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Kreisschreiben des

eidg. .Departements des Jnnern an sämmtliche eidgenössische Staude, betreffend die Organisation eines Systems gemeinsamer meteorologischer Beobachtungen durch die Schweiz.

(Vom 7. Januar 1863.)

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Wie dem lezten Jahrgange des Bnudesblattes (Band ll , Seite

ff.) zu entnehmen ist, besehästigt sieh die allgemeine schwei-

prische Gesellschaft der Naturwissenschaften mit der Organisation regelmässiger meteorologischer Beobachtungen durch die ganze Schweiz.

Es geschieht diess durch das Mittel einer meteorologischen kommission, mit Unterstüzung der Bundes- und Kantousbehorden und unter der be-

reitwilligen Mitwirkung eifriger Vrivaten. Das Ergebniss der bisherigen

Bemühungen erlaubt die Verwirklichung des Unternehmens als gesichert zu betrachten. bis Ende Herbstes lausenden Jahres sollen 86 Stationen (später wahrscheinlich 88) mit guten Jnstrumenten ausgestaltet sein und ihre gemeinsamen. Beobachtungen beginnen, welche uns dann dureh das Mittel der Kommission zur Zusammenstellung und Publikation übergeben werden sollen. Wir hoffen, auf diesem Wege zu einer vollständigere Kenntniss der verwikelten Wilternngsverhältnisse unsers Vaterlandes zu gelangen, als man sie bis sezt erhalten konnte.

Eine andere Seite der Natur unsers Landes aber, welche näher zn ermitteln von hoher Wichtigkeit ist, umsasst die Wasserverhältnisse unserer Seen und Flüsse. Wenn die Schweiz, wie andere Gebirgsländer.

sieh eines grossen Wasserreiehthums erfreut, den. sie grossentheils ihre Fruchtbarkeit und industrielle Entwiklung zu verdanken hat, so bringen ihr hinwieder dieselben Ge.vässer sene häusigen Verheerungen und Ver..

sumpsungen, welche alljährlich beinahe zu Klagen .Anlass geben, zahlreiche und kostbare Korrektionsvorschläge hervorgerusen haben und wiederholt sehon vor die Bundesversammlung zur Sprache gebracht worden sind.

Der Bekämpfung eines solchen Ueb...ls muss ab.r eine Kenntniss seiner Ursachen, seines Umfanges, seiner Aeusserungssormen vorausgehen. .Aller-

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l17 dings tragen die obgenannten meteorologischen Beobachtungen zur Kenntniss der veränderlichen Wasserverhältnisse der Sehwe.z bedeutend bei; allein sie genügen nicht und bedürfen einer Ergänzung durch die unmittelbare Beobachtung der Wasserstände der grossern Flüsse nnd Seen, d. h.

durch Vegelbeobachtnngeu. Erlauben Sie uns, zur Erlänterung dieses Gegenstandes einige allgemeine Bemerkungen nber die Wass.rverhältnisse der Schweiz und ihren Zusammenhang mit den Witterungserscheinungen Jhnen vorzulegen.

Die Hügel und Berge der Schweiz bieten dem Wasser ^leichte Abflusswege und vermehren zugleich ..^..rch ihre Erhebung in die hohern Luftschichten bedeutend die Menge dex wässerigen Niederschlage. Die.gan.^ Wassermenge, die einem Flussgebiete in Gestalt von Regen und Schnee zu Theil wird, zerfällt im .Allgemeinen in drei Theile: der erste verdunstet wieder und wird von den Winden^ in andere Länder getragen; der zweite dringt durch tausend unbekannte Wege. der dritte sliesst, wenn auch durch Hindernisse verzogert, oberflächlich ab. Da der zweite Antheil, in Gebirgslandern wenigstens, in den zahlreichen Quellen wieder ^u Tage tritt, so umfassen die ^lüsse nahe den ganzen nicht wieder verdunstenden Theil der Niederschlage. Die g a n z e Menge der Niederschlage wird man mit der Zeit aus den unternommenen meteorologischen Beobachtungen kennen lernen. den nach Abzug der Verdunstung zurükbleibenden Theil aus Messungen über die .^.ohe nnd Geschwindigkeit der Flüsse da, wo sie den Sch.oeizerboden verlassen, also für die Rhone bei Genf, für den Rhein bei Basel, für den .^nn bei der Martinsbruk, für den ....^.ssiu und die Maggia bei Meudrisio uud Loearno n. s. f. Dieser Theil, so weit ihn die ganz ungenügenden Beobachtungen schien lassen, steigt auf wehr als die Halste der Gesammtmenge.

Jndess ist es weniger das Gesammt.^nantum Wasser unserer Flüsse, eine nur in langen Jahrhunderten wenig veränderliehe Grosse, als die Vertheilung desselben anf die verschiedenen Reiten des Jahres, welche von. staatswirtschaftlichen Standpunkte aus besondere Beachtung verdient. Aber auch da hängen die Wasserverhältnisse in erster Linie mit den Jahreszeiten und ihren Regenverhältnissen oder mit meteorologischen Erscheinengen zusammen. Die i e ^ i g e n ^trom- und ^lussbetten, moge.. sie in den Boden ein^egraben oder dnrch Ablagerung
von Gerollmassen über denselben gehoben sein, sind in der Regel, einige plo^liche Veränderungen ausgenommen, das langsame Werk der Jahrhunderte unl.. ändern sich noeh jezt nur langsam und allmälig. Allein sie entsprechen nur dem regelmäßigen mittlern Abflusse, aus dessen Wirkung sie hervorgegangen, genügen hingegen nieht immer für die bisweilen eintretenden ungewol^nlichen Anschwellungen, welche darum eben .so gefährlich werden.

Aus den Vegelbeobachtungen der wenigen Vnnkte , ans wel.hen die W^sserstände seit längerer Zeit ausgezeichnet werden, ergibt sieh, dass man d^ei ^lrten ^von^ Anschwellungen unterscheiden müsse: 1) die v o n ^ der

118 Schneeschmelze im Gebirge verursachten, Ende Frühling, 2) die von andauernder schlechter Witterung oder, besser gesagt, von mehrtägigem Regen herrührenden, die aus alle Jahreszeiten, namentlich aber ans den Herbst fallen konnen; 3) endlich die Wirkungen besonders heftiger Gewitter und Wolkenbrüche, in der Regel eine Erscheinung des Sommers.

Jn Folge dessen beobachtet man ge.vohnlieh in jedem Jahre ein ^weisaches Steigen der Gewässer, das eine, von der Wärmeznnahme bestimmt, Ende ^rühlings oder Ansang Sommers, mit einem gewissen Eharakter der Dauer und Regelmässigkeit; das andere, bisweilen auch mehrere andere, gegen Ende Sommers oder häufiger im Herbst, seinen..

Zeitpunkte, seiner Stärke, seiner Dauer nach sehr veränderlich. Obgleich diess zweite Mar.imnm in den e.u^elnen Jahren meist das stärkere und desshalb das Gefahr briugende ist, verschwindet es dennoch im Mittel vieler Jahre gegen das erstere, weil es in verschiedenen Jahren ans abweichende Zeiten fällt, steh in gleicher Weise nicht wiederholt und durch den Eintritt warmer Witterung wesentlich reduzirt wird.

Die Frühlingsanschwellungen der Schneeschmelze, weil sie mit steipender Sonne nur altmälig eintreten und von einer Wassermenge herrühren, die im Vergleich mit der Regenmenge eines nassen Sommermonates nicht bedeutend ist^ werden an sich selten gesährlich, es sei denn, dass mehrtägige Fohnregen sich damit verbinden. Die meisten Wasser...erheernngeu fallen^ daher nicht aus Winter nnd ^rühjahr , sondern aus Ende Sommer und gerbst. Dabei unterscheiden sieh die Anschwellungen aus andauernden Regen, sogenannten Landregen, von denen einzelner Wollenbrüehe, uue die atmosphärischen Erscheinungen selbst, aus denen sie hervorgehen, durch Umfang und Daner. Die plagen über die erstern ertonen dann ans den entferntesten Theilen des Landes, wahrend die Verwüstungen einzelner Wolkenbrüche mehr lol.al sind, ost nnr einzelne Tl.^äler gefährlich heimsuchen.

Hiebei übt die .^eschassenl^.it des Flussgebietes einen wichtigen Ein-

fluss aus, so dass dieselbe Ursache da einen verderblichen , kurz dauernden ^lnsbrnd., ^ort .^in geringeres^ aber länger anhaltendes Ueberfliessen veranlassen kann. gesteht ein grosseres ^lussgebiet aus Z^eigthälern , die fäehersormig von .verschiedenen Reiten her sich in einem ^untte vereinigen, ^o gelangt ..^as Wasser von allen peripher.schen Bezirken in nahe gleicher ^eit zum Stamme und bewirkt natürlich ein ausserordentliches Steigen.

Hat dagegen das Gebiet, nm den andern Er.tremsall zu wählen, eine lange Erstrekung , so dass die Zweige nur sneeesfiv das Hauptthal erreichen, so sliesst auch das Wasser nur sueeessiv dem Stamme zn, und das Steigen, das man an d^.r Ausmündnng desselben beobachtet, indem es erst von den nähern , dann von den entferntern Zuflüssen herrührt , gewinnt den Eharakter einer weniger plozlichen, aber länger dauernden AnSchwellung.

Das Dasein der Seen, wie sie merkwürdig zahlreich in der Schweiz den ^ans der Flüsse unterbrechen, wird in doppelter Hinsicht ein Moderator der

119 Wasserverheerungen. Während eine Menge unserer Flüfse mit dem Eharakter der Bergstrome, das heisst mit der Eigenschaft raschen Steigens und Sin^ kens , in die Seen mündet , verlassen sie dieselben mit der Eigenschaft, nur gemilderte, gedehnte Veränderungen zu zeigen. Der pl^liche Zuflnss, aus die weite Fläche vertheilt, hat nur eine verhäl^nissmässig geringe Erhohung ihres Spiegels zur Folge und darum auch eine nur geringe Vermehruug der Abflussgeschwindigkeit. Rieht weniger wichtig werden zweitens ^ie Seen als weite Sammler für die ungeheuren Geroll- u..d Geschiebmassen , welche die Gebirgsstrome mit sieh sühren und zeitweise über den sruchtbaren Boden ausschütten , wodurch dessen Benuzung auf Jahre, ja aus Jahrhunderte vernichtet wird. Jn der That bestanden die bedeutendsten und wirksamsten Korrektionen , die in der Schweiz ausgeführt wnrdeu, in einer Ableitung oder in einer Erleichterung des Abflusses der Strome nach solchen Behaltern hin. Die Ueberslnthungen , welche unterhalb eines Sees durch ungewöhnliche Wasserhohen eintreten, haben den verderblichen Eharakter nicht mehr, welchen sie oberhalb Beigen, und der ^luss gewinnt erst später wieder in Folge neuer ungemildeter ^nslüsse seine gesährl.ehen Eigenschaften wieder. Durch Anbringung passend gehandhabter Schleussen hat man überdiess ein Mittel, den Seespiegel und dami. die Wa.^erverhältuisse des untern Flusslauses ^u reguliren. Für den obern Laus sehlt leider ein so einfaches Mittel, und daher hat man mit allen Schwierigkeiten zu kämpfen, welche die gan^e Eindämmung behnss gefahrloser ^ortschassung der Geschiebmassen mit stch bringt.

Wir haben hiemit die .^auptursaehen genannt, welche die ^..chwanknngen der Wasserverhältnisse unsers Landes bedingen ; allein in jeder Gegend , in jedem Thale sprechen sie sieh in anderer, eigentümlicher

Weise ans. Einem Urtheile über die Möglichkeit und die Mittel der

Abhülfe muss eben vor Allem eine nähere Kenntnis,. des Uebels und seines lokalen Charakters vorausgehen, und dazu liesern regelmässig sortgesührte Beobachtuugen des Wasserstandes an gnt plaeirten Begeln das geeignetste

Mittel. Es ist diess längst schon anerkannt. Die schonen Arbeiten des

Lint^kanales gründeten sieh aus sortgesezte Messungen, welche in den beiden Seen von Wallenstadt und Zürich nn^ in der Linth und Limmat angeordnet wurden. Ebenso hat mit Rüksicht ans die Korrektion der^Juragewisser die Regierung des Standes Bern schon^von 18l^ au Begelbeobachtungen vornehmen lassen, welche seit l 84t und 1842 durch die betretende Vorbereitnngskommission sortgese^ und später. als das Studium der Korrektionsfrage an die Bundesbehorden herantrat, von diesen noch weiter ausgedehnt wurden. Seit 1858 sind nicht nur auf den frühen .^tationen^ die Begelbeobaehtungen sortgesezt, sondern eine Reihe neuer, bis ans die Gesammtzahl von 23 hinzugefügt worden. ^)

^) ^e 1 S^lon ln Aarberg, Arch, Bachmatt. Brugg, Buren, Dozigen, ^aneI bei ..^am^len, ^eugenen, ^elenried, St. Johannsen, ^lhlbrügg, Zihln.^I (^l. Bern), Mur^n, Sugier^uIl.^ (.^reiburg), Attl^holz, .^mmenholz, ..^u^..

ugen, .^ümberg (.^t. So^othurn) und La Sange (^t. Waad^., ^e 2 Stativ nen in ^idau und Solothurn.

120 ^lber alle diese und ähnliche Versuche beschränken sich auf ein bestimmtes ..Gebiet, stehen mit andern Gegenden in ^keiner Verbindung, und gestatten daher auch keine Einsicht in ihre gegenseitigen Beziehungen. Wir würden es .schon als einen grosse^ Fortschritt betrachten, .penn die Orte, sür welche solche Fragen eine besondere Wichtigkeit haben, ihre Beobachtnngen nach gemeinsamen, sichern Grundsäzen einrichten wollten.

Um nun die Möglichkeit eines solchen Zusammenwirkens zu einem gemeinsamen Zweke zu beurtheilen , ist es vor Allem nothig zu wissen.

was bisher an jedem vom Einflusse eines Sees oder Flusses betroffenen Orte für Begelbeobachtu..gen geschehen ist oder noch geschieht. ..Vielleicht dass , ohne das Mass der bisherigen Leistungen der Gemeinden in dieser ..Beziehung bedeutend zu erhohen , schon durch ein harmonisches Handeln unpassendere und solgenreichere Resultate als bisher zu gewinnen wären.

Diess veranlasst uns, Tit., Sie zu ersuchen, uns mogliehst vollständige und sichere Daten über folgende Bunkte geben ^u wollen : 1) An welchen Vunkten Jhres Kantons, an .welchen Flüssen und Seen werben Begelbeobachtungen angestellt .^ Oder ^o wären solche wünschbar ^ 2) Wie sind die ^egel eingerichtet uud in welchem Zustande befinden sie sich^ Wie wurde ihre absolute Hohe bestim.nt^ Was bezeichnet ihr Rullpunkt . den tiefsten, den mittlern oder einen willkürlichen Wasserstando 3) Stehen die Begel vereinzelt, oder gehören sie mit andern unterund oberhalb zu einem gemeinsamen System ^ Sind gegenseitige Lage und Höhe genau ermittelt^ 4) Was sür Beobachtungsreihen liegen bereits vor^ Welche Beobachtungen werden je.^t noch sortgese^t.. Aus wessen Auftrag und Kosten und von wem.^ Wollen Sie Jhren Mittheilungen noch andere, die Wasserverhältnisse Jhres Kantons betreffende Bemerkungen beifügen, so werden uns dieselben in hohem Grade willkommen sein.

Genehmigen ..^ie, Tit., die Versieherüng unserer vollkommenen Hoeh...chtung.

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Bern, den 7. Januar 1863.

Der Vorsteher vom eidg. Departement des Jnnern.

^. B. ^i.^a.

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Kreisschreiben des eidg. Departements des Innern an sämmtliche eidgenössische Stände, betreffend die Organisation eines Systems gemeinsamer meteorologischer Beobachtungen durch die Schweiz. (Vom 7. Januar 1863.)

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16.01.1863

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