auch Vorschriften, die Unternehmen zu gewissen Massnahmen verpflichten und wo mangels einer Subvention Artikel 12 SuG keine Anwendung findet. Eine solche Massnahme, die aufgrund einer gesetzlichen Pflicht ergriffen wird, darf nicht gefördert werden, da es sich um einen reinen Mitnahmeeffekt handeln würde. Der zweite Teil von Absatz 4 legt deshalb
fest, dass Massnahmen, die in einem Verminderungsinstrument insbesondere der CO2-Gesetzgebung (wie das EHS oder die Verminderungsverpflichtungen) eingebunden sind ebenfalls nicht nach Artikel 6 gefördert werden dürfen.

Dies schliesst aber selbstverständlich nicht aus, dass wenn eine Verminderungswirkung nur durch das Zusammenspiel verschiedener Massnahmen (und verschiedener Akteure) erzielt werden kann, jede einzelne dieser Massnahmen grundsätzlich förderberechtigt ist.

Um den Early-Movers bis Ende 2030 gemäss Absatz 1 Finanzhilfen zusichern zu können, spricht die Bundesversammlung mit einem einfachen Bundesbeschluss einen Verpflichtungskredit (Abs. 5). Dieser soll für sechs Jahre im Umfang von 1,2 Milliarden Franken eingerichtet werden (Art. 1 des Bundesbeschlusses über die Finanzierung der Förderung von neuartigen Technologien und Prozessen). Der Verpflichtungskredit soll ab Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Ziele im Klimaschutz 31

SR 616.1

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gelten. Da die Unternehmen und Branchen zuerst Fahrpläne erstellen müssen, bevor sie eine Förderung erhalten können, wird der Grossteil der zur Verfügung stehenden Gelder wohl erst gegen Ende der Förderperiode verpflichtet werden können. Die bis Ende 2030 nicht verpflichteten Mittel gehen zurück in den Bundeshaushalt.

Art. 7

Absicherung von Risiken

Mit einem Teil der nach Artikel 6 Absatz 5 bereitgestellten finanziellen Mittel sollen auch öffentliche Infrastrukturbauten unterstützt werden, wenn diese für die Erreichung des Netto-Null-Ziels notwendig sind. Darunter können beispielsweise Infrastrukturen wie thermische Netze oder CO2-Pipelines und geologische CO2-Speicher fallen.

Die Unterstützung soll dabei in Form einer finanziellen Risikoabsicherung erfolgen und über den bestehenden Technologiefonds abgewickelt werden. Dies hat zwei Gründe. Zum einen sind in den meisten Fällen die Gemeinden und Kantone für die Finanzierung dieser Infrastrukturen verantwortlich. Zum anderen sind die notwendigen Investitionssummen im Bereich der Infrastrukturen sehr hoch und können nicht mit genügend Mitteln bedient werden. Mit einem Absicherungsinstrument für finanzielle Risiken kann man eine Hebelwirkung mit dem eingesetzten Geld erzielen. Die Höhe der Risikoabsicherungen wird in Ausführungsbestimmungen zu regeln sein. Die Risikoabsicherung soll sowohl zeitlich als auch in der Höhe begrenzt werden.

Art. 8

Ziel zur Anpassung an den Klimawandel

Die Anpassung an die nachteiligen Auswirkungen des Klimawandels ist eine Verbundaufgabe, die vom Bund und von den Kantonen gemäss ihren Kompetenzen gemeinsam angegangen werden muss (Abs. 1).

Der Bundesrat hat in seiner Strategie «Anpassung an den Klimawandel»32 die Ziele für die Anpassung an den Klimawandel festgelegt. Dabei handelt es sich insbesondere um die Vermeidung der Zunahme von klimabedingten Schäden an Menschen und Sachwerten33 (vor allem die Minimierung der Risiken, das Nutzen von Chancen und die Steigerung der Anpassungsfähigkeit). Dieser Grundsatz ist im Einleitungssatz von Absatz 2 festgehalten. Die zu treffenden Massnahmen sollen auf dieses Ziel ausgerichtet sein. Im Vordergrund stehen Massnahmen zur Vermeidung von klimabedingten Schäden an Menschen und Sachwerten einerseits durch die Zunahme von Häufigkeit und Intensität von Extremereignissen wie Starkniederschläge oder Hitzewellen (Abs. 2 Bst. b), und andererseits durch den Anstieg der durchschnittlichen Temperatur und die Veränderung von Niederschlägen, die beispielsweise die Standorteignung von Kulturpflanzen oder die Schneesicherheit in Skigebieten beeinträchtigen können (Abs. 2 Bst. a). So leidet beispielsweise die Fichte zusehends unter der zunehmenden Sommertrockenheit, was dazu führen kann, dass beispielsweise Schutzwälder ihre Schutzfunktion nicht mehr erfüllen können. Schliesslich präzisiert Absatz 2 Buchstabe c, dass auch Massnahmen zur Vermeidung von Schäden durch Veränderungen 32 33

vgl. www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/klima/publikationen-studien/publikationen/anpassung-klimawandel-schweiz-aktionsplan-2020-2025.html Zu den Sachwerten zählen auch die natürlichen Lebensgrundlagen.

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der Lebensräume und der Artenzusammensetzung notwendig sind. Dazu gehört beispielsweise die Verbreitung von Schadorganismen und invasiven Arten.

Die in der Schweiz getroffenen Anpassungsmassnahmen sollen den Grundsätzen der Anpassungsstrategie genügen, bei der unter anderem die Nachhaltigkeit, das gemeinschaftliche Vorgehen von Bund, Kantonen, Gemeinden und Privaten, die Vereinbarkeit der Anpassungen mit dem Klimaschutz und die Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse im Vordergrund stehen.

Art. 9

Ziel zur klimaverträglichen Ausrichtung der Finanzmittelflüsse

Der erste Satz von Absatz 1 hält fest, dass der Bund dafür sorgt, dass der Schweizer Finanzplatz einen effektiven Beitrag zu einer emissionsarmen und gegenüber Klimaänderungen widerstandsfähigen Entwicklung leistet. Dies steht im Einklang mit dem Bericht des Bundesrats «Nachhaltigkeit im Finanzsektor Schweiz. Eine Auslegeordnung und Positionierung mit Fokus auf Umweltaspekte» vom 24. Juni 202034. Dort hat der Bundesrat das Ziel formuliert, dass der Schweizer Finanzplatz ein global führender Standort für nachhaltige Finanzdienstleistungen sein soll. Zu diesem Zweck sind die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes kontinuierlich verbessert wird und gleichzeitig der Schweizer Finanzplatz einen effektiven Beitrag zur Nachhaltigkeit, insbesondere zur Erreichung der Klimaziele leisten kann.

Der zweite Satz von Absatz 1 präzisiert, dass die zu treffenden Massnahmen insbesondere zur Verminderung der Klimawirkung von nationalen und internationalen Finanzmittelflüssen durch relevante Aktivitäten des Schweizer Finanzplatzes beitragen sollen.

Der Bundesrat kann gemäss Absatz 2 Vereinbarungen mit den Finanzbranchen abschliessen. Mit diesen Branchenvereinbarungen für eine klimaverträgliche Ausrichtung der Finanzflüsse würden sich die verschiedenen Finanzbranchen (Versicherungsunternehmen, Vorsorgeeinrichtungen, Banken und Vermögensverwaltende), vertreten durch ihre Verbände, zu konkreten Zielen und klimawirksamen Massnahmen verpflichten. Dabei wird der jeweiligen Ausgangslage der Finanzbranchen und des Verbandes Rechnung getragen.

Eine Minderheit will in Absatz 2 die Branchenvereinbarungen verbindlicher regeln, indem der Bundesrat mit den Finanzbranchen Vereinbarungen abschliessen muss.

Eine weitere Minderheit will Artikel 9 streichen.

Art. 10

Vorbildfunktion von Bund, Kantonen und Gemeinden

Bund, Kantone und Gemeinden sollen betreffend die Klimaziele der Schweiz eine Vorreiter- und Vorbildfunktion einnehmen (Abs. 1). Dies bezieht sich auf die Verminderung der Treibhausgasemissionen wie auch auf die Anwendung von Negativemissionstechnologien für schwer vermeidbare Emissionen und die Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels.

34

vgl. www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/61902.pdf

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Der Bund nimmt seine Vorbildfunktion wahr, indem er dafür sorgt, dass die zentrale Bundesverwaltung bereits bis zum Jahr 2040 Netto-Null-Emissionen aufweist. Dabei werden gemäss Absatz 2 neben den direkten (Scope 1) und indirekten Emissionen aus der eingekauften Energie (Scope 2) auch die Emissionen berücksichtigt, die vor- und nachgelagert durch Dritte verursacht werden (Scope 3). Die Emissionen nach Scope 3 werden über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts oder einer Leistung betrachtet. So werden die Emissionen von der Herstellung über die Nutzung bis hin zur Entsorgung oder Wiederverwertung eines Produkts oder einer Leistung erfasst und gewähren eine gesamtheitliche Betrachtung der durch die Verwaltung verursachten Emissionen. Bei den nachgelagerten Prozessen liegt der Fokus auf Unterhalt und Entsorgung, nicht auf der Nutzung von öffentlichen Bauten. Mit den vorgelagerten Prozessen ist auch die öffentliche Beschaffung mitgemeint.

Der Bundesrat legt die Massnahmen fest, mit welchen die zentrale Bundesverwaltung ihr Ziel erreichen soll. Dies wird insbesondere Massnahme umfassen zur: ­

Reduktion und Vermeidung von Dienstreisen mit dem Flugzeug;

­

Umstellung der Fahrzeugflotte von fossil betriebenen auf nicht fossil betriebene Fahrzeuge;

­

Energetische Sanierung des Gebäudeparks der Bundesverwaltung sowie den Verzicht auf und den Ersatz von fossil betriebenen Heizungen und Elektroheizungen;

­

Pflicht zur Nutzung des öffentlichen Verkehrs für Dienstreisen und gegebenenfalls auch für den Arbeitsweg;

­

Ausstattung der Bundesbauten und -infrastrukturen mit Anlagen zur Produktion von erneuerbaren Energien und Ladestationen für Elektrofahrzeuge; und

­

Optimierung von Betrieben und Abläufen.

Der Bundesrat wird fortlaufend zu prüfen haben, ob die oben genannte Massnahmen für die Zielerreichung durch andere abgelöst oder ergänzt werden müssen. Dafür stehen ihm das Raum- und Umweltmanagement RUMS VBS im VBS sowie das Ressourcen- und Umweltmanagement RUMBA in der weiteren Bundesverwaltung zur Verfügung. Er kann Ausnahmen vorsehen, wenn diese Massnahmen die Landessicherheit oder den Schutz der Bevölkerung gefährden würden (zum Beispiel Ausnahmen für die Armee, für den Zivilschutz oder für die Polizei). Zudem informiert er regelmässig die Bundesversammlung über den Stand der Zielerreichung (Abs. 3).

Gemäss Absatz 4 sollen die Kantone für ihre zentralen Verwaltungen und die bundesnahen Betriebe ebenfalls eine Vorbildfunktion wahrnehmen und ebenfalls bis zum Jahr 2040 Netto-Null anstreben. Die Festlegung und Umsetzung der dazu notwendigen Massnahmen obliegt ihnen, der Bund unterstützt sie im Rahmen der Initiative Vorbild Energie und Klima mit einheitlichen Dokumenten und Methoden. Die Bundesversammlung wird prüfen, ob den bundesnahen Betrieben in den jeweiligen Spezialgesetzen (z.B. Postgesetz35 oder Bundesgesetz über die Schweizerischen Bundesbahnen36) verbindliche Ziele vorgegeben werden sollen.

35 36

SR 783.0 SR 742.31

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Eine Minderheit will in Absatz 1 die Vorbildfunktion in Bezug auf die Erreichung von Netto-Null Emissionen auf Bund und Kantone beschränken, ohne Erwähnung der Gemeinden.

Art. 11

Umsetzung der Ziele

Für die Umsetzung der Ziele nach diesem Gesetz ist es notwendig, bestehende Massnahmen zu verschärfen und neue einzuführen. Gemäss Absatz 1 soll der Bundesrat der Bundesversammlung nach vorgängiger Anhörung der betroffenen Kreise und unter Berücksichtigung der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse rechtzeitig Vorschläge machen. Dabei ist er verpflichtet, Gesetzesrevisionen für die Zeit von 2025­ 2030 (Bst. a), 2031­2040 (Bst. b) und 2041­2050 (Bst. c) vorzulegen. Die Kernregulierung soll dabei das CO2-Gesetz bleiben (Abs. 2).

Mit dieser Taktung kann der Bundesrat auf neueste nationale und internationale Entwicklungen reagieren und die Zielerreichung für das Jahr 2050 sicherstellen.

Die Vorschläge des Bundesrates sollen auf eine Stärkung der Volkswirtschaft und auf Sozialverträglichkeit ausgerichtet sein. (Abs. 3).

Absatz 4 präzisiert, dass sich Bund und Kantone im Rahmen ihrer Zuständigkeiten im Inland und im internationalen Verhältnis für die Begrenzung der Risiken und Auswirkungen der Klimaveränderung entsprechend den Zielen dieses Gesetzes einsetzen sollen.

Eine Minderheit will Absatz 4 streichen. Eine weitere Minderheit will in einem neuen Absatz 5 den Bundesrat verpflichten, die Zielwerte bei den Emissionsvorschriften von neuen Personen- und Nutzfahrzeugen bis hin zu 0 Gramm CO2/km abzusenken und Vorschriften für den Einsatz erneuerbaren Treibstoffen zu erlassen. Eine Minderheit will Artikel 11 streichen.

Art. 12

Verhältnis zu anderen Erlassen

Auch Vorschriften anderer Bundeserlasse sowie kantonaler Erlasse, insbesondere in den Bereichen CO2, Umwelt, Energie, Raumplanung, Finanz-, Land-, Wald- und Holzwirtschaft, Strassen- und Luftverkehr sowie Mineralölbesteuerung, sind so auszugestalten und anzuwenden, dass sie zur Erreichung der Ziele nach diesem Gesetz beitragen (Abs. 1).

Wo eine besondere Ausgangslage für Berg- und Randgebiete besteht, soll nach Möglichkeit eine zusätzliche Unterstützung vorgesehen werden (Abs. 2).

Art. 13

Vollzug

Der Bundesrat vollzieht dieses Gesetz, namentlich bei der Umsetzung der Massnahmen in den Artikeln 5, 6 und 7 (Abs. 1). Ausserdem erlässt der Bundesrat die Ausführungsbestimmungen.

Er kann für bestimmte Aufgaben die Kantone oder private Organisationen beiziehen (Abs. 2).

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Art. 14

Änderung bisherigen Rechts

Die Änderung bisherigen Rechts wird im Anhang geregelt. Mit dieser Vorlage wird das Energiegesetz geändert.

Art. 15

Referendum und Inkrafttreten

Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum (Abs. 1). Es ist im Bundesblatt zu publizieren, sobald die Volksinitiative «Für ein gesundes Klima (Gletscher-Initiative)» zurückgezogen oder abgelehnt worden ist (Abs. 2). Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten (Abs. 3).

3.2

Energiegesetz

Art. 50a

Sonderprogramm zum Ersatz von Heizungsanlagen

Der Bund soll mit einem zehnjährigen Sonderprogramm den Ersatz von fossilen Heizungsanlagen, elektrischen Widerstandsheizungen und Warmwasseraufbereitungsanlagen fördern (Abs. 1).

Damit nicht ein neues Fördergefäss geschaffen werden muss, wird dieses Sonderprogramm als Ergänzung des bestehenden Gebäudeprogramms ausgestaltet, das sich auf Artikel 34 des geltenden CO2-Gesetzes37 abstützt (Abs. 2). Ein vergleichbares Impulsprogramm für den Heizungsersatz hat auch der Bundesrat in der Vernehmlassung zur Revision des CO2-Gesetz für die Zeit nach 2024 zur Diskussion gestellt. Dem vorliegenden Sonderprogramm stehen jedoch mehr Mittel zur Verfügung (bis zu 200 Millionen Franken jährlich), und es dauert länger (10 Jahre statt bis Ende 2030). Ausserdem werden die zusätzlichen Mittel nicht global als Sockelbeiträge pro Einwohner an die Kantone ausgerichtet, sondern es werden Bundesbeiträge an die Kantone im Umfang der bewilligten Gesuche geleistet. Die Fördersätze legt der Bundesrat gestützt auf Artikel 50b Absatz 2 fest.

Der Bundesrat legt fest, inwieweit diese Beiträge kumulierbar mit anderen kantonalen und kommunalen Förderungen sein sollen, damit diese zusätzliche Förderung mit grösstmöglicher Wirkung in die bestehenden kantonalen Förderprogramme eingebettet wird (Abs. 3).

Da das Sonderprogramm eine Erweiterung des Gebäudeprogramms darstellt, sieht Absatz 4 folgerichtig vor, dass ebenfalls die Kantone mit dem Vollzug betraut werden sollen.

Nebst dem Heizungsersatz soll auch die effiziente Nutzung der durch die Heizungen produzierten Wärme unterstützt werden. Der Gesetzesentwurf sieht daher vor, dass der Bund für Massnahmen an Gebäuden, bei denen parallel zum Heizungsersatz eine Verbesserung des Wärmeschutzes vorgenommen wird, Bürgschaften sprechen kann (Abs. 5).

Eine Minderheit will Artikel 50a streichen.

37

SR 641.71

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Art. 50b

Umfang und Modalitäten der Förderung gemäss Sonderprogramm zum Ersatz von Heizungsanlagen

Der Ersatz der in Artikel 50a Absatz 1 genannten Heizungen kann für erneuerbare Wärmequellen, für Wärmepumpen oder für den Anschluss an ein Fernwärmenetz finanziell unterstützt werden. Förderberechtigt ist der Gebäudeeigentümer (Abs. 1).

Auf Verordnungsebene werden pauschale Förderbeiträge und Bürgschaftsbeiträge festgelegt. Da die in Absatz 1 genannten Möglichkeiten allenfalls nur zusammen mit der Verbesserung einer ungenügenden Dämmung oder der Neuerstellung eines Wärmeverteilsystems Sinn ergeben, werden diese Umstände, ebenso wie die Zahl der betroffenen Wohneinheiten, bei der Festlegung der Beiträge berücksichtigt (Abs. 2).

Bei einer grossen Nachfrage nach Fördermitteln sollen Wartelisten geführt werden (Abs. 3). Nach Absatz 4 kann der Bundesrat vom subventionsrechtlichen Grundsatz, dass die Arbeiten erst dann aufgenommen werden dürfen, wenn der Gesuchstellerin oder der Gesuchsteller die Zusage für die Förderbeiträge erhalten hat (vgl. Art. 26 SuG), abweichen und Ausnahmen vorsehen (Abs. 4).

Eine Minderheit will Artikel 50b streichen.

Art. 52a

Sonderprogramm zum Ersatz von Heizungsanlagen

Der Bund stellt für das Sonderprogramm nach Artikel 50a jährlich höchstens 200 Millionen Franken pro Jahr bereit (Abs. 1), mit denen Gebäudeeigentümer ab Inkrafttreten des Gesetzes während zehn Jahren beim Ersatz von Heizungsanlagen finanziell unterstützt werden können. Dafür wird gemäss Absatz 2 mit einem einfachen Bundesbeschluss ein Verpflichtungskredit von 2 Milliarden Franken beantragt (Art. 1 des Bundesbeschlusses über die Finanzierung des Sonderprogramms zum Ersatz von Heizungsanlagen). Der Verpflichtungskredit wird auf zehn Jahre befristet. Er soll ab Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Ziele im Klimaschutz gelten. Tritt das Gesetz auf Anfang 2025 in Kraft, verbleiben die bis Ende 2034 nicht verpflichteten Mittel im Bundeshaushalt.

Eine Minderheit will Artikel 52a streichen.

Art. 53 Abs. 2 erster Satz und Abs. 2bis und 3 Bst. a Die Änderungen betreffen die Finanzhilfen nach Artikel 49 Absatz 2 EnG, d.h. insbesondere die Finanzhilfen für Pilot- und Demonstrationsprojekte. Neu werden die Beitragssätze von 40 auf 50 Prozent erhöht (Absatz 2bis). Damit kann der Bund bis zur Hälfte des finanziellen Risikos von Pilot- und Demonstrationsprojekten übernehmen, damit neu entwickelte Technologien, die für die Umsetzung der Energie- und Klimapolitik nötig sind, den Sprung von der Forschung in den Markt schaffen. Insbesondere KMU, die über 80 Prozent der Unternehmen der Schweizer Wirtschaft ausmachen, sind aufgrund des oft fehlenden Zugangs zum Kapitalmarkt in dieser frühen Phase auf Unterstützung angewiesen. Mit der Erhöhung der Beiträge werden die Sätze des Pilot- und Demonstrationsprogramms den Fördersätzen vergleichbarer Förderprogramme angeglichen, z.B. der Förderung von Innovationsprojekten durch die Innosuisse, die bis zu 50 Prozent der Projektkosten übernehmen kann.

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Für Pilotprojekte, die technologisch weniger ausgereift sind und grössere technische und finanzielle Risiken beinhalten, kann der Beitragssatz neu ausnahmsweise 70 statt wie heute 60 Prozent betragen (ebenfalls Abs. 2bis). Voraussetzung dafür ist, dass der Bund ein besonderes Interesse an dem Projekt hat und das Kosten-Nutzen-Verhältnis vorteilhaft ist. Die Ausnahmeregelung erlaubt es, Projekte in einer kritischen Phase besonders zu unterstützen, wenn die Risiken für Investorinnen und Investoren nach wie vor zu gross sind.

Die finanzielle Unterstützung für Pilot- und Demonstrationsprojekte soll sich auf jene Aspekte eines Projektes konzentrieren, für die ein «innovatives» Risiko besteht. Als anrechenbare Kosten gelten deshalb die nicht amortisierbaren Anteile der Kosten, die direkt im Zusammenhang mit der Entwicklung und Erprobung der innovativen Aspekte des Projektes stehen (Abs. 3 Bst. a).

Da die Finanzhilfen für Artikel 49 Absatz 2 neu in Absatz 2bis geregelt werden, muss in Absatz 2 der erste Satz angepasst werden: Neu wird hier auf die Artikel 47, 48 und 50 EnG verwiesen.

Der Bundesrat hat für die Revision des CO2-Gesetzes, über die vom 17. Dezember 2021 bis am 4. April 2022 eine Vernehmlassung stattfand, bereits ebenfalls eine Anpassung von Artikel 53 EnG vorgeschlagen, um die Reichweite des Pilot- und Demonstrationsprogramms zu erhöhen. Nun wird das Anliegen auch in den vorliegenden Erlassentwurf integriert, weil die Änderung insbesondere auch die Förderung nach Artikel 6 des vorliegenden Erlassentwurfes unterstützen kann. Sie wird vorliegend als Fremderlassänderung aufgenommen, damit sichergestellt ist, dass sie spätestens zusammen mit Artikel 6 in Kraft tritt.

4

Auswirkungen

4.1

Auswirkungen auf die Treibhausgasemissionen

Die Auswirkungen auf die Treibhausgasbilanz der Schweiz sind durch die konkreten Ziele im Rahmengesetz vorgezeichnet. Bis 2050 soll die Klimabilanz ausgeglichen und ab 2050 die Atmosphäre gesamthaft entlastet werden, indem mehr CO2 abgeschieden und gespeichert wird, als Treibhausgase ausgestossen werden. An den gesetzlich festgelegten Zwischenzielen für die Dekaden 2031­2040 und 2041­2050 sowie für das 2040 müssen sich die zukünftigen Massnahmengesetze verbindlich ausrichten. Die klimapolitischen Instrumente sind zudem so auszugestalten, dass die Richtwerte für die einzelnen Sektoren in der Tendenz ­ d.h. ungeachtet von Schwankungen aufgrund der Witterung oder der Wirtschaftsleistung ­ eingehalten werden.

Die Zwischenziele stecken auch den Rahmen für zukünftige Eingaben der Schweiz unter dem Übereinkommen von Paris ab. Bis 2030 hat sich die Schweiz verpflichtet, die Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 zu halbieren und im Durchschnitt über die Jahre 2021­2030 um 35 Prozent zu senken. Diese beiden Ziele sollen in das erste Massnahmengesetz als Vorgabe für die Ausgestaltung der Instrumente übernommen werden. Eine entsprechende Revision des CO2-Gesetzes hat der Bundesrat in einer Vernehmlassung, die vom 17. Dezember 2021 bis 4. April 2022 dauerte, zur Diskussion gestellt. Bis 2030 vermindert die Vorlage die Treibhausgasemissionen innerhalb 33 / 44

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der Schweiz bis 2030 um insgesamt 33,2 Prozent gegenüber 1990, bei Gebäuden um 54 Prozent, beim Verkehr um 27 Prozent und in der Industrie um 28 Prozent.

Den Bedarf an Negativemissionstechnologien (NET) im Jahr 2050 schätzt der Bundesrat in seiner langfristigen Klimastrategie auf knapp 7 Millionen Tonnen CO2, wovon 2 Millionen im Inland realisiert werden könnten. Der Aufbau der NETKapazitäten im In- und Ausland wird jedoch viel Zeit beanspruchen und erst ab 2040 erstmals eine namhafte Menge von 0,7 Millionen Tonnen erreichen. Der Verband Schweizerischer Abfallverwertungsanlagen (VBSA) hat sich in einer am 16. März 2022 unterzeichneten Vereinbarung mit dem UVEK verpflichtet, in einer Anlage bis 2030 mindestens 0,1 Millionen Tonnen CO2 abzuscheiden und einzulagern, wobei nur der biogene Anteil negative Emissionen erzeugt. Ein CO2-Kompetenzzentrum für eine Pilotanlage bei der KVA Linth unterstützt der Bund über die Umwelttechnologieförderung des BAFU.

Das Rahmengesetz erlaubt, innovative Projekte und Pilotanlagen in einem grösseren Umfang zu fördern und auch die insbesondere im Kontext der NET und auch von CCS nötigen Infrastrukturen finanziell abzusichern, und schafft damit die Voraussetzung, dass entsprechende Kapazitäten aufgebaut werden können. Für die Dekarbonisierung der Industrie sind die Technologien derzeit oft noch nicht genügend ausgereift oder erprobt, um die Emissionen auf ein Minimum senken zu können. Die in Artikel 6 vorgesehene Förderung zielt darauf ab, die Entwicklung neuartiger Technologien und Prozesse zu fördern und so die Emissionen zu senken. Das damit verbundene Reduktionspotenzial hängt stark von der Nutzung des entsprechenden neuen Instruments ab; eine Wirkungsabschätzung ist daher schwierig.

Im Unterschied dazu sind die klimafreundlichen Alternativen für die Beheizung von Gebäuden verfügbar. Die Förderung für den Ersatz von fossilen Heizsystemen und die Absicherungen für eine besser isolierte Gebäudehülle in Ergänzung zum Gebäudeprogramm zielen darauf ab, die finanziellen Hemmnisse abzubauen, die einer flächendeckenden Diffusion entgegenstehen. Mit 200 Millionen Franken an zusätzlichen Fördermitteln können pro Jahr rund 10 000 Heizungen mehr ersetzt und somit jährlich eine CO2-Wirkung von 0,1 Millionen Tonnen erzielt werden, was im Jahr 2034 eine Verminderung von 1 Million
Tonnen CO2 und kumuliert über 10 Jahre 5,5 Millionen Tonnen CO2 ergibt.

Die Initiative «Vorbild Energie und Klima» des Bundes erzielte zwischen 2006 und 2020 eine Verminderung von knapp 0,4 Millionen Tonnen CO2; einschliesslich Fernwärme und Strom (Scope 2). Mit dem «Klimapaket Bundesverwaltung» hat der Bundesrat der zivilen Bundesverwaltung bis 2030 ein Verminderungsziel von mindestens 50 Prozent gegenüber 2006 und dem VBS von 40 Prozent gegenüber 2001 gesetzt.

Die verbleibenden Emissionen müssen seit 2020 kompensiert werden. Für die Kompensation im Ausland nach den Regeln des Übereinkommens von Paris hat der Bundesrat am 11. März 2022 das Konzept und den Finanzierungsrahmen vorgegeben.

Verschiedene klimapolitische Massnahmen, die zur Erreichung des Netto-Null-Ziels eingesetzt werden könnten, bewirken jedoch weitere (sekundäre) Umwelteffekte. So führen die energetische Sanierung von Gebäuden und der Ersatz von fossilen Brennund Treibstoffen durch schadstofffreie Energien gleichzeitig zur Reduktion von Luft-

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schadstoffen wie Stickoxid, Kohlenmonoxid, Feinstaub und Ozon. Dadurch reduzieren sich luftverschmutzungsbedingte Erkrankungen, Todesfälle und Gesundheitskosten, aber auch Schäden an Gebäuden. Bei der Verbrennung von Biomasse lässt sich nur dann eine positive Bilanz bei der Luftqualität aufweisen, wenn sie in Anlagen mit geringem Feinstaubausstoss erfolgt. Weitere umweltrelevante Sekundäreffekte von Klimaschutzmassnahmen sind Auswirkungen auf die Lärmemissionen, die Bodenqualität oder die Biodiversität. Im Verkehr beziffern sich die heutigen externen Effekte durch Luftverschmutzung auf 4 Milliarden Franken, durch Lärmemissionen auf 2,7 Milliarden Franken und durch Schäden an Natur und Landschaft auf 1,2 Milliarden Franken.38

4.2

Volkswirtschaftliche Auswirkungen

Die Absenkung der Emissionen bis 2050 auf Netto-Null bedingt, dass bereits heute die Investitionen auf dieses Ziel ausgerichtet sind. Werden die Erneuerungszyklen konsequent genutzt, um Anlagen, Fahrzeuge und Heizsysteme durch CO2-ärmere Technologien zu ersetzen, können vielfach Betriebskosten eingespart und teure Fehlinvestitionen vermieden werden. Bereits heute sind verschiedene erneuerbare Alternativen, etwa im Bereich Elektromobilität oder Wärmeerzeugung, konkurrenzfähig.

Die Anstrengungen müssen in allen Bereichen weiter verstärkt werden, damit die Emissionen in jedem Sektor so umfassend wie möglich gesenkt werden können. Investitionen in die Effizienzsteigerung zahlen sich aufgrund der Einsparungen oft innert weniger Jahre aus. Die Verfolgung des Netto-Null-Ziels umfasst aber auch den Aus- und Umbau der heutigen, noch stark durch fossile Energieträger bestimmten Energieversorgung, inklusive Netzinfrastruktur, sowie Investitionen in Negativemissionstechnologien.

Modellergebnisse aus den Energieperspektiven 2050+ zeigen, dass bis 2050 auf jeden Fall zusätzliche Investitionen in das Energiesystem in Höhe von 1 400 Milliarden Franken notwendig sind, auch ohne das Ziel Netto-Null. Mit dem Ziel Netto-Null bis 2050 nimmt der Investitionsbedarf um insgesamt 109 Milliarden Franken und damit um 8 Prozent zu.39 Die Kosten für den Betrieb der Anlagen zur Energieversorgung erhöhen sich um rund 14 Milliarden Franken. Gleichzeitig ermöglicht Netto-Null durch den Wegfall der Importe fossiler Energieträger Einsparungen bei den Energiekosten von 50 Milliarden Franken. Aus der Differenz zwischen den notwendigen Mehrinvestitionen und den eingesparten Energiekosten fallen damit jährliche direkte volkswirtschaftliche Kosten in der Grössenordnung von 2,4 Milliarden Franken im Zeitraum 2020­2050 an.40 Durch den Umbau des Energieversorgungssystems und weitere Anpassungen in den Produktionssystemen, die zur umfassenden Emissionsreduktion notwendig sind, verändert sich auch die sektorale Struktur der Produktion und Wertschöpfung und damit 38 39 40

Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) (2020): Externe Kosten und Nutzen des Verkehrs in der Schweiz. Strassen-, Schienen-, Luft- und Schiffsverkehr.

Prognos/TEP Energy/Infras/Ecoplan (2020), S. 89.

Prognos/TEP Energy/Infras/Ecoplan (2020), S. 88.

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der Beschäftigung. Massnahmen der Klimapolitik führen zu einer Verschiebung weg von CO2-intensiven Produkten und Prozessen. Sie führen in verstärktem Ausmass zu einer verursachergerechten Anlastung der externen Kosten des Verbrauchs fossiler Energien.

Im Hinblick auf den Aussenhandel spielt das internationale Umfeld eine wichtige Rolle: Die Schweiz fügt sich mit ihrer Ambition, bis 2050 Treibhausgasemissionen von Netto-Null zu erreichen, in jene ihrer wichtigsten Handelspartner ein. Eine Abnahme der Wettbewerbsfähigkeit der einheimischen Industrie und dadurch ausgelöste sektorale Aussenhandelseffekte sind deshalb nicht zu erwarten. Ambitionierte Klimaziele fördern die technische Innovation, wovon Länder profitieren können, die sich frühzeitig um die Entwicklung von Zukunftstechnologien kümmern. Damit stellen sie sicher, dass ihre Gesamtwirtschaft in den expandierenden Zukunftsmärkten weiterhin wettbewerbsfähig ist.

In der Schweiz bietet das Netto-Null-Ziel für verschiedene Branchen Wachstumschancen. Eine Vielzahl innovativer Unternehmen ist hier tätig, und die CleantechBranche ist stark vertreten. Der Cleantech-Sektor ist in den letzten Jahren deutlich stärker als die Gesamtwirtschaft gewachsen und hat seine Wertschöpfung seit dem Jahr 2000 nahezu verdoppelt. Er umfasst gemäss Definition des Bundesamts für Statistik (BFS) Aktivitäten zur Herstellung von Gütern bzw. zur Erbringung von Dienstleistungen, die zum einen die Umwelt vor Verschmutzung und sonstigen Beeinträchtigungen schützen und zum anderen eine schonende Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen begünstigen.41 Besonders stark gewachsen sind die Bereitstellung erneuerbarer Energien sowie Energieeinsparungen und Energiemanagement. Die Beschäftigung im Cleantech-Sektor ist seit 2000 um 87 Prozent auf rund 150 000 Vollzeitäquivalente gestiegen. Insgesamt beschäftigen der Cleantech-Sektor sowie weitere cleantechrelevante Branchen (z. B. der öffentliche Verkehr) heute 5,1 Prozent der Arbeitskräfte und tragen 4,2 Prozent zum BIP bei.

Es kann davon ausgegangen werden, dass sich diese positiven Entwicklungen mit dem Netto-Null-Ziel weiter verstärken. Die Absenkung der Treibhausgasemissionen auf Netto-Null bietet auch über die Cleantech-Branche hinaus Wachstumschancen. Dies betrifft beispielsweise die IT-Branche, die mit digitalen Lösungen in
diversen Bereichen zur Verminderung von Emissionen beitragen kann, die Versicherungs- und Finanzwirtschaft, die mit klimafreundlichen und nachhaltigen Finanzdienstleistungen ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken kann,42 oder die Forstwirtschaft, deren Produktion aufgrund der erhöhten Biomassenachfrage eher zunehmen dürfte. Auch der starke Forschungsstandort Schweiz dürfte von einer konsequenten Ausrichtung auf das Netto-Null-Ziel profitieren.

Insgesamt geht der konsequente Übergang in Richtung Netto-Null folglich mit einem beschleunigten sektoralen Strukturwandel einher. Wie die Reduktion der Treibhaus-

41 42

vgl. www.bfs.admin.ch > Statistiken finden > Raum, Umwelt > Umweltgesamtrechnung > Umweltgüter- und -dienstleistungen.

vgl. Bundesrat (2020): Bericht «Nachhaltigkeit im Finanzsektor Schweiz», mit welchem das Ziel kommuniziert wurde, dass die Schweiz ein führender Standort für nachhaltige Finanzdienstleistungen werden will.

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gasemissionen auf Netto-Null gesamtwirtschaftliche Grössen wie das BIP, die Wohlfahrt und die Beschäftigung beeinflusst, hängt jedoch wesentlich vom gewählten Massnahmenmix ab. Auch die Verteilungswirkungen werden in erster Linie von den konkreten klimapolitischen Massnahmen bestimmt. Eine genauere Beurteilung der Auswirkungen wird deshalb bei der Erarbeitung der Massnahmengesetze vorzunehmen sein.

Den Kosten für die Absenkung der Emissionen auf Netto-Null steht auch ein Nutzen gegenüber, wenn durch internationale Kooperation die Kosten eines ungebremsten Klimawandels vermieden werden können.

Der Klimawandel verursacht unter anderem vermehrte Schäden an Infrastrukturen, höhere Gesundheitskosten, eine tiefere landwirtschaftliche Produktivität oder tiefere Erträge für besonders vom Klimawandel betroffene Wirtschaftssektoren, z. B. den Wintertourismus. Wenn nur unzureichende oder im Extremfall gar keine Massnahmen gegen den Klimawandel ergriffen werden, nehmen die Auswirkungen und die damit verbundenen Kosten im Zeitverlauf immer stärker zu. Bei einer zu starken Erwärmung besteht die Gefahr, dass sogenannte Kipppunkte («tipping points») überschritten werden, die das Klimasystem dauerhaft und unumkehrbar verändern. Die Folgekosten der Überschreitung solcher Kipppunkte sind sehr hoch.

Die ETH Lausanne43 schätzt den Wohlfahrtsverlust bei einem ungebremsten Klimawandel im Jahr 2060 auf bis zu 1,4 Prozent. Diese Studie berücksichtigt aber ungewöhnliche Ereignisse wie beispielsweise aussergewöhnliche Hitzewellen oder Trockenperioden nicht. Frühere Studien44 gehen davon aus, dass die Kosten bei einer Erwärmung über 2 Grad vor allem nach 2050 stark ansteigen und gegen Ende des Jahrhunderts mehrere Prozente des BIP der Schweiz betragen können. Weitere Kosten im Umfang von 1,1 Prozent des BIP könnten aufgrund von Exportverlusten und Unterbrechungen in den Lieferketten eintreten.45 Bei Infrastrukturen könnte ein ungebremster Klimawandel bis Mitte des Jahrhunderts jährliche Schäden von rund 1 Milliarde Franken verursachen.46 Im Bereich Gesundheit könnten die jährlichen Kosten ab 2060 gar bei rund 11 Milliarden Franken liegen.47 Arbeiten, die die Kosten des Klimawandels auf gesamtwirtschaftlicher Ebene untersuchen, zeigen, dass die Kosten des Nichthandelns, d. h. die Kosten einer ungebremsten globalen Erwärmung, für die Schweiz bereits bis 2050 einen jährlichen Betrag erreichen, der bis zu 4 BIP-Prozente

43 44

45

46 47

Ecole polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL) (2017): Assessing the impacts of climate change for Switzerland. Im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt. Lausanne Ecoplan / Sigmaplan (2007): Auswirkungen der Klimaänderung auf die Schweizer Volkswirtschaft (nationale Einflüsse). Im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt und des Bundesamtes für Energie. Bern.

Infras / Ecologic / Rütter + Partner (2007): Auswirkungen der Klimaänderung auf die Schweizer Volkswirtschaft (internationale Einflüsse). Berlin/Rüschlikon/Bern.

Mit Infras (2018) liegt eine aktualisierte Version der Studie vor, auf quantitative Kostenschätzungen wurde jedoch verzichtet.

Swiss Economics (2019): Bedeutung des Klimawandels für die Infrastrukturen der Schweiz ­ Stand der Literatur. Zürich.

Vöhringer et al. (2019): Cost and benefits of climate change in Switzerland, Climate Change Economics 10 (2), 1­34.

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ausmachen dürfte.48 Internationale Studien wie der Stern-Report49 oder Abschätzungen der OECD50, die die globalen BIP-Verluste gegen Ende des Jahrhunderts auf bis zu 10 Prozent beziffern, weisen in der Regel etwas höhere Werte aus.

Bei der Diskussion der Auswirkungen ist grundsätzlich zu beachten, dass sich Kosten und Nutzen einer Absenkung der Treibhausgasemissionen auf Netto-Null im Zeitverlauf unterschiedlich entwickeln. Die Treibhausgasemissionen, insbesondere die CO2Emissionen, müssen aufgrund ihrer langen Verweildauer in der Atmosphäre im Einklang mit den Zielen des Übereinkommens von Paris möglichst schnell und umfassend gesenkt werden. Der Umbau der Energieversorgung muss deshalb in den nächsten Jahren vorangetrieben werden und bis Mitte des Jahrhunderts abgeschlossen sein.

Die notwendigen Investitionen und damit die Kosten fallen daher grösstenteils in diesem Zeitraum an. Der Nutzen der im internationalen Verbund unter dem Klimaübereinkommen erzielten Massnahmen zeigt sich aber erst längerfristig in vollem Umfang, weil die Kosten einer ungebremsten Klimaerwärmung kurz- bis mittelfristig eher langsam, über 2050 hinaus aber stark zunehmen.

Insgesamt übersteigt der längerfristige Nutzen von konsequenten Klimaschutzmassnahmen die notwendigen Investitionen sowie die volkswirtschaftlichen Auswirkungen ­ sehr wahrscheinlich bereits Mitte des Jahrhunderts, sicher aber in der langen Frist.

4.3

Finanzielle und personelle Auswirkungen

4.3.1

Finanzielle Auswirkungen

Das Rahmengesetz sieht zusätzliche mögliche Ausgaben aus dem allgemeinen Bundeshaushalt von insgesamt 1,2 Milliarden Franken bis Ende 2030 für die Förderung von neuartigen Technologien und Prozessen (während 6 Jahren) und 2 Milliarden Franken für den Heizungsersatz (während 10 Jahren) vor. Weil die Förderung des Heizungsersatzes nicht über eine Aufstockung der Globalbeiträge an die Kantone analog zum Gebäudeprogram, sondern separat auf Basis der bewilligten Gesuche ausbezahlt wird, soll dem Parlament ein neuer Verpflichtungskredit über 2 Milliarden Franken für 10 Jahre beantragt werden. Die bis 2030 befristete Förderung von neuartigen Technologien und Prozessen nach Artikel 6 sowie die Absicherung von Risiken nach Artikel 7 sollen über einen neuen Verpflichtungskredit im Umfang von 1,2 Milliarden Franken abgewickelt werden. Für die Absicherung von Risiken nach Artikel 7 soll ein Teil der maximal zur Verfügung stehenden 1,2 Milliarden Franken in den Technologiefonds eingelegt werden.

48 49 50

Kahn et al. (2019): Long-Term Macroeconomic Effects of Climate Change: A CrossCountry Analysis. IMF Working Paper 19/215.

Stern (2006): The Stern Review on the Economics of Climate Change, HM Treasury.

London.

OECD (2015): The Economic Consequences of Climate Change, OECD Publishing, Paris.

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Aus Gründen der Vollzugseffizienz und zur Vermeidung von Doppelspurigkeiten soll die Förderung je nach Phase im Innovationszyklus dem dafür geeigneten, bereits bestehenden Programm des Bundes zugewiesen und deren Budgets entsprechend erhöht werden. In Frage kommen dafür die Innosuisse, Umwelttechnologieförderung, Pilotund Demonstrationsprojekte, SWEET und Energie Schweiz. Dennoch dürfte angesichts des Finanzvolumens und der spezifischen Expertise, die für die Beurteilung der Gesuche nötig ist, eine Geschäftsstelle ausserhalb der Verwaltung und ein breit zusammengesetztes Gremium an Fachleuten nötig sein. Eine besondere Herausforderung stellt die Bewirtschaftung von Absicherungen für öffentliche Infrastrukturbauten über den Technologiefonds dar, damit sie nicht zu hohen Ausfällen für den Bund führen, insbesondere wenn das Portefeuille nur aus einigen wenige Grossvorhaben besteht. Die Vollzugskosten dürften sich insgesamt auf höchstens 5 Prozent der Fördermittel belaufen.

Die Unternehmen sollen in erster Linie aus eigenem Antrieb ihren Bedarf an Unterstützung für die Umsetzung der massnahmenorientierten Netto-Null-Pläne geltend machen. Denkbar sind aber auch wettbewerbliche Ausschreibungen, um zu spezifischen Themen innovative Projekteingaben herbeizuführen. Gesuchsprüfung, Datenmanagement, Controlling und Kommunikation bedeuten einen Mehraufwand.

Für den Vollzug des Sonderprogramms zum Ersatz von Heizungsanlagen und das Führen von Wartelisten ist mit einem finanziellen Aufwand von rund 1 Million Franken pro Jahr für IT, externe Unterstützung und Kommunikation zu rechnen. Da die Kantone mit dem Vollzug betraut werden sollen, steigt auch bei ihnen der Vollzugsaufwand, den der Bund zu entschädigen hat. Dieser Aufwand wird auf ca. 5 Millionen Franken pro Jahr geschätzt, was 2,5 Prozent des Fördervolumens entspricht.

Die Initiative «Vorbild Energie und Klima» wird über eine Geschäftsstelle umgesetzt, deren Kosten sich jährlich auf 780 000 Franken belaufen. Für die Kantone und Gemeinden müssen die Aufgaben für die Betreuung, das Monitoring und die Kommunikation ausgebaut und akteurspezifische Grundlagen wie zum Beispiel Life-CycleCosting-Tools (LCC) erarbeitet werden. Die Kosten für diese Arbeiten und die externe Beschaffung der erforderlichen Fachexperten betragen rund 3,5 Millionen Franken pro Jahr.
Die Fachstelle RUMBA wird durch externe Mandate unterstützt. Die Kosten dafür belaufen sich auf 370 000 Franken pro Jahr. Für die Erweiterung auf vor- und nachgelagerte Emissionen durch Dritte und die steigende Nachfrage nach Leistungen durch die Fachstelle RUMBA dürften weitere Sachmittel im Umfang von 600 000 Franken pro Jahr nötig sein.

4.3.2

Personelle Auswirkungen

Der Vollzug des Rahmengesetzes bedeutet beim Bund einen personellen Mehraufwand.

Das Sonderprogramm für den Heizungsersatz erfordert beim BFE eine zusätzliche Vollzeitstelle für die Bewirtschaftung des Förderkredits und der Wartelisten.

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Für die Umsetzung und Abwicklung der Förderung nach Artikel 6 sind je nach Ausgestaltung zwei bis vier Vollzeitstellen (in Abhängigkeit der Leistungen der externen Geschäftsstelle) notwendig. Zur Vorbereitung des Vollzugs müssten bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes zusätzliche Ressourcen bereitstehen.

Die in Artikel 7 vorgesehene Absicherung von Risiken für öffentliche Infrastrukturen kann nicht ohne weiteres an das Vollzugsmodell des Technologiefonds anknüpfen, der heute Darlehen an innovative KMU verbürgt, sondern braucht voraussichtlich separate Strukturen, die mindestens eine zusätzliche Vollzeitstelle bedingen.

Die Erweiterung der Vorbildfunktion Bund auf vor- und nachgelagerte Prozesse sowie auf die Kantone und die Gemeinden haben einen Mehraufwand von einer zusätzlichen Stelle zur Folge.

Sollen mit den Finanzbranchen Vereinbarungen abgeschlossen werden, ist für deren Aushandlung und späteren Überwachung der Zielerreichung eine Vollzeitstelle nötig.

4.4

Vollzugstauglichkeit

Sowohl Bundesgesetze wie auch kantonale Erlasse müssen sich auf Ziele im Rahmengesetz ausrichten. Im Hinblick auf die Vorbildfunktion von Gemeinden müssen die Kantone sicherstellen, dass Gemeinden ihre gesetzlichen Grundlagen entsprechend anpassen. Es steht den Gemeinden frei, als Gruppe mit den Kantonen oder einzeln der Initiative «Vorbild Energie und Klima» als Akteur beizutreten. In jedem Fall kann die Initiative Grundlagen wie LCC-Tools bereitstellen. Kooperationsbasierte Instrumente müssten jedoch zusammen mit den Kantonen erarbeitet werden. Mit der Aufstockung der bestehenden Geschäftsstelle sowie bundesinternen Ressourcen wäre die Vollzugstauglichkeit gegeben. Für die Gemeinden bedeutet diese neue Auflage eine Umstellung, für die insbesondere kleinere Gemeinden auf fachliche Unterstützung angewiesen sind. Um die Gemeinden bei der Erarbeitung einer Klimastrategie anzuleiten, hat das BAFU einen Klimawegweiser entwickelt.51 Die Bundesverwaltung hat mit RUMBA und RUMS VBS bereits etablierte Systeme.

Für eine ambitionierte Erweiterung der Systemgrenzen und um das Ziel 2040 zu erreichen, sind die genannten Mittel nötig.

Je optimaler das Sonderprogramm zum Ersatz von Heizungsanlagen in das bestehende Gebäudeprogramm von Bund und Kantonen eingefügt werden kann, umso besser ist die Vollzugstauglichkeit gegeben. Dadurch, dass die Fördermittel für den Heizungsersatz den Kantonen nicht als Globalbeiträge ausgerichtet werden, sondern auf Basis der bewilligten Gesuche ausbezahlt werden, muss ein neues Gefäss geschaffen werden. Zudem sind Wartelisten zu führen und ein paralleles System für Bürgschaften zu betreiben, die bei einer gleichzeitigen Sanierung der Gebäudehülle gewährt werden. Diese neuen Elemente entsprechen nicht der aktuellen Vollzugspraxis bei den Kantonen und bedingen, dass neue Vollzugelemente aufgebaut werden.

51

Bundesamt für Umwelt (BAFU) und Bundesamt für Energie (BFE)/EnergieSchweiz (2022): Wegweiser Klimastrategie für Gemeinden ­ eine Anleitung in acht Schritten.

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Die Beratung der Unternehmen bei der Erarbeitung von Netto-Null-Fahrplänen kann über das Programm EnergieSchweiz und im Rahmen der Zielvereinbarungen und Verminderungsverpflichtungen, die zur Befreiung von der CO2-Abgabe berechtigen, angeboten werden. Klimafreundliche Technologien und Prozesse sollen über bestehende Instrumente gefördert werden, für welche die Strukturen etabliert und der Vollzug grundsätzlich organisiert ist. Offen bleibt, inwieweit das Expertenwissen für neuartige Verfahren und die Beurteilung entsprechender Gesuche bereitsteht. Die grössten Förderbeiträge dürften für Anlagen und Infrastruktur nötig sein, wobei letztere lediglich über eine Absicherung von Risiken unterstützt werden. Für die Ausgestaltung solcher Bürgschaften sind weitere Vertiefungsarbeiten nötig.

Vereinbarungen mit der Finanzbranche sind ein taugliches Mittel, um Fortschritte bei der klimaverträglichen Ausrichtung der Finanzflüsse zu erzielen. Sie sollen insbesondere mit den vier grossen Branchenverbänden (Schweizerische Bankiervereinigung SBVg, Schweizerischer Versicherungsverband SVV, Schweizerischer Pensionskassenverband ASIP und Asset Management Association Switzerland AMAS) abgeschlossen werden.

5

Verhältnis zum europäischen Recht

Die Vorlage steht im Einklang mit dem Recht der EU.

6

Rechtliche Aspekte

6.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Die verfassungsmässige Grundlage für die Vorlage bilden die Artikel 74 (Umweltschutz) und 89 (Energiepolitik) der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 199952 (BV). Artikel 74 BV verpflichtet den Bund, Vorschriften über den Schutz des Menschen und seiner natürlichen Umwelt vor schädlichen oder lästigen Einwirkungen zu erlassen. Artikel 89 Absatz 3 BV verpflichtet den Bund insbesondere, Vorschriften über den Energieverbrauch von Anlagen, Fahrzeugen und Geräten zu erlassen. Dabei muss er die Entwicklung von Energietechniken fördern, insbesondere in den Bereichen des Energiesparens und der erneuerbaren Energien.

6.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Vorlage ist mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar. Sie nimmt insbesondere die Ziele des Übereinkommens von Paris53 in das nationale Recht

52 53

SR 101 SR 0.814.012

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auf. Die Zwischenziele gemäss Artikel 3 Absatz 3 setzen auch den Rahmen für zukünftige Verpflichtungen der Schweiz zu weitergehenden Verminderungen unter dem Übereinkommen von Paris für die Zeit nach 2030.

6.3

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Gemäss Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV bedürfen Subventionsbestimmungen sowie Verpflichtungskredite und Zahlungsrahmen, die neue einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken oder neue wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen, der Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder jedes der beiden Räte.

Vor diesem Hintergrund sind folgende Gesetzesartikel der Ausgabenbremse zu unterstellen: Artikel 6 (Förderung von neuartigen Technologien und Prozessen) und 7 (Absicherung von Risiken) und die vorgesehene Änderung des Energiegesetzes54 in Artikel 50a.

Ebenfalls der Ausgabenbremse unterstehen die Bundesbeschlüsse zu einem Verpflichtungskredit von 1,2 Milliarden Franken über 6 Jahre für die Förderung von neuartigen Technologien und Prozessen und zu einem Verpflichtungskredit von 2 Milliarden über 10 Jahre für das Sonderprogram zum Ersatz von Heizungsanlagen.

6.4

Erlassform

Gemäss Artikel 164 Absatz 1 BV erlässt die Bundesversammlung alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen in der Form des Bundesgesetzes.

Gemäss Artikel 163 Absatz 2 BV und Artikel 25 Absatz 2 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200255 ist für die vorliegenden Verpflichtungskredite die Form des einfachen Bundesbeschlusses vorgesehen. Diese unterstehen somit nicht dem Referendum.

6.5

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Artikel 164 Absatz 2 BV legt fest, dass das Bundesgesetz die Delegation von Rechtsetzungskompetenzen vorsehen kann, soweit die Verfassung dies nicht ausschliesst.

Die Delegationsnorm hat Gegenstand, Umfang und Leitlinien der delegierten Regelung zu umschreiben. Solche Delegationen von Rechtsetzungsbefugnissen, die über die allgemeine Vollzugskompetenz hinausgehen, sind im Folgenden erläutert.

54 55

SR 730.0 SR 171.10

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6.5.1

Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz

Art. 4 Abs. 2 Der Bundesrat wird ermächtigt, nach Anhörung der betroffenen Kreise im Einklang mit Absatz 1 für weitere Sektoren, für Treibhausgase und für Emissionen aus fossilen Energieträgern Richtwerte festzulegen. Dabei hat er die neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse, die Verfügbarkeit neuer Technologien sowie die Entwicklungen in der Europäischen Union zu berücksichtigen.

Art. 6 Abs. 3 Die Förderung von neuartigen Technologien und Prozessen kann von sich ändernden Rahmenbedingungen betroffen sein. Um darauf adäquat reagieren zu können, delegiert das Gesetz die Kompetenz an den Bundesrat sowohl die Anforderungen an die Massnahmen, die gefördert werden, als auch die Modalitäten der Umsetzung der einzelnen Massnahmen respektive der Fahrpläne nach Artikel 5 Absatz 2 zu regeln.

Art. 7 Investitionen in öffentlichen Infrastrukturbauten, die für die Erreichung des NettoNull-Zieles notwendig sind, können finanzielle Risiken bergen. Dem Bundesrat wird deshalb die Kompetenz erteilt, die entsprechenden Einzelheiten zur Absicherung dieser Risiken auf Verordnungsstufe zu regeln.

Art. 9 Abs. 2 Der Bundesrat soll die Kompetenz erhalten, mit den Finanzbranchen Vereinbarungen zur klimaverträglichen Ausrichtung der Finanzflüsse abzuschliessen zu können. Damit soll der Schweizer Finanzplatz einen effektiven Beitrag zur emissionsarmen und gegenüber Klimaveränderungen widerstandfähigen Entwicklung leisten.

Art. 10 Abs. 3 Der Bundesrat wird beauftragt, die notwendigen Massnahmen für die Erreichung des Netto-Null-Ziels nach Absatz 2 festzulegen. Dabei kann er Ausnahmen bezüglich der Sicherheit des Landes und dem Schutz der Bevölkerungen vorsehen. Er hat die Bundesversammlung regelmässig über den Stand der Zielerreichung zu informieren.

Art. 11 Abs. 1 und 2 Nach Artikel 11 Absatz 1 unterbreitet Bundesrat der Bundesversammlung rechtzeitig Vorschläge zur Umsetzung der im Gesetz festgelegten Ziele für die Periode 2025­ 2030 (Bst. a), 2031­2040 (Bst. b) und 2041­2050 (Bst. c). Er hört die betroffenen Kreise bei der Erarbeitung der Vorschläge an und berücksichtigt die neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse. Die Vorschläge nach Absatz 1 setzt der Bundesrat in erster Linie im Rahmen von Anpassungen des CO2-Gesetzes um (Abs. 2).

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6.5.2

Energiegesetz

Art. 50a und 50b Für die Umsetzung des Sonderprogramms zum Ersatz von Heizungsanlagen sind auf Stufe Verordnung verschiedene Elemente festzulegen, so die Höhe der im einzelnen auszurichtenden Förderbeiträge, die konkrete Abgrenzung zu kantonalen und kommunalen Förderinstrumenten sowie die Fälle, in denen ausnahmsweise vor der Förderzusage mit den Arbeiten zum Ersatz einer Heizungsanlage begonnen werden kann.

Der Bundesrat erhält die dazu notwendigen Kompetenzen. Für die gesetzliche vorgesehene Möglichkeit, dass für den Ersatz der Heizungsanlage bei gleichzeitiger Verbesserung der Wärmedämmung Bürgschaften gesprochen werden können, wird der Bundesrat mit der Regelung der entsprechenden Ausführungsbestimmungen auf Stufe Verordnung beauftragt.

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