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zu 21.502 Parlamentarische Initiative Wachsende Wolfsbestände geraten ausser Kontrolle und gefährden ohne die Möglichkeit zur Regulierung die Landwirtschaft Bericht der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerates vom 23. Juni 2022 Stellungnahme des Bundesrates vom 31. August 2022

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerates vom 23. Juni 20221 betreffend die parlamentarische Initiative 21.502 «Wachsende Wolfsbestände geraten ausser Kontrolle und gefährden ohne die Möglichkeit zur Regulierung die Landwirtschaft» nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

31. August 2022

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ignazio Cassis Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Die letzte Totalrevision des Jagdgesetzes vom 20. Juni 19862 (JSG) zeigte Wirkung.

Seither haben sowohl die Verbreitung als auch die Bestandsgrösse von bestimmten geschützten Arten zugenommen. Diese Entwicklung ist im Interesse des Artenschutzes gemäss Gesetz, führt aber auch zu einer Zunahme von Konflikten zwischen den Ansprüchen der Wildtiere und den Interessen der Menschen. Gerade der Wolf geriet mit der zunehmenden Ausbreitung und der Bildung von Rudeln ins Zentrum politischer Debatten. Für ein Nebeneinander von Mensch, Nutztier und Wolf werden heute ein pragmatischer Umgang und die hierfür notwendigen Rechtsgrundlagen gefordert.

Weil das geltende Jagdgesetz nur einen beschränkten Spielraum zur Lösung der Wolfsproblematik bot, hat das Parlament in den Jahren 2014 und 2015 die Motion 14.3151 «Zusammenleben von Wolf und Bergbevölkerung» überwiesen. Es hat damit dem Bundesrat den Auftrag zu einer Teilrevision des Jagdgesetzes erteilt. Ziel der Revision war, die rechtlichen Grundlagen für bessere Rahmenbedingungen im Umgang mit Grossraubtieren zu schaffen. Zur Umsetzung dieser Motion hat der Bundesrat am 23. August 2017 dem Parlament die «Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel, 17.052» überwiesen. Das Bundesparlament hat am 27. September 2019 einem darauf aufbauenden Gesetzesentwurf zugestimmt. Gegen die Gesetzesrevision wurde das Referendum ergriffen. Die Volksabstimmung dazu fand am 27. September 2020 statt, wobei die Stimmbevölkerung die Revision des Jagdgesetzes ablehnte.

Im Nachgang zur Volksabstimmung wurde in der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates (UREK-N) am 17. November 2020 der Parlamentarische Initiative 20.482 «Ausgewogenes Jagdgesetz» Folge gegeben, welche am 14. Januar 2021 in der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerates (UREK-S) jedoch keine Zustimmung fand. Die Kommission war der Auffassung, es sei verfrüht, einen erneuten Anlauf für eine Revision zu starten. Sie wollte vielmehr, wie ihre Schwesterkommission des Nationalrates, mit einer Revision der Jagdverordnung den Spielraum des aktuellen Jagdgesetzes auszunützen, um rascher in Wolfsbestände eingreifen zu können und den Herdenschutz zu stärken. Das Parlament hat schliesslich zwei gleichlautende Motionen (UREK-N
20.4340; UREKS 21.3002) überwiesen, die in den Räten angenommen wurden. Die vom Bundesrat aufgrund dieser Motionen geänderte Jagdverordnung trat am 15. Juli 2021 in Kraft.

Die revidierte Jagdverordnung erlaubte im Sommer und Herbst 2021 den rascheren Abschuss von schadenstiftenden Einzelwölfen und von Jungwölfen in Rudeln, beeinflusste das Wachstum des Wolfsbestands jedoch nur in geringem Masse. Dieser nahm in der Schweiz auch 2021 zu und erreichte Ende Jahr einen Stand von rund 150 Wölfen (Ende 2019 rund 80 Wölfe, Ende 2020 110 bis 120 Wölfe). Angesichts dieser Entwicklung überwies die UREK-S an ihrer Sitzung vom 22. Oktober 2021 die par-

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lamentarische Initiative «Wachsende Wolfsbestände geraten ausser Kontrolle und gefährden ohne die Möglichkeit zur Regulierung die Landwirtschaft» (21.502). Die UREK-N stimmte dieser am 18. Januar 2022 zu.

Am 23. Juni 2022 hat die UREK-S einen Entwurf für die Teilrevision des Jagdgesetzes verabschiedet. Diese fokussiert auf die proaktive Regulierung von Wolfsbeständen, um vorausschauend Schäden oder eine Gefährdung von Menschen zu verhüten.

Zudem übernimmt die Kommission in der Vorlage das Anliegen der Standesinitiative des Kantons Thurgau 15.300 «Änderung des Jagdgesetzes zur Entschädigung für Schäden, welche der Biber an Infrastrukturen anrichtet». Dieser Initiative wurde 2017 von beiden Räten Folge gegeben, sie sollte im Rahmen der Jagdgesetzrevision 2019 umgesetzt werden und wurde sodann aufgrund des angenommenen Referendums abgeschrieben.

Am 5. August 2022 hat die UREK-S den Bundesrat zur Stellungnahme eingeladen.

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Stellungnahme des Bundesrates

Der Bundesrat unterstützt das mit der Parlamentarischen Initiative 21.502 verfolgte Bestreben, die Wolfspopulation in der Schweiz wirkungsvoll zu regulieren. Mit der Umsetzung des Konzepts einer proaktiven Bestandsregulierung sollen Wölfe in Zukunft nicht mehr aufgrund von Schäden oder Gefährdungen von Menschen reguliert werden, die sie in der Vergangenheit verursacht haben. Vielmehr sollen zukünftige Schäden oder Gefährdungen von Menschen verhütet werden. Mit der vorgeschlagenen Regelung soll an der heutigen Kompetenzordnung zwischen dem Bund und den Kantonen festgehalten werden. Damit geht die Kommission auf einen Hauptkritikpunkt an der Vorlage von 2019 ein.

Die Erweiterung des Handlungsspielraums beim Abschuss von einzelnen Wölfen erachtet der Bundesrat als zielführende Massnahme. Damit können Wölfe erlegt werden, die ihre natürliche Scheu verlieren, zunehmend in Siedlungen auftauchen und so zum Risiko für Menschen werden.

Der Bundesrat betont, dass er den Vorschlag der Kommission als konform mit der Berner Konvention versteht. Die Regulierungsbedingungen in Artikel 7a Absatz 2 können so interpretiert und angewendet werden, dass sie die Bedingung der Notwendigkeit im Sinne von Artikel 9 der Konvention erfüllen.

Der Bundesrat anerkennt auch das Anliegen, dass die kantonale Regulierung der Steinbockbestände neu bereits ab dem 1. August möglich sein soll.

Der Bundesrat hat festgestellt, dass der in Artikel 12 Absatz 4 des Entwurfs vorgesehene Vorbehalt nicht notwendig ist. Ein Vorbehalt soll dazu dienen, die Anwendung einer Norm zugunsten der vorbehaltenen Norm auszuschliessen. Der Entwurf hingegen möchte den Kantonen die Möglichkeit bieten, sowohl Artikel 7a präventiv als auch Artikel 12 Absatz 4 reaktiv anzuwenden. Die Botschaft ist im Übrigen eindeutig, was die Parallelität dieser Normen betrifft. Der Bundesrat schlägt daher vor, den zweiten Satz von Artikel 12 Absatz 4 zu streichen.

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Der Bundesrat beantragt dem Parlament, auf die vorgeschlagenen neuen Finanzhilfen im Jagdgesetz zu verzichten. Finanzpolitisch gibt es in den kommenden Jahren keinen Spielraum zur Finanzierung von Mehrausgaben und damit auch nicht für die vorgesehenen Unterstützungen von kantonalen Aufgaben. Er lehnt deshalb die neuen Bestimmungen in Artikel 7a Absatz 3 (Finanzhilfen an kantonale Vollzugskosten), Artikel 12 Absatz 5 Buchstabe b (Beiträge an kantonale Massnahmen zur Verhütung von Biberschäden) sowie Artikel 13 Absatz 5 (Entschädigung von Biberschäden an Infrastrukturen) ab.

Beim Wildtierschutz handelt es sich zwar um eine Verbundaufgabe von Bund und Kantonen. Das geltende JSG regelt in Artikel 14 die Aufgabenteilung bezüglich Information, Ausbildung und Forschung bereits abschliessend; nach Ansicht des Bundesrates ist deshalb eine zusätzliche Finanzhilfe des Bundes an die Kantone für die Sensibilisierung und Information der Bevölkerung nicht nötig. Darüber hinaus werden die Kantone im Rahmen der Programmvereinbarungen für den Wildtierschutz bereits entschädigt. Die Bestandesregulierung hingegen liegt hauptsächlich im Interesse des jeweiligen Kantons, nach Ansicht des Bundesrates sollte deshalb deren Vollzug nicht mit Bundesgeldern unterstützt werden.

Mit den Kleinsubventionen an die Entschädigung von Biberschäden an Bauten und Anlagen im öffentlichen Interesse sowie den Beiträgen an kantonale Massnahmen zur Verhütung von Biberschäden entsteht nach Ansicht des Bundesrates zudem die Gefahr von Doppelsubventionierungen. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass bei auftretenden Konflikten allfällige Schäden im Rahmen der geltenden Zuständigkeiten getragen werden und Lastenverschiebungen von Gemeinden und Kantonen zum Bund vermieden werden sollten. Der Erhalt der Biodiversität ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, die auch von den Kantonen und den Gemeinden mitzutragen ist.

Dem Bundesrat ist bekannt, dass verschieden Verbände aus den Bereichen Naturschutz, Jagd und Landwirtschaft weitere Vorschläge für Anpassungen im Jagdgesetz ­ unter anderem auch zur Arten- und Lebensraumförderung ­ unterbreitet haben. Er nimmt zur Kenntnis, dass die UREK-S auf die Wolfsbestandsregulierung fokussiert und keine Schutzanliegen aufgenommen hat.

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Antrag des Bundesrates

Der Bundesrat beantragt Eintreten und Zustimmung zur Vorlage der UREK-S, mit Ausnahme folgender Artikel, die der Bundesrat zur Streichung vorschlägt: ­

Artikel 7a Absatz 3

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Artikel 12 Absatz 4 2. Satz sowie Absatz 5 Bst. b

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Artikel 13 Absatz 5

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