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16.504 Parlamentarische Initiative Sicherstellung der Blutversorgung und Unentgeltlichkeit der Blutspende Bericht der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates vom 19. August 2022

Sehr geehrte Frau Präsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Änderung des Bundesgesetzes vom 15. Dezember 20001 über Arzneimittel und Medizinprodukte (Heilmittelgesetz, HMG). Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

19. August 2022

Im Namen der Kommission Der Präsident: Albert Rösti

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SR 812.21

2022-3045

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Übersicht Die Sicherstellung der Versorgung der Schweizer Bevölkerung mit Blut und labilen Blutprodukten ist aus Sicht der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates heute rechtlich unzureichend geregelt. Der zivilen Blutversorgung wird in Zukunft angesichts der demografischen Entwicklung eine viel grössere Bedeutung zukommen. Die Kommission möchte daher eine Grundlage schaffen, um bei Bedarf via Sicherstellung eines sicheren Umgangs letztlich auch die Versorgung mit sicherem Blut und sicheren labilen Blutprodukten fördern zu können. Es ist der Kommission weiter ein Anliegen, die Unentgeltlichkeit der Blutspende auf Gesetzesstufe zu regeln, um einen missbräuchlichen Umgang mit Blut zu verhindern. Schliesslich erachtet sie beim Blutspenden die generelle Rückweisung von Männern, die innerhalb der letzten 12 Monate sexuellen Kontakt mit einem anderen Mann hatten, als nicht angebracht.

Die Kommission verfolgt mit ihrer Vorlage drei Ziele. Erstens will sie im Rahmen der verfassungsmässigen Zuständigkeiten des Bundes die Finanzierungssicherheit des inländischen Blutspendewesens (und dadurch mittelbar eine ständige Versorgung der Bevölkerung mit Blut und labilen Blutprodukten) sowie die Einhaltung der hohen Sicherheitsanforderungen für die Zukunft nachhaltig sicherstellen. Sie schlägt daher eine rechtliche Verankerung und einen Ausbau des heutigen Systems der Finanzhilfe im Heilmittelgesetz vor. Die Finanzhilfe wird als flankierende Massnahme für die Sicherstellung des sicheren Umgangs mit Blut und Blutprodukten vorgesehen.

Zweitens will sie die langjährige und unbestrittene Praxis der Unentgeltlichkeit der Blutspende festschreiben. Deshalb schlägt sie vor, das Gewähren und Entgegennehmen jeglicher Vorteile im Zusammenhang mit der inländischen Blutspende explizit auf Gesetzesstufe zu verbieten. Die Einfuhr von Blut und labilen Blutprodukten zu Transfusionszwecken, für die solche Vorteile gewährt oder entgegengenommen wurden, soll ebenfalls verboten werden. Für sehr seltene Blutgruppen-Merkmale und in Notsituationen soll von dieser Regelung abgewichen werden können.

Drittens will die Kommission im Heilmittelgesetz festschreiben, dass die Ausschlusskriterien vom Blutspenden niemanden diskriminieren dürfen. Die Ausschlusskriterien müssen auf dem individuellen Risikoverhalten basieren und wissenschaftlich begründet sein.

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

Am 16. Dezember 2016 hat Nationalrat Ulrich Giezendanner (SVP, AG) die parlamentarische Initiative «Sicherstellung der Blutversorgung und Unentgeltlichkeit der Blutspende» eingereicht. Sie verlangt eine Anpassung des Heilmittelgesetzes2, um eine hinreichende Versorgung der schweizerischen Bevölkerung mit Blut und labilen Blutprodukten sowie die Unentgeltlichkeit der Blutspende sicherzustellen.

Der Initiant bemängelt, dass die Sicherstellung der Versorgung der Schweizer Bevölkerung mit Blut und labilen Blutprodukten sowie die Organisation des Blutspendewesens bis heute rechtlich kaum geregelt seien, obwohl der Bundesrat dies bereits 1995 als landesweite gesundheitspolitische Aufgabe bezeichnet habe. Um die ständige Versorgung der Bevölkerung mit Blut und Blutprodukten und die Einhaltung der hohen Sicherheitsanforderungen auch in Zukunft nachhaltig sicherzustellen, seien diese als öffentliche Aufgabe des Bundes gesetzlich zu verankern. Zudem bedürfe es einer rechtlichen Grundlage, um die Übertragung dieser Aufgabe an eine geeignete Organisation in Form eines Leistungsauftrags sowie eine Abgeltung der mit der Aufgabenerfüllung verbundenen ungedeckten Kosten zu ermöglichen.

Die Unentgeltlichkeit der Blutspende sei zwar in der Bundesverfassung3 sowie im Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin des Europarates4 festgehalten, bisher fehle jedoch die Umsetzung auf Gesetzesebene, argumentiert der Initiant weiter. Die freiwillige und unentgeltliche Blutspende sei in verschiedenen Empfehlungen und Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation und des Europarates als grundlegendes ethisches Prinzip anerkannt. Dafür sprechen insbesondere die folgenden zwei Gründe: Zum einen sei die Unentgeltlichkeit der Blutspende ein wesentliches Sicherheitselement: Wer nichts an der Blutspende verdiene, habe auch kein Interesse, Risikofaktoren zu verheimlichen; Zum anderen werde es aus ethischer Sicht als unverantwortlich erachtet, Menschen in einer Notlage mit finanziellen Anreizen zu einer Blutspende zu motivieren.

Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats (SGK-N) gab der parlamentarischen Initiative am 25. Januar 2018 mit 16 zu 2 Stimmen bei 5 Enthaltungen Folge. Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates (SGK-S) stimmte dem Beschluss ihrer Schwesterkommission
am 16. Oktober 2018 einstimmig zu. Gestützt auf Artikel 112 Absatz 1 Parlamentsgesetz5 zog die Kommission Fachleute des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) für Rechts- und Sachauskünfte bei. Diese analysierten im Auftrag der Kommissionspräsidentin die Hauptfragen, die sich im Hinblick auf eine Regulierung stellten (Versorgungsauftrag; Grundsätze für einen Leistungsauftrag; Unentgeltlichkeit der Blutspende), und schlugen der Kommission eine alternative Regelung vor.

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HMG; SR 812.21 BV; SR 101 SR 0.810.2 ParlG; SR 171.10

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An ihrer Sitzung vom 30. August 2019 beschloss die SGK-N jedoch, die Initiative gemäss dem eingereichten Text umzusetzen. Am 22. Januar 2020 machten die Fachleute des BAG die Kommission auf Probleme bei der Umsetzung aufmerksam. Die SGK-N konnte erst am 25. Juni 2020, nach einer durch die Covid-19-Pandemie bedingten Verzögerung, darüber diskutieren. Sie präzisierte dabei ihren Auftrag an die Verwaltung und sprach sich für eine rechtliche Verankerung und einen Ausbau des heutigen Systems der Finanzhilfe im Heilmittelgesetz aus. Die Finanzhilfe soll als flankierende Massnahme für die Sicherstellung des sicheren Umgangs mit Blut und Blutprodukten (vgl. Art. 34 ff. HMG) vorgesehen werden.

Da die beigezogenen Fachleute des BAG durch die Bewältigung der Covid-19-Pandemie sehr stark in Anspruch genommen wurden, verzögerte sich die Umsetzung der Initiative. Die Kommission beantragte am 28. April 2021 mit 17 zu 1 Stimmen bei 2 Enthaltungen, die Behandlungsfrist für die Initiative um zwei Jahre (bis zur Sommersession 2023) zu verlängern, damit sie die begonnenen Arbeiten fortführen kann.

Der Nationalrat hat am 18. Juni 2021 die Behandlungsfrist des Geschäftes gemäss Antrag verlängert.

In ihrer Sitzung am 17. November 2021 beriet die SGK-NR den Vorentwurf und die Erläuterungen der Verwaltung. Sie hiess einen Antrag, welcher ein Diskriminierungsverbot im Bereich der Blutspende forderte, mit 7 zu 4 Stimmen bei 2 Enthaltungen gut und beauftragte die Verwaltung, einen Formulierungsvorschlag zu unterbreiten.

Die Kommission hiess den Vorentwurf einstimmig gut.

An ihrer Sitzung vom 3. Februar 2022 beschloss die SGK-N einstimmig den Vorentwurf zusammen mit dem erläuternden Bericht zur Vernehmlassung zu unterbreiten.

An der Sitzung vom 19. August 2022 nahm die Kommission von den Ergebnissen der Vernehmlassung Kenntnis (siehe Ziff. 2.5). In diesem Rahmen beschloss die Kommission, Ausnahmen vom Unentgeltlichkeitsgebot vorzusehen sowie das Diskriminierungsverbot umzuformulieren und die Ausschlusskriterien zu präzisieren. Gleichzeitig beschloss sie einstimmig, den Entwurf mit dem vorliegenden Bericht ihrem Rat zu unterbreiten und den Bundesrat zur Stellungnahme einzuladen.

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Ausgangslage

2.1

Blutspendewesen als private Aufgabe im öffentlichen Interesse

Historisch hat sich das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) die ständige Versorgung mit Blut zur Aufgabe gemacht. Das Hilfswerk SRK (privatrechtlicher Verein nach Zivilgesetzbuch6) sieht das Gründungsdatum des schweizerischen Blutspendewesens am 6. Oktober 1939, als der Oberfeldarzt der Armee nach Ausbruch des Zweiten

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Weltkriegs eine Wegleitung erliess, dass sich mehr Spitäler als bis anhin der Bluttransfusion annehmen sollten.7 Er forderte das SRK auf, sowohl unter den Soldaten als auch in der Zivilbevölkerung Blutspender zu werben. Aus dieser Initiative entstand ein für die Zwecke der Armee aufgebauter Blutspendedienst («Kriegsblutspendedienst»). Um das Dahinfallen dieser Organisation mit dem Ende des Aktivdienstes zu verhindern, sah das SRK eine Überführung in eine Friedensorganisation für zivile Bedürfnisse vor («Friedensblutspendedienst»). Es nahm Ende 1945 eine Schenkung des Amerikanischen Roten Kreuzes von über 13 000 Einheiten Trockenplasma zum Anlass, einen solchen zivilen Blutspendedienst dezentral aufzubauen. Das SRK errichtete ein Zentrallaboratorium in Bern und verpflichtete seine Sektionen zur Gründung regionaler Blutspendezentren, die zur Werbung und Rekrutierung von Spendern sowie zur Herstellung und Abgabe von Vollblutkonserven verpflichtet wurden.

Seit 1951 anerkennt der Bund die Sonderstellung des SRK als einzige nationale Rotkreuzgesellschaft auf dem Gebiet der Eidgenossenschaft (Art. 1 Abs. 1 Bundesbeschluss vom 13. Juni 1951 betreffend das Schweizerische Rote Kreuz8). Dies nachdem das SRK den Bund u. a. ersuchte, seine jährliche Subvention (seit 1904 ausgerichtet zur Unterstützung des SRK in der Erfüllung seiner inländischen Aufgaben) per 1950 deutlich zu erhöhen und das Sonderstatut des SRK gegenüber anderen Hilfswerken durch einen Bundesbeschluss zu bestätigen.9 Dabei ist das «Blutspendewesen für zivile und militärische Zwecke» als eine der drei genannten «wichtigsten Aufgaben» des SRK bezeichnet (Art. 2 Abs. 1 BB 1951). Damit schuf der Bund in Würdigung der verschiedenen Tätigkeiten und der Zusammenarbeit mit den Behörden im Bereich der öffentlichen Gesundheit die erforderliche rechtliche Grundlage, um durch Gewährung von Beiträgen und besonderen Erleichterungen der Sonderstellung des SRK als nationaler Rotkreuzgesellschaft Rechnung tragen zu können (Art. 3 Abs. 1 BB 1951).10 Demnach richtet der Bund dem SRK jährlich einen Beitrag zur Erfüllung der genannten Aufgaben einschliesslich Blutspendewesen aus (Art. 3 Abs. 2 BB 1951). Dessen Höhe ist jeweils im Voranschlag festzusetzen, d. h. jährlich neu zu budgetieren ist (Art. 3 Abs. 3 BB 1951).

Nachdem Mitte der 1980er-Jahre Patienten
infolge Verabreichung von Blut oder Blutprodukten mit dem Humanen Immundefizienz-Virus (HIV) infiziert worden waren, setzte das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) im Jahre 1993 eine Arbeitsgruppe «Blut und AIDS» ein. Die Arbeitsgruppe sollte überprüfen, ob in diesem Bereich Schwachstellen bestünden und mit welchen Massnahmen diese allenfalls behoben werden könnten. Sie kam in ihrem Bericht vom 31. Januar 1994 (sog. VoyameBericht) u. a. zum Schluss, dass das Bluttransfusionswesen in der Schweiz neu organisiert werden müsse. Es scheine notwendig, das Bluttransfusionswesen einer einzi-

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Vgl. hierzu und im Weiteren z. B. Schweizerisches Rotes Kreuz ­ 150 Jahre für mehr Menschlichkeit, Band V (1939­1945: Zweiter Weltkrieg), Der Blutspendedienst (1939 bis heute) mit weiteren Nachweisen, abrufbar unter www.geschichte.redcross.ch.

SR 513.51; nachfolgend «BB 1951».

Siehe hierzu und im Weiteren Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 12. August 1949 betreffend einen jährlichen Beitrag an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, die Tätigkeit des Schweizerischen Roten Kreuzes und die Bekanntmachung der Genfer Abkommen, BBl 1951 I 706, 709 ff.

BBl 1951 I 706, 711

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gen Instanz unterzuordnen. Diese wiederum müsste wohl einen Teil ihrer Kompetenzen dem SRK delegieren, das weiterhin eine massgebende Rolle in diesem Sektor spielen würde und das Blutspendewesen als landesweite gesundheitspolitische Aufgabe weiterhin im Wesentlichen tragen solle. Der Bund müsse aber den hierfür verbindlichen Auftrag an das SRK formulieren, einschliesslich der rechtlichen Definition der Voraussetzungen, damit das SRK einen effizienten und möglichst sicheren Blutspendedienst organisieren könne.11 Der Bundesrat jedoch lehnte das dezidiert ab. Er erachtete eine Kompetenzdelegation an das SRK respektive eine Neuformulierung seines Auftrags als nicht dringlich. Die vorgesehene Unterstellung der Blutspendezentren des SRK unter eine Bewilligungspflicht genüge vorläufig. Auch der Bundesbeschluss betreffend das SRK von 1951 könne vorläufig unverändert beibehalten werden.12 In der Folge fand eine gewisse interne Zentralisierung seitens SRK statt, weg von der jahrzehntelangen Aufteilung in kleine und kleinste Spitalblutbanken: So waren noch 1994 im Verband der Blutspendezentren 15 ordentliche und 45 assoziierte Mitglieder zusammengeschlossen, wobei die Mehrzahl dieser Blutspendezentren weniger als 1000 Blutspenden pro Jahr entnahm. Im weiteren Verlauf der 1990er-Jahre lösten sich die Blutspendezentren von den SRK-Sektionen los und gruppierten sich regional (heute: 11 regionale Blutspendedienste, zumeist in Rechtsform einer Stiftung). Das Zentrallaboratorium wiederum spezialisierte sich auf die Verarbeitung von Blutplasma, bis das SRK 1999 zum Schluss kam, dass die Führung eines solchen Unternehmens nicht zu seinen eigentlichen Aufgaben gehöre. Deshalb verkaufte das SRK im Folgejahr die gesamten industriellen und kommerziellen Aktivitäten im Zusammenhang mit der Blutverarbeitung (pharmazeutischer Bereich und Einrichtungen) an das Pharmaunternehmen CSL Behring. Beim SRK verblieb nur der Blutspendedienst, der 2005 in eine eigenständige, gemeinnützige Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. Deren Hauptaktionär ist das SRK, die restlichen Aktien besitzen die elf regionalen Blutspendedienste. 2011 schlossen sich der Blutspendedienst und die Stiftung Swiss Blood Stem Cells zur Blutspende SRK Schweiz zusammen.

Bezüglich der finanziellen Unterstützung kann festgehalten werden, dass der Bund seit 2016
gestützt auf den Bundesbeschluss von 1951 und den Bundesratsbeschluss vom 24. Juni 2015 (Allgemeiner Bundesbeitrag für das Schweizerische Rote Kreuz) dem SRK eine jährliche Finanzhilfe in der Höhe von ursprünglich CHF 850 000 ausrichtet (Voranschlag 2021: CHF 828 000; Voranschlag 2022: CHF 830 40013). Eine solche Finanzhilfe wird Empfängern ausserhalb der Bundesverwaltung gewährt, um die Erfüllung einer vom Empfänger gewählten Aufgabe zu fördern oder zu erhalten (Art. 3 Abs. 1 Subventionsgesetz14). Der Bund leistet die Finanzhilfe als Beitrag an 11

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Schlussbericht Arbeitsgruppe «Blut und AIDS» vom 31. Januar 1994 (Voyame-Bericht), S. 7 und 111 f.; Botschaft vom l. März 1995 zu einem Bundesbeschluss über die Kontrolle von Blut, Blutprodukten und Transplantaten, BBl 1995 II 985, 992 und 995 f.

BBl 1995 II 985, 996 Voranschlag 2022 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan (IAFP), Band 2A ­ Voranschlag 2022 mit IAFP 2023­2025 der Verwaltungseinheiten Teil I (Behörden und Gerichte, EDA, EDI, EJPD, VBS), S. 110, Position A231.0362; abrufbar unter www.efv.admin.ch > Finanzberichte > Finanzberichte > Voranschlag mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan.

SuG, SR 616.1

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die Aufgaben des SRK, die für die Allgemeinheit erbracht werden; er beteiligt sich damit zu rund einem Prozent des übergeordneten Aufwands des SRK, der sich nicht konkreten, separat abgegoltenen Leistungsbestellungen der öffentlichen Hand zuordnen lässt. Zu den übergeordneten Aufgaben des SRK, an denen sich der Bund beteiligt, gehören namentlich die freiwilligen Sanitätsdienste und die Förderung der Krankenpflege im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 BB 1951 (unerwähnt hingegen das vom SRK an die Blutspende SRK Schweiz AG übertragene Blutspendewesen). Insofern anerkennt der Bundesrat die in Artikel 2 Absatz 1 BB 1951 bezeichneten «wichtigsten Aufgaben» grundsätzlich (weiterhin) als vom SRK gewählte Aufgaben, die im öffentlichen Interesse und für die Allgemeinheit erbracht werden.

2.2

Finanzieller Handlungsbedarf

Die Kommission geht davon aus, dass das Blutspendewesen als private Aufgabe im öffentlichen Interesse zukünftig nicht mehr hinreichend erfüllt werden kann. Bezüglich dem Unterstützungsbedarf sind die folgenden Tätigkeiten zu differenzieren: ­

Die Blutspende SRK Schweiz AG finanziert sich massgeblich über den Ertrag aus Spendersuche und Transplantationen (mehr als 2/3 des Betriebsertrages) sowie aus Spenden und Kostenbeteiligungen sowie Beiträgen von Hilfswerken und Non-Profit-Organisationen. Als nationale Dachorganisation im Blutspendebereich erfüllt sie verschiedene Aufgaben, die unabhängig von eigentlicher Herstellung und eigentlichem Vertrieb eine qualitativ einwandfreie und sichere Blutversorgung gewährleisten sollen: zentrale Koordination der schweizweiten Blutversorgung; Verfassen und Aktualisierung von Vorschriften und Empfehlungen gemäss je aktuellem Stand von Wissenschaft und Technik; Betrieb eines Referenzlabors für Infektmarker und eines Referenzlabors für Immunhämatologie; etc.. Primär sollen solche Tätigkeiten unterstützt werden, die - über die Erfüllung der heilmittelrechtlichen Qualitätsund Sicherheitsanforderungen hinaus - zur Sicherstellung eines sicheren Umgangs mit Blut und labilen Blutprodukten beitragen und nicht anderweitig vergütet werden (z. B. Tarife der sozialen Krankenversicherung). Inwiefern die massgeblichen Voraussetzungen für eine Finanzhilfe tatsächlich erfüllt sind, wird im konkreten Einzelfall anhand aller erforderlichen Informationen zu beurteilen sein.

­

Die elf regionalen Blutspendedienste, hingegen, führen die eigentliche Blutbeschaffung, die Herstellung labiler Blutprodukte (inkl. notwendiger Laborarbeiten) und den Vertrieb der Produkte durch (abgesehen von der Herstellung auch in Spitälern und der Einfuhr durch Spitäler). Sie finanzieren diese Aufgaben im Wesentlichen über den Verkauf von Produkten (v. a. an Spitäler und Pharmaunternehmen) sowie Labordienstleistungen (v. a. an Spital- und Privatlaboratorien sowie Arztpraxen, Industrie, Universitäten und Behörden sowie andere regionale Blutspendedienste und die Blutspende SRK Schweiz AG). Die Finanzierung wird wesentlich getragen von den Kantonen und der sozialen Krankenversicherung (Kostenübernahme für entsprechende Leistungen). Diese eigentlichen Versorgungsleistungen bilden als solche daher nicht 7 / 26

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Gegenstand der vorgeschlagenen Finanzhilfebestimmungen. Soweit etwa durch den Rückgang des Blutverbrauchs die Kostendeckung zukünftig nur mehr teilweise sichergestellt werden könnte, wäre im Bedarfsfall zu prüfen, inwiefern diese Aufgaben weiterhin primär von den Kantonen selbständig zu erfüllen oder fördern (vgl. Art. 6 Bst. b SuG) bzw. über die Finanzierungsmöglichkeiten der sozialen Krankenversicherung aufzufangen sind (vgl.

Art. 6 Bst. d SuG), bevor der Bund Subventionsbestimmungen erlässt.

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass im Bereich des Blutspendewesens kein rechtliches Monopol besteht. Namentlich begründet auch der Bundesbeschluss von 1951 kein solches (vgl. 2.1.4 vorstehend). Mit anderen Worten besteht für die Versorgung der schweizerischen Bevölkerung mit Blut und labilen Blutprodukten keinerlei Exklusivitätsgarantie zugunsten des SRK bzw. der Blutspende SRK Schweiz AG. Soweit andere Anbieter in diesem Bereich oder in Teilen davon Leistungen anbieten, können diese im Rahmen der vorgelegten Finanzhilfebestimmungen zukünftig ebenfalls gefördert werden. Sind die massgeblichen Voraussetzungen erfüllt, könnten also etwa Tätigkeiten der regionalen Blutspendedienste direkt unterstützt werden (z. B. Führen der beiden Referenzlabors für Infektmarker und Immunhämatologie durch die Inter-regionale Blutspende SRK BE/VD/VS für die Blutspende SRK Schweiz AG). Das gilt gegebenenfalls auch für weitere Anbieter ausserhalb des SRK, wenn sie unterstützungsfähige Leistungen erbringen.

2.3

Unentgeltlichkeit der Blutspende

Die freiwillige und unentgeltliche Blutspende ist in verschiedenen Empfehlungen und Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation und des Europarates als grundlegendes ethisches Prinzip anerkannt. Dafür sprechen insbesondere die folgenden zwei Gründe: Die Unentgeltlichkeit der Blutspende ist zum einen ein wesentliches Sicherheitselement: Wer nichts an der Blutspende verdient, hat auch kein Interesse, Risikofaktoren zu verheimlichen. Unentgeltliche Blutspenden tragen damit zur Vermeidung kontaminierter Blutspenden bei; Zum anderen wird es aus ethischer Sicht als unverantwortlich erachtet, Menschen in einer Notlage mit finanziellen Anreizen zu einer Blutspende zu motivieren.

Das Unentgeltlichkeitsgebot ist international im Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin15 verankert: Der menschliche Körper und Teile davon dürfen als solche nicht zur Erzielung eines finanziellen Gewinns verwendet werden

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SR 0.810.2

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(Art. 21).16 Sodann ist gemäss Bundesverfassung die Spende von menschlichen Organen, Geweben und Zellen im Bereich der Transplantationsmedizin unentgeltlich (Art. 119a Abs. 3 Satz 1 BV). Die Verfassungsbestimmung wurde unter anderem mit Qualitäts- und Sicherheitsbedenken im Bereich der Blutspende begründet.17 Auch wenn das Unentgeltlichkeitsgebot gemäss Biomedizinkonvention und BV in der Schweiz direkt anwendbar ist, fehlt es im Blutspendebereich an den entsprechenden verwaltungs- und strafrechtlichen Instrumenten, um dem Gebot Wirksamkeit zu verschaffen. Deshalb ist die Unentgeltlichkeit der Blutspende gesetzlich zu verankern und mit einer Strafnorm zu bewehren, entsprechend der Spende von menschlichen Organen, Geweben oder Zellen gemäss Transplantationsgesetz. Da die Unentgeltlichkeit der Blutspende nicht zuletzt auch ein wesentliches Sicherheitselement darstellt, will die Kommission zudem auch festschreiben, dass Blut und labile Blutprodukte, die für Transfusionen aus dem Ausland eingeführt werden, nur aus unentgeltlichen Spenden stammen dürfen. Der Bundesrat soll dabei Ausnahmen vorsehen können (siehe Ziff. 4; Erläuterungen zu Art. 35 Abs. 2 HMG).

2.4

Ausschluss vom Blutspenden

Jede Transfusion von Blut oder Blutkomponenten beinhaltet ein gewisses Risiko, dass Krankheitserreger vom Spender auf den Empfänger übertragen werden. Wer Menschen Blut entnimmt, um es für Transfusionen oder zur Herstellung von Heilmitteln zu verwenden oder weiterzugeben, muss daher die Tauglichkeit der spendenden Person überprüfen (Art. 34 Abs. 1 und Art. 36 Abs. 1 HMG). Aus Sicherheitsgründen sind vom Blutspenden u. a. Personen auszuschliessen, durch deren Blut Krankheitserreger übertragen werden können (Art. 36 Abs. 2 Bst. b HMG). 1977 wurde das HIV innerhalb der Spezies Mensch epidemiologisch relevant. Seither berücksichtigen die

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Vgl. Botschaft Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin, BBl 2002 271, Ziff. 3.81 S. 322: «Um die Menschenwürde zu wahren, verbietet Artikel 21 des Übereinkommens, dass der menschliche Körper oder Körperteile als solche zur Erzielung eines finanziellen Gewinns verwendet werden, sei dies für die Person, der die Teile entnommen worden sind, oder für Dritte. Der menschliche Körper enthält viele Bestandteile, die für die moderne Medizin wertvoll sind (Organe, Blut, Gewebe). Das Übereinkommen will verhindern, dass der menschliche Körper verkommerzialisiert und letztlich nur noch als Handelsware betrachtet wird. Von Artikel 21 nicht erfasst werden Teile des menschlichen Körpers, deren Vermarktung nicht als Verletzung der Menschenwürde gelten kann. Damit sind Haare und Nägel gemeint, die laufend als Abfall anfallen.».

Botschaft zu einer Verfassungsbestimmung über die Transplantationsmedizin vom 23. April 1997, BBl 1997 III 653, S. 682 Ziff. 242.1: «Medizinisch lässt sich der Grundsatz der Unentgeltlichkeit damit begründen, dass auf diese Weise ungeeignete Transplantate, die den Qualitätsanforderungen nicht zu genügen vermögen, von der Transplantationsmedizin eher ferngehalten werden können. In Staaten, welche die Blutspende gegen Entgelt durchführen, hat man die Erfahrung gemacht, dass viele Alkohol- und Drogenabhängige Blut spendeten, um an Geld zur Befriedigung ihrer Sucht zu gelangen. Das Spendeaufkommen konnte zwar teilweise gesteigert werden, doch schlossen die gesundheitlichen Probleme vieler Spenderinnen und Spender die Verwendbarkeit der Spenden aus.».

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Ausschlusskriterien auch das HIV-Risiko einer spendewilligen Person. Unter anderem vom Blutspenden auszuschliessen sind (Art. 29 Abs. 4 Arzneimittel-Bewilligungsverordnung18): ­

Personen, bei denen eine HIV-Infektion nachgewiesen wurde (Bst. a);

­

Personen, die an Aids erkrankt sind oder Symptome zeigen, die auf eine AidsErkrankung hinweisen (Bst. b);

­

Personen mit HIV-Risikoverhalten (Bst. c);

­

die Intimpartnerinnen oder Intimpartner solcher Personen (Bst. d).

Die Beurteilung der Spendetauglichkeit richtet sich nach den entsprechenden Empfehlungen des Europarats (vgl. Anhang 5 Ziff. 1 AMBV). Dafür sind von den spendenden Personen bei jeder Spende u. a. Informationen über den Gesundheitszustand und Vorerkrankungen einzuholen; diese umfassen insbesondere die Faktoren, die zur Identifizierung und zum Ausschluss von Personen beitragen können, deren Spende mit dem Risiko einer Krankheitsübertragung auf andere verbunden sein könnte (Anhang 5 Ziff. 3.2 AMBV). Diese Informationen sind von einer oder einem qualifizierten Angehörigen eines Gesundheitsberufs mittels eines Fragebogens und einer persönlichen Befragung zu erfassen (Anhang 5 Ziff. 3.3 AMBV).

Die entsprechenden Kriterien respektive Fragen legt die Dachorganisation Blutspende SRK Schweiz AG fest nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft und Technik (vgl.

Art. 3 Abs. 1 HMG). Sie sind international abgestimmt und basieren auf den Ausschlusskriterien des Europäischen Direktorats für die Qualität von Arzneimitteln und Gesundheitsfürsorge (European Directorate for the Quality of Medicines & HealthCare, EDQM), wo sie jährlich auf Aktualität überprüft und angepasst werden.

Nach Genehmigung durch das Schweizerische Heilmittelinstitut (Swissmedic) sind die Vorschriften der Blutspende SRK Schweiz AG als private Standards verbindlich für alle Einrichtungen, die innerhalb der Organisation respektive über Kooperationsverträge mit ihr verbunden sind (d. h. für die regionalen Blutspendedienste).19 Ursprünglich (d. h. ab 1977) wurden Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), vom Blutspenden ausgeschlossen. Begründet wurde der zeitlich unlimitierte und nicht rückgängig zu machende Ausschluss generell von MSM mit der Zugehörigkeit zu einer Personengruppe, deren sexuelles Verhalten gegenüber der Allgemeinbevölkerung ein erhöhtes Risiko von HIV-Infektionen mit sich bringe.

2015 hielt der Europäische Gerichtshof (EuGH) für das europäische Recht fest, dass eine dauerhafte Kontraindikation bei Blutspenden für alle Männer, die sexuelle Beziehungen zu Männern hatten, nur dann verhältnismässig ist, wenn es erstens nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft keine wirksamen Techniken zum Nachweis von HIV gibt, um die Übertragung eines derartigen Virus auf die Empfänger zu vermeiden, und es zweitens auch keine weniger belastenden Methoden gibt als das dauerhafte Verbot der Blutspende für alle MSM, um ein hohes Gesundheitsschutzni-

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Verordnung über die Bewilligungen im Arzneimittelbereich; SR 812.212.1.

Aktueller Fragebogen (Kapitel 17A der Vorschriften der Blutspende SRK Schweiz AG) abrufbar unter www.blutspende-srk.ch > Informationen für Fachpersonen > Medizinische Richtlinien > Vorschriften.

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veau der Empfänger sicherzustellen. Insbesondere sei zu prüfen, ob anhand des Fragebogens und der persönlichen Befragung durch eine oder einen qualifizierten Angehörigen eines Gesundheitsberufs die Verhaltensweisen genauer identifiziert werden können, die mit einem Gesundheitsrisiko für die Empfänger verbunden sind, um eine weniger einschränkende Kontraindikation festzulegen. Namentlich sei zu beurteilen, ob es durch gezielte Fragen zum seit der letzten sexuellen Beziehung verstrichenen Zeitraum im Verhältnis zur Dauer des «diagnostischen Fensters» (d. h. zum Zeitraum, in dem nach einer Virusinfektion die im Rahmen des Tests der Blutspende verwendeten Biomarker trotz der Infektion noch negativ bleiben), zur Beständigkeit der Beziehung der betreffenden Person oder zum Schutz in der sexuellen Beziehung möglich wäre, die Höhe des Risikos zu bewerten, das individuell durch den jeweiligen Spender aufgrund seines eigenen Sexualverhaltens besteht.20 Seit dem 1. Juli 2017 werden in der Schweiz MSM nicht mehr pauschal vom Blutspenden ausgeschlossen. Wie in vielen anderen Ländern wurde der dauerhafte Ausschluss in eine befristete Rückstellung (oder Rückweisung) nach dem letzten MSMSexualkontakt geändert. MSM können nun grundsätzlich Blut spenden - vorausgesetzt, sie hatten in den vorangehenden 12 Monaten keinen sexuellen Kontakt mit Männern. Für alle übrigen Menschen führt demgegenüber geschlechtsunabhängig ein Wechsel der Sexualpartnerschaft in den letzten 4 Monaten oder ein sexueller Kontakt (geschützt oder nicht geschützt) mit wechselnden Partnern respektive Partnerinnen in den letzten 12 Monaten zu einer Rückweisung. Die Lösung mit der zwölfmonatigen Karenzfrist für MSM wurde bei der Einführung als erster Schritt gesehen und entsprach der damaligen Situation in anderen Ländern, wie z. B. im Vereinigten Königreich, in Frankreich, in den Vereinigten Staaten oder in Kanada.21 Seither ist in Europa, Nordamerika und Australien, basierend auf nationalen Risikobeurteilungen anhand des aktuellen medizinisch-technischen Standes und der konkreten epidemiologischen Situation, ein allgemeiner Trend zu erkennen hin zu einer schrittweisen Reduktion oder Abschaffung der spezifischen Rückweisungsfristen für MSM. Im internationalen Vergleich präsentieren sich die Regeln betreffend Rückweisung von MSM wie folgt (in Klammern das Jahr der Einführung, sofern verfügbar):22

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Urteil des EuGH vom 29. April 2015 C-528/13 Léger, Rn. 59 ff.

Vgl. auch Mo. Fraktion BD (15.3401); AB 2017 N 608; AB 2017 S 801 ff.

Siehe hierzu und im Weiteren die Publikationen «Blutspende von Personen mit sexuellem Risikoverhalten ­ Darstellung des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft», Stand 26.05.2021 (Beratungsergebnis der gemeinsamen Arbeitsgruppe von Bundesärztekammer, Bundesgesundheitsministerium und zuständigen Bundesoberbehörden Deutschlands), S. 8 ff., abrufbar unter www.bundesaerztekammer.de > in Suche Titel eingeben; Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages, Blutspende von homo-, bi- und transsexuellen Männern (MSM) in ausgewählten Ländern, 27.05.2020, abrufbar unter www.bundestag.de > Dokumente > Gutachten und Ausarbeitungen; vgl. auch «Blood donation restrictions on men who have sex with men», abrufbar unter www.en.wikipedia.org.

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Keine Rückweisung23: Albanien, Bulgarien, Island, Israel (2021), Italien (2000), Lettland, Litauen (ab Mai 2022), Polen (2005), Portugal (2010), Russland, Spanien (2001), Ukraine, Ungarn (2020); ebenso eine Reihe lateinamerikanischer Länder (u. a. Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Costa Rica, Kolumbien, Mexiko, Peru) sowie Südafrika;

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3 Monate nach letztem MSM-Kontakt: Vereinigtes Königreich (2017­2021), Kanada (2019), USA (2020), Nordirland (2020), Australien (2021);

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4 Monate nach letztem MSM-Kontakt: Dänemark und Grönland, Finnland, Frankreich (alle 2020), Irland (ab März 2022), Niederlande (2020­2021), Österreich (2021);

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6 Monate nach letztem MSM-Kontakt: Tschechien (2007), Schweden (2021), Serbien;

­

12 Monate nach letztem MSM-Kontakt: Irland (2017­2022), Schweiz (2017), Slowakei (2020), Slowenien (2020).

In den letzten Jahren sind in verschiedenen Ländern Erfahrungen mit den geänderten Spenderauswahlkriterien veröffentlicht worden. Demnach zeigten sich in Ländern, in denen der Ausschluss von MSM in eine zeitlich befristete Rückweisung von 12 Monaten geändert wurde, keine Zunahme der HIV-Infektionen unter Spendern. Kürzere Rückstellfristen sind in vielen Ländern erst in jüngerer Vergangenheit umgesetzt worden (insb. ab 2020); bisher liegen hier nur begrenzte Erkenntnisse zu den Auswirkungen vor.24 Etwa in Frankreich wurde die per 1. Februar 2020 eingeführte Rückweisungsfrist von vier Monaten auf eine Untersuchung zur HIV-Risikobewertung begründet. Diese Untersuchung umfasste zwei Szenarien: im ersten eine viermonatige Rückweisungsfrist generell für MSM, im zweiten eine viermonatige Rückstellungsfrist nur im Falle von mehr als einem Sexualpartner (entsprechend den allgemeinen Ausschlusskriterien). Die Auswirkung beider Szenarien auf den Verlauf eines HIVInfektionsrisikos wurde anhand von Daten aus Umfragen und Schätzungen bei MSM und Blutspendern bewertet. Im Ergebnis blieb das Infektionsrisiko für beide Szenarien sehr niedrig.25 Gegenwärtig laufen in verschiedenen Ländern weitere Bestrebungen hin zur Abschaffung der MSM-spezifischen Rückweisungsfristen. Stattdessen werden Regeln geprüft und eingeführt, die das sexuelle Risikoverhalten grundsätzlich unabhängig von Geschlecht und sexueller Orientierung erfassen, und insbesondere Menschen, die seit einer bestimmten Mindestdauer in einer sexuell exklusiven Partnerschaft leben, einheitlich beurteilen. Namentlich:

23

24 25

Im Rahmen einer sog. «individuellen Risikobewertung» wird das Sexualverhalten im Sinne einer Risikostratifizierung mitunter zwar nach Gruppen kategorisiert (z. B. in Italien und Spanien). Allgemein wird dennoch von einer «individuellen Risikobewertung» gesprochen, da im konkreten Einzelfall jeweils mehrere gruppenbezogene Parameter betrachtet werden.

Siehe «Blutspende von Personen mit sexuellem Risikoverhalten», S. 9 ff.

Pillonel et al., The evolving blood donor deferral policy for men who have sex with men: impact on the risk of HIV transmission by transfusion in France, in: Transfusion, Volume 60 Issue 3, abrufbar unter: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/trf.15677.

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26

27

­

Deutschland: Bisher galt eine Rückweisungsfrist von 12 Monaten nach Beendigung eines sexuellen Risikoverhaltens. Im letzten Jahr hat die Gemeinsame Arbeitsgruppe von Bundesärztekammer, Bundesgesundheitsministerium und zuständigen Bundesoberbehörden (u. a. Paul-Ehrlich-Institut und Robert Koch-Institut) die aktuelle medizinisch-wissenschaftliche und epidemiologische Datenlage hinsichtlich Blutspende bei Personen mit sexuellem Risikoverhalten erneut gesichtet und bewertet. Sie kam im Juni 2021 zum Schluss, dass es trotz sensitiver und spezifischer Testverfahren weiterhin erforderlich sei, Personen mit sexuellem Risikoverhalten nicht zur Blutspende zuzulassen, um die hohe Sicherheit der Empfängerinnen und Empfänger zu gewährleisten.

Bei Sexualverkehr zwischen nicht infizierten Partnern respektive Partnerinnen ausschliesslich innerhalb einer auf Dauer angelegten Beziehung könne per se aber von keinem erhöhten Risiko für durch Blut übertragbare Infektionskrankheiten ausgegangen werden. Ein erhöhtes Risiko ergebe sich erst aus einem zeitlich aktuellen Sexualkontakt mit Personen, deren Verhalten ein hohes Risiko für solche Infektionskrankheiten berge. Auf der Grundlage dieser Analyse beschloss die Bundesärztekammer am 25. Juni 2021 neue Regelungen zur Blutspende in Deutschland, in Kraft seit 29. September 2021. Demnach führt eine Zulassung zur Spende vier Monate nach Beendigung eines sexuellen Risikoverhaltens nicht zu einer Erhöhung des Risikos für die Empfängerinnen und Empfänger von Blut und Blutprodukten. Infektionen mit dem Hepatitis-B-Virus, dem Hepatitis-C-Virus oder HIV könnten nach dieser Zeitspanne sicher ausgeschlossen werden. Entsprechend gilt eine Rückweisungsfrist von 4 Monaten bei erhöhtem Übertragungsrisiko. So werden Personen unabhängig von der sexuellen Identität zurückgewiesen, wenn sie innerhalb von vier Monaten vor der Blutspende ungeschützten Sexualkontakt ausserhalb einer festen Paarbeziehung hatten. Erfasst sind u. a. Männer, die in den letzten vier Monaten einen neuen oder mehr als einen Sexualpartner hatten. Für MSM, die seit mindestens vier Monaten in einer sexuell exklusiven Partnerschaft leben, bestehe kein erhöhtes Infektionsrisiko, sodass diese MSM neu ohne Rückstellung spenden können.26

­

Vereinigtes Königreich: Die Ende 2020 beschlossene individualisierte Risikobeurteilung für eine durch Blut übertragbare Infektion bei Blutspendern, unabhängig von Geschlecht und sexueller Orientierung, wird seit Sommer 2021 implementiert. Demnach grundsätzlich spendentauglich sind Menschen, die seit mindestens drei Monaten in einer exklusiven Beziehung sind.27

­

Frankreich: Eine weitere Öffnung hin zu Ausschlusskriterien, die unabhängig von der sexuellen Orientierung für alle Spender identisch sind (nur ein Sexualpartner in den letzten vier Monaten), wird zurzeit evaluiert. Gestützt darauf

Vgl. «Blutspende von Personen mit sexuellem Risikoverhalten», S. 9 ff.; Medienmitteilungen der Bundesärztekammer «Blutspende von Personen mit sexuellem Risikoverhalten» (25.06.2021) und «Qualität und Sicherheit von Blut und Blutprodukten gewährleisten / Anschein von Diskriminierung vermeiden» (24.09.2021); abrufbar unter www.bundesaerztekammer.de > in Suche Titel eingeben.

Vgl. dazu auch Ip. Cottier (21.3207).

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könnte ab 2022 eine Gleichstellung mit anderen Blutspendern ohne spezifische Karenzfrist erfolgen.

­

Niederlande: Seit 1. September 2021 werden homosexuelle Männer, die in einer dauerhaften monogamen Beziehung leben, als Blutspender aufgenommen.

­

Kanada: Die 3-monatige Rückweisung sollte per Ende 2021 abgeschafft werden und stattdessen ein auf dem Sexualverhalten basierendes Screening für alle Spender angewendet werden.

­

USA: Die sog. ADVANCE-Studie (Assessing Donor Variability and New Concepts in Eligibility)28 der United States Food and Drug Administration (FDA) soll herausfinden, ob die Bewertung des persönlichen Risikos anstelle einer generellen Rückweisung die Blutversorgung des Landes genauso sicher hält. Die Studie soll bis Mitte 2022 abgeschlossen sein.

In der Schweiz wurde Mitte 2021 unter Federführung der Blutspende SRK Schweiz AG eine Fachgruppe Infektionskrankheiten gegründet. Das Ziel dieser Fachgruppe ist, das Restrisiko einer Übertragung von Infektionskrankheiten bei einer Lockerung der heutigen MSM-Spenderkriterien zu berechnen und Empfehlungen abzugeben. Die Empfehlungen sollen Ende 2022 vorliegen.

2.5

Vernehmlassungsverfahren

Die Vernehmlassung dauerte vom 24. Februar 2022 bis am 31. Mai 2022. Die Kommission lud 58 Adressaten ein, zum Vorentwurf und dem erläuternden Bericht Stellung zu nehmen. Insgesamt gingen 45 Stellungnahmen ein, die sich wie folgt zusammenfassen lassen29.

Ein Grossteil der Vernehmlassungsteilnehmenden begrüsst die gesetzliche Verankerung der Unentgeltlichkeit der Blutspende (Art. 33a), des Diskriminierungsverbots (Art. 36 Abs. 2bis) sowie der Förderung mit Finanzhilfen zur Sicherstellung des sicheren Umgangs mit Blut und labilen Blutprodukten (Art. 41a). 12 von 22 Kantonen, die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK), die drei Parteien Die Mitte, GLP und SP sowie der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) unterstützen die gesamte Vernehmlassungsvorlage und haben keine Änderungswünsche. Andere Vernehmlassungsteilnehmende begrüssen die Bestrebungen, regen jedoch gewisse Anpassungen an. Die SVP unterstützt den Kern der Vorlage, äussert aber, ebenso wie die FDP, Kritik an mehreren Aspekten.

Bezüglich den Finanzhilfen werden gegensätzliche Änderungsvorschläge eingebracht. Die FDP und die SVP sind namentlich der Ansicht, dass die Finanzhilfen nur als letztes Mittel, zeitlich begrenzt und massvoll eingesetzt werden sollen. Die Grünen regen unter anderem an, die Finanzhilfen auch auf die eigentliche Blutbeschaffung 28 29

Siehe www.advancestudy.org.

Vernehmlassungsbericht. Parlamentarische Initiative 16.504. Sicherstellung der Blutversorgung und Unentgeltlichkeit der Blutspende. Verfügbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > Parl. oder unter: www.parlament.ch > Suche Curia Vista > 16.504 > Vernehmlassung.

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anzuwenden. Die Blutspendeorganisationen befürworten eine stärkere Verbindlichkeit bei der Förderung mit Finanzhilfen. Der Spitalverband H+ sowie Unimedsuisse fordern einerseits, die Finanzierung weiterer Massnahmen, beispielsweise zur Erhöhung der Blutspendebereitschaft und zur Reduktion des Bedarfs an Blut, in Betracht zu ziehen und andererseits eine transparente und angemessene Preispolitik von den Beitragsempfängern der Finanzhilfen.

Die Regelung der Unentgeltlichkeit der Blutspende ist für die meisten Vernehmlassungsteilnehmenden unbestritten, allerdings wird eine Ausnahmeregelung von verschiedenen Seiten vorgeschlagen. Einige Kantone wünschen sich eine Ausnahme vom Unentgeltlichkeitsgebot in Notsituationen. Auch die Blutspendeorganisationen und das HUG Genève sind einverstanden mit dem Prinzip der Unentgeltlichkeit, schlagen aber jeweils eine Ausnahme für seltene Blutgruppen respektive seltene labile Blutprodukte vor. Aufgrund der bestehenden internationalen Verankerung der Unentgeltlichkeit erachtet es die FDP als fragwürdig, ob eine gesetzliche Verankerung notwendig ist. Die durch vips vertretenen Verbände der Pharmaindustrie heben hervor, dass es für die Versorgung der Schweiz mit lebenswichtigen Arzneimitteln von zentraler Wichtigkeit ist, dass das Unentgeltlichkeitsgebot die Einfuhr von Blut und labilen Blutprodukten zur Herstellung von Heilmitteln nicht tangiert.

Bezüglich dem Diskriminierungsverbot gibt es ebenfalls diverse Anpassungsvorschläge. Einige Kantone wünschen sich bei den Ausschlussgründen vom Blutspenden das Abstellen auf das individuelle Risikoverhalten oder halten gewisse Anpassungen auf Stufe HMG gar nicht für nötig. Die Blutspendeorganisationen halten hinsichtlich des vorgesehenen Diskriminierungsverbots die Zulässigkeit von Ungleichbehandlung unter gewissen Bedingungen weiterhin für notwendig. Der Spitalverband H+ sowie Unimedsuisse wünschen sich bei den Ausschlussgründen vom Blutspenden eine allgemeinere Formulierung. Die Organisationen Pink Cross, Freundinnen, Freunde und Eltern von Lesben und Schwulen und NETWORK ­ Gay Leadership fordern eine Formulierung, welche das Geschlecht als Kriterium grundsätzlich ausschliesst und auf das individuelle Risikoverhalten abstellt. HelvEthica schlägt vor, mehrere zusätzliche Artikel in Bezug auf Ausschlusskriterien und Autotransfusion in den Gesetzesentwurf aufzunehmen.

3

Ziele und Grundzüge der Vorlage

Die Kommission verfolgt mit ihrer Vorlage drei Ziele. Erstens will sie im Rahmen der verfassungsmässigen Zuständigkeiten des Bundes die Finanzierungssicherheit des inländischen Blutspendewesens (und dadurch mittelbar eine ständige Versorgung der Bevölkerung mit Blut und labilen Blutprodukten) sowie die Einhaltung der hohen Sicherheitsanforderungen für die Zukunft nachhaltig sicherstellen. Zweitens will sie das Gewähren und Entgegennehmen jeglicher Vorteile im Zusammenhang mit der inländischen Blutspende explizit auf Gesetzesstufe verbieten; ebenso die Einfuhr von Blut und labilen Blutprodukten zu Transfusionszwecken, für die solche Vorteile gewährt oder entgegengenommen wurden. Drittens will die Kommission im HMG festschreiben, dass die Ausschlusskriterien vom Blutspenden niemanden diskriminieren dürfen.

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Die Ausschlusskriterien stellen auf das individuelle Risikoverhalten der spendewilligen Personen ab und müssen wissenschaftlich begründet sein.

Für die Kommission wird der zivilen Blutversorgung in Zukunft angesichts der demografischen Entwicklung eine viel grössere Bedeutung zukommen. Insbesondere die Behandlung von Krebs benötigt diesbezüglich viele Ressourcen. Die Kommission möchte mit dieser Vorlage eine Grundlage schaffen, um bei Bedarf via Sicherstellung eines sicheren Umgangs letztlich auch die Versorgung in der Schweiz mit sicherem Blut und sicheren labilen Blutprodukten zukunftssicher fördern zu können.

Es ist der Kommission weiter ein Anliegen, die Unentgeltlichkeit der Blutspende auf Gesetzesstufe zu regeln, um einen missbräuchlichen Umgang mit Blut zu verhindern.

Diesem Zweck dient namentlich das (für die Transplantationsmedizin bereits in der Bundesverfassung verankerte) Prinzip der Unentgeltlichkeit der Spende von menschlichen Organen, Geweben und Zellen. Während die Unentgeltlichkeit der Spende in der Transplantationsgesetzgebung für menschliche Organe, Zellen und Gewebe umgesetzt und mit einer Strafnorm bewehrt ist, besteht für die Spende von Blut bisher keine analoge Regelung. Die Praxis der Unentgeltlichkeit der Blutspende hat in der Schweiz aber eine lange Tradition und ist nicht umstritten. Um diesen De-Facto-Standard verbindlich festzuschreiben, soll das Verbot des Gewährens und Entgegennehmens eines finanziellen Gewinns oder anderen Vorteils für die Spende ins Gesetz aufgenommen sowie mit einer entsprechenden Strafnorm abgesichert werden. Mit der gesetzlichen Verankerung des Unentgeltlichkeitsgebots und der Strafnorm wird die Grundlage für verwaltungs- und strafrechtliche Instrumente geschaffen, um dem Gebot Wirksamkeit zu verschaffen, wie dies bei der Spende von menschlichen Organen, Geweben oder Zellen gemäss Transplantationsgesetz bereits der Fall ist. Nach Auffassung der Kommission rechtfertigt es sich zudem, dass zukünftig aus Sicherheitsgründen ­ über die bestehenden gesundheitspolizeilichen Sicherheitsanforderungen für jede Einzeleinfuhr hinaus (vgl. Art. 35 HMG und Art. 44 ff. AMBV) ­ auch ein Einfuhrverbot erlassen wird für Blut und labile Blutprodukte aus dem Ausland, welche den Anforderungen an die Unentgeltlichkeit der Spende im Inland nicht genügen.

Dieses
Einfuhrverbot soll aber nur Blut und labile Blutprodukte für Transfusionen erfassen. Zu übrigen Zwecken (namentlich zur Herstellung von Heilmitteln, vgl.

Art. 34 Abs. 1 HMG) sollen Blut und labile Blutprodukte im Rahmen der geltenden Vorgaben grundsätzlich weiterhin aus dem Ausland eingeführt werden können, auch wenn sie den Anforderungen an die Unentgeltlichkeit der Spende im Inland nicht genügen. Mit anderen Worten dürfen auch Blut und labile Blutprodukte, die aus dem Ausland eingeführt werden und für die Transfusion bestimmt sind, nur aus unentgeltlichen Spenden stammen. Für sehr seltene Blutgruppen-Merkmale und in Notsituationen soll jedoch von dieser Regelung abgewichen werden können.

Schliesslich erachtet die Kommission beim Blutspenden die generelle Rückweisung von Männern, die innerhalb der letzten 12 Monate sexuellen Kontakt mit einem anderen Mann hatten, als nicht angebracht. In vielen anderen Ländern sind inzwischen für MSM entweder deutlich kürzere Rückweisungsfristen eingeführt oder die spezifischen Rückweisungsregeln aufgehoben worden (siehe 2.4 vorstehend). Einerseits teilt die Kommission grundsätzlich die Einschätzung etwa der deutschen Ärzteschaft und Behörden, dass - unabhängig vom Geschlecht und der sexuellen Orientierung - per

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se von keinem erhöhten Risiko für durch Blut übertragbare Infektionskrankheiten ausgegangen werden kann, wenn nicht infizierte Partner Sexualverkehr ausschliesslich im Rahmen einer auf Dauer angelegten Beziehung haben. Demnach können MSM nicht weiterhin generell als «Personen mit HIV-Risikoverhalten» (Art. 29 Abs. 4 Bst. c AMBV) betrachtet werden. Andererseits ist für die Kommission im internationalen Vergleich auch nicht ohne Weiteres ersichtlich, wie die MSM-spezifische Rückweisungsfrist von 12 Monaten in der Schweiz wissenschaftlich als weiterhin erforderlich begründet werden kann, wenn fragliche Infektionen (namentlich HIV, HepatitisB, Hepatitis-C) inzwischen deutlich früher diagnostisch sicher ausgeschlossen werden können. Vor diesem Hintergrund erscheint der Kommission die Aufrechterhaltung einer Rückweisungsfrist von 12 Monaten generell für MSM als sachlich nicht begründet und diskriminierend. Daher soll in Anlehnung an das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot (Art. 8 Abs. 2 BV) gesetzlich festhalten werden, dass die Ausschlusskriterien vom Blutspenden niemanden diskriminieren dürfen. Die Ausschlusskriterien stellen auf das individuelle Risikoverhalten der spendewilligen Personen ab und müssen wissenschaftlich begründet sein. Die Kommission will damit erreichen, dass MSM bei der Beurteilung der Spendetauglichkeit gleichbehandelt werden wie übrige Spendewillige. Namentlich sollen grundsätzlich alle Menschen, die eine gewisse Dauer in einer sexuell exklusiven Partnerschaft leben, nach den gleichen Regeln beurteilt werden, und zwar unabhängig von Geschlecht und sexueller Orientierung.

4

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

Art. 33a

Unentgeltlichkeit der Blutspende

Die Bestimmung entspricht der Regelung für die Spende von menschlichen Organen, Geweben oder Zellen nach Artikel 6 Absatz 1 und 2 Transplantationsgesetz. Nach Absatz 1 ist es verboten, für die Blutspende einen finanziellen Gewinn oder einen anderen Vorteil zu gewähren oder entgegenzunehmen. Es soll ­ analog menschlichen Organen, Geweben oder Zellen im Rahmen der Transplantationsmedizin30 ­ auch für Blut ausgeschlossen sein, dass die Spender dieses als solches verkaufen. Diese Bestimmung schützt primär die spendenden Personen. Ihre Gesundheit soll nicht um wirtschaftlicher Vorteile willen beeinträchtigt werden. Zudem soll auch bei der Blutspende die Absicht des Helfens das Verhalten der Spenderin oder des Spenders bestimmen und nicht finanzielle Anreize.

Zugleich muss es aber zulässig sein, gewisse Aufwendungen zu entschädigen, ohne dass damit gegen das Unentgeltlichkeitsgebot verstossen wird. Absatz 2 präzisiert daher, was nicht als finanzieller Gewinn oder anderer Vorteil gilt. Es handelt sich dabei um: ­

30

den Ersatz des Einkommensausfalls und des Aufwandes, welcher der spendenden Person durch die Entnahme unmittelbar entsteht (Bst. a). Darunter fällt namentlich eine Entschädigung für den effektiven Erwerbsausfall;

Siehe dazu Botschaft Transplantationsgesetz, BBl 2002 29, S. 137 Ziff. 2.4.1.1.

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­

die Entschädigung der spendenden Person für Schäden, die sie durch die Spende erleidet (Bst. b). Dieser Schadenersatz stellt keine Abgeltung für die Spende als solche dar, sondern ist eine Wiedergutmachung für einen Schaden, der ohne die Spende nicht eingetreten wäre. Er steht somit nicht im direkten Zusammenhang mit der Unentgeltlichkeit der Spende und fällt daher auch nicht unter das Profitverbot;

­

eine nachträgliche symbolische Geste der Dankbarkeit (Bst. c). Damit soll die bestehende Praxis, dass Blutspendezentren den Spendenden beispielsweise ein Glas Honig schenken, weiterhin ermöglicht werden.

Das Profitverbot für die spendenden Personen wird abgesichert durch eine Strafnorm (Art. 86 Abs. 1 Bst c).

Art. 35 Abs. 1bis Ergänzend zu den Bestimmungen über die Unentgeltlichkeit der Blutspende im Inland sollen auch Blut und labile Blutprodukte, die für Transfusionen aus dem Ausland eingeführt werden, aus unentgeltlichen Spenden stammen müssen. Ein solches Einfuhrverbot für Blut und labile Blutprodukte, welche den Anforderungen an die Unentgeltlichkeit der Spende im Inland (Art. 33a) nicht genügen, wird im Rahmen der Bewilligungspflicht für die Einfuhr von Blut und labilen Blutprodukten zu berücksichtigen und vom Bundesrat auf Verordnungsstufe auszuführen sein.

So muss grundsätzlich für jede einzelne Einfuhr (inkl. Einlagerung in ein Zolllager) von Blut und Blutprodukten eine Einfuhrbewilligung der Swissmedic eingeholt werden (Art. 35 Abs. 1). Der Bundesrat kann Ausnahmen von der Einfuhrbewilligung vorsehen, wenn eine Gefährdung von Personen ausgeschlossen ist (Art. 35 Abs. 2).

Aktuell ist keine Bewilligung erforderlich für die Einzeleinfuhr u. a. von zugelassenem oder nicht zulassungspflichtigem Blut und solchen Blutprodukten, wenn diese Arzneimittel 1.) in medizinischen Notfallsituationen oder zur Eigenbluttransfusion eingeführt werden, 2.) nicht zur Anwendung am Menschen bestimmt sind, oder 3.)

über eine behördliche Chargenfreigabe einer dem Official-Control-Authority-BatchRelease-Netzwerk (OCABR-Netzwerk) zugehörigen Kontrollbehörde verfügen (Art. 44 Abs. 2 Bst. b AMBV). Die Swissmedic kann im Einzelfall zugelassenes oder nicht zulassungspflichtiges Blut und solche Blutprodukte aber zum Schutz der Gesundheit befristet oder dauerhaft auch dann einer Bewilligungspflicht für die Einzeleinfuhr unterstellen, wenn eine behördliche Chargenfreigabe aus dem OCABRNetzwerk vorliegt (Art. 44 Abs. 3 AMBV). Diese Bestimmungen werden folglich dahingehend zu ergänzen sein, dass für die Einfuhr von Blut und labile Blutprodukten zu Transfusionszwecken zwingend im Rahmen eines Bewilligungsverfahren nachzuweisen und zu prüfen ist, ob sie aus unentgeltlichen Spenden stammen. Dabei ist sicherzustellen, dass für die Einfuhr von Blut und Blutprodukten, die nicht aus unentgeltlichen Spenden stammen, keine Bewilligung erteilt werden kann.

Das Einfuhrverbot wäre durch die bestehenden Strafbestimmungen abgesichert,
welche die Einfuhr von Arzneimitteln ohne die erforderliche Bewilligung oder entgegen den mit einer Bewilligung verknüpften Auflagen und Bedingungen erfassen (Art. 86 Abs. 1 Bst. a und Abs. 2­4 HMG).

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Art. 35 Abs. 2 zweiter Satz Der Bundesrat soll bei der Einfuhr von Blut und labilen Blutprodukten zu Transfusionszwecken Ausnahmen vom Grundsatz der Unentgeltlichkeit der Spende vorsehen können. Im Durchschnitt müssen ca. 1 bis 4 Mal pro Jahr für Patientinnen und Patienten mit sehr seltenen Blutgruppen-Merkmalen teilweise internationale Recherchen durchgeführt werden, um kompatible Produkte von Institutionen ausserhalb der Schweiz einzuführen. Falls Alternativen fehlen, ist es aus fachlicher Sicht notwendig, dass die gesetzlichen Bestimmungen für diese sehr seltenen und wichtigen Produkte die Einfuhr (bspw. aus den USA) ausnahmsweise auch unabhängig von der Unentgeltlichkeit der Spende erlauben. Diese Ausnahme für seltene Blutgruppen-Merkmale sollte deshalb durch den Bundesrat in den entsprechenden Ausführungsbestimmungen näher ausgeführt werden. Darüber hinaus sollte der Bundesrat im Rahmen seiner Kompetenz zum Erlass von Ausführungsbestimmungen prüfen, ob eine weitere Ausnahme vom Grundsatz der Unentgeltlichkeit für aussergewöhnliche Notfälle (etwa Krieg oder Epidemien) notwendig ist. In derartigen Konstellationen besteht gegebenenfalls ein Bedarf nach grossen Mengen Blut, deren Bereitstellung für die Schweiz als kleines Land schwierig sein könnte.

Art. 36 Abs. 2bis Aus Sicherheitsgründen sind vom Blutspenden u. a. Personen auszuschliessen, durch deren Blut Krankheitserreger übertragen werden können (Art. 36 Abs. 2 Bst. b). Präzisierend dazu soll vorgeschrieben werden, dass die Ausschlusskriterien niemanden diskriminieren dürfen. Die Ausschlusskriterien stellen vielmehr auf das individuelle Risikoverhalten der spendewilligen Personen ab und müssen wissenschaftlich begründet sein.

Die Bundesverfassung ergänzt und präzisiert das Grundrecht der Rechtsgleichheit mit einem Diskriminierungsverbot (Art. 8 Abs. 2 BV). Dessen Anwendungsbereich setzt voraus, dass staatliches Handeln an gewisse sensible Merkmale anknüpft, beispielsweise an das Geschlecht oder an die sexuelle Orientierung. Praxisgemäss wird bei Ungleichbehandlungen von Menschen oder Gruppen von Menschen, die über diskriminierungsrelevante Merkmale verfügen, grundsätzlich von einer unzulässigen Differenzierung ausgegangen. Um den Verdacht einer unzulässigen Differenzierung umzustossen und eine Ungleichbehandlung auch beim Vorliegen von
diskriminierungsrelevanten Merkmalen zu rechtfertigen, bedarf es einer qualifizierten Rechtfertigung.

Lehre und Rechtsprechung verlangen dabei eine besonders vertiefte Prüfung der Gründe für die Ungleichbehandlung. Eine Ungleichbehandlung ist in solchen Fällen nur zulässig, wenn mit der Massnahme erstens ein gewichtiges und legitimes öffentliches Interesse verfolgt wird und zweitens die Benachteiligung für die Erreichung dieses Ziels geeignet, erforderlich sowie für die Betroffenen zumutbar ist.31 Vorliegend ist die Swissmedic als HMG-Vollzugsbehörde des Bundes an diese grundrechtlichen Anforderungen gebunden und verpflichtet, zu deren Verwirklichung beizutragen (Art. 35 Abs. 2 BV). Sie hat zudem dafür zu sorgen, dass sie auch unter Privaten wirksam werden (Art. 35 Abs. 3 BV). Insofern sind die skizzierten Vorgaben zur

31

Vgl. z. B. BGE 135 I 49 E. 6.1 S. 58.

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Nichtdiskriminierung u. a. dann massgeblich, wenn die Swissmedic die Ausschlusskriterien der Blutspende SRK Schweiz AG beurteilt und genehmigt, die sodann für die regionalen Blutspendedienste verbindlich sind.

Darüber hinaus enthält das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot auch einen Schutzauftrag an den Staat zur Bekämpfung von tatsächlichen Diskriminierungen (wie etwa Ausgrenzungen, die aus privaten und gesellschaftlichen Tätigkeiten hervorgehen). Dieser Schutzauftrag richtet sich in erster Linie an den Gesetzgeber und besteht primär darin, das Diskriminierungsverbot auch unter Privaten wirksam werden zu lassen (vgl. Art. 35 Abs. 3 BV). Unter anderem hat das Parlament Ende 2018 beschlossen, die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung unter Strafe zu stellen (Art. 261bis Strafgesetzbuch32; Art. 171c Abs. 1 Militärstrafgesetz33); das Stimmvolk hat die Vorlage am 9. Februar 2020 mit 63.1 % Zustimmung angenommen.

Der vorgelegte neue Absatz 2bis sieht nun für das private Verhältnis zwischen Blutspendediensten und spendewilligen Personen vor, dass der gesetzlich vorgeschriebene Ausschluss von bestimmten Personen (Art. 36 Abs. 2) nicht so umgesetzt werden darf, dass die Ausschlusskriterien jemanden diskriminieren. Vielmehr sollen die Ausschlusskriterien auf das individuelle Risikoverhalten der spendewilligen Personen abstellen und müssen wissenschaftlich begründet sein. Demnach müssen allfällige Differenzierungen und Schematisierungen nicht nur sachgerecht sein, sondern dürfen Betroffene auch nicht diskriminieren. Namentlich zu prüfen ist damit, ob und gegebenenfalls inwiefern eine spezifische Rückweisungsfrist von aktuell 12 Monaten generell für MSM über die erforderliche (qualifizierte) Rechtfertigung verfügt. Die mit den Ausschlusskriterien verfolgten Ziele sollen vielmehr - wie in anderen Ländern mit milderen Mitteln erreicht werden, insbesondere mit der einheitlichen Beurteilung von sexuellem Risikoverhalten (z. B. Partnerwechsel, Analverkehr) unabhängig von Geschlecht und sexueller Orientierung.

Art. 41a

Finanzhilfen

Die Bestimmung schafft eine Grundlage zur Ausrichtung von Finanzhilfen als flankierende Massnahme für die Sicherstellung des sicheren Umgangs mit Blut und Blutprodukten (vgl. Art. 34 ff.). Sie soll dem Bund zukünftig ermöglichen, Empfängern ausserhalb der Bundesverwaltung geldwerte Vorteile zu gewähren, um die Erfüllung von Aufgaben zur Sicherstellung eines sicheren Umgangs mit Blut und labilen Blutprodukten in der Schweiz zu fördern (vgl. Art. 3 und 6 SuG). Damit soll ein Beitrag geleistet werden zur Finanzierungssicherheit des inländischen Blutspendewesens und folglich auch zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit sicherem Blut und sicheren labilen Blutprodukten.

Nach Absatz 1 kann der Bund die Sicherstellung des sicheren Umgangs mit Blut und labilen Blutprodukten mit Finanzhilfen fördern, wenn eine hinreichende Versorgung der Bevölkerung nicht anderweitig gewährleistet werden kann. Die Bestimmung enthält zwei grundlegende Elemente: 32 33

StGB; SR 311.0 SR 321.0

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­

Eine unterstützungsfähige Aufgabe zur «Sicherstellung des sicheren Umgangs» mit Blut und labilen Blutprodukten in der Schweiz liegt nicht schon dann vor, wenn die heilmittelrechtlichen Sicherheitsanforderungen an den Umgang (namentlich an Entnahme, Herstellung, Verarbeitung, Lagerung, Inverkehrbringen, Einfuhr und Ausfuhr, vgl. Art. 34 ff. HMG) eingehalten werden. Damit wird gewährleistet, dass für die blosse Einhaltung der gesetzlichen Qualitäts- und Sicherheitsvorgaben im Umgang mit Blut und labilen Blutprodukten keine Finanzhilfe gesprochen werden kann. Vielmehr zielt die die Bestimmung auf begleitende oder übergeordnete Aufgaben ab, die - über den eigentlichen Umgang und die Erfüllung entsprechender Vorschriften hinaus zur Sicherstellung eines sicheren Umgangs mit Blut und labilen Blutprodukten beitragen. Zu denken ist dabei etwa an das Verfassen und die Aktualisierung von privaten Standards zum Umgang (wie Vorschriften, Richtlinien und Empfehlungen etwa zur Vereinheitlichung der Herstellungsmodalitäten etc.)

gemäss je aktuellem Stand von Wissenschaft und Technik oder den Betrieb von Referenzlaboren für Infektmarker und Immunhämatologie. Zudem sollen die Finanzhilfen zur Umsetzung von gezielten Anreizen und Projekten zur langfristigen Sicherung der Versorgung mit Blut und labilen Blutprodukten beitragen. Dies beinhaltet zum Beispiel Massnahmen zur Erhöhung der Blutspendebereitschaft in der Bevölkerung sowie Massnahmen, die zu einer Reduktion des Bedarfs an Blut oder Blutprodukten führen.

­

Die Förderung solcher Aufgaben durch den Bund steht unter dem Vorbehalt, dass eine hinreichende Versorgung der Bevölkerung nicht anderweitig gewährleistet werden kann. Die Finanzhilfen des Bundes zielen mittelbar darauf ab, zur Gewährleistung einer qualitativ einwandfreien und sicheren Blutversorgung in der Schweiz beizutragen. Kann diese übergeordnete, im öffentlichen Interesse des Bundes liegende private Aufgabe ohne bundesrechtliche Finanzhilfe hinreichend erfüllt werden, rechtfertigt sich keine Finanzhilfe zur Förderung eines sicheren Umgangs mit Blut und labilen Blutprodukten. Die verfassungsrechtliche Zuständigkeitsordnung und das Subsidiaritätsprinzip werden dahingehend konkretisiert, dass es primär Sache der Privatwirtschaft (und subsidiär der Kantone) ist, die benötigten Arzneimittel zur Verfügung zu halten, und folglich Finanzhilfen zur Sicherstellung eines sicheren Umgangs nur ausgerichtet werden dürfen, wenn die hinreichende Versorgung anderweitig nicht sichergestellt werden kann. Ein Anzeichen für eine mangelhafte Versorgung kann dabei die Kenntnis über oder die hohe Wahrscheinlichkeit von Engpässen darstellen. In zeitlicher Hinsicht kann die Ausrichtung von Finanzhilfen namentlich bereits vor einem konkreten Engpass zulässig und notwendig sein, damit die Bevölkerung der Schweiz tatsächlich hinreichend versorgt ist, wenn die Gefahr eintritt. Wenn diese Kriterien erfüllt sind, muss dem Bund im Einzelfall ein beträchtlicher Ermessensspielraum gewährt werden, damit er den Besonderheiten der Situation gerecht werden kann.

Absatz 2 zählt die verschiedenen Formen auf, wie Finanzhilfen im Rahmen der bewilligten Kredite gewährt werden können (vgl. auch Art. 51 Abs. 2 EpG). Dabei muss die finanzpolitische Flexibilität mit dem Finanzhilfezweck vereinbar sein. Praxisgemäss ist grundsätzlich von einer Unvereinbarkeit auszugehen, wenn die Finanzhilfen längerfristige Aktivitäten fördern sollen (z. B. Finanzhilfen an Betriebsausgaben).

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Dies könnte beispielsweise aber dann gerechtfertigt erscheinen, wenn ausnahmsweise bestimmte, lediglich für die Versorgung in Engpässen benötigte Anlagen unterhalten werden müssten, um einen sicheren Umgang sicherzustellen (z. B. spezifisches Labor). Unter solchen Voraussetzungen könnten auch Grundbeiträge (Bst. a) zur Deckung des üblichen Betriebsaufwandes gewährt werden. Sodann ist bei Finanzhilfen an Investitionen in der Regel die Vereinbarkeit von finanzpolitischer Flexibilität und Finanzhilfezweck gegeben. Als Investitionsbeiträge (Bst. b) können Finanzhilfen z. B. beim Bau oder Ausbau von Infrastrukturen zur Sicherstellung eines sicheren Umgangs ausgerichtet werden. Will ein Antragsteller schliesslich Projekte im Bereich des sicheren Umgangs durchführen (beispielsweise zur Koordination der nationalen und internationalen Zusammenarbeit), so kann der Bund an solche Projekte gebundene Beiträge sprechen (Bst. c). Im Übrigen kann der Bundesrat diese Beitragsformen aufgrund seiner allgemeinen Kompetenz zum Erlass von Ausführungsrecht näher bestimmen.

Absatz 3 enthält die kumulativ zu erfüllenden Grundvoraussetzungen, an welche die Ausrichtung von Beiträgen gebunden ist. Die Antragstellerin respektive designierte Empfängerin muss zunächst: ­

über das Wissen und die Fähigkeit zur Sicherstellung des sicheren Umgangs mit Blut und labilen Blutprodukten verfügen (Bst. a);

­

zu einer hinreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Blut und labilen Blutprodukten beitragen (Bst. b); und

­

zusichern, die zu fördernde Aufgabe vorrangig zugunsten der Bevölkerung zu erfüllen (Bst. c).

Diese Voraussetzungen sind wiederum den Vorgaben für eine Finanzhilfe nachgebildet, die hinsichtlich Sicherstellung der Versorgung mit den wichtigsten zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten geeigneten Heilmitteln gelten (vgl. Art. 51 Abs. 3 EpG). Damit soll neben dem sicheren Umgang auch die inhärente Zielsetzung ­ die hinreichende Versorgung der Bevölkerung in der Schweiz mit Blut und labilen Blutprodukten ­ gesichert werden. Zudem muss die Empfängerin: ­

die zu fördernde Aufgabe zweckmässig, kostengünstig und mit einem minimalen administrativen Aufwand erfüllen (Bst. d);

­

die ihr zumutbaren Eigenleistungen zur Sicherstellung eines sicheren Umgangs mit Blut und labilen Blutprodukten erbringen (Bst. e); sowie

­

die ihr zumutbaren Selbsthilfemassnahmen ergreifen und die übrigen Finanzierungsmöglichkeiten ausschöpfen (Bst. f).

Damit werden die Grundsätze für die Ausgestaltung von Bestimmungen über Finanzhilfen übernommen und vorliegend als Voraussetzungen deklariert (vgl. Art. 7 Bst. a, c und d SuG). Nach Buchstabe c ist von Finanzhilfen abzusehen, wenn sich zweckdienlichere, d. h. einfachere, wirksamere oder billigere Massnahmen anbieten. Zudem ist auch vorliegend das private Interesse an den förderungswürdigen Tätigkeiten grundsätzlich derart gross, dass sie, soweit genügend finanzielle Mittel vorhanden sind, auch ohne staatliche Hilfe ausgeübt würden. Bevor in solchen Fällen vom Bund geholfen wird, müssen alle billigerweise zumutbaren Eigenleistungen erbracht und

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Selbsthilfemassnahmen ergriffen sowie andere Finanzierungsmöglichkeiten ausgeschöpft sein. Denn die Förderung mit Finanzhilfen soll wie erwähnt subsidiären Charakter haben. Sie ist nur dort gerechtfertigt, wo die angestrebte Tätigkeit trotz Ausschöpfung aller privaten (und kantonalen) Kräfte ohne Finanzhilfe nicht ausgeübt werden kann. Schliesslich bleibt zu bemerken, dass selbst bei Erfüllung sämtlicher Beitragsvoraussetzungen für die Gesuchstellerin kein Anspruch auf Finanzhilfen nach Artikel 41a E-HMG entsteht.

Solche Finanzhilfen können sowohl durch Verfügung wie auch durch öffentlichrechtlichen Vertrag gewährt werden. Auf eine ausdrückliche Bestimmung in Bezug auf die Rechtsform wird vorliegend verzichtet, da die Bestimmungen des Subventionsgesetzes anwendbar sind (siehe auch 6.5 nachfolgend).

Art. 82 Abs. 1 dritter Satz Nach der geltenden Fassung der Bestimmung von Artikel 82 Absatz 1 HMG würde der Vollzug auch der Förderungsmassnahmen (Finanzhilfen, Art. 41a) der Bewilligungs-, Zulassungs- und Aufsichtsbehörde Swissmedic zufallen, was etwa mit Blick auf deren Unabhängigkeit nicht sachdienlich wäre. Nach Ansicht der Kommission liegt es nahe, dass stattdessen das BAG zuständig ist für die Ausrichtung der Finanzhilfen.

Art. 86 Abs. 1 Bst. c Nach der geltenden Fassung der Strafbestimmung von Artikel 86 Absatz 1 Buchstabe c HMG wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer vorsätzlich beim Umgang mit Blut und Blutprodukten die Vorschriften über die Spendetauglichkeit, die Testpflicht, die Aufzeichnungs- oder Aufbewahrungspflicht oder Sorgfaltspflichten nach Artikel 37 (Regeln der Guten Herstellungspraxis im Umgang mit Blut und Blutprodukten) verletzt oder die notwendigen Schutz- und Sicherheitsmassnahmen unterlässt. Zukünftig soll zudem auch eine Verletzung der Vorschriften über die Unentgeltlichkeit der Blutspende erfasst werden.

Folglich wird nach Artikel 86 Absatz 2 mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren (womit eine Geldstrafe verbunden werden kann) oder mit Geldstrafe bestraft, wer dabei: ­

weiss oder annehmen muss, dass die Widerhandlung die Gesundheit von Menschen konkret gefährdet; oder

­

durch gewerbsmässiges Handeln einen grossen Umsatz oder einen erheblichen Gewinn erzielt.

Wer wiederum fahrlässig handelt, wird mit Geldstrafe bestraft; in leichten Fällen kann auf Busse erkannt werden (Art. 86 Abs. 4).

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Auswirkungen

5.1

Auswirkungen auf den Bund

Die Kommission möchte mit dieser Vorlage eine Grundlage schaffen, um bei Bedarf via Sicherstellung eines sicheren Umgangs letztlich auch die Versorgung in der Schweiz mit sicherem Blut und sicheren labilen Blutprodukten zukunftssicher fördern zu können (siehe Ziff. 3 vorstehend).

Die Auswirkungen auf den Bund sind noch nicht abschliessend geklärt. Für die Betreuung und Überwachung allfälliger Finanzhilfen muss aber sicher mit einem entsprechenden Mehraufwand gerechnet werden.

5.2

Auswirkungen auf Kantone

Für die Kantone resultieren aus der vorliegenden Vorlage weder Vollzugsaufgaben noch anderweitig Kosten.

5.3

Weitere Auswirkungen

Nach Artikel 35 Absatz 1bis müssen Blut und labile Blutprodukte, die für Transfusionen aus dem Ausland eingeführt werden, den Anforderungen an die Unentgeltlichkeit der Blutspende im Inland (Art. 33a) genügen. Es ist denkbar, dass die Bestimmungen im Bereich von seltenen bis sehr seltenen Blutgruppen einen gewissen negativen Einfluss auf die Sicherstellung der Versorgung haben könnte. Die Kommission gewichtet aber höher, dass die Unentgeltlichkeit der Blutspende auch ein wesentliches Sicherheitselement darstellt.

6

Rechtliche Aspekte

6.1

Verfassungsmässigkeit

Die Verfassungsgrundlagen für das zur Änderung vorgeschlagene HMG finden sich in den Artikeln 95 Absatz 1 und 118 Absatz 2 BV. Soweit der Bund vorliegend Vorschriften vorschlägt über die Ausübung der privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit, kann er sich auf erstgenannte Verfassungsbestimmung abstützen. Im Übrigen ist für die vorgeschlagenen Änderungen Artikel 118 Absatz 2 Buchstabe a BV (Schutz der Gesundheit) massgebend. Gestützt auf diese Bestimmung erlässt der Bund Vorschriften u. a. über den Umgang mit Heilmitteln.

6.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Vorlage ist mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar.

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Das Unentgeltlichkeitsgebot für die Blutspende ist in Artikel 21 des Übereinkommens über Menschenrechte und Biomedizin verankert. Die vorgelegte Bestimmung, dass auch Blut und labile Blutprodukte, die für Transfusionen aus dem Ausland eingeführt werden, den Anforderungen an die Unentgeltlichkeit der Blutspende im Inland (Art. 33a) genügen müssen, konkretisiert den Gehalt von Artikel 21 des Übereinkommens über Menschenrechte und Biomedizin im nationalen Recht.

6.3

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV bedürfen Subventionsbestimmungen sowie Verpflichtungskredite und Zahlungsrahmen, die neue einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken oder neue wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen, der Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder jedes der beiden Räte.

Artikel 41a, welcher Finanzhilfen vorsieht, sofern eine hinreichende Versorgung der Bevölkerung mit Blut und labilen Blutprodukten nicht anderweitig gewährleistet werden kann, könnte im Falle eines drohenden oder eingetretenen Engpasses Ausgaben nach sich ziehen, welche die massgeblichen Grenzen der Ausgabenbremse überschreiten. Die Kommission schätzt aktuell, dass im Bedarfsfall wiederkehrende Ausgaben bis zu rund 2.5 Millionen Franken jährlich erforderlich werden könnten, um die Sicherstellung des sicheren Umgangs mit Blut und labilen Blutprodukten zu fördern.

Nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b der Bundesverfassung bedarf Artikel 41a daher der Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder beider Räte, da die Bestimmung unter Umständen neue wiederkehrende Subventionen von mehr als 2 Millionen Franken nach sich zieht.

6.4

Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz

Die Finanzhilfe nach Artikel 41a steht unter dem Vorbehalt, dass eine hinreichende Versorgung der Bevölkerung nicht anderweitig gewährleistet werden kann. Damit wird das Subsidiaritätsprinzip dahingehend konkretisiert, dass es primär Sache der Privatwirtschaft (und subsidiär der Kantone) ist, die benötigten Arzneimittel zur Verfügung zu halten.

6.5

Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes

Nach den Vorgaben des Subventionsgesetzes (Art. 6 SuG) können die erforderlichen gesetzlichen Bestimmungen über solche Finanzhilfen erlassen werden, wenn: ­

der Bund ein Interesse an der Erfüllung einer Aufgabe hat;

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die Aufgabe aufgrund einer sinnvollen Aufgaben- und Lastenverteilung von den Kantonen nicht selbständig erfüllt oder gefördert werden muss; 25 / 26

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die Aufgabe ohne die Finanzhilfe nicht hinreichend erfüllt wird;

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die zumutbaren Selbsthilfemassnahmen und die übrigen Finanzierungsmöglichkeiten nicht ausreichen; und

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die Aufgabe nicht auf andere Weise einfacher, wirksamer oder rationeller erfüllt werden kann.

Hinsichtlich der ersten vier Voraussetzungen ist zu beachten, dass der Bund wie erwähnt bereits seit 1951 u. a. das Blutspendewesen als eine der wichtigsten SRKAufgaben zugunsten der Allgemeinheit anerkennt, zu deren Erfüllung der Bund dem SRK jährlich einen Beitrag ausrichtet (Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 BB 1951). Die darauf abgestützte aktuelle Finanzhilfe, die der Bund seit 2016 dem SRK für diverse Aufgaben gewährt, deckt jedoch das - vom SRK an die Blutspende SRK Schweiz AG delegierte - Blutspendewesen nicht ausdrücklich ab (siehe 2.1 vorstehend). Insofern stehen die aktuelle Regelung und Finanzhilfe der Schaffung einer neuen Finanzhilfegrundlage im Bereich der Versorgung mit Blut und labilen Blutprodukten grundsätzlich nicht entgegen.

Dabei wird dem subventionsrechtlichen Erfordernis einer möglichst einfachen, wirksamen und rationellen Aufgabenerfüllung (Art. 6 Bst. e SuG) durch die gesetzliche Ausgestaltung der Finanzhilfe entsprochen. Namentlich spielt in der vorgelegten Bestimmung als Bedingung für die Gewährung einer Finanzhilfe - neben der Sicherstellung eines sicheren Umgangs mit den Produkten ­ auch die Wirtschaftlichkeit der Aufgabenerfüllung eine Rolle. So muss die Aufgabe zweckmässig, kostengünstig und mit einem minimalen administrativen Aufwand erfüllt werden können (Art. 41a Abs. 3 Bst. c; vgl. Art. 7 Bst. a SuG).

Die Beiträge sind im Rahmen des jährlichen Voranschlages zu gewähren und werden gemäss den Bestimmungen des SuG ausgerichtet. Gestützt auf Artikel 16 SuG werden sie entweder durch Verfügung oder durch Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gewährt. Insbesondere letztere Rechtsform erscheint geeignet, da die materielle Steuerung am besten durch den Abschluss von öffentlich-rechtlichen Subventionsverträgen gewährleistet werden kann.

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