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Schweizerisches Bundesblatt.

4l. Jahrgang. IV.

Nr. 46.

2. November 1889.

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Druck und Expedition der Stämpfischen Buchdruckerei in Bern.

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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend den am 3. Juli 1889 mit Belgien abgeschlossenen Handelsvertrag.

(Vom 29. Oktober 1889.)

Tit.

Nachdem die Bundesversammlung durch Schlußnahme vom 28. Juni 1878 einem neuen schweizerischen Zolltarif die Genehmigung ertheilt hatte, sah sich der Bundesrath veranlaßt, den Niederlassungsund Handelsvertrag mit Belgien, vom 11. September 1862, zu künden, und zwar mit Rücksicht auf eine Bestimmung jenes Vertrages, laut welcher sich die Schweiz verpflichtet hatte, während der Dauer des Vertrages die Eingangs-, Ausgangs- und Durchfuhrzölle, wie sie in dem damals bestehenden schweizerischen Zolltarife festgesetzt waren, Belgien gegenüber nicht zu erhöhen. Infolge der Kündung lief der Vertrag mit dem 18. November 1879 zu Ende; durch Notenaustausch vom 11./16. November gleichen Jahres war mit der belgischen Regierung das Abkommen getroffen worden, daß die beiden Staaten sich bis zum Abschluß eines neuen Vertrages hinsichtlich aller Rechtsverhältnisse, welche in dem erloschenen Vertrage von 1862 geregelt waren, die Behandlung auf dem Fuße der meistbegünstigten Nation zusicherten. Beide Staaten behielten sich das Recht vor, von dieser provisorischen Uebereinkunft jederzeit zurücktreten zu dürfen.

Als Frankreich Anfangs der 1880er Jahre einen Theil seiner Verträge revidirte und auch mit Belgien am 31. Oktober 1881 einen neuen Handelsvertrag abschloß, trat die Schweiz infolge der zugeBundesblatt 41. Jahrg. Bd. IV.

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320 sicherten Meistbegünstigung in alle Rechte ein, welche Belgien seinem südlichen Nachbar in jenem Vertrage eingeräumt hatte, soweit jene Konzessionen nicht speziell den Grenzverkehr betrafen. Durch letzteren Vertrag wurde die Mehrzahl der Positionen des an und für sich mäßigen belgischen Tarifs und namentlich auch die Zölle für alle diejenigen Artikel gebunden, welche den Haupttheil des schweizerischen Exportes nach Belgien ausmachen, wie z. B. Uhren, Bijouterien, Seide, Strohbänder, Theerfarben, für welche Zollfreiheit stipulili wurde, ferner für Baumwollen- und Seidengewebe, seidene und halbseidene Bänder, Stickereien, Käse, Maschinen etc. Die nachfolgende Zusammenstellung dieser wichtigeren Ausfuhrartikel der Schweiz nach Belgien gibt über die Werthe und die belgischen Eingangszölle näheren Aufschluß.

Seither hat die belgische Regierung durch verschiedene Erlasse, welche aus den Jahren 1883, 1885 und 1887 datiren, wesentliche Tarifänderungen, meist im Sinne von Zollerhöhungen, vorgenommen, welche jedoch ausschließlich nicht schweizerische Artikel betreifen.

Infolge von Anständen über die Interpretation der provisorischen Meistbegünstigungsdeklaration vom Jahre 1879 hinsichtlich desMilitärß dienstes der in Belgien niedergelassenen Schweizer wurde der Abschlu eines neuen Niederlassungsvertrages wünschenswert!) ; ein solcher Ver" trag ist am 4. Juni 1887 mit Belgien vereinbart und in der Sommer" session gleichen Jahres von Ihnen genehmigt worden.

Im Zusammenhange hiemit wünschte die belgische Regierung das provisorische Abkommen von 1879 auch hinsichtlich der Handelsbeziehungen zwischen beiden Staaten durch einen neuen Vertrag ersetzt zu sehen und ließ dem Bundesrathe durch ihre Gesandtschaft in Bern am 28. April 1887 den Entwurf zu einem Meistbegünstigungsvertrage überreichen, indem sie gleichzeitig sich bereit erklärte, über denselben in Unterhandlungen einzutreten. Der Bundesrath hatte um so eher Veranlassung, auf den Wunsch der belgischen Regierung einzutreten, als diese letztere hinsichtlich der Gültigkeit der provisorischen Uebereinkunft vom Jahr 1879 Zweifel geäußert hatte, weil sie von den gesetzgebenden Behörden beider Staaten nicht ratifizirt worden war.

Der Umstand, daß die belgische Regierung den Abschluß eines bloßen MeistbegünstigungsVertrages beantragte, legte uns, mit Rücksicht
darauf, daß das System dieser Verträge nicht nur in der schweizerischen Handelswelt, sondern auch bei den Behörden sich keiner großen Sympathien erfreute, die Frage vor, ob nicht, gegen entsprechende Gegenkonzessionen, Tarifforderungen an Belgien zu stellen seien. Diese Frage mußte, nach einer eingehenden Prüfung derselben, verneint werden, und zwar aus Gründen, die theilweise

321 schon in dem, was hievor gesagt wurde, liegen. Abgesehen davon, daß die belgischen Zölle zum größten Theil im französisch-belgischen Vertrag von 1881 gebunden sind, gelangte man zu der Einsicht, daß die Handelsbeziehungen zwischen beiden Ländern nicht derartige seien, um die Opfer zu rechtfertigen, welche dieselben durch Zollreduktionen sich gegenseitig hätten bringen müssen. Es ist nicht außer Acht zu lassen, daß die Schweiz, was ihre wichtigeren Exporterzeugnisse anbelangt, mit Ausnahme von Uhren, die, wie bereits erwähnt, zollfrei sind, keinen einzigen Artikel in Belgien einführt, an dessen Import nicht in ungleich größeren Quantitäten andere Länder, wie Deutschland, Frankreich, England etc. betheiligt sind, welchen dann schließlich die von der Schweiz errungenen Tarifkonzessionen zu gute gekommen wären. Anderseits lag es auch keineswegs im Interesse der Schweiz, mit Rücksicht auf die Unterhandlungen mit andern Staaten, diese oder jene Tarifkonzession vorher schon zu machen.

Diese Hauptgründe veranlaßten uns, wie bereits erwähnt, von der Vereinbarung eines Tarifvertrages mit Belgien von vorneherein Umgang zu nehmen.

Die von Seiten des Vorortes des schweizerischen Handels- und Industrievereins und des leitenden Ausschusses des schweizerischen Gewerbevereins erstatteten Gutachten über das belgische Vertragsprojekt lauteten im Ganzen günstig für den Entwurf, obschon sich die in schweizerischen Handels- und Industriekreisen gegen das System der Meistbegünstigungsverträge herrschende Strömung auch bei diesem Anlaß fühlbar machte. Da und dort wurden Wünsche geäußert nach Reduktion dieser oder jener Ansätze des belgischen Tarifs, die jedoch, mit Rücksieht auf die oben angedeuteten Gründe, unberücksichtigt bleiben mußten.

Auf Grund der erwähnten Gutachten, zu denen sich noch ein Bericht des schweizerischen Generalkonsulates in Brüssel gesellte, konnte der belgischen Regierung im Februar 1888 eine im Wesentlichen zustimmende Antwort ertheilt werden. Die der belgischen Regierung proponirten Modifikationen am Entwurf betrafen in erster Linie die Frage der Besteuerung der Handelsreisenden. Der Entwurf bestimmte nämlich, daß die Handelsreisenden der kontrahirendeu Staaten in jedem derselben hinsichtlich der Patentgebühren auf dem Fuße der meistbegünstigten Nation behandelt werden sollten. Da nun aber
in unserm Handelsvertrag mit Frankreich den Angehörigen dieses Landes volle Befreiung von solchen Gebühren zugesichert ist, während die schweizerischen Handelsreisenden unter gewissen Bedingungen in einigen Kantonen der Schweiz Taxen entrichten müssen, so wurde die Bestimmung, wie sie in

822

Artikel 5 des nachfolgenden Vertrages enthalten ist, aufgenommen, wodurch die Möglichkeit ausgeschlossen ist, daß belgische Reisende hesser gestellt werden als die einheimischen. Die Regelung der Patenttaxenfrage nahm längere Zeit in Anspruch, da einerseits Belgien über die in den einzelnen Kantonen der Schweiz erhobenen Hausir- und Patentgebuhren, anderseits der Bundesrath über die Bedeutung der in Belgien rieben den ordentlichen Patentgebühren erhobenen Zuschlagstaxen (centimes additionnels) genügend informirt zu sein wünschte.

Sodann war im Entwurfe das Verbot der Durchfuhr von ,,Contrefaçons11 enthalten. Wir 'befürchteten, diese Vorschrift möchte zu ZiOllchikanen Anlaß bieten, wie dies s. Z. in einem unserer Nachbarstaaten wirklich der Fall war. Infolgedessen wurde die Streichung des genannten Passus beantragt und von Belgien zugegeben.

Ein fernerer streitiger Punkt war die Dauer des Vertrages. Im Entwurf waren 10 Jahre beantragt; dee Bundesrath konnte sich mit Rücksicht darauf, daß im Jahr 1892 der Vertrag mit Frankreich und alle wichtigeren Handelsverträge, nicht nur der Schweiz, sondern auch der auswärtigen Staaten unter sich ablaufen, nicht dazu entschließen, den Vertrag mit Belgien über jenen Zeitpunkt hinaus andauern zu lassen.

Weitere Differenzen bestanden nicht.

Die Handelsbeziehungen zwischen der Schweiz und Belgien sind verhältnismäßig nicht sehr bedeutend. Der Waarenverkehr im Spezialhandel bewegte sich, nach Abzug von Edelmetallen in rohem oder gemünztem Zustande, nach der schweizerischen Statistik der letzten Jahre in folgenden Summen: Ausfuhr nach Belgien.

1885 1886 1887 1888

Einfuhr aus Belgien.

. ll,o Millionen Franken.

25,s Millionen Franken.

. 10,o ,, ,, 25,6 ,, . 10,8 ,, ,, 25,, ,, . 10,9 ,, ,, 27,9 Hinsichtlich der Einfuhr aus Belgien ist zu bemerken, daß unter den oben angeführten Ziffern sehr erhebliche Quantitäten von Waaren Inbegriffen sind, die aus überseeischen Ländern via Belgien in die Schweiz eingeführt werden. Als solche Artikel können ihrer Natur nach sofort erkannt und ausgeschieden werden: Petroleum und andere Mineralöle, Kaffee, rohe Baumwolle, rohe Wolle, Cwealien, Thee, Gewürze, Schweineschmalz, Fleisch in Büchsen etc. Der Werth der auf diese Weise unter belgischem Namen importirten Produkte variirt zwischen 7 und 11 Millionen Franken.

323 Die Ziffer der schweizerischen Ausfuhr nach Belgien vertheilt sieh auf folgende Hauptexportartikel : Werih in 1000 Franken.

;lgischer Zoll.

per q.

1886.

1887.

1888.

2445 2710 2671 Taschenuhren frei F* Gewebe aus Seide und Halb768 1069 1267 300. -- ' F seide .

1007 617 729 frei Rohe Häute und Felle .

590 857 873 Käse .

.

.

.

. 10. -- F 850 631 673 10% F Stickereien .

.

.

.

2 486 F 417 466 Baumwollgewebe .

422 563 343 frei F Seide 121 221 355 300.-- Cigarren und Cigaretten 212 318 4 --8 F 324 Maschinen .

247 121 45.-- 188 Chokolade .

223 99 118 frei F Theerfarben .

.

.

.

196 212 192 frei F Bijouterie .

Bänder aus Seide und Halb142 114 148 seide .

.

.

. 300.

Die Einfuhr der Schweiz aus Belgien setzt sich aus folgenden Hauptposten zusammen : Werth in 1000 Franken.

1886.

1887. 1888

Chemikalien (darunter Stearin ca. Fr. 500,000) 1840 1974 Leder Flachs- u n d Hanfgewebe .

.

.

. 1902 c 849 Flachs- und Hanfgarne .

.

.

Wollengewebe .

.

.

.

.

. 1019 955 Wollengarne .

.

.

.

.

.

758 Steinkohlen und Briquettes 945 Eisen in erster Verarbeitung 312 Bisenwaaren .

.

.

.

.

.

374 Zink .

.

.

.

.

.

574 Fensterglas 718 Fette Oele .

.

.

.

.

Cichorienwurzeln, getrocknete, Feigen, ge479 röstete .

.

.

.

.

.

.

153 Frische Fische .

.

.

.

.

.

1453

2057 1656 949 739 751

1733 1073 234 483 469

1632 1502 1679

934 859 1319 1867 1282 507 541

629

448 753

519

386 284

246

*1 P = im belgiseh-französichen Vertrag gebunden.

Oder 10°/o v. W., je nach der Wahl des Importeurs.

8 Verschiedene Zölle, je nach Gewicht und Fadenzahl. Rohe Fr. 50--300,.

gehleichte 15°/o Zuschlag, gefärbte Fr. 75--325, bedruckte 15% v. W., nicht genannte 10°/o v. W.

3 Gußeiserne Fr. 2.

324

Zu den einzelnen Artikeln des Vertrages bemerken wir Folgendes : In Art. i sichern sieh beide Staaten hinsichtlich des Handels und der Schiffahrt die gleichen Rechte und Begünstigungen zu, welche die Inländer jetzt oder künftig genießen.

Art. 2. Zulassung der jetet bestehenden und in der Folge gegründeten Gesellschaften kommerzieller, industrieller oder finanzieller Natur zu den Gerichten und zur Ausübung ihrer Rechte.

Art. 3 und 4. I n n e r e A b g a b e n . Dieselben sollen für die aus dem andern Staate eingeführten Waaren die gleichen sein wie für die gleichartigen Waaren einheimischer Produktion und nur um den Betrag erhöht werden dürfen, welcher die durch das Ve^brauchssteuersystem den einheimischen Produzenten verursachten Kosten repräsentirt.

Art. 5. H a n d e l s r e i s e n d e . Die Redaktion dieses Artikels weicht, wie bereits erwähnt, von derjenigen älterer Verträge ab.

Die belgischen Handelsreisenden können in der Schweiz in keinem Falle günstiger behandelt werden, als die eigenen Angehörigen, und die Kantone, welche von Inländern Patentgebühren erheben, dürfen in Zukunft die gleichen Taxen- auch von belgischen Reisenden beziehen. Was die schweizerischen Handelsreisenden in Belgien betrifft, so sind sie den Belgiern gleichgestellt, können sich jedoch für eine fixe Patentabgabe von 20 Franken, Zuschlagstaxen inbegriffen, entscheiden. Die gleiche Taxe von 20 Franken ist im belgisch-französischen Handelsvertrag für französische Handelsreisende festgesetzt.

Laut Art. 6 sind die W a a r e n m u s t e r von Eingangszöllen befreit.

Art. 7. Ziusicherung der Gleichbehandlung mit der m e i s t b e g ü n s t i g t e n N a t i o n in Bezug auf Niederlassung, Steuern, Handel und Zölle.

Art. 8. Zollbefreiung für den Transithandel, ausgenommen Waffen und Kriegsmunition, für welche gewisse Vorbehalte ausbedungen sind.

Art. 9. Beide Staaten verpflichten sich, gegen einander keine Einfuhr-, Ausfuhr- oder D u r c h f u h r v e r b o t e anzuwenden, ausgenommen in Kriegszeiten, oder aus sanitätspolizeilichen Rücksichten.

Die Art. 10 und ii enthalten Vorschriften hinsichtlich der D e k l a r a t i o n der zu verzollenden Waareu.

325 Art. i2. Laut diesem Artikel sollen die Importeure von M a s c h i n e n und mechanischen A p p a r a t e n von der Verpflichtung enthoben sein, dem Zollamt irgend ein Modell oder eine Zeichnung des einzuführenden Gegenstandes vorzuweisen.

Art. Ì3. Die festgesetzte V e r t r a g s d a u e r bis \. Februar 1892 und die einjährige Kündungsfrist entspricht unsern übrigen, neuern Verträgen.

Der vorliegende Vertrag wird in den Handelsbeziehungen zwischen den beiden Staaten keine wesentlichen Aenderungen hervorrufen, sein Hauptzweck ist die Konsolidirung derselben.

Von diesem Gesichtspunkte aus empfehlen wir Ihnen den Handelsvertrag mit Belgien zur Annahme und benutzen gleichzeitig den Anlaß, Ihnen, Tit., die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung zu erneuern.

B e r n , den 29. Oktober

1889.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Hammer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: ßingier.

326 (Entwurf)

Bundesbeschluß betreffend

den Handelsvertrag mit Belgien.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1) des am 3. Juli 1889 Handelsvertrages ;

mit Belgien abgeschlossene»

2) der betreffenden Botschaft des Bundesrathes vom 29. Oktober 1889, beschließt: Art. 1. Dem genannten Vertrage wird die vorbehaltene Genehmigung ertheilt.

Art. 2. Der Bundesrath wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

32T

Handelsvertrag zwischen

cler Selrweiz und Belgien.

Der Bundesrath der schweizerischen Eidgenossenschaft,

und Seine Majestät der König der Belgier, von dem Wunsche beseelt, die Handelsbeziehungen zwischen den beiden Ländern auszudehnen und zu entwickeln, haben beschlossen, einen neuen Vertrag abzuschließen, und haben zu diesem Zwecke zu ihren Bevollmächtigten ernannt, nämlich: Der Bundesrath der schweizerischen Eidgenossenschaft: Herrn Bundesrath N u m a D r o z , Vorsteher des schweizerischen Departements des Auswärtigen; Seine Majestät der König der Belgier: Seine Exzellenz Herrn J o s e p h J o o r i s , außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister bei der schweizerischen Eidgenossenschaft, Kommandeur des Leopoldsordens, Großkordon der Orden Isabellas der Katholischen, der Krone von Rumänien, des heiligen Gregor des Großen, etc., etc., etc., welche, nach Mittheilung ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten, sich über folgende Artikel geeinigt haben: Art. 1. Zwischen den Staaten und Besitzungen der beiden hohen vertragschließenden Theile wird gegenseitige Handelsfreiheit bestehen ; die Schweizer in Belgien und die Belgier in der Schweia sollen in Bezug auf Handel und Schifffahrt der gleichen Rechte, Privilegien, Freiheiten, Begünstigungen, Immunitäten und Befreiun-

328 gen theilhaftig werden, welche die eigenen Staatsangehörigen genießen oder noch genießen werden.

Art. 2. Die hohen vertragschließenden Theile erklären, allen Gesellschaften und andern Vereinigungen kommerzieller, industrieller und finanzieller Natur, welche nach den besondern Gesetzen der einen oder andern der beiden Staaten konstituirt und konzessionirt sind, die Befugniß einzuräumen, alle ihre Rechte auszuüben und vor Gericht, sei es als Kläger, sei es als Beklagte aufzutreten und zwar in der ganzen Ausdehnung der Staaten und Besitzungen des andern Macht, unter der alleinigen Bedingung, daß sie sich nach den Gesetzen dieser Staaten und Besitzungen richten.

Man ist einverstanden, daß die vorstehenden Bestimmungen sowohl auf die vor der Unterzeichnung des gegenwärtigen Vertrages, als auch auf die in der Folgezeit konstituirten und konzessionirten Gesellschaften und Genossenschaften Anwendung finden.

Art. 3. Die aus einem der beiden Länder herstammenden und in das andere eingeführten Waaren jeder Art dürfen keinen höhern Abgaben oder Verbrauchssteuern unterworfen werden, als denjenigen, welche die gleichartigen Waaren einheimischer Produktion treffen oder noch treffen könnten.

Jedoch sollen die Einfuhrgebühren um den Betrag erhöht wer" den dürfen, welcher die durch das Verbrauchssteuersystem den ein" heimischen Produzenten verursachten Kosten repräsentirt.

Art. 4. Die schweizerische Regierung sichert zu, daß die belgischen Erzeugnisse von den kantonalen oder Gemeindebehörden in keinem Falle andern oder hohem Verbrauchs- oder Oktroigebiihren unterworfen werden, als denjenigen, welchen die Landesprodukte unterworfen sind.

Art. 5. Die Handelsreisenden, welche in der <
Das gleiche gilt für die Handelsreisenden, welche für Rechnung eines in der Schweiz etablirten Hauses in Belgien reisen. Jedoch können diese Reisenden sich für eine fixe Patentabgabe von zwanzig Franken, Zuschlagstaxen inbegriffen, entscheiden.

Art. 6. Eingangszollpfliehtige Gegenstände, welche als Muster dienen und von Reisenden belgischer Handlungshäuser in die Schweiz oder von Reisenden schweizerischer Hnndlungshäuser in Belgien eingeführt werden, sollen beiderseits, unter den zur Sicherung ihrer

329 Wiederausfuhr oder abermaligen Verbiingung in ein Niederlagshaus erforderlichen Zollformalitäten, vorübergehend zollfrei zugelassen werden. Diese Formalitäten sollen in der Schweiz und in Belgien die gleichen sein und zwischen den beiden Regierungen in gemeinsamem Binverständniß geregelt werden.

Art. 7. Keiner der beiden vertragschließenden Theile kann von der Einfuhr, der Niederlage oder der Ausfuhr von Boden- oder Fabrikationserzeugnissen des andern Theils höhere Gebühren erheben, als diejenigen, mit welchen die gleichartigen Erzeugnisse jedes andern fremden Landes belegt sind oder belegt werden können.

Die beiden vertragschließenden Theile sollen gegenseitig vollberechtigt jede Begünstigung in Bezug auf Niederlassung, Steuern, Handel und Zölle genießen, welche von dem einen derselben einer dritten Macht zugestanden ist oder noch zugestanden wird.

Art. 8. Bei der Durchfuhr durch einen der beiden Staaten sollen Waaren aller Art gegenseitig von jeder Durchfuhrabgabe befreit sein.

Die Durchfuhr von Schießpulver, Waffen und Kriegsmunition kann verboten oder es kann dafür besondere Ermächtigung vorbehalten werden.

Die Gleichstellung mit der meistbegünstigten Nation wird jedem der beiden Staaten in Bezug auf Alles, was die Durchfuhr betrifft, zugesichert.

Art. 9. Keiner der beiden vertragschließenden Theile wird gegen deu andern ein Einfuhr-, Ausfuhr- oder Durchfuhrverbot anwenden, welches nicht gleichzeitig auf alle andern Nationen angewendet würde, vorbehaltlich der zeitweiligen Verbote oder Beschränkungen, welche sie aus Gesundheitsrücksichten, zur Verhinderung der Ausbreitung von Viehseuchen oder der Zerstörung der Ernten oder infolge von Kriegsereignissen aufzustellen für nöthig erachten.

Art. 10. Die Zolldeklarationen sollen alle zur Anwendung der Zölle nothwendigen Angaben enthalten ; so sollen dieselben außer der Gattung, Art, Qualität, Herkunft und Bestimmung der Waare, je nach dem Falle, das Gewicht, die Zahl, das Maß oder den Werth angeben.

" Wenn es dem Deklaranten infolge außergewöhnlicher Umstände nicht möglich ist, die zu verzollende Waarenmenge anzugeben, so wird ihm die Zollbehörde gestatten, auf seine Kosten in einem von ihr bezeichneten oder bewilligten Lokal das Gewicht, das Maß oder die Anzahl selbst zu ermitteln; hierauf ist der Importeur gehalten,

330

innerhalb der von der Gesetzgebung eines jeden Landes vorgeschriebenen Frist die ausführliche Deklaration der Waare einzureichen.

Art. 11. Sofern in Bezug auf die Waaren, welche nach dem Bruttogewichte verzollt werden, der Deklarant wünscht, daß die Zollerhebung nach dem Nettogewichte stattfinde, so soll er dieses Gewicht in der Deklaration angeben. Ist dies nicht geschehen, so iindet die Zollabfertigung, nach Abzug der gesetzlichen Tara, nach dem Bruttogewichte statt.

Art. 12. Die Importeure von vollständigen Maschinen und mechanischen Apparaten oder einzelnen Theilen davon, sowie von allen andern Waaren, sind von der Verpflichtung befreit, der Zollbehörde des einen oder des andern Landes irgend ein Modell oder eine Zeichnung des einzuführenden Gegenstandes vorzuweisen.

Art. 13. Die Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrages sollen in den beiden Staaten vierzehn Tage nach dem Austausch der Ratifikationsurkunden vollziehbar sein. Der Vertrag soll bis zum 1. Februar 1892 in Kraft bleiben. Falls keiner der hohen vertragschließenden Theile zwölf Monate vor Ablauf des gedachten Zeitraums seine Absicht, die Wirkungen desselben aufhören zu lassen, kundgegeben haben wird, bleibt der Vertrag in Kraft bis zum Ablauf eines Jahres von dem Tage an, an welchem der eine oder der andere der beiden hohen vertragschließenden Theile denselben gekündigt haben wird.

Die hohen vertragschließenden Theile behalten sich das Recht vor, im gegenseitigen Einverständnisse an diesem Vertrage jede Abänderung vorzunehmen, welche mit, dem Geiste und den Grundsätzen desselben nicht im Widersprüche stehen und deren Nützlichkeit die Erfahrung dargethan haben wird.

Ari. 14. Der gegenwärtige Vertrug soll der Genehmigung der gesetzgebenden Kammern der Schweiz und Belgiens unterbreitet werden, und es sollen die Ratifikationsurkunden innerhalb sechs Monaten von der Unterzeichnung an gerechnet oder wenn thunlich früher in Bern ausgewechselt werden.

Zur Urkunde dessen haben die Bevollmächtigten den Vertrag unterzeichnet und demselben ihre Siegel beigedrückt.

So geschehen in doppelter Ausfertigung in Bern, den S.Juli 1889.

(L. S.) (Gez.) Droz.

(L. S.) (Gez.) J. Jooris.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend den am 3. Juli 1889 mit Belgien abgeschlossenen Handelsvertrag. (Vom 29. Oktober 1889.)

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02.11.1889

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319-330

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