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21.502 Parlamentarische Initiative Wachsende Wolfsbestände geraten ausser Kontrolle und gefährden ohne die Möglichkeit zur Regulierung die Landwirtschaft Bericht der Bericht der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerates vom 23. Juni 2022

Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Änderung des Bundesgesetzes über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

23. Juni 2022

Im Namen der Kommission Die Präsidentin: Elisabeth Baume-Schneider

2022-2297

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Übersicht Die parlamentarische Initiative «Wachsende Wolfsbestände geraten ausser Kontrolle und gefährden ohne die Möglichkeit zur Regulierung die Landwirtschaft» verlangt die Möglichkeit zur Regulierung von Wolfsbeständen präventiv zum Entstehen von grossem Schaden oder einer konkreten Gefährdung. Zudem soll die Beteiligung des Bundes und der Kantone bei Infrastrukturschäden, welche Biber an Infrastrukturen anrichten, geregelt werden.

Ausgangslage Schutz, Regulierung und jagdliche Nutzung von freilebenden Wildtierbeständen beschäftigen die Menschen und die Politik in der Schweiz. Besonders mit der Rückkehr des Wolfs sind in den letzten Jahren zahlreiche parlamentarische Vorstösse zur Anpassung der rechtlichen Regelungen für Eingriffe in Bestände geschützter Tierarten diskutiert worden. Die Parlamentarische Initiative verlangt ­ nach der Ablehnung des 2019 angepassten Jagdgesetzes durch die Stimmbevölkerung ­ erneut eine rasche und fokussierte Revision des Jagdgesetzes.

Inhalt der Vorlage Wolfsbestände sollen zukünftig analog der Zuständigkeitsordnung für die geschützte Art Steinbock reguliert werden können. Zudem soll das Anliegen der Standesinitiative des Kantons Thurgau «Änderung des Jagdgesetzes zur Entschädigung für Schäden, welche der Biber an Infrastrukturen anrichtet» in die Vorlage aufgenommen werden.

Dieser Initiative wurde 2017 von beiden Räten Folge gegeben, sie sollte im Rahmen der Jagdgesetzrevision 2019 umgesetzt werden.

Die Revision des Jagdgesetzes hat sowohl finanzielle als auch personelle Auswirkungen auf den Bund und die Kantone. Der finanzielle Mehrbedarf für den Bund für die Einführung von neuen Finanzhilfen für die Stärkung der kantonalen Wildhut und die Verhütung von Schäden durch Biber sowie die Abgeltung von Wildschaden, den Biber an Infrastrukturanlagen verursachen, wird kurzfristig auf 5 Millionen und mittelfristig auf 6 Millionen Franken pro Jahr geschätzt. Zudem wächst für die Umsetzung der Vorlage der Vollzugsaufwand bei der Bundesverwaltung im Umfang von einer Vollzeitstelle.

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

1.1

Ausgangslage

Die Zunahme der Wolfspopulation beschäftigt das Parlament bereits seit mehreren Jahren. In dessen Auftrag1 arbeitete der Bundesrat im Jahr 2017 eine Teilrevision des Bundesgesetzes vom 20. Juni 1986 über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel (Jagdgesetz; JSG)2 aus, die im Kern eine proaktive Regulierung des Wolfbestandes vorsah.3 Der Entwurf wurde in den parlamentarischen Beratungen in verschiedenen Punkten geändert und mit zusätzlichen Bestimmungen ergänzt. Nach der Zustimmung des Parlaments zur Vorlage am 27. September 2019 wurde erfolgreich das Referendum ergriffen. Im Vorfeld der Abstimmung führten Befürworter wie Gegner der Vorlage eine leidenschaftliche Auseinandersetzung über die zu erwartenden Auswirkungen bei der Umsetzung der beschlossenen Änderungen. Schliesslich wurde die Teilrevision des Jagdgesetzes am 27. September 2020 von 51.9 % der Stimmbeteiligten abgelehnt.4 Nur wenig später reichte die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates (UREK-N) eine parlamentarische Initiative ein, die eine erneute Änderung des Jagdgesetzes forderte, bei der eine pragmatische Regulation von Wölfen mit Stärkung des Herdenschutzes und weiteren Massnahmen für das Zusammenleben von Wolf und Mensch im Zentrum stand.5 Der Handlungsbedarf für ein ausgewogenes, zeitgemässes Jagdgesetz bestünde nach wie vor, argumentierte die Kommission. Ergänzend reichte sie zudem eine Motion ein mit dem Auftrag an den Bundesrat, im Rahmen des bestehenden Rechts rasch Anpassungen auf Verordnungsebene vorzunehmen, damit dringliche Massnahmen bereits für den Alpsommer 2021 umgesetzt werden könnten.6 Die Schwesterkommission des Ständerates (UREK-S) versagte jedoch ihre Zustimmung zur Ausarbeitung einer Vorlage auf Gesetzesstufe. Nach der emotional geführten Auseinandersetzung vor der Abstimmung sei es verfrüht, einen erneuten Anlauf für eine Revision zu starten, hielt sie dagegen. Sie unterstützte hingegen den Auftrag an den Bundesrat, rasch Massnahmen für den Alpsommer 2021 vorzubereiten, und reichte eine gleichlautende Kommissionsmotion ein wie die UREK-N.7 Die vom Bundesrat aufgrund dieser Motionen geänderte Jagdverordnung trat am 15. Juli 2021 in Kraft.8 Mit den Anpassungen wurde die Schadenschwelle für den Abschuss schadenstiftender Einzelwölfe gesenkt, ebenso für die Regulierung von 1 2 3 4 5 6 7 8

Mo. 14.3151 «Zusammenleben von Wolf und Bergbevölkerung» und weitere Vorstösse.

SR 922.0 BBl 2017 6097; parlamentarisches Geschäft 17.052.

BBl 2020 8773 Pa. Iv. 20.482 Ausgewogenes Jagdgesetz vom 17. November 2020.

Mo. 20.4340 «Schweizer Wolfspopulation. Geregelte Koexistenz zwischen Menschen, Grossraubtieren und Nutztieren» vom 17. November 2020.

Mo. 21.3002 vom 14. Januar 2021.

AS 2021 418

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schadenstiftenden Wolfsrudeln. Weiter wurde der Herdenschutz präzisiert und mit einer Erhöhung der Finanzmittel gestärkt.

Diese erweiterten Unterstützungen zeigten während dem Alpsommer 2021 Wirkung.

Insbesondere die tiefere Schadenschwelle für Wolfabschüsse führte zu einem rascheren Eingreifen. Dank des erhöhten Kredits des Bundes für den Herdenschutz (um 0.8 Mio. CHF auf insgesamt 3.7 Mio. CHF) konnten die höher als geplant angefallenen Aufwendungen aufgefangen werden. Auch konnte die finanzielle Beteiligung des Bundes an die Massnahmen der Kantone zum Herdenschutz deutlich erhöht werden.

Für den Alpsommer 2022 wurden weitere Massnahmen im Rahmen des geltenden Rechts vorbereitet. Mit Verordnungsänderungen gestützt auf das Landwirtschaftsrecht sollen die Alp- und Berglandwirtschaft gestärkt und der Anpassungsprozess an die neue Situation mit einer zunehmenden Grossraubtierpräsenz besser unterstützt werden.9 Um die traditionelle Alpwirtschaft zu unterstützen, wurden vom Parlament zusätzliche Finanzmittel in der Höhe von insgesamt 5.7 Mio. CHF für die Verstärkung des Herdenschutzes gesprochen.10 Trotz dieser Massnahmen wächst der Wolfsbestand in der Schweiz rasch. Ende 2021 wurden in der Schweiz mindestens 144 verschiedene Wölfe dokumentiert. Dabei wurden 15 Wolfsrudel bestätigt und in 10 dieser Rudel die Reproduktion nachgewiesen.

Die durchschnittliche Wachstumsrate beträgt rund 30 Prozent pro Jahr, was zu einer Verdoppelung des Bestandes innerhalb von drei Jahren führt.

1.2

Einreichung und Vorprüfung der Initiative

Vor diesem Hintergrund setzte sich die UREK-S an ihrer Sitzung vom 22. Oktober 2021 erneut mit der Herausforderung der zunehmenden Wolfspräsenz in der Schweiz auseinander. Angesichts der mit dem raschen Wachstum der Wolfspopulation verbundenen Probleme, insbesondere in den Bergregionen, müsse rasch gehandelt werden, kam die Kommission zum Schluss. Es sei notwendig, zügig die nötige Handlungsfähigkeit herzustellen, damit die Ausbreitung des Wolfes wirksam kontrolliert werden könne. Sie beschloss, selber gesetzgeberisch tätig zu werden, und reichte mit 5 zu 2 Stimmen bei 2 Enthaltungen die vorliegende Kommissionsinitiative ein. Die schlanke Änderung des Jagdgesetzes zielt auf eine präventive Regulierung des Wolfsbestandes nach dem Vorbild der Regelung für das Steinwild ab. Das Anliegen der proaktiven Regulierung stand bei der letzten, gescheiterten Teilrevision des Jagdgesetzes im Vordergrund und war im Kern unbestritten, stellte die Kommission fest.

Die UREK-N war ebenso vom Handlungsbedarf und der Dringlichkeit überzeugt und stimmte der Initiative am 18. Januar 2022 mit 22 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen zu.

9 10

Landwirtschaftliches Verordnungspaket 2022; Vernehmlassung vom 24. Januar bis 2. Mai 2022.

Anhang 3 Beitragsliste Herdenschutz, Vollzugshilfe Herdenschutz, BAFU (Stand 9. Mai 2022).

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1.3

Ausarbeitung der Vorlage

Bereits am 21. Februar 2022 startete die UREK-S mit der Konzeption eines Erlassvorentwurfs. Dabei unterstrich sie das ursprüngliche Anliegen, eine reduzierte und auf das Kernanliegen der präventiven Regulierung der Wolfspopulation ausgerichtete Vorlage auszuarbeiten. Sie beauftragte das Bundesamt für Umwelt (BAFU), das die Kommission bei ihrer Arbeit unterstützt, mit der Erarbeitung eines Erlassentwurfs und des erläuternden Berichts. An der Sitzung vom 23. Juni 2022 verabschiedete die Kommission den vorliegenden Entwurf mit 9 zu 2 Stimmen bei 1 Enthaltung.

1.4

Verzicht auf ein Vernehmlassungsverfahren

Nach Artikel 3 Vernehmlassungsgesetz (VlG)11 muss bei Gesetzesvorlagen ein Vernehmlassungsverfahren durchgeführt werden. Sind hingegen konkrete Voraussetzungen erfüllt, sieht Artikel 3a VlG vor, dass auf ein Vernehmlassungsverfahren verzichtet werden kann. Das ist möglich, wenn keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind, weil die Positionen der interessierten Kreise bekannt sind, insbesondere, weil über den Gegenstand des Vorhabens bereits eine Vernehmlassung durchgeführt worden ist (Abs. 1 Bst. b).

Im Vernehmlassungsverfahren12 zur Teilrevision des Jagdgesetzes, das vom Bundesrat vom 24. August bis am 30. November 2016 durchgeführt wurde, standen die zentralen Elemente des vorliegenden Entwurfs bereits zur Diskussion. Insbesondere sind die Stellungnahmen der betroffenen Kreise zu einer Regulierung von Beständen geschützter Wildtierarten und zu deren systematischen Einordnung im Jagdgesetz bekannt. Nach der Beratung der Vorlage im Parlament wurde vom Bundesrat vom 8. Mai bis am 9. September 2020 die angepasste Jagdverordnung (JSV) in die Vernehmlassung geschickt.13 Auch dazu liegen die Vernehmlassungsantworten vor.

Schliesslich haben sowohl die UREK-N am 18. Januar 2022 wie die UREK-S am 23. Juni 2022 die Vertreter einer Stakeholdergruppe, zusammengesetzt aus verschiedenen Schutz- und Nutzungsorganisationen, zu der geplanten Teilrevision des Jagdgesetzes angehört. Auch die Vertretungen der Kantone wurden konsultiert und konnten ihre Standpunkte einbringen. Die Kommission, die Kantonsvertretungen und die konsultierten Organisationen sind sich einig, dass rasch eine pragmatische Lösung gefunden werden muss für die effektive Bestandesregulierung der Wölfe in der Schweiz. Die Kommission stellt weiter fest, dass die Voraussetzungen für den Verzicht auf ein Vernehmlassungsverfahren gemäss Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b erfüllt sind, und mit der Anhörung der Kantone und der betroffenen Kreise die notwendigen Erkenntnisse für die Ausarbeitung des Gesetzesentwurfes bekannt sind. Sie hat daher beschlossen, auf ein Vernehmlassungsverfahren zu verzichten.

11 12 13

SR 172.061 https://fedlex.data.admin.ch/eli/dl/proj/6016/37/cons_1 https://fedlex.data.admin.ch/eli/dl/proj/6020/22/cons_1

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Grundzüge der Vorlage

Das Jagdgesetz trat am 1. April 1988 in Kraft. Auslöser dieser Totalrevision waren damals politische Vorstösse, die vor allem ein Gesetz verlangten, das von einer klaren, vom Gedanken des Artenschutzes getragenen Konzeption ausgeht. Diese wurde insbesondere durch die damals erst ratifizierte Berner Konvention, das Übereinkommen vom 19. September 197914 über die Erhaltung der europäischen, wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume, beeinflusst. Der Artenschutz erfuhr mit dem damals revidierten Jagdgesetz eine deutliche Stärkung. In Folge der rasch anwachsenden Rothirschbestände und der Wald-Wild-Gleichgewichts-Diskussion wurde festgelegt, dass die von wildlebenden Tieren verursachte Schäden an Wald und landwirtschaftlichen Kulturen auf ein tragbares Mass zu begrenzen sind.

Die Schutzbestimmungen des revidierten JSG zeigten Wirkung. Seither haben sowohl die Verbreitung als auch die Bestandsgrösse vieler geschützter Arten zugenommen, so beispielsweise von Alpensteinbock, Wildkatze, Weissstorch oder von den meisten Arten der Greifvögel und der Spechte. Dies kann als Erfolg für den Artenschutz gewertet werden. Die Entwicklung führte allerdings auch zu einer Zunahme von Konflikten zwischen dem Aufkommen verschiedener Wildtierarten und den Interessen der Menschen. Dies zeigt sich insbesondere in der Landwirtschaft, indem wachsende Bestände von Arten wie Wolf und Biber teils grosse Schäden verursachen. Ein wesentliches Ziel des JSG ist deshalb auch die Konfliktlösung mit jagdbaren und geschützten Arten. Das Bedürfnis nach einem pragmatischen Umgang mit gewissen geschützten Arten kam in der Politik seit der Inkraftsetzung des Gesetzes 1986 mit konkreten parlamentarischen Vorstössen immer stärker zum Ausdruck. Insbesondere der Wolf geriet mit der zunehmenden Ausbreitung und seiner Rudelbildungen ins Zentrum politischer Debatten.

Für ein Zusammenleben von Mensch, Nutztier und Wolf werden heute mit Nachdruck ein pragmatischeres Management und die hierfür notwendigen Rechtsgrundlagen gefordert. Gemäss Begründung der Initiative soll mit der Änderung des Jagdgesetzes analog der Zuständigkeitsordnung für das (geschützte) Steinwild präventiv die Regulierung von Wolfsbeständen durch die kantonale Wildhut ermöglicht werden. Als zusätzliche Massnahme zum zumutbaren Herdenschutz soll die
Regulierung von Wolfsbeständen zulässig sein, wo aufgrund der hohen Wolfsdichte die Landwirtschaft gefährdet ist. Für diese Gebiete soll die Entfernung von Wolfsrudeln oder Teilen davon zulässig sein. Die geplanten Regulierungsmassnahmen sowie deren Zielsetzung (Stabilisierung oder Reduktion) sind von den Kantonen zu begründen. Wölfe die auffallen, weil sie Siedlungen von Menschen bedrohlich nahekommen oder den Herdenschutz umgehen, sollen erlegt werden dürfen.

Das Kernstück dieser Vorlage ist die Neuregelung der Bestandsregulierung des Wolfes. Hierzu werden die Absätze 2 und 3 vom heute bestehenden Artikel 7 JSG in einen neuen Artikel 7a mit der Überschrift «Regulierung von Steinböcken und Wölfen und Finanzierung von Massnahmen» überführt. Die Absätze 1, 4, 5 und 6 des bestehenden Artikels 7 sind nicht Gegenstand dieser Teilrevision und bleiben unverändert mit der Überschrift «Artenschutz» bestehen. Mit der Regelung des neuen Artikels 7a entfällt 14

SR 0.455

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die Verpflichtung der Kantone zum Nachweis einer konkreten Schadenshöhe bei der Regulierung von Wolfsbeständen. Die Kantone sollen damit neu die Möglichkeit erhalten, mit der Zustimmung des zuständigen Bundesamts für Umwelt (BAFU) Konflikte zwischen den Ansprüchen des Artenschutzes und den Interessen der Bevölkerung frühzeitig durch bestandsregulierende Eingriffe vorzeitig zu entschärfen, d. h.

noch bevor ein Schaden eingetreten ist. Durch das Aufnehmen der beiden geschützten Tierarten Steinbock und Wolf in den neuen Artikel 7a Absatz 1 ist die Steuerung der Bestandsentwicklung dieser Tierarten durch regulative Eingriffe explizit vorgesehen.

Der Zeitraum, in dem reguliert werden kann, wird beim Steinbock um einen Monat verlängert und bei Wolfsrudeln von 1. September bis zum 31. Januar festgelegt.

Artikel 12 Absatz 2 JSG, der jederzeit Massnahmen gegen einzelne geschützte oder jagdbare Tiere erlaubt, wird mit dem Tatbestand der «Gefährdung von Menschen» ergänzt. Damit wird eine Rechtslücke gefüllt. So können neu beispielsweise einzelne Bären oder Wölfe, die ihre natürliche Scheu verloren haben, erlegt werden und die Kantone müssen nicht wie bis anhin auf die polizeiliche Generalklausel zurückgreifen.

Die Vorlage setzt zudem eine Standesinitiative des Kantons Thurgau15 um. Diese Standesinitiative verlangt eine Ergänzung des JSG, so dass die Behebung von Schäden durch Biber an Infrastrukturanlagen wie Strassen, Kanalböschungen, Entwässerungen und Verbauungen vom Bund und von den Kantonen finanziert wird. Bei kaum einer Wildtierart ist die Frage der Entschädigung von Wildschaden so eng mit der Frage von deren Verhütung verbunden. Aus diesem Grund wird nebst der Entschädigung von Wildschaden durch Biber auch die Verhütung von Schäden durch den Biber neu geregelt.

3

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

Art. 7a

Regulierung von Steinböcken und Wölfen und Finanzierung von Massnahmen

Im 3. Abschnitt des JSG sind unter dem Überbegriff «Schutz» das Schutzkonzept des Gesetzes und entsprechend die wichtigsten Aufgaben des Bundes geregelt. Artikel 7 Absatz 1 JSG bestimmt, dass alle einheimischen Tierarten nach dem Geltungsbereich des Gesetzes, die nicht nach Artikel 5 JSG zu einer jagdbaren Tierart gehören, geschützt sind. Artikel 7 Absatz 2 JSG bildet die Grundlage für den Abschuss von Tieren geschützter Arten. Heute umfasst dieser Absatz nur den Steinbock. Neu sollen analog zur Zuständigkeitsordnung für die geschützte Tierart Steinbock neu auch die Regulierung von Wolfsbeständen möglich sein, wo aufgrund hoher Wolfsdichten die Landwirtschaft gefährdet ist, wo Wölfe Massnahmen zum Schutz von Nutztierherden (Herdenschutz) umgehen, oder wo Wölfe Siedlungen und Menschen bedrohlich nahekommen. Damit bekommt der Aspekt der Bestandsregulierung mit der vorliegenden Revision eine umso grössere Bedeutung, und eine Aufteilung des geltenden Artikels 7

15

Kt. Iv. TG. 15.300 «Änderung des Jagdgesetzes zur Entschädigung für Schäden, welche Biber an Infrastrukturen anrichten» vom 12. Januar 2015.

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in einen Schutz- und in einen neuen Regulierungsartikel 7a für bestimmte geschützte Arten erscheint sinnvoll.

Analog der Zuständigkeitsordnung für die Bestandsregulierung des geschützten Steinbocks soll eine Regulierung von Wölfen mit der Entfernung von Wolfsrudeln oder Teilen davon durch die Wildhut der Kantone in Gebieten mit hoher Wolfsdichte präventiv möglich sein, bevor die Landwirtschaft gefährdet ist und ein grosser Schaden eintritt oder Wölfe Siedlungen und Menschen bedrohlich nahekommen. Dabei sollen Massnahmen zur Stabilisierung oder Reduktion von Wolfsbeständen zusätzlich zu Massnahmen zum Schutz der Nutztierherden (Herdenschutz) ergriffen werden. Diese Herangehensweise hat zum Ziel, dass einerseits die Auswirkungen von Wölfen begrenzt und andererseits die Akzeptanz in der Bevölkerung und in der Landwirtschaft für die Wolfspräsenz erhalten oder erhöht werden.

In Absatz 1 des neuen Artikels 7a ist nun explizit von einer Bestandsregulierung die Rede und nicht mehr vom Abschuss von «geschützten Tieren». Zudem werden die Gründe, die eine Bestandsregulierung mit präventivem Charakter ermöglichen, in Absatz 2 dieses Artikels mit «Schaden», «Gefährdung von Menschen» und «Erhaltung angemessener Wildbestände» erweitert. Dadurch wird der Spielraum, den die Berner Konvention für Abschüsse bei Beständen von streng geschützten Tierarten bietet, ausgeschöpft.

Der Bundesrat wird für die Bestandsregulierung von Steinböcken wie bis anhin und von Wölfen neu das Verordnungsrecht präzisieren und aufzeigen, wie der Schutz der Bestände garantiert, die zumutbaren Schadenpräventionsmassnahmen umgesetzt sowie die einheitliche Praxis in den Kantonen gesichert wird.

Artikel 7a Absatz 1 Buchstabe a bezeichnet den Steinbock als geschützte Art, die mit Zustimmung des BAFU von den Kantonen reguliert werden kann. Gegenüber der heutigen Regelung wird die Schonzeit um vier Wochen gekürzt. Somit können die Kantone bereits ab dem 1. August den Eingriff in Steinbockkolonien erlauben. Die längere Regulierungszeit ermöglicht es den Kantonen, die Steinbockabschüsse bereits vor dem Beginn der eigentlichen Hochjagdsaison anfangs September anzugehen, was insbesondere die Arbeit der Wildhut bei der Beaufsichtigung und Kontrolle der Abschüsse erleichtert.

Artikel 7a Absatz 1 Buchstabe b bezeichnet den Wolf als geschützte Art,
die mit Zustimmung des BAFU reguliert werden kann. Die Wolfspopulationen nehmen seit den 1980er Jahren in Westeuropa zu. In der Schweiz tauchten die ersten Wölfe 1995 auf.

Das erste Rudel bildete sich 2012. Heute leben in der Schweiz bereits rund 150 Wölfe und mindestens 15 Rudel; die Zahl nimmt weiterhin rasch zu. In der Schweiz wurden im Durchschnitt der letzten fünf Jahre rund 600 Nutztiere pro Jahr nachweislich von Wölfen gerissen. Diese Wolfsrisse fielen vorwiegend in Nutztierherden ohne Herdenschutz an (rund 80­90 %). Hauptsächlich betraf dies Schafe, ferner auch Ziegen und in den letzten zwei Jahren auch Rinder. Die Schäden durch den Wolf konzentrierten sich auf das Sömmerungsgebiet und die Bergzonen. Neben dem Reissen von Nutztieren ist eine weitere Problematik, dass die Wölfe die Scheu vor dem Menschen verlieren können und diese sich in Siedlungsnähe oder innerhalb Siedlungen aufhalten.

Solch wenig scheue Wölfe lösen bei der betroffenen Bevölkerung Unbehagen und Angst aus und senken die Akzeptanz des Wolfs in der Schweiz.

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Mit dem neuen Artikel 7a werden die 2021 in Artikel 4bis Jagdverordnung vom 29. Februar 1988 (JSV)16 gesetzten Regeln vereinfacht. Die konkrete Bemessung eines «Schadens» oder einer «Gefährdung des Menschen» entfällt. Wölfe werden in Zukunft also nicht mehr aufgrund von Schäden oder Gefährdungen reguliert, die sie in der Vergangenheit verursacht haben, sondern zur Verhütung zukünftiger Schäden oder Gefährdungen. Damit Wolfsbestände gemäss Artikel 6 der Berner Konvention, Artikel 78 Absatz 4 der Bundesverfassung (BV)17 und Artikel 7a Absatz 2 JSG auch lokal nicht ausgerottet werden, braucht es Regeln zum Schutz des Fortbestands. Zudem muss gewährleistet werden, dass die Kantone den Konflikt mit Wölfen vorab mit anderen Massnahmen angehen, insbesondere einem Herdenschutzprogramm, als ausschliesslich mit Abschüssen diese zu lösen versuchen. Der Wolf spielt anerkanntermassen eine wichtige Rolle im ökologischen Gefüge. Bei den noch zu präzisierenden Ausführungsbestimmungen in der Verordnung sowie dem Konzept nach Artikel 10bis JSV ist auf das Zusammenspiel von Artenvielfalt und Lebensräumen Rücksicht zu nehmen. Wolfbestände beeinflussen die Lebensraumnutzung und -beanspruchung der Schalenwildbestände und können durch ihre Präsenz übermässigen Schäden an der Waldverjüngung entgegenwirken. Massnahmen zur Regulierung von hohen Wolfsbeständen müssen deshalb mit Massnahmen von anderen Umweltbereichen abgestimmt werden, namentlich mit Massnahmen zum Schutz der natürlichen Waldverjüngung.

Artikel 7a Absatz 2 listet die Ziele auf, mit welchen die Kantone eine Bestandsregulierung begründen können. Regulierungseingriffe dürfen den Bestand einer Population einer geschützten Tierart grundsätzlich nicht gefährden. Die aus Artenschutzgründen notwendige Verbreitung und Populationsdichte muss erhalten bleiben. Auch ist bei einem Eingriff jeweils das für das angestrebte Ziel geeignetste mildeste Mittel zu wählen (Prinzip der Verhältnismässigkeit). Erforderlich sind Regulierungsentscheide der Kantone somit erst, wenn zuvor die zumutbaren Massnahmen der Kantone zur Konfliktverhütung ergriffen worden sind. Konkret bedeutet dies beispielsweise, dass die Kantone ein kantonales Herdenschutzprogramm etabliert und in Umsetzung haben und dass in der Landwirtschaft einzelbetriebliche Herdenschutzkonzepte vorliegen und diese
umgesetzt werden.

Artikel 7a Absatz 2 Buchstabe a übernimmt die Zielsetzung aus dem Artikel 7 Absatz 2 und ist die hauptsächliche Begründung zur Regulierung von Steinbockbeständen.

Artikel 7a Absatz 2 Buchstabe b lehnt sich an die Zielsetzung des Artikels 12 Absatz 4 an und ist die hauptsächliche Begründung zur Regulierung von Wolfbeständen. Wenn also in einer Region Wolfsrudel umherstreifen und diese trotz den umgesetzten einzelbetrieblichen Herdenschutzkonzepten Nutztiere angreifen oder die Gefährdung von Menschen respektive der öffentlichen Sicherheit droht, sollen die Kantone die Stabilisierung oder Reduzierung von Wolfbeständen planen können, bevor Konfliktsituationen eskalieren, d. h. nicht erst nachdem eine bestimmte Schadenshöhe erreicht oder eine konkrete Gefahr für Menschen eingetreten ist. Die Regulierung kann also bereits dann bewilligt werden, wenn auf Weideflächen, auf denen die zumutbaren Herdenschutzmassnahmen ergriffen worden sind, oder auf Weideflächen, auf denen 16 17

SR 922.01 SR 101

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keine zumutbaren Herdenschutzmassnahmen möglich sind, mindestens ein Angriff stattgefunden hat und dabei mindestens ein Nutztier verletzt oder getötet wurde.

Bewilligt werden kann die Regulierung auch dann, wenn die Wölfe eines Rudels ihre natürliche Scheu verlieren und beginnen, sich regelmässig Siedlungen zu nähern oder Menschen zu nahe zu kommen.

Artikel 7a Absatz 2 Buchstabe c führt neu das Erhalten von jagdbaren Wildhuftierbeständen als Ziel an, welches die Regulierung von Steinbock oder Wolfsbeständen rechtfertigen kann. Wildtierbestände können sich im Lebensraum gegenseitig so beeinflussen, dass die eine Art häufiger wird und die andere Art abnimmt. Dies gilt sowohl bei der Konkurrenz zwischen zwei Huftierarten wie z. B. Steinböcken und Gämsen, als auch bei der Prädation einer Raubtierart auf eine Huftierart wie z. B.

Wolf und Reh. Zu hohe Steinbockbestände führen in der Regel zu Rückgängen bei den Gämsenbeständen, und zu hohe Wolfsbestände führen zu Rückgängen bei den Beständen von Steinbock, Rothirsch, Gämse, Reh oder Wildschwein. Die Kantone haben ein Interesse an gesunden und den Lebensräumen angemessenen Wildhuftierbeständen, um das ihnen gemäss Artikel 79 BV zustehende Jagdregal, das Nutzungsrecht an Wildtierbeständen, optimal nutzen zu können. Eine übermässige Beeinträchtigung dieses kantonalen Jagdregals kann vom Kanton als Schaden ausgelegt werden, was eine Regulierung von Wolfsrudeln rechtfertigen kann. Bei stark rückläufigen Beständen der jagdbaren Wildhuftierarten können also die Kantone beim BAFU einen Antrag auf Zustimmung zu einer Wolfbestandsregulierung stellen.

Artikel 7a Absatz 3 gibt dem Bund neu die Möglichkeit, die Kantone mit Finanzhilfen bei der Betreuung von Konflikte verursachenden geschützten Arten nach Absatz 1 zu unterstützen, insbesondere bei der Information und Sensibilisierung der Bevölkerung, bei der Beurteilung von Schäden und bei der Umsetzung von Bestandsregulierungsmassnahmen. Seit der Rückkehr des Wolfs sind die Aufgaben der Kantone und der Wildhüterinnen und Wildhüter an der Nahtstelle Bevölkerung-Wildtiere gewachsen.

Mit der finanziellen Unterstützung des Bundes können die Kantone den Personalbestand aufstocken. Der Bund gewährt globale Beiträge an die Kantone. Die Höhe der Beträge richtet sich nach der Betroffenheit der Kantone, zum Beispiel der
Anzahl Steinbockkolonien oder der Anzahl Wolfsrudel.

Art. 12 Artikel 12 Absatz 2 wird mit «Gefährdung von Menschen» ergänzt. Mit dieser Ergänzung wird eine Gesetzeslücke geschlossen, die für den Vollzug von Bedeutung ist.

Wenn einzelne Wölfe oder Bären ihre natürliche Scheu vor Menschen verlieren und trotz Vergrämungsmassnahmen zunehmend in Siedlungen auftauchen und so zum Risiko werden, muss es den Kantonen möglich sein, diese durch Abschuss zu entfernen.

Artikel 12 Absatz 4 wird mit einem Vorbehalt zum Artikel 7a Absatz 1 und 2 ergänzt.

Artikel 12 Absatz lässt Bestandsregulierungen für alle geschützten Tierarten nach Artikel 7 Absatz 1 zu, wenn deren hoher Bestand in der Vergangenheit einen grossen Schaden oder eine erhebliche Gefährdung verursacht hat. Der Charakter des Artikels 12 Absatz 4 JSG ist klar reaktiv ausgelegt, d. h. die Regulierung erfolgt erst nach dem Auftreten des Schadens oder einer konkreten Gefährdung. Mit dem Vorbehalt 10 / 18

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wird ausgedrückt, dass für die beiden Arten Steinbock und Wolf eine Ausnahmereglung gilt, indem nicht nur reaktiv zu entstandenem «grossen Schaden» oder einer bereits vorliegenden «erheblichen Gefährdung» eine Bestandsregulierung möglich ist, sondern gemäss Artikel 7a bereits proaktiv zur Verhütung des Entstehens von Schaden oder Gefährdungen. Bei Massnahmen nach Artikel 12 Absatz 4 muss ein Schaden oder eine Gefährdung dokumentiert und bemessen werden, bei Massnahmen unter Artikel 7a entfällt die Bemessung, ein erstes dokumentiertes Auftreten trotz etablierter Schutzmassnahmen reicht aus.

Mit der Integration der Möglichkeit zur Verhütung von Schäden durch Biber an gewissen Infrastrukturen wird Artikel 12 Absatz 5 neu strukturiert: Die bisherige Bestimmung zu den Grossraubtieren wird inhaltlich unverändert in Buchstabe a aufgenommen, und für die Prävention von Schäden durch Biber wird eine neue Bestimmung in Buchstaben b eingefügt.

Für die Verhütung von Wildschaden sind nach Artikel 12 Absatz 1 grundsätzlich die Kantone zuständig. Als Ausnahme beteiligt sich der Bund an den Aufwendungen der Kantone zur Verhütung von Schaden durch Grossraubtiere an Nutztieren. Analog dazu wird vorgeschlagen, dass sich der Bund auch an den Aufwendungen der Kantone zur Verhütung von Biberschäden an bestimmten Infrastrukturen beteiligen soll.

Artikel 12 Absatz 5 Buchstabe b verpflichtet den Bund neu zur Förderung und Koordination der Verhütung von Wildschaden durch Biber an Infrastrukturen. Diese Verpflichtung soll dabei eingegrenzt werden auf Infrastrukturen in öffentlichem Interesse, an Erschliessungswegen für Landwirtschaftsbetriebe und an Uferböschungen, wenn durch deren Schädigung die Hochwassersicherheit nicht mehr gewährleistet werden kann. Konkret sind folgende Infrastrukturen darunter zu verstehen: Verkehrsinfrastrukturen wie Nationalstrassen, Kantons- und Gemeindestrassen, Bahngeleise, Fussund Wanderwege, Brücken (bzw. Brückenpfeiler oder -fundamente), landwirtschaftliche Flurwege sowie Hochwasserschutzdämme. Massnahmen an natürlichen oder künstlichen Uferböschungen fallen nur darunter, wenn durch deren Schädigung die Hochwassersicherheit nicht mehr gewährleistet werden kann. Zur Schadenverhütung kommen folgende technischen Massnahme in Frage: Massnahmen zum Grabschutz vor dem Biber, d. h. der Einbau von
Grabschutzgittern in Uferböschungen, Dämme und bei Brückenpfeilern bzw. -fundamenten, der Einbau von Spundwänden und Dichtwänden, Steinschüttungen und Kiessperren. Bei Bachdurchlässen unter Verkehrsinfrastrukturanlagen können Massnahmen zur bauliche Optimierung oder Vergitterung solcher Durchlässe zur Anwendung kommen. Ebenfalls kann der Einbau von Kunstbauten für Biber in Betracht gezogen werden. Zur technischen Verhütung einer Überschwemmung kann der Einbau von festen Drainagerohren in Biberdämmen (Syphonierung) Sinn machen. Nicht gefördert werden Präventionsmassnahmen an Infrastrukturen im privaten Interesse. Dies wären z. B. landwirtschaftliche Pumpen und Drainagesysteme oder private Bauten.

Gemäss dem Grundsatz des JSG ,,Verhüten ist besser als Vergüten" wird das Ergreifen zumutbarer Massnahmen zur Verhütung von Wildschäden i.d.R. als Voraussetzung zu deren Entschädigung verlangt.18 In Biberlebensräumen kommen zur Verhütung von Biberschäden an Infrastrukturen sowohl technische Massnahmen als auch 18

Botschaft des Bundesrates zum JSG 83.033; BBl 1983 II 1197, S. 1211.

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Massnahmen zur Revitalisierung der Gewässer in Frage. Die Massnahmen beider Typen sind betreffs der Umsetzung sehr aufwendig. Deshalb kann die Verhütung von Biberschäden an Infrastrukturen in der Regel nicht als Voraussetzung für die Schadenvergütung gesetzt werden. Vielmehr werden solche Schadenverhütungsprojekte meist erst beim Erstellen oder Sanieren eines Bauwerks eingeplant, oder sie werden im Nachgang zur Behebung eines eingetretenen Biberschadens ausgeführt. Im Falle der Entschädigung eines Biberschadens sollten die kantonalen Behörden die Bauherrschaft zur gleichzeitigen Ausführung von Präventionsmassnahmen verpflichten können, falls solche Massnahmen zweckdienlich sind und zumutbar ergriffen werden können. Dies umso mehr, da Bund und Kantone deren Kosten übernehmen. Grundlage einer solchen Verpflichtung wäre eine Kosten-Nutzenanalyse des Kantons, die aufzeigen soll, dass die Investition in Prävention langfristig kostengünstiger ist als die wiederholte Entschädigung allfälliger Schäden.

Artikel 12 Absatz 6 ist neu, entspricht aber inhaltlich dem letzten Satz des bestehenden Artikels 12 Absatz 5. Die Möglichkeit, dass der Bund den Vollzug des Artikels 12 Absatz 5 auslagern kann, ist ein eigener Aspekt und rechtfertigt entsprechend einen neuen Absatz.

Artikel 12 Absatz 7 regelt neu explizit die Rollenteilung zwischen dem Bund und den Kantonen im Herdenschutz. Der Bund ist verantwortlich für das Festlegen von schweizweit einheitlichen Grundsätzen, insbesondere zur Beurteilung der Schützbarkeit von Weideflächen oder zur Finanzierung von wirksamen Massnahmen (z. B. unterstützt der Bund die elektrische Verstärkung von Zäunen und den Einsatz von Herdenschutzhunden, aber nicht den Einsatz von Lamas oder Eseln anstelle von Herdenschutzhunden). Die Kantone bestimmen innerhalb dieses Rahmens die Umsetzung von Herdenschutzmassnahmen. Sie können so den regionalen Unterschieden betreffend Zumutbarkeit und Durchführbarkeit Rechnung tragen, z. B. indem sie gestützt auf die Grundsätze des Bundes die Alpperimeter bezeichnen, auf denen das Ergreifen von Schutzmassnahmen als nicht zumutbar erachtet wird (vgl. dazu auch Art. 10quinques Abs. 2 JSV).

Art. 13 Artikel 13 Absatz 4 wird inhaltlich ergänzt mit der Bestimmung, dass das Ergreifen der zumutbaren Massnahmen zur Verhütung von Wildschaden Bedingung ist
für die Schadenvergütung durch Bund und Kantone. Bei den im Artikel 5 Absatz 1 als jagdbar bezeichneten Wildtieren stehen die Kantone alleine in der Entschädigungspflicht, sofern es sich um Schäden an Wald, landwirtschaftlichen Kulturen und Nutztieren handelt, sofern es keine Bagatellschäden sind und sofern der Landwirt gegen diese Tiere keine Selbsthilfemassnahmen ergreifen darf. Bei den durch den Bund nach Artikel 7 Absatz 1 geschützten Wildtieren beteiligen sich Bund und Kantone anteilmässig an der Entschädigung solchen Wildschadens, allerdings nur bei Arten, die der Bundesrat in der Jagdverordnung bezeichnet. Wie bisher entschädigt werden Wildschäden an Wald, landwirtschaftlichen Kulturen und Nutztieren, bei jagdbaren Wildtieren nach Artikel 13 Absatz 1 und bei geschützten Wildtieren nach Artikel 13 Absatz 4. Zur Klarstellung und Abgrenzung vom neuen Absatz 5 wird der bisherige Absatz 4 mit der analogen Auflistung gemäss Absatz 1 des Artikels ergänzt und dabei

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gleichzeitig auch mit dem allgemein gültigen Grundsatz versehen, dass vorgängig die zumutbaren Massnahmen zur Verhütung von Wildschaden getroffen sein müssen.

Artikel 13 Absatz 5 regelt neu, dass Infrastrukturschäden durch den Biber entschädigt werden. Indem der Biber in einem eigenständigen Absatz explizit genannt wird, wird klar, dass der Bundesrat den Biber auf dem Verordnungsweg zwingend als Wildart auflisten wird, an deren Schäden sich der Bund beteiligt. Insbesondere zu entschädigen sind Schäden an Infrastrukturen, die im öffentlichen Interesse liegen. Darunter sind sämtliche Strassen zu verstehen wie National-, Kantons- und Gemeindestrassen, sämtliche offiziellen Fuss- und Wanderwege, Bahngeleise, Brücken (d. h. Brückenpfeiler und -fundamente) und Hochwasserdämme. Ebenfalls im öffentlichen Interesse sind Bauten und Anlagen zur Energiegewinnung, d. h. Elektrizitätswerke. Unter dem Begriff der privaten Verkehrsinfrastrukturen sind insbesondere Schäden an landwirtschaftlichen Flurwegen zu verstehen. Biberschäden an natürlichen oder künstlichen Uferböschungen sollen nur dann in Stand gestellt bzw. deren Schäden entschädigt werden, wenn der beschädigte Uferbereich die Hochwassersicherheit gefährden könnte. Hingegen erhöhen die Aktivitäten des Bibers in allen anderen Fällen die Strukturvielfalt der Uferböschung im Sinne des Gewässerschutzes und sind entsprechend nicht zu beheben. Nicht unter die Entschädigungspflicht fallen Schäden an landwirtschaftlichen Pumpen und Drainagesysteme.

4

Auswirkungen

4.1

Auswirkungen auf den Bund

Finanzielle Auswirkungen Die Vorlage führt zwei neue Tatbestände für Finanzhilfen und eine neue Abgeltung ein. Neu kann der Bund die Kantone beim Vollzug des neuen Artikels 7a und beim Ergreifen von Verhütungsmassnahmen zum Schutz vor Wildschaden durch Biber finanziell unterstützen. Für die Umsetzung der beiden Artikel soll seitens Bund vorerst je 2 Millionen Franken pro Jahr eingesetzt werden.

Gemäss einer Umfrage des BAFU bei den Kantonen dürfte für die Abgeltung von Biber-Infrastrukturschäden beim aktuellen Biberbestand eine Entschädigungssumme von insgesamt rund 1 Mio. CHF pro Jahr anfallen, die bei einer flächendeckenden möglichen Besiedlung mit Bibern bis auf 2 Mio. anwachsen dürfte.

Mit der Vorlage werden also pro Jahr zusätzliche Finanzmittel von kurzfristig 5 Millionen Franken und mittelfristig von rund 6 Millionen Franken benötigt.

Personelle Auswirkungen Mit der Zunahme der Bestände von Wölfen und Biber in der Schweiz wachsen auch die Aufgaben beim BAFU im Bereich der Förderung und Koordination der Massnahmen der Kantone zur Verhütung von Wildschaden. Zudem wird der Bund vermehrt mit der Prüfung von Wolfbestandsregulierungsgesuchen konfrontiert sein. Damit der Bund seine neuen Pflichten zeitgerecht erfüllen kann, muss der Personalbestand des BAFU um eine Stelle aufgestockt werden.

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4.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Finanzielle Auswirkungen Die neue Finanzhilfe für den Vollzug des Artikels 7a fliesst vollumfänglich in die Kantone. Die Finanzhilfe für Verhütungsmassnahmen zum Schutz vor Wildschaden durch Biber sowie die Abgeltung von Biber-Infrastrukturschäden entlasten die Kantone und Gemeinden, welche diese Kosten heute tragen.

Personelle Auswirkungen Die neue Finanzhilfe für den Vollzug des Artikels 7a erlaubt es den Kantonen, die professionelle Wildhut im Umfang von insgesamt 20­25 Vollzeitstellen zu verstärken.

4.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft, einzelne Branchen und auf die Haushalte

Die Vorlage hat keine Auswirkungen auf die Volkswirtschaft im Allgemeinen. Sie soll dagegen helfen, dass die langfristige Akzeptanz der Tierarten Wolf und Biber durch die Gesellschaft erhalten und gefördert wird. Wölfe können einen positiven Effekt auf die Schutzfunktionen der Wälder haben, da ihre Präsenz die Bestände der wildlebenden Huftiere begrenzen kann, wodurch die Verjüngung der Schutzwälder profitiert. Biber können positive Auswirkungen auf die Artenvielfalt und den Gewässerhaushalt haben, da ihre Grab- und Bautätigkeiten neue vielfältige Gewässerlebensräume schafft. Andererseits kann die Präsenz von Wölfen einen Mehraufwand in der Landwirtschaft generieren. Die Vorlage hat jedoch keine substanziellen Auswirkungen auf die Gesellschaft, auf urbane Zentren oder Agglomerationen und auf die Haushalte. Die vorliegende Teilrevision kommt vor allem den Anliegen der von der Präsenz von Wölfen und Bibern betroffenen Bevölkerung entgegen.

5

Verhältnis zum EU-Recht

5.1

Entwicklungen in der EU

Der Schutz des Wolfs ist im EU-Recht in der sogenannten Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie19 geregelt, die für die Schweiz rechtlich nicht verbindlich ist. Deren Bestimmungen sind ähnlich wie jene in der Berner Konvention. Sie gehen aber insofern weiter, als die EU den Nachweis eines günstigen Populations-Erhaltungszustands von streng geschützten Tierarten pro Vertragsstaat verlangt, bevor bestandsregulierende Massnahmen erlaubt sind. Die praktische Umsetzung dieser Bestimmung ist allerdings unklar und Gegenstand laufender Diskussionen.

19

92/43/EWG

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Der Wolf ist in Anhang II der Berner Konvention als streng geschützte Tierart aufgeführt. Daher gilt es, insbesondere die Kompatibilität des neuen Artikels 7a mit den internationalen Bestimmungen zu gewährleisten. Die Berner Konvention verpflichtet die Vertragsstaaten, die geeigneten gesetzgeberischen und verwaltungsorganisatorischen Massnahmen zu ergreifen, um den Erhalt der in Anhang II aufgeführten Arten sicherzustellen. Dabei ist grundsätzlich jedes absichtliche Töten dieser Tiere verboten (Art. 6 Berner Konvention). Damit ist die Jagdbarkeitserklärung des Wolfs im nationalen Recht nicht möglich. Hingegen ist der Schutz der in Anhang II aufgeführten Arten nicht absolut. Artikel 9 der Konvention erlaubt in bestimmten Situationen Ausnahmen vom Abschussverbot, insbesondere zur Verhütung ernster Schäden und im Interesse der öffentlichen Sicherheit. Der Generalsekretär des Europarats (Depositar der Berner Konvention) bestätigte der Schweiz 2013 offiziell, dass mit dieser Ausnahmeregelung ein nachhaltiges Bestandsmanagement möglich ist, falls die zumutbaren Schadenpräventionsmassnahmen zuvor ergriffen worden sind, die Wolfpopulation und die Auswirkungen der Massnahmen von der nationalen Behörde überwacht werden und die Schweiz das Populationsmanagement gemeinsam mit den Nachbarländern angeht. Mit dem nationalen Herdenschutzprogramm, das einem Bestandsmanagement vorausgehen muss, der systematischen Überwachung des Wolfsbestandes mit wissenschaftlichen Methoden und der institutionalisierten Zusammenarbeit mit allen Alpenländern erfüllt die Schweiz diese Bedingungen.

Im Rahmen der Diskussion der Standesinitiative des Kantons Wallis «Wolf. Fertig lustig!»20 hat sich die vorberatende Kommission des Ständerates dafür ausgesprochen, beim Ständigen Ausschuss der Berner Konvention die Rückstufung des Wolfs von Anhang II, streng geschützt, in den Anhang III, geschützt, zu beantragen. Der Bundesrat hat den Antrag zur Rückstufung des Wolfs vom Anhang II in Anhang III der Berner Konvention im August 2018 beim Generalsekretär des Europarats in Strassburg eingereicht. Der Ständige Ausschuss der Berner Konvention entschied anlässlich seiner Sitzung im November 2018, die Beratung über den Antrag der Schweiz zu sistieren, bis der Bericht der Europäischen Kommission zum «Zustand der Natur in der EU 2020» vorliegt. Im
Rahmen der Bestandserhebungen, die diesem Bericht zugrunde liegen, ist auch der Wolf erfasst worden, und somit ist die fachliche Entscheidungsgrundlage für eine Position der EU zum Antrag der Schweiz vorhanden.

Dieser Bericht, und somit eine aktuelle europäische Bestandserhebung des Wolfs, wurde im Oktober 2020 publiziert.21 Damit sind die Voraussetzungen für die Behandlung des Antrags der Schweiz an der nächsten Sitzung des Ständigen Ausschusses im November 2022 erfüllt.

6

Rechtliche Aspekte

6.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 78 Absatz 4 und Artikel 79 BV. Demnach legt der Bund die Grundsätze über die Ausübung der Fischerei und der Jagd, insbesondere zur 20 21

Kt. Iv. VS. 14.320 «Wolf. Fertig lustig!» vom 26. November 2014.

Bericht COM/2020/635 final vom 15. Oktober 2020.

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Erhaltung der Artenvielfalt der Fische und der wild lebenden Säugetiere und der Vögel fest.

6.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Europaweit massgebend für die Regelung von Schutz und jagdlicher Nutzung der freilebenden Säugetiere und Vögel sind die Berner Konvention, das Übereinkommen vom 23. Juni 197922 zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten (Bonner Konvention), das Abkommen vom 15. August 199623 zur Erhaltung der afrikanischeurasischen wandernden Wasservögel (AEWA) sowie das Übereinkommen vom 3. März 197324 über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (CITES). Die Schweiz ist diesen Konventionen beigetreten. Deren Bestimmungen sind verbindlich für das Schweizer Recht. Alle vorgeschlagenen Neuregelungen entsprechen dieser Massgabe.

6.3

Erlassform

Nach Artikel 22 Absatz 1 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200225 erlässt die Bundesversammlung alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen in der Form des Bundesgesetzes.

6.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV bedürfen Subventionsbestimmungen, die neue einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken oder wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen, der Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder jedes der beiden Räte. Die Vorlage enthält keine solche Subventionsbestimmung.

6.5

Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz

Die Vorlage tangiert die Aufgabenteilung oder die Aufgabenerfüllung durch Bund und Kantone in geringer Weise, indem sie die Rollen von Bund und Kantonen beim Herdenschutz klärt.

22 23 24 25

SR 0.451.46 SR 0.451.47 SR 0.453 SR 171.10

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6.6

Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes

Die im Rahmen der Teilrevision des Jagdgesetzes vorgesehenen Gesetzesänderungen entsprechen den Vorgaben des Subventionsgesetzes.

6.7

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Die vorliegende Teilrevision des Jagdgesetzes führt keine neue Delegationsnorm zum Erlass von selbstständigem Verordnungsrecht des Bundesrates ein.

6.8

Datenschutz

Die Vorlage ist aus Sicht des Datenschutzes ohne Relevanz.

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